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festgehalten Die Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz In der Krise wird der Chef befragt EDITORIAL Sie kommen grundsätzlich zum ungünstigsten Zeitpunkt: Krisen- und Katastro- phensituationen. Schlagartig entsteht ein großer Entscheidungs- und Hand- lungsdruck für die Geschäftsführer im Betrieb. Je länger ein Betrieb benötigt, um auf die Krise zu reagieren, desto schwieriger wird es. Und der Krise muss nicht nur technisch begegnet werden. Betriebsvorfälle verunsichern Menschen. Daher müssen auch die Krise selbst und der Weg daraus kommuniziert werden. Unternehmen, die in der Krise schnell reagieren, schaffen Vertrauen. Wenn diese hingegen nicht frühzeitig aufklären, werden Informationslücken durch Spekulationen gefüllt. Wenn Spekulationen zu vermeintlichen Erkenntnissen werden, wird das Unternehmen im öffentlichen Diskurs über die Krise überhört. Gut vorbereitet zu sein, ist wichtig. An zwei Tagen trainieren Geschäftsführer und Werkleiter im Seminar des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz das eigene Medienverhalten in der Krise und vor laufender Kamera. Neben der individuellen Auswertung gibt es wertvolle Hinweise und Informationen, um als Geschäftsführer in der Krisen- kommunikation bestehen zu können. Tobias Göpel | Chemieverbände Rheinland-Pfalz INHALT >> Krisenszenarien sind vielfältig >> Kommunikation in der Krise >> Polizei, Staatsanwalt & Co – Wer hat welche Rechte? >> Aufgaben für die Unternehmen Stimme, Inhalt und Körpersprache bestimmen die Botschaft in einem Interview >>

In der Krise wird der Chef befragt

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Page 1: In der Krise wird der Chef befragt

festgehaltenDie Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland­Pfalz

In der Krise wird der Chef befragt

EDIToRIALSie kommen grundsätzlich zum ungünstigsten Zeitpunkt: Krisen­ und Katastro­phensituationen. Schlagartig entsteht ein großer Entscheidungs­ und Hand­lungsdruck für die Geschäftsführer im Betrieb. Je länger ein Betrieb benötigt, um auf die Krise zu reagieren, desto schwieriger wird es. Und der Krise muss nicht nur technisch begegnet werden. Betriebsvorfälle verunsichern Menschen. Daher müssen auch die Krise selbst und der Weg daraus kommuniziert werden.

Unternehmen, die in der Krise schnell reagieren, schaffen Vertrauen. Wenn diese hingegen nicht frühzeitig aufklären, werden Informationslücken durch Spekulationen gefüllt. Wenn Spekulationen zu vermeintlichen Erkenntnissen werden, wird das Unternehmen im öffentlichen Diskurs über die Krise überhört. Gut vorbereitet zu sein, ist wichtig.

An zwei Tagen trainieren Geschäftsführer und Werkleiter im Seminar des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland­Pfalz das eigene Medienverhalten in der Krise und vor laufender Kamera. Neben der individuellen Auswertung gibt es wertvolle Hinweise und Informationen, um als Geschäftsführer in der Krisen­kommunikation bestehen zu können.

Tobias Göpel | Chemieverbände Rheinland­Pfalz

INHALT

>> Krisenszenarien sind vielfältig>> Kommunikation in der Krise>> Polizei, Staatsanwalt & Co –

Wer hat welche Rechte?>> Aufgaben für die Unternehmen

Stimme, Inhalt und Körpersprache bestimmen die Botschaft in einem Interview

>>

Page 2: In der Krise wird der Chef befragt

KRISENSZENARIEN SIND VIELFÄLTIGEin Blick in die Medien der letzten Monate zeigt, dass die Krisen sehr unterschiedlich waren und auch kleine und mittlere Unter­nehmen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt haben. Die Fälle zeigen eindrucksvoll auf, dass alle Akteure potentiell gefährdet sind, die Deutungshoheit über das eigene Handeln zu verlieren. Und nicht immer geht es in erster Linie um den Vorfall, sondern um den öffentlichen Umgang damit.

Wenn der öffentlichen Besorgnis, der Angst oder der Empörung nicht rechtzeitig begegnet wird, kann das eine organisation substantiell gefährden. Nicht nur die klassischen Medien wollen schnell die Öffentlichkeit über die Notfallsituation aufklären und Hintergründe aufzeigen. Durch die neuen Möglichkeiten der So­zialen Medien können sich Meinungsgruppen schnell finden und öffentlich diskutieren. Besonders die Mitarbeiter im Betrieb können über soziale Netzwerke zu ungewollten Botschaftern des Unternehmens werden: ungenaue Informationen und eine emo­tionale Wortwahl leiten eine Diskussion an, die für die Kommu­nikationsabteilungen zu einer Herausforderung werden können.

