Zur Kinetik der Chlorat-Bildung bei der NaCl-Elektrolyse

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Tabelle 1. Vergleich der beiden Zersetzer-Typen

Merkmale zur Charakte- risierung der Zersetzer

1 .) zusatzl. Raumbedarf

2.) Hg-Bedarf

3.) Phasengrenzflache Graphit

4.) Anpassungsmoglich- keit an primare Stromdichte

5.) Raumausbeute

6.) Polarisation der Amalgam-Anode

7.) NaOH-Konz.-Gefllle

8.) Temperatur

9.) Aktivierung der H,-Abscheidung

10.) Stromungszustand des Amalgams

11 .) Zersetzungsstrom- dichte

- Lersetzer

horizontal

5

7 bis 10

0,8 bis 1,6

8 bis 10

80

vernach- lassigbar

5 bis 50

90 bis 120

nur kurz- zeitig

haltbar

stationar

max. 100

vertikal

10 bis 15

4 bis 6

0,8 bis 1,2

keine Be- schrankg.

230

vernach- Iassigbar

40 bis 50

100 bis 120

mind. bis 4 Jahre haltbar

nstationar

min. 100

stoff-Abscheidung; 10.) Stromungszustand des Amal- gams; 11.) Zersetzungsstromdichte. Ein Nahte i l des Vertikalzersetzers ist das relativ geringe Konzentra- tionsgefalle (Punkt 7) der Natronlauge (Leitfahigkeil, EMK). Daraus und aufgrund der Zersetzungsstrom- dichte (Punkt 11) ist jedoch zu folgern, daD die Zer- setzerleistung offensichtlich entscheidend vom Stro- mungszustand des Amalgams bestimmt wird, der fur den Vertikalzersetzer als nahezu ideal zu bezeichnen ist.

Eingegangen am 13. April 1967 [B 22991

Literatur

1) H . Diefrick, E . Yeager u. F. Hovorka: The Electrochem. Properties of Dilute Sodium Amalgam, Tech. Report 3, Western Reserve Univ. US Office of Naval Research Con- tract Nr. 581(00) PI3 155 707, April 1953.

?) E . Yeager: The Sodium Amalgam Oxygen Continous Feed Cells in Fuel Cells, New York - London 1963.

3) N . Penfland, J. 0. M. Bockris u. E . Sheldon, J . Elelitro- &em. SOC. 104, 182 (19571.

4) F. Hine, J. Elektrochem. SOC. Jap . (Oversea Ed.) 27. No. 1-3, E 47 119591.

5) M. M. Jaksic u. J. M. Csonka, Electrochem. Technology 4, Jan./Febr. 49/56 [1966].

Zur Kinetik der Chlorat-Bildung bei der NaC1-Elektrolyse

PROF. DR. N. IBL UND DR. D. LANDOLT'

Technisch-Chemisches Laboratorium der ETH Zurich, Schweiz

Es wird eine Ubersicht uber die Grundlagen der technischen Chloral-Elektrolyse gege- ben. Der Mechanismus der anodischen Chloral-BiJdung wird eingehend diskutiert. Bei verdunnten NaC1-Losungen ist die Geschwindigkeit der anodischen Chloral-Bildung durch die Kinetik der Chlor-Hydrolyse in der Diffusionsschicht beheiischl. Die berech- neten Werte stimmen gut mit Experimenten uberein, die unter genau definierten hydro- dynamischen Bedingungen ausgefuhrt wurden. Bei konzentrierten NaCl-Losungen sind die Verhaltnisse wesentlich komplizierter. Die Versuchsergebnisse werden an einem ModelJ erortert, bei dem die Diffusionsschicht durch das aus dem Innern der Losung herandiffundierende CIO- gepuffert wird. Es wird auf einige aus den lheoretischen Erkenntnissen sich ergebende SchluBfolgerungen hingewiesen, die fur die Technik von Interesse sind.

Grundlagen der Chlorat-Elektrolyse

1886 wurde in Frankreich die technische Herstellung von Chlorat durch Elektrolyse aufgenommen. Bei im Prinzip unverandertem Verfahren stieg die Produktion in neuer Zeit wieder stark an. In den USA z. B. ver- doppelte sie sich zwischen 1954 und 1962'1. 1965 wur- den in den USA 133 000 t Chlorat erzeugt?).

In der Technik werden NaC1-Losungen mit impragnier- ten Graphit-Anoden ohne Diaphragma elektrolysiert. An der Kathode (die meistens aus Stahl oder Eisen besteht) wird Wasserstoff entwickelt; die dabei gebil- deten OH--1onen reagieren mit den von den Anoden- vorgangen herruhrenden Substanzen, wobei schlieDlich Chlorat entsteht. Die dabei ablaufenden Prozesse sind

*) Vortrag vor der GDCh-Fachgruppe ,,Angewandte Elektro- chemie", 13. und 14. Oktober 1966 in Leverkusen.

706

bereits um die Jahrhundertwende von Foerster und MiiZler%4i eingehend untersucht worden. Unsere Vor- stellungen uber diese Vorgange sind spater von de Va- lera5) weiterentwickelt worden. Neuere, genauere Mes- sungen wurden von Hammar und WranglPna) durchge- fuhrt. Aus diesen Veroffentlichungen ergibt sich fol- gendes Bild fur die wichtigsten an der Anode und in der Losung ablaufenden Reaktionen:

Primar werden an der Anode Cl--Ionen entladen:

2 Cl-+ C1, + 2 e (A).

Das dabei entstehende Chlor hydrolysiert in der Losung:

C1, 4- H20 + HOCl 4- Hf 4- C1- (B).

