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ISBN Print: 9783525403600 — ISBN E-Book: 9783647403601© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Rainer Zech, Organisation, Individuum, Beratung

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Interdisziplinäre Beratungsforschung

Herausgegeben von Stefan Busse, Rolf Haubl, Heidi Möller, Christiane Schiersmann

Band 8: Rainer Zech Organisation, Individuum, Beratung

ISBN Print: 9783525403600 — ISBN E-Book: 9783647403601© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Rainer Zech, Organisation, Individuum, Beratung

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Rainer Zech

Organisation, Individuum, Beratung

Systemtheoretische Reflexionen

Mit Beiträgen von Claudia Dehn, Katia Tödt und Falko von Ameln

Mit 7 Abbildungen und einer Tabelle

Vandenhoeck & Ruprecht

ISBN Print: 9783525403600 — ISBN E-Book: 9783647403601© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Rainer Zech, Organisation, Individuum, Beratung

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-525-40360-0 ISBN 978-3-647-40360-1 (E-Book)

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.Printed in Germany.

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenDruck und Bindung: e Hubert & Co., Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Gefördert durch die Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. (DGSv).

Meinem Lehrer Prof. Dr. Horst Ruprecht, dem ich viel verdanke, zum 90. Geburtstag.

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Rainer Zech, Organisation, Individuum, Beratung

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Teil I: Theoriereflexionen

1 Organisation als regelgeleitetes Entscheidungssystem . . . . . . 171.1 Organisationen als gesellschaftliche Akteure . . . . . . . . . . . . . . 171.2 Unterscheidungen und Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.3 Organisation und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201.4 Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231.5 Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271.6 Spezialsemantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321.7 Struktureller Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341.8 Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.9 Das Selbst der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401.10 Anforderungen an Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

2 Individuum als Bewusstseinssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.1 Das kommunikative Spiel mit Begriffen

für den Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.2 Das »Subjekt«-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.3 Das psychische System und sein Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502.4 Anforderungen an Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3 Verhältnisse und Verhaltensweisen oder die strukturelle Kopplung von sozialen und psychischen Systemen . . . . . . . . 55

3.1 Organisationen und Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.2 Strukturelle Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563.3 Der Begriff der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.4 »Verschachtelte« Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603.5 Kopplung durch Spezialsemantiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.6 Die Konstitution des Individuums zum

Organisationsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.7 Anforderungen an Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

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6 Inhalt

4 Der Zusammenhang von individuellem und organisationalem Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4.1 Lernen als Strukturveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674.2 Lernvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684.3 Lernniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704.4 Zur Unterscheidung von individuellem und

organisationalem Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724.5 Lernen erster und zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764.6 Zum Verhältnis von individuellem und

organisationalem Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784.7 Anforderungen an Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

5 Beratung als gesellschaftliches Funktionssystem . . . . . . . . . . . 815.1 Beratung als Regulationsmechanismus gesellschaftlicher

Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815.2 Das gesellschaftliche Funktionssystem Beratung . . . . . . . . . . 825.3 Anforderungen an Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

6 Beratung als Selbstberatung von Systemen . . . . . . . . . . . . . . . 896.1 Drei restriktive Denkformen in der Beratungspraxis . . . . . . . 896.2 Gegenstände bzw. Themen der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . 916.3 Die andere Seite der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926.4 Beratungskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946.5 Beratungssystem und Dimensionen von Beratung . . . . . . . . . 976.6 Fachberatung, Prozessberatung und Reflexion

im Dreieck von Strategie, Struktur und Kultur . . . . . . . . . . . . 996.7 Veränderung als Strukturänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016.8 Ansteckung oder Selbstüberraschung des Beratersystems . . . 1036.9 Professionelle Beratung als Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046.10 Die Semantik der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056.11 Beratung von Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066.12 Paradoxien und Grenzen der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1076.13 Konsequenzen für die Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Teil II: Praxisreflexionen

7 Latente Funktionsgrammatiken: Musterwechsel in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

7.1 Geheimes Wirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217.2 Ich sehe was, was du nicht siehst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1257.3 Wie man latente Regeln erkennt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1287.4 Wie man latente Regeln verändert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

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Inhalt 7

7.5 Wie man funktionale Regeln einführt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

8 Die ästhetische Organisation als soziale Plastik: Beratung als Kunstprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

8.1 Drei philosophisch-ästhetische Ausgangspunkte . . . . . . . . . . 1358.2 Die ästhetische Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1368.3 Der künstlerische Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1408.4 Beratung als Kunstprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

9 Die permanente Selbsterschaffung des Unternehmens: Strategieentwicklung als Zukunftsgestaltung . . . . . . . . . . . . . 156

9.1 Zukunft ist ein Zustand, den keiner kennt . . . . . . . . . . . . . . . . 1569.2 Strategieentwicklung ist Zukunftsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . 1579.3 Vorgehen bei der Strategieberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1599.4 Kreative Neuerfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1629.5 Die Neustrukturierung der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . 1649.6 Die Weisheit der vielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1669.7 Der strategische Entwicklungskreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

10 Kulturbegegnungen: Mitarbeiterintegration im Fusionsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

10.1 Kultur als Vergleichsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17110.2 Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17410.3 Viele Fusionen scheitern an der

unterschiedlichen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17610.4 Kulturvergleich der beiden Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 17810.5 Kulturbegegnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18110.6 Integrationserfolg und Alltagsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

