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Nummer 3 13. Oktober 2014 37. Jahrgang PVSt. DPAG H 2630 Entgelt bezahlt Mein Handy erledigt das Ein Filter für das Internet-Zeitalter Von Studis für Studis Kunstvermittlung im Fridericianum Gerettet, vergessen, wiederentdeckt Die Privatbibliothek eines Rabbiners KASSEL

KASSEL · 4 5 publik 03 / 14 | Forschung Stressfaktor Multitasking 2012 identifizierte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in ihrem „Stressreport“ verschiedene

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Nummer 313 . Oktober 201437 . Jahrgang

PVSt . DPAGH 2630Entge l t bezah l t

Mein Handy erledigt das

E in F i l te r fü r das In te rnet -Ze i ta l te r

Von Studis für Studis

Kunstvermi t t lung im F r ider ic ianum

Gerettet, vergessen, wiederentdeckt

Die P r i va tb ib l io thek e ines Rabb iners

K A S S E L

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M it dem LOEWE-Programm hat Hessen eine wichtige Initi-ative entwickelt, Grundlagen-

forschung und anwendungsorientierte wissenschaftliche Projekte zu fördern. Mit inzwischen sechs im Wettbewerb federführend eingeworbenen LOEWE-Schwerpunkten ist es der Universität Kassel gelungen, sich interessante Optionen zur weiteren Profilierung im Wissenschaftssystem zu erschlie-ßen. Für die Universität Kassel als Hochschule mit einem brei-ten Fächerspektrum ist dabei von besonderer Bedeutung, dass die Kooperationen der Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler die Grenzen der Fächer überschreiten. Die Gutach-ter gewannen die Überzeugung, dass sowohl die disziplinäre Exzellenz als auch die aus der interdisziplinären Zusammen-arbeit zu erwartenden Forschungsergebnisse die umfangreiche Förderung rechtfertigen. Für unsere Universität ist das ein wichtiges Signal, denn trotz vieler öffentlicher Diskussionen und Beiträge in den Medien zur Bedeutung der inter- und transdisziplinären Forschung haben es derartige Forschungsanträge im Begut-achtungsprozess eher schwer. Dabei lassen sich die wissen-schaftlichen Fragestellungen zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen nur fächerübergreifend beantworten. Ich möchte hier nur beispielhaft den nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen und die in immer mehr Berei-che vordringende Informationstechnik nennen. Es ist sicherlich spekulativ, Gründe für die Hürden für fächerübergreifende Forschung zu nennen. Allerdings ist es schon nicht einfach, unter den Antragstellern ein gemein-sames Verständnis und eine gemeinsame Sprache zu finden, wenn Forscherinnen und Forscher aus den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften mit Kolleginnen und Kollegen aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften zusammenarbeiten. Für ein Gutachtergremium, das sich bisher typischerweise aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit einem jeweils disziplinären Hintergrund zusammensetzt, dürfte es umso schwerer sein, eine angemessene Bewertung vorzunehmen, wenn interdisziplinär angelegte Themen im Wettbewerb mit disziplinären Forschungsfragen stehen. Es ist daher ein besonderer Erfolg, dass mit den neuen LOEWE-Schwerpunkten „Social Link“ und „Tier-Mensch-Gesellschaft“ an der Universität Kassel in den kommenden Jahren wichtige interdisziplinäre Forschungsfragen untersucht werden. Damit lassen sich gleichzeitig die Grundlagen schaf-fen, um langfristige, institutionelle Förderungen zu etablieren, wie sie die Sonderforschungsbereiche der DFG darstellen.

Prof. Dr. Martin LawerenzVizepräsident der Universität Kassel

Das sind wir:

Bei WINGAS ist keine Aufgabe wie die andere. Das mögen wir, und das treibt uns an. Flexibilität, Kreativität und der Mut, Neues auszuprobieren, sind die Basis unseres Denkens und Handelns – frei nach dem Motto: Gemeinsam mehr Energie. Werden Sie Teil unseres jungen Teams und unseres europäisch ausgerichteten Handelsunternehmens, bei dem sich alles um Erdgas dreht.

Wir suchen:

Studentische AushilfenDas müssten Sie mitbringen:

Das würden Sie tun:

Studium der Wirtschaftswissenschaften, des Wirtschaftsingenieurwesens,BWL/VWL, Wirtschaftsinformatik oder Energiewirtschaft

einen sicheren Umgang mit der PC-Standard-Software (Datenbanken wünschenswert)

kaufmännische Grundkenntnisse

gute Englischkenntnisse

Kommunikations- und Teamfähigkeit,

eine schnelle Auffassungsgabe und Kreativität

Interesse an der Gaswirtschaft

Aufbereitung von Datenmaterial

Zusammenstellen und Aktualisierung von Vertragsdaten

Aufbau und Pflege von Datenbanksystemen

Erstellung von Präsentationscharts

Sonderprojekte

Haben Sie Fragen? Bitte melden Sie sich bei Frau Katja Uthof, Tel.: 0561 301-2373.

Oder schicken Sie doch gleich Ihre Bewerbung an:WINGAS GmbH · Personal/GGA · Frau Katja UthofFriedrich-Ebert-Straße 160 · 34119 Kassel

Oder per E-Mail an: [email protected] (max. 2 MB)

Editorial Inhalt

03 Editorial 03 Impressum30 Mein 1. Semester

FORSCHUNG

04 Immer online? | Ein Kasseler Forschungsteam entwickelt Regeln für das Kommunikations-Zeitalter 10 Begeisterung für Forschung und Lehre | Warum sich junge Leute für die Wissenschaft entscheiden12 „Wir wissen viel und tun wenig“ | Prof. Dr. Heinz Bude über eine Gesellschaft der Angst

CAMPUS

14 Von Studis für Studis | Führungen im Fridericianum16 Willkommen in Kassel! | Unsere Grafikerin begrüßt alle Erstsemester18 Gerettet, vergessen, wiederentdeckt | Die Privat- bibliothek eines Kasseler Rabbiners20 Duales Studium | Abwechselnd ins Unternehmen und an die Uni

TRANSFER

22 Bio Bellis | Naturkosmetik aus Witzenhausen24 Hühner auf Achse | Eine Uni-Ausgründung erleichtert artgerechte Haltung

INTERNATIONAL

26 Neu an der Uni | Das Welcome Centre

MENSCHEN

28 Neue Professorinnen und Professoren

Impressum

Verlag und Herausgeber: Universität Kassel, Kommunikation, Presse-

und Öffentlichkeitsarbeit

Redaktion: Sebastian Mense (verantwortlich), Beate Hentschel,

Simone Schmid, Nana Nkrumah | Mönchebergstr. 19, 34109 Kassel |

[email protected]

Gestaltung: formkonfekt | Karen Marschinke | Kassel

Titelbild: Das Titelbild stammt ebenso wie die Illustration auf der

Doppelseite 16/17 von Ilknur Kocer (Foto: fotolia). Die Grafikerin

studiert an der Kunsthochschule Kassel.

Druck: Druck- u. Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH | Kassel-Waldau

Anzeigen: Thiele & Schwarz, Helmut Wiegand | Tel. (0561) 95925-0 |

www.thiele-schwarz.de

Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht unbedingt mit der

Auffassung der Redaktion überein.

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Stressfaktor Multitasking

2012 identifizierte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in ihrem „Stressreport“ verschiedene Belastungsquellen.

Danach - erledigten 58 Prozent der Beschäftigten immer wieder gleichzeitig verschiedene Arbeitsaufgaben wie Telefonieren, Lesen und Schreiben - wurden 44 Prozent in ihrer Arbeit häufig unterbrochen - waren 18 Prozent außerhalb der Arbeitszeit per Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft erreichbar

publik 03 / 14 | Forschung

Checken Sie in Ihrer Freizeit regelmäßig dienstliche E-Mails?

Ja, ich schaue immer mal wieder zwi-schendurch oder abends nach, ob wich-tige Nachrichten angekommen sind.

Stresst Sie das?

Nein. Ich finde es gut und für meine Arbeit sehr effektiv, wenn ich flexibel auf Nachrichten reagieren kann. Als Profes-sor brenne ich für meinen Beruf. Da ist es für mich schon eine Herausforderung, abzuschalten und mir ausreichend Zeit für die Familie, für Freizeit und Hobbys zu nehmen.

Sie können sich Ihre Arbeit weit-gehend selbst einteilen. Die meisten Menschen, die in ihrer Freizeit „always online“ sind, sind es, weil der Chef Druck macht.

Richtig. Und E-Mails sind auch nur ein Teil des Problems. Das Arbeitsleben hat sich in den letzten Jahrzehnten grund-legend verändert: Früher waren Privat- und Berufsleben zeitlich und räumlich klar getrennt. Heute brauchen wir nicht ins Büro zu gehen, um effizient zu arbei-ten: Mit Tablet, Laptop und Smartphone kann man problemlos von zuhause oder von unterwegs auf die Daten banken der Firma zugreifen, seinen Terminkalender

einsehen, neue Termine planen, Bespre-chungsprotokolle abrufen und ähnli-ches. Da eine Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu setzen, ist viel schwieri-ger geworden.

Die Arbeit ist flexibler geworden. Welche Vorteile hat das für Berufstätige?