.Je nach dem pH-Wert der Losung ist die unterchlorige Saure mehr oder weniger dissoziiert:

HClO + H+ 4- C10- (CL

Chemie-1ng.-Techn, 39. Jahry. 1967 i Heil 12

Ein Teil der ClO--Ionen (bzw. des HClO) reagiert weiter an der Anode zu Chlorat. Aus den Versuchen von Foer- ster ergab sich folgende Bruttogleichung fur die Reaktion:

6C10-- 4- 3H,O --f 2C103- + 4 Cl- + 6 H+ + 3/2 0, -t 6 e

Rius und Llopis7) fanden etwas andere stochiometri- sche Verhaltnisse. Neuerdings wurde jedoch die For- mulierung von Foerster durch die Arbeit von Hammar und Wranglen bestatigta). Diese Autoren verwendeten Graphit-Anoden, wahrend Foerster und Muller fur ihre Untersuchungen Platin-Elektroden benutzten.

AuDer durch die elektrochemische Reaktion (D) ent- steht Chlorat auch durch eine rein chemische Dismuta- tion in der Losung:

(D) '

2 HClO i- C l o p - + C10,- 4- 2 C1- f 2 H' (El '

Die Kinetik dieser Reaktion ist von verschiedenen Autoren untersucht und diskuticrt wordenV-13), wah- rend iiber die Kinetik der anodischen Oxidation (D) bis jetzt wenig bekannt war.

Es gibt somit zwei miteinander konkurrierende Reak- tionen fur die eigentliche Chlorat-Bildung. Dabei wird lediglich bei der anodischen Oxidation Strom ver- braucht. Wenn das gesamte Chlorat durch Reaktion (D) entsteht, wird eine urn 50°/o gronere Strommenge beno- tigt als wenn nur Reaktion (E) vorliegt. Der bei der anodischen Chlorat-Bildung verbrauchte Strorn dient dabei nur zur Erzeugung von Sauerstoff, der kaurn ver- wertbar ist. In der Technik ist die anodische Chlorat- Bildung daher unerwiinscht, und man bemiiht sich, sie zu unterdriicken. Durch Erhohen der Temperatur kann die Dismutationsreaktion (E) beschleunigt und ihr rela- tiver Anteil an der Chlorat-Bildung gesteigert werden. Da die Reaktion (D) an der Elektrodenoberflache, Reak- tion (E) dagegen in der Losung ablauft, kann die Strom- ausbeute auch dadurch verbessert werden, daD das Ver- haltnis des Volumens der Losung zur Anodenflache gro- Ber geniacht, d. h. die ,,Stromkonzentration" [A/mq] ver- kleinert wird. Statt durch eine Vergroherung des Ab- standes Kathode/Anode (und damit des Widerstandes der Losung) kann dies durch Verwendung eines Neben- raumes erreicht werden. Nur ein Teil der Losung befin- det sich dann zwischen den Elektroden, doch wird durch Aufrechterhalten einer geniigenden Zirkulation zwi- schen Elektroden und Nebenraum fur gute Durchmi- schung gesorgt. In der Praxis gelingt es allerdings nicht, die anodische Chlorat-Bildung vollig zu unterdrudcen.

Stromverluste konnen auch dadurch entstehen, daR an der Kathode ClO--Ionen reduziert werdensl). Die ka- thodische Reduktion des C10-, die in neuerer Zeit Nagai und TakeP) sowie Hammar und Wranglena) untersuchten, wird durch den Transport des Hypo- chlorits zur Kathode kontrolliert. In der Technik wird die ClO--Reduktion meistens durch Zugabe von etwas Chromat zur Losung verhindert. Es entsteht dann an der Kathode ein Film, durch dessen Poren die C10-- Ionen nicht hindurchgelangen konnen. Nach Berechnun- gen von WagnerI4i kann dies dadurch erklart werden, daD infolge der hohen Stromdichte in den Poren die Wirkung des elektrischen Feldes (das eine zur Anode gerichtete Kraft auf das Anion C10- ausiibt) starker ist als der EinfluD der Diffusion zur Kathode.

Die technischen Elektrolysezellen sowie die ublichen Betriebsbedingungen wurden von MantelP) , BauerX) und Whitei7) beschrieben (vgl. auch '*I).

Aufbau des Hypochlorits im Innern der Losung und dessen Riidtdiffusion zur Anode

In unserem Laboratorium haben wir die Kinetik und den Mechanismus der anodischen Chlorat-Bildung na- her untersucht, einerseits wegen ihrer Bedeutung in der Technik, in der man die elektrochemische Chlorat-Bil- dung moglichst vermeiden rnochte, andererseits aus wissenschaftlichen Grunden, weil sie verschiedene Eigentumlichkeiten aufweist. So sollte man z. B. erwar- ten, daD das Hypochlorit durch Chlor-Hydrolyse (Reak- tion B), die eine schnelle Reaktion ist'@), in unmittel- barer Nahe der Anode entsteht und an der Elektrode gleich weiter oxidiert wird. Stattdessen stellt sich im Innern der Losung eine zum Teil betrachtliche Hypo- chlorit-Konzentration ein, die mit der Zeit allmahlich zunirnmt, bis sich schlieDlich ein stationarer Zustand einstellt, vgl. Abb. 1. Das Hypochlorit diffundiert aus dem Innern der Losung zur Anode zuruck und wird dort oxidiert. In Anbetracht der groRen Geschwindig- keit der Chlor-Hydrolyse ist zunachst nicht einzusehen, warum das Hypochlorit den Umweg iiber den Kern der Losung macht, bevor es oxidiert wird. Im letzten Ab- schnitt werden wir auf diese Frage noch zuriickkommen.

