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Pastor Sieghard Wilm im Gespräch Foto: © 2013 by Schattenblick "Das bekommt eine Dimension, die hätte ich nie für möglich gehalten." Gespräch mit Pastor Sieghard Wilm am 2. November 2013 in Hamburg St. Pauli ... (Seite 16) ... (Seite 16) Libyens Zentralregierung bekommt die Milizen nicht in den Griff ... (Seite 9) ... (Seite 10)

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MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Samstag, 9. November 2013

Neueste tagesaktuelle Berichte . . . Interviews .. . Kommentare . . . Meinungen .. . . Textbeiträge .. . Dokumente . . .

Pastor Sieghard Wilm im GesprächFoto: © 2013 by Schattenblick

Als die NATO 2011 mit ihren Bom-bardierungen Libyens begann, umden Sturz Muammar el Ghaddafisherbeizuführen, geschah dies ver-meintlich aus humanitären Gründen.Zu der angeblich auf diese Weise ge-schützten libyschen Zivilbevölke-rung gehörten dunkelhäutige Arbeit-simmigranten aus westafrikanischenStaaten. Der Krieg zwang sie zurFlucht, Tausende von ihnen landetenim Flüchtlingslager Lampedusa. Dieitalienische Regierung bereitete ih-rem Aufenthalt schließlich ein Endeund hieß sie, das Land in Richtung

Norden zu verlassen. Rund 300 derabermals vertriebenen Kriegsflücht-linge erreichten Hamburg, ohne zu-nächst Aufsehen zu erregen, da sieim Nothilfeprogramm für Obdachlo-se Unterkunft fanden. Dies ändertesich schlagartig, als sie im Aprilabermals auf die Straße gesetzt undin den Folgewochen sogar von öf-fentlichen Plätzen, auf denen dasÜbernachten einheimischer Obdach-loser noch toleriert wird, vertriebenwurden.

In dieser Situation nahm die St.-Pau-li-Kirche 80 von ihnen auf, so viele,wie das Gotteshaus gerade noch fas-sen konnte. Die Lampedusa-Flücht-linge begannen sich zu organisieren,sie schlossen sich zur Gruppe "Lam-pedusa in Hamburg" zusammen undtreten seitdem mit ihren Forderungenum ein Bleiberecht geschlossen inder Öffentlichkeit auf. HamburgerGruppen, Kirchengemeinden, Ge-werkschaften und weitere Organisa-tionen, aber auch viele Privatperso-nen haben sich mit ihnen solidari-siert; sei es, daß sie praktische Un-terstützung leisten, sei es, daß sie anden zahlreichen Demonstrationenund Kundgebungen teilnehmen, diein der Hamburger Innenstadt von derGruppe und ihren Unterstützern or-ganisiert werden. Als vor wenigenWochen die Hamburger Polizei ge-

Lampedusa in Hamburg - Christenpflicht und Staatsräson,

Pastor Sieghard Wilm im Gespräch

"Das bekommt eine Dimension, die hätte ich nie für möglich gehalten."

Gespräch mit Pastor Sieghard Wilm am 2. November 2013in Hamburg St. Pauli

Soll Vitali Klitschko endlichFarbe bekennen?... (Seite 16)

Golden Boy macht Cotto Kampfgegen Alvarez schmackhaft... (Seite 16)

POLITIK / REDAKTION

SPORT / BOXEN

Kämpfe in Tripolis -Libyen vor dem BürgerkriegLibyens Zentralregierung bekommtdie Milizen nicht in den Griff

Am 7. November ist es in der liby-schen Hauptstadt Tripolis zu denschwersten Kämpfen seit dem SturzMuammar Gaddhafis vor zwei Jah-ren gekommen. Bei Feuergefechtenin mehreren Stadtteilen wurden dreiMenschen getötet und rund ein Dut-zend verletzt. Die Teilnehmer derAuseinandersetzung griffen sich ge-genseitig mit Maschinengewehrenund Granatwerfern an ... (Seite 9)

POLITIK / KOMMENTAR

Wir sind Deutschland? -Wir sind Lampedusa!

Sollte das ausnahmsweise einmal ei-ne gute Nachricht sein? "Verant-wortlicher der Lampedusa-Tragödiegefasst", titelt Die Welt [1 ] , und ent-sprechende Schlagzeilen bekommtman auch bei diversen anderen deut-schen Medien zu lesen. Ernüchte-rung folgt auf dem Fuß, denn natür-lich handelt es sich bei dem identifi-zierten Täter nicht um einen Mitar-beiter der GrenzschutzorganisationFRONTEX ... (Seite 10)

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Elektronische Zeitung Schattenblick

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zielt und verstärkt dunkelhäutigeMenschen in St. Pauli und St. Georg,wo die Gruppe Lampedusa in derNähe des Hauptbahnhofs ein Infozeltunterhält, zu kontrollieren begann,wuchs die Solidaritätsbewegung inder Stadt, aber auch bundesweit nochweiter an.

Der Tod Hunderter Bootsflüchtlin-ge Anfang Oktober im Mittelmeervor Lampedusa hatte einmal mehrallen in der Flüchtlingspolitik enga-gierten Menschen drastisch vor Au-gen geführt, für welch eine tödlichePolitik "Lampedusa in Hamburg"eigentlich Zeuge und lebendesMahnmal ist. Der Name der Gruppetrifft in doppelter Hinsicht insSchwarze. Die Kriegsflüchtlingeaus Lampedusa haben das ihnen wieder gesamten libyschen Zivilbevöl-kerung von den NATO-Staaten auf-gezwungene Kriegsschicksal in dieEU-Staaten zurück und in diesemFall nach Hamburg getragen. DerBegriff trifft aber auch deshalb zu,weil die Trennung zwischen Innen-und Außenpolitik inzwischen obso-let geworden ist. Die Abwehr uner-wünschter Menschen, StichwortFrontex und die Kriminalisierungvon Rettungsmaßnahmen zugunstenSchiffbrüchiger in Italien, scheinteine bislang noch nicht erreichtetödliche Qualität erreicht zu haben,wird doch die Zahl der im Mittel-meer in den letzten Jahren ertrunke-nen Flüchtlinge auf über 20.000 ge-schätzt und liegt womöglich nochweitaus höher.

"Lampedusa in Hamburg" könnteauch aufgefaßt werden als ein Hin-weis darauf, wie sehr die entrechteteLage zahlloser Geflohener, die ir-gendwo in der EU gestrandet sindoder sich im Stacheldraht ihrer Au-ßengrenzen verfangen haben, mögli-cherweise mit den realen Alltagser-fahrungen und Armutsbedingungender einheimischen europäischen Be-völkerungen korrespondiert. "Lam-pedusa in Hamburg" hieße dann, daßdie Menschen in der Hansestadt wieauch in allen anderen Regionen der

EU, die sich ihres relativen Wohl-standes sicher sein zu können glau-ben, an den persönlichen Lebensge-schichten dieser Kriegsflüchtlingeablesen könnten, wie sinnvoll undeffizient die Freisetzung einer ge-meinsamen Solidarität unter der Vor-aussetzung, daß die hiesigen Unter-stützer und Sympathisanten in ihremeigenen Interesse die Widersprücheund Grenzen eines allein humanitärbegründeten Engagements nicht län-ger ignorierten, womöglich seinkönnte.

Mit Pastor Sieghard Wilm von derSt.-Pauli-Kirche hatte der Schatten-blick am Tag der großen Demonstra-tion, deren von der Polizei vorab auf3.000 geschätzte Teilnehmerzahl mit9.000 (nach Polizeiangaben) odergar 10- bis 1 5.000 (nach Angabender Veranstalter) weit übertroffenwurde, die Gelegenheit zu einemlängeren Gespräch über die aktuelleLage, die Haltung der evangelischenKirche und die Beweggründe undSchlußfolgerungen eines engagiertenGeistlichen.

St.­Pauli­Kirche mit Nachbarhausund Grünanlagen ­ Eine Stätte, inder das Gebot der Barmherzigkeitnoch einen konkreten Bestand hatFoto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick: Das Kirchenasyl isteine alte Tradition in der Auseinan-dersetzung zwischen Staat und Kir-che und ist jetzt durch die Entschei-dung Ihrer Kirche, die Flüchtlingeder Lampedusa-Gruppe aufzuneh-men, neu in die Öffentlichkeit ge-bracht worden. Wie verstehen Siediese Unterstützung und wie ist dieEntscheidung zu der Aufnahme derFlüchtlinge zustande gekommen?

Sieghard Wilm: Da muß ich erst ein-mal eine inhaltliche Sache klarstellen.Es handelt sich nicht um Kirchenasyl.Das ist sehr wichtig zu unterscheiden,auch wenn die Boulevardpresse die-sen Begriff in diesem Zusammenhangöfter in die Öffentlichkeit geführt hat.Es handelt sich um humanitäre Not-hilfe. Das ist ein großer Unterschied.Denn Kirchenasyl tritt in dem Fallein, daß jemand Asyl in Deutschlandbeantragt hat und dieses Asyl abge-lehnt wird. Wenn dann das Beru-fungsverfahren beginnt, bietet dieKirche in dieser Zeit einen Schutz-raum, damit die betreffende Personnicht abgeschoben wird. Damit die

Berufungsverfahren erfolgreichdurchgeführt und alle Rechtsmittelbis hin zur Härtefallkommission aus-geschöpft werden können, ist Kir-chenasyl das Instrument.

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 3

Bei der Gruppe "Lampedusa in Ham-burg" handelt es sich nicht um Kir-chenasyl, denn diese Leute haben inDeutschland keinen Asylantrag ge-stellt. Die prinzipielle Schutzbedürf-tigkeit dieser Flüchtlinge ist durchden italienischen Staat schon aner-kannt worden. Das heißt, es geht hiernicht um die Frage einer grundsätzli-chen Schutzbedürftigkeit, die ist ge-klärt. Es geht um die Frage, ob Itali-en ihnen diesen Schutz nach dem eu-ropäischen Gesetzesrahmen - DublinII, Dublin III - geben kann oder gebenwill. Darüber gehen die Meinungendann auseinander. Nach unseren In-formationen ist Italien nicht in derLage oder auch nicht willens, ihnenden Schutz, der ihnen zustehen wür-de, zu geben. Ergo haben die Männerselbst eine innereuropäische Fluchtal-ternative gesucht und letztlich hier inHamburg gefunden. Das ist eine sehr,sehr komplexe Thematik.

SB: Wie könnte man die prekäre La-ge dieser Flüchtlinge jemandem ver-mitteln, der noch nie mit diesem Pro-blem in Berührung gekommen ist?

SW: Nun, die prekäre Lage ist ganzklar. Jeder hat versucht, aus der Mi-sere in Italien herauszukommen. Esmuß erbärmlich gewesen sein. DieLager wurden geschlossen. Die Leu-te kamen mitten im Winter auf dieStraße, einige hatten Geld erhalten,andere nicht. Es wird immer pau-schal darüber geredet, sie hätten al-le 500 Euro erhalten, aber dasstimmt so nicht, da gibt es sehr un-terschiedliche Informationen. Unddann sind die Leute schließlich hiergestrandet. Sie lebten hier in Ob-dachlosigkeit. Die Notprogrammhil-fe liefMitte April aus, danach warensie auf der Straße. Das ging so weit,daß hier in St. Pauli die polnischenObdachlosen, die unter Brücken le-ben, tatsächlich Platz gemacht ha-ben, damit neben ihnen noch Afrika-ner schlafen können. 300 Leute imStadtbild zusätzlich zu den Obdach-losen, die wir ohnehin schon haben- es gibt über eintausend Obdachlo-se in Hamburg -, das macht sich be-

merkbar, und so wurden Menschenin der Nachbarschaft darauf auf-merksam. Daß es eine Selbstorgani-sation am Hauptbahnhof gibt, habeich erst im Laufe der Zeit erfahren.

