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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY .. STIFTUNG FüR RECHTSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON R. KNÜTEL, D. NÖRR, G. THÜR, A. LAUFS, E. WADLE, H.· ... BECKER, M. HECKEL, K. W. NÖRR HUNDERTSECHZEHNTER BAND CXXIX, BAND DER ZEITSCHRIFT FÜR RECHTSGESCHICHTE I" IJ \ ''') //F GERMANISTISCHE ABTEILUNG GI" f: p: " ,/,' . L// " 1999 BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR

RECHTSGESCHICHTE - MGH-BibliothekIsidore de Seville (Bibliotheque des Ecoles Fran

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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY .. STIFTUNG

FüR

RECHTSGESCHICHTE

HERAUSGEGEBEN VON

R. KNÜTEL, D. NÖRR, G. THÜR,

A. LAUFS, E. WADLE,

H.· ... BECKER, M. HECKEL, K. W. NÖRR

HUNDERTSECHZEHNTER BAND

CXXIX, BAND DER ZEITSCHRIFT FÜR RECHTSGESCHICHTE

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GERMANISTISCHE ABTEILUNG GI" f: p: "

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1999

BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR

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IH.

Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich von Toledo

Von

Alexander Pierre Bronisch

I. Die Herrschaftszeichen des christlichen Spanien: Königsgewand, Szepter und Thron

Die im christlichen Spanien seit den Westgoten häufig wiederkehrenden Bezeichnungen der königlichen Insignien und der herrschaftlichen Würde sind das Königsgewand, das Szepter und der Thron. Mit König Leovigild (568-586) begannen die westgotischen Herrscher, sich als den byzantini­schen Kaisern ebenbürtig zu präsentieren l

). Isidor von Sevilla berichtet, die­ser habe als erster Westgotenkönig in das Königsgewand gehüllt auf einem Thron gesessen. Bis dahin hätten sich König und Volk in Kleidung und Sitz nicht voneinander unterschieden2). Schon Sidonius Apollinaris hatte Theo-

1) Zur Übernahme byzantinischer Elemente durch die Westgoten siehe Karl Friedrich Stroheker, Das spanische Westgotenreich und Byzanz, in: Bonner Jahr­bücher 163 (1963) 252-274, und in ders., Germanentum und Spätantike, Zürich u. Stuttgart 1965, S. 207-245; Dietrich Claude, Geschichte der Westgoten, Stuttgart u. a. 1970, S. 89; Maria R. Valverde Castro, Simbologia deI poder en la monar­qufa visigoda, in: Studia Historica,HistoriaAntigua 9 (1991) S. 139ff.; Luis A. Gar­cfa Moreno, Historia de Espafia visigoda, Madrid 1989, S. 119f., 148,321 ff.

2) Las historias de los godos, vandalos y suevos de Isidoro deSevilla,Estudio, edici6n criticay traducci6ndeCrist6bal Rodriguez Alonso, Le6n 1975 (im folgenden als HistIsid zitiert), 51 : 7-10: primusque inter suos regali veste opertus sofio resedit: nam ante eum et habitus et consessus communis ut populo, ita et regibus erat. Dieser Satz steht nur in der kurzen Version von Isidors Gotengeschichte. Rodrfguez Alonso, Historias de los godos, S. 47 f., vermutet, daß die entschieden antibyzantinische Haltung Isidors ihn dazu bewog, diesen Hinweis auf byzantinisches Hofzeremoniell in der langen Version seiner Chronik zu vermeiden. V gl. auch die asturische Chronik von Al­belda, in: Chroniques asturiennes (fjn IX· siecle), hg. u. übers. v. Yv e s B 0 nn az, Paris 1987 (im folgenden als ChrAlb zitiert), 19: Primus regali veste opertus saUo resedit.

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derich 11. (453-466) auf einem verschleierten Thron sitzend beschrieben3).

Nach Dietrich Claude aber handelte es sich dabei um Metaphern, die ge­genüber der klaren Aussage Isidors nur geringes Gewicht hätten4

). Mare Reydellet hat jene Stelle Isidors ausführlich besprochen. Er glaubt, daß Leovigild als erster auch im Kreise des gotischen Adels (inter SUDS) im Königsgewand thronte, während zur Zeit Theoderichs der König nur bei offiziellen äußeren Angelegenheiten, z.B. beim Empfang von Gesandten, auf dem Thron saßS). Die Demonstration gegenüber dem eigenen Adel war der entscheidende Schritt, damit die zunächst rein protokollarischen Zei­chen sich zu Symbolen der Königswürde wandeln und im allgemeinen Sprachgebrauch und Verständnis als stellvertretend für diese verinnerlicht werden konnten.

Mehrfach wird vom Ablegen der Königsgewänder als Zeichen des Nie­derlegens der Königswürde berichtet6

). Auch bei den Merowingern war eine besondere Königskleidung bekannt. Sie kennzeichnete den König und war deshalb ein Herrschaftszeichen. Reinhard Schneider hat aus Berichten über die Devestitur bei den Merowingern den Schluß gezogen, daß man berech­tigterweise auch von Investitur als logischer Entsprechung ausgehen könne7

). Das gilt analog auch für die westgotischen Verhältnisse.

3) Sidonius Apollinaris, Gai Sollii Apollinaris Sidonii epistulae et carmina, hg. v. Christian Luet Johann (MGHAABd. 8), Berlin 1887 (Nachdr. 1961), Ep. 2 S. 3: 4-5.

4) Dietrich Claude, Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, Sigmarin­gen 1971, S. 61 u. 62 Anm. 36.

5) Marc Reydellet, La royaut6 dans Ia liMrature latine de Sidoine Apollinaire a Isidore de Seville (Bibliotheque des Ecoles Fran<;:aises d' Athenes et de Rome, Bd. 243), Rom 1981, S. 532ff.