Abb. 1. Hypochlorit-Konzentration im Innern der Losung als Funktion der Zeit NaC1-Konzentration: 4 Molll, pH-Wert: 9, Stromdichte: 5 mA/cme, Geschwindigkeit der hydrodynamischen Stromung: 13 cm's.

Die in der Literatur angegebenen Versuchsergebnisse uber den Zusammenhang zwischen der sich in der Lo- sung einstellenden Hypochlorit-Konzentration und der Geschwindigkeit der anodischen Chlorat-Bildung deu- ten darauf hin, daD der Transport der ClO--Ionen aus dem Innern der Losung zur Anode der geschwindig- keitsbestimmende Schritt bei der anodischen Chlorat- Bildung ist5~6.20P). Die Auswertung der friiheren Ver- suche zeigt jedoch nicht quantitativ den EinfluR einer groDeren Variation der Diffusionsschichtdicke und der NaC1-Konzentration. Bei unseren Untersuchungen wur- de die Hypothese der Transportkontrolle systematisch gepriift, indem die Bildungsgeschwindigkeit des Chlo- rats unter gut definierten hydrodynamischen Bedingun- gen bei verschiedenen Diffusionsschichtdicken und NaC1-Konzentrationen gemessen wurde.

Kinetik der anodischen Chlorat-Bildung

Abb. 2 zeigt die verwendete Versuchsanordnung. Urn die c h e m i s c h e Chlorat-Bildung nach G1. (E) zu verhindern, wurde bei tiefer Temperatur (meistens 7 "Cj gearbeitet. Die Geschwindigkeit der a n o d i s c h e n Chlorat-Bildung ergab sich dann aus der analytisch bestimmten Zunahme der Chlorat-Konzentration in der Losung mit der Zeit. Durch chemische Analyse wurde auRerdem die Summe der Konzentrationen des Cl,,

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Abb. 2. Apparatur zur Untersuchung der anodischen Chlorat- Bildung a Burette fur automatische pH-Wert-Kontrolle, b Vorrats- gefaD, c Kiihler, d Pumpe, e Rotameter, f Elektrolysezelle, g Stromungsberuhiger, h Graphit-Anode, i Diaphragma, k Referenzelektrode fur Potentialmessung, I Steigrohr, m Waschflasche.

4,98 19,6 10,5 2,16 3,84 4.30

HOCl und C10- im Innern der Losung ermittelt. Bei pH-Werten > 9 ist dabei praktisch nur C10-, bei p~ < 6 nur HClO vorhanden. Im allgemeinen wurde mit der Messung gewartet, bis sich der stationare Zustand ein- gestellt hatte, d. h. bis sich die Hypochlorit-Konzentra- tion im Innern der Losung mit der Zeit nicht mehr an- derte. Der pH-Wert wurde mit einer Vorrichtung auto- matisch konstant gehalten, die selbsttatig NaOH hinzu- fiigte, wenn dies notig war. Die Losung wurde mit ver- schiedener Geschwindigkeit parallel zur Elektrode durch die Elektrolysezelle gepumpt. Die Geschwindig- keit des Stofftransports konnte so in einem groaeren Bereich verandert werden. Die Dicke der Diffusions-

0,49 0,?2 0,?5 0,50 0.38 0,39

schicht wurde in getrennten Experimenten durch Mes- sen des Grenzstroms der Reduktion von Ferricyanid zu Ferrocyanid bestimmt, eine Reaktion, die fur eine solche Eichung besonders geeignet ist. Die experimen- telle Methode und die Versuchsergebnisse werden an anderer Stelle ausfiihrlicher beschriebenZ2).

AuDer der Diffusionsschichtdicke wurden die Konzen- tration des NaCl, der pH-Wert und die Stromdichte variiert, urn ein moglichst umfassendes Bild zu erhalten. Einige wesentliche Ergebnisse sind in Tab. 1 und in

ma NaCl- Konzentration

Abb. 3. Stationare Hypochlorit-Konzentration im Innern dei Losung als Funktion der NaC1-Konzentration pH-Wert: 9, Stromdichte: 20 mA/cm2

Abb. 3 wiedergegeben"). In der Tabelle ist die expe- rimentell gefundene Geschwindigkeit der anodischen Chlorat-Bildung (Rex) verglichen mit der beredmeten Geschwindigkeit R,,, die sich ergeben wurde, wenn die Reaktion nur durch den Stofftransport kontrolliert ware. Bei ausschlieDlicher Transportkontrolle ist die Konzentration des Hypochlorits an der Phasengrenze Elektrode/Losung gleich Null. Die Teilchenstromdichte j des Hypochlorits (Mol/cme s) ergibt sich dann aus der Beziehung (vgl. z. B. ?li)

") Die Versuche von Abb. 3 wurden bei natiirlicher Konvek- tion, diejenigen von Tab. 1 und Abb. 5 bei erzwungener Stromung ausgefiihrt. Alle angegebenen Werte beziehen sich auf den stationaren Zustand.