Ich habe die Leute konkret hier aufder Straße gesehen. Und dann wares so, daß sie eines Tages bei mirvor der Tür standen und fragten:"Können wir wenigstens aufs Kir-chengelände? Uns droht Vertrei-bung! " Die hatten immer wiederPlatzverweise bekommen, von ei-nem Park zum nächsten. Sie sagten:"Wir wollen um Gottes Willen nichtin Konflikt kommen mit dem Ge-setz. Können wir vielleicht in denKirchgarten, da wo die Gräberrei-hen sind?" Das fand ich zynisch,wenn man die Überlebenden dieserKatastrophe jetzt plötzlich nebenden Toten lagern läßt. Das ist un-glaublich! Da hätte ich doch nichtdie Kirche abschließen können! Dadrinnen ist alles warm und trocken,und draußen liegen die Leute zwi-schen den Gräbern. Das ist derGrund gewesen. Ich bin ganz ein-fach diesem Impuls gefolgt, der,glaube ich, ganz natürlich ist.

SB: Ein menschlicher Impuls, der beiIhnen mit dem religiösen Verständ-nis zusammenfällt?

SW: Ja, selbstverständlich. Das sindgrundlegende Werte, die wir unsereKinder lehren. Das ist etwas, was wirihnen sagen: "Helft, habt Barmher-zigkeit". Wer möchte denn Kindergroßziehen und ihnen diesenmenschlichen Ur-Impuls der Barm-herzigkeit, daß man den Nächstenanschaut, daß man Mitleid und Em-pathie empfindet, wer wollte das denKindern austreiben? Aber vielleichtsind wir im Moment gerade in einerDiskussion, in der es darum geht, obdas noch gesamtgesellschaftlicheWerte sind, die weiter kultiviert wer-den sollen, oder ob das sozusagen ei-ne Grenze hat. Das Verrückte, wasgeschieht, ist ja, daß diese Werte vonden sieben Werken der Barmherzig-keit etwa, die wir schon aus demMittelalter und aus den HeiligenSchriften der Juden kennen, heuteschon wieder in dem Verdacht ste-hen, kriminell zu sein. In der Öffent-lichkeit fiel der Vorwurf, wir würdenBeihilfe zum illegalen Aufenthaltleisten. Damit wird eigentlich diese

Transparent auf der Demonstration für die Anerkennung der Gruppe"Lampedusa in Hamburg" am 2. November 2013

Foto: © 2013 by Schattenblick

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Bewegung der Herzlichkeit und derWillkommenskultur, die hier ent-standen ist im Laufe der letzten Mo-nate, kriminalisiert. Das ist für michsehr erschreckend, daß Menschen,die einem natürlichen Impuls folgenzu helfen, kriminalisiert werden.

SB: Sind Sie persönlich oder IhresWissens nach andere Unterstützerschon von Repressalien bedroht, we-gen, wie Sie eben erwähnten, desVorwurfs der Beihilfe zum illegalenAufenthalt?

SW: Nein, aber ich finde es schon al-lerhand, daß mindestens ein Vertre-ter des Hamburger Senats, nämlichStaatsrat Sachs, öffentlich - schrift-lich, aber eben auch mündlich vorder Öffentlichkeit -, die St.-Pauli-Kirche, aber auch alle anderen Un-terstützer und Helfer der GruppeLampedusa in den Verdacht der Bei-hilfe zum illegalen Aufenthalt stellt.Das finde ich unerträglich. Das ist inder Öffentlichkeit auch nie zurück-genommen worden. Das heißt, manist in der Tat der Meinung, wir wür-den uns im Bereich des Kriminellenbewegen. Um nur ein Beispiel zunennen: Innensenator Neumann istletzte Woche gefragt worden, warumer denn noch nicht die Lampedusa-Flüchtlinge hier in der St.-Pauli-Kir-che besucht habe. Wir haben ihnmehrfach eingeladen. Ich habe ihnpersönlich ganz direkt eingeladen.Seine Antwort - das war am letztenDienstag im Julius-Leber-Forum derFriedrich-Ebert-Stiftung - war:"Denken Sie etwa, daß es die Aufga-be eines Innensenators wäre, sich mitKriminellen zu unterhalten?"

SB: Er hat nicht die geringsteMenschlichkeit erkennen lassen?

SW: Das ist für mich ein Spannungs-verhältnis, wenn ein Vertreter einessozialdemokratischen Senats über-haupt nicht erkennt, daß wir es miteiner Bürgerbewegung zu tun haben,die letzten Endes unsere Gesellschaftzukunftsfähig macht. Wenn wir kei-ne Barmherzigkeit wollen, was wol-

len wir dann? Das muß er dann ein-mal sagen! Wenn wir nicht mehrwollen, daß Menschen aus dem Im-puls heraus handeln, anderen, die aufder Straße liegen, zu helfen, waswollen wir dann? Es ist doch so, daßwir eine Migrantenkultur in der Stadthaben. Das Erfolgskonzept einerStadt besteht darin, daß Menschenvon außen dazu kommen, und dashaben wir hier in Hamburg. Jedesdritte Kind hat einen Migrationshin-tergrund. Was meinen Sie wohl,warum so viele Schülerinnen undSchüler das jetzt als ihr Thema er-kennen?

Es gibt sehr viel Solidarität vonSchulklassen, Schulelternräten undso weiter, die alle schon jetzt mit indiese Bewegung kommen, die erken-nen das als ihr eigenes Thema. Beivielen Schülern und Schülerinnenwerden eigene Traumata wach - vonnicht gerecht behandelt und als Men-schen zweiter Klasse angesehen zuwerden bis hin dazu, unter einem Be-weisdruck zu stehen, daß sie als Mi-granten überhaupt zu etwas nützesind. Die Beweislast wird in dieserGesellschaft leider so oft auf die Sei-te der Migranten gelegt, die bewei-

sen müssen, daß sie etwas taugenund unserer Gesellschaft zweckdien-lich sind. Dieses Trauma wird durchdie Lampedusa-Flüchtlinge aufge-brochen, das merken wir sehr wohl.Die Frage ist doch: Warum hat daseinen dermaßen großen gesellschaft-lichen Resonanzkörper?

SB: Man könnte sagen, daß es inHamburg eine Polarisierung in derFlüchtlingsfrage gibt. Es gibt immernoch Menschen, die die Flüchtlingeam liebsten weghaben wollen, abersehr viele denken und handeln docheher so, wie Sie es eben beschriebenhaben. Könnten Sie eine Einschät-zung wagen, wie sich diese gegen-läufigen Tendenzen weiter ent-wickeln werden?

SW (lacht): Ich erinnere mich an ei-ne Phase, in der ich den Eindruck be-kam, meine Güte, das wird ganzgroß, das bekommt eine Dimension,die hätte ich nie für möglich gehal-ten. Nicht nur hier auf St. Pauli ha-ben die Leute plötzlich mitgemacht.Schon bald tauchten die ersten Pla-kate auch in anderen Stadtteilen auf,eine ganze Welle der Solidarität ver-breitete sich weit über Hamburg hin-

Blick auf den Hamburger Hafen von der St.­Pauli­Kirche aus ­Hamburg, das Tor zur Welt ­ für Kriegsflüchtlinge geschlossen

Foto: © 2013 by Schattenblick

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aus. Und dann sprach ich mit Mitar-beitern der Innenbehörde und diemeinten: "Herr Wilm, ich warne Siedavor, daß die Stimmung kippt. Inder Stadt ist man gegen Sie, Sie ver-lieren an Basis" und so weiter. Dochdann wurden die Demos größer undimmer größer - da kommt man dannzu sehr unterschiedlichen Einschät-zungen.

SB: Je nach Interessenlage?

SW: Das kann ich so nicht sagen.Schauen Sie, es gibt Umfragen in denZeitungen. Je nachdem, wie die Fra-ge gestellt wird, haben wir dann plötz-lich 60 Prozent dagegen und 40 dafüroder 60 dafür und 40 dagegen. BeiUmfragen liegt in der Art der Frage-stellung ein erhebliches manipulativesPotential. Also ich weiß es nicht. Re-pressionen? Ja, es gibt Repressionen.Das Erschreckende ist, wenn eine Kri-minalisierung von offizieller Stelle er-folgt, wird sie dankbar von einem ge-wissen Spektrum der Medienwelt auf-genommen. Und hinterher? Also wirhaben hier Briefe, Haß-Emails undHaß-Telefonanrufe von allen mögli-chen Leuten aus dem rechten Randbekommen. Das ist schon bedrohlich.Da fallen auch Sätze, bei denen ichkurz davor bin, mich an die Polizei zuwenden, weil ich einfach Personen-schutz beantragen muß.

SB: Die Situation ist für Sie wie auchfür die Geflohenen gleichermaßenbedrohlich?

SW: Ja, natürlich. Das eskaliert, derHaß wird größer. Und sehen Sie, wieda in den Medien gearbeitet wird.Jetzt regen sich alle auf, daß schonwieder eine Demo in der Innenstadtstattfindet, weil man dann nichtshoppen könne. Auf dieser Welle rei-ten die Boulevardmedien. Das istnicht gut. Schon wieder gesteht manden Menschen, die für Gerechtigkeitauf die Straße gehen, ihre demokra-tischen Grundrechte nicht mehr zu.Und das alles, weil man dann nichtshoppen kann? In was für Diskussio-nen kommen wir da rein? Ich habe in

dieser Zeit sehr, sehr viel über dieGesellschaft gelernt. Ich habe einer-seits über St. Pauli viel erfahren undeine Gesellschaft der Solidarität. Ichhabe Unglaubliches erlebt, und zwardurch alle gesellschaftlichen Kreisehindurch, auch von Menschen, vondenen man es erst einmal gar nichtdenken würde. Aufder anderen Sei-te habe ich eine erschreckende Frat-ze der Gesellschaft erlebt, eine unge-schminkte Gesellschaft voller Haß,Neid, Häme und Schimpf aufs Gut-menschentum. Das ist ein Begriff,

mit dem wir jetzt oft geschlagen wer-den. Was ist die Alternative? DerBösmensch? Ah, wenn wir den wol-len.. . Also, ich bin da auch verlegen,weil das, was bereits geschehen ist,größer geworden ist als das, was wirüberhaupt haben kommen sehen. Wirhaben damit angefangen, praktischeHilfe zu leisten und haben nie gesagt,daß wir politisch sein wollen.

SB: Es hätte Ihr Empfinden verletzt,diesen Menschen nicht zu helfen?