6) So wird Hermengild in der Gefangenschaft seines Vaters seiner Kleider entledigt. Gregorii episcopi Turonensis libri historiarum X, hg. v. Bruno Krusch u. Wilhelm Levison (MGH SS merov. 1,1), Hannover 1951 (Nachdr. 1965), V, 38 S. 245: ad­praehensum spoliavit eum ab indumentis suis induitque illum veste vile. - Claude (Anm.4) 63f.; Konrad Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittel­a~~e~, ~onn 1979:. S. 560f. - Der Usurpator Paulus legte nach seiner Niederlage die komgh~hen Gewa~der selbst ab: Sancti Iuliani Toletanae sedis episcopi historia Wam­baeregls, hg. v. WIlhelm Levison, in: Sanctiluliani Toletanae sedis episcopi opera pars 1, hg. v. J ocelyn N. Hillgarth (CChr. SL Bd. 115), Tumhoult 1976 (neubearb. Nachdr. der Ausgabe von Theodor Mommsen (Hg.): Chronica minora saec. I~.V.VI.Vll ~d. 2 (MGH AA XI), Berlin 1894, (S. 241-303) (im folgenden als ~lstWamb ZItIert), 20 Z. 527-530: Tune omnimoda desperatione permotus, regalia mdumenta quae tyran 'd' b't' . , m lS am 1 lone pottuS quam ordine praeeunte perceperat, tabefaetus deposuit. Bund, w. 0., S. 580.

7) Reinhard Schneider, Königswahl und Königserhebung im frühen Mittel-

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 39

Formulierungen mit dem Thron als Synonym für die Königsherrschaft finden sich bis zum Ende des Westgotenreiches (711)8). Der Bericht über die Wahl Wambas nach dem Tode König Rekkesvinths (649-672) vennerkt, daß dieser bei seiner Investitur nicht auf den Thron des Reiches in der Königsstadt Toledo verzichten wollte9). Auch die altspanische Liturgie spricht vom Thron als einem Symbol königlicher Herrschaftl°). Konstitutive Thronsetzungen hat es auch bei den nördlichen Nachbarn der Westgoten, den fränkischen Merowingern gegeben ll). Hinsichtlich des Thrones verlief die spanische Entwicklung also durchaus konfonn mit den Verhältnissen in den vergleichbaren gennanischen Reichen. Im fränkischen Bereich aller­dings hat es keinen festen Krönungsort gegeben, und aus den Quellen wird auch nicht deutlich, ob es sich um einen konkreten königlichen Thronsitz handelte, während die von Wamba gewollte Verzögerung seiner Investitur und Königsweihe auf eben einen solchen speziellen Thron in Toledo als Herrscher- und Reichsinsigne schließen läßtI2). Aus den, Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium' geht hervor, daß der Thron einen erhöhten Platz ein-

alter, Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowin­gern, Stuttgart 1972, 220ff. Siehe ibid. S. 218ff. die erhellenden Ausführungen zur Bedeutung der vestis regalis bei den Merowingern.

8) ConciIios visig6ticos e hispano-romanos, Edicion preparada por Jose Vives Gatell con la colaboracion de Tomas Marin Martfnez u. Gonzalo Martfnez Diez, Barcelona u. Madrid 1963, darin: 3. Konz. v. Toledo (589), BriefRekkareds an Papst Gregor 1., S. 145: nullatenus ad regni nostri solium convaluit peraccedere. 8. Konz. v. Toledo (653) S. 295: ut non ante quispiam solium regale conscendat. Siehe ebenso Wendungen mit der Formulierung ,sedes regni' im 6. Konz. v. Toledo (638) S. 236, 245; 7. Konz. v. Toledo (646) S. 256; 8. Konz. v. Toledo (653) S. 261 u. 295; 12. Konz. v. Toledo (681) S. 381; 16 Konz. v. Toledo (693) S. 485. Chr 754 15: Reccharedo denique huic Sisebuto succedente in solio. 44 Z. 3 f.: Hic (Witiza; Bro.) patris succedens in solio. Siehe auch die Chronik Alfonsos Ill., Version ,Rotense' in: Chroniques asturiennes (fin IX" siede), hg. u. übers. v. Yves B onnaz, Paris 1987 (im folgenden zitiert als ChrRot bzw. die Version ,Ovetense' als ChrOvet), 4 S. 35: Vitiza ad regni solium revertitur Toleto.

9) HistWamb 3 Z. 45 -48: ungi se tamen per sacerdotis manus ante non passus est, quam sedem adiret regiae Lwbis, atque solium peteret paternae antiquitatis. Claude (Anm. 4) 62.

10) Le Liber Ordinum en usage dans l'eglise wisigothique et mozarabe d'Espagne du cinquieme au onzieme siecle, hg. v. Marius Ferotin, Paris 1904 (im folgenden als LibOrd zitiert), Sp. 155 u. 296: Thronum eius iustitiafirmet.

11) Schneider (Anm. 7) 213ff. 12) Roderich Schmidt, zur Geschichte des fränkischen Königsthrons, in: Früh­

mittelalterliche Studien 2 (1968) S. 53 f., 55: "Die Bemerkung der Gesta Dagoberti, es sei mos bei den Frankenkönigen gewesen, super solium aureum coronatus zu residie­ren, ist mit keinem bestimmten Thronobjekt und mit keinem bestimmten Ort verbun-

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nahm. Dort wird berichtet, daß König Leovigild vom zornigen Donnergrol­len Gottes erschreckt vom Thron herabgefallen seP3). Als Symbol der legi­timen Herrschaft ist er in seiner Bedeutung durchaus vergleichbar mit der zu späterer Zeit in anderen Reichen üblichen Königskrone14

).

