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26 Personalmarketing personalSCHWEIZ Sonderausgabe «Rekrutierung» September 2014 «In dieser Welt ist alles eine Frage des Marketings. Es geht um die Kunst, auf sich aufmerksam zu machen, durch das mediale Gebrüll hindurch gehört zu wer- den. Und jetzt geht es nur noch darum, ob Sie wissen, was zu tun ist, unbekannter Polizist. Wie man die Muskeln anspannt. Wie stark sie sind, spielt keine Rolle, ent- scheidend ist, wie man sie einsetzt.» Was dieses Zitat aus «Zorn», einem Thril- ler von Arne Dahl, mit einem frischen Arbeitgeberauftritt zu tun hat? Im Per- sonalmarketing dreht sich vieles darum, wie Arbeitgeber mit ihren Botschaften auf dem Arbeitsmarkt gehört werden. Gerne verstecken wir uns hinter zu klei- nen Budgets, fehlenden Kompetenzen, der mangelnden Akzeptanz in den Ge- schäftsleitungen oder gesetzlichen Ein- schränkungen. Das ist vielleicht im Ein- zelfall richtig, als Einstellung aber fatal. Ich finde, dass frische Ideen und erfolgrei- che Konzepte in Personalmarketing und Employer Branding weniger eine Frage der «Muskelmasse», also der Ressour- cen, sind. Sie entstehen viel eher aus dem cleveren Einsatz der vorhandenen Mittel. «Die Muskeln richtig anspannen und ein- setzen», wie es der Mörder in «Zorn» in seinem Brief an seine Verfolger nennt. Darum geht’s. Nicht Budgets, personelle Mittel oder Kompetenzen, sondern die persönliche Einstellung entscheidet in der Personalgewinnung. Ich nenne diese Einstellung «Frechmut». Die fünf Essenzen von «Frechmut» 1. Frech Der Aussenauftritt vieler Firmen muss professioneller werden. Die Positionie- rung als attraktiver Arbeitgeber wird gerade für Unternehmen, die nicht auf die Strahlkraft ihrer Marke oder ihrer Pro- dukte zählen können, überlebenswichtig. Marketing- und Vertriebskompetenzen werden im HR immer wichtiger. Wer im «war for eyeballs» auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden will, darf in der Personalwerbung Seriosität nicht mehr länger mit Langeweile verwechseln. 2. Mut HR muss unternehmerisch denken und handeln. Dazu gehört der Mut, neue We- ge zu beschreiten, ganz bewusst Neues auszuprobieren und etwas zu wagen – und in Kauf zu nehmen, dabei auch mal zu scheitern. Auf diesem Weg wird Zu- versicht und eine «Es-kommt-schon-gut- Mentalität» zur neuen Währung. 3. Leidenschaft Den Personalern muss man vermehrt an- merken, dass sie sich bewusst und genau für dieses Berufsfeld entschieden haben. Das spürt man, indem HR eine professio- nelle Neugierde für das Business entwi- ckelt, einen Plan hat und diesen hartnä- ckig verfolgt – und indem Begeisterung und Freude spürbar sind. 4. Ego Im Dienstleistungsmarketing ist das «fünfte P» zentral: People. Gerade HR- Entscheider sollen verstärkt sichtbar sein und ihrem Unternehmen ein (Arbeit- geber-)Gesicht geben. Das funktioniert nicht in den HR-Amtsstuben, sondern am Markt. Wer zudem sein Wirken und sich selber unbescheiden ins Schaufenster stellt, schafft Aufmerksamkeit und gewinnt an Reputation. Dies wiederum schafft neue Kontakte, öffnet Türen und ermöglicht es, künftig noch etwas mehr zu wagen. «Frechmutige» Personalwerbung Auffallen oder untergehen Obwohl Unternehmen sich im Wettbewerb um Fachkräfte vom Mainstream abheben müssen, werden viele Stellen nach wie vor sehr bieder und unauffällig beworben. Ein Plädoyer für mehr «Frechmut» im Personalmarketing. Von Jörg Buckmann Mit pointierten Kampagnen wie dieser konnten die VBZ den Frauenanteil massgeblich steigern.

Auffallen oder untergehen. Mehr Frechmut!

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Artikel über Frechmut im Personalmarketing in der Recruiting-Sonderausgabe der Zeitschrift Personal Schweiz.

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Personalmarketing

personalSCHWEIZ Sonderausgabe «Rekrutierung» September 2014

«In dieser Welt ist alles eine Frage des Marketings. Es geht um die Kunst, auf sich aufmerksam zu machen, durch das mediale Gebrüll hindurch gehört zu wer-den. Und jetzt geht es nur noch darum, ob Sie wissen, was zu tun ist, unbekannter Polizist. Wie man die Muskeln anspannt. Wie stark sie sind, spielt keine Rolle, ent-scheidend ist, wie man sie einsetzt.»