SW: Das machen wir ohnehin. Ichhatte hier in meinem Haushalt einMädchen, das in den Kaukasus ent-führt wurde und das wir mit Müheaus der Russischen Föderation zu-rückbekommen haben. Das habe ichhier auch beherbergt, bis ihre Ver-

hältnisse geklärt waren. Es ist janicht so, daß wir hier das erste MalMenschen in Not helfen, das machenwir als St.-Pauli-Kirche sowieso.Wenn wir das nicht tun, dann habenwir unseren Anspruch als Kircheverloren. Der einzige Unterschiedist, daß es jetzt 80 Menschen sind.Jetzt wird damit angefangen, dieAfrikaner in der Öffentlichkeit gegendie Syrer auszuspielen. Und da sageich allen, liebe Leute, wenn das 80Syrer gewesen wären, hätten wir dasnatürlich auch gemacht.

Transparent auf dem Gelände derSt.­Pauli­Kirche mit der Aufschrift

"Botschaft der Hoffnung" ­Transparent auf dem Gelände der

St.­Pauli­KircheFoto: © 2013 by Schattenblick

SB: Haben Sie die vollständigeRückendeckung der Kirche und derGemeinde hier vor Ort?

SW: Ja. Wir sind in einer ganz, ganzengen Absprache mit der Bischöfin.Die Kirchenleitung hat schon imApril, als die Männer alle noch imWinternotprogramm waren, über dieganzen Themen beraten. Auf demKirchentag hat sich die Bischöfinauch schon zu dieser Frage verhal-ten. Ich bin auch Mitglied der Lan-dessynode, und wir haben einen Be-

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schluß der Landessynode zur Flücht-lingsthematik - ich glaube mit einerGegenstimme und zwei Enthaltun-gen. Das ist kein Alleingang der St.-Pauli-Kirche. Das ist ganz wichtig zusagen. Es wird durch die Medien im-mer wieder so polarisiert: Da ist derNeumann, da ist der Wilm. Das istUnsinn. Es geht hier nicht darum, daßSt. Pauli wieder einmal das rebelli-sche Kind ist und die St.-Pauli-Kirchedas gallische Dorf. Die Boulevard-presse hat sehr, sehr früh versucht,das so auszuspielen und einen Keilzwischen die Gesamtkirche und unszu treiben. Das ist denen nicht gelun-gen. Wir machen alles in Absprache.Aber das heißt auch, daß wir realpo-litische Wege gehen. Deswegen gibtes jetzt eine Absprache mit dem Se-nat, die Flüchtlinge ins Verfahren zuholen und ihnen faire Verfahrensbe-dingungen zu stellen. Darauf lassenwir uns nach langer Überlegung ein,um die unmittelbare humanitäre Si-tuation unserer Flüchtlinge zu verbes-sern. Wissen Sie, wir haben hier ein-einhalb Wochen gehabt im Belage-rungszustand durch die Polizei. Ichmöchte nicht, daß das jemand erlebt.Das war gerade erst vor drei Wochen.

SB: Das war das Racial-Profiling.

SW: Das war furchtbar. Sie gehenaus der Kirchentür, hier aus meinerWohnungstür gehe ich raus, unddann sind da Zivilbeamte an allenEcken. Da vorne an der Reeperbahnund an allen anderen Stationen wa-ren insgesamt 50 Beamte im Einsatz,nur um diese Aktion hier um die St.-Pauli-Kirche durchzuführen, und ei-nige hundert Polizisten waren in Be-reitschaft, falls es zu Demonstratio-nen kommt. Mit welch einem Wahn-sinnsaufwand hat man das durchge-führt? Die Gewerkschaft der Polizeihat das nachher kritisiert und gesagt,daß man die Frage stellen darf, obder jetzige Zeitpunkt geschickt ge-wählt war.

SB: Das war doch auch der Anlaß,der bei den Demonstrationen zur Es-kalation beigetragen hat.

SW: Wenn man das genau recher-chiert, wird man erkennen, daß esmehrere Stufen der Eskalation gab.Ich sag' es einmal so: Vom Senat wa-ren drei Dinge eskalierend, vielleichtkomme ich sogar auf vier Punkte.Punkt 1 ist, lange nichts zu tun undzu hoffen, das würde sich von alleinerledigen. Den ganzen Sommer über,mindestens sieben oder acht Wochenlang, hat der Senat kein Interesse ge-habt, irgend etwas zu klären. Wir ha-ben nur mit Mühe den ersten Kontaktund das erste Gespräch mit dem Se-nat bekommen. Ich glaube, acht Wo-chen haben wir uns darum bemüht,dann erst war es soweit. Das ist, fin-de ich, der erste Fehler. Der Senathätte eigentlich nach dem Ende desWinternotprogramms handeln müs-sen und zwar mit einer konstruktivenLösung, die für die Flüchtlinge in ih-rer Angst, in ihrer Bedrückung undTraumatisierung auch gangbar istund nicht einfach sagen: "Ihr be-kommt einen Teller Suppe, wenn ihrdafür eure Fingerabdrücke abliefert",oder "Ihr kriegt ein Dach über denKopf, wenn ihr dafür unterschreibt,daß ihr bereit seid, nach Italien zu-rückgeführt zu werden". Das sindkeine vertrauensbildenden Maßnah-men. Das ist der erste Fehler.

Der zweite Fehler war, daß die Poli-tiker sich zu früh politisch festgelegthaben. Scholz und Neumann habenAussagen gemacht wie "Die Männerhaben keine Zukunft in Hamburg, al-le 300 müssen zurück nach Italien".Das sind zu frühe Festlegungen. Dasind keine Handlungsspielräumemehr drin und ohne Gesichtsverlustnicht möglich. Der dritte Punkt istdie Kriminalisierung der Unterstüt-zer. Das ist sehr heikel. Wissen Sie,was geschehen ist? Inzwischen ha-ben sich die Eltern der Schülerinnenund Schüler, die sich hier seit Mona-ten engagieren, alle öffentlich selbstangezeigt.

SB: Als Protestmaßnahme?

SW: Ja. Bis hin zu einer Seniorin,die, glaube ich, zwischen 70 und 80

Jahre alt ist und sich auch selbst an-gezeigt hat, weil sie einen Kuchengebacken hatte. Das war FehlerNummer 3. Der vierte Fehler: nichtdie Zeichen der Zeit zu erkennen. Sieerinnern sich an die Folgen von Fu-kushima und die Atomwende derKanzlerin. Wann muß anders ge-dacht und anders umgegangen wer-den mit einem Thema, das weit grö-ßer ist als das Hamburger Flücht-lingsproblem? Lampedusa ist ein eu-ropaweit, ein weltweit diskutiertesThema; nicht umsonst haben wir hierauch eine Fernsehstation aus Japangehabt, das kanadische Fernsehenund die Wellington Post, die aufNeuseeland erscheint. Das ist alleskein Zufall. Das ist ein Thema, dasin der ganzen Welt Resonanz hat.Darum muß man damit auch sehrsorgfältig umgehen. Man kann nicht,noch ehe die Toten von Lampedusagezählt sind, schon die erste Polizei-maßnahme hier in St. Pauli durch-führen. Selbst wenn man in höch-stem Maße rechtskonservativ ist,muß man die Frage stellen, wie es diePolizeigewerkschaft auch tut. Derfünfte Punkt besteht darin, in der Öf-fentlichkeit verschiedene Flücht-lingsgruppen gegeneinander auszu-spielen, so daß es dann gute Flücht-linge gibt und böse. Das ist zynisch.Und das wurde versucht. Die Syrersind die guten. Ich kenne genug Sy-rer. Wir haben hier eine syrischeHochzeit in der Kirche gehabt, ichhabe Freunde, die engagieren sichfür Syrer. Es wird nicht wirklich wasgemacht, es läuft doch überhauptnichts. Fragen Sie alle Leute, die mitSyrern zu tun haben. Aber nach au-ßen hin werden großartige Erklärun-gen abgegeben.

SB: Der Umgang mit den syrischenFlüchtlingen ist auch nicht besser alsder mit anderen, oder?

SW: Ja, das ist furchtbar. Das sinddie Punkte. Ich bin nun wirklich keinPolitiker, ich sag's als simpler Staats-bürger, aber mir scheint, als wolleder SPD-Senat im Moment denCDU-Wählern beweisen, daß er zur

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 7

großen Koalition fähig ist. Dabeivergißt er leider die Tuchfühlung mitden Bürgerinnen und Bürgern hier inHamburg und auch mit den Genos-sen. Ich schließe mit einem Zitat vonWilly Brandt. Ich bin aus einer sozi-aldemokratischen Familie. MeinGroßvater war ein großer Anhängervon Willy Brandt. Meine frühestepolitische Prägung, mit fünf Jahrenschon, war Willy Brandt. Brandt hatalso gesagt: "Was hilft es, eine Mehr-heit zu gewinnen, aber damit zu ver-lieren, Sozialdemokrat zu sein?" Dasmacht mich echt nachdenklich.

Ohne eine Basis des Humanen kön­nen wir nicht zukunftsfähig bleibenFoto: © 2013 by Schattenblick

Es gibt Leute, die sich gerade ma-chen, das ist auch wunderschön zusehen, die gibt es auch in der SPD.Man kann sagen, politisch wurdenoch nie irgend etwas gewonnen.Einen Machtzuwachs dadurch zuerreichen, daß man sich für dieSchwächsten einsetzt - nein, dasfunktioniert nicht. Das wissen wir.Wer einfach nur versucht, Machtund Mehrheit zu gewinnen um je-den Preis und nicht nach Inhaltenfragt, den werden Flüchtlinge nieinteressieren. Aber ich glaube, daßes letzten Endes, wenn wir tiefer se-hen, eine Basis des Humanen gibt,die wir brauchen, auch um zu-kunftsfähig zu bleiben. Damit dasErfolgsmodell Stadt oder auchDeutschland in Zukunft wirklichfunktioniert, müssen wir einen an-deren Umgang haben. Und es stel-len sich natürlich viel größere Fra-

gen, nach dem Bruder Afrika, dervor unserer Haustür liegt, nach dereuropäischen Außen-, Wirtschafts-und Sicherheitspolitik. Das sindganz große Fragen, die sind eineNummer zu groß für mich. Wirmüssen jetzt irgendwie sehen, daßwir Sorge tragen für unsere 80 Gä-ste.

SB: A propos 80 Gäste. . . es sind ja80 von ursprünglich 300 Flüchtlin-gen, wo sind all die übrigen geblie-ben? Gibt es noch andere Quartiere,weitere Kirchen oder Privatperso-nen, die Menschen aufgenommenhaben? Oder leben heute noch wel-che auf der Straße?

SW: Das gibt es alles. Die meistenleben in prekären Situationen, ichsag' mal, im Keller oder so. Direktauf der Straße, das weiß ich im Mo-ment nicht. Aber davon abgesehengibt es noch andere Flüchtlings-gruppen, die auch alle nach Ham-burg kommen. Und es gibt noch an-dere Leute, die im Elend leben. Dasist ein großes Thema. Wir habenhöchstwahrscheinlich über tausendMenschen, die alle ohne Papiere,ohne überhaupt ein Dokument zubesitzen, hier in Hamburg sind. Dasmüßte politisch eigentlich auch ein-mal angefaßt werden. Was ist dasfür ein Verlust an Wirtschaftskraftund was für eine Gefährdung, ohnePapiere kriminell manipuliert zuwerden. Es gibt Modelle, daß euro-päische Staaten irgendwann einmalsagen, wer sich bis dann und dannmeldet, bekommt einen Status, we-nigstens ein Dokument, das ihn aus-weist.