Tabelle 1. Einige MeDergebnisse der anodischen Chlorat-Bildung;

i 6 . l o ? 'NaCl 1 [Molil] 1 0,046 0,047 0,047 0,42 0,05 9.0

1 lmA/crn*] 1 [c:/s] 1 ycm] I ( m k V l ]

9,o 10 13 3,O z 0,083 9,o 5 44 0,74 1 ,o

10,o 1,4 4,O 10,o 1 ,o 30

z 9,4 158 0,36

R,, . 109 [Mol. cm-. s-l~ I Rex'Rtc 1 Rex'Rhy

0,93 4,3 3,32 2,94 ?,11 2,84

0,34 O M 0.45 0,35 0,29 0.32

cNaC, = Konzentration des NaCl; i = Stromdichte; v = Geschwindigkeit der hydrodynamischen Stromung; BN = wirk- same (Nernstsche) Diffusionsschichtdicke (beredmet aus den NuDeltschen Zahlen, die durch "Eichung" mit Ferricyanid unter denselben hydrodynarnischen Bedingungen ermittelt wurden) ; co = analytisch errnittelte Konzentration des C10- + HClO irn Innern der Liisung; Rex = experimentell gefundene Bildungsgeschwindigkeit des Chlorats (Anzahl Mole entstandenes Chlorat pro s und pro cmz Elektrodenflahe [Mol . ern-" s-l]) ; Rtr = fur reine Transportkontrolle berech- nete Bildungsgeschwindigkeit des Chlorats (Mol . crn-L. s-'] (Rtc = Dc,/3 a,, wobei D der Diffusionskoeffizient des Hypo- chlorits ist) ; Rhs = unter Beriidtsichtigung der Hydrolyse in der DifIusionsschicht berechnete Bildungsgeschwindigkeit des Chlorats [Mol . cm* s-'].

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(Die Bedeutung der Formelzeichen ist bei Tab. 1 ange- geben.) Der Stofftransport durch Migration wurde bei G1. (1) vernachlassigt, weil das Hypochlorit gegenuber dem Natriumchlorid in relativ kleiner Konzentration vorhanden ist. Im iibrigen diirfte das Hypochlorit in der Diffusionsschicht (zumindest in den verdunnten NaC1- Losungen) zur Hauptsache als HOCl vorliegen, weil an bzw. in der Nahe der Anode H+-Ionen erzeugt werden und die Diffusionsschicht die Tendenz hat, sauer zu sein (vgl. S. 710). Bei pH-Werten > 9 liegt dagegen das Dissoziationsgleichgewicht (C) ganz auf der rechten Seite*VO), und im Innern der Losung war also das Hy- pochlorit bei den meisten unserer Versuche fast aus- schlieDlich als C10- vorhanden.

GemaD G1. (D) werden pro Mol Chlorat drei Mole C10- bzw. drei Mole HClO verbraucht"'). Um ein Mol Chlo- rat zu erzeugen, miissen somit drei Mole Hypochlorit zur Anode diffundieren. Es gilt also:

In der Tab. 1 ist das Verhaltnis Rcx/Rtc angegeben. Es ist gleich eins, wenn die Chlorat-Bildung durch den Transport des Hypochlorits kontrolliert ist. Die Ergeb- nisse hangen stark von der Konzentration des NaCl ab: Bei kleinen NaC1-Konzentrationen (unterhalb etwa 0,2 m) ist die Geschwindigkeit der anodischen Chlorat- Bildung bis zu 60mal groDer, als es der Kontrolle durch den Stofftransport entsprechen wurde. Die Hypochlorit- Konzentration, die sich im stationaren Zustand im In- nern der Losung einstellt, ist relativ klein (s. Abb. 3). Bei hohen NaC1-Konzentrationen dagegen ist die Chlo- rat-Bildung langsamer als bei reiner Stofftransportkon- trolle (besonders bei kleinen Diffusionsschichtdicken). Im Innern der Losung entsteht eine hohe Hypochlorit- Konzentration.

Es gibt zwar Bedingungen, bei denen Re, und R,, gleich sind. Fur einen groDeren Bereich der NaCl-Konzentra- tion geht aber das Verhaltnis Res/Rtc kontinuierlich von Werten, die vie1 groDer als eins sind, iiber zu solchen, die bedeutend kleiner als eins sind. Ahnlich verhalt sich auch die Hypochlorit-Konzentration. Der Ubergang von den kleinen zu den hohen Hypochlorit- Konzentrationen liegt im wesentlichen in einem relativ engen Bereich der NaC1-Konzentration (etwa zwischen 0,2 und 0,6 MOM).

Das sehr unterschiedliche Verhalten der verdiinnten und der konzentrierten NaC1-Losungen ist offenbar auf verschiedene Mechanismen der Chlorat-Bildung zuruck- zufiihren.

A n o d i s c h e C h l o r a t - B i l d u n g i n v e r d u n n t e n N a C 1 - L o s u n g e n

Die hohen Geschwindigkeiten der Chlorat-Bildung in verdiinnten NaC1-Losungen haben sehr wahrscheinlich kinetische Ursachen und sind durch die rasche Hydro- lyse bedingt: Das Chlor hydrolysiert hier in der Diffu- sionsschicht, in unmittelbarer Nahe der Anode, und der

"') Wenn das Hypochlorit in der Diffusionsschicht als HClO vorliegt, sollte G1. (D) eher mit HClO als mit C10- for- muliert werden (vgl. S . 707). Es werden dann zwolf statt sechs Mole H+ frei, aber im iibrigen andert sich im Prin- zip an der Stomiometrie der Reaktion nichts.