Ebenso häufig wie die Thronbesteigung findet sich in den schriftlichen Quellen die Annahme des Szepters als symbolischer Ausdruck für den Herr­schaftsantritt. Zweifellos gehörte es bei den Westgoten zu den Zeichen kö­niglicherWürde15). Wamba (672-680), Ervig (680-687), Egica (687-702)

den, wie ja auch die Herrschererhebung und eine dabei mögliche Thronsetzung nicht an einem festgelegten Ort zu erfolgen hatte." .

13) C1aude (Anm. 4) 62. Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium, hg. v. Antolll.a

Maya Sanchez (CChr. SL Bd. 116), Tumhout 1992 (im folgenden als VitPatr z~­tiert), V. VI Z. 99-102: Dum hec et his similia loquerentur et esset multa celi serem­tas, maiestas divina celitus fragore magno repente intonuit ita ut tremebundus de trono suo Leovigildus rex in terram cum pavore procideret. Deutlicher scheint mir der er­höhte Thron ibid. I: 34-36 S. 8 belegt. Siehe hierzu unten Anm. 161.

14) Aufgrund der Bedeutung des väterlichen Thrones, die uns in den Quellen immer wieder unmißverständlich begegnet, kann deshalb das folgende Urteil von Schramm zumindest für das Westgotenreich nicht bestätigt werden: "In den Reichen auf der Ibe­rischen Halbinsel blieb - ähnlich wie in Frankreich - der Thron also ein auswechsel­bares Prunkstück, das den Respekt vor dem auf ihm Sitzenden mehren sollte; aber er war nicht (wie z.B. die Krone) ein eigentliches "Herrschaftszeichen": Percy Ernst S chrarnm, Zur Geschichte des Throns in den Spanischen Reichen, in: de rs., Kaiser, Könige und Päpste, Bd. IV, 1, Stuttgart 1970, S. 343ff., 348. Zehn Jahre vorher hatte Schramm völlig richtig die Bedeutung des Thrones als "sfrnbolo de la soberanfa" um­schrieben und die Bedeutung des väterlichen Thrones hervorgehoben: "la posesi6n deI trono heredado era considerada corno la justificaci6n de la 1egitimidad de la sobe­rania". Siehe ders., Las insignias de la realeza en la Edad Media espafiola, ins Spani­sche übersetzt u. eingeleitet von Luis Vazquez de Parga, Madrid 1960, S. 25 u. 27. S. a. die Stichwörter sedes, solium, thronus bei Isidor von Sevilla, in: San Isidoro de Sevilla, Etimologfas, Edici6n bilingüe, Texto latino, versi6n espanola y notas por J ose Oroz Reta y Manuel-A. Marcos Casquero, 2 Bde., Introducci6n general por Manuel C. Diaz y Diaz, Madrid2 1993-94 (im folgenden als Etym zitiert), VII, 5,21; 5,26; XX, 11,9-10.

15) HistIsid 62: 2-4: Svinthila ... regni suscepit sceptra. Juan de Bic1aro, obispo de Gerona, Su vida y su obra, hg. v. Julio Campos, Madrid 1960 (im folgenden als ChrBicl zitiert), a. 586 Z. 277: Reccaredus cum tranquillitate regni eius sumit sceptra. Eugenii Toletani episcopi carmina et epistulae, hg. v. Friedrich Vollrner (MGHAA XIV), Berlin (Nachdr. 1962) 1905, S. 251 Nr. 25 Z. 17: sceptra qui regia gessi. 13. Konz. v. Toledo (683) S. 431: et post irnperialia terreni regni sceptra coronandus per­veni~t ad ca~lestia reg~a. 15. Konzil von Toledo (688) S. 471 : Egicani principi nostro a~t~tbuat Jelzcern regm retentare sceptrum. Chronica regurn Visigothorum, in: Leges Vlslgothorum, hg. v. Kar 1 Zeumer (MGH Leg. I, 1: Leges Nationum Germanicarum, Bd. 1), Hannover u. Leipzig 1902 (Nachdr. 1973),47 S. 461: Suscepit autem succe-

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 41

und der Rebell Suniefred (692-693), der kurzzeitig die Macht in Toledo er­rang, halten auf den während ihrer Regierung geschlagenen Münzen kreuz­förmige Szepter in der Hand. Die Münzen, die zur Zeit der Doppelregierung von Egica und Witiza (700-702) geschlagen wurden, zeigen die beiden Herrscher im Profil und zwischen ihnen ein KreuzszepterI6).

Als Insignien gewissermaßen zweiter Kategorie der westgotischen Kö­nige können Reliquien und besondere Reliquien- bzw. Gemmenkreuze an­gesehen werden. Sie waren nicht unverzichtbar für den Herrschaftsantritt und galten auch nicht als Symbole der Herrschaftsausübung. Gleichwohl waren sie eng mit dem Königshaus verbunden. Victor BIbern hat "Reli­quienbesitz als herausragendes Kennzeichen schon des frühmittelalterlichen Herrschertums" bezeichnetI7). Wahrscheinlich auf westgotische Zeit geht der sogenannte ,arca santa' zurück, ein Reliquienschrein in der Oimara Santa von Oviedo, für den nach der Legende Alfonsos II. (791-842) die Erlöserkirche in Oviedo errichten ließ und dessen heutige Form auf die Neu­gestaltung des Schreins im Auftrag Alfonsos VI. (1072-1109) zurück­gehtI8

). Der Legende nach stammt der Schrein aus Toledo und war vor der muslimischen Eroberung nach Asturien in Sicherheit gebracht worden. Der Kern der Überlieferung, die Überführung von Reliquien aus dem muslimi­sehen Spanien in den christlichen Norden, könnte den Tatsachen entspre­chen 19). Die Reliquienverehrung der Westgotenkönige äußerte sich aber vor allem in der Bedeutung einer Kreuzesreliquie, die eingelassen in ein kleines, goldenes Kreuzreliquiar, gewissermaßen zum wichtigsten Kultgegenstand der westgotischen Königsherrschaft geworden war2°).

dente die IIferia gloriosus dominus noster Ervigius regni sceptra. Cl a u de (Anm. 4) 65 u. Anm. 61. Der westgotischen Epoche nahe stehen auch die beiden mozarabischen Chroniken aus der Mitte des 8. Jahrhunderts: Cr6nica mozarabe de 754, edici6n crftica y traducci6n, hg. v. J ose Eduardo L6pez Pereira, Zaragoza 1980 (im folgenden als Chr754 zitiert), 16: Svintila .. , gubernacula in regno Gothorum suscepit sceptra. V gl. Chronica byzantina-arabica, in: Corpus scriptorum Muzarabicorum, Bd. I, hg. v. Iuan Gil Fernandez, Madrid 1973 (im folgenden als Chr741 zitiert), 14 S. 9.