SB: Sie haben die Flüchtlingspolitikdes Hamburger Senats bereits ange-sprochen. Könnte es Ihrer Auffas-sung nach sein, daß er in seinen Ent-scheidungen möglicherweise nichtso autark ist, wie es für eine Landes-regierung anzunehmen wäre? Sei es,daß Absprachen mit der Bundesre-gierung hier maßgeblich sind oderauch Entscheidungen der EU zumTragen kommen?

SW: Ja, der europäische Rahmenist entscheidend heutzutage, nichtdas nationale Recht. Aber wer hatden europäischen Rahmen gebro-chen? Italien! Das wird nicht er-wähnt, das wird immer gerne ver-schwiegen bis dahin, daß sich Po-litiker äußern wie "Italien ist einschönes Land, meine Frau und ichmachen dort gerne Urlaub". SolcheSätze hört man auch, oder, wie mirauch offiziell gesagt wurde, "Ver-trauen Sie doch Italien" und soweiter, "es ist eines der Gründungs-länder der Europäischen Union".Also ganz große, leere Sätze. Woich nur sagen kann, liebe Leute,Italien hat das Abkommen gebro-chen und ist seinen Verpflichtungennicht nachgekommen. Weil auf denanderen Schreibtischen die Arbeitnicht erledigt wurde, haben wirdieses Problem hier.

Niemand erwartet, daß Hamburgdas Problem allein löst, aber Ham-burg könnte jetzt mutig sein undsich gerade machen und könnte sa-gen, wir haben dieses Problem hier,wir senden einen starken Appell andie Bundesregierung - die stecken inden Koalitionsverhandlungen -, undan die Europäische Union, da müs-sen Entscheidungen getroffen wer-den. Sehen Sie zum Beispiel MartinSchulz, den Präsidenten des Euro-päischen Parlaments. Der sagt star-ke Sätze, der macht sich gerade.Warum nicht auch sozialdemokra-tisch übergreifend diese Leute mithineinnehmen und mit ihnen etwasmachen? Selbst die SPD-Innenmi-nister - Boris Pistorius in Nieder-sachsen, in Schleswig-Holstein istes Andreas Breitner - haben hier ei-ne andere Linie und Klarheit undzeigen in Flüchtlingsfragen sozial-demokratisches Profil. Warum tutHamburg das nicht? Darf ich daseinmal fragen, ohne daß ich dannschon wieder "Kloppe" bekomme,weil ich mich dazu äußere? Aber ichtue das als besorgter Seelsorger, dereinfach mit den Menschen Umganghat, und ich tue es dann eben auchals Staatsbürger.

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Seite 8 www.schattenblick.de Sa, 9. November 2013

Demonstranten unterstützen dieForderung nach Anerkennung nachParagraph 23 AufenthaltsgesetzFoto: © 2013 by Schattenblick

SB: Wäre es denn das richtige Zei-chen, die Lampedusa-Flüchtlingenach Paragraph 23 Aufenthaltsgesetzanzuerkennen?

SW: Wissen Sie, wir haben da zweiEbenen. Die eine ist, daß wir sagen,wir müssen öffentlich dafür kämp-fen, daß es zu einer Änderung desgesetzlichen Rahmens kommt, aberauch zu einer Änderung der Praxis.Nach dem jetzigen Gesetzesrahmenwäre das möglich, einfach per Ver-waltungsanordnung. Das hat Pistori-us in Niedersachsen sofort gemacht.Er hat diese bescheuerten Lebens-mittelpakete abgeschafft, weil dieeinfach nur demütigend sind. Ich ha-be mit einer Frau gesprochen, die istin Flüchtlingslagern in Niedersach-sen groß geworden. Die mußten je-den Cent einzeln abrechnen. An Bar-geld bekamen sie, glaube ich, 23Cent im Monat. Das sind alles so de-mütigende Dinge, die wirklich nichtnötig sind. Da kann man ganz, ganzviel machen. Man könnte die Flücht-

lingspolitik schon im jetzigen Geset-zesrahmen humanisieren. Das ist dieeine Ebene eines politischen Sich-Zeigens und Sich-gerade-Machensfür die Flüchtlinge und für eine Hu-manisierung.

Das andere ist die realpolitische Si-tuation, die wir hier im Moment ha-ben, und die akute humanitäre Notla-ge der Flüchtlinge hier in unserer Kir-che. Da kommen wir dann zu unter-

schiedlichen Antworten. Das heißt,selbstverständlich könnte man, wennman denn wollte, eine Anerkennungnach Paragraph 23 fordern. Nur, wirhaben genug Absagen bekommen inden letzten fünfMonaten - heute istes genau fünf Monate her, daß dieFlüchtlinge hier sind -, so daß wir sa-gen können, das wird der Senat nichtmachen. Das haben wir in x Gesprä-chen vorgeschlagen. Wir haben nochmit Berlin telefoniert rauf und runter- es ist nichts zu machen. Deswegenhaben wir gesagt, laßt uns versuchenauf Paragraph 24 (4) und (5) zu ge-hen, also Einzelfallprüfung, aberAufenthaltsrecht aus humanitärenGründen, und das versuchen wir jetztauch. Daß die Medien schon wiederschreiben, die Bewegung ist gespal-ten, das ist Unsinn. Wir haben ge-meinsame Werte. Dieses breite Bünd-nis, das wir in Hamburg hier habenund mit dem wir diese Werte auch öf-fentlich vertreten, ist hervorragend.Wann hat es das schon gegeben? Dasist lange her, würde ich sagen.

SB: Das trifft auch auf die Flüchtlin-ge zu, deren Proteste stärker gewor-den sind. Wann hat es das gegeben,

Vor der St.­Pauli­Kirche ­Transparente von Unterstützern der

Gruppe Lampedusa in HamburgFoto: © 2013 by Schattenblick

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 9

daß sich Menschen in einer so prekä-ren Situation zusammenschließen?

SW: Genau, so sieht es aus. Und jetztwird auch gleich der Regen aufhö-ren. Ich erwarte tausende Menschenauf der Demonstration. (lacht)

SB: Das war Ihr Schlußwort. VielenDank, Herr Wilm, für dieses Ge-spräch.

Fußnote:

[1 ] Nach Informationen der taz hatMichael Sachs, Staatsrat der Stadt-entwicklungsbehörde, zwei Tage voreiner Abstimmung der Altonaer Be-zirksversammlung über einen Antragder CDU-Fraktion, der Nordkirchedie Aufstellung von 35 beheiztenWohncontainern für Lampedusa-Flüchtlinge in den Kirchengemein-den St. Pauli, Ottensen und Sülldorfzu genehmigen, in einem Briefan dieChefin des Bezirksamtes Altona Lia-ne Melzer vor einer solchen Ent-scheidung gewarnt. Sachs habe alsBedingung für eine Genehmigungdes Bezirks genannt, daß sich dieKirche verpflichten müsse, der Aus-länderbehörde die Namen und denAufenthaltstatus der Flüchtlinge zunennen, und angemerkt, daß sie sichsonst wegen Beihilfe zur Illegalitätstrafbar machen würde.http://www.taz.de/! 1 26045/

Bisheriger Beitrag zu "Lampedusa inHamburg" im Schattenblick unter:www.schattenblick.de →INFOPOOL→BÜRGER/GESELLSCHAFT →REPORT:INTERVIEW/032: Lampedusa inHamburg - Tor ohne Tür, FlüchtlingA. Tchassei im Gespräch (SB)

http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/report/

brri0033.html

POLITIK / REDAKTION / NAHOST

Kämpfe in Tripolis - Libyen vor dem Bürgerkrieg

Libyens Zentralregierung bekommt die Milizen nicht in den Griff

Am 7. November ist es in der liby-schen Hauptstadt Tripolis zu denschwersten Kämpfen seit dem SturzMuammar Gaddhafis vor zwei Jah-ren gekommen. Bei Feuergefechtenin mehreren Stadtteilen wurden dreiMenschen getötet und rund ein Dut-zend verletzt. Die Teilnehmer derAuseinandersetzung griffen sich ge-genseitig mit Maschinengewehrenund Granatwerfern an. Nach Anga-ben der Nachrichtenagentur Reutersmußten verängstigte Gäste aus demHotel Raddison Blu evakuiert wer-den, nachdem dort die Fensterschei-ben der Empfangshalle durch Quer-schläger zu Bruch gegangen waren.Die jüngsten Ereignisse in der liby-schen Hauptstadt sprechen dafür, daßdie instabile Lage in dem Mittel-meerland allmählich in einen regel-rechten Bürgerkrieg umschlägt, derverheerende Folgen haben dürfte.

Auslöser der Kämpfe war ein vier-stündiges Feuergefecht, bei dem am5. November in Tripolis ein Milizen-führer aus der Hafenstadt Misrataums Leben gekommen ist. Zuvor warim Stadtteil Suq Al-Juma der Fahrereines Automobils ohne Nummern-schilder von staatlich autorisiertenMilizionären angehalten und zurÜberprüfung seiner Identität vor-übergehend festgenommen worden.Wenige Stunden nach der Freilas-sung kam diese Person mit bewaff-neten Freunden zurück, um sich fürdie Schmach zu rächen. Ob der Mi-lizenführer, der hierbei ums Lebenkam, mit der Person identisch ist, diezuvor in Gewahrsam genommenworden war, ist unklar. Fest steht,daß zwei Tage später eine größereGruppe Milizionäre mit Geländewa-gen aus dem 187 Kilometer östlichvon Tripolis gelegenen Misrata ver-sucht hat, Suq Al-Juma zu erstürmen.

In Libyen stehen mehr als 200.000Milizionäre unter Waffen. Nach derBeseitigung des früheren "Regimes"sollten die Milizen, die am SturzGaddhafis teilgenommen hatten, fürdie Einhaltung der öffentlichen Ord-nung sorgen. Deswegen bekamen diemeisten Milizangehörigen ein Gehaltvom Staat ausgezahlt. Auf die Weisesollten kurzfristig viele junge Män-ner, die ansonsten mit Waffengewaltgeplündert hätten, ruhiggestellt wer-den. Langfristig war geplant, die Mi-lizen aufzulösen und einen Teil ihrerAnhängerschaft bei Armee und Poli-zei in den Staatsdienst aufzunehmen,während der Rest sozusagen ins zi-vile Leben zurückkehren sollte.

Zwei Jahre später hat sich der wohl-gemeinte Plan als Wunschtraum er-wiesen. Der Staat hat die Milizennicht in die Schranken weisen kön-nen. Das Gegenteil ist der Fall. MitHilfe der Milizionäre hat die opposi-tionelle Moslembruderschaft im ver-gangenen Mai das Parlament zurVerabschiedung eines Gesetzes zurEntlassung aller früheren Gaddhafi-Getreuen aus dem Staatsdienst ge-zwungen. Am 10. Oktober wurde amhellichten Tag in Tripolis sogar Pre-mierminister Ali Zeidan von Anhän-gern des Milizenführers Abdelmo-nem al-Said vorübergehend entführt.Die Hintergründe der Aktion, dieZeidan als "kalten Putsch" bezeich-nete, sind bis heute verborgen ge-blieben.