KoMMUNIKATIoN IN DER KRISEEin Geschäftsführer hat verschiedene Zielgruppen zu berücksichtigen. Anwohner, Politiker, Umweltverbände und auch die eigenen Mitarbeiter benötigen Informationen und können durch die Medien zu Wort kommen. Aufsichtsbehörden, Kunden und Lieferanten wollen wissen, welche Aus­wirkungen die Krise auf die Geschäftsbeziehungen hat.

Im Ernstfall kann eine unnötige Eskalation der Krise nur durch eine schnelle Kommunikation, sowohl von positiven als auch negativen Informationen, abgemildert werden. Wichtig sind Wahrheitstreue und offenheit. Nur so kann man einen langfristigen Vertrauensschaden verhindern. Die Medien spielen in der Krise eine besondere Rolle – sie berichten unter Zeitdruck und sie brauchen aussagekräftige Bilder. ob das Unternehmen kommuni­ziert oder nicht, die Anwohner kommen bestimmt zu Wort.

Das Statement

Wenn eine erste Stellungnahme abgegeben wird, sind bestimmte Regeln zu beachten: Mit einer einfachen und deutlichen Sprache lassen sich die Botschaften am einfachsten transportieren. Nicht jeder Interessierte ver­fügt über die notwendige Fachkenntnis. Auch die Reihenfolge der Informa­tionen ist von Bedeutung. Die erste und letzte Botschaft bleiben eher in Erinnerung. Sind Mitarbeiter im Betrieb betroffen, muss dies angesprochen werden. Auch geht es nicht nur um die Worte. Stimme und Körpersprache haben mehr Einfluss auf die Wahrnehmung, als das Gesagte.

Bernhard Messer, Dialog Medientraining, Düsseldorf

Seminarinhalte

Als Geschäftsführer der PolyChem GmbH sind Sie in einem Chemieunternehmen mit rund 250 Mitarbeitern tätig. Eigentümer ist seit fünf Jahren der Investor H.I.K. Capital mit Sitz in London. Am Standort werden Spezialchemikalien für die Automobilindustrie hergestellt. Es ist Donnerstag und der Werkschutz meldet, dass sich auf dem Werksgelände schnell ausbreitender beißender Geruch bemerkbar macht. Die Ereignisse fügen sich nahtlos aneinander und die Berichterstattung in den Medien beginnt…

KISS – Keep it short and simple

Beiträge der Medien in den Nachrichten sind meist kurz. So sollten auch die Sätze im Interview sein.

>> Kein Fachchinesisch

>> Einfache Wörter

>> Kurze Botschaften

>> Aktiv und positiv formulieren

>> Kurze Sätze

»Die Art der Kommunikation beeinflusst die Reputation des Unternehmens nachhaltig. Hier muss eine professionelle Kommunikation ansetzen.«

In der Krise wird der Chef befragt | St. Goar

Zielgruppen der Krisenkommunikation

Sprecher Krisenmanagement

Öffentlichkeit

Kunden

Anteilseigner

Dienstleister

Bürgerinitiativen

Konkurrenten

Medien

Umweltverbände

Lieferanten

Aufsichtsbehörden

Politiker

Investoren

Anwohner

AngehörigeMitarbeiter

Management

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Bei betrieblichen Krisensituationen kann mit den richtigen Instrumenten und einer geeigneten Wortwahl ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung und vertrauensbildenden Transparenz geschaffen werden. Doch gutgemeinte Schuldeingeständnisse, nicht beachtete Informationspflichten oder das Abschieben von Verantwortung können haftungsrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführer haben.

Der Geschäftsführer eines Unternehmens steht in der Verantwortung und ist erster Ansprechpartner für Presse und Vertreter des Staates. Während die Presse oft am Tor auf Möglichkeiten der Berichterstattung wartet, ist das Verhalten gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft seitens der Un­ternehmensvertreter von Unsicherheiten geprägt: Kann die Polizei zu jeder Zeit auf das Werksgelände? Die klare Antwort lautet: Nein, ein Unterneh­men hat grundsätzlich Hausrecht. Doch wie sieht es in einer Krise aus? Mit einen Impulsvortrag und einer intensiven Gesprächsrunde konnte Rechtsanwalt Dr. Markus Wintterle viele Fragen klären.