Wir untersuchen im Projekt schwer-punktmäßig die Wissensarbeiter – also Menschen, die geistig arbeiten. Für diese hat eine Flexibilisierung viele Vorteile, weil sie jederzeit arbeiten können, wenn sie kreativ sind. Sie können sich ihren Tag selbst einteilen: Ich kann beispiels-

„DAS HANDy KANN ZUM SEKRETäR UND

F ILTER WERDEN“INTERVIEW Nana NkrumahPORTRäTS Paavo Blåfield

Ständige Erreichbarkeit und Multitasking gehören zu den Hauptursachen von Stress und Burn-out. Der LOEWE-Schwerpunkt „Social Link“ entwickelt Kommunikationsregeln und -technik für das Internetzeitalter, um die Vorteile neuer Technologien zu nutzen und die Belastungen zu vermeiden. Prof. Dr.-Ing. Klaus David spricht über die Folgen des „always online“, Anrufe beim Abendbrot und darüber, wie das Handy zur Entlastung beitragen kann.

Prof. Dr.-Ing. Klaus David ist Sprecher des LOEWE-Projekts „Social Link“.

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weitergegeben, ohne dass ich etwas tun muss. Ein Beispiel: Ich sitze in der Stra-ßenbahn, fahre zum Meeting und ver-späte mich. In dieser Situation bin ich eh schon gestresst. Da kann es helfen, wenn das Handy automatisch meine Kollegen per SMS informiert, dass ich auf dem Weg bin und in fünf Minuten eintreffe. Das funktioniert über spezielle Senso-ren im Handy, welche die GPS-Koor-dinaten meines Standorts oder meine Beschleunigung erkennen. Mit solchen technischen Hilfen ließe sich auch die Grenze zur Freizeit besser ziehen: Das Handy meldet dem Anrufer zurück, dass ich mich in der Freizeit befinde, wenn ich beispielsweise am Abendbrot-Tisch

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weise morgens joggen gehen und die versäumte Arbeitszeit abends nachho-len. Wer Kinder betreut oder Angehörige pflegt, profitiert ebenso von einer freieren Zeiteinteilung. Auch Teamarbeit wird effizienter, wenn die Kollegen außerhalb des Büros erreichbar sind, weil Abstim-mungsprozesse viel schneller laufen.

Freie Zeiteinteilung, effizientere Teamarbeit, das klingt gut. Doch welche Nachteile bringt die Überlagerung von Arbeit und Freizeit mit sich?

Die Gefahr ist, dass man nur noch arbei-tet, es nicht mehr schafft abzuschalten. Wer am Abend unerfreuliche E-Mails aus dem Büro liest, bringt sich um den Schlaf und macht sich stattdessen Sor-gen. Das ist natürlich nicht förderlich für die Gesundheit. Allerdings gibt es auch Unterschiede, wann ein Anruf in der Freizeit nervt und wann nicht: Bin ich gerade auf dem Nachhauseweg, kann es als positiv empfunden werden, wenn der Chef anruft, um noch Dinge zu klären. Sitze ich zuhause am Abendbrottisch, stört mich sein Anruf sehr, weil ich aus der privaten Atmosphäre heraus mental

wieder in die Arbeitswelt zurückgeholt werde.

Sind die gesundheitlichen Schäden nachweisbar?

Die kommunikative Überlastung kann zu Burn-out führen. Der Stressreport 2012 des Bundesministeriums für Arbeit hat errechnet, dass mit dieser Diagnose insgesamt 53 Millionen Krankheitstage verbucht wurden, die Behandlungskos-ten dafür betragen 20 Milliarden Euro. Zum Burn-out tragen Faktoren wie die ständige Erreichbarkeit in der Freizeit oder die Überlagerung von Arbeits-welt und Privatleben mit Sicherheit bei. Aber auch die Überlastung durch Multi-tasking am Arbeitsplatz – wenn durch ständig eintreffende E-Mails, Telefon-klingeln und aufpoppende Fenster auf dem Bildschirm der Arbeitsfluss immer wieder unterbrochen wird.

Multitasking ist in vielen Büros Stressfaktor Nummer 1. Ist derjenige, der parallel Aufgaben erledigt oder gleichzeitig über verschiedene Kanäle kommuniziert, letztendlich produktiver?

Nein, oft eben nicht. Jeder Mensch hat – um produktiv zu arbeiten – nur eine endliche Aufmerksamkeit pro Tag. Tut man Dinge parallel, wird diese schnel-ler verbraucht. Man schafft letztendlich nicht mehr. Was wirklich hilft, ist, wenn man Aufgaben erledigen kann, ohne Aufmerksamkeit aufzuwenden – durch „implizite Kommunikation“.

Was heißt „implizite Kommunikation“?

Es handelt sich um einen Ansatz, den wir im Projekt erforschen und als tech-nische Innovation auf Smartphones realisieren wollen. Implizite Kommuni-kation ermöglicht durch automatische Auswertung von Sensorwerten eine automatisierte Kommunikation. Man kann sie so gestalten, dass der Mensch keine Aufmerksamkeit zum Senden von Informationen benötigt. Dazu erfor-schen wir geeignete Kommunikations-mechanismen wie Peer-to-Peer oder Algorithmen der künstlichen Intelli-genz und des maschinellen Lernens, um Information und Situationen automa-tisch erschließen zu können. Diese wich-tigen Informationen über mich werden

So schützen Arbeitgeber ihre Beschäftigten: Beispiele aus der Autoindustrie

Volkswagen

Eine Stunde nach Dienstschluss stellt der E-Mail-Server keine Post mehr zu. Selbst Übereifrige sind somit davor geschützt, am Feierabend, am Wochen-ende oder im Urlaub dienstliche Mails zu bearbeiten.

Daimler

E-Mails, die während der Urlaubszeit eines Beschäf-tigten eintreffen, werden automatisch gelöscht. Der Absender erhält eine Notiz, dass die E-Mail vernich-tet wurde.

BMW

Beschäftigte können sich nach Absprache ein flexi-bles Arbeitszeitkonto einrichten. Wer in der Freizeit Dienstliches erledigt, beispielsweise E-Mails liest, bekommt diese Zeit angerechnet.

sitze, und blockiert den Anruf automa-tisch. Das Handy kann so quasi zu mei-nem Filter und Sekretär werden.

Ein Handy, das dem Anrufer auto-matisch meldet, was ich gerade mache. Das ist praktisch, aber auch gefährlich für die Privatsphäre?

Datenschutz und Privatsphäre spielen eine zentrale Rolle in unserem Projekt. Deshalb gehören Juristen zu unserem interdisziplinären Team, die sich damit beschäftigen, wie mit vertraulichen Informationen umgegangen werden muss, damit die Privatsphäre geschützt bleibt. Zusätzlich beleuchtet ein Exper-

tenteam aus dem Bereich Datenprivacy, wie diese Informationen technisch sicher kommuniziert werden können, damit Dritten der Zugriff verwehrt bleibt.

Welche weiteren Fachrichtungen sind neben Rechtsexperten und Daten schützern im Projekt beteiligt?

Psychologen im Projekt sind wich-tig zur genauen Bewertung, wie hilf-reich die entwickelten Lösungen für die Nutzer sind. Darüber hinaus haben wir Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler mit dem Schwerpunktthema Work-Life-Balance im Team. Diese benötigen wir, um unsere Ideen auf die

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LOEWE-Schwerpunkt „Social Link“

Das Projekt „Social Link“ erhält als LOEWE-Schwerpunkt rund 4,1 Millionen Euro Fördergelder des Landes Hessen. Gestartet ist es zum 1. Januar 2014 und läuft für zunächst drei Jahre. Die Sprecherrolle im Projekt „Always Online“ liegt bei Prof. Dr. Klaus David, Leiter des Fachgebietes Kommunikationstechnik der Uni Kassel.

Das LOEWE-Programm ist eine Initiative des Landes Hessen zur Förderung wissenschaftlich-ökonomischer Ex-zellenz. Inzwischen sind an der Uni Kassel sechs LOEWE-Schwerpunkte mit Federführungen in Kassel bewilligt worden. An „Social Link“ sind neben dem Fachgebiet von Prof. David beteiligt: Prof. Dr. Ralf Steinmetz und Dr. Doreen Böhnstedt (Multimedia-Kommunikation, TU Darmstadt); Prof. Dr. Alexander Roßnagel und Dr. jur. Silke Jandt (Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Uni Kassel); Prof. Dr. Sandra Ohly (Wirtschafts-psychologie, Kassel); Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg (Marketing und Personalmanagement, Darmstadt); Prof. Dr. Arno Wacker (Angewandte Informationssicherheit, Kassel).

Lebenswirklichkeit von Beschäftigten abzustimmen und betriebliche Abläufe zu verstehen. Neben Expertinnen und Experten der Kommunikationstechno-logie sind außerdem Informatikerinnen und Informatiker dabei: Sie entwickeln Algorithmen zur Kommunikation, zur technischen Sicherstellung der Privat-sphäre und dafür, dass das Handy Standort und Kontext, in dem ich mich befinde, richtig einzuschätzen lernt.

Was ist das Ziel des Projekts? Das Ziel ist, ein neues Kommunikations-paradigma zu entwickeln: Ein Konzept für Technik, Kultur und Regeln selbstbe-stimmter und abgestimmter Kommuni-kation. Dazu gehört neben technischen und juristischen Fragen eben auch eine bestimmte Kultur in Unternehmen.

Wenn wir technisch realisieren können, dass mein Handy in der Freizeit Anrufe und E-Mails vom Chef blockiert, brau-chen wir gleichzeitig Arbeitgeber, die respektieren, dass sie die Angestellten in der Freizeit nur im Notfall stören sollten.

Mit Innovationen wie dem automa-tischen E-Mail-Filter schützen Sie Beschäftigte vor der Überforderung durch den Chef. Aber auch vor sich selbst, nicht wahr? Arbeitswütige werden gehindert, in ihrer Freizeit weiterzuarbeiten.