Angesichts der jüngsten Entwick-lung mutet die Ankündigung der Re-gierung, sie werde ab dem 1 . Januar2014 die Gehälter für die Milizionärenicht mehr auszahlen, bis dahin soll-ten sich alle, die im Staatsdienst ver-bleiben wollen, bei den staatlichenStreitkräften bewerben, wie eine Ge-

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Seite 1 0 www.schattenblick.de Sa, 9. November 2013

ste der Hilflosigkeit an. Das Auslau-fen der staatlichen Zuwendungen andie Milizen wurde am 6. November,dem Tag nach dem Scharmützel inSuq Al-Juma, verkündet. Die weitschwereren Kämpfe am darauffol-genden Tag in Tripolis zeigen deut-lich, wie sehr die Zentralregierungden Ereignissen hinterherhinkt. Wieder erfahrene Nahost-KorrespondentPatrick Cockburn in einem am 28.Oktober bei Counterpunch erschie-nenen Artikel zu bedenken gab, set-zen sich Libyens Milizen gegen ihredrohende Entmachtung aktiv zurWehr. So haben sie in den letzten 12Monaten Attentate aufmehr als 80ranghohe Armee- und Polizeikom-mandeure mit tödlichem Erfolg ver-übt. Das jüngste Opfer der inoffizi-ellen "Säuberungswelle" wurde Ah-med Al-Barghathi, Leiter der Mili-tärpolizei in Benghazi, den unbe-

kannte Täter am 18. Oktober er-schossen, als er nach dem Freitags-gebet eine Moschee in der ostliby-schen Rebellenhochburg verließ.

Das Milizenunwesen ist auch der ei-gentliche Grund dafür, daß in Liby-en der Ölexport fast zum Erliegengekommen ist. In Benghazi haben inden vergangenen Wochen gleichzwei Gruppen eine eigene Regierungfür die Region Kyrenaika (ArabischBarqa) - neben dem südlichen Fes-san und westlichen Tripolitanien ei-ne der drei historischen Großprovin-zen Libyens - ausgerufen. Rund umBenghazi sind die meisten Ölraffine-rien und -exportterminals von Mili-zionären besetzt und stehen deshalbstill. Bei den Förderanlagen, die zumTeil in der Region um Benghazi undzum Teil in der südlichen Sahara lie-gen, sieht die Situation ähnlich aus.

Dadurch sind Libyens Ölexporte aufschätzungsweise 250.000 Barrel proTag geschrumpft und in der Folge dieHaupteinnahmequelle der Zentralre-gierung in Tripolis praktisch ver-siegt. Statt auf eine rasche Besserungder Wirtschaft und einen zügigenAbbau der grassierenden Arbeitslo-sigkeit steuert Libyen auf eine dra-stische Verschärfung der sozialenLage zu, wenn der Staat demnächstder Bevölkerung nicht mehr starksubventioniertes Brot, gebacken ausMehl von internationalen Lebens-mittelmärkten, zur Verfügung stellenkann. In Libyen stehen die Zeichenauf Sturm. Ein Ausweg aus der Ab-wärtsspirale ist nicht in Sicht.

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/

nhst1266.html

POLITIK / KOMMENTAR / REPRESSION

Wir sind Deutschland? - Wir sind Lampedusa!

Sollte das ausnahmsweise einmal ei-ne gute Nachricht sein? "Verantwort-licher der Lampedusa-Tragödie ge-fasst", titelt Die Welt [1 ] , und ent-sprechende Schlagzeilen bekommtman auch bei diversen anderen deut-schen Medien zu lesen. Ernüchte-rung folgt auf dem Fuß, denn natür-lich handelt es sich bei dem identifi-zierten Täter nicht um einen Mitar-beiter der GrenzschutzorganisationFRONTEX, einen italienischen Po-litiker oder gar einen hohen Reprä-sentanten der EU. Festgenommenhat die italienische Polizei vielmehreinen mutmaßlichen Menschen-schmuggler, der jene Überfahrt miteinem verrotteten Schiffmitorgani-siert haben soll, bei der am 3. Okto-ber 336 Flüchtlinge ertranken. Über-lebende der Katastrophe vor Lampe-dusa haben einen 24jährigen Soma-lier erkannt und zu lynchen versucht.

Ihren Berichten zufolge wurden alleweiblichen Passagiere von Mitglie-dern der Schmugglerbande verge-waltigt, andere Überlebende berich-teten von Folter. Das überfüllteFlüchtlingsboot, dessen Insassen zu-meist aus Eritrea stammten, war un-weit der Küste der süditalienischenInsel Lampedusa nach einem Brandan Bord nachts gekentert. Unmittel-bar nach der Tragödie wurde bereitsder 35jährige tunesische Kapitän desUnglücksbootes verhaftet.

So verwerflich und strafwürdig dasgrausame Unwesen der Schlepper-banden sein mag, bleibt doch festzu-halten, daß deren als Verbrechen aus-gewiesene Umtriebe aufdem Nähr-boden legaler Flüchtlingspolitik, fürrechtmäßig erachteter Institutionenauf nationaler wie europäischer Ebe-ne und der Handlungsweise staatli-

cher wie überstaatlicher Grenz-schutzbehörden gedeiht. Gleichgül-tigkeit, fehlende Hilfsbereitschaftund mangelnde Menschlichkeit ge-genüber Flüchtlingsschicksalen zubeklagen, greift da nicht nur zu kurz,sondern verschleiert im Gegenteildie zugrundeliegenden Interessender Abschottungspolitik und ihremörderischen Konsequenzen. Jaselbst der scheinheilige Verweis,man müsse die Probleme in den Her-kunftsländern lösen, damit sich dieFlüchtlinge gar nicht erst auf denWeg machen, verschweigt geflis-sentlich die ursächliche Beteiligungeuropäischer Handels- und Kriegs-politik an den elenden Verhältnissen,vor denen die Menschen zu fliehenversuchen.

Wie viele Migranten das Mittelmeerverschlingt, wollte man die Ratio eu-

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ropäischer Flüchtlingspolitik unzu-lässigerweise den Naturgewalten an-lasten, weiß niemand. Da es kaumverläßliche Statistiken gibt, greiftman auf dokumentierte Todesfällezurück und versucht Schlüssel zuentwickeln, die zumindest grobeSchätzungen erlauben. Demnachsind mindestens 8.000, jedoch wahr-scheinlicher mindestens 20.000 bis25.000 Menschen und anderen Quel-len zufolge womöglich sogar bis zu40.000 Flüchtlinge seit 2008 bei demVersuch ertrunken, über das Mittel-meer nach Europa zu gelangen. Ei-nem Bericht der Zeitschrift L'Ex-press zufolge, der sich auf Schätzun-gen der französischen Geheimdien-ste beruft, ertrinkt im Schnitt jedervierte Bootsflüchtling. Geht man vonetwa 166.000 Flüchtlingen seit 2008aus, welche die Route über das Mit-telmeer wählten, kommt man zu derhöchsten derzeit geschätzten Opfer-zahl. Rechnet man den noch weitgrößeren Friedhof in der Sahara, dieMortalitätsrate in Flüchtlingslagernund die Toten infolge des behördli-chen Umgangs mit Asylsuchendenhinzu, zeichnet sich eine noch sehrviel höhere, jedoch in der Öffentlich-keit so gut wie gar nicht wahrgenom-mene Opferzahl ab.[2]

Während die Kontroverse um Auf-nahmekontingente und die Rechtmä-ßigkeit von Migrationsbewegungenhierzulande hohe Wellen schlägt,übersieht man zumeist, daß statisti-schen Daten des UN-Flüchtlings-kommissariats (UNHCR) zufolge et-wa 80 Prozent der Flüchtlinge, teilsjahrelang, in Nachbarstaaten bleiben,die selbst oftmals arm sind. Seit An-fang 2012 haben allein die Nachbar-staaten Syriens über einer MillionFlüchtlingen die Tore geöffnet, wo-hingegen sich die deutsche Politikrühmt, gut 6.000 syrische Flüchtlin-ge aufgenommen und damit in Euro-pa den Löwenanteil bewältigt zu ha-ben, weshalb nun andere an der Rei-he seien. Dabei ist die Schutzquotefür Flüchtlinge aus Syrien sogar diehöchste in Deutschland, weil dieseals Faustpfand zur Bezichtigung der

Regierung in Damaskus instrumen-talisiert werden. Relativ hoch liegtdie Anerkennungsquote auch bei ira-nischen Asylsuchenden, während esum Menschen aus Afghanistan unddem Irak erheblich schlechter be-stellt ist. Serbische und mazedoni-sche Flüchtlinge werden seit Herbst2012 gar mit einem pauschalen Ab-lehnungs- und Schnellverfahrentraktiert.

Schnellverfahren ohne Einzelfall-prüfung für die einen, Wartezeitenvon über einem Jahr auf die ersteEntscheidung für die anderen. Aner-kannte Schutzbedürftige zweiterKlasse im Falle von Abschiebungs-verboten, wenn man Menschen nurdeswegen nicht abschiebt, weil ih-nen im Herkunftsland Tod oder Fol-ter drohen, was wiederum in ande-ren Fällen keineswegs als Hinde-rungsgrund erachtet wird. Hinzukommt, daß 2012 rund 23 Prozentder Asylanträge gar nicht inhaltlichgeprüft wurden, weil es sich vor al-lem um "Dublin-Fälle" handelte, indenen man einen anderen EU-Staatfür zuständig erklärt. Wer vom Du-blin-System profitiert, liegt aufderHand: Deutschland hat im vergange-nen Jahr doppelt so viele Flüchtlin-ge ins EU-Ausland überstellt, wieumgekehrt nach diesen Maßgabenaufgenommen wurden. Viele Über-stellungen gingen nach Italien, des-sen Aufnahmebedingungen zu denschlechtesten in Europa gehören.Deutsche Verwaltungsgerichte ha-ben in nicht wenigen Fällen Ab-schiebungen nach Italien, aber auchnach Ungarn, Malta und Bulgariengestoppt. Problematisch sind zudemdie zahlreichen Überstellungen vonIrakflüchtlingen nach Schweden,das im Unterschied zu Deutschlandabgelehnte Asylsuchende in denZentralirak abschiebt.

