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Von Basel II intelligent profitieren

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[01.03.2011] Solvency II tritt Anfang 2013 in Kraft, doch viele Versicherer zögern noch mit der IT-Implementierung. Sie riskieren dabei einerseits Verspätungen, übersehen aber auch das betriebswirtschaftliche Nutzenpotenzial. Wer anstelle des in weiten Kreisen präferierten EU-Standardmodells eine zweigleisige IT-Lösung schafft, stellt die Aufsicht zufrieden und schafft einen Mehrwert für das Unternehmen. Der folgende Beitrag zeigt einen erprobten Weg zu einer dualen Solvency-II-IT-Architektur.

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10 IT-Banken & Versicherungen 1 • 2011

Von Basel II intelligent profitieren Kombiniertes Solvency-II- Rechenmodell erfüllt EU-Pflichten und ermöglicht internes Risikomanagement

Ab Januar 2013 wird es ernst mit der vieldiskutierten Solvency-II-Compliance, aber immer noch verhalten sich Teile der Versi-cherungsbranche erstaunlich zurückhaltend. Statt die erforderli-chen Projekte voranzutreiben, diskutiert die Fachöffentlichkeit kontrovers um die Ergebnisse der Auswirkungsstudie QIS 5 (Quantitative Impact Study). Ziel dieser von der EU-Kommission initiierten Erhebung war es, den Unternehmen testweise die Ermittlung der Solvenzkapitalanforderungen zu ermöglichen und ihre Erkenntnisse als Feedback zurückzuspielen.

Standardmodell verschleiert tatsächliche Risikosituation

Viele Versicherungsanbieter verlassen sich auf die absehbar finale Fassung des EU-Standardmodells, die eine einfache Berechnung mit Excel verspricht. Doch dieses unternehmensneutrale Berech-nungsmodell steht in der Kritik. So halten es viele Betroffene für zu komplex und nicht risikogerecht, weil etwa Rückversicherung und Überschussbeteiligung nicht ausreichend berücksichtigt wer-den. Zusätzlich bedrohe das Standardmodell das Geschäftsmodell der Lebensversicherer. Die pauschal hohen Standard-Worst-Case-Szenarien für Aktien und Immobilien machen nämlich Investments unattraktiv und führen zu Portfolioumschichtungen in vermeintlich risikofreie Staatsanleihen. Auch der zu große Reporting-Aufwand sorgt für Unmut. Doch es gibt auch eine Alternative zum reinen Stan-dardmodell. Mehr Flexibilität erreichen Versicherer bei Anwendung einer kombinierten, zweigleisigen IT-Lösung. Sie können dabei ihr Risikokapital einerseits nach dem Standardmodell berechnen und so die Versicherungsaufsicht zufriedenstellen. Andererseits erhalten sie über ein zusätzliches unternehmensinternes Rechenmodell eine realistische Darstellung der individuellen Risikosituation. In dieser Form ergeben sich klare Mehrwerte beim Risikomanagement und bei der wertorientierten Unternehmenssteuerung.

Solvency II tritt Anfang 2013 in Kraft, doch viele Versiche-rer zögern noch mit der IT-Implementierung. Sie riskieren dabei einerseits Verspätungen, übersehen aber auch das betriebswirtschaftliche Nutzenpotenzial. Wer anstelle des in weiten Kreisen präferierten EU-Standardmodells eine zweigleisige IT-Lösung schafft, stellt die Aufsicht zufrie-den und schafft einen Mehrwert für das Unternehmen. Der folgende Beitrag zeigt einen erprobten Weg zu einer dualen Solvency-II-IT-Architektur.

Strategie

Lösungsbeispiel anhand eines Partialmodells Risiken Nicht-Leben belegt Vorteile

Anhand einer Praxisrechnung lassen sich der parallele Betrieb von internem und Standardmodell sowie die Vorteile eines internen Modells darstellen. Das folgende Beispiel beschränkt sich auf das versicherungstechnische Risiko Nicht-Leben eines Komposit-Versicherers, der in den Geschäftsfeldern Kraft, Sach-versicherung und Unfall aktiv ist. Die Ergebnisse lassen sich auf Lebens- oder Krankenversicherungsrisiken und weitere Risiko-kategorien übertragen.Prämien-, Reserve- und Katastrophenrisiko werden sowohl mit dem QIS5-Standardmodell als auch in einem internen Modell mit PODRA in PillarOne.RiskAnalytics berechnet. PillarOne.RiskAnalytics ist ein Open-Source-Programm, das von Aktuaren entwickelt und in einer Community permanent ausgebaut und verbessert wird. Die Berechnung des SCR erfolgt in aufeinander aufbauenden Kalibrierungsschritten: 1. Brutto-Modellierung des Prämien- und Reserverisikos erst

getrennt für die Geschäftsfelder Kraft Haft und Kasko, Sach und Unfall, dann zusammen erst pro Geschäftsfeld und zuletzt für die komplette Unternehmung ohne Cat-Risiko und ohne Rückver-sicherungseinfluss. Von einem exakt gleichen Ausgangsniveau für das Solvency Capital Requirement (SCR) im PODRA- und QIS 5-Modell ausgehend, benötigt man im internen Modell durch Anwendung unternehmensspezifischer Abhängigkeiten ein geringeres Solvenzkapital. Nach den ersten drei Stufen ist das Musterunternehmen komplett modelliert. (Säule 1 bis 3)