11 Angesteckt: Übertragungsphänomene zwischen Kunden- und Beratersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

11.1 Übertragung oder Übernahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18811.2 Die Erregung des Kundensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19211.3 Die Infektion des Beratersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19511.4 Verpasste Lernchancen oder Fähigkeit

zur Selbstüberraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

12 Paradoxien der Schulentwicklung: Über die Unmöglichkeit der Reform einer Reformschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

12.1 Die Poesie der Reformdiskussion und die Prosa des schulischen Alltags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

12.2 Die Schule als System funktionaler Uneindeutigkeit . . . . . . . 208

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8 Inhalt

12.3 Missverstandene Autonomie statt wechselseitiger Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

12.4 Reform als Selbstbestätigung der Unveränderbarkeit . . . . . . . 21012.5 Machtkämpfe und blockierende Normativität . . . . . . . . . . . . 21112.6 Die Anerkennung von zwei Rationalitäten

als Voraussetzung der Lernfähigkeit von Schule . . . . . . . . . . . 21312.7 Das Dilemma der Schulberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21412.8 Wie ist Schulberatung möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

13 Dualität von Struktur in Beratungsprozessen: Wie organisationale und individuelle Perspektiven miteinander vermittelt werden können (Claudia Dehn) . . . . . 221

13.1 Wen oder was berät Organisationsberatung? . . . . . . . . . . . . . 22113.2 Dualität von Struktur statt Dualismus von sozialen

und psychischen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22213.3 Handlungspraktische und diskursive Bewusstheit

als menschliche Wissensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22413.4 Soziale Praktiken als Bindeglied der Vermittlung . . . . . . . . . . 22513.5 Kombinierte Methodik zur Erfassung individueller

und institutioneller Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22613.6 Strukturdimensionen und Handlungsmuster . . . . . . . . . . . . . 23013.7 Logiken der Innovation und Routine –

ein strukturelles Dilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23113.8 Vermittlung individueller und organisationaler Perspektiven 234

14 Beobachtung zweiter Ordnung: Arbeit mit Selbst- und Fremdbeschreibungen (Katia Tödt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

14.1 Beobachtung als grundsätzlicher Weltzugang . . . . . . . . . . . . . 23714.2 Reflexivität und Reflexion als Formen der Selbstreferenz . . . 23814.3 Beobachtungen erster und zweiter Ordnung:

Wer beobachtet, was wird beobachtet und wie wird beobachtet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

14.4 Reflektierte Selbstveränderung: So oder auch anders . . . . . . . 24114.5 Die Selbstbeschreibung als Formulierung

der eigenen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24114.6 Die Fremdbeschreibung als Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . 24214.7 Beratung als Anleitung zur gerichteten Selbstbeobachtung

und Selbstbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24514.8 Beratung als Wiederbeschreibung der Selbstbeschreibung . . . 248

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Inhalt 9

15 Mikropolitik: Machtspiele in Organisationen (Falko von Ameln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

15.1 Mikropolitik als Hindernis in Veränderungsprozessen . . . . . 25015.2 Trennung zwischen Formalität und Informalität . . . . . . . . . . 25115.3 Die ausgeblendete Seite der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 25315.4 Die Grenze zwischen Legitimität und Illegitimität . . . . . . . . . 25415.5 Mikropolitik und Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25515.6 Mikropolitik in Veränderungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25615.7 Organisationsberatung als Spielball

in mikropolitischen Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25715.8 Über Partizipation und den Umgang mit den Beratern . . . . . 264

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

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Vorwort

Organisation, Individuum, Beratung – das sind die drei großen Themen dieser systemtheoretischen Reflexionen. Aufbauend auf einer systema-tischen Theorieentwicklung (in Teil I) möchte das Buch im zweiten Teil theoretisch relevante Fragestellungen illustriert an konkreten Beratungs-fällen reflektieren. Alle Fälle entstammen der mehr als 25-jährigen Bera-tungspraxis unseres Unternehmens ArtSet®, das Forschungs-, Bildungs-, Beratungs- und Qualitätstestierungsdienstleistungen für Organisationen aller Art anbietet (ArtSet, 2012 oder www.artset.de). Es gibt kaum einen Organisationstyp, der in diesem Zeitraum nicht beraten wurde: Unter-nehmen, Behörden, Bildungsorganisationen, Krankenhäuser, Kirchen, Parteien, Verbände usw. Einige davon tauchen in den Fallreflexionen auf.

Wenn die Organisation nicht mehr – wie in der klassischen Betriebs-wirtschaft – als zweckrationales Gebilde, sondern – mit der modernen Organisations- und Managementwissenschaft – als organisierte Anarchie (March, 1990), Mythos und Zeremonie (Meyer u. Rowan, 2009) oder nichttriviale Maschine (von Foerster, 1993b), auf jeden Fall als nicht kal-kulierbares, unberechenbares System (Luhmann, 2000a) mit evolutio-närem Drift (Maturana u. Varela, 1991) betrachtet wird, dann bedarf es zu ihrer Beratung eines spezifischen Ansatzes, der dies adäquat berück-sichtigt. Daher ist das Buch auch eine Beratungstheorie, die im ersten Teil des Buches fundiert wird und die den im zweiten Teil dargestellten und reflektierten Fällen zugrunde liegt.