Lang ist die Liste administrativerGrausamkeiten im Gewand rechtmä-ßigen behördlichen Handelns. Selbstunbegleitete Kinderflüchtlinge ha-ben schlechte Karten, da sie von Be-hörden oft älter gemacht werden, als

sie selbst angeben. Die Schutzquoteafghanischer Minderjähriger lag bei41 Prozent und betrug bei ihren ira-kischen Altersgenossen sogar nur 21Prozent. Die Abschiebung einesKindes ist grundsätzlich möglich,doch müssen sich Behörden vorhervergewissern, daß es einem Famili-enmitglied oder einem Kinderheimübergeben wird. Das Bundesamtmacht sich diese Regelung auf perfi-de Weise zunutze und lehnt Minder-jährige, die keine Eltern mehr habenoder deren Eltern nicht auffindbarsind, mit Verweis darauf ab, daß sieja ohnehin nicht abgeschoben wer-den dürften. Das bedeutet im Ergeb-nis, daß diese Minderjährigen zwarbleiben, aber statt eines Schutzstatusnur eine Duldung erhalten, was ih-nen Integrationsmöglichkeiten ver-baut.[3]

Was aber FRONTEX betrifft, daswenige Tage nach der Katastrophevon Lampedusa durch das vom EU-Parlament gebilligte Grenzüberwa-chungssystem EUROSUR ergänztworden ist, so wurde diese Agenturschon des öfteren mit dem Vorwurfkonfrontiert, sie sei an Menschen-rechtsverstößen beteiligt. HumanRights Watch zufolge veranlaßte sieEinsätze in Griechenland, bei denenMigranten unmenschlicher und er-niedrigender Behandlung ausge-setzt werden. Ein aktueller Berichtdes ARD-Magazins Monitor sprichtvon Beteiligung an sogenanntenPush-back-Aktionen, bei denenFlüchtlinge auf hoher See abgefan-gen und in Drittstaaten zurückge-schickt werden. Von den Journali-sten darauf angesprochen, räumteder Leiter von FRONTEX, IlkkaLaitinen, ein, daß solche Aktionenin einigen wenigen Fällen vorge-kommen seien. Das mutet beinahewie ein kleiner Fortschritt an, daFRONTEX solche Vorwürfe in derVergangenheit unter Verweis aufeinstriktes und eingeschränktes Man-dat stets abgestritten hat.[4] Es ent-behrt nicht einer schrägen Ironie,daß die Agentur seit zwei Jahren so-gar eine Menschenrechtsbeauftrage

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beschäftigt, die sicher bestätigenkann, daß alles mit rechten Dingenzugeht, wenn man Jagd auf Flücht-linge macht. Angesichts solcher in-stitutionalisierten Grenzschutz-Men-schenliebe ist man fast schon ge-neigt, nicht als einen ersten Schrittdie ersatzlose Abschaffung vonFRONTEX zu fordern, sondern imGegenteil mit dem Schlachtruf "Wirsind Deutschland! " gleich noch einsiegessicheres "Wir sind Lampedu-sa! " anzustimmen.

Fußnoten:

[1 ] http://www.welt.de/politik/ausland/article121689080/Verant-wortlicher-der-Lampedusa-Tragoe-die-gefasst.html

[2] http://vergessene-kriege.blogspot.de/2013/10/opferzahlen-bis-zu-40000-fluchtlinge.html

[3] http://www.proasyl.de/de/themen/zahlen-und-fakten/

[4] http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/Frontex-Grenz-schutz-Europa/seite-2

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/

repr1509.html

BOULEVARD / TEST & SPASS / TAGESSPALT

Kurzweiliges für Samstag, den 9. November 2013

Fehler

Mit Adleraugen sehen wir die Fehler anderer,mit Maulwurfsaugen unsere eigenen.(Franz von Sales)

Alle Fehler bleiben stehen,weil doch Freund und Feind sie sehen.HB

Der olympische Gedanke ist längstzu einem Instrument der Politik ge-worden. Nicht erst seit 1 972 weißman das. Auch in der jüngeren Ge-schichte wurde der Geist der Olym-pische Spiele, sofern es je einen ge-geben hat, außer Kraft gesetzt. Dieerste inoffizielle Schacholympiade,damals hieß sie noch Mannschafts-weltmeisterschaft, wurde 1924 inParis ausgetragen. Erst ab London1927, wo das ungarische Team, be-stehend aus Maróczy, Nagy, Vadja,Steiner und Havasi den ersten Platzvor Dänemark und England errang,beginnt die offizielle Zählung. 1 2Jahre später kam es zum ersten Eklat.1 939 fanden sich die Nationen inBuenos Aires ein. Doch der Kriegs-ausbruch zerstörte das friedlicheBeisammensein. So trat England vonden Spielen zurück, und die Paarun-gen von Deutschland gegen Polensowie zwischen Frankreich und Pa-lästina mußten kampflos Remis ge-geben werden. Die Spieler wolltenaus begreiflichen Gründen nicht ge-geneinander antreten. Deutschlanderrang seinerzeit den einzigenOlympiasieg, aber es war nur einPyrrhussieg. Die deutschen Spieler

SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX

Pyrrhussieg in Buenos Aires

blieben in Argentinien, während Eu-ropa unter den Kriegswirren undmillionenfachem Tod erzitterte.Vielleicht sollte man Computer dieOlympische Spiele bestreiten lassen.An "Geist" fehlt es ihnen gewißnicht, wie Mephisto im heutigenRätsel der Sphinx bewies, der aufdem Münchner Open von 1989 aus-gerechnet gegen den MenschenHeinz Engl einen höllischen Sieg er-rang. Nach beiderseitigem scharfenSpiel entstand folgendes Stellungs-diagramm. Mephisto, mit denschwarzen Steinen am Zug, zeigtewenig Interesse, sich am weißenSpringer zu vergreifen. Schließlichgab es lohnenswertere Optionen,Wanderer!

Engl - MephistoMünchen 1989

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel: Insolchen Stellungen sollte man lieberdem Bauernraub widerstehen. AlsJusupow dennoch mit 1 . . .Td7xd4zugriff, stahl sich ein feines LächelnaufKortschnojs Gesicht. Kein Wun-der, denn mit 2.Th1 -h8+! Kg8xh83.Df3xf7! Td4-d1 4.Tc1xd1 Td8xd15.Se3xd1 Dg5xe5 6.Df7-e8+ erranger einen würdigen katalanischenSieg. Jusupow gab auf, wissend, daßer nach 6.. .Kh8-g7 7.De8xe7+ Kg7-g8 8.Sa4-c5 nichts zu lachen gehabthätte.

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 1 3

"Jeder braucht seine Tagesdosisan Bedeutung für Andere!"

Klaus Dörner, der bekannte Psychia-ter und Autor, der sich schon wäh-rend seiner praktischen klinischenTätigkeit konsequent für eine Weltohne Heime engagiert hat, streitetjetzt nicht mehr nur für die Deinsti-tutionalisierung in der deutschenPsychiatrie und die Inklusion psy-chisch Kranker und Behinderter,sondern auch für das lebenslangeMiteinander von jungen und altenMenschen.

Heutzutage möchte niemand mehr inein Heim, weiß Dörner in seinenzahllosen Vorträgen zu berichten.Das im 19. und 20. Jahrhundert auf-gebaute duale System "Wohnung /Heim", das mit der Industrialisierungund dem Versprechen einherging,auch im Alter gut versorgt zu sein,habe ausgedient und stoße auch wirt-schaftlich an seine Grenzen.

Zu spüren bekommen das die Be-troffenen. Der auf der Hand liegen-den Frage, ob denn Menschen, dieihre ökonomische Verwertbarkeitfür den Staat und die Gesellschaftverloren haben, in der heutigen Zeitund in Zukunft davon ausgehenmüssen, daß sie keinen Anspruchmehr auf ein gesichertes und men-schenwürdiges Leben im Alter erhe-ben dürfen, tritt Klaus Dörner miteinem klaren "nein" entgegen, ob-wohl oder gerade weil die Lebens-wirklichkeiten vieler alter Men-schen in Deutschland ein beredtesZeugnis von der katastrophalen Si-tuation ablegen.

Klaus Dörner hat sich nach seinerEmeritierung im Jahr 1996 auf dieSuche nach Alternativen begeben.Inklusion, also das Recht eines jedenMenschen "in allen relevanten ge-sellschaftlichen Bereichen von Be-ginn an dazu zu gehören, Wert ge-schätzt zu werden, sich als zugehö-rig erleben und fühlen zu können -unabhängig davon, wodurch die Zu-gehörigkeit gefährdet ist" [1 ] , hat inseinem Leben und Wirken schon im-mer eine zentrale Rolle gespielt.

Der Autor ist sich selbst treu geblie-ben. Galt sein Engagement im Lau-fe seiner Karriere als Psychiater stetsder Deinstitutionalierung und derWiedereingliederung psychischkranker Menschen in ein normalesLebensumfeld, so setzt er sich auchheute noch für das soziale und alltäg-liche Miteinander von Alt und Jung,von Pflege- oder Hilfsbedürftigenund Gesunden in ihrem vertrautenLebensumfeld ein.

Denn wer wünscht sich das nicht: alt-werden zu können, ohne sich Sorgenum die eigene Versorgung oder eineinstitutionelle ENDsorgung für denFall, daß man es allein nicht mehrschafft, machen zu müssen; zu wissen,daß man sich auf sein soziales Umfeldverlassen und stützen kann, daß manmit seinen alters- oder krankheitsbe-dingten Einschränkungen weiterhindazugehört und seinen Platz in dervertrauten Umgebung behält; daß manselbst im Fall der Pflegebedürftigkeitsicher sein kann, daß gut für einen ge-sorgt, man nicht allein gelassen und inein beliebiges vielleicht sogar ortsfer-nes Heim abgeschoben wird.

Die Zahl der alten Menschen nimmtzu und die Basis der Bevölkerungs-pyramide schrumpft, was bedeutet,daß immer weniger Jüngere für im-mer mehr Alte sorgen müssen. Es istkein Geheimnis, daß sich dieses Pro-blem in den kommenden Jahren nochverschärft, denn laut "Pflegereport2030" der Bertelsmann Stiftung wirdder Pflegebedarf bis zum Jahr 2030um 50 Prozent steigen.

Gleichzeitig werden die Soziallei-stungen des Staates immer weiterabgebaut. Immer weniger Pflegelei-stungen werden von der Kasse über-nommen. Für jede pflegerische Er-fordernis muß die Rechtfertigung er-bracht werden, daß sie wirklich not-wendig ist. Das Personal in den Kli-niken und Heimen ist überfordert. Esmangelt an Pflegekräften, die sichadäquat kümmern können. Für per-sönliche Gespräche, die Begleitungbei einem Spaziergang oder Einkaufbleibt keine Zeit und für über diepflegerischen Maßnahmen hinaus-gehende menschliche Kontakte istkein Etat vorgesehen. Überall wirdgekürzt, Arbeitsplätze eingespart.Das Finanzregime der staatlichenund privaten Heime ist so eng regu-liert, daß außer der bloßen Grund-pflege und Versorgung keine Reser-ven für kleine Extras vorhanden sind.

Durch den Verfall des Sozialstaats inden letzten Jahrzehnten hat zudemdie Altersarmut rapide zugenommen.Immer weniger Menschen können essich leisten, die für ein würdiges Da-sein in einer lebenswerten Umge-bung erforderliche Pflege privat zufinanzieren. Renten werden gekürzt

BUCH / SACHBUCH / REZENSION

Klaus Dörner

Helfensbedürftig

Heimfrei ins Dienstleistungsjahrhundert

Klaus DörnerHelfensbedürftigHeimfrei insDienstleistungsjahrhundertParanus Verlag, Neumünster2. Auflage 2012Edition Jakob van Hoddis248 Seiten, Preis 19,95 EURISBN 978­3­940636­18­8

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Seite 1 4 www.schattenblick.de Sa, 9. November 2013

und reichen knapp zum Überleben.Viele sind gezwungen, sich trotz ih-res Alters und der damit verbunde-nen Einschränkungen und Behinde-rungen mit Minijobs noch etwas hin-zuzuverdienen.

Die heutigen Lebensverhältnisse las-sen es in vielen Fällen nicht zu, daßein Familienangehöriger im Krank-heitsfall oder weil er es allein nichtmehr schafft, von der Familie, denKindern oder Enkeln gepflegt wird.Die Wohnverhältnisse sind zu be-engt, die Wege haben sich meistJahrzehnte zuvor getrennt, und diefinanziellen Belastungen erfordernimmer öfter mehr als einen Job zumÜberleben, so daß auch die dafür be-nötigte Zeit nicht zur Verfügungsteht.