Was dieses Zitat aus «Zorn», einem Thril-ler von Arne Dahl, mit einem frischen Arbeitgeberauftritt zu tun hat? Im Per-sonalmarketing dreht sich vieles darum, wie Arbeitgeber mit ihren Botschaften auf dem Arbeitsmarkt gehört werden. Gerne verstecken wir uns hinter zu klei-nen Budgets, fehlenden Kompetenzen, der mangelnden Akzeptanz in den Ge-schäftsleitungen oder gesetzlichen Ein-schränkungen. Das ist vielleicht im Ein-zelfall richtig, als Einstellung aber fatal.

Ich fi nde, dass frische Ideen und erfolgrei-che Konzepte in Personalmarketing und Employer Branding weniger eine Frage der «Muskelmasse», also der Ressour-cen, sind. Sie entstehen viel eher aus dem cleveren Einsatz der vorhandenen Mittel. «Die Muskeln richtig anspannen und ein-setzen», wie es der Mörder in «Zorn» in seinem Brief an seine Verfolger nennt. Darum geht’s. Nicht Budgets, personelle Mittel oder Kompetenzen, sondern die persönliche Einstellung entscheidet in der Personalgewinnung. Ich nenne diese Einstellung «Frechmut».

Die fünf Essenzen von «Frechmut»

1. FrechDer Aussenauftritt vieler Firmen muss professioneller werden. Die Positionie-rung als attraktiver Arbeitgeber wird gerade für Unternehmen, die nicht auf

die Strahlkraft ihrer Marke oder ihrer Pro-dukte zählen können, überlebenswichtig. Marketing- und Vertriebskompetenzen werden im HR immer wichtiger. Wer im «war for eyeballs» auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden will, darf in der Personalwerbung Seriosität nicht mehr länger mit Langeweile verwechseln.

2. MutHR muss unternehmerisch denken und handeln. Dazu gehört der Mut, neue We-ge zu beschreiten, ganz bewusst Neues auszuprobieren und etwas zu wagen – und in Kauf zu nehmen, dabei auch mal zu scheitern. Auf diesem Weg wird Zu-versicht und eine «Es-kommt-schon-gut-Mentalität» zur neuen Währung.

3. LeidenschaftDen Personalern muss man vermehrt an-merken, dass sie sich bewusst und genau

für dieses Berufsfeld entschieden haben. Das spürt man, indem HR eine professio-nelle Neugierde für das Business entwi-ckelt, einen Plan hat und diesen hartnä-ckig verfolgt – und indem Begeisterung und Freude spürbar sind.

4. EgoIm Dienstleistungsmarketing ist das «fünfte P» zentral: People. Gerade HR-Entscheider sollen verstärkt sichtbar sein und ihrem Unternehmen ein (Arbeit-geber-)Gesicht geben. Das funktioniert nicht in den HR-Amtsstuben, sondern am Markt.

Wer zudem sein Wirken und sich selber unbescheiden ins Schaufenster stellt, schafft Aufmerksamkeit und gewinnt an Reputation. Dies wiederum schafft neue Kontakte, öffnet Türen und ermöglicht es, künftig noch etwas mehr zu wagen.

«Frechmutige» Personalwerbung

Auffallen oder untergehenObwohl Unternehmen sich im Wettbewerb um Fachkräfte vom Mainstream abheben müssen,

werden viele Stellen nach wie vor sehr bieder und unauffällig beworben. Ein Plädoyer für mehr

«Frechmut» im Personalmarketing.

Von Jörg Buckmann

Mit pointierten Kampagnen wie dieser konnten die VBZ den Frauenanteil massgeblich steigern.

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Personalmarketing

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5. TunWenn HR aus der verwaltenden Rolle herausfi nden will, muss es noch mehr Macherqualitäten entwickeln. Kann man das lernen? Nein. Diese Kompe-tenz wächst durch das Brechen von Mustern, durch «Experimentieren statt Duplizieren». In dieser Lust am Entde-cken und Machen steckt viel Kraft – und diese ist nötig, denn der War for Talents wird künftig nicht mehr mit den Waffen unserer Grossväter geschlagen werden können.

Die Werbung macht’s vor

Wenn es denn stimmt, dass wir in einem Kampf um immer weniger werdende Talente stehen, dann müssen wir uns und unsere Stellen auch endlich besser vermarkten. Dabei lohnt es sich, bei der «richtigen» Werbung ein paar Kniffe ab-zuschauen. Denn im Kern geht es immer um das Gleiche: Verkaufen. Die Spiel-regeln sind an sich einfach: An die Ziel-gruppen denken und klare Botschaften kommunizieren, die bei den potenziellen Bewerbern ankommen.

Ein unverwechselbarer Auftritt auf dem Arbeitsmarkt basiert auf der Betonung der Unterschiede. Darauf, dass sich ein Arbeitgeber mit dem, was er zu bieten hat, differenziert. Die pfi ffi gste Personal-werbung nützt nichts, wenn konkrete Botschaften über Arbeitgebervorteile und die emotionalen Aspekte der Un-ternehmenskultur fehlen. Die inhaltliche Differenzierung von Mitbewerbern ist entscheidend, sonst bleiben Sie als Ar-beitgeber konturlos und austauschbar.