16) Georges C. Miles, the Coinage of the Visigoths of Spain. Leovigild to Achilla 11., New York 1952, S. 34f., 51ff. Siehe die zeichnerische Wiedergabe von Münzbildem ibid. S. 57ff. Zu Suniefred siehe Bund (Anm. 6) 586f.

17) Viktor H. EIbern, Goldschmiedekunst im frühen Mittelalter, Darmstadt 1988, S. 109.

18) Zum ,arca santa' siehe Francisco J avier Fernandez Conde, EI Libro de los Testamentos de la Catedral de Oviedo (Publicaciones deI Instituto Espanol de Estudios Eclesiasticos, Monograffas Nr. 17), Rom 1971, S. I11ff.

19) In diesem Sinne ibid. S. 117f. 20) Zum westgotischen Kreuzeskult siehe Carmen Garcfa Rodrfguez, EI culto

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Haben die Westgotenkönige neben dem Königsgewand und dem Szepter auch Kronen getragen und sie wie den Thron als unverzichtbares Symbol ihrer Herrschaft betrachtet? Bislang geht man allgemein davon aus. Häufig wird auch wie selbstverständlich angenommen, daß die westgotischen Kö­nige bei ihrem Herrschaftsantritt in einer feierlichen Zeremonie gekrönt wurden21). Der Verdacht, daß es eine Königkrönung im Reich von Toledo nicht gegeben hat, wurde trotz der dafür nur dürftigen Anhaltspunkte nur sel­ten und eher beiläufig geäußert22

). Noch seltener als die Krönung werden

de los santos en la Espafia romana y visigoda, Madrid 1966, S. 120-124, sowie in Alexander Pierre Bronisch, Reconquista und Heiliger Krieg, Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, Reihe II Bd. 35), Münster 1998, im Kapitel "Der Kreuzeskult im Westgotenreich und in den Reichen der Reconquista bis zum ausgehenden 11. Jahrundert", S. 286ff.

21) Beispielsweise Percy Ernst Schramm, Die Krönung im katalanisch-arago­nesischen Königreich, in: Homenaje a A. Rubib i Lluch, Barcelona 1936, Bd. 3 S. 577-598. Geringfügig überarbeitet nachgedruckt unter dem Titel: Die Krönung im Aragonesischen Königreich, in: ders., Kaiser, Könige und Päpste, Bd. IV, 1, Stuttgart 1970, S. 353. Carlrichard Brühl, Kronen- und Krönungsbrauch im frühen und hohen Mittelalter, in: Historische Zeitrschrift 234 (1982) S. 19f., der bei den West­goten einen Kronenbrauch für hinreichend belegt hält, nicht aber den Krönungsbrauch. Claudio Sanchez-Albornoz y Menduifia, La "ordinatio principis" en la Espafia goda y postvisigoda, in: ders., Viejos y nuevos estudios sobra las institucio­nes medievales espafiolas, Bd. 2, Madrid 1976, S. 1176f.; Walther Schücking, Der Regierungsantritt, eine rechtsgeschichtliche und staatsrechtliche Untersuchung, Bd. 1 : Die Urzeit und die Zeit der ost- und westgermanischen Stammesreiche, Leip­zig 1899, S. 71; Valverde Castro (Anm. 1) S. 144; Bonifacio Palacios Mar­tin, La coronaci6n de los reyes de Arag6n 1204-1410, Aportaci6n al estudio de las estructuras medievales, Valencia 1975, S. 14.

22) Siehe z.B. Schücking (Anm. 21) 73f.; Hans-Dietrich Kahl, Zur Frühge­schichte der Krone als Zeichen christlicher Herrschaft, in: Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (hessische Reihe), Protokoll der 16. Arbeitssitzung vom 14.5.1966 im Hist. Seminar der Universität Frankfurt: "Die gegebene Lösung, die Erstkrönung des neuen Herrschers von kirchlicher Hand an kirchlicher Stätte, wurde in Byzanz sehr allmählich in einem Zeitraum entwickelt, der sich von der Mitte des 5. bis ins 8. oder 9. Jahrhundert erstreckt; das spanische Westgotenreich, derjenige Staat, der in hochentwickelter Staatssymbolik damals allem Anschein nach an zweiter Stelle stand, ist in den 120 Jahren zwischen Katholisierung und Untergang (589-711), soviel erkennbar, überhaupt nicht zu dieser Lösung gelangt." Kurt-Ulrich Jäschke, frühmittelalterliche Festkrönungen ? Überlegungen zur Terminologie und Methode, in: Historische Zeitschrift 211 (1970), S. 585: "Doch obgleich wir ge­legentlieh ... recht eingehend über den Ablauf der Königserhebung unterrichtet sind, fehlen bislang Hinweise auf dazugehörige ,Erstkrönungen'." Reydellet (Anm. 5) 536 Anm. 117: "La liturgie visigothique n' a jamais connu le couronnement propre-

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 43

Kronen als Zeichen der Königsherrschaft bei den Westgoten in Frage gestellt. Nur Reydellet hat diesen Verdacht einmal beiläufig geäußert23).