Diffusionsweg fur das dabei entstandene HClO ist kleiner als die Diffusionsschichtdicke, die normaler- weise bei den gegebenen Bedingungen vorliegen wurde. Die Kinetik der Chlor-Hydrolyse ist bekannt1g?5P), so daD die Verhaltnisse in der Grenzschicht quantitativ er- faBt werden konnen. Die ausfuhrliche Rechnung wird an anderer Stelle wiedergegeben=). Im folgenden soll nur das Prinzip der Ableitung erlautert werden: Wenn einem ElektrodenprozeD eine r a s c h e chemische Re- aktion vor- oder nachgelagert ist, so ist die Schicht, in der diese Reaktion ablauft (Reaktionsschicht), wesent- lich dunner als die normale Diffusionsschicht (vgl. z. B. *V*)). Bei der Berechnung der Verhaltnisse in der Reak- tionsschicht kann in diesem Fall der Stofftransport durch Konvektion in erster Naherung vernachlassigt werden, weil die Geschwindigkeit der hydrodynami- schen Stromung an der Elektrodenoberflache wegen der Reibungskrafte Null wird und die Konvektion so- mit im elektrodennahen Teil der Diffusionsschicht nicht zum Stofftransport beitragtP7P). Im stationaren Zustand ist dann die Konzentration CCI des an der Anode ent- stehenden und in die Losung diffundierenden Chlors gegeben durch die Differentialgleichung

(3).

(x = Abstand von der Anode, Dc, = Diffusionskoeffi- zient des Chlors, k = Geschwindigkeitskonstante der Chlor-Hydrolyse, die eine Reaktion erster Ordnung ist.) G1. (3) entspricht dem iiblichen zweiten Fickschen Gesetz; das zusatzliche Glied - k CCI berucksichtigt den Verbrauch des Chlors durch Hydrolyse. Fur die Kon- zentration des Hypochlorits"") in der Diffusionsschicht gilt die ahnliche Beziehung

dzc D $ . k c o = O (4) I

in der D den Diffusionskoeffizienten des Hypochlorits und c seine Konzentration in der Grenzschicht bedeu- ten.

Die bei der Integration zu berucksichtigenden Rand- bedingungen sind bei GI. (3) fur x + cu durch die Chlor- Konzentration im Innern der Losung (CC, = 0), fur x = 0 durch die Geschwindigkeit der Chlor-Bildung an der -4node gegeben. Letztere bestimmt die Teilchenstrom- dichte (jcl)r=o, mit der das Chlor von der Anode weg- diffundieren muD. Die Teilchenstromdichte im Punkt x == 0 ist gemaD dem ersten Fidcschen Gesetz dem Kon- zentrationsgefalle (dccl/dx),.o im Punkt x = 0 propor- tional. Andererseits ist die Geschwindigkeit der Chlor- Bildung durch die Elektrolysestromdichte i und den An- teil t der C1--1onen-Entladung am Gesamtstrom gege- ben (wobei t bei rein elektrochemischer Chlorat-Bildung im stationaren Zustand 0,667 betragt). Die Randbedin- gung bei x = 0 fur die Losung von G1. (3) lautet somit

i t

Die Randbedingungen fur G1. (4) sind einerseits durch die Konzentration c, des Hypochlorits im Innern der Losung, andererseits durch die Konzentration c, an der

"") Unter Hypochlorit soll hier die Summe HClO + C10- verstanden werden. Die Verteilung auf HClO und CIO- ergibt sich aus dem Dissoziationsgleichgewicht (C), s. S . 706. von dem angenommen wird, da8 es sich sehr schnell einstellt.

_____

Chernie-lng.-Techn. 39. Jahrg. 2967 1 Heft 12 709

Elektrodenoberflache (im Punkt x = 0) gegeben. In- folge des sehr positiven Anodenpotentials kann C, zu- mindest bei den Experimenten mit verdunnten NaCl- Losungen als Null angenommen werden. Der Wert fur c, ergibt sich aus der analytisch bestimmten Konzen- tration des Hypochlorits. Die Randbedingungen sind so. mit bekannt und die Gln. (3) und (4) konnen integriert werden. Man erhalt so die Konzentrationsverteilung des Hypochlorits in der Diffusionsschicht, die in Abb. 4 fur verschiedene Werte von c, graphisch dargestellt ist. Die Neigung der Kurven im Punkt x = 0 ist gemaB dem ersten Fickschen Gesetz proportional der Anzahl Mole Hypochlorit, die pro Zeiteinheit die Anode erreichen und dort zu Chlorat oxidiert werden. Die Anfangsnei- gung der Kurven ist somit proportional der Bildungs- geschwindigkeit des Chlorats. In Abb. 4 ist auRerdem der Konzentrationsverlauf fur reine Diffusion einye- zeichnet, d. h. fur den Fall, daR das Hypochlorit aus dem Innern der Losung zur Anode diffundiert, ohne daB in der Diffusionsschicht Hypochlorit durch Hydrolyse ent- steht (,,reine" Stofftransportkontrolle). Bei ,,reiner" Dif- fusion ist das Konzentrationsprofil eine Gerade; wenn Hypochlorit in der Diffusionsschicht entsteht, geht das Konzentrationsprofil durch ein Maximum, da das in der Diffusionsschicht entstehende Hypochlorit zum Teil ins Innere der Losung, zum Teil zur Anode diffundiert. Durch diese zusatzliche Diffusion zur Anode wird das Konzentrationsgefalle erhoht und die Geschwindigkeit der Chlorat-Bildung ist groRer als bei reiner Transport- kontrolle. Die Geschwindigkeit der Chlorat-Bildung kann aus der Anfangsneigung der Konzentrationskurve berechnet werden. 'Die so unter Berucksichtigung der Hydrolyse in der Diffusionsschicht erhaltenen Rllg- Werte sind in Tab. 1 mit den experimentellen Werten R,, verglichen'). Bei verdunnten NaC1-Losungen ist das Verhaltnis R,,,!Rh, stets rd. 1, wahrend die fur reine Transportkontrolle berechneten Werte immer kleiner als die experimentellen sind und das Verhaltnis R,,/R,,~ in weiten Grenzen schwankt. Bei verdunnten NaCl- Losungen wird somit die Geschwindigkeit der anodi- schen Chlorat-Bildung durch die Kinetik der Chlor. Hydrolyse beherrscht.