Das Buch ist also in zwei Teile untergliedert. In Teil I (Theorierefle-xionen) erfolgen einige theoretische Erkundungen zum Verhältnis und zum Zusammenhang von Organisation, Individuum, Beratung, bevor in Teil II (Praxisreflexionen) anhand von Beispielen und Fällen theo-retisch relevante Einzelaspekte von Beratung reflektiert werden. Auch die Praxisreflexionen behandeln nicht direkt Praxis, sondern für die Beratungspraxis relevante Probleme und Fragestellungen am Beispiel theoretisch. Die Fallgeschichten haben dabei den Status einer beschrei-benden Veranschaulichung und nicht den Status von aufzuklärendem Material. Sie wurden anonymisiert und auf die theoretische Fragestel-lung hin zugespitzt.

Im ersten Teil geht es um Klärungen, wie Organisation theoretisch gefasst werden kann und welches Konzept des Individuums dazu passt

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12 Vorwort

und den eigenen Überlegungen zugrunde liegt. Wie institutionelle Ver-hältnisse und individuelle Verhaltensweisen ineinandergreifen, ist dabei ein zentraler Punkt. Das führt dazu, den Unterschied zwischen indivi-duellem und organisationalem Lernen zu berücksichtigen. Schließlich wird Beratung als gesellschaftliches Funktionssystem entschlüsselt und das Beratungsverständnis, das auf alldem aufbaut und diesem Buch zugrunde liegt, wird erläutert.

Im zweiten Teil folgen dann anhand von Fällen Reflexionen zu bedeutsamen Einzelaspekten der Beratung von Organisationen. Diese Aspekte werden mit dem Werkzeug der bereitgestellten Theorie reflek-tiert und an praktischen Beispielen illustriert. Thematisch geht es um organisationale Latenzen und Musterwechsel, den Einsatz von künst-lerischen Mitteln, Strategieentwicklung und Reorganisation, die Bedeu-tung der Kultur im Fusionsprozess, Ansteckungsphänomene zwischen Kunden- und Beratersystem sowie Paradoxien der Reform einer Reform-schule. Die letzten drei Praxisreflexionen haben zwei Kolleginnen und ein Kollege von ArtSet beigetragen. Hier geht es um die Vereinbarkeit organisationaler und individueller Perspektiven (Claudia Dehn), die Arbeit mit Selbst- und Fremdbeschreibungen (Katia Tödt) sowie Macht und Mikropolitik (Falko von Ameln).

Das Buch wurde insgesamt im Kreis von ArtSet-Kolleginnen und -Kollegen diskutiert. Diesen gilt mein besonderer Dank ebenso wie den Herausgebern der Schriftenreihe für die Chance, unsere Erfahrungen hier vorstellen zu dürfen.

Die Besonderheit des vorliegenden Buches besteht darin, dass es kein ausschließliches Theoriebuch über Beratung ist – obwohl es einen theoretischen Anspruch erhebt – und auch keine reine Darstellung von Fällen – obwohl viele Beispiele geliefert werden. Im Kern geht es um die theoretische Reflexion über Beratung illustriert anhand von prak-tischen Fällen.

Und dabei interessiert vor allem eine theoretische Frage, und zwar die des Zusammenhangs von Organisation und Individuum. Sie ist nicht so banal, wie man vielleicht im ersten Moment meinen mag. Denn wenn man systemtheoretisch Organisationen als soziale Systeme denkt, das heißt als Verkettung von Kommunikationen, sind Menschen bzw. Bewusstsein Umwelt. Psychische Systeme ihrerseits arbeiten überschnei-dungsfrei von sozialen Systemen, kommen also operativ ohne Kommu-nikation aus. Wenn dies zunächst als Ausgangspunkt so festgehalten werden kann, bleibt erstens theoretisch die Frage übrig, wie sich der Zusammenhang von Sozialem und Psychischem bzw. von Kommuni-kationen und Bewusstsein dennoch vollzieht. Zweitens bleibt praktisch zu klären, wie die Beratung von Organisationen funktioniert, wenn man

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Vorwort 13

es doch im Zugang zu ihnen nie mit der Organisation selbst, sondern immer mit deren Vertretern, also doch wieder mit Menschen, zu tun hat.

Das Buch erhebt nicht den Anspruch zu zeigen, dass es nur so wie dar-gestellt geht oder dass dies sogar der einzig sinnvolle Weg des Umgangs mit Organisationen wäre. Aber man muss irgendwo anfangen, mit einer ersten Unterscheidung die Welt beobachten. Dieser Anfang ist kontin-gent, man hätte andere wählen können und hätte dann etwas anderes gesehen und gemacht. Wir haben als Ausgangsunterscheidung die sys-temtheoretische Differenz System/Umwelt gewählt. Die Leserinnen und Leser mögen beurteilen, wie weit wir damit dann im Folgenden gekommen sind.

Ein kleiner Lesehinweis deshalb zum Schluss: Der theoretische Teil sollte im Zusammenhang gelesen werden; er bildet die Grundlage für die Praxisreflexionen des zweiten Teils. Diese allerdings können in belie-biger Reihenfolge oder auszugsweise gelesen werden – je nach eigenem Interesse.