Haftungsfragen und Strafbarkeit

Je nachdem, in welchem Rahmen die Beamten der Polizei auftreten, agie­ren diese anders und zielen mit Fragen auf etwas anderes ab. Um das zu verstehen, ist es hilfreich, die Grundzüge der Strafbarkeit zu kennen.

Bei Haftungsfragen sind drei Rechtsbereiche zu berücksichtigen: Öffent­liches Recht, Zivilrecht und Strafrecht. Das Öffentliche Recht meint hier das Recht der Gefahrenabwehr. Das Strafrecht ist auf Sanktionen bei Straftaten ausgerichtet. Für beide Bereiche kann der Polizeivollzugsdienst staatliche Gewalt ausüben.

Damit in einer Krise die Polizei das Recht hat, auf das Werksgelände zu kommen und Anweisungen zu erteilen, muss Gefahr in Verzug sein. Es muss ein Gefahrentatbestand vorliegen, der das Eingreifen der Polizei erforderlich macht. Ist bei einer Betriebsstörung die Ursache bereits behoben (das Feuer ist gelöscht oder es tritt kein Stoff mehr aus), dann liegt dieser Tatbestand nicht mehr vor und die Polizei hat kein unmittel­bares Zugriffsrecht mehr.

Anders verhält es sich bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Hier sind in der Regel mittlere Dienstränge der Polizei nach §152 Gerichtsver­fassungsgesetz (GVG) Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. Die Beamten handeln im Auftrag und haben das Recht und die Pflicht des Zugriffs bei der Straferforschung und Verhütung von Verdunklungsgefahr. Ist die Verdunklungsgefahr nicht gegeben, weil zum Beispiel das Unternehmen kooperativ zur Aufklärung des Falles beiträgt, besteht auch hier kein unmittelbares Zugriffsrecht mehr.

PoLIZEI, STAATSANWALT & Co – WER HAT WELCHE RECHTE?

Rechtsanwalt Dr. Markus Wintterle, Kleiner Rechtsanwälte, Mannheim

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Impressum | HERAUSGEBER: Chemieverbände Rheinland­Pfalz, Bahnhofstraße 48, 67059 Ludwigshafen, Telefon 06 21­5 20 56 ­0, Telefax 06 21­5 20 56 ­20, info@chemie­rp.de, www.chemie­rp.de, REDAKTIoN: Tobias Göpel, FoToS: Marcel Hasübert, mh­foto.de, GESTALTUNG: [email protected], Köln, DRUCK: prints + forms GmbH & Co. KG, Mannheim, Auflage: 400, Stand: November 2012 Die Veranstaltung fand am 21./22.9.2012 in St. Goar statt.

»Reduzieren Sie wichtige Themen auf 30 Sekunden und setzen Sie sich Ziele für das Gespräch. «

In der Krise wird der Chef befragt | St. Goar

AUFGABEN FÜR DIE UNTERNEHMENKrisenkommunikation beginnt nicht erst, wenn der Krisenfall eingetreten ist. Bei einem Betriebsvorfall müssen Geschäftsführer unter Druck Entscheidungen treffen. Lange Abstimmungsphasen mit einzelnen Abteilungen sind in der Regel nicht möglich. Krise bedeutet auch emotionale Reaktionen in einem ungewissen Informationsfeld. Kommunikationsfehler, die hier in den ersten Stunden gemacht werden, sind nicht oder nur schwer korrigierbar.

ob Checklisten, Meldewege und Erreichbarkeiten – die Unterlagen sollten in Ruhe vorbereitet werden. Dazu gehören auch Verteiler über Zulieferer, Kunden, Behör­den, Verbände, Medien und politische Vertreter, die informiert werden müssen. Selten gibt es den Masterplan im Betrieb. Um im Krisenfall schnell zu reagieren, können fertige Textbausteine für Pressemitteilungen und Webseiten formuliert werden. Diese können auch Grundlage für Statements und Interviews sein.

Externe und interne Kommunikation müssen eng verzahnt sein. Die Mitarbeiter sind Multiplikatoren für alle Ereignisse im Unternehmen – sie müssen stets aktuell informiert werden. Sonst werden Vermutungen und Spekulationen schnell zu Nachrichten. Auch im Normalbetrieb sollten die Unternehmen bereits Voraus­setzungen schaffen, dass die Mitarbeiter die eigene Wirkung in der Kommunikati­onswelt kennen und sich entsprechend verhalten.

Seminarangebot:

Das Training wird einmal jährlich angeboten und findet meist im September statt. Es beginnt Donnerstag Nachmittag und endet Freitag. Die Ausschreibung erfolgt rechtzeitig.