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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und der Islamischen Republik Iran
Dr. Alexander Werner
Dr. Claus Bauer
Prof. Dr. Johannes Harsche
HA-Report Nr. 916
Wiesbaden 2016
Eine Veröffentlichung der HA Hessen Agentur GmbH
Postfach 1811
D-65008 Wiesbaden
Konradinerallee 9
D-65189 Wiesbaden
Telefon 0611 95017-8304
Telefax 0611 95017-8313
E-Mail info@hessen-agentur.de
Internet http://www.hessen-agentur.de
Geschäftsführer: Folke Mühlhölzer (Vorsitzender)
Dr. Rainer Waldschmidt
Vorsitzender des Aufsichtsrates: Tarek Al-Wazir,
Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Titelbild: fotolia.com
Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Belegexemplar erbeten.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und der Islamischen Republik Iran
Inhalt Seite
Vorwort des hessischen Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und
Landesentwicklung, Tarek Al-Wazir
Grußwort des Geschäftsführers Germany Trade and Invest, Dr. Jürgen Friedrich
Grußwort der Geschäftsführer der HA Hessen Agentur GmbH und
Hessen Trade & Invest GmbH, Folke Mühlhölzer und Dr. Rainer Waldschmidt
1 Einleitung 1
2 Struktur und Entwicklung der iranischen Volkswirtschaft 3
2.1 Historie, geopolitische Situation und Bevölkerung 3
2.2 Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftsstruktur 5
2.3 Internationale Handelsbeziehungen 10
2.4 Ausländische Direktinvestitionen 14
3 Außenwirtschaftliche Verflechtung zwischen der Islamischen Republik
Iran und Hessen 16
3.1 Außenhandel 16
3.2 Direktinvestitionen 23
4 Branchenentwicklungen in der Islamischen Republik Iran und Export-
und Investitionspotenziale für hessische Unternehmen 25
5 Einschätzungen zu den iranisch-hessischen Wirtschaftsbeziehungen
von Experten 32
6 Zusammenfassung und Fazit 41
Abbildungsverzeichnis 44
Tabellenverzeichnis 45
Literatur und Quellen 46
Anhang 49
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach dem Abschluss des Atomabkommens mit der Islami-
schen Republik Iran und der Aufhebung eines wesentlichen
Teils der Sanktionen zu Beginn des laufenden Jahres blickt
die internationale Wirtschaft mit großem Interesse auf den
Iran. Die Einigung hat den Weg für einen deutlich intensiveren
Wirtschaftsaustausch geebnet, wenngleich einige Sanktionen
weiterhin Bestand haben.
Mit einer jungen und gut ausgebildeten Bevölkerung von rund
80 Mio. Einwohnern, beträchtlichen Ressourcen und einer gut diversifizierten Wirtschafts-
struktur bietet der Iran einen der attraktivsten Märkte am Persischen Golf, und Produkte
„Made in Germany“ genießen dort einen hervorragenden Ruf. Dass der Iran nicht nur Wa-
ren, sondern auch manche technische Standards aus Deutschland importiert hat, ist ein
weiterer Vorteil, wenn es darum geht, an die lange gemeinsame Handelstradition anzu-
knüpfen.
Mit der vorliegenden Publikation möchten wir über den Iran und die neuen Möglichkeiten
einer bilateralen Wirtschaftskooperation informieren. Besondere Chancen eröffnet der hohe
Modernisierungsbedarf in der Infrastruktur sowie im Maschinen- und Anlagenbau. Perspek-
tiven für die innovationsstarken und international ausgerichteten hessischen Unternehmen
ergeben sich auch in der Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik sowie in der Energie-
und Umwelttechnik. Wegen dieser Potenziale hat das Hessische Wirtschaftsministerium
den Iran als Ziel seiner Delegationsreise vom 16. bis 21. September 2016 ausgewählt.
Wirtschaftsbeziehungen sind keine Einbahnstraße. Hessen bietet mit seiner zentralen Lage
und seinen hervorragenden Verkehrsverbindungen sowie als führender kontinentaleuropä-
ischer Finanzplatz und wettbewerbsstarker Technologie- und Industriestandort auch irani-
schen Unternehmen den optimalen Zugang zum europäischen Markt. Auch darauf möchten
wir hinweisen.
Mein Dank gilt der Hessen Agentur für die Erstellung der vorliegenden Studie sowie Ger-
many Trade & Invest (GTAI), die dazu beigetragen haben. Zudem danke ich unseren Ge-
sprächspartnern in der Islamischen Republik Iran und wünsche allen Unternehmen, die sich
für diesen Markt interessieren, geschäftlichen Erfolg und eine gute Zukunft.
Ihr
Tarek Al-Wazir
Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Grußwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach vielen Jahren der Isolation ist Iran als Wirtschaftspartner
zurück. Nach dem Wiener Übereinkommen im Atomstreit ging
ein Aufatmen durch das Land, als im Zuge der Einigung auch die
Sanktionen Anfang 2016 zurückgefahren wurden. Seitdem ge-
ben sich ausländische Delegationen, die nach Teheran, Isfahan
oder andere iranische Städte reisen, die Klinke in die Hand. Auch
deutsche Unternehmen, die auf eine lange Geschäftstradition
zum Iran zurückblicken, wollen die guten Verbindungen wieder
aufnehmen. Die Chancen auf lukrative Geschäfte stehen gut.
Iran hat einen enormen Nachholbedarf in fast allen Branchen. So
sind viele Maschinen und Anlagen veraltet und in einem sehr schlechten Zustand. Die ira-
nische Kfz-Industrie bemüht sich um Kooperationen mit westlichen Unternehmen. Deut-
sche Partner sind hier besonders willkommen. Die Medizintechnik ist ein weiteres Feld, auf
dem deutsche Firmen geschätzt werden. Der Reigen ließe sich beliebig fortführen.
Doch der Iran ist gleichzeitig kein ganz leichter Markt. Trotz der zurückgefahrenen Sankti-
onen müssen Unternehmen sich sehr genau darüber informieren, welchen gesetzlichen
Vorgaben der Handel mit bzw. die Investitionen im Iran unterliegen. Die Sanktionen sind
noch nicht vollständig aufgehoben.
Germany Trade & Invest (GTAI) unterstützt die deutsche Wirtschaft bei ihrem Engagement
im Iran. Seit der Öffnung des Landes berichten wir über die Wachstumsbranchen und be-
leuchten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Zahlreiche Anfragen von deutschen
Unternehmen werden von unseren Länder-, Zoll- oder Rechtsexperten jeden Tag beant-
wortet. Unsere Publikation „Wirtschaftspartner Iran ist zurück“ findet regen Zuspruch.
Die GTAI begrüßt die verschiedenen Initiativen, die auf Bundes- oder Landesebene durch-
geführt werden und zur Verbesserung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zum Iran bei-
tragen. So ist es für die GTAI eine Freude, auch die Anliegen der hessischen Wirtschaft zu
unterstützen und einen Beitrag zu der vorliegenden Publikation beizusteuern. Für die Reise
von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und den hessischen Unternehmen in den Iran wün-
sche ich gutes Gelingen und noch bessere Geschäfte.
Ihr
Dr. Jürgen Friedrich
Geschäftsführer Germany Trade and Invest –
Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH
Grußwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Aufhebung eines wesentlichen Teils
der in Folge des iranischen Atompro-
gramms beschlossenen Wirtschafts-
sanktionen seitens der UN, EU und USA
gegen Iran hat – trotz mancher verblie-
bener Einschränkungen – den Weg für
einen deutlich intensiveren Wirtschafts-
austausch mit dem Iran geebnet. Der
Ausbau der bestehenden Handels- und
Investitionsbeziehungen wird durch die
Belebung der iranischen Wirtschaft vo-
rangetrieben und bietet gute Chancen
und Möglichkeiten. Hessen wird hier
weiterhin ein wichtiger Partner sein.
Wir freuen uns sehr, Ihnen auf den folgenden Seiten verschiedene Aspekte der Wirtschafts-
beziehungen zwischen Hessen und der Islamischen Republik Iran näher bringen zu kön-
nen. Ein Blick zurück zeigt, dass die Außenhandelsbeziehungen zwischen Hessen und Iran
in der Vergangenheit äußerst intensiv waren. Aktuell bietet sich die Chance, hieran anzu-
knüpfen und die Wirtschaftsbeziehungen zum beiderseitigen Vorteil auszubauen.
Die Hessen Trade & Invest GmbH unterstützt durch ihr vielfältiges Service- und Beratungs-
angebot gleichermaßen hessische und iranische Unternehmen bei ihren Vorhaben im Wirt-
schaftsraum des Partners. Sie bündelt die Technologie- und Innovationsförderung mit
Standortmarketing, Außenwirtschaft, Investorenbetreuung und Beratung zu EU-Förderpro-
grammen in einer Organisation.
Gerne erläutern wir Ihnen die Chancen und Möglichkeiten, die sich Ihnen durch die Auf-
nahme von Geschäftsbeziehungen zwischen Iran und Hessen bieten, in einem persönli-
chen Gespräch. Sprechen Sie uns an!
Ihr Ihr
Folke Mühlhölzer Dr. Rainer Waldschmidt
Vorsitzender der Geschäftsführung Geschäftsführer HA Hessen Agentur GmbH
HA Hessen Agentur GmbH und Hessen Trade & Invest GmbH
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
1
1 Einleitung
Iran war in den 1970er Jahren einer der wichtigsten außereuropäischen Absatzmärkte
Deutschlands. Nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 und hierauf folgenden inter-
nationalen politischen Entwicklungen war das Land – in wechselndem Ausmaß – internati-
onal isoliert. Gegenwärtig rückt Iran jedoch wieder in das weltwirtschaftliche Geschehen
und hiermit einhergehend in das Zentrum der Aufmerksamkeit exportorientierter Unterneh-
men. Ursache hierfür ist die Einigung im jahrelangen Streit um die Nutzung der Kernener-
gie, die eine Aufhebung der langjährigen Sanktionen und Handelsrestriktionen bewirkt hat.
Iran wird ein großes wirtschaftliches Potenzial vorhergesagt. Nach Angaben des DIHK
(2016) wird ein Anstieg des deutsch-iranischen Handelsvolumens mittelfristig auf 5 Mrd.
Euro bis hin zu langfristig auf 10 Mrd. Euro für möglich gehalten. Aktuell liegt das Handels-
volumen bei rund 2,7 Mrd. Euro. Iran ist ein in Teilräumen industrialisiertes Land, das
gleichwohl aufgrund der langjährigen Sanktionen einen hohen Bedarf zur Modernisierung
seiner Infrastruktur und seines Kapitalstocks hat, wozu auch hessische Unternehmen bei-
tragen können. Geschäftliche Beziehungen mit Iran sind allerdings nach wie vor nicht un-
erheblichen Risiken unterworfen. Zu nennen sind Konflikte hinsichtlich des Abkommens zu
Kernenergienutzung und eine damit verbundene Wiedereinführung von Sanktionen, die di-
versen Konflikte und Krisen in den Nachbarstaaten sowie Eingriffe des Staates in die Pri-
vatwirtschaft. Vor diesem Hintergrund ist die entsprechende Absicherung von Auslandsak-
tivitäten im Iran für hessische Firmen von hoher Bedeutung.
Ein wesentliches Ziel der durch die Hessen Agentur im Auftrag des Hessischen Ministeri-
ums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung erstellten Studie besteht da-
rin, die Islamische Republik Iran als Wirtschaftspartner vorzustellen und wirtschaftliche Ver-
bindungen zu Hessen aufzuzeigen. Die vorliegende Analyse beruht auf ausgewählten
volkswirtschaftlichen Indikatoren. Aufgrund der spezifischen Situation Irans ist hierbei ne-
ben der Analyse der aktuellen Handelsdaten – die noch durch die Sanktionen geprägt sein
dürften – auch ein Blick auf historische Gegebenheiten vor den Handelsbeschränkungen
sinnvoll. Zudem werden durch Experteneinschätzungen die Erwartungen und zukünftigen
Möglichkeiten hinsichtlich der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und Hessen erfasst.
Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in sechs Abschnitte. Im zweiten Abschnitt wer-
den in einem Länderprofil die wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen zur iranischen Volks-
wirtschaft dargestellt. Der dritte Abschnitt der Studie umfasst eine Analyse der Handels-
und Investitionsbeziehungen zwischen Iran und Hessen bzw. Deutschland. Der vierte Ab-
schnitt der Studie beruht maßgeblich auf Einschätzungen der GTAI – für deren Bereitstel-
lung sich die Autoren herzlich bedanken – zu den Entwicklungen in unterschiedlichen Bran-
chen innerhalb Irans, sowie den sich daraus ergebenden Hinweisen auf Potenziale für die
hessische Wirtschaft. Im fünften Abschnitt werden die Ergebnisse einer Befragung von Ver-
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
2
tretern verschiedener Wirtschaftsverbände und Kammern zu den Perspektiven der Wirt-
schaftsbeziehungen zwischen Hessen und der Islamischen Republik Iran ausgewertet.
Diese Erhebung wurde im August 2016 durchgeführt. Abschließend werden die Untersu-
chungsergebnisse zusammengefasst und eine komprimierte Gesamteinschätzung zum ak-
tuellen Stand und zu den Zukunftsperspektiven der hessisch-iranischen Wirtschaftsbezie-
hungen vorgenommen.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
3
2 Struktur und Entwicklung der iranischen Volkswirtschaft
2.1 Historie, geopolitische Situation und Bevölkerung
Eine Darstellung der aktuellen wirtschaftlichen Lage Irans ist nur vor dem Hintergrund der
historischen Entwicklung möglich. Die heutige islamische Republik Iran entstand nach dem
Sturz des Schahs Mohamad Reza Pahlavi durch Ayatollah Khomeini im Jahr 1979. Zuvor
hatte der Schah nach einem Staatsstreich des Militärs gegen den gewählten Präsidenten
Mosaddegh seit 1953 die Macht im Iran innegehabt (Steinbach 2007, S. 4). Im Anschluss
an die Revolution 1979 kam es zum ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak von 1980 bis
1988 (Steinbach 2007, S. 10).
Die wirtschaftliche Entwicklung der Islamischen Republik Iran ist durch vielfältige Wirt-
schaftssanktionen geprägt, insbesondere die USA stellten nahezu sämtliche Beziehungen
zum Iran ein. Zunächst wurden 1987 Sanktionen durch die USA verhängt, die in den Jahren
1995 und 1997 verschärft wurden (Steinbach 2007, S. 14). Nach dem Jahr 2002 war das
iranische Programm zur Nutzung der Atomenergie der Kern der Auseinandersetzungen,
die sich nach der Wahl Ahmadinedschads zum Präsidenten im Jahr 2005 weiter verschärft
haben (Steinbach 2007, S. 10-11). Dies führte zu weiteren Sanktionen gegenüber Iran
durch die USA, die EU und die UN. Nach der Einigung im Atomstreit wurden im Januar
2016 die Sanktionen erheblich gelockert, sodass Iran intensiver in die Weltwirtschaft einge-
bunden werden dürfte und sich insbesondere der Austausch mit westlichen Partnern wieder
erhöhen dürfte. Dabei ist zu beachten, dass die Vereinbarung zur Aufhebung der Sanktio-
nen an strenge Kontrollen hinsichtlich des iranischen Atomprogramms geknüpft ist und die
sogenannte „Snap Back“-Klausel eine relativ schnelle Wiedereinführung der Sanktionen bei
Verstößen Irans gegen das Abkommen ermöglicht (GTAI 2016, S. 4).