Der Selbstschutz spielt eine wichtige Rolle. Viele Burn-Out-Patienten sind ja gerade besonders engagierte Arbeitneh-mer, die alles gut machen wollen und deshalb in die Spirale der Überforde-rung geraten. Unser Ziel ist aber nicht, alles abzublocken und zurück zur strik-

ten Trennung von Arbeit und Freizeit zu gelangen. Die Vorteile des „always online“ sollen auf jeden Fall erhalten bleiben – wie die flexible Einteilung der Arbeitszeit und eine verbesserte Arbeits-effizienz.

Wie viel Freizeit ist denn notwendig für eine gute Work-Life-Balance?

Das ist individuell für jede Person unter-schiedlich, aber auch situationsbedingt – je nachdem wie hoch die Arbeitsbe-lastung zu einer bestimmten Zeit ist. Wenn ich beispielsweise kurz vor dem Abschluss eines anstrengenden Projekts stehe, macht es durchaus Sinn, wenn ich quasi rund um die Uhr arbeite, um die Arbeit noch erfolgreich zu Ende zu führen. Danach sollte ich dann zum Ausgleich eine Erholungsphase ein-legen. Verschiedene Mitarbeiter eines

© Fathema Murtaza

Unsere Teams sind in mehr als 60 Ländern im Einsatz. Werden Sie ein Teil davon und lernen Sie humanitäre Hilfe auf höchstem Niveau kennen. Bewerben Sie sich online: www.aerzte-ohne-grenzen.de/mitarbeiten

Wir suchen qualifizierte Mediziner, techniker und adMinistratoren (M/W), die sich Weiter entWickeln Möchten und Mit uns WeltWeite nothilfe leisten.

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Teams können sich parallel in unter-schiedlichen Arbeitsphasen befinden. Die Arbeitszeiten der jeweiligen Perso-nen flexibel daran anzupassen, kann eine sinnvolle Maßnahme sein – das wollen wir in unserem Kommunikationspara-digma auch berücksichtigen.

Welches Umdenken wünschen Sie sich von Arbeitgebern in der Zukunft?

Die Kultur der Rücksichtnahme wird immer wichtiger. Arbeitgeber müssen sich bewusst sein, dass die Angestellten auch viele private Bedürfnisse haben. Ihnen diese zuzugestehen, hat wiede-rum Vorteile für den Arbeitgeber: Die

Beschäftigten sind dauerhaft motivier-ter, wenn sie das Gefühl haben, dass sie Privates und Berufliches gut unter einen Hut kriegen. Auch hilft es, hochqualifi-zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.

Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre For-schungsergebnisse in die Praxis ein-fließen?

Die Studien innerhalb des Projekts füh-ren wir in Unternehmen durch. Die-sen bieten wir an, sie anschließend auf Basis der Ergebnisse zu beraten. Auch bei der Entwicklung von kontextsensi-tiven Handyanwendungen sowie in der

Grundlagenforschung arbeiten wir mit Kooperationspartnern zusammen. Dazu gehört beispielsweise ngmn (next generation mobile networks) – eine Initiative globaler Netzbetreiber: Das sind genau diejenigen Unterneh-men, die technische Innovationen mit unterstützen, die wir anregen.

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Paul Reszke (31), Institut für Germanistik

„Meine Begeisterung für den Unterricht war der Haupt-grund. Erst wenn man die Phänomene, mit denen man sich selbst beschäftigt, den Studierenden erklären kann, bekommt man die Gewissheit, dass man sie richtig erfasst hat. Die permanente Interaktion mit Menschen, Studie-renden und anderen Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftlern ist eine wechselseitige Inspiration und Bereiche-rung. Ich habe Germanistik, Philosophie und Psychologie studiert, weil ich wissen wollte, was Menschen ausmacht. Die Beschäftigung mit Sprache und zwischenmenschlicher Kommunikation fasziniert mich am meisten: Menschen

TEXT und FOTOS Aleksandra Czajkowska

publik 03 / 14 | Forschung

AUS BEGE ISTERUNG FÜR D IE W ISSENSCHAFT

publik 03 / 14 | Forschung

Begeisterung fürs Fach, Freude an Wissensvermittlung, die Möglichkeit, neue Forschungsmethoden zu entdecken: Es gibt viele Gründe, weshalb sich junge Menschen heute für den Weg der Wissenschaft entscheiden, obwohl er nicht immer der leichteste sein mag. „publik“ hat drei junge Wissenschaftler gefragt, was für ihre Entscheidung ausschlaggebend war.

Bettina Schröder (27), Institut für Baustatik und Baudynamik

„Schon als kleines Mädchen habe ich meinem Vater beim Rumschrauben am Motorrad assistiert und ihm das Werk-zeug gereicht. Jetzt bearbeite ich die Materie auf der theo-retischen Ebene. Seit 2012 forsche ich an der „Numerischen Umsetzung von Materialmodellen der finiten Thermoplas-tizität und Thermoviskoplastizität mit höhergenauen Zeit-integrationsverfahren“. Im Bereich der Numerik beschreibt man Probleme, z. B. verbleibende Materialverformungen, mit mathematischen Gleichungen und versucht sie dann computerorientiert zu lösen. Dies kann man mit konventio-nellen Methoden tun; ich versuche, eine neue zu entwickeln. Warum ich nach meinem dualen Maschinenbaustudium in die Wissenschaft gegangen bin? In der Industrie arbeitet man häufig mit etablierten Verfahren, selbst als Berechner. An der Uni habe ich die Freiheit zur Entfaltung, kann neue Denk-wege gehen, nach ungewöhnlichen Lösungen suchen. Natür-lich gibt es zwischenzeitlich Durststrecken, in denen einfach nichts funktioniert und man sich die Frage stellt: Warum mache ich dies alles überhaupt? Aber danach kommen Mo-mente mit gutem, motivierendem Feedback und zahlrei-chen neuen Ideen, und das spornt zum Weitermachen an.“

Martin Böhnert (36), Institut für Philosophie

„Die vielen inhaltlichen Freiräume, die ich in meiner Arbeit genieße, sind ein Luxus, der in dieser Form nur an einer Universität zu finden ist. Ich kann zwar nur von unserem Institut oder vielmehr von meinem Betreuer Prof. Dr. Dr. Kristian Köchy sprechen, aber hier kann ich mit noch so einem ungewöhnlichen Thema kommen, es wird immer mit Interesse angenommen. In der wissenschaftlichen Be-schäftigung, aber auch in der Lehrtätigkeit kann ich zu hundert Prozent meinen Forschungsinteressen nachgehen. In meiner Dissertation geht es beispielsweise um die Kogni-tion von Tieren und ihre unterschiedlichen Erfassungsmo-delle in den Geistes- und Naturwissenschaften. Ich finde es unendlich spannend, mir neue Themen zu erarbeiten und mich mit teilweise 2.500 Jahre alten Gedanken zu befassen und dabei immer wieder etwas Neues für die Gegenwart zu entdecken. Die Beschäftigung mit genuin philosophi-schen Themen wäre in keinem anderen Job möglich, denn als Philosoph arbeitet man in späteren Berufsfeldern immer fachfremd. Wichtig ist auch die Lehrtätigkeit: Wenn man ein Seminar hält, ist man derjenige, der am meisten lernt.“

machen mithilfe von Sprache Phänomene der Welt für sich fassbar, auch diejenigen mit dem Etikett ‚unerklärlich’. Durch das Sprechen über die Dinge und Sachverhalte der Welt erzeugen wir ihre Bilder. Selbst wenn man sagt, man kann über etwas nicht reden, hat man schon etwas gesagt, etwas beschlossen und gemacht mit jener Sache, die vermeintlich mit Worten nicht zu fassen ist. Dies ist auch der Grund, weshalb ich zum Thema ‚Der Schulamo-klaufdiskurs als Spiegel sprachlicher Wissens dynamiken einer modernen Mediengesellschaft‘ promoviere.“

Paul Reszke fasziniert Sprache und allgemein die zwischenmenschliche Kommunikation.

Bettina Schröder sucht ungewöhnliche Wege in der Technik.

Martin Böhnert schätzt die Auseinandersetzung mit 2.500 Jahren

Ideengeschichte.

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Herr Professor Bude, wir erfahren Angst als individuelles Gefühl – wie äußert sich Angst als kollektiver Zustand?

Als Soziologe kann ich das individu-elle Angsterleben nicht untersuchen. Aber ich kann feststellen, welche Ängs-te Gesprächsthema sind. Eine Angst, die das Intimleben betrifft, ist die Bezie-hungsangst; eine Angst, die das Ganze betrifft, die Währungsangst. Bei beiden geht es darum, auf was eigentlich noch Verlass ist.

Haben Sie selber zuletzt solche kollektiven ängste gespürt?

Ich war am 15. September 2008 zufällig in New York und bekam die Pleite von Lehman Brothers sozusagen hautnah mit. Mir war schlagartig klar, dass in diesem Moment ein ganzes Sys-tem, das wir Finanzkapitalismus nen-nen, auf Messers Schneide stand. Ich kam zwei Tage später nach Deutsch-land zurück und musste zur Kenntnis nehmen, dass das Privatleben von Horst Seehofer das Thema der Stunde war. Das machte mir Angst.

Was zeichnet die ängste unserer Gesellschaft aus?

Sie lassen sich auf zwei wesentliche Ele-mente zurückführen. Da ist zum einen die Angst vor der Kündbarkeit aller sozi-alen Beziehungen. Selbst die Liebe hilft dagegen nicht. Im Gegenteil: Fast die

Hälfte aller Ehen wird geschieden. Da ist es fast folgerichtig, dass eine latente Angst herrscht, am Ende alleine dazu-stehen. Die zweite Quelle der Angst hängt mit der Undurchsichtigkeit des fragilen Gefüges unserer Gesellschaft zusam-men. Der Euro, die globalen Kapitalströ-me, das Internet – wir machen mit, wir ahnen, dass die Mathematik des Risiko-managements auf einigen wackligen Annahmen beruht und machen trotz-dem weiter. Weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. Das macht Angst.