Allerdings sind die Fragen nach der Existenz eines Krönungsritus bei den Westgoten und nach Königskronen als Herrscherinsignien nicht unabhängig voneinander zu beantworten. Ohne Kronen kann keine Krönung stattgefun­den haben. Wohl aber kann es Kronen als Herrschaftszeichen auch ohne feierliche Erstkrönung gegeben haben24). Diese von Carlrichard Brühl getroffene Unterscheidung hat im Falle Spaniens durchaus ihren Sinn. Ent­sprechend seiner methodischen Differenzierung wird hier zunächst die Frage gestellt, ob es im Reich von Toledo Königskrönungen gegeben hat, und darauffolgend erst den Hinweisen auf westgotische Königskronen und ihrer Bedeutung als Königsinsigne nachgegangen.

11. Zur Frage der Krönung im Westgotenreich 1. Die Salbung der westgotischen Könige: Den ersten Bericht von einer Königsweihe bei den Westgoten gibt Julian

von Toledo in seiner ,Historia Wambae'. Er beschreibt, wie der Westgote Wamba in Gerticos, in der Provinz von Salamanca, von den dort anwesenden Magnaten zum König gewählt und 19 Tage späterin Toledo von Bischof Qui­ricus in der Basilika der Apostel Peter und Paul zum König gesalbt wurde25

).

Die Art der Berichterstattung, mit der Julian, ein Zeitgenosse Wambas, den Nachweis von Wambas Herrschaftslegitimität führt, und die Selbstverständ­lichkeit, mit der er von der Salbung des Königs berichtet, hat mehrheitlich

ment dit." Brühl (Anm. 21) 22ff. schließt den konstitutiven Charakter von Krönun­gen für diese Zeit grundsätzlich aus. Suzanne Teillet, Des Goths a la nation gothi­que, Les origines de l'idee de nation en Occident du Ve au vrre siede, Paris 1984, S. 607 Anm. 152, findet in den Quellen keine Hinweise auf eine Krönung, zumal Julian eine solche erwähnt haben müßte. Doch erörtert sie nicht einmal das Problem der Krone des Paulus. Siehe hierzu unten im Kapitel ,Die Krone des Paulus'. K. Sc hni th, Art. ,Krönung', in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich 1991, Sp. 1548: "Doch ist fraglich, ob etwa die westgot. oder langob. Kronen des 7. Jahrhunderts als staatssymbol. Zeichen beim Herrschaftsantritt eine Rolle spielten."

23) Re y delle t (Anm. 5) 536: "Une autre difficulte reside dans la question de savoir si la couronne existait reellement comme attribut des rois de TolMe".

24) Vgl. Brühl (Anm. 21) 2: " ... ohne Krone keine Krönung. Diese Feststellung klingt so primitiv, daß sie schon fast peinlich wirkt. Ich treffe sie hier dennoch, weil ich vor dem Umkehrschluß : ohne Krönung keine Krone, ausdrücklich warnen möchte. ','

25) HistWamb 2-4; 4 Z. 55-61: At ubi ventum est, quo sanetae unetionis vexillam susciperet, in praetoriensi ecclesia, sanctorum seificet Petri et Pauli, regio iam cultu conspieuus ante altare divinum consistens, ex more fidem populis reddidit. Deinde eurbatis genibus oleum benedietionis per sacri Quirici pontificis manus vertici eius refunditur et benedictionis copia exibetur.

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zur Annahme geführt, sie sei zur Zeit Wambas bereits ein geübter Brauch ge­wesen26). Doch ist nicht mit Sicherheit festzustellen, wann die Westgoten begonnen haben, ihre Könige zu salben. Es gibt Hinweise darauf, daß die westgotische Königssalbung aus der postbaptismalen Salbung entstanden ist welche an Arianem bei ihrem Übertritt zum katholischen Bekenntnis , vollzogen wurde. Möglicherweise geht sie auf eine rituelle Bestätigung der Konversion König Rekkareds 1. (586-601) zurück. Zu einem eigenständi­gen Ritus dürfte sich die westgotische Königssalbung allerdings erst später entwickelt haben. Nur so läßt sich erklären, daß vor dem Bericht Julians keine Nachrichten über die Königssalbung auf uns gekommen sind. Es ist denkbar, daß der Ritus, von dem sich Fragmente im Antiphonar von Le6n erhalten haben, überhaupt erst von Julian von Toledo geschaffen wurde27

).

Ab Wamba allerdings ist die Bedeutung der Königssalbung als entschei­dender Akt der Tauglichmachung eines Königs sicher belegt. Schon der Usurpator Paulus, der kurz nach dem Herrschaftsantritt Wambas gegen den König konspirierte, betonte in seinem Brief an diesen, er selbst sei ein ge­salbter König2ß

). Seit der Zeit Wambas verzeichnen die Königslisten beim Herrschaftsantritt eines Königs auch den Tag seiner Salbung29).

Bedeutsam für die Frage nach dem Gebrauch von Kronen bzw. nach Krö­nungszeremonien bei den Westgoten und später ist die Salbung deshalb, da sie an sich keiner Krönung bedarf, bzw. da eine Krönung im Kontext der Königssalbung ursprünglich eine untergeordnete Funktion haben mußte30).

Arnold Angenendt erklärt die Verbindung von Salbung und Krönung durch das linteum, eine Kopfbedeckung zum Schutz der Salbung der Ge­tauften, die von Amalar von Metz als Mitra, von Alcuin als diadema regni bezeichnet werde. Diese Ausdeutung habe sich durchgesetzt und schließlich zur liturgischen Krönung geführt. Im Jahre 781 seien bei der Taufe und Königssalbung zweier Söhne Karls des Großen durch Papst Hadrian wahr-

26) Zur Darstellung der Forschungsgeschichte um die Probleme der westgotischen Königssalbung siehe Bronisch (Anm. 20) 327ff.