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Teil I: Theoriereflexionen

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1 Organisation als regelgeleitetes Entscheidungssystem

1.1 Organisationen als gesellschaftliche Akteure

Im Jahr 1250 wurde von Papst Innozenz IV. erstmalig im kanonischen Recht formal anerkannt, dass es Einrichtungen gibt, die als juristische Körperschaften bzw. fiktive Personen überindividuell existieren und die den Individuen durch Regeln ein bestimmtes Verhalten vorschrei-ben können. Hierzu zählten Klöster, Universitäten, Kirchen, Gilden, Zünfte usw. Die Vorstellung, dass es Organisationen als juristische Per-sonen gibt, ist also ein Produkt des Hochmittelalters – auch wenn das Wort Organisation noch nicht im heutigen Sinne in Gebrauch war (vgl. Graeber, 2012, S. 321). Natürlich wurde auch schon vorher im großen Stil organisiert, zum Beispiel weit vor unserer Zeitrechnung in Meso-potamien bei den großen Bewässerungsprojekten. Im wissenschaftlichen und alltäglichen Sprachgebrauch setzte sich der Begriff Organisation für soziale Formationen besonderer Art, zum Beispiel im Unterschied zu Klassen, erst im 19. Jahrhundert durch (vgl. Luhmann, 2000a, S. 11). Heute leben wir in einer Organisationsgesellschaft, die ohne Organisa-tionen gar nicht mehr funktionieren würde. Jeder Mensch ist von der Geburt über die Ausbildung und den Beruf, sogar in seiner Freizeit und bis zum Tod in vielfältige Organisationen eingebunden. Organisationen sind die Akteure der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft. Sie regeln Inklusion und Exklusion der gesellschaftlichen Individuen.

Mittlerweile gibt es eine große Zahl an soziologischen Organisations-theorien, die hier allerdings nicht referiert werden sollen (vgl. hierzu als Überblick Kieser u. Ebers, 2006). Wir orientieren uns in diesem Buch systemtheoretisch und verstehen Organisation als das operativ geschlos-sene, sich selbst reproduzierende Netzwerk von kommunizierten Ent-scheidungen. Organisationen sind regelgeleitete formalisierte soziale Systeme zur Produktion von kooperativen Leistungen für ihre Umwelt, also für Abnehmer oder Kunden. Damit erfüllen Organisationen eine wichtige Funktion für die Gesellschaft insgesamt. Aber nicht um diese geht es uns, sondern um das Funktionieren der Organisationen selbst, um ihre Operationslogik, ihre Einbindung des Personals, ihre Regelungs-mechanismen, ihre Semantik, ihre Wandlungsfähigkeit, ihre Steuerung, ihre Identität etc.

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18 Organisation als regelgeleitetes Entscheidungssystem

Ich vernachlässige zunächst, dass sich verschiedene Typen von Organisationen beschreiben lassen, die sich durch ihre gesellschaftli-chen Funktionen und ihre spezifischen Leistungen für die Gesellschaft unterscheiden (vgl. hierzu Apelt u. Tacke, 2012). So versorgen Wirt-schaftsunternehmen die Gesellschaft mit Gütern und Dienstleistungen, Krankenhäuser versuchen, Krankheiten zu heilen, Schulen sollen Bil-dung vermitteln und Verwaltungen das Gemeinwesen organisieren. Die unterschiedlichen Organisationstypen sind in ihren spezifischen Aus-formungen und Funktionsmechanismen verschieden, aber sie haben als Organisationen auch vieles gemeinsam. Darum soll es zunächst gehen, bevor im Praxisteil – soweit es nötig ist – auf die Unterschiedlichkeit von Organisationen eingegangen wird.

1.2 Unterscheidungen und Beobachtungen

Zum Verständnis der systemtheoretischen Organisationstheorie sind ein paar wenige erkenntnistheoretische Vorbemerkungen hilfreich. Die neuere Systemtheorie Luhmann’scher Provenienz ist weder ontologisch noch identitätstheoretisch aufgebaut, sondern sie geht davon aus, dass das, was uns jeweils als Realität erscheint, abhängig ist vom Unterschei-dungsgebrauch des Beobachters. Es gibt daher keine Organisationen an sich, sondern nur deren Beschreibungen innerhalb der Gesellschaft und diese können durchaus unterschiedlich ausfallen. Die Frage ist daher nicht, welche Beschreibung richtig ist, sondern wie weit man – zum Beispiel in der Beratung – mit seiner Beschreibung kommt.

Die wichtigste theoriestrategische Festlegung der Systemtheorie ist also, dass sie mit Unterscheidungen arbeitet. Bereits in der Beobach-tung nehmen wir nur über Differenzen war; wir unterscheiden hell von dunkel, groß von klein, gut von böse, effizient von schlampig etc. und das abhängig von unserem jeweiligen Beobachtungsstandpunkt, von unserer individuellen Perspektive auf die Welt. »Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt«, hat Maturana (1998, S. 25) einmal festgestellt. Und: »Alles, was gesagt wird, wird zu einem Beobachter gesagt«, hat von Foerster ergänzt (zitiert nach Baecker, 2005, S. 14). Damit wird Wahrheit im doppelten Sinne relativ, zu einem Konstrukt eines Sprechers und zu einem anderen Konstrukt eines Hörers. Sie ist das jeweilige Produkt einer bestimmten Perspektive und eines bestimmten Diskurses mit seinem spezifischen Unterscheidungsgebrauch. Auch wis-senschaftliche Beobachter sind keine neutralen Beobachter von außen; sie konstruieren nicht nur ihre Forschungsobjekte, sondern sie erzeugen