Bleiben wir beim Internet: Jeder weiß inzwischen um die Ge fahren, kaum einer ändert sein Nutzungs-verhalten. Ziehen wir weniger Konsequenzen aus unseren ängs-ten als frühere Generationen?

Es gibt tatsächlich ein Missverhältnis zwischen Gefühl und Handlung. Wir wissen viel und tun wenig. Dadurch wird die Angst zu einer Stimmung der Bedrohung, die uns wie ein leises Rie-seln begleitet. Das riechen die Angst-unternehmer, die die diffuse Stimmung aufgreifen und uns einen Sündenbock für die ganze Misere vor die Füße wer-fen. Ich will nichts herbeireden. Die überwältigende Mehrheit vertraut einer Amtsinhaberin, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie wie alle anderen auch nur

auf Sicht fliegt. Die bange Frage lautet, wie lange das gut geht. In Deutschland befinden wir uns, was die wirtschaftliche Lage, die soziale Kohäsion und die poli-tische Steuerung betrifft, auf der Insel der Seligen. Trotzdem gibt es in weiten Teilen der Mittelschicht einen heimat-losen Anti-Kapitalismus, der sich wenig von dem eines arbeitslosen griechischen Angestellten unterscheidet.

Sie beschreiben in Ihrem Buch die Zwischenkriegszeit, als die Nazis Kapital aus den ängs-ten der Deutschen schlugen. Ist eine Gesellschaft der Angst an-fällig für solche Gefahren?

Nein, das wäre billiger Alarmismus. Das Problem hat Franklin D. Roosevelt nach den schrecklichen Jahren der „großen Depression“ in den 1930er Jahren auf den Punkt gebracht: „The only thing we have to fear is fear itself “. Seitdem ist die Angstabsorption die große Aufgabe jeder populären Politik.

Das ist nicht nur eine politi-sche Frage – was können Eltern, Schulen, Universitäten gegen eine Gesellschaft der Angst tun?

Wenn Bildung es schafft, einen Begriff unserer Welt zu vermitteln, dann redu-ziert sie Angst. In der deutschen Tradi-tion verstehen wir Universitäten primär

„WIR WISSEN V IEL UND TUN WEN IG“

INTERVIEW Sebastian MenseFOTOS Hamburger Institut für Sozialforschung

Der Kasseler Soziologe Heinz Bude beschreibt in seinem neuen Buch eine „Gesellschaft der Angst“. Im Interview erklärt er die Ursachen für ein allgegenwärtiges Gefühl. Für jeden Einzelnen kennt er aber ein einfaches Gegenmittel.

publik 03 / 14 | Forschung

Info

Prof. Dr. Heinz Bude ist Leiter des Fachbereichs Makroso-ziologie an der Universität Kassel. Zugleich arbeitet er am Hamburger Institut für Sozial-forschung. Sein Buch „Gesell-schaft der Angst“ ist gerade in der Hamburger Edition erschie-nen.

als Ort der Vermittlung von Wissen-schaft. Die amerikanischen Universi-täten sind Colleges, die ihre Aufgabe viel stärker in der Sozialisation der Heranwachsenden sehen. Etwas davon müssen wir hierzulande wohl überneh-men, weil unsere Studierenden immer heterogener werden. Wir müssen Ori-entierung durch indirekte Kommunika-tion vermitteln. Das funktioniert in der Literaturwissenschaft genauso gut wie in den Ingenieurwissenschaften. Einen Roman von Dickens zu verstehen lehrt

uns genauso etwas über die Welt, in der wir leben, wie die Konzipierung eines Brunnens für die Wasserversorgung in Somalia.

Und wie kann sich jeder Einzelne gegen Angst wappnen?

Durch Lachen. Gemeinsames Lachen hilft, Lachen ist eine Methode der Angst reduzierung. Beim Lachen hat die Angst nicht das letzte Wort.

„Wenn Bildung es schafft, einen Begriff unserer Welt zu vermitteln, dann reduziert sie Angst.“ Prof. Dr. Heinz Bude

„MISSVERHäLTNIS ZWISCHEN GEFÜHL UND HANDLUNG“

„UNIVERSITäTEN MÜSSEN STäRKER ORIENTIERUNG VERMITTELN“

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publik 03 / 14 | Campus

Das Fridericianum kennt Marina seit ihrem Besuch der Documenta 2007. Seitdem ist sie unzählige Male hier gewesen. Als Besucherin und als Füh-rerin. „Im Fridericianum bietet sich mir die Gelegenheit, mit unterschiedlichen Vermittlungsformen zu experimentieren und über meine Rolle als Vermittlerin zu reflektieren. Wenn ich die Künstler vorstelle, erkläre ich meistens, warum sie sich im kuratorischen Konzept der jeweiligen Ausstellung befinden. Eine Führung vorzubereiten, ist ein spannen-der und sehr produktiver Prozess.“

Mit dem Kulturticket der Uni Kassel, das seit einem Jahr für knapp drei Euro im Semesterbeitrag enthalten ist, sind Eintritt und die Führung immer don-nerstags um 18:30 Uhr kostenlos. Auf Anfrage bietet das Fridericianum auch verschiedensprachige Führungen an. Kürzlich hat Marina eine Führung auf Spanisch gegeben. Gerne dürfe für der-artige Führungen auch ein komplettes Seminar der Anglistik oder Romanistik vorbeikommen, schlägt Juliane Gallo vor, die für die Kunstvermittlung im Fri-dericianum verantwortlich zeichnet.

www.fridericianum.org

TEXT und FOTO Henrik Hornung

publik 03 / 14 | Campus

K E INE KUNST-

VERM ITTLUNG W IE

JEDE ANDEREMitte Juli, die Vorlesungszeit des Som-mersemesters steht kurz vor ihrem Ende, hochsommerliche Temperaturen in Kassel. Am Hopla werden Klausuren geschrieben, in der Kunsthochschule

läuft der Rundgang. Den-noch finden sich einige Interessierte im Friderici-anum zu einer Kunstfüh-rung ein – einer Führung von Studierenden für Stu-dierende.

Dieses Angebot des Fri-dericianums richtet sich mit einem eigenen Format namens „FRI“ explizit an Studierende. Dabei steht nicht die kunstwissen-schaftliche Analyse im Vordergrund. Vielmehr führen junge Leute jed-weden fachlichen Hinter-grunds ihre Kommilitonen individuell durch die Aus-stellung. „Es geht darum, in der Auseinanderset-zung mit zeitgenössischer Kunst Fragen zu diskutie-ren, die uns alle betreffen – das können gesellschaft-liche, philosophische oder auch technische Fragen sein“, erklärt Friderici-anum-Pressesprecherin Carolin Würthner. Ziel sei es, im Gespräch mit ande-ren das eigene Wissen und eigene Ideen einzubringen und nicht zuletzt Spaß am Austausch mit ande-ren Studierenden über die Grenzen der wissen-schaftlichen Disziplinen hinaus zu haben.

Heute führt Marina durch die Ausstel-lung „nature after nature“. Marina ist 27 Jahre alt und kommt aus Málaga, wo sie ihr Studium der Bildenden Kunst begon-nen hat. Nach Studienaufenthalten in Helsinki und Seoul lebt sie seit knapp drei Jahren in Kassel, wo sie ihr inzwi-schen abgeschlossenes Studium gerade mit einem Meisterschülerjahr ergänzt. Daneben macht sie noch einen Master in Kunstwissenschaft.

Wir bleiben vor Arbeiten der ukrainisch-stämmigen Künstlerin Olga Balema stehen – auf dem Boden liegende, mat-ratzengroße, transparente Kissen aus Kunststofffolie. Die Frage, was drin ist, erfordert ein genaues Hinsehen und führt sofort zu Diskussionen. Sand und Wasser? Matsch also? Ja. Außerdem bei-spielsweise Stahl, Latex und Acrylfarbe, wie sich nachlesen lässt. Über das War-um wird wild spekuliert.

Gratis mit dem Kulturticket

Marina moderiert dezent und wirft wei-tere Denkanstöße in die Runde. „Es gibt viele Studierende, die Kunst zwar selt-sam finden, aber neugierig sind“, sagt sie im Weitergehen. „Die hier ausstellenden Künstler sind so jung wie die Mehrheit der Studierenden. Es ist doch spannend zu wissen, womit solche Künstler sich beschäftigen, wie sie arbeiten und was sie erschaffen.“

Teils in ironischer, teils in zynischer Form hinterfragen die Exponate der zwölf Künstlerinnen und Künstler die-ser Ausstellung unseren Naturbegriff. Marina ist vorbereitet, ihre Hinter-grundinformationen erleichtern den Zugang. „Ich finde meine Vermittlungs-arbeit wichtig. Und ich mag die Verant-wortung, die ich in dieser Rolle trage“, gesteht Marina. „Außerdem motiviert mich dieser Job für mein Kunstwissen-schaftsstudium.“

Info

Das Fridericianum sucht ständig kunstinteressierte Studierende, die Lust haben, Führungen zu geben. Der fachliche Hintergrund ist dabei egal. Bevor die Studierenden ihre eigene Führung entwickeln, werden sie geschult und in die jeweilige Ausstellung eingeführt.

Eine einstündige Führung wird mit 30 Euro entlohnt. Bei Interesse melden bei Juliane Gallo: [email protected].

Spannend für beide Seiten: Im Frideri cianum führen Studieren-de Studierende durch Ausstel-lungen. Die „publik“ ging mit.