Neben der historischen Entwicklung ist ein weiterer zentraler Einflussfaktor für die wirt-
schaftliche Entwicklung Irans die Größe und räumliche Lage des Landes. Die Islamische
Republik Iran liegt in einer Region, die von zahlreichen politischen und militärischen Kon-
flikten geprägt ist. So grenzt Iran an Afghanistan, Pakistan, Irak und die Türkei. Im Süden
verläuft die Küstenlinie entlang am Persischen Golf mit wichtigen Schifffahrtsstraßen (Ab-
bildung 1). Iran hat flächenmäßig die rund 4,5-fache Größe von Deutschland. Die Bevölke-
rungszahl entspricht aktuell etwa der deutschen Bevölkerung, wobei sich mit 50 Einwoh-
nern pro Quadratkilometer eine deutlich geringere Bevölkerungsdichte ergibt. Im
Unterschied zur deutschen Bevölkerung weist die iranische Bevölkerung hohe Wachstums-
raten auf. Die Bevölkerung Irans ist im Mittel mit knapp 27 Jahren deutlich jünger als in
Deutschland, wo das Durchschnittsalter bei 46,2 Jahren liegt. In Deutschland nimmt die
Bevölkerungsgruppe der über 65-jährigen einen Anteil von 21 % gegenüber 5,3 % in Iran
ein. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren ist im Iran dagegen mit 23,7 %
gegenüber 13,2 % in Deutschland deutlich höher. Demgegenüber ist die Lebenserwartung
bei Geburt in Deutschland bei Männern und Frauen rund 10 Jahre höher als im Iran.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
4
Tabelle 1: Vergleich statistischer Kennzahlen: Islamische Republik Iran und Deutschland 2015
Islamische Republik Iran Deutschland
Landesfläche in qkm 1.648.195 357.341
Bevölkerung, 1.000 Einwohner 81.824* 81.459
Bevölkerungsdichte in Einwohner je qkm 50 228
Relative Bevölkerungsveränderung von 2014 bis 2015, in % 1,28 0,32
Lebenserwartung bei der Geburt (Frauen), Jahre 72,8* 83,05
(2012/14)
Lebenserwartung bei der Geburt (Männer), Jahre 69,6* 78,13
(2012/14)
Anteil der Alterskohorte 0 bis unter 15 Jahren an der Bevölkerung, % 23,7* 13,2
(2014)
Anteil der Alterskohorte 15 bis unter 65 Jahren an der Bevölkerung in % 71,0* 65,8
(2014)
Anteil der Alterskohorte 65 Jahre und älter an der Bevölkerung, in % 5,3* 21,0
(2013)
Median Alter 26,9 46,2
* Schätzung
Quelle: CIA Factbook, IWF, Statistisches Bundesamt
Abbildung 1: Die Islamische Republik Iran im räumlichen Überblick
Quelle: www.gadem.org für die Verwaltungsgrenzen, Darstellung der Hessen Agentur
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
5
2.2 Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftsstruktur
Iran weist ein BIP von 389 Mrd. US-Dollar auf. Das BIP pro Einwohner liegt bei rund
7.630 US-Dollar. Damit erreicht das Land bei weitem nicht den Wohlstand von wohlhaben-
den Staaten wie Deutschland, wo das BIP pro Einwohner bei rund 41.000 US-Dollar liegt.
Tabelle 2: Vergleich volkswirtschaftlicher Kennzahlen: Islamische Republik Iran und Deutschland
Islamische Republik Iran Deutschland
BIP 2015 in Mio. US-Dollar 388.611 3.357.614
BIP je Einwohner (zu laufenden Preisen, 2013, in US-Dollar)
7.630 (2012)
40.996 (2014)
Veränderungsrate des BIP in Landeswährung zu konstanten Preisen
2014 bis 2015 in % 0,03 1,45
Anteil des Primärsektors am BIP, in % 9,3
(2015, geschätzt) 0,8
(2013)
Anteil des Sekundärsektors am BIP, in % 38,4
(2015, geschätzt) 30,2
(2013)
Anteil des Tertiärsektors am BIP, in % 52,3
(2015, geschätzt) 69,0
(2013)
Quelle: CIA Factbook, IWF, Statistisches Bundesamt
Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt (in Mrd. US-Dollar zu laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015
Quelle: IWF, Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Die iranische Volkswirtschaft verzeichnete während jüngerer Zeit – in einem durch politi-
sche Turbulenzen und außenwirtschaftliche Barrieren geprägten Umfeld – ein starkes
Wachstum. Von 2000 bis 2015 erhöhte sich die dortige Wirtschaftsleistung um 271 %, ver-
0500
1.0001.5002.0002.5003.0003.5004.0004.500
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Iran Deutschland HessenMrd. US-Dollar
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
6
glichen mit 72 % in Deutschland und 63 % in Hessen. Die in Abbildung 2 dargestellte no-
minale Entwicklung des BIP spiegelt nicht nur die reale Wirtschaftsentwicklung wider, son-
dern ist auch durch Wechselkursänderungen geprägt.1
Die reale Wirtschaftsentwicklung lässt sich durch die in Abbildung 3 wiedergegebenen jähr-
lichen Wachstumsraten des BIP in Landeswährung zu konstanten Preisen einschätzen.
Das Wirtschaftswachstum im Iran verlief in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten in
ausgeprägten Zyklen, und dies bei starken Ausschlägen. Im Zeitraum von 2000 bis 2007,
also bis kurz vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, wurden in einigen Jahren
Wachstumsraten in einer Größenordnung von 6 % bis 9 % erreicht. Während der Finanz-
und Wirtschaftskrise konnte im Unterschied zu den meisten Industrieländern, hierunter
auch Deutschland, ein immerhin noch moderates Wachstum erzielt werden. Seit 2010 hat
sich die Schwankungsbreite der volkswirtschaftlichen Veränderungsraten nochmals vergrö-
ßert, was teils auf die große Bedeutung der Erdölexporte für die iranische Wirtschaft im
Zusammenhang mit den Preisschwankungen auf den weltweiten Rohstoffmärkten zurück-
zuführen ist. Während im Iran beispielsweise in den Jahren 2012 und 2013 Verringerungen
der Wirtschaftsleistung um 6,6 % bzw. 1,9 % verzeichnet wurden, erfolgten in den Jahren
2010 und 2014 Steigerungen um 6,6 % bzw. 4,3 %. Im Vergleich hierzu erstreckte sich im
Zeitraum 2010 bis 2015 die Bandbreite der Veränderungsraten in Hessen von minus 0,6 %
bis plus 3,4 % und im Bundesgebiet von 0,4 % bis 4,1 %.
Abbildung 3: Relative Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts (in Landeswährung zu konstan-ten Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015
Quelle: IWF, Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Iran ist von stark schwankenden und im interna-
tionalen Vergleich hohen Inflationsraten geprägt. Diese stehen im engen Zusammenhang
1 Hieraus ergibt sich der Rückgang des BIP für Deutschland und Hessen im Jahr 2015, da der Euro gegenüber dem Dollar in diesem
Jahr deutlich an Wert verloren hat.
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Iran Deutschland Hessen%
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mit den Sanktionen und der Abkopplung vom internationalen Geldmarkt. Die hohe Inflation
führte zur Verringerung des Lebensstandards breiter Bevölkerungsschichten. Die Wäh-
rungsentwicklung setzte Iran unter Druck, und hatte damit einen bedeutenden Einfluss auf
die Verhandlungen (Focus 2013).
Abbildung 4: Jährliche Inflationsrate in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015
Quelle: IWF (2016), Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt (jeweils verschiedene Jahrgänge), Darstellung der Hessen Agentur
Die Wirtschaftsleistung je Einwohner lag im Jahr 2015 für Iran bei lediglich einem Achtel
des Wertes für Deutschland. Im Vergleich zu Hessen betrug die entsprechende Größenre-
lation lediglich ein Zehntel. Die iranische Wirtschaftsleistung je Einwohner wies aber zwi-
schen 2000 und 2015 hohe Wachstumsraten auf, das nominale BIP pro Einwohner stieg
im Iran um 198 %, die Zuwächse in Hessen und Deutschland lagen bei 60 % bzw. 71 %.
Abbildung 5: Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (in US-Dollar zu laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015
Quelle: IWF, Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
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1015202530354045
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Iran Deutschland Hessenin Tsd. US-Dollar
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
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Hinsichtlich der sektoralen Struktur unterscheidet sich die iranische Volkswirtschaft erheb-
lich von der deutschen und der hessischen Wirtschaft. Für das Jahr 2014 lassen sich –
bezogen auf die Bruttowertschöpfung – im Iran Anteile der Bereiche des Verarbeitenden
Gewerbes und der Sonstigen Dienstleistungen von 12 % bzw. 29 % feststellen. In Deutsch-
land und Hessen lag der entsprechende Anteil des Verarbeitenden Gewerbes hingegen bei
23 % bzw. 19 %, für die Sonstigen Dienstleistungen betrug er 49 % bzw. 53 %. Die irani-
sche Wirtschaftsleistung speist sich zu großen Teilen aus dem Rohstoffsektor, und hierbei
insbesondere aus der Erdölförderung, was aus einem Anteil von 21 % des Bereichs „Berg-
bau und Versorgung“ ersichtlich ist. Die Vergleichswerte für Deutschland und Hessen lie-
gen bei 3 % bzw. 2 %. Auch der Beitrag des Baugewerbes ist mit 9 % im Iran höher als in
Deutschland und Hessen, wo jeweils 4 % erreicht werden.
Abbildung 6: Sektorale Struktur der Bruttowertschöpfung (basierend auf laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2014
Islamische Republik Iran Deutschland
Hessen
Quelle: Weltbank, Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur
7%
21%
12%
9%14%
8%
29%
1% 3%
23%
4%
11%
9%
49%
0,3% 2%
19%
4%
22%
53%
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Bergbau und Versorgung
Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe
Handel, Gaststätten und Hotels (für Hessenzuzüglich Transport, Lagerei und Kommunikation)
Transport, Lagerei und Kommunikation
Sonstige Dienstleistungen (u. a. Finanzsektor undöffentlicher Sektor)
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
9
Einhergehend mit einer während der jüngeren Vergangenheit hohen wirtschaftlichen Dyna-
mik hat sich die Arbeitslosenquote im Iran, bei zyklischem Verlauf, von 16,0 % im Jahr 2000
auf 10,8 % im Jahr 2015 verringert. Die Beschäftigungssituation im Iran ist damit ungünsti-
ger als in zahlreichen Industrieländern, verglichen beispielsweise mit 6,4 % in Deutschland
und 5,3 % in Hessen.
Abbildung 7: Arbeitslosenquote in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015
Quelle: IWF, Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Eine eher niedrige Staatsverschuldung eröffnet der öffentlichen Hand Spielräume, um In-
vestitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder in Bildungsinstitutionen zu tätigen. Stellt man
diesbezüglich einen Länder-Vergleich an, so wies Iran im Zeitraum 2000 bis 2015 eine
deutlich niedrigere Bruttostaatsverschuldung auf als Deutschland.
Abbildung 8: Bruttostaatsverschuldung in v. H. des BIP in der Islamischen Republik Iran und Deutschland 2000 - 2015
* Schätzung für die Jahre 2014 und 2015 für die Islamische Republik Iran, für das Jahr 2015 in Hinsicht auf Deutschland
Quelle: IWF, Darstellung der Hessen Agentur
02468
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*
2015
*
Iran DeutschlandBruttostaatsverschunldung in v .H. des BIP
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
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2.3 Internationale Handelsbeziehungen
Die außenwirtschaftlichen Verflechtungen Irans lassen sich nicht ohne weiteres analysie-
ren, weil teils keine Daten zu Handels- und Investitionsbeziehungen vorliegen. Da Iran er-
heblichen Sanktionen ausgesetzt war, unterließ das Land offenbar die Datenlieferungen an
internationale Organisationen wie etwa die UN zu seinen internationalen Wirtschaftsbezie-
hungen. Für den nominalen Export und Import Irans liegen von 1978 bis 1996 keine Daten
vor. Auch für die Zeit nach der Verschärfung der Sanktionen von 2007 bis 2009 und ab
2012 sind keine Daten verfügbar. In nominalen Werten steigen sowohl Export als auch Im-
port an. Die Bedeutung Deutschlands als Abnehmer bzw. Lieferant Irans nimmt dagegen
ab. In den 1960er und 1970er Jahren kamen rund 20 % der Einfuhren Irans aus Deutsch-
land. Von 1997 bis 2005 lagen die Anteile zwischen 10 % und 16 %, während der Anteil in
2011 nur noch 5 % erreicht.
Abbildung 9: Nominaler Export und Import Irans und Anteil Deutschlands zwischen 1963 und 2011
* bis zum Jahr 1977 summierte Angaben für Ost- und Westdeutschland, ab 1997 Angaben für Deutschland insgesamt
Quelle: UN Comtrade, Darstellung Hessen Agentur
0,0%
2,0%
4,0%
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2005
2006
2010
2011
Export Anteil Deutschland*Mio. US-Dollar
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
0
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
70.000
1963
1964
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2010
2011
Import Anteil Deutschland*Mio. US-Dollar
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
11
Als Zielland iranischer Exporte hatte Deutschland 1963 mit rund 7 % den größten Anteil.
Der Anteil sank bis 1977 stark ab, während er im Jahr 1997 wieder rund 3 % betrug. Ab
1998 geht abermals die Bedeutung Deutschlands als Absatzmarkt deutlich zurück.
Unter anderem die im Zeitablauf zurückgehende Bedeutung Deutschlands als Handels-
partner Irans wirft die Frage auf, mit welchen Ländern Iran aktuell überwiegend wirtschaft-
liche Kontakte unterhält. Hierbei ist hervorzuheben, dass Iran durch die Sanktionen in der
Wahl seiner Handelspartner eingeschränkt war. Es lässt sich eine Verschiebung der Han-
delsaktivitäten Irans nach Asien erkennen (GTAI 2016a, S. 8-9). Soweit eine Datengrund-
lage2 verfügbar ist, lässt sich dies durch den Blick auf die bedeutendsten Handelspartner
nachweisen. Werden die fünf wichtigsten Lieferländer Irans zwischen 2000 und 2015 her-
angezogen, lässt sich nachweisen, dass Deutschland bis zum Jahr 2006 das bedeutendste
Herkunftsland war. Ab 2007 ist dagegen in den meisten Jahren China das wichtigste Her-
kunftsland für Importe Irans. In einigen Jahren (2002, 2012, 2013) liegen die Vereinigten
Arabischen Emirate auf Rang 1, wobei zu beachten ist, dass für dieses Land teils keine
Daten verfügbar sind. Zudem handelt es sich zum großen Teil um Reexport, sodass diese
Waren nicht originär aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammen (GTAI 2016a,
S. 9). Im Jahr 2014 waren China und die Vereinigten Arabischen Emirate die mit Abstand
bedeutendsten Lieferländer Irans. Deutschland lag mit 2,5 Mrd. US-Dollar auf Rang 6 und
hat damit das größte Liefervolumen unter den EU-Ländern.
Abbildung 10: Bedeutende Lieferländer Irans 2014
Quelle: GTAI (2016a, S. 9), Darstellung Hessen Agentur
2 Für die Analyse kann auf die UN Comtrade Datenbank zurückgegriffen werden. Allerdings können nicht direkt die Daten Irans
genutzt werden, sondern lediglich die Daten der anderen Länder zu ihrem Handel mit Iran, wodurch bis zu einem gewissen Grad die Vergleichbarkeit eingeschränkt ist. Insbesondere bestehen aus Bewertungsgründen deutliche Unterschiede zwischen dem Ex-port eines Landes mit einem Zielland und der entsprechenden Importangabe dieses Landes. Zudem melden wie Iran auch weitere Länder keine Handelsdaten an die UN.
492544672763768772
1.0071.018
2.2742.544
3.8814.1174.143
11.77812.550
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000
SingapurBrasil ien
RusslandTaiwan
FrankreichVereinigtes Königreich
NiederlandeItalien
SchweizDeutschland
TürkeiIndien
Republik KoreaVereinigte Arabische Emirate
China
in Mio. US-Dollar
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
12
Bis 2006 waren unter den fünf wichtigsten Herkunftsländern zudem häufig Italien und
Frankreich vertreten. Ab 2007 nahm die Bedeutung der europäischen Lieferländer ab, statt-
dessen sind seitdem unter den fünf wichtigsten Lieferländern meist die Republik Korea,
Türkei und bis 2011 Russland und ab 2012 Indien vertreten. Im Jahr 2014 wurden aus der
Republik Korea und Indien Waren im Wert von jeweils 4,1 Mrd. US-Dollar geliefert. Die
Türkei folgt mit 3,9 Mrd. US-Dollar auf Rang 5.