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Unterscheidungen und Beobachtungen 19

durch ihre Forschungspraxis auch sich selbst als Forschungssubjekte (vgl. Nassehi, 2008, S. 80 f.). Die Systemtheorie trägt dem mit ihrem opera-tiven Konstruktivismus Rechnung. Sie sagt nicht, was in einem ontolo-gischen Sinne wirklich ist, sondern bietet Beschreibungen auf der Basis der Beobachtung zweiter Ordnung. Die Unterscheidungen, mit denen die Theorie arbeitet, sind dabei ebenso kontingent wie die der Praxis; die angefertigten Beschreibungen der Wissenschaft sind ebenso Kons-truktionen wie die der alltäglichen Beobachtung. Aber sie sind anders, und darin besteht ihre Produktivität. Sie verdoppeln die Praxis nicht einfach, sondern liegen auf einer anderen Ebene. Aus einer inkongruen-ten Perspektive beobachtet die Wissenschaft die Praxis; sie sieht anders und sieht dadurch etwas anderes. Sie analysiert Funktionen unabhän-gig von den Einschätzungen der Handelnden und entdeckt möglicher-weise in der Praxis verdeckte Latenzen. Aber genau dadurch entsteht die Möglichkeit, anders zu denken und vielleicht auch anders zu han-deln. Und darin besteht der Sinn des Verfahrens. Die gesellschaftliche Funktion von Wissenschaft besteht nicht darin, überprüfbares Wissen zu produzieren, sondern in einer kontrollierten Form der Ungewissheits-steigerung, die es erlaubt, immer wieder neue Fragen zu stellen, damit neue Probleme sichtbar werden und bearbeitet werden können. Dabei können Formen entstehen, die von den Beobachtungen der alltäglichen Praxis möglicherweise abweichen, die sich aber im wissenschaftlichen Diskurs bewähren, weil sie prognostische Erklärungen anbieten (vgl. Luhmann, 1992, S. 362 ff.).

Die erste, grundlegendste Unterscheidung der Systemtheorie ist die in System und Umwelt. Auch wenn Luhmann (vgl. 1991a, S. 30) an einer Stelle schreibt, dass seine Überlegungen davon ausgehen, dass es Sys-teme gibt, so ist nur gemeint, dass eine Ausgangsontologisierung für den Anfang methodisch nötig ist, um anschließen und weitermachen zu können. Der Anfang ist nicht vorherbestimmt, er entsteht durch die Entscheidung für eine erste Unterscheidung. Man muss also davon ausgehen, dass die dann beschriebenen Systeme, so wie sie beschrieben werden, erst durch diese Beschreibung entstehen – durch die Unter-scheidungen, die die Beobachtungen leiten, und durch die Grenzen, die durch die Bezeichnungen gezogen werden. Die Grenzen der Sys-teme sind Sinngrenzen und entstehen im Denken und im Kommunizie-ren – durch die Systeme selbst, seien es Selbst- oder Fremdbeobachter. Nicht zu verwechseln ist die wissenschaftliche Haltung des operativen Konstruktivismus mit manchen Unterstellungen, die dem sogenannten »radikalen« Konstruktivismus gern gemacht werden. Die Existenz einer »objektiven« Welt wird nicht geleugnet – nur: Wer will sich herausneh-men, ihre »wahre« Beschreibung geliefert zu haben?

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20 Organisation als regelgeleitetes Entscheidungssystem

Der zweite Aspekt von Systemen ist ihre basale Selbstreferenzialität. Sie sind autopoietisch, das heißt, sie reproduzieren sich aus den Elementen, aus denen sie bestehen. Kommunikationen schließen sich in sozialen Sys-temen an Kommunikationen an und Gedanken in psychischen Systemen an Gedanken. Die beiden Systeme arbeiten vollständig überschneidungs-frei; sie sind operativ gegenüber ihren jeweiligen Umwelten geschlossen, auch wenn sie gegenüber diesen energetisch und informativ offen und an diese in spezifischer Weise gekoppelt sind. Denken kommt genauso wenig ohne Kommunikation aus wie ohne Körper, aber auch wenn die Systeme sich wechselseitig voraussetzen, gehen sie doch nicht ineinander über.

Organisationen werden daher als soziale Systeme verstanden, die aus rekursiven Kommunikationen bestehen – allerdings aus spezifischen Kommunikationen, nämlich solchen, die als Entscheidungen beobachtet werden. Von anderen sozialen Systemen, zum Beispiel Warteschlangen an Bushaltestellen, unterscheiden sich Organisationen vor allem durch ihre Formalisierung, die sicherstellt, dass morgen dort weitergemacht werden kann, wo man heute aufgehört hat, und dass nicht Beliebiges passiert, sondern das, was durch Entscheidungen geregelt ist.

1.3 Organisation und Entscheidung

»Ein Organisationssystem existiert nur dadurch, dass es sich von seiner Umwelt unterscheidet« (Luhmann, 2000a, S. 37). Die Differenz von Sys-tem und Umwelt wird also im System selbst produziert. Die Umwelt des Systems ist deshalb die Umwelt des Systems. Das heißt, die Unterschei-dung System/Umwelt kommt im System noch einmal vor, die Umwelt ist eine Konstruktion des Systems und nicht die Umwelt an sich. Die Organisation sieht daher nur, was sie sieht. Was die Organisation über ihre Umwelt sagt, wird auch hier von einem Beobachter gesagt, der die Organisation selbst ist. Die entscheidende Frage ist nun, wie sich die Organisation von ihrer Umwelt unterscheidet. Und die Antwort ist: durch Entscheidung(en).