„Eingeschweißter Matsch?“ Studierende diskutieren über eine Arbeit der Künstlerin Olga Balema. Marina Rengel Lucena (3. v. l.) gibt Impulse.

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publik 02 / 14 | Campus

W I LLKOMMEN AN DER UN I KASSEL !Schön, dass Ihr Euch für ein Studium in Kassel entschieden habt. Um Euch den Start zu erleichtern, haben wir einige Links zusammengestellt, die in den ersten Monaten helfen können. Illustration: Ilknur Kocer.

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schung bereitstellen werden“, erklärt Dr. Axel Halle, Direktor der Bibliothek.

Die Bürgerbibliothek kaufte die Bücher Anfang des 20. Jahrhun-derts von den Erben Pragers.

Isaac Prager lebte von 1847 – 1905 und wirkte in Kassel als Landesrabbiner. Der konservative, zum emanzipierten und assimilierten Judentum zählende Pra-ger war sehr bekannt, unter anderem über seinen Sohn mit Franz Rosenzweig verbunden, einer der bekanntesten Per-sönlichkeiten des jüdischen Lebens in Kassel und Deutschland.

Die Prager-Bände in den großen, durch die Wirren der Geschichte immer wie-der durchgeschüttelten Beständen der Murhardschen Bibliothek aufzuspü-ren, ist Detektiv-Arbeit. Einige tragen verblichene Signaturschilder, andere sind gestempelt oder signiert, doch die Mehrheit der Bücher muss auf Verdacht hin mit dem Akzessionsjournal vergli-

chen werden. „Wie die Sammlung die nationalsozialistische Herrschaft über-dauern konnte, ist für uns noch unklar“, sagt Halle, der aber eine Vermutung hat: „Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde der Sozialdezer-nent der Stadt Dr. Hermann Haarmann an die Murhardsche Bibliothek zwangs-versetzt; er war kein NSDAP-Angehö-riger. Haarmann hat diese Bestände nicht an die Öffentlichkeit gezerrt und dadurch vermutlich geschützt. Verluste in der Sammlung rühren nach derzeiti-gem Kenntnisstand ausschließlich von Kriegsschäden her.“

Heute setzen die Mitarbeiter der Bibliothek alles daran, die rab-binische Privatbibliothek aus der

Vergessenheit zu holen. Die Katalogi-sierung der Werke wird einen weltwei-ten Zugriff ermöglichen, 600 Exemplare sind bereits erfasst. Doch der Erhalt der Sammlung ist auch eine Frage des Gel-des, die Bücher müssen restauriert wer-

Info

Informationen, Spendenmöglichkeiten und Buchpatenschaften unter:

www.uni-kassel.de/ub/ueber-uns/freunde-foerderer/buchpatenschaften/auswahlliste-prager.html

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Es ist Nachmittag. Die Sonne dringt durch die Fenster in ein Büro im ehrwürdigen Bau der Murhard-

schen Bibliothek. Sabina Lüdemann greift nach einem großformatigen Band und schlägt ihn auf. „Das ist das Akzessi-onsjournal, in dem früher alle Erwerbun-gen der Bibliothek verzeichnet wurden“, erklärt die Leiterin der Hessischen Abteilung der Universitätsbibliothek und deutet auf einen Eintrag im unte-ren linken Seitenbereich: „Prager“. Es ist der Name eines Rabbiners, der um die Jahrhundertwende in Kassel lebte – und die Spur zu einer der seltenen erhalte-nen rabbinischen Privatbibliotheken Deutschlands des 19. Jahrhunderts, wie man heute weiß.

Wie so oft in großen Bibliotheken mit Beständen unterschiedlichster Her-kunft schlummerte der Schatz lange Zeit unerkannt im Regal. Erst als sich Sabina Lüdemann der Sammlung wid-met, kommt heraus, dass sie viel größer ist als gedacht. Statt über einen bereits bekannten Teilbereich, der Signaturen-gruppe Rabbinica, verfügt das Haus über die vollständige Privatbibliothek Pragers. Die Judaistin stößt durch Zufall darauf: „Ich habe etwas ganz ande-res gesucht und bin dann im Katalog bei einem Eintrag hängen geblieben“, erzählt sie. „Einer Intuition folgend, habe ich mir das entsprechende Buch genauer angesehen, es mit dem Akzes-sionsjournal verglichen und festgestellt,

dass es auch zu der Prager-Bibliothek gehört.“ Sie nimmt die Spur auf. Immer mehr Bände kann sie Prager zuordnen und katalogisieren. Nach dreieinhalb Jahren Fleißarbeit ist klar: Diese Privat-bibliothek ist von unschätzbarem Wert. Und sie umfasst schätzungsweise 2.500 Bände.

Extreme Seltenheit

Die Werke reichen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, das älteste Buch ist von 1545. Die Literatur – geschrieben

in Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, Deutsch und sogar Ungarisch – befasst sich mit der jüdischen Geschichte, der Philosophie, der Pädagogik und natür-lich der Theologie. „Aus einem rabbini-schen Haushalt – trotz Kriegsverlusten – eine mehr oder weniger komplette Bibliothek zu besitzen, aus der sich die Geisteswelt eines Rabbiners um 1900 rekonstruieren lässt, das ist in Deutsch-land durch die Ereignisse des Dritten Reiches extrem selten. Wir haben hier einen wunderbaren Schatz gefunden, den wir erhalten und für die weitere Erfor-

E IN E INZ IGART IGER SCHATZ JÜD ISCHER KULTUR

Die Sammlung eines Rabbiners in der

Murhardschen Bibliothek wurde einst vor den

Nazis gerettet, dann geriet sie in Vergessenheit.

Bis eine Mitarbeiterin einer Spur nachging.

TEXT Sophia NürnbergerFOTOS Harry Soremski

den. Die Restaurierung der ersten 30 Exemplare wird um die 50.000 Euro kosten, schätzt Halle. Privatleute und der Freundeskreis der Bibliothek haben die Restaurierung von fünf Büchern bereits finanziert. Nun wirbt die Bibliothek für Buchpatenschaften. „Die Paten unter-stützen uns dabei, das jüdische Erbe der Region und ein einzigartiges Kulturgut zu erhalten“, appelliert Halle.

Dem Spürsinn von Sabina Lüdemann ist es zu verdanken, dass der ganze Umfang der Bibliothek Prager bekannt geworden ist.

Viele der Bücher müssen restauriert werden. Dafür werden Paten gesucht.

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PARALLEL STUDIEREN UND E IN E AUSB I LDUNG ABSOLV I EREN

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TEXT Christina ReisFOTOS Andreas Fischer

„Ich bin extra nach Kassel gekommen, weil ich hier zusätz-lich zu meiner Ausbildung als Industriemechanikerin bei VW ein Studium im Fach Wirtschaftsingenieurwesen beginnen konnte“, erzählt die Wolfsburgerin. Wie die anderen StiP-Studierenden hat sie sich zunächst um einen Ausbildungs-platz beworben und sich dann an der Uni eingeschrieben. Die Hochschule kommt den jungen Leuten, die parallel eine Ausbildung machen, entgegen: Für ihr Studium haben sie ein Semester mehr Regelstudienzeit. Während des Semes-ters besuchen sie Vorlesungen, in der vorlesungsfreien Zeit machen sie ihre Ausbildung und besuchen zudem eine Sonder klasse in der Berufsschule. Während der gesamten Studienzeit erhalten sie vom Ausbildungsbetrieb eine monat-liche Vergütung. Zur Zeit sind etwa 200 StiP-Auszubildende in den Fachrichtungen Informatik, Maschinenbau, Elektro-technik, Mechatronik, Wirtschaftswissenschaften oder Wirtschafts ingenieurwesen eingeschrieben.

„Das sind alles ganz normale Studierende, die das Studium wie alle anderen absolvieren müssen. Aber sie sind natür-lich leistungsbereit und haben sich auch vorher Gedanken gemacht, was da auf sie zukommt“, erzählt StiP-Koordinator Markus Oppermann. Die Doppelbelastung durch Studium und Ausbildung hat auch Pia Thiede zu spüren bekom-men: „Besonders zu Beginn der Semesterferien musste ich oft direkt nach der Arbeit bei VW an den Schreibtisch, um mich auf Klausuren vorzubereiten. Da braucht man schon einen langen Atem“, erinnert sie sich. Sie hat ihre Ausbildung inzwischen erfolgreich abgeschlossen und schon nach dem sechsten Semester ihren Bachelor-Abschluss in der Tasche, im Wintersemester beginnt sie einen Master: „Da lasse ich mir aber etwas mehr Zeit, denn ich werde zudem noch halb-tags bei VW arbeiten“, sagt sie.

Dr. Stefan Kreher, der Leiter der Volkswagen Akademie Kas-sel, ist vom „Kasseler Modell“ überzeugt: „Wir erleben diese

Info

Die Bewerbung für das StiP richtet sich direkt an die Unternehmen. Die Bewerbung für bzw. Ein-schreibung in den Studiengang erfolgt nach Beginn der Ausbildung.

Weitere Informationen: Markus Oppermann, [email protected], Tel. 0561 – 804 2759

Neben dem speziellen StiP-Programm gibt es an der Universität auch noch die Studiengänge Bauin-genieurwesen und Ökologische Landwirtschaft als duales Studium.

www.uni-kassel.de/go/duales-studium

Studierenden sehr gut organisiert. Nicht selten erbringen sie neben den vorgegebenen Anforderungen Zusatzleistungen. Im Unternehmen zeigen sie sich sehr engagiert und aufgrund der vielen volkswagenspezifischen Erfahrungen gestaltet sich der Einsatz nach dem Studium sehr erfolgreich“, so die Erfahrung von Dr. Kreher.