A n o d i s c h e C h l o r a t - B i l d u n g i n k o n z e n t r i e r t e n N a C 1 - L o s u n g e n

Bei konzentrierten NaC1-Losungen ist das Verhaltnis ReXlRhy stets < 1. Die Kinetik der Chlor-Hydrolyse in der Diffusionsschicht vermag also nicht das Verhalten der konzentrierten Losungen zu erklaren (groRe c,- Werte, R,,/Rt, < 1). Die Verhaltnisse sind hier wesent- lich komplizierter als bei den verdunnten Losungen. Im folgenden sol1 die geyenwartig plausibelste Deutung des Verhaltens der konzentrierten NaC1-Losungen be- sprochen werden.

Die Hydrolysereaktion (B), s . S. 706, ist durch die Lage des Gleichgewichts begrenzt. Nach dem Massenw ir- kungsyesetz gilt:

') Die in der Tabelle angegebenen Werte geben nur eineri kleinen Teil der Messungen wiederzz); sie sind aber repra- sentativ fur das Gesarntbild.

wobei K die Gleichgewichtskonstante der Hydrolyse, K die Dissoziationskonstante des HClO ist. Durch Er- hohen der C1--Konzentration vermindert sich die Gleichgewichtskonzentration des HClO und C10-. Die Hypochlorit-Konzentration hangt jedoch auch von der Konzentration der Wasserstoff-Ionen ab, die in der Dif- fusionsschicht nicht dieselbe wie im Innern der Losung ist. H'-Ionen entstehen an bzw. in der Nahe der Anode durch die Reaktionen (B) und (D), s . S. 706/7. Sie mussen von der Anode wegtransportiert werden, so daB ein Konzentrationsgefalle bestehen muO: mit zunehmen- dem Abstand von der Anode nimmt die H+-Ionen-Kon- zentration allmahlich ab, wobei im Prinzip die Diffu- sionsschichtdidre fur die H'-Ionen wegen ihres hohen Diffusionskoeffizienten groBer als fur die anderen Ionen sein sollte. Aus der Bildungsgeschwindigkeit der H'- Ionen und der Geschwindigkeit ihres Wegtransportes von der Anode kann die H+-Konzentration in der Diffu- sionsschicht abgeschatzt werden. Die Rechnung ist ana- log derjenigen fur das Hypochlorit, die im Abschnitt uber die Chlorat-Bildung in verdiinnten NaC1-Losun- gen skizziert wurde. Der dabei erhaltene pH-Wert in der Diffusionsschicht entspricht bei verdunnten NaCl- Losungen einer Gleichgewichtskonzentration von HClO, die bedeutend groRer ist als diejenige im Maximum der unter Berucksichtigung der Chlor-Hydrolyse erhaltenen Kurven in Abb. 4. Auch beim Maximum ist also die Hydrolyse noch genugend vom Gleichgewicfit entfernt und verlauft irreversibel, d. h. die Geschwindigkeit der Ruckreaktion ist vernachlassigbar, wie es oben bei der

05 1 Abstand van der Elektrode x/d,

mm h b b . 4. Berechnete Konzentrationsprofile fur das Hypochlorit in der Diffusionsschi&t; _- unter Berucksichtigung der Chlor-Hydrolyse (Diffu- sion gekoppelt mit chemischer Reaktion), - - - ohne Be- rucksichtigung der Chlor-Hydrolyse (,,reine" Diffusion) (6, = Diffusionsschichtdicke [cm]). Berechnet fur i = 5 mAicm2, k = 3,6 5-1, D = DCI = 10-s crn?/s, I = 0.4, 8, = 13,8. 10-3 cm.