Wenn die Systemtheorie ihren Gegenstand Organisation nicht onto-logisch definiert, sondern auf der Grundlage ihrer Theorie selbstrefe-renzieller, autopoietischer Systeme, dann muss man logischerweise mit einer zirkulären Definition beginnen: »Eine Organisation ist ein System, dass sich selbst als Organisation erzeugt« (S. 45). Die Autopoiesis wird auf der Ebene der Operationen des Systems realisiert. Oder anders for-muliert: Das System reproduziert sich aus den Elementen, aus denen es besteht. Genau das bedeutet operative Schließung. Die Elemente sind

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bei sozialen Systemen Kommunikationen und bei Organisationen Ent-scheidungen bzw. genauer: kommunizierte Entscheidungen. Operative Schließung bedeutet allerdings nicht, dass Organisationen keinen Kon-takt zu ihrer Umwelt haben. Auch Organisationen sind in die Kom-munikation der gesellschaftlichen Funktionssysteme eingebunden. Sie entscheiden aber autonom darüber, durch welche Kommunikationen sie sich irritieren lassen und welche sie ignorieren können. Die meisten Umweltereignisse werden ohnehin an Organisationen vorbeirauschen, nur für wenige sind sie sensibel. Darüber entscheiden ihre Codierung, ihre (Erwartungs-)Strukturen und die darauf basierende Spezialseman-tik (siehe Kapitel 1.6). Unternehmen übernehmen die Codierung des Wirtschaftssystems (Zahlung/Nichtzahlung), ihre Semantik kristallisiert sich also um Zahlungsfähigkeit. Kirchen übernehmen die Codierung des Religionssystems (Immanenz/Transzendenz), ihre Semantik kreist daher um Glauben. Auch wenn Organisationen in bestimmte gesellschaftliche Funktionssysteme »eingelagert« sind, gibt es trotzdem keinen Input von Information von außen in das System. Eine Organisation kann sich also nur selbst informieren, indem sie sich durch Umweltereignisse irritie-ren lässt und aus diesen eigene Informationen generiert. Auch dies ist eine Entscheidung.

An dieser Stelle sollte man sich klar machen, dass der systemtheo-retische Entscheidungsbegriff sich radikal von der in der Betriebswirt-schaft verbreiteten Theorie des »rational choice« unterscheidet. Ent-scheidungen werden nicht von Menschen als Auswahl der rational besten Alternative gefällt, sondern ergeben sich im organisationalen Kommu-nikationsprozess und dessen Unterscheidungsgebrauch. »Der Gestal-tungsprozeß produziert Ergebnisse, die durch den Selektionsprozeß so interpretiert werden, als ob eine Entscheidung getroffen wäre« (Weick, 1998, S. 278). Das bedeutet, dass die organisationale Kommunikation entscheidungsinterpretiert ist und nicht entscheidungsgeleitet. Alles, was passiert, kann als Entscheidung interpretiert und zwecks Verant-wortungsattribuierung entsprechenden Personen zugerechnet werden. Dabei sind Unentscheidbarkeiten die Voraussetzung für die Möglich-keit des Entscheidens (vgl. Luhmann, 2000a, S. 132). Das heißt, dass nur nichtentscheidbare Situationen entschieden werden können, denn, wenn ohnehin klar ist, wie es weitergeht, braucht es keine Entscheidung (vgl. von Foerster, 1993a, S. 73).

Einerseits transformieren Organisationen also durch Entscheidun-gen Unsicherheiten, die aus beobachteten Umweltereignissen entste-hen, in intern anschlussfähige Sicherheiten. Andererseits werden durch die Mehrdeutigkeiten, die im Prozess des Entscheidens entstehen, neue interne Unsicherheiten erzeugt. Entscheidungen absorbieren und produ-

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zieren also Unsicherheiten zugleich, die dann durch weiteres Entscheiden absorbiert werden müssen, wodurch neue Unsicherheiten entstehen usw. Denn Entscheidungen sind zwar Unterscheidungen, aber solche, die sich in der Form einer Alternative präsentieren, wobei prinzipiell beide Sei-ten der Unterscheidung durch Entscheidung bezeichnet, also ausgewählt werden können. »Entscheidungen können nur kommuniziert werden, wenn auch die abgelehnten Möglichkeiten mit kommuniziert werden, denn anders würde nicht verständlich werden, dass es sich überhaupt um eine Entscheidung handelt« (Luhmann, 2000a, S. 64). Die Seite der Alternative, die nicht gewählt wird, ist deshalb in der Folge auch nicht verschwunden, sondern kann im Systemgedächtnis präsent bleiben und später, wenn es opportun erscheint, wieder hervorgeholt werden – sei es, um jetzt gewählt zu werden, sei es, um als Kritik daran zu fungieren, was man damals hätte anders machen müssen. Das kann dann als Feh-ler dem entscheidenden Personal zugerechnet werden und als Vorwand dienen, sich von diesem zu trennen. Allerdings hat die gewählte Seite der Alternative den Vorzug, dass sie normalerweise dokumentiert wird, sie ist deshalb auf jeden Fall erinnerungs- und anschlussfähig. Die nicht gewählte Seite der Alternative wird gewöhnlich nicht mit dokumentiert, deshalb kann sie dem Systemgedächtnis leichter verloren gehen. Vor der Entscheidung war alles offen, nach der Entscheidung ist diese Offen-heit nicht mehr vorhanden, denn eine Seite der Alternative wurde aus-gewählt. Es ist aber wieder offen, wie es jetzt weitergeht. Die doppelte Kontingenz der Kommunikation ist nicht aufgelöst. Kontingenzen vor der Entscheidung werden nur in andere Kontingenzen nach der Ent-scheidung umgearbeitet. Selbsterzeugte Unsicherheiten sind daher ein genuines Kennzeichen von Organisationen. »Organisationssysteme ver-ändern also nur die Form der Unsicherheit, mit der sie es zu tun haben« (S. 64). Sie existieren in einer Form der Dauerirritabilität und können nicht abschalten.