Seitens der iranischen Exporte traten in geringerem Umfang ebenfalls Verschiebungen bei
den Handelspartnern zwischen 2000 und 2015 auf. Bis 2006 war Japan stets wichtigster
Abnehmer iranischer Waren. Seit 2007 ist China von Rang 2 auf Rang 1 vorgerückt, Japan
bleibt aber unter den fünf bedeutendsten Absatzmärkten Irans. Mit der Republik Korea ist
ein weiteres asiatisches Land nahezu durchgängig seit 2000 unter den fünf bedeutendsten
Abnehmern iranischer Waren. Während bis 2008 mit Italien auch ein europäisches Land
nahezu durchgängig dieser Gruppe zuzuordnen ist, findet sich die Türkei seit 2005 häufig
unter den fünf wichtigsten Zielländern iranischer Exporte. Insbesondere in den letzten Jah-
ren wechselt sich die Türkei mit Indien auf den Rängen 2 und 3 hinter China ab. Deutsch-
land liegt als Zielland iranischer Güter während des gesamten Zeitraums zwischen dem 10.
und 20. Rang.3
Die Struktur des iranischen Außenhandels ist sowohl hinsichtlich der beschriebenen regio-
nalen Verteilung als auch der Güterstruktur zum Teil durch die Handelssanktionen geprägt.
In Abbildung 11 sind der Export und Import Irans für das Jahr 20114 nach Warengruppen
weltweit und nach Deutschland wiedergegeben. Insgesamt sind mineralische Brennstoffe
die wichtigste Export-Warengruppe, auf die rund 70 % aller Exporte Irans entfallen. Nach
Deutschland sind dagegen entsprechend der EU-Sanktionen keine Waren dieser Güter-
gruppe ausgeführt worden, hier sind bearbeitete Waren, Nahrungsmittel und lebende Tiere
sowie Rohstoffe die wichtigsten Exportgüter Irans. Iran bezieht sowohl weltweit als auch
insbesondere aus Deutschland Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge, diese Waren-
gruppe erreicht einen Anteil von 28 % aller Importe weltweit und 47 % aller Importe aus
Deutschland. Weitere bedeutende Importgüter sind chemische Erzeugnisse und bearbei-
tete Waren.
3 Auf eine zur Abbildung 10 entsprechenden Darstellung der bedeutendsten Exportdestinationen Irans 2014 wird aufgrund der unsi-
cheren Datenlage verzichtet. 4 Aktuellste vergleichbare Datenbasis in der UN-Comtrade Datenbank.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
13
Abbildung 11: Anteil der Warengruppen* am nominalen Export und Import Irans weltweit und mit Deutschland 2011
Export
Import
* Warengruppen abgegrenzt nach der Standard International Trade Classification SITC.
Quelle: UN Comtrade, Darstellung Hessen Agentur
0% 20% 40% 60% 80%
Waren und Warenverkehrsvorgänge, anderweitig in der SITC…
Verschiedene Fertigwaren
Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge
Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert
Chemische Erzeugnisse, a.n.g.
Tierische und pflanzliche Öle, Fette und Wachse
Mineralische Brennstoffe, Schmiermittel und verwandte…
Rohstoffe (ausgenommen Nahrungsmittel und mineralische…
Getränke und Tabak
Nahrungsmittel und lebende Tiere
Deutschland Welt
0% 10% 20% 30% 40% 50%
Waren und Warenverkehrsvorgänge, anderweitig in der SITC…
Verschiedene Fertigwaren
Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge
Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert
Chemische Erzeugnisse, a.n.g.
Tierische und pflanzliche Öle, Fette und Wachse
Mineralische Brennstoffe, Schmiermittel und verwandte…
Rohstoffe (ausgenommen Nahrungsmittel und mineralische…
Getränke und Tabak
Nahrungsmittel und lebende Tiere
Deutschland Welt
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
14
2.4 Ausländische Direktinvestitionen
Zu den ausländischen Direktinvestitionen im Iran liegen nur äußerst spärliche Daten in den
internationalen Datenbanken vor. Wie beim Außenhandel steht dies sicherlich im engen
Zusammenhang mit den gegenüber Iran verhängten Sanktionen. Im Zuge dieser Sanktio-
nen wurden die iranischen Banken aus dem SWIFT5-System ausgeschlossen, so dass das
Land vom internationalen Kapitalmarkt entkoppelt war. Auch Teile des Auslandsvermögens
Irans sind eingefroren worden. Von diesen stehen Iran nun Bestände von rund 100 Mrd.
US-Dollar wieder zur Verfügung (Spiegel 2016). Der Bestand der ausländischen Direktin-
vestitionen im Iran wird im Jahr 2014 mit 43 Mrd. US-Dollar angegeben (GTAI 2016c, S. 3).
Um die Verknüpfungen mit einzelnen Ländern zu analysieren, lässt sich auf die durch
UNCTAD zusammengetragenen Informationen anderer Staaten zu ihren FDI-Beziehungen
mit Iran zurückgreifen. Danach zeigt sich ein starker Anstieg der FDI-Bestände aus China
von 220 Mio. US-Dollar in 2009 auf 1,4 Mrd. US-Dollar in 2011 und 2 Mrd. US-Dollar in
2012. Die Investitionsbestände aus Deutschland lagen zwischen 2009 und 2011 bei rund
700 bis 800 Mio. US-Dollar. Starke Schwankungen weisen die italienischen FDI-Bestände
im Iran auf, die zwischen 2009 und 2011 von 1,2 Mrd. US-Dollar auf 0,4 Mrd. US-Dollar
zurückgingen und dann auf 1,1 Mrd. US-Dollar anstiegen. Für solche Veränderungen sind
neben tatsächlichen Zu- und Abflüssen von Kapital allerdings stets auch Bewertungsände-
rungen eine denkbare Ursache. Weitere Länder mit vergleichsweise hohen Direktinvestiti-
onsbeständen im Iran sind im Jahr 2012 Südafrika (549 Mio. US-Dollar), Frankreich
(409 Mio. US-Dollar), die Niederlande (356 Mio. US-Dollar) und die Türkei (224 Mio. US-
Dollar).
Tabelle 3: Bedeutende ausländische Direktinvestitionsbeziehungen Irans 2012 in Mio. US-Dollar
Land FDI im Iran Land FDI aus Iran
China 2.070 Deutschland 1.872 (2011)
Deutschland 804 (2011) Türkei 375
Italien 1.064 (2011) Frankreich 325
Südafrika 549 Dänemark 230
Frankreich 409 Oman 133 (2011)
Niederlande 356
Türkei 224
Quelle: UNCTAD, Darstellung der Hessen Agentur
Unter den Ländern, für die Angaben zu FDI-Beständen aus dem Iran in der internationalen
UNCTAD-Datenbank vorliegen, ist Deutschland mit Abstand das bedeutendste Zielland ira-
nischer Direktinvestitionen. Im Jahr 2011 belaufen sich die Direktinvestitionen Irans in
5 Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
15
Deutschland auf 1,8 Mrd. US-Dollar. Weitere Länder mit vergleichsweise hohen FDI-Be-
ständen aus dem Iran sind im Jahr 2012 die Türkei (375 Mio. US-Dollar), Frankreich
(325 Mio. US-Dollar), Dänemark (230 Mio. US-Dollar) und Oman (2011: 133 Mio. US-Dol-
lar).
Aktuell wird durch die Financial Times (2016) ein starker Anstieg der avisierten ausländi-
schen Direktinvestitionen in Iran beobachtet. Zwischen 2003 und 2015 entfielen auf Iran
nur wenige ausländische Direktinvestitionen, das Land war unter den 14 gelisteten Ländern
des Nahen Ostens auf Rang 12. Im Jahr 2013 erfasste die Financial Times drei FDI-Pro-
jekte im Iran, in 2014 stieg diese Zahl auf acht und in 2015 auf neun. Seit Aufhebung der
Sanktionen liegt es hinter den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien auf
Rang 3. Im ersten Quartal 2016 wurden 22 Investitionsvorhaben ausländischer Unterneh-
men im Iran registriert. Die meisten Projekte wurden durch südkoreanische und deutsche
Firmen angekündigt.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
16
3 Außenwirtschaftliche Verflechtung zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
Die außenwirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Hessen und der Islamischen Republik
Iran werden nachfolgend mit dem Fokus auf den Außenhandel6 analysiert. Einen ergän-
zenden Untersuchungsaspekt stellen die Direktinvestitionsbeziehungen dar. Sowohl Au-
ßenhandel als auch Direktinvestitionen werden jeweils im Vergleich zwischen Hessen und
Deutschland insgesamt skizziert.
3.1 Außenhandel
Angesichts der eingangs bereits thematisierten langen Historie der Außenhandelsbezie-
hungen mit Iran soll zunächst ein Blick (weit) zurück geworfen werden. Dies geschieht nicht
zuletzt deshalb, um die anschließend vorgestellten aktuellen Volumina des hessischen Au-
ßenhandels mit der Islamischen Republik Iran besser einordnen zu können.
1977 exportierte Hessen Güter nach Iran im Wert von 441 Mio. Euro. Fast 40 Jahre später,
im Jahr 2015, beläuft sich das hessische Exportvolumen nach Iran auf lediglich 182 Mio.
Euro. Diese Gegenüberstellung vermittelt bereits einen ersten Eindruck davon, wie stark
die Bedeutung Irans als hessischer Außenhandelspartner heute hinter der in den 1970er
Jahren zurückbleibt. Wird zudem beachtet, dass sich der Außenhandel insgesamt in den
vergangenen Jahrzehnten vervielfacht hat und dem obigen Vergleich nominale Werte zu-
grunde liegen, so unterstreicht dies den massiven Bedeutungsverlust.
Anhand der Größe des Anteils des hessischen Warenaustauschs mit der Islamischen Re-
publik am gesamten Außenhandel können die letzten Jahrzehnte hessisch-iranischer Au-
ßenhandelsbeziehungen untersucht werden. Ausgehend von einem Wert in Höhe von
118 Mio. Euro im Jahr 1973 haben die Exporte Hessens nach Iran in den darauffolgenden
Jahren erheblich zugenommen und vervierfachten sich bis 1977 in etwa. Dieser Anstieg fiel
erheblich stärker als der des Außenhandels insgesamt aus, sodass 1977 der Anteil Irans
am gesamten hessischen Außenhandel 4,1 % erreichte. Dieser damalige Anteilswert würde
selbst heute – d.h. in einer Zeit, in der sich gegenüber den 1970er Jahren weitere Staaten
6 Aus methodischer Sicht sind zu den hier ausgewerteten Daten drei Anmerkungen voranzustellen:
Die Angaben beziehen sich auf den Außenhandel mit Gütern, da keine nach Bundesländern differenzierten Daten für den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel vorliegen.
Bei den verwendeten Daten handelt es sich für das Berichtsjahr 2015 sowie für die ersten Monate des Jahres 2016 noch um vorläufige Angaben.
In Abweichung von der Bundesebene werden auf der Ebene der Bundesländer Einfuhr und Ausfuhr nach unterschiedlichen Konzepten erfasst: Erstere nach dem Konzept des Generalhandels, Letztere gemäß dem Erhebungskonzept des Spezialhan-dels. Eine Saldierung von Einfuhr und Ausfuhr, d.h. sozusagen die Bildung eines hessischen Aushandelssaldos, ist somit methodisch nicht statthaft.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
17
als wichtige hessische Handelspartner etabliert haben (z.B. die VR China) – für einen Platz
unter den TOP 10 der hessischen Absatzmärkte reichen.
Beginnend mit dem Jahr 1978 gingen die Exporte dann im Zuge der Islamischen Revolution
und der wirtschaftlichen Krise in der Umbruchsituation in Iran bis 1980 wieder ungefähr auf
das Niveau des Jahres 1973 zurück. Der Anteil der Exporte nach Iran am gesamten hessi-
schen Export fiel auf nur noch 0,7 %. Der Blick auf die weiteren Jahrzehnte macht deutlich,
dass die hohen Anteilswerte der 1970er Jahre nicht auch nur annähernd wieder erreicht
wurden, wenngleich die hessische Ausfuhr nach Iran phasenweise wieder auflebte – so
etwa 1983 und 1984 und auch zu Beginn der 1990er Jahre. In der ersten Hälfte der 2000er
Jahre ist ebenfalls eine solche Phase zu erkennen: Von 2002 bis 2005 legten die hessi-
schen Exporte nach Iran von 135 Mio. auf 360 Mio. Euro zu, der Anteil erhöhte sich ent-
sprechend auf 0,9 %. Diese Belebung war jedoch nicht von langer Dauer, was weiter unten
bei der Interpretation der aktuellen Werte thematisiert wird.
Abbildung 12: Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Hessen 1970 - 2015 (Anteil Irans am gesamten Export bzw. Import in %)
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur
Im Vergleich zur Exportseite fällt die Bedeutung Irans als hessisches Bezugsland deutlich
ab. Der höchste Importwert im betrachteten Zeitraum von 1970 bis 2015 waren
123 Mio. Euro im Jahr 1977, der höchste Anteil des Imports aus der Islamischen Republik
am hessischen Import insgesamt schlägt für 1970 mit 1,1 % zu Buche. Für 2015 betragen
die entsprechenden Werte lediglich 13 Mio. Euro bzw. 0,04 %.
Wie stellt sich im Vergleich zu Hessen die Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen zwi-
schen Deutschland insgesamt und Iran dar? Die Abbildung der deutschen Außenhandels-
beziehungen weist insbesondere für die Jahre ab 1980 große Ähnlichkeiten mit den hessi-
schen Außenhandelsbeziehungen auf. Auf Bundesebene fällt der Höhepunkt der
bisherigen Exportentwicklung nach Iran auf 1978, als Güter für knapp 3,5 Mrd. Euro dorthin
0.0%0.5%1.0%1.5%2.0%2.5%3.0%3.5%4.0%4.5%
1970
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
2012
2015
Exportanteil Iran Importanteil Iran
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
18
exportiert wurden – was einem Anteil an den gesamten Exporten Deutschlands des Jahres
1978 von 2,4 % entspricht. Knapp 40 Jahre später in 2015 beträgt das Volumen annähernd
2,1 Mrd. Euro, bei einem Anteil von nur noch 0,2 %.
Abbildung 13: Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Deutschland 1970 - 2015 (Anteil Irans am gesamten Export bzw. Import in %)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur
Der jeweils maximale Exportanteil Irans in den 1970er Jahren macht auch einen Unter-
schied zwischen Hessen und Deutschland deutlich, denn den 2,4 % für den Bund stehen
4,1 % für Hessen gegenüber. Wenn also – wie es zurzeit im Kontext der weitestgehend
aufgehobenen Sanktionen gegenüber Iran häufig geschieht – an den Stellenwert Irans als
Handelspartner Deutschlands in den 1970er Jahren erinnert wird, so gilt dies hinsichtlich
der Exporte für Hessen umso mehr.
Aus der Betrachtung der Importseite geht ein weiterer Unterschied hervor. 1976 importierte
Deutschland noch Güter aus Iran für 2,6 Mrd. Euro (der Anteil an allen Importen liegt bei
1,9 %, während der Maximalwert für Hessen aus dem Jahr 1970 nur 1,1 % beträgt). 2015
sind es lediglich noch 332 Mio. Euro bei einem Anteil von 0,03 % an allen Importen Deutsch-
lands. Der Anteil der Importe aus Iran an den Importen insgesamt liegt für Deutschland für
die Mehrzahl der Jahre über dem entsprechenden Wert für Hessen7. Dies gilt in besonde-
rem Maße während des Handelsbooms in den 1970er Jahren, was auf Erdölimporte
Deutschlands aus Iran zurückzuführen sein dürfte. Das Öl und die daraus gewonnenen
Erzeugnisse wurden sicherlich teilweise auch in Hessen genutzt, aber der Import aus der
Islamischen Republik von Unternehmen außerhalb Hessens abgewickelt – und damit
Deutschland zugerechnet.