Ableitung der fur die verdunnten NaC1-Losungen gel- tenden Beziehungen vorausgesetzt wurde. Bei den kon- zentrierten Losungen ist dagegen die Gleichgewichts- konzentration des Hypochlorits bedeutend kleiner als es dem Maximum der Kurve in Abb. 4 entspricht. Wenn die Diffusionsschicht sauer ist, kann also in den konzentrierten NaC1-Losungen die Hydrolyse nicht mehr in unmittelbarer Nahe der Anode, sondern erst in den auBeren Teilen der Diffusionsschicht bzw. im Innern der Losung ablaufen. Der Weg fur die Diffusion des Hypochlorits zur Anode wird dadurch langer. Im stationdren Zustand muD jedoch pro Zeiteinheit gleich vie1 Hypochlorit gebildet und verbraucht werden. Die

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Menge des entstandenen Hypochlorits ist durch die Menge des an der Anode erzeugten Chlors und damit im wesentlichen durch die Stromdichte gegeben. Wenn die chemische Chlorat-Bildung nach GI. (E) unterdruckt ist und das Hypochlorit somit nur durch Oxidation an der Anode verbraucht wird, muR sich das Konzentra- tionsgefalle im stationaren Zustand so einstellen, daD die in einer gegebenen Zeitspanne entstandene Hypo- chlorit-Menge wahrend der gleichen Zeit zur Anode zuruckdiffundiert. Bei verlangertem Diffusionsweg er- fordert dies (bei gleicher Stromdichte) eine hohere Hypochlorit-Konzentration. Dies erklart, warum sich in den konzentrierten NaC1-Losungen im stationaren Zustand so hohe Hypochlorit-Konzentrationen im In- nern der Losung einstellen.

Das im Innern der Losung meistens als C10- vorlie- gende Hypochlorit diffundiert in Richtung zur Anode. Dabei begegnet es den von der Anode wegdiffundie- renden H+-Ionen und vereinigt sich mit ihnen. Dadurch wird die Diffusionsschicht weniger sauer, d. h. sie wird durch die herandiffundierenden ClO--Ionen gepuffert. Bei den konzentrierten NaC1-Losungen liegt daher das Dissoziationsgleichgewicht mehr auf der Seite der CIO--Ionen als bei den verdiinnten Losungen. Es is1 leicht moglich, da5 dabei ClO--Werte erreicht werden, bei denen an der Anode C10- statt HClO reagiert. Stromspannungskurven, die rnit vorgegebenem Hypo- chlorit (ohne NaC1-Elektrolyse) aufgenommen wurden, deuten darauf hin, daR C10- bei weniger positiven Po- tentialen als HClO oxidiert wird. Trotzdem ist es we- riig wahrscheinlich, daD in der sauren Diffusionsschicht primiir das C10- reagiert, weil z. B. bei pH = 2 die Kon- zentration des C10- nur lo-* Mol/l betragt (bei einer gesamten Hypochlorit-Konzentration von 10 mMol/l), Bei zunehmendem pA-Wert wird aber die ClO--Ent- ladung immer wahrscheinlicher. Der Wbergang von einer HC10- zu einer CIO--Oxidation bei steigender NaC1-Konzentration wird auch dadurch begiinstigt, daO bei der Elektrolyse von Losungen mit hoherem Cl--Ge- halt das Anodenpotential weniger positiv ist. Die Strom- spannungskurven deuten darauf hin, daR bei einer 4 m NaC1-Losung das Anodenpotential in den kritischen Bereich gelangt, bei dem HClO geringer Konzentration nicht mehr anodisch oxidiert wird.

Infolge der Pufferung durch die ClO--Ionen kann auch bei hohem Cl--Gehalt die Chlor-Hydrolyse wiederum in unmiltelbarer Nahe der Anode ablaufen. Es ergibt sich somit folgendes Bild fur die Prozesse in der Grenz- schicht: Das Chlor diffundiert im wesentlichen als HClO in das Innere der Losung. Auch der Wasserstoff wird nicht als Ion, sondern vor allem als HClO von der Anode wegtransportiert. Gegen das Innere der Losung nimmt der pH-Wert zu, das HClO dissoziiert, und die entstandenen ClO--Ionen diffundieren zur Anode zu- ruck. Nur ein Teil davon erreicht jedoch die Anode, wahrend der andere Teil bei der Neutralisation der H'-Ionen verbraucht wird. Dies erklart, daB bei den konzentrierten NaC1-Losungen die Chlorat-Bildung langsamer ist, als es der reinen Transportkontrolle ent- sprechen wiirde. Der gefundene R,,/Rt,-Wert betragt etwa 0,3 bis 0,7. Dies wurde ungefahr dem erwarteten Verhaltnis entsprechen. Einem quantitativen Vergleicb kommt jedoch keine groDe Bedeutung zu, weil die Werte der Diffusionskoeffizienten, die in die Rechnung eingehen, einen ziemlich groDen Unsicherheitsfaktor en thalten.

Das vorgeschlagene Model1 wird aber auch noch durctl weitere Versuche bestatigt: So ist es z. B. moglich, die Pufferwirkung der ClO--Ionen durch diejenige eines anderen, konventionellen Puffers (z. B. Borat, Phosphat, Carbonat) zu ersetzen. Abb. 5 zeigt ein Bei- spiel, bei dem die Losung mit unterschiedlichen Mengen Carbonat gepuffert wurde. Die unteren Kurven (linke Ordinate) stellen die stationare Konzentration des Hypochlorits im Innern der Losung dar, wahrend die obere Kurve (rechte Ordinate) die Geschwindigkeit der Chlorat-Bildung wiedergibt. Bei Zugabe des Puffers sinkt die Hypochlorit-Konzentration im Innern der Lo- sung rasch auf einen vernachlassigbar kleinen Wert, lange bevor die Geschwindigkeit der Chlorat-Bildung abnimmt++). Dies kann so gedeutet werden, daR der Puffer in der Diffusionsschicht einen geniigend hohen pH-Wert aufrechterhalt, um die Hydrolyse in Gang zu halten. Die ClO--Ionen werden fur die Pufferung nicht mehr benotigt, und dementsprechend baut sich die Hypochlorit-Konzentration im Innern der Losung nicht auf.