27) Ibid., S. 331 ff., 338. Zu den Fragmenten des Weiheordo siehe Antifonario visig6tico moziirabe de laCatedral deLe6n, hg. v. Louis Brou u. Jose Vives, Bar­celona u. Madrid 1959 (im folgenden als LibAnt zitiert), S. 450-452.

28) HistWamb: ,Epistola Pauli pe1jidi', S. 217: Flavius Paulus unctus rex orienta­lis, Wambani regi austro. Zur Rebellion des Paulus siehe Bund (Anm. 6) 578ff.

29) Chronica regum Visigothorum, S. 461. V gl. zur Salbung Ervigs, 12. Konz. v. To­led~ (681) S. 381 u. 387. Karl Zeumer, Die Chronologie der Westgotenkönige des ReIches von Toledo, In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Ge­schichtskunde 27 (1902) S. 436ff.

30) Brühl (Anm. 21) 20ff.

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scheinlich bereits Kronen verwandt worden31). Folgt man Angenendts Her­leitung, käme eine liturgische Krönung der spanischen Gotenkönige bereits im 7. Jahrhundert nicht in Betracht. Eine konstitutive Bedeutung hatte die Krönung ohnehin auch bei den Franken noch während des 8. Jahrhunderts nicht besessen32

). Denkbar wäre demnach lediglich eine nicht konstitutive Erstkrönung als Teil der westgotischen Herrscherweihe.

2. Die Fragmente des westgotischen Ordos der Königsweihe : Die Unsicherheit in der Frage nach der Krönung der westgotischen Kö­

nige und ihrer Nachfolger liegt vor allen Dingen in der Tatsache begründet, daß der Text des ,Ojficium in ordinatione sive in natalicio regis', wie der Ordo der Königsweihe im Antiphonar von Lean genannt wird33), im west­gotisch-mozarabischen Liber Ordinum fehlt. Dieses liturgische Buch wurde in seiner uns heute überlieferten Form Mitte des 11. Jahrhunderts zusam­mengestellt. Der Schreiber des Liber Ordinum ex patrum ordine collectum in unum beabsichtigte in erster Linie die getreue Überlieferung der tradi­tionellen, hauptsächlich noch zur westgotischen Zeit in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts entstandenen Texte34). Wahrscheinlich wurde der Liber Ordinum wenig später als Beispiel für die Zulässigkeit der hispanischen

31) Arnold Angenendt, Rex et sacerdos, zur Genese der Königssalbung, in: Tra­dition als historische Kraft, Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des frühen Mittelalters, hg. v. Norbert Kamp u. Joachim Wollasch, Berlin u. New York 1982, S. 112ff.

32) Brühl (Anm. 21) 22ff. 33) Die Riten der Königsweihe dürften wohl kaum jährlich zum Geburtstag des

Königs wiederholt worden sein. Gemeint ist mit der Formulierung sive in natalitio re­gis eher der Jahrestag der Salbung des Königs, der zugleich der eigentliche Jahrestag seines sakralen Königtums war. Auch der Hymnus ,ln ordinatione regis' nennt den Tag der Salbung dies natalis. Hymnodia gotica, die mozarabischen Hymnen des altspani­schen Ritus, hg. v. Clemens Blume, Leipzig 1897 (Nachdr. New York u. London 1961) (im folgenden als Hymnodia gotica zitiert), Nr. 193,3: Sit dies natalis huius feriata gaudio. Zur Entstehung des jährlichen Herrscherweihegedenkens in Rom und zur Vermittlung über Byzanz auch an den fränkischen Hof siehe Alain J. Stoclet, Dies Unctionis, A Note on the Anniversaries ofRoyal Inaugurations in the Carolingian Period, in: Frühmittelalterliche Studien 20 (1986) S. 546 ff.

34) Ferotin (Anm. 10) XXI: "Tous ces textes sont copies a la lettre, sans aucune mOdification, pas meme dans les rubriques, et apparemment sans autre souci de la part du scribe que celui de nous conserver une collection de vieux texte liturgiques ... V g1. Jose Janini (Hg.), Liber Ordinum episcopal. (Cad. Silos, Arch. Momlstico, 4), Burgas 1991, S. 17. Nach J orge Maria Pinell, Art. ,Liturgia Hispanica', in: Dic­cionario de Historia Eclesülstica de Espafia, Bd. 2, Madrid 1972, S. 1310, enthält der Liber Ordinum bis auf die Weihe von Bischöfen, Kirchen und Königen vollständig alle Riten der Kirche.

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Liturgie Papst Alexander n. in Rom vorgelegt3S). Segnungen und Gebete,

die wie die Versöhnung von Arianern und Donatisten bereits seit langem keine aktuelle Bedeutung mehr hatten und lediglich der Vollständigkeit halber in diese Sammlung liturgischer Weihetexte aufgenommen worden waren, konnten nun zur Hervorhebung der spanischen Rechtgläubigkeit dienen. An anderer Stelle habe ich bereits die Vermutung geäußert, daß der Ordo der Königsweihe deswegen unterschlagen wurde, weil er Reminis­zenzen an seine Herkunft aus der Versöhnungssalbung der Arianer enthalten haben könnte. Denkbar wäre, daß die spanischen Bischöfe es vermeiden wollten, an den einstigen Arianismus der gotischen Könige zu erinnern, um das Mißtrauen der Kurie in Rom nicht zu erregen36

). Gewißheit hierüber kann es freilich nicht geben.