Daß Altwerden eines der großen so-zialen Probleme unserer Zeit dar-stellt, ist der gesellschaftlichen Ent-wicklung der letzten Jahrzehnte ge-schuldet. Fand das Altwerden imvorletzten Jahrhundert noch vorwie-gend im Kreis der Familie statt, soentwickelten sich im Zuge der Indu-strialisierung im 19. und 20. Jahr-hundert Strukturen, die eine geson-derte Unterbringung alter Menschenin Heimen vorsah.

Es blieb [...] der beginnenden Indu­strialisierung vorbehalten, solchemodernen Trennungsoperationen aufimmer mehr Lebensformen auszu­weiten und vor allem systematischdurchzusetzen. So erzwang die Aus­lagerung der Güterproduktion ausden Handwerksstuben in die Fabri­ken die Trennung der Arbeits­ vonder Lebenswelt und damit eine vielrigidere Geschlechtertrennung als jezuvor. Das dem entsprechende indu­strielle Menschenbild der einseitigenLeistungsbewertung ­ ein Mensch istumso weniger Mensch, je leistungs­minderwertiger er ist ­ führte nachdemselben Trennungsmotiv konse­quent zur Etablierung flächen­deckender Institutionssysteme fürpsychisch Kranke, Körperbehinder­te, geistig Behinderte und in dem

Maße, wie diese allmählich zunah­men, auch für Alterspflegebedürfti­ge, Sieche und Demente. Ausgren­zungskriterium für diese Menschen,die ja immerhin Familie, Freunde,Nachbarschaft, ihr Wohnviertel, ih­re kirchengemeindliche und kommu­nale Zugehörigkeit, ihre Freiheitebenso wie ihre Bedeutung für Ande­re verloren, waren das Maß ihrerLeistungsminderwertigkeit und ihresStörpotenzials.(Seite 25)

Sinn dieses Systems war also dieFörderung der für den Fortschritt unddie Ökonomisierung der Wirtschaftnotwendigen "Leistungssteigerungs-gesellschaft durch Ausgrenzung derLeistungsminderwertigen." (S. 1 99)Die Divise hieß: stationär vor ambu-lant, um möglichst viel der dringendgebrauchten Arbeitskraft, die sonstfamiliär durch Pflegeaufgaben ge-bunden wäre, für den Aufbau der In-dustriegesellschaft freizuhalten. Dergesellschaftliche Wandel hin zurKleinfamilie und damit zur zuneh-menden Vereinzelung war verbun-den mit dem Versprechen, im Alterund im Pflegefall vom Staat gut ver-sorgt zu werden.

Die Institutionalisierung und Profes-sionalisierung des Helfens - einemenschheitsgeschichtliche Ausnah-me, wie Dörner betont - ging einhermit einem rasanten medizinisch-technischen Fortschritt, bei demschon bald absehbar war, daß sichdieser nicht mit dem Anspruch einesSozialstaats, jedem die gleichenChancen für eine medizinische Ver-sorgung einzuräumen, in Deckungbringen ließ. Folge war und ist derkonsequente Abbau der Soziallei-stungen des Staates und eine zuneh-mende Privatisierung ursprünglichstaatlich vorgehaltener Dienstlei-stungen.

"Helfensbedürftig" ist nicht das ersteBuch von Klaus Dörner, das sich mitdem Problem des Alterns in unsererheutigen Gesellschaft befaßt. Esknüpft direkt an das Buch "Leben

und Sterben wo ich hingehöre" an,das im Jahr 2007 erschienen ist undin dem der Autor seine Utopie einesumfassenden deinstitutionalisiertenHilfesystems mit Bürgerbeteiligungvorstellt. Er geht davon aus,

dass wir in der Tat in absehbarer Zeitso weit sein können, wenn wir bloßwollen, dass alle Menschen mit Han­dicaps bis hin zur Demenz, ihremWunsch folgend, in eigenen vierWänden oder zumindest in der Ver­trautheit ihres Stadtviertels bzw.Dorfes leben und sterben [können].(Seite 8)

Klaus Dörner hat sich in seinemBuch "Helfensbedürftig" auf dieSpurensuche nach alternativen Mo-dellen für ein Zusammenleben vonAlt und Jung in der heutigen Zeit be-geben und die Ergebnisse seiner Su-che akribisch zusammengetragen.Ohne zu werten, stellt er die ver-schiedenen Ideen und Ansätze, die esin kleinen und großen Gemeinden inDeutschland, Österreich und derSchweiz gibt, vor. Für ihn bietet je-der Ansatz, jede Initiative in dieserRichtung die Chance, etwas zu ver-ändern und die alten Menschen indas alltägliche Leben zu integrierenoder anders gesagt, sie nicht aus demalltäglichen Leben zu entlassen.

Daß alle Konzepte erst entwickeltwerden müssen und bei ihrer Umset-zung häufig korrekturbedürftig sind,setzt er als selbstverständlich voraus.Doch jede Idee ist besser, als die Ab-schiebung alter Leute in Heime, indenen sie die letzten Jahre ihres Le-bens oftmals in Armut und ohne je-de Möglichkeit, ihren Teil zum ge-sellschaftlichen Leben beizutragen,vor sich hinvegetieren. Jeder Menschbraucht seinen Teil an sozialer Aner-kennung. Abgeschoben in Heimewird ihnen die Erfüllung dieses Be-dürfnisses verweigert.

Das Ansinnen von Dörner ist es,durch die Sammlung und Vorstellungder verschiedensten Beispiele neuerHilfeformen sowie durch eine kriti-

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 1 5

sche Bewertung und Verallgemeine-rung der unterschiedlichen Ansätzeeine neue und zukunftsfähige Hilfe-kultur für alle zu fördern. Im zweitenSchritt möchte er dann "die Verant-wortlichen und Machthaber in denverschiedenen gesellschaftlichenHierarchien - von der Kommune überdie Wirtschaft bis zur Bundespolitik- ins Boot [. . . ] holen." (Seite 6), umdieses bürgerschaftliche Engagementder Basis auf gesamtgesellschaftlicheFüße zu stellen.

Mehr als 1000 Reisen hat der Autor inden letzten Jahren auf sich genom-men, um die verschiedenen Projektezu besuchen und kennenzulernen. Da-bei war es ihm von Anfang an ein be-sonderes Anliegen, zur Verknüpfungbeizutragen, denn viele Ideen kämp-fen mit gleichen oder ähnlichen Pro-blemen und können sich durch einengegenseitigen Austausch befördern.

Bei seinen Recherchen ist Klaus Dör-ner auf ein Phänomen gestoßen, daser als eine Art neue Bürgerhilfebewe-gung bezeichnet und das mit demvomAutor neu geschaffenen Begriff"helfensbedürftig" auch in den Titeldes Buchs Eingang gefunden hat. Esbeschreibt die Erkenntnis des Autors,daß heute im Unterschied zu früher"ein bis zwei Drittel der Bevölkerungdazu neigen, einen Teil ihrer so schö-nen freien Zeit als 'soziale Zeit' fürAndere zu verausgaben". (Seite 6)Das Bedürfnis, helfen zu wollen undhelfen zu können, stelle, so der Au-tor, das tragende Element für einnachhaltiges Engagement der Bürgerdar, denn die Erfüllung dieses Be-dürfnisses sei eine Grundvorausset-zung für ein zufriedenes Leben.

Es ist das Verdienst des Autors, daßer seine ganze Streitbarkeit und seinEngagement im Sinne dieser Hel-fensbedürftigkeit und der neuen Bür-gerhilfebewegung einsetzt, um sei-ner Vision einer umfassenden Inklu-sion, also der Idee eines gleichbe-rechtigten und unbehinderten Zu-sammengehörens aller Menschen -auch der alten - näherzukommen.

Doch stellt sich dem kritischen Le-ser an dieser Stelle die Frage, inwie-weit sich Dörners Idee, die ein Inter-esse an der Unterstützung nicht nurder Familie, sondern auch der Nach-barn voraussetzt, verallgemeinernläßt und ob sich die gesellschaftli-chen Verhältnisse nicht schon längstin eine ganz andere Richtung ent-wickelt haben. Denn Dörner geht beiseinen Ausführungen von Bürgerneiner Mittel- und Oberschicht aus,die sich diese unbezahlte Helfens-kultur in ihrem dritten Lebensalter,d.h. in den 15 bis 20 Jahren nach Be-endigung ihrer beruflichen Tätigkeit,in denen sie sich noch guter Gesund-heit und Leistungsfähigkeit erfreuen,zu eigen machen können, da ihnengenügend Zeit sowie Geld bzw. Ren-te für ihr Auskommen zur Verfügungsteht. Sie können es sich leisten, sichbürgerschaftlich zu engagieren, wäh-rend ein großer und anwachsenderTeil der Bevölkerung sozial nicht sogut abgesichert ist und auch im drit-ten Lebensalter noch mit existenziel-len Sorgen zu kämpfen hat, die we-nig Kraft und Raum für Nachbar-schaftshilfe übrig lassen.

Die Motive für ein bürgerschaftli-ches Engagement, die Dörner aufNachfrage genannt wurden, lassensich mit der Lebenswirklichkeit die-ser Menschen kaum in Deckungbringen:

[...], dass man außer dem Konsumund Genuss seiner freien Zeit einGleichgewicht zwischen Nehmenund Geben brauche, also außer Frei­zeit auch ein bisschen sozialgebun­dene Zeit, um sich gesund zu fühlen,außer Entlastung auch Belastung(seine Tagesdosis an Bedeutung fürAndere), um zur Auslastung und da­mit zur Gesundheit zu kommen unddrittens das Interesse an einemGleichgewicht zwischen sowohl ko­stenlosen als auch bezahlten Tätig­keiten, je mehr mein Tun sich eta­blierten Dienstleistungen nähert (imSinne der Dienstleistungsgesell­schaft als Tätigkeitsgesellschaft).(S. 79)

Die vom Autor positiv gewertetenZeichen könnten auch anders gedeu-tet werden, denn schwere Zeiten unddie Not haben Menschen schon im-mer näher zusammenrücken lassen.Der Sozialstaat, von dem Dörnerausgeht, existiert in dieser Formschon längst nicht mehr und es kannnicht ausgeschlossen werden, daßdie von Dörner angestrebte Förde-rung des privatwirtschaftlichen so-wie des ehrenamtlichen bürger-schaftlichen Engagements dazuführt, daß dieses letztlich als Feigen-blatt für den weiteren Abbau staatli-cher Sozialleistungen herhalten muß.

Das Buch ist sicherlich keine leichteLektüre. Doch wer sich mit dem bri-santen Thema des Alterns in unsererheutigen Gesellschaft allgemein oderim ureigensten Interesse beschäftigt,für den erweist es sich als wahreFundgrube für Anregungen, Adres-sen und Sekundärliteratur. Akribischhat der Autor seine Ausführungen mitFußnoten und Quellenangaben ver-sehen. Allen Hinweisen nachzuge-hen, hieße den Lesefluß ständig zuunterbrechen. Doch im Einzelfall undinsbesondere an Stellen, an denen dieAusführungen und Schlußfolgerun-gen des Autors etwas kurz gefaßtsind, ermöglichen es gerade diesepräzisen Angaben, die Hintergründeder angestellten Überlegungen zu er-kunden. Und die Mühe lohnt sich,denn zum einen hilft sie dabei, derRecherche des Autors leichter zu fol-gen, und zum anderen wird der inter-essierte Leser dabei möglicherweiseden ein oder anderen lohnenden Ex-kurs entdecken, der das Thema aufanregende Weise vertieft.