Entscheidungen werden dirigiert durch Prämissen, die aus früheren Entscheidungen gebildet und, weil sie sich in der Vergangenheit im Entscheiden bewährt haben, zu Programmen verdichtet wurden. Diese Programme regeln dann, wie jetzt in der Gegenwart zu entscheiden ist, das heißt, welche Seite der Alternative gemäß der Codierung einer Organisation richtigerweise anzuwählen ist. Trotzdem sind Entschei-dungen nicht nur selbstreferenziell motiviert, sondern werden durch Umweltereignisse ausgelöst, die im System zu Informationen umge-arbeitet wurden. Entscheidungen kombinieren also immer Selbstreferenz mit Fremdreferenz: Bezugnahme auf interne Entscheidungsprogramme und Motivierung durch externe Entscheidungsanlässe. Da die Umwelt allerdings immer die intern konstruierte Umwelt des Systems ist, ist

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Mitgliedschaft 23

klar, dass die Fremdreferenz auch wieder nur eine besondere Form der Selbstreferenz ist. Dieses komplexe Verfahren schließt Irrtümer natürlich nicht aus, denn ob eine Entscheidung richtig war, lässt sich nur retro-spektiv feststellen und eben auch wieder nur durch eine Entscheidung. »Entscheidungen markieren eine durch sie selbst bewirkte Differenz von Vergangenheit und Zukunft. Sie markieren damit eine Irreversibilität der Zeit« (Luhmann, 2000a, S. 65).

Diese hochabstrakte Definition von Organisation soll nun nicht bedeuten, dass in Organisationen nicht auch anderes vorkommt als Ent-scheidungen. Selbstverständlich gibt es »real assets«, Gebäude, Geräte, Artefakte etc., und selbstverständlich gibt es Körper, die sich bewegen, zum Beispiel Dinge herstellen oder Akten ordnen. Und selbstverständ-lich gibt es Klatsch und informelle Kommunikation, die vielleicht sogar als das bekannte Jammern oder als Mokieren über Führungskräfte Ent-scheidungen kommentieren. Aber ohne Entscheidungen gäbe es auch kein anderes Verhalten in Organisationen, und im Zweifel kann jegliches Verhalten als Entscheidung gewertet werden, wenn es zu Problemen kommt und Konsequenzen gezogen werden sollen. Für die theoretische Definition von Organisation ist daher von Bedeutung, dass Handlungen oder Sachen als Resultat von Entscheidungen betrachtet werden können. »Alles, was überhaupt geschieht, geschieht als Kommunikation von Ent-scheidungen oder im Hinblick darauf« (S. 68). Und alles, was nicht als Entscheidung beobachtet werden kann, gehört nicht zur Organisation im strengen theoretischen Sinne. Deshalb bilden auch nur Entscheidungen die Elemente der operativ geschlossenen Organisation, denn ein auto-poietisches System reproduziert sich nur aus den Elementen, aus denen es besteht, und nicht aus etwas Zusätzlichem. Es kann immer nur ein grundlegendes Element in Systemen geben, das im Entstehen wieder ver-geht und durch Fortführung der Autopoiesis erneuert wird, und das ist bei Organisationen die Entscheidung. Wenn eine Organisation aufhört zu entscheiden, hört sie auf zu existieren.

1.4 Mitgliedschaft

»Alle Entscheidungen des Systems lassen sich mithin auf Entscheidungen des Systems zurückführen. Das setzt voraus, dass auch die Gründung einer Organisation und auch die Übernahme von Mitgliedschaften als Entscheidung beschrieben wird« (Luhmann, 2000a, S. 63). Organisatio-nen brauchen Personal, dies finden sie in ihrer Umwelt in Form massen-haft vorhandener Menschen. Entscheidungsbasiert werden ausgewählte

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24 Organisation als regelgeleitetes Entscheidungssystem

Individuen unter bestimmten Voraussetzungen als Mitglieder in die Organisation inkludiert. Der hier greifende Mechanismus der struktu-rellen Kopplung von sozialen und psychischen Systemen wird später (in Kapitel 3.2) erläutert. An dieser Stelle interessiert der Sachverhalt, dass nicht einfach Menschen mit Körpern, Psychen, Interessen, Motiven, Vor-lieben, Abneigungen etc. in Organisationen integriert werden, sondern dass diese überkomplexen Mehrfachsysteme zu Mitgliedschaftsrollen simplifiziert werden.