7 Auf diesem geringen Niveau spielen allerdings auch Zufallsschwankungen eine gewisse Rolle.
0.0%
0.5%
1.0%
1.5%
2.0%
2.5%
1970
1973
1976
1979
1982
1985
1988
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1994
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2000
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2012
2015
Exportanteil Iran Importanteil Iran
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
19
Nach diesem Rückblick bis in die 1970er Jahre der Handelsbeziehungen mit Iran liegt nach-
folgend der Fokus auf der jüngeren Entwicklung, wobei diese vor dem Hintergrund der in-
ternationalen Sanktionspolitik gegen Iran zu sehen ist. So wurden seit Ende 2006 vom UN-
Sicherheitsrat aufgrund der Weigerung Irans, die Uranaufbereitung und -anreicherung ein-
zustellen, mehrere Resolutionen verabschiedet. In deren Folge kam es zu Wirtschafts- und
Finanzsanktionen gegenüber Iran, die in den folgenden Jahren mehrfach ausgeweitet und
verschärft wurden. Beginnend mit Maßnahmen, die direkt im Zusammenhang mit der Atom-
industrie standen, reichte die Bandbereite über die Einfrierung iranischen Vermögens bei
ausländischen Banken sowie die Überwachung und die Unterbindung internationaler Fi-
nanztransaktionen mit Iran bis hin zum 2012 verhängten Einfuhrverbot von Öl und Gas aus
Iran. Im Juli 2015 wurde schließlich zwischen UN, USA, EU und Iran ein Plan ausgehandelt,
der die ausschließlich friedliche Nutzung des iranischen Atomprogramms gewährleisten
soll. Anfang des Jahres 2016 gab die Internationale Atomenergiebehörde bekannt, dass
Iran die getroffenen Abmachungen einhält. Als Konsequenz dessen wurden die Wirtschafts-
und Finanzsanktionen in vereinbartem Ausmaß aufgehoben.8
Dem Anstieg der hessischen Exporte nach Iran in der ersten Hälfte der 2000er Jahre bis
zum Höhepunkt 2005 (360 Mio. Euro) schloss sich bereits im Folgejahr 2006, d.h. bevor
die UN Sanktionen verhängt hatte, ein deutlicher Rückgang an. Mit gewissen Schwankun-
gen nahmen die hessischen Ausfuhren dann weiter bis auf 182 Mio. Euro im Jahr 2015 ab
– was der Hälfte des Wertes von 2005 entspricht. Die Importe Hessens aus Iran verlaufen
auf sehr geringem Niveau tendenziell aufwärts gerichtet – mit zwischenzeitlichen Ausschlä-
gen nach oben. Der Wert von 32 Mio. für 2015 beträgt rund das Dreifache des Importvolu-
mens von zehn Jahren zuvor (11 Mio. Euro). Auch auf Bundesebene sind die Exporte nach
Iran in der ersten Hälfte der 2000er Jahre bis 2005 gestiegen, um dann bis 2015 auf rund
die Hälfte des 2005 Wertes – und zwar 2,1 Mrd. Euro – zu sinken. Im Gegensatz zu Hessen
liegt das Importvolumen auf Bundesebene mit 332 Mio. Euro klar niedriger als das Volumen
noch im Jahr 2005 mit 583 Mio. Euro.
Insgesamt gesehen kann – insbesondere vor dem Hintergrund der großen Bedeutung Irans
als Handelspartner in den 1970er Jahren – somit kaum gesagt werden, dass die Sanktionen
gegen Iran einen umfangreichen, florierenden Export in die Islamische Republik beendet
hätten. Bereits zuvor ließ sich aufgrund der geopolitischen Lage ein deutlicher Rückgang
beobachten. Aber wahrscheinlich wurde ein (noch) auf geringem Niveau stattfindender Ex-
portaufschwung „abgewürgt“, an den es nun wieder anzuknüpfen gilt.
8 Einige Sanktionen sind allerdings nach wie vor in Kraft. So bleibt z.B. das Waffenembargo ebenso bestehen wie das Handelsverbot
für sogenannte Dual-Use-Gütern. Vgl. zu einem Überblick über die Sanktionen gegen Iran Yalcin, E. und Lang, P. (2016): Die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran: Chancen und Risiken für die Exportindustrie, in: ifo Schnelldienst 7/2016, S. 53-61.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
20
Abbildung 14: Exporte und Importe zwischen Hessen / Deutschland und Iran 2005 - 2015
Exportvolumen Hessens nach Iran in Mio. Euro Jährliche Veränderung in Prozent
Exportvolumen Deutschlands nach Iran in Mio. Euro Jährliche Veränderung in Prozent
Importvolumen Hessens aus Iran in Mio. Euro Jährliche Veränderung in Prozent
Importvolumen Deutschlands aus Iran in Mio. Euro Jährliche Veränderung in Prozent
* Vorläufige Angaben für 2015 Hinweis: Die Erhebungskonzepte der Exporte und Importe stimmen auf Bundes- und Hessenebene nicht vollständig überein.
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Über die Jahreswerte hinaus liegen zudem Informationen über den hessischen Außenhan-
del mit Iran für die ersten fünf Monate des Jahres 2016 vor, d.h. damit auch bereits für
einige Berichtsmonate nach der weitgehenden Aufhebung der Sanktionen. Das Exportvo-
lumen Hessens addiert sich in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016 auf 63,6 Mio. Euro,
die Importe aus Iran auf 12,6 Mio. Euro. Obgleich die vorläufigen unterjährigen Angaben
nicht überinterpretiert werden sollten, lassen sie doch den Schluss zu, dass es zumindest
in ganz kurzer Frist nicht zu einem Boom gekommen ist – was allerdings auch nicht zu
erwarten war. Neben der Zeit, die grundsätzlich für eine Geschäftsanbahnung erforderlich
ist, stellt beispielsweise die noch immer schwierige Abwicklung finanzieller Transaktionen
360
255221 225
267237 226
169 182152
180
0
100
200
300
4004.373
4.1543.600
3.9223.7843.790
3.0832.524
1.8412.381
2.061
0
2.000
4.000
6.000
-29,2-13,4
1,719,0
-11,2 -4,8-25,2
7,8
-16,6
18,6
-40
-20
0
20
40
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
*
in %
-5,0-13,3
8,9
-3,5
0,2
-18,7 -18,1-27,0
29,3
-13,4-40
-20
0
20
40
2005
2006
2007
2008
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2011
2012
2013
2014
2015
*
in %
11 14
46
11 9 12 14
30
19 20
32
0
20
40
60
478 410583 593 540
918 789
339 274 296 332
0
200
400
600
800
1.000
32,1
216,8
-75,4-17,2
24,3 20,7
111,8
-36,2
6,860,4
-100
0
100
200
300
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
*
in %
-14,2
42,21,8
-8,9
69,9
-14,0-57,0-19,2
8,0 12,2
-100
0
100
200
300
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
*
in %
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
21
einen bedeutenden Hemmfaktor dar. Dies gilt für sowohl den hessischen als auch den ge-
samtdeutschen Außenhandel mit Iran.
Abbildung 15: Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Hessen bzw. Deutschland 2005 - 2015 (Anteil Irans am gesamten Export bzw. Import in %)
Anteil Irans an allen Exporten Anteil Irans an allen Importen
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur
Der Anteil Irans an den hessischen Exporten insgesamt nimmt von 0,9 % im Jahr 2005 auf
0,3 % in 2015 ab. Ungeachtet dieses Rückgangs fällt der Anteil höher als auf Bundesebene
aus. Die Islamische Republik belegt gemessen am Exportvolumen 2015 den 43. Rang un-
ter allen hessischen Absatzmärkten (Deutschland: Rang 55). Wird die Importseite betrach-
tet, so fällt die Bedeutung nochmals geringer aus – Hessen: Rang 62, Deutschland: Rang
81. Die jeweiligen Anteilswerte unterstreichen die derzeit sehr geringe Relevanz Irans für
die hessischen Importe bzw. die Importe Deutschlands insgesamt. Die entsprechenden An-
teilswerte liegen bei unter 0,05 %.
Wie beim Außenhandelsvolumen mit Iran insgesamt, so ist auch hinsichtlich der Güterstruk-
tur der Einfluss der Sanktionen gegen Iran zu beachten. Insofern muss offen bleiben, in
welchem Ausmaß die in Abbildung 16 wiedergegebene Struktur des hessischen Außen-
handels mit Iran differenziert nach Warengruppen jeweils „wahre“ Nachfrage und Angebot
widerspiegelt – oder letztlich nur den Teil, der nicht unter die Sanktionen gefallen ist. Die
Betrachtung des hessischen Außenhandels mit Iran für die ersten fünf Monate des Jahres
2016 zeigt noch keine grundsätzlich andere Struktur als für das Jahr 2015. Zeitraum wie
auch Volumina sind jedoch noch nicht ausreichend, um belastbare Aussagen treffen zu
können.
0,00%
0,20%
0,40%
0,60%
0,80%
1,00%
Hessen Deutschland
0,00%
0,05%
0,10%
0,15%
0,20%
Hessen Deutschland
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
22
Abbildung 16: Hessischer Außenhandel mit Iran: wichtigste Export- und Importgüter 2015
Export in Mio. Euro
Import in Mio. Euro
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt
Was für die Warenstruktur der hessischen Exporte insgesamt zutrifft, hat auch für die Aus-
fuhr nach Iran Gültigkeit: Erzeugnisse der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie
sind die wichtigsten Exportgüter. Diese wurden 2015 für 114,2 Mio. Euro nach Iran expor-
tiert – 63% der gesamten hessischen Exporte nach Iran, wobei es sich zu rund 90 % um
Pharmazeutika handelte. In der hessischen Ausfuhr weltweit kommt Chemie und Pharma
in etwa der gleiche Anteil zu. Mit erheblichem Abstand folgen Maschinen aller Art (29,1 Mio.
Euro bzw. 16 % der Exporte). Den dritten Rang belegen feinmechanische und optische
Erzeugnisse (7,4 Mio. Euro bzw. 4 % der Exporte), wobei es sich 2015 überwiegend um
Medizintechnik handelte. Das Volumen dieser und der weiteren angeführten Warengruppen
ist allerdings gering, womit sich bereits durch einzelne Aufträge von Jahr zu Jahr deutliche
Änderungen der Reihenfolge ergeben können.
In umgekehrter Richtung, d.h. aus Iran nach Hessen, wird der Handel noch stärker durch
die Warengruppe der chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse (11,5 Mio. Euro
bzw. 91 % der gesamten Einfuhr aus Iran) dominiert, die fast ausschließlich dem Pharma-
bereich zugeordnet werden können. Der Import pharmazeutischer Erzeugnisse aus Iran hat
6,4
6,6
7,4
29,1
114,2
0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0
Halbwaren
Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs
Feinmechanische und optische Erzeugnisse
Maschinen
Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse
0,8
1,0
28,5
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0
Eisen- und Metallwaren
Maschinen
Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
23
in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und stellt den wesentlichen Treiber der
ansteigenden hessischen Importe aus Iran dar.
3.2 Direktinvestitionen
Ein weiterer Aspekt der außenwirtschaftlichen Verflechtungen stellen die gegenseitigen In-
vestitionsaktivitäten dar, d.h. Investitionen hessischer Unternehmen in Iran und umgekehrt.
Derartigen Foreign Direct Investments (FDI) können vielfältige Motive zugrunde liegen – so
z.B. die Erschließung neuer Absatzmärkte durch den Aufbau von Vertriebsstrukturen, die
absatznahe Produktion vor Ort im Ausland, der Zugang zu Rohstoffen oder die räumliche
Allokation der Produktion gemäß den jeweiligen komparativen Vorteilen.
Angaben über die Direktinvestitionsbeziehungen9 zwischen Deutschland bzw. Hessen und
Iran lassen sich der so genannten Bestandsstatistik der Deutschen Bundesbank entneh-
men. Aufgrund methodischer Änderungen der Statistik stehen lediglich Angaben ab dem
Jahr 2010 zur Verfügung.
Tabelle 4: Ausländische Direktinvestitionen (FDI) zwischen Iran und Hessen/Deutschland 2010 - 2014 (Bestände zum jeweiligen Jahresende in Mio. Euro)
Hessen Deutschland
2010 2011 2012 2013 2014 2010 2011 2012 2013 2014
FDI nach Iran 0 0 x x x 531 606 562 555 472
FDI aus Iran x x x 55 62 1.260 1.428 1.433 1.296 1.277
x: Angaben aus Gründen der Geheimhaltung von Einzelangaben gesperrt
Quelle: Deutsche Bundesbank, Daten für 2014 vorläufig
Der Blick auf die letzten fünf Jahre zeigt das – auch unter Berücksichtigung der Meldeun-
tergrenze – außerordentlich niedrige Niveau, auf dem sich die Direktinvestitionsbeziehun-
gen abspielen. So sind für die Jahre 2010 und 2011 keinerlei hessische Direktinvestitionen
in der Islamischen Republik ausgewiesen, für 2012 bis 2014 sind die Angaben gesperrt.
Der aktuellste Wert für Deutschland insgesamt – Direktinvestitionsbestand des Bundesge-
biets in Iran zum Jahresende 2014 lag bei 472 Mio. Euro – lässt wenig Interpretationsspiel-
raum für ausgeprägte hessische Direktinvestitionen in Iran. Dieses Volumen von 472 Mio.
Euro ist in knapp 30 Unternehmen im Iran investiert, wobei der überwiegende Teil (277 Mio.
9 Als Direktinvestitionen gelten gemäß internationalem Standard grenzüberschreitende Anteile am Kapital oder an Stimmrechten
eines Unternehmens von 10% oder mehr. Auf Grund einer nationalen Meldefreigrenze werden Direktinvestitionsobjekte erst ab einer Bilanzsumme von (umgerechnet) mehr als drei Millionen Euro erfasst.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
24
Euro) des Investitionsbestands auf die deutsche Chemische Industrie entfällt. Die deut-
schen Direktinvestitionen im Iran entsprechen im Übrigen lediglich 0,05 % des gesamten
Direktinvestitionsbestands der deutschen Wirtschaft im Ausland.
In umgekehrter Richtung, d.h. Bestände Irans in Hessen, sind wiederum für die Jahre 2010
bis 2012 aus Geheimhaltungsgründen keine Angaben veröffentlicht. Für 2013 und 2014
wird jeweils ein Direktinvestitionsbestand ausgewiesen, dessen Höhe mit 55 Mio. Euro bzw.
62 Mio. Euro allerdings sehr gering ausfällt. Zum Vergleich: Insgesamt haben ausländische
Unternehmen zum Jahresende 2014 zusammen 95,7 Mrd. Euro in Hessen investiert.
In Deutschland addierte sich das investive Engagement Irans zum Jahresende 2014 auf
1,3 Mrd. Euro, was einem Anteil von 0,3 % an allen ausländischen Direktinvestitionen ent-
spricht. Iran hat in 20 Objekte in Deutschland investiert, wobei allein 562 Mio. Euro auf das
Kredit- und Versicherungsgewerbe entfallen.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
25
4 Branchenentwicklungen in der Islamischen Republik Iran und Export- und Investitionspotenziale für hessische Unternehmen
Im Folgenden werden Entwicklungen in verschiedenen iranischen Branchen untersucht und
daraus Potenziale hessischer Unternehmen abgeleitet. Es lassen sich Exportchancen iden-
tifizieren, aber auch der Aufbau eigener Produktionsstätten in Iran bzw. die Zusammenar-
beit mit iranischen Unternehmen bieten Möglichkeiten zur Markterschließung. Die Bran-
cheneinschätzungen sind weitgehend mehreren durch die GTAI veröffentlichten Studien
(insbesondere GTAI 2016a, b, e) entnommen und in komprimierter Form dargestellt.
Branchenübergreifend ist festzustellen, dass es einen riesigen Nachholbedarf im Land gibt.
Iranische Investitionsgüter sind veraltet und in einem zum Teil sehr schlechten Zustand.
Während des Embargos wurden vor allem Waren aus asiatischen Ländern eingekauft. Vor-
teile durch höhere Qualität und Chancen durch Know-how-Transfer sprechen jedoch zu-
künftig wieder für den verstärkten Einsatz westlicher Produkte.