Illustration einer IT-Landschaft, die beide Rechenmodelle auf einer gemeinsamen Datenbasis und sinnvollen BI-Lösungen zugleich integriert

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2. Die internen Modellierungsansätze von PODRA werden mittels von historischen Daten abgeleiteten Basis-, Großschaden- und Kostenverteilungsfunktionen aktiviert. Das Cat-Risiko - per Proxy im Standardmodell und Event-basiert in PODRA wird integriert. Das PODRA-SCR steigt nun deutlich an gegenüber der QIS 5-Proxylösung. (Säule 4 und 5)

3. Die Abbildung der nicht-proportionalen Rückversicherungs-verträge im PODRA zeigt enorme Auswirkung, das interne SCR verringert sich drastisch bevor die Modelle mit der pro-portionalen Rückversicherung vervollständigt werden. (Säule 6 und 7)

Fazit: Das interne (PODRA-)Modell berechnet ein deutlich gerin-geres Solvenzkapital als das Standardmodell.

Realistischere Darstellung der Risikosituation

Das Kalibrierungsbeispiel zeigt, dass die Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Abhängigkeiten im internen Modell dabei hilft, Diversifikationsvorteile zwischen einzelnen Geschäfts-bereichen und Produkten zu erzielen. Insbesondere die nicht-proportionale Rückversicherung und die exakte Berechnung des Katastrophenrisikos tragen zur objektiven Darstellung der Risi-kosituation bei, während das Standardmodell diese Faktoren nicht berücksichtigt und somit große Schwächen aufweist. Eine reali-tätsnahe Modellierung mit unternehmensinternen Parametern führt übrigens nicht zwangsläufig zu einem – wie im Beispiel gezeigten - niedrigeren Eigenmittelbedarf. Allerdings ließe sich ein internes Rechenmodell durchaus dazu missbrauchen, mit Hilfe gezielt eingesetzter Standardmodellkomponenten die Kapitalkosten zu senken. Vor einem solchen „Cherry Picking“ zum reinen „SCR-Tuning“ sei allerdings gewarnt. Wer auf diese Weise die Kosten der Modelleinführung einspielen möchte, riskiert eine Bestrafung durch die Aufsichtsbehörden. Aber auch aus Risikomanagementge-sichtspunkten wäre ein derartiges Unterfangen fragwürdig.

Kombiniertes Modell unterstütztwertorientierte Unternehmenssteuerung

Ein internes Modell, das gleichzeitig die Standardformel bedient, erweist sich als idealer Kompromiss. Mit einem solchen Kombi-

modell benötigt das Unternehmen nur ein IT-Umsetzungsprojekt, die Dateninfrastruktur und die BI-Lösungen für Transparenz und Reporting müssen nur einmal implementiert werden, bedienen aber beide Modelle gleichzeitig. Die Risikotragfähigkeit kann im Rahmen des Own Risk and Solvency Assessment (ORSA) und einer Risikoüberwachung mittels operativ steuerbarer Limite leicht belegt werden. So wird die notwendige Voraussetzung für die risiko- und wertorientierte Steuerung des Unternehmens mit Nachweis des Use Tests geschaffen und maximale Immunität gegen aufsichtsrechtliche Interventionen erreicht. Versicherungs-unternehmen sollten konsequent an ihrer eigenen Vorstellung von Risikomanagement und wertorientierter Steuerung arbeiten und sich nicht vom Solvency-II-Einführungsprozess irritieren lassen. So wird die Organisation fit für den künftigen Wettbewerb – und die Solvency II-Compliance muss keinesfalls als Zumutung für die Organisation wahrgenommen werden.

Thomas Lengfeld,Aktuar (DAV), metafinanz GmbH

Autoren:

Dr. Hubert Sterner,Leiter Business Consulting Insurance, metafinanz GmbH

Glossar

PillarOne.RiskAnalyticsUm das Risikomodell für Solvency II zu berechnen, wur-de 2008 das Open-Source-Projekt PillarOne.RiskAnalytics ins Leben gerufen. Die Software unterstützt Aktuare und Risikomanager bei der Risikomodellierung und eig-net sich sowohl für die Berechnung nach einem internen Modell wie nach dem EU-Standardmodell.QIS5Mit der EU-Auswirkungsstudie QIS5 (Quantitative Im-pact Study) können Versicherer ihre Solvenzkapitalan-forderung schon vorab testweise bestimmen. QIS5 basiert auf einem europäischen Standardansatz zur Risi-koberechnung (Standardmodell), der sich für alle Arten von Versicherungsunternehmen eignet. Zur Berechnung wurde eine Excel-Version veröffentlicht.CEIOPS/EIOPACEIOPS (Committee of European Insurance and Occup-ational Pensions Supervisors) war ein Zusammenschluss der europäischen Aufsichtsbehörden für Versicherungs-unternehmen und Pensionsfonds. Die Organisation war seit 2009 mit der Solvency-II-Einführung beauftragt. Aus dem beratenden Komitee ist seit 1.1.2011 die Behörde EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) mit Sitz in Frankfurt am Main entstanden.

Kalibrierungsschritte zum Vergleich beider Modelle: Vor allem die Berücksichtigung der nicht-proportionalen Rückversiche-rungsverträge (Säule 6) wirkt sich drastisch senkend auf das Solvenzkapital aus.