Im Vergleich zu ihren „eingleisig“ fahrenden Kommilito-nen empfindet Pia Thiede ihr Arbeitspensum aber nicht als außergewöhnlich. Schließlich würden sehr viele Studierende neben dem Studium jobben, betont sie. Doch im Gegen-satz zu vielen anderen Kommilitonen durfte sich Pia Thiede schon nach Abschluss der Zwischenprüfung an ihrem zukünftigen Arbeitsplatz bei VW einarbeiten: „Da kam ich zum ersten Mal in die Patentabteilung und habe so viel posi-tives Feedback bekommen, dass ich mit Vollgas weiterstudie-ren konnte“, erinnert sie sich.

Nachdem Pia Thiede ihr Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium mit einem Notenschnitt von 1,3 abgeschlossen hatte, standen ihr viele berufliche Wege offen. Sie entschied sich ganz bewusst für das „Studieren im Praxisverbund“ (StiP) an der Universität Kassel.

Ich bin extra nach Kassel gekommen, weil ich hier bei VW ein Studium im Fach Wirtschaftsingenieurwesen beginnen konnte.

Pia Thiede

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Sylvie Müllers Unternehmerkarriere begann im Badezimmer. „Das versteht doch kein Mensch“, dachte sie, als sie beim Baden das Etikett mit den Inhalts-stoffen ihrer Badelotion durchgelesen hat. Dann fiel ihr das Buch „Naturkosme-tik selber machen“ in die Hände und sie fing an, ihre ersten Cremes nach Rezept anzurühren. „Irgendwann hatte ich so viel Creme dosen, dass ich sie selber gar nicht mehr aufbrauchen konnte“, erzählt die 29-Jährige, die Ökologische Land-wirtschaft in Witzenhausen studiert. Sie verschenkte ihre selbstgemachte Kos-metik an Freundinnen und bekam auf diese Weise ihre ersten Kundinnen.

Seit 2012 verkauft die Studierende ihre Produkte unter der Marke „Bio Bellis Naturkosmetik“ ganz offiziell und macht als Ein-Frau-Betrieb vom Anpflanzen der Kräuter bis zum Verschicken der Ware alles selbst. Die Produktpalette besteht aus pflegenden Gesichtscremes

für jeden Hauttyp, Heilsalben, Handsei-fen, Bodybutter, Badebomben, Badeöl und Erkältungsbalsam.

Mit dem bloßen Anrühren nach Rezept hat sich die angehende Agrarwis-senschaftlerin allerdings nicht lange zufrieden gegeben. In ihrer Kosmetik verwendet sie ausschließlich ökologisch angebaute Stoffe. Auch Palmöl findet sich nicht darin – in der Industrie wird dieser Emulgator oft verwendet, er sei jedoch ökologisch bedenklich, sagt Sylvie Müller. Denn für Palmenplanta-gen werde massiv der Regenwald abge-holzt. Auch chemische Zusatzstoffe wie

TEXT Christina ReisFOTOS telegrau.com

Parabene und Paraffine kommen bei ihr nicht in die Creme. Monatelang pro-biert sie bei jedem neuen Produkt aus, wie man die unerwünschte Chemie im Tiegel am besten durch ökologisch unbedenkliche Öle und Emulgatoren ersetzen kann. Die verwendeten Kräuter zieht sie im heimischen Garten im thü-ringischen Vacha. Neben traditionellen Aromaspendern wie Pfefferminze, Rin-gelblumen, Zitronenmelisse oder Ros-

marin wachsen dort auch einige seltene Arten, die aber unter ihr „Berufsgeheim-nis“ fallen.

Freunde spielen Versuchskaninchen

Bis zu drei Stunden pro Tag destilliert die Jungunternehmerin Melisse und Co. zu aromatischen Kräuterauszügen und kreiert mit entsprechenden Ölen, Vita-minen und Aromen wie Vanille oder Rose alles, was der Haut und den Sin-nen gut tut. „Am kompliziertesten ist Gesichtscreme, denn die Inhaltsstof-fe müssen auf eine exakte Temperatur erhitzt werden, sonst verbinden sie sich nicht“, betont sie. Die Müllersche Phi-losophie in Sachen Naturkosmetik ist dagegen ganz einfach: Für eine gute Creme brauche man nur Öle, Vitamine und konzentrierte Wirkstoffe. Von über-teuerten Anti-Aging-Wirkstoffen hält die Firmengründerin nichts: „Die scha-den der Haut mehr, als sie ihr nützen.“

03

Gerade entwickelt sie ein Rezept für Öko-Haarshampoo mit Birkenextrakt. Bevor eine neue Eigenkreation in Serie geht, spielen ihr Partner und ihre Freun-de immer Versuchskaninchen.

Um die Zertifizierung ihrer Produk-te zu finanzieren, präsentierte Sylvie Müller ihre Geschäftsidee auf der „uni-kat crowdfunding“-Plattform der Kasse-ler Universität. Mit Erfolg: Das nötige

Budget bekam sie innerhalb weniger Wochen zusam-men. Auf eine wei-terhin erfolgreiche Geschäftsentwick-lung ist die Stu-dentin jedenfalls schon gut vor-bereitet: Sie hat bereits ein weite-res Gartengrund-stück für ihre Kräuter in Aus-sicht.

02

Crowdfunding für Gründer

Im Februar 2014 stellte UniKas-selTransfer Inkubator die erste durch eine Universität initiierte Crowdfunding-Plattform „unikat crowdfunding“ ins Netz. Die Plattform bietet Projektstar-tern oder Firmengründer aus unterschiedlichen Bereichen die Möglichkeit, ihre Idee im Internet zu präsentieren und dadurch Interessenten zu finden, die ihr Projekt finanziell unterstützen. Auf www.unikat-crowdfunding.de kann man seine Idee mit Videos, Texten, Bildern, einem Budgetziel und Zeitrahmen präsentieren.

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NATUR IN DER SE IFE

01

Vor drei Jahren rührte Sylvie Müller ihre erste Creme für den Eigenbedarf. Mittlerweile verkauft sie Naturkosmetik mit selbstgezogenen Kräutern über das Internet.

01 Handarbeit: Die Produkte von Bio Bellis.

02 Die Zutaten kommen zum großen Teil von der Wiese.

03 Jungunternehmerin Sylvie Müller.

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Bad Sooden-Allendorf, hier wurden in den letzten vier Jahren über 360 Ställe gebaut, für 225, 800 oder 1.200 Legehennen. Im Jahr 2003 bedachte das Bundeslandwirtschaftsministerium das Hühnermobil mit dem Förderpreis ökologischer Land-bau. Für das Land Hessen war das Hühnermobil im Jahr 2013 zudem Hessen-Champion in der Kategorie Innovation.

In Hofgeismar öffnet Iris Weiland eine längliche Klappe und gibt den Blick in eines der Nester frei. Gerade hat ein Huhn ein Ei gelegt, es ist noch warm und feucht glänzend. Jetzt um die Mittagszeit ruhen einige Hühner im Schatten des Stalls, andere sind gleich drinnen geblieben. Später werden sie draußen nochmal aktiv sein. „Hühner lieben die Morgen- und Abendstunden“, verrät Iris Weiland. Aber spätestens um 22:30 Uhr sind alle wieder im Stall, dann schließen sich die Klappen des Hühnermobils.

Info

Auch Kaninchen werden mobil

Drei Absolventen der Ökologischen Agrar-wissenschaften entwickeln derzeit ein mobiles Haltungssystem für Kaninchen: Tobias Rentschler, Johannes Tschich und Helfried Berger gründen mit Unterstützung des EXIST-Programms ein Unterneh-men, um ein Weidemobil auf den Markt zu brin-gen. Es ermöglicht das Mästen von Kaninchen im Freiland mit Gras und Klee und damit die ökologi-sche Produktion von Kaninchenfleisch in größerem Maßstab.

TEXT Simone StadlerFOTOS telegrau.com

39 Quadratmeter Wohnfläche, zwei Etagen, komfortabel eingerichtet und das gan-ze in bester Grünlage – dieses attraktive

Wohnobjekt nennt sich Hühnermobil. 213 Legehennen und fünf stolze Hähne teilen es sich. Noch sind alle Be-wohner im Stall. Doch schon öffnen sich vollautomatisch zwei große Klappen und die ersten Hühner schlüpfen hinaus. Im grünen Klee können sie picken, buddeln und scharren – den ganzen Tag, nach Lust und Laune.

Die Legehennen gehören einem Biolandbetrieb in Hof-geismar und ziehen wöchentlich mit ihrem mobilen Stall auf eine neue Grünfläche um. „Hühner sind Futtersucher“, erklärt Iris Weiland, die Miterfinderin dieses mobilen Stalls. Die Diplom-Agraringenieurin studierte bis 1989 an der Universität Kassel am Standort Witzenhausen Agrar-wissenschaften und kehrte in den Jahren 2002 bis 2005 noch einmal dorthin zurück, um ihren Master im Fach Ökologische Landwirtschaft zu machen. Heute kümmert sie sich als Geschäftsführerin einer Firma um die Ent-wicklung, den Bau und den Verkauf des Hühnermobils.