Die Ansicht Zacarias Garcia Villadas, das Krönungszeremoniell, das in einem Codex des Klosters Cardefia überliefert wurde, sei eine Ver­schmelzung des iberischen mit dem römischen Krönungsritus und lasse deshalb Rückschlüsse auf die ursprüngliche Verfahrensweise zu, hat sich als unrichtig erwiesen. Zweifellos handelt es sich um einen fränkischen Krö~ nungsordo37). Doch haben sich im Antiphonar von Le6n, im Liber Commi-

35) Ferotin(Anm.lO)XVIDf.;Juan Francisco Rivera Recio,GregorioVU y la liturgia mozarabe, in: Revista Espafiola de Teologfa 2 (1942) S. 9. Der Bericht hierüber befindet sich im sogenannten ,Codex Aemilianensis', ms.d.!, 1, fol. 395", Bi­blioteca de San Lorenzo de EI Escorial. Zum Wortlaut der Quelle siehe Ri vera Re­ci 0, La controversia adopcionista deI siglo VID y la ortodoxia de la liturgia mozarabe, in: Ephemerides liturgicae 47 (1933), S. 515, wo der vollständige Text wiedergegeben wird. Vgl. Ferotin (Anm. 10) XIX Anm. 1 u. Enrique Fl6rez, Espafia sagrada, Bd. 3, Madrid2 1754, S. 389ff. Zur Diskussion um den Bericht siehe Pierre David, Gregoire VII et Alphonse VI, in: Etudes historiques sur la Galice et le Portugal du VI" au XU" siecle, Lissabon u. Paris 1947, S. 392 ff. Er hält den Bericht für eine Fälschung, die in einem kastilischen oder navarresischen Kloster zur Zeit des Widerstandes gegen die Einführung der neuen Liturgie entstanden ist. Mansilla Reoyo dagegen glaubt an seine Echtheit: Demetrio Mansilla Reoyo, EI Reino de Castilla y el papado en tiempos de Alfonso VI (1065-1109), in: Estudios sobre Alfonso VI y la reconquista de Toledo, Actas deill Congreso Internacional de Estudios Mozarabes (Toledo, 20-26 mayo 1985), Toledo 1987, S. 40f.

36) Bronisch (Anm. 20) 335f. 37) Zacarias Garcfa Villada, Historiaec1eshlstica deEspafia, Bd. 2: La Iglesia

desde la invasi6n de los pueblos germanicos en 409 hasta la cafda de la monarqufa visigoda en 711, Madrid 1932, S. 84ff. Noch 1960 glaubte Jose Orlandis an die Mög­lichkeit einer völligen Rekonstruktion der westgotischen Königssalbung durch die Texte Julians von Toledo und des Zeremoniells von Cardeiia: Jose Orlandis Ro­vira, La iglesia visigoda y los problemas de la sucesi6n al trono en el siglo VII, in: Le chiese nei regni dell'Europa occidentale e i loro rapporti con Roma sino al1'800,

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 47

cus sowie unter den Hymnen Texte erhalten, die zur Weihe des Königs gesungen wurden und eine Ahnung über die Art des Rituals vermitteln38).

Das Antiphonar von Le6n wurde in seiner heutigen Form in der ersten Hälfte des 10. Jahrhundert auf der Basis von Texten niedergeschrieben, die etwa zur Zeit König Wambas entstanden sein dürften39). Im ,Officium in ordinatione sive in natalicio regis' steht vermerkt, daß der Hymnus ,In Or­dinatione regis', der unter den westgotischen Hymnen überliefert ist, zur Königsweihe gesungen wurde. Doch fällt im Hymnus kein Wort zu den Herrscherinsignien. Nur die Salbung wird erwähnt40). Der andere überlie­ferte Königshymnus Anni peracto circulo nennt ebenfalls keine Insignien, auch nicht die Salbung, ist allerdings auch nicht im Text des Antiphonars von Le6n verzeichnet. Er gehört zum Festtag des königlichen Geburtstages, den die Westgoten nach dem Vorbild des byzantinischen Hofzeremoniells begingen, und steht nicht im Zusammenhang mit der Salbung41).

Spoleto 1960, S. 350 Anm. 27. Der Text des Zeremoniells von Cardefia ist wiederge­geben bei Francico de Berganza, Antigüedades de Espafia propugnadas en las noticias de sus reyes ... , 2 Bde., Madrid 1719-1721, Bd. 2, S. 681ff. Sanchez-AI­bornoz (Anm. 21) 1177, 120Zf.: "Su origen ultrapirenaico es seguro. Constituye una fiel reproducci6n deI ORDO AD REGEM BENEDICENDUM usado en las entro­nizaciones de los reyes francos, germanos y angIosajones."

38) LibAnt S. 450ff.; Justo Perez de UrbellAtilano Gonzalez Ruiz Zo­rilla (Hgg.), Liber Commicus, 2 Bde., Madrid 1950 u. 1955, Bd. 2 S. 535ff. (im folgenden zitiert als LibCom); Hymnodia gotica, Nr. 193.

39) LibAnt S. XIII; Justo Perez de Urbel, Antifonario de Le6n, EI escritor y la epoca, in: Archivos Leoneses 8 (1954) 115-144. Manuel Cecilio Diaz y Diaz, Los pr6logos deI Antiphonale visigothicum, in: Archivos leoneses 8 (1954) 226-257, datierte das Antiphonar in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts. Dem widersprach Jose Vives Gatell, En torno a Ia dataci6n deI antifonario legionense, in: Hispania Sacra 8 (1955) 117-124, der die Argumente der Diskussion um die Abfassungszeit des Antiphonars zusammengefaßt und durch eigene Beiträge abrundet hat. Eine Vorlage des in der heutigen Form überlieferten Antiphonars stammte nachweislich aus dem Jahre 808. Siehe A. Cordoliani, Les textes et figures de comput de L'antiphonaire de Leon, in: Archivos Leoneses 8 (1954) S. 286. Zur Datierung des Antiphonars ins 10. Jahrhundert aus kunsthistorischer Sicht siehe Maria BIena G6mez-Moreno, Las miniaturas deI Antifonario de Ia Catedral de Le6n, in: Archivos Leoneses 8 (1954), S. 312, 314f.