Fußnote:[1 ] Vortrag "Was meint Inklusion?Zwischen Idee und Realitäten" vonProf. Dr. Theo Klauß am 11 . Mai2009 in Bergisch Gladbach

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busar615.html

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Der letzte KampfVitali Klitschkosliegt nun schon mehr als ein Jahr zu-rück. Dabei steht für den WBC-Weltmeister im Schwergewicht seitgeraumer Zeit eine Pflichtverteidi-gung gegen den Kanadier BermaneStiverne an, der sich in einem Aus-scheidungskampf gegen Chris Ar-reola durchgesetzt hat. Nach Anga-ben des Ukrainers hinderte ihn eineVerletzung daran, sich diesem Geg-ner im Herbst zu stellen. Im Frühjahrwerde er jedoch bereit sein, Stiverneim Ring gegenüberzutreten.

Ende Oktober kündigte der 42jähri-ge Oppositionspolitiker vor dem Par-lament in Kiew an, er werde bei derPräsidentenwahl im März 2015 kan-didieren. Damit reagierte der Frakti-onsvorsitzende der Partei UDAR aufVersuche der Regierungskoalitionum StaatschefViktor Janukowitsch,seine Kandidatur zu verhindern. Mitdieser Offenlegung seiner politi-schen Zukunftspläne, die Mutma-ßungen neue Nahrung gab, er werdenicht mehr in den Ring zurückkeh-ren, hat Klitschko offenbar den Ver-band WBC dazu veranlaßt, denChampion nicht länger nach Belie-ben gewähren zu lassen.

Am letzten Tag des WBC-Konvents inBangkok wurde der Weltmeister aufge-fordert, bis zum 30. November zu sei-nen Zukunftsplänen Stellung zu neh-men. Das ist zwar allenfalls ein Winkmit dem Zaunpfahl und beileibe keinUltimatum, könnte aber dennoch geeig-net sein, etwas Bewegung in die Stagna-tion zu bringen. Das ManagementKlitschkos hat bislang versichert, daßder Champion seine Pflichtverteidigungabsolvieren will. Laut K2-Geschäfts-führer Tom Loeffler hofft man auf einenTermin im März oder April nächstenJahres, was von Stivernes Promoter Ca-mille Estephan auch akzeptiert wird.

Danach schaltete sich jedochKlitschkos ehemaliger Gegner Ma-nuel Charr ein, der in der Ranglistedes WBC unterdessen auf Platzsechs vorgerückt ist. Der Kölner for-dert einen Kampfgegen Stiverne underklärt, er stehe derzeit in Verhand-lungen mit Don King. Estephan wiesCharr jedoch darauf hin, daß mansich von King getrennt habe und der-zeit einen Prozeß gegen den Promo-ter führe.[1 ] Ob Charr nicht ganz imBilde war, lediglich einen Versuchs-ballon gestartet hat oder von Stiver-nes Management ausmanövriertwird, bleibt Gegenstand müßigerSpekulation. Gut möglich, daß dieWBC-Führung überhaupt nicht vor-hat, Vitali Klitschko ernsthaft zu ei-ner Entscheidung zu drängen odergar zu zwingen, sondern lediglich al-le jene Stimmen mundtot machenwill, die von Privilegien der Klitsch-kos sprechen und endlich wiedereinen Kampfum den WBC-Titel imSchwergewicht sehen wollen.

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Golden Boy macht Cotto Kampfgegen Alvarez schmackhaft

Saul Alvarez hat den prestigeträchti-gen Kampfgegen Floyd Mayweatherklar nach Punkten verloren, dabei je-doch die weitaus höchsten Einkünf-te seiner Karriere erzielt. Wieviel ge-nau der erst 22jährige Mexikaner da-bei verdient, läßt sich nur in einergroben Schätzung beziffern. Das als"Kampf des Jahres" apostrophierteDuell hat mit rund 150 MillionenDollar den größten Ertrag eingefah-ren, der je im Bezahlfernsehen erzieltwurde. Da beide Boxer vertraglichan diesen Einnahmen beteiligt sind,verdienen sie im Endeffekt erheblichmehr als die garantierten Börsen von41 ,5 Millionen Dollar für den US-

Amerikaner und rund 12 Millionenfür den Mexikaner.

Wenngleich Alvarez einen derart au-ßergewöhnlichen Zahltag so schnellnicht wieder erleben wird, läßt sichmit ihm doch nach wie vor sehr vielGeld verdienen. Sein Promoter Gol-den Boy hat nun Miguel Cotto, derWeltmeister in drei Gewichtsklassenwar, ein Angebot von mehr als 10Millionen Dollar für ein Duell mitSaul Alvarez gemacht. Willigt derPuertoricaner ein, soll der Kampf am8. März stattfinden und im Pay-per-View-Verfahren auf Showtime aus-gestrahlt werden. Laut Geschäfts-führer Richard Schaefer hat Cottozugesichert, sich ernsthaft mit demAngebot zu befassen und ihn wissenzu lassen, wofür er sich entscheidet.

Miguel Cotto zieht bekanntermaßeneinen Kampf gegen Sergio Martinezin Betracht, den WBC-Weltmeisterim Mittelgewicht. Sollte er jedochgegen den Argentinier verlieren,würde er danach für einen Kampfgegen Alvarez natürlich erheblichweniger bekommen. Daran läßt auchSchaefer keinen Zweifel, der zudeman die gesundheitlichen Problemedes Argentiniers erinnert, dessenRückkehr im Frühjahr keineswegssicher sei. Was einen KampfgegenMartinez betreffe, gehe Cotto folg-lich ein beträchtliches Risiko ein,sich zu verspekulieren.[2]

Fußnoten:

[1 ] http://www.boxen.de/news/wbc-beschluss-klitschko-muss-bis-zum-30-november-ueber-boxerische-zu-kunft-entscheiden-29908[2] http://www.boxen.de/news/gol-den-boy-bietet-cotto-10-millionen-fuer-duell-gegen-alvarez-an-29903

http://www.schattenblick.de/info­pool/sport/boxen/sbxm1252.html

SPORT / BOXEN / MELDUNG

Soll Vitali Klitschko endlich Farbe bekennen?

WBC fordert Offenlegung seiner Zukunftspläne

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Sa. 9. November 2013 www.schattenblick.de Seite 17

Hinweis: KUNST / REPORT / INTERVIEW

Hinweis: BUCH / BIOGRAPHIE / REZENSION

Hanna Schygulla

Wach auf und träume

Die Autobiographie

Hanna SchygullaWach auf und träumeDie Autobiographie200 Seiten, 63 AbbildungenSchirmer/Mosel Verlag,München 201319,80 EuroISBN 978­3­8296­0658­5

Hanna SchygullaFoto: © Beat Presser

Eine Katze, sagt man, hat sieben Le-ben. Hanna Schygulla auch - bisjetzt. Zusammen mit Rainer WernerFassbinder wurde sie Ende der 60erJahre zum Wegbereiter des NeuenDeutschen Films, Die Ehe der MariaBraun und Lili Marleen machten sieweltberühmt, die Liste der Regisseu-re, mit denen sie gearbeitet hat, ist solang wie namhaft: Jean-Luc Godard,Marco Ferreri, Volker Schlöndorff,

Wim Wenders, um nur einige weni-ge zu nennen. Daneben hat sie auchimmer wieder Theater gespielt, be-eindruckte als Gerhart HauptmannsRose Bernd oder in Elfriede JelineksDer Tod und das Mädchen. Anfangder 80er startete sie eine Karriere alsSängerin und tourte mit französi-schen Chansons, Brechtschen Balla-den und klassischem Liedgut durchganz Europa. Mit Dokumentationenund Videoinstallationen machte siesich auch als Filmemacherin einenNamen. Als ihre Eltern hilfsbedürf-

tig werden, wird sie zur Altenpflege-rin. Anläßlich ihres 70. Geburtstagesim Dezember hat sie jetzt ihre Auto-biographie vorgelegt: Wach auf undträume. Im nächsten Jahr wird sie alsDozentin an der Hochschule für Ge-staltung in Genf ein Gastspiel geben.

Mit dem Schattenblick sprach HannaSchygulla über die Motivation zuschreiben, Vergangenheit und Zu-kunft, Träume und Visionen, die Zeitvon '68, über Deutschland, Zufälle undWidersprüche und über alte Klischees.

Schattenblick (SB): Frau Schygulla,ich habe Ihre Autobiographie mitgroßem Interesse und mit Vergnügengelesen, und ich war überrascht,wieviel gelebtes Leben in so ein dochrelativ schmales Bändchen paßt.

Hanna Schygulla (HS:) Ich hatte nievor, ein dickes Buch zu schreiben.Wenn ich selber ein dickes Buch se-he, entfährt mir immer ein Seufzer,weil ich schon weiß, daß ich nicht biszum Ende komme.

http://www.schattenblick.de/infopool/kunst/report/

kuri0024.html

Traumgenau dem Wunsch entgegen - mit Hanna Schygulla im Gespräch

Trotzdem

Interview mit Hanna Schygulla am 28. Oktober 2013

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Seite 1 8 www.schattenblick.de Sa, 9. November 2013

IMPRESSUM Elektronische Zeitung Schattenblick

Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K.Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthElektronische Postadresse: [email protected]: 04837/90 26 98Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 MEJournalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthInhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthISSN 2190-6963Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönlicheZwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zuveröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Wenn nichtausdrücklich anders vermerkt, liegen die Urheberrechte für Bild und Text bei: Helmut BarthelHaftung: Die Inhalte dieses Newsletters wurden sorgfältig geprüft und nach bestem Wissen erstellt. Bei der Wiedergabe und Verarbeitungder publizierten Informationen können jedoch Fehler nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.

Weil 's heut' ungemütlich ist,hat Jean-Luc den besten Grund,daß er wie versessen frißtund mit nimmersattem Schlund.

Und morgen, den 9. November 2013+++ Vorhersage für den 09.11 .201 3 bis zum 10.11 .2013 +++

DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN

© 2013 by Schattenblick

______I n h a l t__________________________________Ausgabe 911 / Samstag, den 9. November 2013______

BÜRGER UND GESELLSCHAFT Lampedusa in Hamburg - Christenpflicht und Staatsräson, Pastor Sieghard Wilm .. . Seite 1

POLITIK - REDAKTION Kämpfe in Tripolis - Libyen vor dem Bürgerkrieg Seite 9

POLITIK - KOMMENTAR Wir sind Deutschland? - Wir sind Lampedusa! Seite 10

SCHACH-SPHINX Pyrrhussieg in Buenos Aires Seite 12

TAGESSPALT Kurzweiliges für den 09.11 .201 3 Seite 12

BUCH - SACHBUCH Klaus Dörner - Helfensbedürftig. Heimfrei ins Dienstleistungsjahrhundert Seite 1 3

SPORT - BOXEN Soll Vitali Klitschko endlich Farbe bekennen? Seite 16

HINWEIS Interview mit Hanna Schygulla zu ihrer Buchrezension Seite 17

DIENSTE - WETTER Und morgen, den 9. November 2013 Seite 1 8