Unterschiede herausschälen

Im Personalmarketing dreht sich (fast) al-les um die Frage: Was habe ich zu bieten? Was die Unique Selling Proposition (USP) im Konsumgütermarketing, ist die Emplo-yer Value Proposition (EVP) für das Perso-nalmarketing. Das erschreckt viele Unter-nehmen, es tönt so mächtig und gross. Dabei ist das Herausschälen der Arbeitge-bervorteile gar nicht so schwierig. Oliver Mattern, Employer Branding Spezialist, bringt es auf den Punkt: «Um in einem mittelständischen Unternehmen das, was wir EVP nennen, auf den Punkt zu brin-gen, brauchen Sie gesunden Menschen-verstand, einen halben Tag Zeit und eine Handvoll Leute, die das Unternehmen gut kennen». So sind wir bei den Verkehrsbe-trieben Zürich (VBZ) an das Thema heran-gegangen. Das Resultat eines spannenden und intensiven Nachmittags kommunizie-ren wir seit Jahren konsequent, so zum Beispiel auch im Abspann der Jobvideos.

Forscher wollen entdeckt haben, dass je-den Tag bis zu 10 000 Werbebotschaften auf uns einprasseln. Wer in diesem «war of eyeballs» seine Produkte, Dienstleis-tungen oder eben Arbeitsplätze an den Mann oder an die Frau bringen will, muss erst einmal auffallen. Markus Ruf ist zwei-facher Werber des Jahres und weiss, wie das geht. Er zitiert dazu den deutschen Dichter Friedrich von Logau: «In Gefahr und grosser Not, bringt der Mittelweg den Tod.» Etwas weniger barock formu-liert: «Wer sich nicht vom Mainstream ab-hebt, wird in diesem untergehen – kann also auch kein Interesse wecken und kei-ne Sympathie gewinnen.»

Dieser Mainstream in der Personalwer-bung ist in den Stellenbörsen besonders gut sichtbar. Dort haben sich die seit über 50 Jahren in Form und Inhalt praktisch un-veränderten Werbemittel Stelleinserate schadlos in das Internetzeitalter gerettet. Web 2.0? Video? Dialog? Fehlanzeige: Belanglosigkeit und Langeweile in Rein-kultur. Dass es auch anders geht, beweist etwa die Swisscom mit ihren neuen Stel-lenanzeigen (siehe Artikel S. 28).

Emotionen auslösen

Die Personalwerbung muss verstärkt die Gefühle der Zielgruppen ansprechen und Emotionen auslösen. Damit das ge-lingt, braucht es auch in der Vermark-tung von Arbeitsplätzen Kreativität, eine Prise «Frechmut» und Professionalität. Markus Ruf bringt es auf den Punkt: «In der Personalwerbung wird Langeweile oft mit Seriosität verwechselt. Ein lang-weiliges Unternehmen aber zieht kaum spannende und motivierte Leute an.» Damit sich das ändert, braucht es un-ter anderem auch neue Talente für die Personaler und Recruiter: Know-how in Marketing und Vertrieb, in der Kommu-nikation und in Public Relations sowie ein Grundverständnis über das Zusam-menspiel von Mensch und IT-Systemen werden zu neuen Kernkompetenzen im HR.

Jörg Buckmann und sein Autoren-Team zei-gen Ihnen in «Einstel-lungssache: Personal-gewinnung mit Frech-mut und Können» (Springer Gabler Verlag), wie Sie mehr Würze in

Ihr Personalmarketing bringen.

Bestellung und weitere Informationen:blog.buckmanngewinnt.ch/frechmut/frechmut-das-buch-2

Buchtipp

Autor

Jörg Buckmann ist seit 2007 Leiter Personal-management bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ). Auf seinem Blog blog.buckmanngewinnt.chberichtet er über frische Personalgewinnung.

Tipps für «frechmutige» Personalwerbung

1. Was haben Sie zu bieten? Nehmen Sie sich ein weisses Blatt, ein paar Kolleginnen aller Hierarchiestufen und einen halben Tag Zeit. Und fast schon fertig ist Ihre Employer Value Proposition. Oder schaufeln Sie etwas Budget frei und holen Sie sich Unterstützung.

2. Schauen Sie mal wieder ins Schaufenster Ihrer Personalwerbung, ins Internet und auf Ihre Stellenanzeigen. Würden Sie sich selber bei Ihrem Unternehmen bewerben? Neh-men Sie Verbesserungen heute noch in Angriff, auch kleine.

3. Vertrauen Sie nicht auf vermeintliche Sicherheitslösungen. Man kann Werbung mit einem Auftritt in der Manege vergleichen: Das Publikum liebt Kunststücke, die hoch oben unter der Zirkuskuppel vorgeführt werden. Wer sein Stück nur 10 Zentimeter über dem Boden aufführt und auch noch ängstlich ein Auffangnetz darunter zieht, darf sich nicht wundern, wenn kein Mensch hinguckt.

4. Verwechseln Sie Langeweile nicht mit Seriosität. Ein langweiliges Unternehmen zieht kaum motivierte Leute an. Gestalten Sie Ihre Personalwerbung so überraschend und unterhaltsam wie die Produktwerbung Ihres Unternehmens.