Qua Entscheidung, die im Wirtschaftssystem die Form eines Arbeits-vertrages hat, unterstellen sich Individuen der Logik und den Regeln einer Organisation. Dafür müssen sie von den meisten Seiten ihrer kom-plexen Persönlichkeit abstrahieren. Es ist nicht von Bedeutung, ob sie Vater oder Mutter, Kegelbruder oder Betschwester, Fleischesser oder Vegetarierin sind. Die Organisation hat nur an einem kleinen Ausschnitt ihres vielfältigen Menschseins Interesse, der sich aus der gesellschaftli-chen Aufgabe und den Entscheidungsnotwendigkeiten der Organisation herleitet. Als Mitglied einer Organisation muss sich ein Individuum verpflichten, fremddefinierten Anforderungen zu entsprechen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob man diese mit seinen persönlichen Moti-ven vereinbaren kann. Ist dies möglich, dann ist es vielleicht erfreulich und für die Beteiligten motivierend, aber notwendig für die Organisa-tion ist es nicht. Kann und will man den geforderten Verhaltensweisen nicht folgen, dann muss man die Organisation verlassen. »Als Mitglied muss man es vermeiden, sich durch sich selbst stören zu lassen« (Luh-mann, 2000a, S. 85). Als Mensch mag ein Individuum vielfältige Motive und Einstellungen haben, die es veranlassen, in bestimmter Weise zu handeln; als Mitglied einer Organisation muss es den diesbezüglichen Erwartungen entsprechen. Hier sind definierte Stellen auszufüllen, die über Anforderungsprofile als »Abweichungsdetektoren« (Fuchs, 2010a, S. 184) wirken. Der Spielraum ist begrenzt. Man muss ihn einhalten oder darf sich nicht erwischen lassen.

Es mag in unterschiedlichen Organisationen unterschiedlich große Toleranzspielräume geben. Möglicherweise duldet ein Kegelverein grö-ßere Abweichungen als eine Bank. Aber vielleicht ist auch dies eine Illu-sion, weil nur die Sanktionsmechanismen andere, verstecktere sind. Auf jeden Fall muss sich ein Individuum als Organisationsmitglied darauf einstellen, im Zweifel gegen eigene Motive handeln zu müssen. Die Organisation hilft hier aus, indem sie Indifferenzzonen bereitstellt, in denen das Organisationsmitglied für Entscheidungen keine persönliche Verantwortung übernehmen muss. Man mag es als Mensch bedauern, den Antrag auf Wohngeld ablehnen zu müssen, die Programmierung der Organisation macht keine andere Entscheidung möglich.

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Mitgliedschaft 25

Ein gewisses Entgegenkommen der Organisation gegenüber den Bedürfnissen ihrer Mitglieder nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance oder einer auch subjektiv befriedigenden Arbeit mag dem viel beschworenen Wertewandel oder dem Fachkräftemangel geschuldet sein. Auch wird von Arbeitnehmern heute mehr erwartet, als die Erfüllung von Mindestanforderungen. Organisationen erwarten Identifikation und Loyalität, Engagement für die Sache und erhöhten Einsatz. Sie bieten dafür Anreize in Form von Geld, Karriere oder anderen Gratifikationen. Es mag einen äußeren Formwandel im Verhältnis der Organisation zu ihren Mitgliedern geben; das grundlegende Prinzip der Unterscheidung zwischen Menschsein in der Umwelt und Mitgliedsein in der Organisa-tion ist davon nicht betroffen. Dennoch ist die Integration der Mitglieder in die Logik der Organisation von großer Bedeutung. Der wichtigste Mechanismus der strukturellen Kopplung ist hier nach wie vor die Kar-riere (vgl. Luhmann, 2000a, S. 101 ff.). Sie bietet Individuen und Organi-sationen die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Entscheidungen zurecht-zukommen, sie sogar zu nutzen. Organisationale Karriereangebote und individuelle Karriereorientierungen setzen voraus, dass die Personen sich nicht zu sehr mit bestimmten Zielen und Projekten identifizieren, sondern in den wechselnden Neuorientierungen der Organisation ent-stehende Chancen im eigenen Interesse nutzen.

Unerlässlich ist auf jeden Fall, dass die Organisation Teilnahmemo-tive bei ihren Mitgliedern unterstellen muss. Hier setzt die Partizipa-tionsdebatte der Organisationswissenschaft an (Schunter u. Zech, 2013). Partizipation wird gemeinhin definiert als aktive Teilhabe von Menschen an all den gesellschaftlichen Prozessen, die ihr Leben betreffen. Bezogen auf Organisationen sieht man darin ein wichtiges Strukturprinzip, das flache Hierarchien begünstigt und die aktive Teilhabe von Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern an organisationalen Steuerungs- und Entschei-dungsprozessen unterstützt. Partizipation wird deshalb auch als eine wichtige Voraussetzung für organisationale Lernprozesse verstanden und generell positiv gewertet.

Wenn man nicht moralisch bzw. normativ an die Frage des Zusam-menhangs von Organisation und Partizipation herangeht, sondern aus der Perspektive der Organisation nach der Funktion fragt, die Beteili-gung für die Organisation hat, dann wird man auch auf problematische Seiten aufmerksam. Zunächst gibt es ein theoretisches Problem. Luh-mann weist darauf hin, dass Partizipation nichts anderes bedeutet als »Teil eines Ganzen sein« (Luhmann, 1987, S. 153), und fragt deshalb, wie Individuen, mit Körper und Seele, mit Organismus und Bewusstsein, Teil einer Organisation, also eines Kommunikationssystems, sein können. Als praktisches Problem taucht auf, dass Partizipation zu zusätzlichem

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