Mehrfach preisgekrönt

Es liege in der Natur der Hühner, ständig nach Futter zu suchen, erklärt Iris Weiland. Gleichzeitig seien sie ängstlich und blieben in der Nähe des Stalls. Die Folge: Schon nach ein paar Tagen auf einer neuen Grünfläche bilden sich die ersten braunen Stellen in direkter Stallnähe. Bei der statio-nären Freilandhaltung würde die Auslauffläche daher nach etwa zwei Jahren „hühnermüde“: Der Boden sei dann braun

und verschlammt, überdüngt und voller Parasiten. „Die Hühner bekommen Durchfall, haben blasse Kämme, sind geschwächt und müssen häufig entwurmt werden“, sagt Iris Weiland. Ziehen Hühner hingegen regelmäßig um, kann sich die Wiese erholen, Tiere und Natur profitieren. Das überzeugt nicht nur Ökolandwirte: „Mittlerweile geht etwa ein Viertel aller Hühnermobile an konventionelle Betriebe.“ Scharren, picken, staubbaden, in der Gruppe sein, sich zu-rückziehen können – Iris Weiland findet es nur fair, „Hühner so zu halten, dass sie das tun können, was sie gerne machen“. Konstruiert wurde das erste Modell von Maximilian Weiland, ebenfalls Absolvent der Universität Kassel. Die enge Zu-sammenarbeit mit der Uni habe während der Entwicklungs-zeit viele Anregungen gebracht und eine wissenschaftliche Begleitung ermöglicht, erzählt Iris Weiland. Sie beschäf-tigt heute rund 35 Mitarbeiter. Produktionsstandort ist

publik 03 / 14 | Transfer

HÜHNER AUF

ACHSE

Absolventen aus Witzenhausen haben einen mobilen

Hühnerstall entwickelt. Der hilft dem Boden gegen

„Hühnermüdigkeit“ – und natürlich den Tieren.

02

01

01 Die Ställe haben einen Warm- und

einen Kaltbereich, ein Mistband, Sitz-

stangen und alles, was ein Hühnerstall

braucht – nur eben auf Rädern.

02 Iris Weiland ist Geschäftsführerin des

Unternehmens.

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publik 03 / 14 | International

Anke Ickler (l.) und Carmen Muresan.

I n einem unauffällig eingerichteten Büro im Verwaltungsgebäude an der

Mönchebergstraße liegt das Tor zur Welt – oder besser das Tor zur Universität Kassel für die Welt. Seit dem Sommer residiert hier das Welcome Centre des Internati-onal Office. Carmen Muresan und Anke Ickler leiten dort die erste Anlaufstelle für internationale Studierende, Promovie-rende, Wissenschaftler und Gäste. Einige Jahre hatte die Uni sich um die Einrich-tung eines Welcome Centres bemüht, im letzten Sommer hat es nun mit Unterstüt-zung des Europäischen Sozialfonds (ESF) geklappt.

„Wir bieten Hilfe und Unterstützung bei der Organisation des Aufenthalts in Nord-hessen“, erklärt Carmen Muresan. Die fachliche Beratung bleibt bei den Fach-bereichen. Aber alles, was sich um das Leben in der Universitätsstadt dreht, die Anmeldung, die Suche nach einem Ne-benjob, einer Wohnung und vor allem die Suche nach Kontakten und neuen Freun-den – dabei hilft das Welcome Centre. Die meisten der Angebote für Menschen aus anderen Ländern an der Uni sollen dem-nächst unter diesem Dach gebündelt wer-den. Das sei strukturell sehr wichtig für die Uni gewesen und mache allen die Arbeit leichter, hat Carmen Muresan beobach-tet. „Mitarbeiter und Betreuer wissen nun genau, wohin sie sich wenden können.“ Zwei halbe Stellen für die beiden Mitar-beiterinnen und fünf für Tutoren werden mit dem Geld des ESF bezahlt. Durch die

Förderung des DAAD (Deutscher Akade-mischer Auslandsdienst) können weitere fünf Tutoren finanziert werden

Eine wichtige Rolle spielen dieTutorinnen und Tutoren

So unterschiedlich wie die Gruppe der Hilfesuchenden ist auch die Gruppe der Tutorinnen und Tutoren. Es sind Bachelor- und Masterstudierende aus unterschiedlichen Semestern, auch ein Promovend. Manche kommen aus Deutschland, andere sind internationale Studierende. In Kontakt mit den Neu-ankömmlingen stehen sie bereits vor deren Ankunft. Bei der ersten Veranstal-tung im Semester, der Orientierungs-woche für internationale Studierende, sind sie ebenfalls fest eingebunden. Die O-Woche gibt es schon seit einigen Jah-ren an der Uni, dank der verdoppelten Tutorenzahl habe man sie dieses Mal neu gestaltet, kleinere Gruppen gebil-det und so mehr Zeit für jeden einzel-nen Gast gehabt, sagt Carmen Muresan. Zum ersten Mal sei eine große Gruppe deutscher Studierender dabei gewesen. Das habe so toll geklappt, dass es das Team darin bestärkt habe, die Veran-staltungen auch für die deutschen Stu-dierenden zu öffnen und stärker unter diesen zu bewerben.

Die Vorgaben bei der Vergabe von För-dergeldern machen genau das mitunter etwas schwierig. Denn die Gäste aus

anderen Ländern sollen zwar möglichst viel von Land und Leuten kennenlernen können – doch finanziert werden oft nur Veranstaltungen, bei denen nur Interna-tionale teilnehmen. In Kassel hat man Nischen gefunden. Sehr beliebt sind der wöchentliche Stammtisch im Campus-Club sowie das International Dinner, bei dem jeder Teilnehmer eine für seine Heimat typische Speise mitbringt. Beide laufen in Kooperation mit dem Stu-dentenwerk. Dazu kommen Exkursio-nen, Vorträge, Betriebsbesichtigungen, monatliche Clubabende, eine Advents-feier und das Sommerfest für Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler im International House.

Die beiden Mitarbeiterinnen helfen bei Problemen zwar auch direkt – bei der Wohnungssuche fühlen sie mal vor, ob sich auch ein Bewerber vorstellen kann, der gerade Deutsch lernt – doch ent-scheidend ist für sie Hilfe zur Selbsthil-fe. Bereits jetzt hat Carmen Muresan im Hinterkopf, dass die Strukturen, die das Team gerade schafft, nachhaltig sein sol-len. Sie wünscht sich Gruppen und Ver-anstaltungen, die so etabliert sind, dass sie es Neulingen leicht machen, sich ins Campus-Leben einzufinden. Denn egal, wie sich das Welcome Centre entwi-ckeln wird, das Ziel bleibt gleich: „Wir helfen allen, die Unterstützung brau-chen.“

ANLAUFSTELLE FÜR I NTERNAT IONALE

TEXT Friederike SchockenhoffFOTO Harry Soremski

Im neuen Welcome Centre finden internationale Studierende, Wissenschaftle-

rinnen, Wissenschaftler und Gäste Unterstützung bei allen praktischen Fragen

des Auslandsaufenthalts in Kassel und Witzenhausen.

publik 03 / 14 | International

Welcome Centre

Mönchebergstraße 19, Raum 530 | Tel.: +49 561 804-3564 | www.uni-kassel.de/go/welcome-centreSprechstunde: montags, mittwochs und freitags von 13 bis 15 UhrVisa-Sprechstunde: donnerstags, 13 bis 15 Uhr

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publik 03 / 14 | Menschenpublik 03 / 14 | Menschen

Prof. Dr. Alexandra Eder | WirtschaftswissenschaftenDr. Alexandra Eder ist Professorin für Berufspädagogik mit gewerblich-technischem Schwerpunkt am In-stitut für Berufsbildung. Nach einer Berufsausbildung zur Tischlerin erlangte sie ihr allgemeines Abitur an einer technischen Berufsoberschule in Bayern. Ein Lehramtsstudium für berufsbildende Schulen (Fächer: Berufspädagogik, Holztechnik, Politik) an der Leibniz-Universität Hannover schloss sich an. 2009 promo-vierte Eder mit einer Arbeit zum Thema „Integration digitaler Medien an berufsbildenden Schulen“. Auf eine Post-Doc-Phase folgte der Ruf an die Universität Kassel. Die Professionalisierung von Lehrkräften mit der beruflichen Fachrichtung Metall- und Elektrotechnik in allen Bereichen der Berufspädagogik und Fachdidaktik steht im Vordergrund von Eders Forschung und Lehre. Zu ihren weiteren Schwerpunkten gehören Grundlagen des Lehrens und Lernens, Kooperation, Mediendidaktik sowie Professionalisierung des Berufsbildungspersonals im Bezugsfeld der beruflichen Bildung.

Prof. Dr. Andreas Eichler | Mathematik und NaturwissenschaftenDr. Andreas Eichler hat eine Professur für Didaktik der Mathematik übernommen. Andreas Eichler war nach seinem Studium Gymnasiallehrer in Braunschweig und hat nach seiner Promotion an der TU Braunschweig Professuren für Didaktik der Mathematik an der Universität Münster und zuletzt an der Pädagogischen Hochschule Freiburg sowie eine Gastprofessur an der Universität Klagenfurt eingenom-men. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Professionsforschung von Lehrkräften, der Didaktik der Stochastik und dem Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Ein zweiter Arbeits-Schwerpunkt liegt in der Fortbildung von Lehrkräften im Beruf. Hier ist er im Leitungsteam des nationalen Lehrerfortbildungs-netzwerks T3 (teachers teaching with technology) und war zuletzt Mitglied im Deutschen Zentrum für Lehrerfortbildung Mathematik.

Prof. Dr. Christian Herzig | Ökologische AgrarwissenschaftenDr. Christian Herzig hat die Professur für Management in der internationalen Ernährungswirtschaft ange-treten. Nach seinem Doppelstudium der Umweltwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre promo-vierte er in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Lüneburg. Seine Forschungs- und Lehrinteressen führten ihn dann an das Centre for Accounting, Governance and Sustainability der Univer-sity of South Australia sowie nach Südostasien, wo er zu Umweltrechnungslegung und Ressourceneffizi-enz lehrte und forschte. Weitere berufliche Stationen umfassen eine Forschungsassistenz am Lüneburger Centre for Sustainability Management, eine Assistenzprofessur am International Centre for Corporate Social Responsibility der Universität Nottingham (England) und zuletzt eine Professur in Business and Sustainability an der Nottingham Trent University.