Chemische und pharmazeutische Industrie, Medizintechnik
Die chemische und pharmazeutische Industrie ist im Bundesvergleich von deutlich über-
proportionaler Bedeutung für die hessische Wirtschaft. Auch hinsichtlich des Anteils an den
Exporten ist diese Branche für Hessen von besonderer Bedeutung, rund ein Drittel aller
weltweit durch hessische Unternehmen exportierten Waren entfällt auf diese Warengruppe.
Erzeugnisse der Medizintechnik bilden keine eigene Warengruppe, sondern finden sich in
verschiedenen Warengruppen der Exportstatistik wieder. Auch dieser Wirtschaftsbereich
ist für Hessen von hervorgehobener Bedeutung.
Die iranische Chemiebranche ist in engem Zusammenhang mit der Öl- und Gasindustrie zu
sehen. Iran verfügt über nachgewiesene Ölreserven von 158 Mrd. Barrel und belegt damit
weltweit den 4. Rang, hinter Venezuela (300 Mrd. Barrel), Saudi-Arabien (267 Mrd. Barrel)
sowie Kanada (172 Mrd. Barrel) und vor Irak (143 Mrd. Barrel) sowie Kuwait (102 Mrd.
Barrel). Für die zur Erschließung der Ölreserven notwendigen Investitionen sollen auslän-
dischen Investoren attraktive Bedingungen mit ertragsorientierten Vergütungen angeboten
werden. Diese Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern im Ölsek-
tor ist jedoch noch mit großen Unsicherheiten behaftet.
Der Regierungsplanung zufolge sollen die Raffineriekapazitäten innerhalb der nächsten
fünf bis sechs Jahre auf 3,2 Mio. bpd10 steigen. Der Raffineriedurchsatz lag 2012 und 2013
mit 1,78 Mio. bpd bzw. 1,89 Mio. bpd oberhalb der nominalen Kapazität, mit 1,77 Mio. bpd
wurde 2014 ein Auslastungsgrad von leicht unter 100 % erreicht. Es wurden 2014 unter
anderem 0,59 Mio. bpd Destillate, 0,34 Mio. bpd Benzin sowie 0,10 Mio. bpd Kerosin pro-
duziert. Die Raffinerien konnten 2014 Irans Bedarf an Ölerzeugnissen vor allem bei Benzin 10 Barrel per Day.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
26
und Kerosin nicht decken. Der Import von Raffinerieerzeugnissen wird für 2014 mit
0,04 Mio. bpd angegeben.
In der Petrochemie plant Iran einen starken Ausbau der Kapazitäten. Die aktuelle Produk-
tionskapazität verteilt sich auf 48 petrochemische Anlagen. Wichtige Produkte der irani-
schen Petrochemie sind Methanol, Ethylen, Polyethylen, Propylen, Polypropylen, Ammo-
niak und Harnstoff. Nach Angaben der National Petrochemical Company (NPC) gibt es
derzeit in der Petrochemie über 70 nicht abgeschlossene Projekte, deren Fertigstellung zu
einer Kapazitätserhöhung auf 120 Mio. Tonnen führen würde. Die notwendigen Investitio-
nen werden mit 36 Mrd. US-Dollar beziffert. Ausländische Investoren sollen hier eine zent-
rale Rolle spielen.
Die Produktion von Erdgas erfolgt aktuell im Iran überwiegend für den Eigenbedarf. Mittel-
fristig will Iran zu einem führenden Gasexporteur werden, neben der Ausfuhr per Pipeline
sind LNG-Exporte (Liquified Natural Gas) geplant. Mit erschließbaren Gasvorkommen von
34.000 Mrd. cbm verfügt Iran über die weltweit größten Reserven, vor Russland und Katar.
Pharmazeutika sind bzw. waren von allen Sanktionsregimen (EU, USA, UN) ausgenom-
men, dennoch wurde der Pharmahandel unter anderem durch die Behinderungen im Zah-
lungsverkehr erheblich beeinträchtigt. Deutsche Unternehmen gehören traditionell zu den
wichtigsten Pharmalieferanten im Iran. Trotz des leichten Rückgangs 2015 bei den Expor-
ten nach Iran (-2,3 %) hoffen die Unternehmen für 2016 auf deutliche Zuwächse. Bevorste-
hende Verbesserungen bei der Zahlungsabwicklung dürften die Hoffnung bestärken. Auch
als Kooperationspartner und Investor blicken deutsche Firmen auf eine langjährige Tradi-
tion zurück.
Iran verfügt über eine große Pharmaindustrie, die vor allem Generika und Wirkstoffe (API;
Active Pharmaceutical Ingredient) herstellt. Die meisten Pharmahersteller sowie die medi-
zinischen Fakultäten der Universitäten betreiben auch Forschung und Entwicklung. Insge-
samt soll es in Iran etwa 400 medizinische Forschungseinrichtungen geben. Irans Phar-
mabedarf wird mengenmäßig zu über 90 % durch lokale Produzenten bedeckt. Der
wertmäßige Anteil ist aber deutlich geringer, da die Einfuhren zum Großteil aus hochpreisi-
gen patentierten Medikamenten bestehen.
Der Import pharmazeutischer Erzeugnisse beschränkt sich allerdings nicht nur auf paten-
tierte ausländische Medikamente, sondern es besteht auch ein hoher Bedarf an Vorerzeug-
nissen zur Herstellung von Generika. Derzeit gibt es in Iran etwa 100 Pharmahersteller,
davon sind 27 an der Teheraner Börse notiert. Der wichtigste Investor ist die staatliche
Social Security Investment Company (SSIC) bzw. deren 2003 gegründete Tamin Phar-
maceutical Investment Company (TPICO). Die Organisation besitzt oder kontrolliert 30
Pharmaunternehmen, deren Ausstoß etwa 40 % der Branchenproduktion ausmachen soll.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
27
Im Bereich der Medizintechnik ist festzuhalten, dass entsprechende Produkte von den
Sanktionen ausgeschlossen waren. Viele ausländische Anbieter haben sich jedoch in den
letzten Jahren aufgrund der Sanktionen/Behinderungen im Zahlungsverkehr aus Iran zu-
rückgezogen. Die Medizintechnik gilt heute als eine der innovativsten iranischen Industrien.
Dennoch bleibt Irans Importbedarf hoch bzw. dürfte in den nächsten Jahren weiter steigen.
Irans Anstrengungen zum Ausbau der lokalen Medizintechnikproduktion sind nicht neu. Seit
langem werden medizinische Einwegausrüstungen (Spritzen, Infusions- und Dialysesets
etc.) oder einfachere medizintechnische Ausrüstungen (Operationstische und -lampen,
Rollstühle, zahnärztliche Behandlungseinheiten etc.) im Land produziert. Mittlerweile bieten
lokale Hersteller aber auch technologisch sehr anspruchsvolle Medizintechnik an. Vielfach
wird ausländische Technik kopiert. Private Investoren werden für den weiteren Ausbau der
lokalen Medizintechnikindustrie gesucht.
Das iranische Gesundheitsministerium hat Berechnungen zum Bedarf von „High Tech Me-
dical Devices“ angestellt. Aktuell verfügt Iran über 690 Computertomografiegeräte, inner-
halb der nächsten fünf Jahre sollen 104 Geräte ausgetauscht und 300 neu beschafft wer-
den. Führende Anbieter sind Siemens, Philips, GE und Toshiba. Insgesamt 217 MRI-Geräte
(Magnetic Resonance Imaging) sind in Iran installiert, 60 sollen ersetzt werden und 135
hinzukommen. Von den 267 in Iran betriebenen Angiografiesystemen sind 54 für den Aus-
tausch vorgesehen, der zusätzliche Bedarf wird mit 160 kalkuliert. Die Zahl der in der On-
kologie eingesetzten Linearbeschleuniger liegt gegenwärtig bei 85, davon sind 29 zum Aus-
tausch vorgesehen, weitere 109 sind erforderlich.
Fahrzeugindustrie
Nach den chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen sind Fahrzeuge, Fahrzeugteile
und -zubehör mit einem Anteil von rund 12 % die zweitgrößte Exportgütergruppe Hessens.
Die Bedeutung der Branche für Hessen ergibt sich insbesondere auch aus der umfangrei-
chen Zahl von Unternehmen, die als Zulieferer für die Kfz-Branche dienen.
Iran verfügt über eine leistungsfähige heimische Kfz-Industrie, sodass die im Land verkauf-
ten Fahrzeuge fast vollständig aus lokaler Fertigung stammen. Auf iranischer Seite besteht
großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit deutschen Markenherstellern, die auch bei
Kundenumfragen in der Beliebtheit dominieren. Die iranische Kfz-Teile-Industrie ist weit
entwickelt und verfügt über umfangreiche Entwicklungsabteilungen. Trotz wachsender lo-
kaler Teileproduktion besteht weiterhin ein hoher Importbedarf und deutsche Lieferanten
sind auch hier gefragt.
Die im Land verkauften Fahrzeuge stammen zu über 90 % aus lokaler Fertigung, die Jah-
reskapazität der iranischen Pkw-Hersteller liegt bei etwa 2 Mio. Fahrzeugen. Weniger als
5 % der lokalen Pkw-Produktion wird in Nachbarländer exportiert, vor allem nach Irak und
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
28
in einige GUS-Staaten. Durch hohe Importzölle und Abgaben (derzeit 110 % des Fahrzeug-
werts) und verschiedene andere Einfuhrrestriktionen wird der lokale Kfz-Sektor, der nach
Öl und Gas wichtigste Industriezweig des Landes, vor ausländischer Konkurrenz geschützt.
Iran ist führend im Bereich der Nutzung von CNG (Compressed Natural Gas). Nach Anga-
ben des Vizepräsidenten der Iran Natural Gas Vehicles Equipment Manufacturers Orga-
nization, Amir Khaki, gibt es aktuell in Iran mehr als 3,5 Mio. CNG-Fahrzeuge (Deutschland:
100.000, GIBGAS 2016). Mit der Einführung von CNG wurde vor 15 Jahren begonnen. Ab
2016/17 sollen die iranischen Kfz-Hersteller verpflichtet sein, bis zu 50 % ihrer Fahrzeuge
mit CNG-Antrieb zu fertigen.
Maschinenbau
Erzeugnisse des Maschinenbaus sind dicht hinter den Fahrzeugteilen mit einem Anteil von
mehr als 11 % die drittgrößte Warengruppe hessischer Exporte weltweit. Der Maschinen-
bau umfasst eine große Vielfalt unterschiedlichster Schwerpunkte mit einer hohen Spezia-
lisierung, sodass allgemeingültige Aussagen häufig kaum zu treffen sind. Aufgrund des ho-
hen Investitionsbedarfs in der iranischen Wirtschaft dürften Maschinen trotzdem in nahezu
allen Bereichen sehr stark nachgefragt werden, wobei der Markt durch die lange Zeit der
Sanktionen eine spezifische Konkurrenzsituation aufweist. Der iranische Maschinenbau hat
von der sanktionsbedingt geringen Konkurrenz westlicher Anbieter profitiert, leidet aber un-
ter der anhaltenden Investitionsschwäche im Land. Die nun erwartete Belebung führt bei
den lokalen Maschinenbauern zu neuen Risiken und steigender Konkurrenz, bietet jedoch
auch gute Chancen der Kooperation mit ausländischen Partnern. Die iranische Industrie-
politik erwartet, dass internationale Firmen das im Land verfügbare Know-how nutzen und
durch Technologietransfer weiter ausbauen. Ziel ist der Aufbau einer lokalen Fertigung oder
zumindest einer lokalen Montage.
Die VR China hat sich in der Sanktionsphase zum mit großem Abstand wichtigsten Maschi-
nenlieferanten Irans entwickelt und die chinesischen Anbieter werden versuchen, eine
starke Schrumpfung ihrer Marktposition zu verhindern. Iranische Industrieunternehmen
sind zwar an hochwertigen Maschinen aus westlichen Ländern, insbesondere aus Deutsch-
land, sehr interessiert, aber die zumeist deutlich niedrigeren Preise der chinesischen Kon-
kurrenz bleiben bei Investitionsentscheidungen ein wichtiges Kriterium. Ein Büro des Ver-
bands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Teheran soll die Mitgliedsunter-
nehmen bei der Geschäftsanbahnung im Iran unterstützen.
Die Sanktionen haben den Trend, modifizierte Nachbauten ausländischer Maschinen (Re-
verse Engineering) lokal zu fertigen, befördert. Diese Entwicklung ist in fast allen Maschi-
nensparten zu beobachten. Nicht selten wird dem Label „made in Iran“ der Hinweis auf
Nutzung ausländischer Technologien hinzugefügt.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
29
Die iranische Beteiligung an der im Oktober 2015 veranstalteten Teheraner Industriemesse
spiegelte die während der Sanktionszeit deutlich forcierten Anstrengungen, Maschinen und
Anlagen lokal herzustellen. Die einheimischen Anbieter greifen häufig auf bekannte auslän-
dische Technik zurück. Zumeist sind es modifizierte Nachbauten renommierter internatio-
naler Maschinenlieferanten, vielfach werden technologische Kernkomponenten importiert.
Das lokale Angebot konzentriert sich auf Maschinen zur Metallbearbeitung (CNC-Maschi-
nen, Industrieroboter, Metallpressen etc.).
Umwelt- und Energietechnik
Vergleichbar mit der Medizintechnik ist die Querschnittsbranche Umwelt- und Energietech-
nik nicht als spezifische Warengruppe in der Außenhandelsstatistik zu erfassen. Hessen
weist gerade in der Umwelttechnik und bei den Erneuerbaren Energien eine große Vielfalt
aktiver Unternehmen auf.
Iran braucht dringend neue Kraftwerkskapazitäten, um die zunehmende Nachfrage nach
Strom – insbesondere der Industrie – erfüllen zu können. Dabei zählt das Land auch auf
Atomstrom. Mit Russland wurden entsprechende Projekte bereits angegangen. So sollen
u. a. vier weitere 1-GW-Reaktoren gebaut werden.
Die Kraftwerkskapazitäten haben sich seit 2009/10 (iranisches Jahr: 21.3. bis 20.3.) um
30 % auf aktuell nominal 74 GW erhöht. Auf 19 Dampfturbinenkraftwerke entfielen 2015
etwa 20 GW, auf 40 Gasturbinenkraftwerke 25 GW, auf 14 kombinierte GuD-Kraftwerke
(Gas- und Dampfturbinen) 17 GW, auf 37 Wasserkraftanlagen 10 GW und auf das Atom-
kraftwerk in Bushehr 1 GW. Die Kapazitäten der Wind- und Solaranlagen summieren sich
auf 250 MW. Iran betreibt einige kleinere Waste-to-Energy-Projekte. Aus Festmüll wird in
Teheran und Sari Strom gewonnen (3,5 MW und 4,0 MW). In Shiraz und Mashad stehen
Biogasanlagen mit 1,1 MW und 0,6 MW.
Neben Wasserkraft hat Iran zwar schon früh mit der Nutzung anderer erneuerbarer Ener-
gien (EE) begonnen, aber letztlich blieben die Investitionen in Solar- und Windenergie rela-
tiv gering. Die Renewable Energie Organisation of Iran (SUNA) wurde 1995 gegründet und
im Jahr 2000 reorganisiert. Auf Wasserkraftwerke entfallen derzeit etwa 4 % der iranischen
Stromerzeugung. Die Kapazität der Wasserkraftanlagen beträgt insgesamt 12 GW. Die
Leistung anderer EE-Kraftwerke (vor allem Wind) beträgt etwa 0,2 GW. Irans Energiemi-
nisterium hatte 2014 angekündigt, bis 2018 die Kapazität des EE-Sektors auf 5 GW zu er-
höhen. Priorität hat Windenergie, aber zumindest 0,5 GW sollten auf Photovoltaik (PV) ent-
fallen. Die 5 GW Marke wird mit geändertem Zeithorizont weiterhin genannt. Im Entwurf des
neuen Fünfjahresentwicklungsplans (2016/17 bis 2020/21) sind aber nur noch 1.000 MW
bis 2021 vorgesehen, dies würde einem Anteil der Solar- und Windenergie an den gesam-
ten Kraftwerkskapazitäten von unter 1 % entsprechen. Ein Berater des Energieministeriums
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
30
sprach hingegen im März (2016) von geplanten 4.850 MW bis 2021, davon solle der Privat-
sektor 4.550 MW realisieren. Bereits 1994 wurden zwei Windkraftanlagen mit jeweils
550 kW (Lieferant Dänemarks Nordtank) in der Region Rudbar-Manjil (Provinz Gilan am
Kaspischen Meer) installiert. Nach Angaben des SUNA Technik-Chefs Iraj Harsini beträgt
die Gesamtkapazität der heute in der Manjil-Region arbeitenden Windturbinen 180 MW.