0 05 010 Mol/l 0.15 0 05 010 Mol/l 0.15 [ ~ m m puffer- Konzentration

Abb. 5. Stationare Hypochlorit-Konzentration co im Innern der Losung und Bildungsgeschwindigkeit Re, des Chlorats bei Zugabe von Carbonat-Puffer.

Wir sehen jetzt besser die Ursache der oben erwahnten Merkwiirdigkeit, daR das Hypochlorit trotz rascher Hydrolysereaktion den Umweg uber das Innere der Losung macht. Bei hohen NaC1-Konzentrationen ist eine hohe ClO-.-Konzentration im Innern der Losung notig, um die Diffusionsschicht geniigend zu puffern. Auch die Ergebnisse der mit vorgegebenem Hypochlorit (ohne NaC1-Elektrolyse) aufgenommenen Strom/Span- nungs-Kurven deuten darauf hin, daR die Diffusions- schicht durch das herandiffundierende C10- gepuffert wird.

Schlusbemerkungen

Bei der Chlorat-Bildung liegt der interessante Fall vor, daR die Diffusion mit einer homogenen chemischen Re- aktion in der Diffusionsschicht gekoppelt ist, wobei der Ablauf dieser Reaktion durch das Gleichgewicht be- grenzt wird. Bei konzentrierten NaC1-Losungen komml

++) Dime Versuche bestatigen, daO bei den konzentrierten NaC1-Losungen (ohne Fremdpuffer), im Unterschied zu den verdiinnten Losungen, die Diffusionsschicht durch das her- andiffundierende CIO- gepuffert wird. Sie zeigen aber

nicht unmittelbar, da8 dann CIO- statt HClO an der Anode reagiert.

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es auDerdem zu einer ,,Selbstpufferung" der Diffusions- schicht. Fur die Praxis ergibt sich die SchluDfolgerung, daR man die anodische Chlorat-Bildung dadurch ver- mindern kann, daR man die Diffusionsschicht sauer halt. Es ist also gunstig, den Wegtransport der H+-Tonen von der Anode bzw. den Zutransport der ClO--Ionen aus dem Innern zu verlangsamen. Wahrend man im allge- meinen bei der technischen Elektrolyse bestrebt ist, den Stofftransport zu beschleunigen, erweist es sich fur die Chlorat-Elektrolyse als gunstig, die Geschwindig- keit des Stofftransports klein zu halten.

Man kann sich verschiedene Moglichkeiten vorstellen, urn dieses Ziel zu erreichen. Um giinstige Gleichge- wichtsbedingungen einhalten zu konnen, sind eine hohe NaC1-Konzentration und ein kleiner pH-Wert in der Losung wiinschenswert. In der Wahl der Kochsalz- Konzentration ist man im wesentlichen nur durch das Erreichen der Sattigungskonzentration (rd. 4 Mol/l) be- schrankt. Der pH-Wert in der Losung 1aBt sich jedoch nicht beliebig niedrig einstellen, weil sonst einerseits die chemische Chlorat-Bildung (E) nicht mehr ablauft und andererseits gasformiges Chlor entweichen kann. Wie bereits erwahnt, kann man, um die chemische ge- genuber der elektrochemischen Chlorat-Bildung zu be- gunstigen, mit Vorteil die eigentliche Zelle durch einen Nebenraum erganzen, in dessen groDem Volumen die chemische Reaktion ablauft, und von dem aus der Elek- trolyt durch einen engen Zwischenelektrodenraum re- zirkuliert wird. Das Stromen des Elektrolyten parallel zu den Elektroden steht aber nun in einem gewissen Widerspruch zu unserer Forderung, die Geschwindig- keit des Stofftransports an der Anode moglichst klein zu halten. Ein sich aus den beiden gegensatzlichen For- derungen ergebendes Optimierungsproblem fur techni- sche Zellen wurde von Beck diskutiertPO). Eine quanti- tative Betrachtung wird dadurch kompliziert, daD ka- thodisch entwickelter Wasserstoff bei engen Elektro- denzwischenraumen auch in Anodennahe zusatzliche Konvektion erzeugen kann.

Ein Erhohen der Stromdichte an der Anode muBte sich grundsatzlich gunstig auswirken, da mehr H+-Ionen er- zeugt werden. Dem scheinbaren Vorteil steht aber in der Praxis der Nachteil einer stark erhohten Eleklro- denkorrosion gegeniiber. Ferner ist zu bedenken, daO die Sattigungskonzentration an Chlor an der Anoden- oberflache moglichst nicht uberschritten werden sollte, da sonst Chlor-Verluste durch Entweichen von Gas ent- stehen konnen. Anwenden von erhohtem Druck konnte allerdings hier abhelfen. Ein Erhohen der Zellentempe- ratur bringt eine groaere Geschwindigkeit des Stoff- transports mit sich und setzt die Loslichkeit von mole- kularem Chlor herab. Trotzdem ist man aber in der Praxis an hohen Temperaturen interessiert, da die Ge- schwindigkeit der chemischen Chlorat-Bildung mit der Temperatur bedeutend starker zunimmt als die des Stofftransports. Die obere Temperaturgrenze ist dann meistens durch die vermehrte Korrosion der Elektroden gegeben.

Eingegangen am 29. Marz 1967 [B 22921

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