Prof. Dr. Carsten Keller | Architektur, Stadtplanung und LandschaftsplanungDr. Carsten Keller hat zum Wintersemester 2014 die Professur für „Stadt- und Regionalsoziologie“ über-nommen. Zu seinen Untersuchungsfeldern zählen Segregation und Sozialräume sowie Stadtentwicklung und Wohnen im internationalen Vergleich. Außerdem forscht er zu sozialen Bewegungen im räumlichen Kontext. Der 1971 geborene Wissenschaftler studierte Soziologie, Philosophie und Musikwissenschaft in Marburg, Kassel und Münster. 1999 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozial-wissenschaften an der Humboldt-Universität. Hier promovierte er 2005 zum Thema „Soziale Exklusion in Großwohnsiedlungen“. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität Bicocca in Mailand war er ab 2006 als Soziologe im Centre Marc Bloch in Berlin tätig. Als Vertretungsprofessor lehrte er an den Universitäten in Essen und Kassel. Ab 2012 war er Professor für Interkulturelle Bildung an der Universität Duisburg-Essen.

NEUE PROFESSORINNENUND PROFESSOREN

Prof. Dr. Dorothee Knees | Mathematik und NaturwissenschaftenDr. Dorothee Knees ist Professorin für Analysis am Institut für Mathematik der Universität Kassel. In ihrer Forschung befasst sie sich mit mathematischen Fragestellungen zu Modellen, die komplexes Mate-rialverhalten in Festkörpern beschreiben. Dabei geht es beispielsweise darum, den Effekt von Mikrorissen auf das Versagensverhalten eines gesamten Bauteils mittels mathematischer Modelle vorherzusagen. Ihr Diplom in Mathematik erhielt Knees von der Universität Stuttgart, wo sie 2004 mit einer Arbeit zur analytischen Abschätzung von Spannungskonzentrationen in Verbundbauteilen promovierte. 2005 wech-selte sie an das Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) in Berlin. Dort war sie ab 2009 mitverantwortlich für die Leitung der Nachwuchsgruppe „Modellierung von Schädigungs-prozessen“, die von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert wird. Vor ihrer Professur in Kassel hatte sie eine Gastprofessur an der TU Graz sowie eine Vertretungsprofessur an der Universität Duisburg-Essen inne.

Prof. Dr. Peter Rott | WirtschaftswissenschaftenDr. Peter Rott hat am Institut für Wirtschaftsrecht die neu geschaffene Professur für Bürgerliches Recht, Europäisches Privatrecht und Verbraucherrecht inne. Nach dem ersten Staatsexamen 1993 in Bayreuth, dem Referendariat in Bamberg und vier Jahren als Assistent an der Universität Bamberg war er zunächst Lecturer an der University of Sheffield, dann Juniorprofessor an der Universität Bremen und zuletzt Associate Professor an der Universität Kopenhagen. Hinzu kamen kürzere Forschungsaufenthalte an der University of Ann Arbor, Michigan, und der Universität Helsinki. Er promovierte 2002 mit einer Arbeit zum internationalen Patentrecht unter dem TRIPS-Abkommen, arbeitet aber primär im Europäischen Privat recht und insbesondere im Verbraucherrecht Facetten. Rott ist Schriftleiter der Zeitschrift „Verbrau-cher und Recht“ und Mitglied im Herausgeberkreis des „Journal of Consumer Policy“.

Prof. Dr. Jens Wackerfuß | Bauingenieur- und UmweltingenieurwesenIm Juli 2014 hat Dr. Jens Wackerfuß die Professur für Baustatik übernommen. Sein Diplom als Bauin-genieur erhielt er 1997 von der TU Darmstadt. Es folgte eine dreijährige Tätigkeit als Tragwerksplaner. Im Jahr 2005 promovierte er an der TU Darmstadt auf dem Gebiet der computerorientieren Mechanik. Im Rahmen eines DFG-Forschungsstipendiums verbrachte er ein Jahr als Postdoc an der University of California, Berkeley (USA). Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Oberingenieur am Fachgebiet Festkör-permechanik der TU Darmstadt. Im Jahr 2009 wurde er mit der „Zienkiewicz Medal“ ausgezeichnet. Seit 2010 ist er Leiter einer von der DFG geförderten Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe, die sich mit Mehr-skalenmethoden zur Beschreibung von selbstähnlichen Tragstrukturen beschäftigt. Forschungsschwer-punkt im Fachgebiet Baustatik wird die Entwicklung von numerischen Methoden zur Modellierung und Simulation von nichtlinearem Material- und Tragstrukturverhalten sein. red

Reden Sie mit: Perspektiven für die Entwicklung der Uni

Anfang 2015 wählt die Universität Kassel eine neue Präsidentin oder einen Präsidenten. Der Senat hat beglei-tend eine Publikation angestoßen, die Positions papiere und Thesen von Mitgliedern unserer Hochschule zur künftigen Entwicklung der Universität darstellen und eine hochschulinterne Diskussion anregen soll: Welche Her-ausforderungen sind zu bewältigen und welche Themen sollte die neue Leitung mit hoher Priorität angehen? Ge-fragt sind kurze Artikel bis 4.000 Zeichen (inkl. Leerzei-chen) sowie eine kurze biografische Notiz zu Ihnen (bis 500 Zeichen). Die Publikation wird noch 2014 erschei-nen. Texte bitte als Word-Dokument bis zum 20. Oktober 2014 an [email protected]. Eine Redaktion aus Senatsmitgliedern entscheidet über die Herausgabe.

IN EIGENER SACHE„publik“-Bericht mit Preis ausgezeichnet

Ein Bericht aus der Februar-Ausgabe der „publik“ ist mit einem Medienpreis ausgezeichnet worden. Autorin Nana Nkrumah, Volontärin in der Presse-stelle der Uni Kassel, erhielt den Claudia-Hoh-mann-Preis für Lokaljournalismus für ihren Beitrag „Ein Haus für junge Forscherinnen und Forscher“ über das Schülerforschungszentrum Nordhessen. Der Preis wird vom Presseclub Kassel für her-ausragende Beiträge an Nachwuchs-Journalisten vergeben.

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» App zum Ticketkauf! Hol Dir die NVV-App! Mit der Möglichkeit zum mobilen Ticketkauf via Smartphone. Jetzt auch mit Hessenticket. Und natürlich mit allen wichtigen Informationen, da wo man sie braucht – unterwegs.

QR-Code scannen und App downloaden

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publik 03 / 14 | Kolumne

Trecker fahren, Stall ausmisten, Tiere füttern – das Leben auf einem Bauernhof kenne ich schon von klein auf. Nach dem Abitur stellte sich für mich die Frage: Wie geht es weiter? Mein Traum war es nicht unbedingt, den Hof meiner Eltern in Nienburg zu übernehmen, sondern mit anderen Leuten einen Betrieb zu gründen. So entschied ich mich, Land-wirtschaft in Witzenhausen zu studieren. Als Kind vom Dorfe war mir Witzenhau-sen sofort sympathisch, der Studienort war überschaubar und familiär: Kontak-te zu Kommilitonen waren schnell her-gestellt, die Dozenten trafen wir auch in der Kneipe und waren per Du. Anfang der 80er Jahre war Ökoland-bau nur ein Orchideenfach, von Profes-soren und Studierenden gleichermaßen belächelt. Aber mit „harter Basisgrup-

penarbeit“, so hieß damals die größte studentische Partei, trugen wir dazu bei, dass die erste europäische Professur für Biolandbau nach Witzenhausen kam. Wir „Öko-Studis“ waren auch sonst sehr aktiv: Wir verteilten Flugblätter und brachten die Bauernzeitung „Bau-ernblatt“, heute „Bauernstimme“, unter die Leute und organisierten an der Inge-nieur-Schule ein internationales Sympo-sium, auf dem Agrarwirte aus aller Welt Neues zum Biolandbau vorstellten. Anders als man vermuten könnte, hatte Witzenhausen auch damals ein Studentenleben – weil wir es selber organisierten. Im Hinterhof der Uni haben wir einen Studentenclub aufge-macht. Einmal pro Jahr stellten wir ein großes Tropenfest im Tropeninstitut an der Steinstraße auf die Beine. Theken-

dienst, Einkauf, Bands organisieren – alles ehrenamtlich. Während der Semesterferien arbeite-te ich bei meinen Eltern auf dem Hof oder besuchte Bekannte auf einer Alm. Das war die Praxis. In den Vorlesungen lernten wir viel über Tierernährung und -haltung, aber auch graue Theorie wie Statistik und Mathematik. Nach dem Studium hatte ich immer noch einen guten Draht zu den Kom-militonen. Gemeinsam beschlossen wir, einen Biobetrieb mit Kneipe in Fran-kershausen bei Eschwege zu überneh-men, um dort unseren Traum von einer selbstverwalteten Betriebsgemeinschaft zu verwirklichen: eine Kneipe, in der man nach dem Pflügen auf dem Acker auch mit dreckigen Klamotten reinkom-men durfte – und auch heute noch darf. aufgezeichnet von Simone Schmid

Mein 1. Semester

REINHARD THIES Wirt

1. Semester 1979

Page 17: KASSEL · 4 5 publik 03 / 14 | Forschung Stressfaktor Multitasking 2012 identifizierte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in ihrem „Stressreport“ verschiedene

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Alfons Scheitz, Geschäftsführer vonImpuls Soziales Management GmbH & Co. KGund Kunde der Kasseler Sparkasse Tamara Kaspar,

Studentin für Personalmanagement und Kundin der Kasseler Sparkasse

Sparkassen-Finanzgruppe