Manjil ist eines von drei großen Windkraftprojekten. SUNA hat im Juni 2015 angekündigt,
80 Windturbinen zur Installation vor allem in der südöstlichen Provinz Sistan und Baluches-
tan beschaffen zu wollen. Als für den weiteren Ausbau der Windenergie besonders geeig-
nete Regionen bezeichnet SUNA neben Sistan und Baluchestan die Provinzen West- und
Ostaserbaidschan, Qazvin, Semnan und Khorasan.
Um den EE-Sektor zu fördern, bietet Iran seit 2012 privaten Investoren garantierte Einspei-
severgütungen (Feed-in-Tariff/FiT) an. Die Konditionen wurden mehrfach modifiziert, der-
zeit gelten die im Juli 2015 veröffentlichten Regelungen (Ministry of Energy Directive No.
94/23773/60/100). Demnach variieren die Konditionen nach Technologien und Anlagen-
größe. Die in Rial garantierten Vergütungen werden jährlich an die Inflations- und Wechsel-
kursentwicklung angepasst (Adjustment Formula). Die Zahlung der Einspeisevergütungen
wird für 20 Jahre vereinbart, allerdings ist nach zehn Jahren eine Absenkung der Vergütun-
gen um 30 % vorgesehen, für Windprojekte gelten Sonderregelungen. In Iran ist das Po-
tenzial zur Nutzung von Solarenergie groß, aber bislang gibt es hier wenig Bewegung. Das
Energieministerium hofft auf die verstärkte Installation von PV-Solaranlagen auf Hochhäu-
sern. Neben dem garantierten Feed-in-Tariff übernehme das Ministerium die Hälfte der In-
vestitionskosten, so wird der stellvertretende Energieminister Houshang Falahatian zitiert.
Im Januar 2016 wurde in Anwesenheit von Falahatian in Teheran die 250 kW Fotovoltaic
Power Station in Betrieb genommen. Mit einem IRENA-Kredit (International Renewable
Energy Agengy) in Höhe von 6 Mio. US-Dollar soll in der Region Ardebil ein 5 MW Geother-
mieprojekt, an dem seit über zehn Jahren gearbeitet wird, abgeschlossen werden. Das
Kraftwerk in der Nähe von Meshkin Shahr (Provinz Ardebil) sollte bereits 2015 fertig wer-
den. Die Turbinen wurden in Italien beschafft, der Projektabschluss soll nun 2017 erfolgen.
Langfristig ist ein Ausbau der Geothermie auf 50 MW vorgesehen.
Für den Ausbau von Wasser- und Abwasserprojekten sucht Iran besonders dringlich Inves-
toren. Durch Finanzierungsengpässe bleiben viele Projekte auf der Strecke. Rund 60 %
des Abwassers bleibt derzeit unbehandelt. Iran benötige 22 Mrd. US-Dollar für Wasser- und
Abwasserprojekte, erklärte Ali Asghar Ghane von der staatlichen Iran Water and Wastewa-
ter Engineering Company (NWWEC) auf der im November 2015 in Teheran veranstalteten
„Iran-Germany Water and Waste Water Joint Convention“. Landesweit sollen etwa 3.000
Wasser- und Abwasserprojekte aufgrund von Finanzierungsproblemen nicht abgeschlos-
sen werden können. Iran hat im Abwassersektor einen großen Nachholbedarf, etwa 60 %
des Abwassers bleiben derzeit unbehandelt.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
31
Weitere Branchen: IKT, Metall, Luftfahrt, Verkehr, Infrastruktur, Bau
Für ausführliche Einschätzungen zu den aktuellen Entwicklungen in weiteren Branchen sei
auf die genannten Veröffentlichungen der GTAI (2016a, b) verwiesen. Iran hat bei der In-
ternet- und Mobilfunknutzung bereits hohe Verbreitungsgrade erreicht, aber es sind erheb-
liche Investitionen in den Ausbau der Mobilfunknetze sowie der Breitbandnetze erforderlich.
Zudem leidet die Internetnutzung unter der staatlichen Zensur. Schätzungen zufolge setzen
über zwei Drittel der Internetnutzer Software zur Umgehung der staatlichen Kontrollen ein,
was allerdings die ohnehin niedrige Übertragungsgeschwindigkeit weiter reduziert.
Nach einer Unternehmensumfrage der AHK Iran (2015, S. 7) bestehen für die IKT-Branche
und die Elektrotechnik sehr hohe Wachstumsaussichten im Iran. Die beiden Branchen wer-
den hinsichtlich der Wachstumserwartungen der Unternehmen nur von der Branche Öl und
Gas bzw. allgemein Energie übertroffen.
Iran hat ambitionierte Pläne für seine Metallindustrie. Innerhalb von zehn Jahren soll die
Kapazität der Stahlindustrie auf jährlich 55 Mio. Tonnen Rohstahl steigen, bei Aluminium
sind 1,5 Mio. (über 5 Mio. Tonnen wird diskutiert) und bei Kupfer 0,8 Mio. Tonnen Katho-
denkupfer angestrebt. Diese Ziele wurden im Mai 2015 interessierten ausländischen Firmen
unter anderem aus der VR China, Indien, Australien und Deutschland auf einer Konferenz
in Teheran vorgestellt.
Iran will seinen sanktionsbedingten Investitionsstau im Transportsektor zügig abbauen.
Ausländische Partner werden gesucht und zeigen auch großes Interesse. Im Flughafen-
sektor sind derzeit große Projekte in Vorbereitung. Hohe Investitionen sind auch im Bereich
des Schienennah- und -fernverkehrs geplant.
Der erwartete allgemeine Wirtschaftsaufschwung und die verbesserte Lage der öffentlichen
Kassen dürften der Bauwirtschaft ab 2016/17 kräftige Impulse geben. Business Monitor
prognostiziert für die nächsten fünf Jahre ein durchschnittliches Wachstum von 4 %. Derzeit
leidet die Baubranche allerdings vor allem unter einer nachlassenden Wohnungsbaukon-
junktur. Im Bereich des Verkehrsinfrastrukturbaus wird bereits eine deutliche Belebung er-
wartet. Es besteht hoher Investitionsbedarf im Straßenbausektor, zudem ist die Erweiterung
und Modernisierung von Flughäfen, Häfen sowie schienengebundenen Nah- und Fernver-
kehrssystemen geplant.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
32
5 Einschätzungen zu den iranisch-hessischen Wirtschaftsbeziehun-gen durch Experten
Nachfolgend sind Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus Wirtschaftsverbän-
den, Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer wiedergegeben. Mit insge-
samt sieben Institutionen ist ein inhaltlicher Austausch gelungen, wovon fünf an einem Ex-
pertengespräch teilnahmen und zwei Institutionen schriftliche Ausführungen zur Verfügung
gestellt haben. Weiterer Verbände begründeten teils eine Absage damit, dass das Land
und Thema Iran zwar für Unternehmen von Bedeutung ist, aber aktuell kein Schwerpunkt
der Verbandsarbeit sei. Die Befragung wurde im August und September 2016 durchgeführt.
Hervorzuheben ist, dass während der Befragung teils keine Differenzierung für hessische
Unternehmen gegenüber bundesweiten Angaben vorgenommen werden konnte. Jedoch
belegt bereits die statistische Analyse in Kapitel 3 eine weitgehende Übereinstimmung zwi-
schen den außenwirtschaftlichen Beziehungen Hessens und Deutschlands mit Iran, die für
die im Folgenden ausgewerteten qualitativen Aussagen umso mehr gelten dürfte. Zusätz-
lich zu den Gesprächen fließen in die Auswertung publizierte Stellungnahmen und Ein-
schätzungen von Verbänden ein und es werden Querverweise zu Veröffentlichungen an-
derer Institutionen gezogen.
Wirtschaftsbeziehungen zum Iran während der Sanktionsphase
Die Einschätzungen der Experten zu den Geschäftsbeziehungen mit Iran in den letzten
Jahren bestätigen die Ergebnisse der statistischen Analysen des Kapitels 3. Aufgrund der
langjährigen Sanktionen ist die Bedeutung des Landes aktuell für die hessische Wirtschaft
gering. Dies betrifft sowohl Branchen, die direkt von den Sanktionen betroffen waren, als
auch Branchen, denen eigentlich auch während der Sanktionen der Handel mit Iran gestat-
tet gewesen wäre. Die letztgenannten Branchen stellten im Laufe der Zeit ihre Iran-Aktivi-
täten aber ebenfalls weitgehend ein, da eine Zahlungsabwicklung aufgrund der Sanktionen
gegenüber dem Bankenbereich nahezu unmöglich war. Faktisch weigerten sich Banken,
Gelder aus dem Iran anzunehmen. Ein Vorwurf in Richtung Wettbewerbsverzerrung wurde
geäußert, da angeblich Zahlungen an amerikanische Exporteure, d.h. Wettbewerber der
hessischen/deutschen Unternehmen, angenommen wurden. Unklar bleibt weitgehend, in-
wieweit andere Staaten (insbesondere in Asien) ihre Handelsgeschäfte mit Iran ausweiten
konnten, da sie zwar nicht von den europäischen, aber gleichwohl von den UN- und den
US-Sanktionen ähnlich betroffen gewesen sein müssten. Gesprächspartner äußerten die
Vermutung, dass diese Staaten direkte Tauschgeschäfte (Barter-Geschäft) zur Abwicklung
ihres Handels mit Iran genutzt haben könnten.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen bzw. Deutschland und Iran waren in der
Sanktionsphase auf ein Minimum reduziert. Es ließen sich kaum Zahlen nennen, wie viele
Unternehmen noch im Iran aktiv waren. Eine branchenübergreifende Einschätzung lautet,
dass in dieser Zeit rund 1.000 Unternehmen in Deutschland Exportbeziehungen zum Iran
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
33
unterhielten und rund 100 Unternehmen mit eigenen Mitarbeitern/Standorten im Iran aktiv
waren. Unternehmen, die direkt im Iran tätig waren, haben zum größten Teil alte Verträge
aus der Zeit vor den Sanktionen erfüllt und so etwa Garantie- und Serviceleistungen er-
bracht. Nach Einschätzung einiger der befragten Experten ist der lange Gesamtzeitraum,
in dem unterschiedliche Sanktionsregelungen wirksam waren, ein wesentlicher Grund da-
für, dass es derzeit schwierig ist, an die vormaligen sehr vitalen Wirtschaftsbeziehungen
zwischen Iran und Deutschland während der 1960er und 1970er Jahre anzuknüpfen.
Gleichwohl könne hierin eine Ursache für die positive Grundhaltung der iranischen Wirt-
schaft bzw. Bevölkerung gegenüber Deutschland und der deutschen Wirtschaft liegen.
Langfristige Entwicklungsperspektiven und Potenziale
Iran wird von der Mehrheit der Gesprächspartner als attraktiver Markt mit Potenzial betrach-
tet. Mit 80 Mio. Einwohnern ist Iran eine der größten Volkswirtschaften in der Region und
damit ein vielversprechender Absatzmarkt. In Iran gibt es, trotz einer vergleichsweise hohen
Arbeitslosenquote (siehe Kapitel 2.2), eine kaufkräftige Mittelschicht. Als Indikator hierfür
wurde die relativ hohe Automobilnachfrage genannt. Der Rohstoffreichtum macht das Land
zudem als Produktionsstandort für verschiedene Branchen attraktiv. Der Aufbau neuartiger
Produktionsstätten wird nach Einschätzung mehrere Experten auch dadurch begünstigt,
dass Iran historisch tradiert über beachtliche industrielle Fertigungskapazitäten verfügt.
Hierdurch bedingt ist an den betreffenden Fertigungsstandorten auf Seiten der Belegschaf-
ten und des Managements eine „Industriementalität“ mit entsprechenden technologischen
und kaufmännischen Kenntnissen vorhanden.
Als weiterer positiver Faktor für die langfristigen Entwicklungsperspektiven wurde das hohe
prognostizierte Wirtschaftswachstum Irans durch die Aufhebung der Sanktionen hervorge-
hoben. Das Land war zehn Jahre lang weitgehend vom Weltmarkt abgeschnitten und weist
damit in allen Branchen einen Nachholbedarf auf. Auch ist nach Aussage eines Experten
hinreichend Kapital aus öffentlichen und privatwirtschaftlichen Quellen vorhanden, um Er-
satzinvestitionen und Neuinvestitionen zu tätigen. Die zur Flankierung von Investitionen er-
forderlichen funktionierenden Verwaltungs- und Managementkapazitäten sind ebenfalls
vorhanden. Durch die befragten Experten hervorgehoben wurden Branchen wie Energie-
und Versorgungswirtschaft, Ölindustrie, industrielle Infrastruktur, Transport und Verkehr,
Konsumgüter und Gesundheitswirtschaft. Als spezifisches Importsegment, das eher im Lu-
xusgüterbereich angesiedelt ist und sich an wohlhabende städtische Käuferschichten rich-
tet, wurden von einem Experten hochpreisige Personenkraftwagen im Premiumsegment
genannt. Dies ist bekanntermaßen eine Güterkategorie, in dem deutsche Anbieter ausge-
prägte komparative Stärken aufweisen. Weitere identifizierte Bereiche sind die Fremden-
verkehrswirtschaft, Stadtentwicklung- und Stadtplanung, Architektur wie auch Projektpla-
nung, Ressourcenmanagement und Ingenieurdienstleistungen. So können deutsche bzw.
hessische Anbieter als Dienstleister für Unternehmen aus der Bauwirtschaft fungieren. An-
gesichts der Tatsache, dass in nahezu allen Branchen ein Investitionsstau und ein hoher
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
34
Bedarf zur Erneuerung des Maschinenbestandes bestehen, hob die Mehrzahl der Befrag-
ten entsprechend zu Einschätzungen der GTAI (2016d, S. 23) die besonderen Chancen
des hessischen Maschinenbaus für eine Ausweitung ihres Exports nach Iran hervor. Diese
Einschätzung wird auch beim Blick auf die zahlreichen Aktivitäten und Veröffentlichungen
des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) bestätigt. Eine wich-
tige Funktion bei der Anbahnung von Geschäftskontakten in den genannten Bereichen
kommt laut Aussage eines Experten dem in Iran vergleichsweise hoch entwickelten Mes-
sewesen zu.
Im Hinblick auf den Konsumbereich ist davon auszugehen, dass die iranische Regierung
aufgrund einer weitverbreiteten Erwartungshaltung im Land, insbesondere nach der Aufhe-
bung der außenwirtschaftlichen Sanktionen, unter einem starken Druck steht, den Lebens-
standard der Bevölkerung zu erhöhen. Dies kann faktisch, ähnlich wie im Investitionsgüter-
bereich, in zahlreichen Konsumsegmenten allein über den Import der benötigten Güter
geschehen. Während hier über den Preiswettbewerb teils Vorteile bei asiatischen Anbietern
zu sehen sind, bietet der Bereich der Luxusgüter sicherlich auch hessischen Unternehmen
Potenziale. Französische, italienische und schweizerische Unternehmen dürften ebenfalls
von Marktpotenzialen im Luxusgüterbereich profitieren, so etwa in den Produktsegmenten
Bekleidung, Uhren und hochwertige Lebensmittel.
Im Hinblick auf die Bedeutung Irans für die hessische Wirtschaft hob ein Teilnehmer der
Befragung einschränkend hervor, dass auch bei sehr dynamischen Wachstumsprognosen
die Bedeutung Irans für die heimische Wirtschaft (etwa gemessen am Anteil an den Expor-
ten) auf absehbare Zeit gering bleiben wird. Allerdings sind zur Bewertung des Potenzials
durch die Öffnung des iranischen Marktes nicht nur verschiedene direkte Effekte zu bewer-
ten, sondern auch indirekte Effekte miteinzubeziehen. Steigern Branchen den Export nach
Iran, werden wiederum Zulieferleistungen anderer Branchen stärker nachgefragt. Auch
beim Aufbau von Standorten oder Investitionen im Iran durch deutsche Unternehmen
könnte die Nachfrage für entsprechende hessische Anbieter steigen. Vor dem Hintergrund
der bestehenden Schwierigkeiten bei der Markterschließung kommt hier den Großunter-
nehmen eine hohe Bedeutung zu: Zunächst erschließen die Großunternehmen den Markt
und unter Nutzung des hierdurch gewonnenen Know-hows folgen kleinere Unternehmen
nach. Auf diese Weise können beispielsweise erfolgreiche Zulieferbeziehungen in anderen
Ländern im Iran weitergeführt werden.
Hinsichtlich der mittel- und langfristigen Entwicklungsperspektive für Iran verwies ein Ge-
sprächsteilnehmer auf den offiziellen Zeitplan des Abkommens zum iranischen Atompro-
gramm, der einen vollständigen Abbau aller Sanktionen bis zum Jahr 2030 vorsieht. Es
wurde mehrfach hervorgehoben, dass Sanktionen Irans, die sich auf andere Bereiche als
das Atomprogramm (insbesondere in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen und Terro-
rismusunterstützung) beziehen, zunächst bestehen bleiben. Weiterhin wurde hervorgeho-
ben, dass die wirtschaftliche Entwicklung durch Unsicherheiten im Hinblick auf die weiteren
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
35
weltweiten politischen Entwicklungen geprägt ist. In den USA stehen Präsidentschaftswah-
len an, und zumindest im Wahlkampf wird teils die Aufhebung der Sanktionen gegenüber
Iran kritisiert. Auch im Iran stehen im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen an, und dem
derzeitigen Präsidenten Rohani wird angelastet, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht
so schnell voran geht wie erhofft. Spezifische politische Gruppierungen im Iran, die im Wes-
ten als „konservative Kräfte“ bezeichnet werden, könnten hierdurch weiter an Einfluss ge-
winnen und die wirtschaftliche Öffnung des Landes einschränken. Hierdurch könnte für aus-
ländische Investoren bereites erarbeitetes Terrain wieder verlorengehen. Durch die „Snap
Back“-Klausel besteht zudem stets das Risiko einer schnellen Wiedereinführung der Sank-
tionen, wenn Iran Bestimmungen aus dem Atomabkommen verletzt. Einschätzungen zur
Wahrscheinlichkeit der weiteren Entwicklung – zwischen vollkommener Integration in den
Weltmarkt und einer Wiedereinführung von Sanktionen durch den „Snap Back“-Mechanis-
mus – wurden zwar nicht abgegeben, aber vielfach wurde die Hoffnung geäußert, dass sich
die Beziehungen weitgehend normalisieren. Ein weiterer geopolitischer Aspekt im Hinblick
auf die zukünftige wirtschaftliche Bedeutung Irans ist, dass Iran sich aufgrund von Differen-
zen zu Nachbarstaaten überwiegend nicht als Hub zur Erschließung der Region eignen
dürfte.
Für das Entwicklungspotenzial einer Volkswirtschaft sind die Zahl und die Qualifikation der
Arbeitskräfte von essentieller Bedeutung. Mit Blick auf Iran haben sich die Gesprächs-
partner auch zu diesem Aspekt geäußert. Einige von ihnen haben darauf hingewiesen, dass
das Qualifikationsniveau in der Erwerbsbevölkerung im Iran, verglichen mit derjenigen in
anderen Ländern der Region, sehr hoch sei. Insbesondere in technischen Berufen verfüge
das Land über zahlreiche Fachkräfte, von denen wiederum viele einen Hochschulabschluss
absolviert hätten. Für eine fundierte Ausbildung von Fachkräften stünden zudem leistungs-
fähige staatliche Fachschulen zur Verfügung, die in der Vergangenheit – teilweise mit Un-
terstützung durch ausländische und insbesondere auch deutsche Partner aufgebaut wor-
den seien. Mit Blick auf die generelle Einstellung zu Technologien komme hinzu, dass die
vergleichsweise junge iranische Bevölkerung, insbesondere in den Ballungsräumen, sehr
technikaffin sei, was sich beispielsweise in der weitverbreiteten Nutzung von Informations-
und Kommunikationstechnologien im Konsumbereich äußere. Zudem werden seitens eini-
ger der befragten Experten die unter Hochschulabsolventen und Fachkräften weit verbrei-
teten Englisch- und Deutschkenntnisse erwähnt, die den Absatz von Produkten, die Auf-
nahme von Geschäftsbeziehungen und den Aufbau von Belegschaften erleichterten.
Aktuelle Entwicklungen: Aufhebungen der Sanktionen und Aufnahme von Wirt-
schaftsbeziehungen
Wie beschrieben werden die langfristigen Perspektiven und das grundsätzliche Potenzial
Irans durchweg positiv beurteilt. Da die weit in die Zukunft reichenden Prognosen jedoch
mit großen Unsicherheiten behaftet sind, richtete sich die Mehrzahl der Einschätzungen
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
36
und Anmerkungen auf die aktuelle Situation, die derzeit trotz Aufhebung der Sanktionen
bestehenden Handelshürden und die Entwicklungschancen in der näheren Zukunft.
Mit dem „Implementation Day“ am 16. Januar 2016 wurden viele Sanktionen gegenüber
Iran – gemäß dem Abkommen zum Atomprogramm Irans – aufgehoben. Spätestens seit
diesem Zeitpunkt rückt Iran ins Interesse der deutschen Wirtschaft. Die Wirtschaftsver-
bände widmen sich dem Thema Iran jedoch häufig bereits seit mehreren Jahren. Eine Vor-
reiterrolle nimmt dabei die Pharmazeutische Industrie ein. Ausnahmebedingungen in den
EU-Sanktionen gegen Iran für humanitäre Zwecke ermöglichten zwar im Allgemeinen den
Export pharmazeutischer Produkte nach Iran, trotzdem kam der Handel weitgehend zum
Erliegen, weil aufgrund der Sanktionen im Finanzbereich die Lieferungen nicht bezahlt wer-
den konnten. Deutsche Banken verweigerten Finanztransaktionen mit Iran (BPI 2014,
S. 18). Dieses Thema wird daher bereits seit mehreren Jahren – auch durch hessische
Pharmaunternehmen – mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und der BPI steht hierzu im
Kontakt mit dem Auswärtigen Amt (BPI 2013-16). Aktuell lassen sich langsam Fortschritte
beobachten, da die iranischen Banken wieder in das SWIFT-System aufgenommen wer-
den. Da mittlerweile viele Branchen vor diesem Problem stehen, haben sich auch die Dis-
kussionen hierzu im Auswärtigen Amt verstärkt (BPI 2016, S. 22).
Das derzeitige Interesse der Wirtschaft am Iran wird durch die befragten Verbände unter-
schiedlich bewertet. Teils erleben Verbände eine große Resonanz (beispielsweise hohe
Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen, viele Anfragen), überwiegend wird durch die Ver-
bände allerdings ein insgesamt eher verhaltenes Interesse am Iran beobachtet. Als Gründe
hierfür werden beispielsweise die nach wie vor großen Schwierigkeiten bei der Markter-
schließung, insbesondere die noch immer auftretenden Probleme bei der Abwicklung finan-
zieller Transaktionen, sowie die Existenz von Ausweichmärkten genannt. Auch branchen-
spezifische Unterschiede hinsichtlich des Interesses am iranischen Markt zeigen sich. Die
Tatsache, dass mit Blick auf die Anknüpfung neuer Wirtschaftsbeziehungen mit Iran nach
einem kurzzeitigen „Hype“ bzw. einer „Goldgräberstimmung“ Anfang des Jahres 2016 im
Verlauf mehrerer Monate wieder eine Beruhigung erfolgt ist, wird von zwei Gesprächs-
partner explizit als eher positiv interpretiert, da diese auf eine „Normalisierung“ hindeute.
Damit nicht durch ein unterschiedliches Vorgehen beim Sanktionsabbau Wettbewerbs-
nachteile für einzelne Länder entstehen, hat sich der BDI während der Verhandlungen für
ein level-playing-field hinsichtlich des Sanktionsabbaus eingesetzt (BDI 2016). Die aktuelle
Position Deutschlands und der deutschen Wirtschaft gegenüber Wettbewerbern auf dem
iranischen Markt wurde durch die Verbände unterschiedlich bewertet. Es wurde zum Teil
die Geschwindigkeit der Öffnung des Marktes und des Abbaus der Barrieren – insbeson-
dere im Finanzbereich – allgemein kritisiert. Deutschland sei möglicherweise zu vorsichtig
und verliere dadurch an Boden beim Wettbewerb um den sich öffnenden Markt Iran. Die
Mehrzahl der Gesprächsteilnehmer schätzt die Wettbewerbsposition Deutschlands aller-
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
37
dings positiv ein. Was das Erfordernis einer politischen Flankierung von Akquisitionstätig-
keiten im Infrastrukturbereich betrifft, so haben sich zwei Experten dahingehend geäußert,
dass die in Deutschland üblicherweise eher zurückhaltende diesbezügliche Vorgehens-
weise von Regierungsvertretern durchaus von Vorteil sein kann, um gegenüber Konkurren-
ten aus anderen Industrieländern – etwa Frankreich, Italien und Japan – zu reüssieren.
Auch im Hinblick auf Iran liegen die Stärken der bundesdeutschen Außenwirtschaftsstrate-
gie vor allem in ihrer langfristigen Perspektive, die von einer gründlichen Basisarbeit und
einer zeitigen Identifizierung von möglichen Geschäftspotenzialen flankiert wird. Deutsch-
land hat früh begonnen, durch breit gefächerte akquisitorische Maßnahmen Kontakte in den
Iran zu knüpfen. Sigmar Gabriel war der erste westliche Politiker, der Mitte 2015, kurz nach
Abschluss des Abkommens zum Abbau des iranischen Atomprogramms, mit einer Wirt-
schaftsdelegation im Iran war (GTAI 2016d, S. 22). Die europäischen Wettbewerber schei-
nen nicht weiter zu sein als Deutschland, und die USA haben aufgrund der weiterhin gülti-
gen (Primär-)Sanktionen – d.h. Sanktionen, die für US-Bürger und Waren mit US-Anteil
gelten – eher Nachteile bei der Markterschließung. Die teils in den Medien verbreiteten
Geschäfte einzelner Unternehmen mit Iran, die die Sorge schüren, dass deutsche Unter-
nehmen ins Hintertreffen geraten, sollten nicht überbewertet werden, da es einerseits Ein-
zelfälle seien und andererseits häufig lediglich Absichtserklärungen darstellten. In den Ge-
sprächen wurden nur relativ wenige Aussagen zu asiatischen Wettbewerbern getroffen.
Zwar haben asiatische Wettbewerbe während der Sanktionsphase ihren Marktanteil deut-
lich erhöht, allerdings gäbe es in einzelnen Bereichen Rückmeldungen über eine gewisse
Unzufriedenheit der iranischen Kunden. Hier ergeben sich Möglichkeiten für hessische Un-
ternehmen, Marktanteile durch hohe Qualität zu gewinnen.
Herausforderungen der Markterschließung
Als zentrales Problem der Markterschließung wurde durch die Mehrzahl der Befragten die
noch immer sehr schwierige Abwicklung finanzieller Transaktionen betont. Mehrere Ge-
sprächspartner relativierten dies insoweit, als dass eine finanzielle Abwicklung des Export-
geschäftes mittlerweile wieder recht problemlos und unter Einhaltung aller rechtlichen An-
forderungen und Compliance-Gesichtspunkten möglich sei, aber beim Projektgeschäft und
bei umfangreichen Investitionen im Iran weiterhin eine hohe Hürde darstellt. Allerdings
wurde auch durch mehrere Befragungsteilnehmer Verständnis geäußert, dass der Prozess
zur Wiederaufnahme des Iran-Geschäfts seitens der Banken nicht von „heute auf morgen“
abgeschlossen sein kann.
Die Bedingungen für Finanzgeschäfte mit Iran sind aus verschiedenen Gründen schwierig.
Da nicht alle Sanktionen aufgehoben wurden, sind weiterhin die nach bestehenden Sankti-
onen bei Iran-Geschäften zu prüfen. Insbesondere die primären US-Sanktionen bleiben in
Kraft, wodurch der Handel für US-Bürger und Waren mit einem US-Anteil weiterhin sankti-
oniert bleibt. Daher ist, obwohl die sekundären US-Sanktionen aufgehoben sind, teils auf-
wändig zu prüfen, inwieweit möglicherweise ein US-Bezug bei einem einzelnen Geschäft
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
38
gegeben sein könnte. Darüber hinaus gibt es Vorgaben der Financial Action Task Force zur
Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus. Durch diese Organisation wird Iran – trotz
einiger erfolgreicher Maßnahmen und Verbesserungen – noch immer als äußerst risikorei-
ches Land eingestuft. Dies wird dadurch verstärkt, dass oft keine ausreichenden Informati-
onen zu Personen und Unternehmen aus Iran gemäß den Compliance-Richtlinien erhältlich
sind. Den Geldinstituten fehlt hierzu nach jahrelanger Abwesenheit die Expertise vor Ort.
Weitere Hemmfaktoren liegen in strukturellen Schwächen des iranischen Bankensektors.
Aufgrund der ohnehin in den letzten Jahren unter Basel III erhöhten Anforderungen hin-
sichtlich der Liquidität und Eigenkapitaldeckung wird daher gerade unter dem Risikoaspekt
die Wiederaufnahme des Iran-Geschäfts durch die Banken vorsichtig angegangen (Quade
2016, S. 25-26).
Trotz der dargestellten Probleme beobachten mehrere Gesprächsteilnehmer auch sukzes-
sive Verbesserungen hinsichtlich der Zahlungsabwicklung und des Geschäftsverkehrs mit
Iran. Hervorgehoben wurde die Aufnahme iranischer Banken in das SWIFT-System sowie
die – durch die Rückzahlung von alten Schulden seitens Irans – nun wieder mögliche Auf-
nahme von Euler-Hermes Exportgarantien. Die relativ hohe Unsicherheit bei Iran-Geschäf-
ten wird zukünftig durch diese Absicherung verringert.
Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur im Finanzbereich, sondern auch hin-
sichtlich des Güterverkehrs zwar viele, aber nicht alle Sanktionen gegenüber Iran abgebaut
wurden. Es ergeben sich dadurch strenge Anforderungen hinsichtlich des Exportkontroll-
rechts, die den Aufwand für Lieferungen nach Iran deutlich erhöhen. Gerade die unklare
Situation hinsichtlich der US-Sanktionen wurde hierbei mehrfach als Hemmfaktor genannt.
Es besteht die Befürchtung, durch einen Verstoß gegen die Iran-Sanktion möglicherweise
das ungleich bedeutendere US-Geschäft zu gefährden. Auch Allgemein sind in Hinsicht auf
deutsche Außenhandelsregelungen die für zahlreiche Produktsegmente vorgeschriebenen
Genehmigungen von Außenhandelsgeschäften durch das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle von Relevanz.
Aktuell waren noch kaum Einschätzungen zu Zöllen und Quoten als Hemmfaktoren für die
Exportentwicklung möglich. Allerdings gibt es seitens der iranischen Regierung teils politi-
sche Bestrebungen im Sinne einer Importsubstitutionsstrategie mit dem Ziel, die aus-
schließliche Bedarfsdeckung durch den Import einzuschränken, um die heimische Produk-
tion und Investitionen im Iran zu fördern. Dies steht im Zusammenhang mit den
wirtschaftspolitischen Zielen Irans, zu denen im nächsten Abschnitt ausführlichere Ein-
schätzungen zusammengestellt sind.
Eine Herausforderung bei der Markterschließung besteht in dem für ausländische Investo-
ren schwer einsehbaren iranischen Regierungs- und Verwaltungssystem, dessen bürokra-
tische Elemente für wenig erfahrene Unternehmen gravierende Barrieren darstellen kön-
nen. So erfasst die AHK Iran (2015, S. 5-6) bei einer Unternehmensbefragung zum
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
39
Geschäftsklima in Iran als größte Hürden nach den schwierigen Bedingungen bei Finanz-
transaktionen den Stand von Bürokratie und Korruption im Iran. Demgegenüber werden die
Wachstums- und Gewinnchancen sowie die vorhandenen natürlichen Ressourcen als be-
sonders vorteilhafte Aspekte des iranischen Marktes eingeschätzt. Ein weiterer Aspekt zeigt
sich darin, dass beispielsweise bei Ausschreibungen für Infrastrukturinvestitionen die invol-
vierten iranischen Akteure i. d. R. eine Auswahl zwischen mehreren ausländischen Part-
nern haben, was der iranischen Seite eine starke Verhandlungsposition gibt und die Ent-
scheidungsprozesse verzögert.
Eine Erschließung Irans als Auslandsmarkt wird insgesamt als vergleichsweise schwierig
und aufwändig eingeschätzt. Fundierte Einblicke in die dirigistisch geprägte Wirtschaftsord-
nung, welche durch ein starkes staatliches Engagement in zahlreichen Wirtschaftszweigen
geprägt ist, bedürfen nachhaltiger Anstrengungen, beispielsweise über den Aufbau von per-
sönlichen Kontakten. So befinden sich weite Teile der Pharmaindustrie im Eigentum eines
staatseigenen Investitionsfonds (GTAI, 2016e, S. 1), sodass etwaige mehrheitliche Kapital-
beteiligungen oder Unternehmensübernahmen kaum realisierbar sein dürften. Unterneh-
men ohne Erfahrungen im Iran wird nahegelegt, die Hilfestellungen und Beratungsleistun-
gen von Kammern, Verbänden und offiziellen Beratungsstellen wahrzunehmen.
Gegebenenfalls sollte auch anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Auch die
hohe Bedeutung der üblichen Methoden zur Markterschließung wie Messeteilnahmen im
Iran bzw. der Besuch iranischer Gäste auf heimischen Messen sowie die Beteiligung bei
wechselseitigen Delegationsreisen wurde genannt.
Bei der Markterschließung hilft der gute Ruf deutscher Produkte im Iran, der von etwa der
Hälfte der befragten Verbände hervorgehoben wurde. Zusätzlich bieten beispielsweise äl-
tere Maschinen und Anlagen die häufig aus Deutschland kommen und nun modernisiert
werden sollen Anknüpfungspunkte.
Wirtschaftspolitische Ziele Irans
Die wirtschaftspolitischen Ziele Irans bestehen darin, nicht nur als Importdestination aufzu-
treten, sondern insbesondere die heimische Produktion zu steigern (GTAI 2016d, S. 23).
Das Land ist daher an Kooperationen, dem Aufbau von Produktionsstätten ausländischer
Unternehmen und der Anziehung von FDI interessiert. Dies zeigt sich auch in der intensiven
Kontaktaufnahme von Seiten iranischer Regierungsvertreter, die von einem Verband expli-
zit hervorgehoben wurde.
Auf lange Sicht wird voraussichtlich das Ziel, über die Implementierung und Entwicklung
von Technologien eigene volkswirtschaftliche Wachstumsmotoren zu entwickeln und in
Fertigungsbranchen die Wertschöpfungstiefe zu vergrößern, in die außenwirtschaftspoliti-
sche Strategie Irans mithineinspielen. Daher wird die iranische Regierung voraussichtlich
die Inlandsmärkte in der Konsumgüterproduktion, im Handel und im Dienstleistungsbereich
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
40
eher behutsam öffnen, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Konkurrenzdruck
für inländische Anbieter, der zu Arbeitsplatzverlusten bis hin zu politischen Unruhen führen
könnte, vorzubeugen.
Durch einen Befragungsteilnehmer wurde angegeben, dass es Ankündigungen hinsichtlich
Local-Content-Anforderungen gebe, d.h. dass Iran bei bestimmten Produkten nicht aus-
schließlich importierte Waren akzeptieren wolle, sondern ein gewisser Anteil vor Ort gefer-
tigt werden müsse. Noch nicht abschätzbar dabei ist, ob der letzte Arbeitsschritt, beispiels-
weise die Verpackung für den Endkunden im Iran genügt, oder ob weitergehende
Wertschöpfungsschritte im Land selbst durchgeführt werden müssen. Ein anderer Aspekt,
der im Zusammenhang mit dem langfristigen wirtschaftspolitischen Ziel des Aufbaus und
Erhalts eigener Produktionskapazitäten steht, ist der Schutz durch Zölle oder Importquoten.
Aktuell ist hierzu lediglich im Fahrzeugbereich ein hoher Einfuhrzoll bekannt. Grundsätzlich
äußerten mehrere Befragungsteilnehmer explizit Verständnis für die wirtschaftspolitischen
Ziele Irans und daraus resultierende Maßnahmen. Zunächst stehen aber erst einmal die
Maßnahmen Irans mit der Zielsetzung der Öffnung des Marktes im Vordergrund und es
wurde die Hoffnung einer daraus resultierenden Intensivierung der außenwirtschaftlichen
Beziehungen zu beiderseitigem Vorteil geäußert.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
41
6 Zusammenfassung und Fazit
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die jüngsten politischen und wirt-
schaftlichen Entwicklungen Potenziale für eine Vertiefung der iranisch-hessischen Wirt-
schaftsbeziehungen entstehen lassen. Die im ersten Teil der vorliegenden Untersuchung
durchgeführte Analyse jüngerer volkswirtschaftlicher Entwicklungen Irans hat u. a. signali-
siert, dass die Islamische Republik Iran beachtliche wirtschaftliche Wachstumsraten auf-
weist. Auch das große Markvolumen – allein schon aus der hohen Einwohnerzahl zu be-
gründen – lässt sich in der Analyse erkennen. Ein weiterer volkswirtschaftlicher Indikator
für die bedeutenden Importpotenziale Irans ist die vergleichsweise niedrige Staatsverschul-
dung, die Spielräume für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, z. B. in das Bildungs-
wesen und in den Versorgungssektor, eröffnet.
Gleichwohl sind für ausländische Investoren vielfältige makroökonomische Instabilitäten
vorhanden. Exemplarische Symptome für volkswirtschaftliche Risiken sind die hohen und
volatilen Inflationsraten und die eher ungünstige Beschäftigungssituation. Die vergleichs-
weise weit verbreitete Arbeitslosigkeit, bei einer insgesamt sehr jungen Bevölkerung, limi-
tiert nicht nur die gesamtwirtschaftlichen Konsumpotenziale, sondern birgt auch die Gefahr
von politischen Unruhen und fortwährenden sozialen Konflikten. Daher ist für hessische
Unternehmen stets das Risiko zu beachten, dass bei einer möglichen Eskalation einge-
spielte außenpolitische und wirtschaftspolitische Regelwerke außer Kraft gesetzt werden
könnten.
Die Wirtschaftsleistung je Einwohner betrug im Jahr 2015 für Iran lediglich ein Zehntel des
Wertes von Hessen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die Präferenzen der iranischen
Konsumenten vergleichsweise stark auf Güter der Grundversorgung und einfache Ge-
brauchsgüter konzentrieren. Im Bereich der Gebrauchsgüter werden die hieraus resultie-
renden Marktpotenziale über den Preiswettbewerb voraussichtlich eher Anbietern aus Län-
dern wie China, Malaysia oder Thailand und weniger Anbietern aus Europa zugutekommen.
Mit Blick auf deutsche Unternehmen bildet dagegen das Produktsegment der hochwertigen
Personenkraftwagen hier Potenziale.
Was die Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen anbelangt, so schloss sich dem An-
stieg der hessischen Exporte nach Iran in der ersten Hälfte der 2000er Jahre bis zu einem
Höhepunkt im Jahre 2005 bereits im Folgejahr 2006, als die ersten Sanktionen durch die
UN im Hinblick auf den Streit zum Atomprogramm verhängt wurden, ein deutlicher Rück-
gang an. Nachfolgend nahmen die hessischen Ausfuhren, bei beachtlichen Schwankun-
gen, weiter ab. Die Importe Hessens aus Iran verlaufen in jüngster Zeit auf generell sehr
niedrigem Niveau tendenziell aufwärts gerichtet, und dies mit zwischenzeitlichen Ausschlä-
gen nach oben.
Zusammenfassend belegen die statistischen Analysen der Untersuchung, dass die Wirt-
schaft Irans sowie die außenwirtschaftlichen Beziehungen Hessens mit dem Land in der
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
42
Vergangenheit deutlich durch die Sanktionen beeinträchtigt wurden. Dagegen deuten Prog-
nosen zur Entwicklung auf zahlreiche Potenziale hin, die sich durch die Verringerung der
Sanktionen und die damit verbundene Öffnung des iranischen Marktes sowohl für das Land
als auch die hessische Wirtschaft in Zukunft ergeben. Von besonderem Wert sind für diese
Einschätzungen die Einblicke aus der wirtschaftlichen Praxis, die im Rahmen der Studie
durch die Befragung von Wirtschaftsverbänden sowie IHK und Handwerkskammer erfasst
wurden, sowie die ausführlichen Branchenanalysen der GTAI.
Neben den auch durch die befragten Experten betonten volkswirtschaftlichen Indikatoren,
die das Potenzial des iranischen Marktes unterstreichen, hat Iran eine – gerade im Ver-
gleich mit den anderen Ländern in der Region – breite industrielle Basis mit einer weitzu-
rückreichenden Tradition. Diese wurde durch die Entkopplung vom Weltmarkt während der
Sanktionsphase einerseits verstärkt, da die heimische Produktion fehlende Importe abfan-
gen musste, andererseits hat die iranische Wirtschaft hierdurch einen hohen Nachholbedarf
und Investitionsstau. Insbesondere aufgrund des Nachholbedarfs werden über nahezu alle
Branchen günstige Entwicklungspotenziale erwartet. Herausheben lässt sich der Maschi-
nenbau, der die notwendige Modernisierung des Kapitalstocks der iranischen Wirtschaft
ermöglicht. Im Gegensatz zu den Konsumgütern spielen im Investitionsgüterbereich As-
pekte der Funktionalität und Qualität neben dem Preis eine höhere Rolle, sodass die Wett-
bewerbssituation hier für deutsche und hessische Unternehmen günstiger einzuschätzen
ist. Naturgemäß wird für die iranische Öl- und Gaswirtschaft, aufgrund der vorhandenen
natürlichen Ressourcen Irans, und für die damit verbundene (Petro-)Chemie ein bedeuten-
des Wachstumspotenzial prognostiziert. Auch in den Bereichen Pharma und Medizintech-
nik wird ein hoher Bedarf im Iran identifiziert. Dagegen ist die iranische Fahrzeugindustrie
teils durch Zölle geschützt vor ausländischen Importen – hier bietet sich möglicherweise
der Markteinstieg durch Kooperationen besonders an. Der gesamte Bereich der Infrastruk-
tur – Verkehr, Energie, Entsorgung, Wasser- und Abwasser – bietet vielfältige Beteiligungs-
möglichkeiten, sei es als Zulieferer und Kooperationspartner oder als Investor bzw. Projek-
tierer.
Bei allen unbestrittenen Entwicklungspotenzialen der Islamischen Republik Iran und der
Wirtschaftsbeziehungen hessischer Unternehmen mit dem Land sind die weiter bestehen-
den Herausforderungen bei Markterschließung und bei Unterhaltung von Geschäftsbezie-
hungen hessischer Unternehmen zum Iran zu beachten. Trotz der Öffnung des Marktes
bleibt Iran ein vergleichsweise schwieriger Auslandsmarkt. Es gilt weiterhin, die noch be-
stehenden Sanktionen zu beachten und die Regelungen im Exportkontrollrecht zu berück-
sichtigen. Insbesondere die Abwicklung finanzieller Transaktionen ist aktuell noch mit er-
höhten Schwierigkeiten verbunden, die jedoch nach und nach abgebaut werden. Aufgrund
des vergleichsweise hohen Risikos hinsichtlich der weiteren Entwicklung – „Snap Back“-
Mechanismus hinsichtlich der Sanktionen, politische Umwälzungen im Land bzw. geopoli-
tische Einflüsse – kommt auch dem Thema der Exportabsicherung beispielsweise durch
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
43
Euler-Hermes Exportgarantien eine hohe Bedeutung zu. Daher lautet die zusammenfas-
sende Empfehlung vieler Experten, dass insbesondere Unternehmen, die erstmals im Iran
aktiv werden wollen, entsprechende Beratungsangebote von Kammern, Verbänden und
Beratungsstellen in Anspruch nehmen sollten.
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
44
Abbildungsverzeichnis
Abbildung Seite
1 Die Islamische Republik Iran im räumlichen Überblick 4
2 Bruttoinlandsprodukt (in Mrd. US-Dollar zu laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 5
3 Relative Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts (in Landeswährung zu konstanten Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 6
4 Jährliche Inflationsrate in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 7
5 Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (in US-Dollar zu laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 7
6 Sektorale Struktur der Bruttowertschöpfung (basierend auf laufenden Preisen) in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2014 8
7 Arbeitslosenquote in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 9
8 Bruttostaatsverschuldung in v. H. des BIP in der Islamischen Republik Iran, Deutschland und Hessen 2000 - 2015 9
9 Nominaler Export und Import Irans und Anteil Deutschlands zwischen 1963 und 2011 10
10 Bedeutende Lieferländer Irans 2014 11
11 Anteil der Warengruppen nach SITC am nominalen Export und Import Irans weltweit und mit Deutschland 2011 13
12 Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Hessen 1970 - 2015 17
13 Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Deutschland 1970 - 2015 18
14 Exporte und Importe zwischen Hessen / Deutschland und Iran 2005 - 2015 20
15 Relative Bedeutung des Außenhandels mit Iran für Hessen bzw. Deutschland 2005 - 2015 21
16 Hessischer Außenhandel mit Iran: wichtigste Export- und Importgüter 22
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
45
Tabellenverzeichnis
Tabelle Seite
1 Vergleich statistischer Kennzahlen: Islamische Republik Iran und Deutschland 2015 4
2 Vergleich volkswirtschaftlicher Kennzahlen: Islamische Republik Iran und Deutschland 5
3 Bedeutende ausländische Direktinvestitionsbeziehungen Irans 2012 in Mio. US-Dollar 14
4 Ausländische Direktinvestitionen (FDI) zwischen Iran und Hessen/Deutschland 2010 - 2014 (Bestände zum jeweiligen Jahresende in Mio. Euro) 23
Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und Hessen
46
Literatur und Quellen
AHK (2015): Geschäftsklimaindex Iran 2015, http://iran.ahk.de/fileadmin/ahk_iran/publica-
tion/Fragebogen/Auswertung_Geschaeftsklima_de.pdf (Abruf: 07.09.2016).
BDI (2016): NMI Wirtschaftsforum zum Iran: Neuer Markt für den Mittelstand,
http://bdi.eu/artikel/news/nmi-wirtschaftsforum-zum-iran-neuer-markt-fuer-den-mittelstand/
(Abruf: 25.08.2016).
BPI (2013): Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. – Geschäftsbericht
2013, http://www.bpi.de/fileadmin/media/bpi/Downloads/Internet/Publikationen/Ge-
schaeftsberichte/BPI-Geschaeftsbericht_2013.pdf (Abruf: 25.08.2016).
BPI (2014): Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. – Geschäftsbericht
2014, http://www.bpi.de/fileadmin/media/bpi/Downloads/Internet/Publikationen/Ge-
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
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Anhang
Wir bedanken uns bei den folgenden Verbänden und Kammern, die für eine Befragung im
Rahmen von Expertengesprächen bzw. schriftliche Stellungnahmen an unserer Befragung
teilgenommen haben.
Bundesverband deutscher Banken e.V.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main
Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main
Verband der Chemischen Industrie e.V. *
ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. *
* Schriftliche Stellungnahme
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