40) LibAnt S. 451 Z. 4. Hymnodia gotica, Nr. 193,2. Provehe regnumjidelis prin­cipis ad gloriam, / Unguine sacro nitescat, sanctitate jloreat.

41) Hymnodia Gotica, Nr. 194, 1: Anni peracto circulo / Adest dies celebrior, / Na­tale nobis principis / Novans recursu temporis / Quo matris alvo proditus .,. Zur Über­nahme byzantinischen Hofzeremoniells bei den Westgoten siehe Valverde Castro (Anm.l) 139ff. Zur Rolle der Kirche innerhalb des Hofzeremoniells bei den Geburts­tagsfeiem der byzantinischen Kaiser siehe Lud wi g B ie hI, Das liturgische Gebet für

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Ausführlich verzeichnet sind im Antiphonar die Gesangstexte von Anti­phonen ,ad vesperum', ,ad matutinum' und ,ad missa', die am Tage der Kö­nigssalbung gesungen wurden. In der Antiphon zur Vesper wird als einziges Herrschaftszeichen der Königsthron genannt42

). Zum zweiten Anlaß wird keines der königlichen Herrschaftszeichen erwähnt. Doch der Abschnitt ,ad missa' beginnt mit einem Hinweis auf die Salbung. Gleich darauf wird die Krönung mit einer gemmenverzierten Krone erwähnt. Es folgt die Nennung der königlichen Stola, erneut der goldenen Krone und des Diadems43

), dann wiederum ein Hinweis auf die Krönung und Salbung und schließlich im Op­

ferteil erneut auf den Thron44).

Die uns überlieferten Texte des Antiphonars sind alle in Anlehnung an das Alte Testament verfaßt. Die erste Erwähnung des Throns ist ein nahezu wörtliches Zitat von Isaias 16,5. Auch die Worte posuiste in capite eius

Kaiser und Reich, Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat, Paderbom 1937, S. 126f. Dfaz y Dfaz datiert den Hymnus in die leonesische Zeit. Siehe seinen Diskussionsbeitrag zu Michel Gros, Les Wisigoths et les liturgies oc­cidentales, in: L'Europe heritiere de l'Espagne wisigothique, hg. v. Jacques Fon­taine u. Christine Pellistrandi, Madrid 1992, S. 405: " ... mais de point de vue du contexte et de la metrique, du point de vue codicologique aussi - c' est a dire de la transmission -, j' en vien a la conclusion que cet hymne est originaire de Leon." S. a. ders., Index scriptorum latinorum medii aevi Hispanorum, Bd. 1, Salamanca 1958, S. 94 Nr. 341. Hingegen datierte Perez de Urbel, Origen de los himnos mozarabes, S. 234f. den Hymnus in die westgotische Zeit. Dort bemerkt er auch, daß sich unter den Hymnen des Eugenius von Toledo einige befänden, die den Eindruck erweckten, für den Geburtstag des Königs geschrieben worden zu sein. Man kann also angesichts der spätantiken Wurzeln der Zelebration des Herrschergeburtstages zumindest west­gotische Vorbilder für den Hymnus annehmen.

42) LibAnt S. 450: Haec dicit dominus preparabi tibi solium in misericordia et sedebis super eum in veritate iudicans et querens iudicium et velociter reddens quod iustum est.

43) Krone und Diadem werden im Mittelalter synonym gebraucht und können nicht voneinander abgegrenzt werden. Viktor H. Elbern, Art. ,Krone', in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München u. Zürich 1991, Sp. 1544. Vgl. Jäschke (Anm. 22) 573 u. Anm. 100-102.

44) LibAnt S. 451 f.: ANT. Unxit te dominus deus tuus. VR. Propter veri(tatem). Ant. Prevenisti eum domine in benedictione dulcedenis posuisti in capite eius choronam de lapide pretioso vitam petUt da domine in Zongitudine die rum. VR. Domine in vir(tute). A. Processit princeps stoZam habens regalem et coronam auream et diadema et viden­tes eum populi laetati sunt etfactum est gaudium in omnem civitatem. ( ... ) AN. Viri Iherusalem exite et videte principem cum coronam quia coronabit eum dominus ... PS~M.' Inve~i Davit se,:,um meum oleo sancto unxi eum . ... Loquutus est dominus ad prmclpem dlcens suscltabo tronum tuum sicut promisi tibi. ( ... ) rex dedit olocausta coram deo ( ... ) et conjirmabo solium tuum in Israhel usque in eternum ...

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Krönungsritus und Kronenbraueh im Westgotenreich 49

choronam de lapide pretioso sind ein fast wörtliches Zitat von Ps. 20, 4-5. Die Nennung des königlichen Gewandes und der goldenen Krone erinnert an Esther 8,1545

). Der Verweis auf die Salbung ist ein exaktes Zitat von Ps. 88,21-2246

). Es folgen Ps. 20, 247), und Anspielungen auf 2 Sam. 7,13-16, 2 Par. 7,18,1 Par. 16, 1,3 Reg. 8,22-23,1 Par. 17, 12,22, Wund Ps. 88. Der Hymnus Inclite rex magne regum, der zur Vesper gesungen wurde, verwendet das Wort ,Krone' im übertragenen Sinne der hispanischen Liturgie48).

Auch die Lesungen zur Messe der Königsweihe aus (Salomons) Buch der Weisheit 9, 1-12, aus dem Römerbrief, 12, 1-8, und aus dem Lukasevan­gelium, 4, 14-22, geben keinen Hinweis auf die Insignien oder gar eine eventuelle Krönung. Allerdings wird wiederum die Salbung durch eine Stelle im Text des Lukasevangeliums hervorgehoben49).

Die Reste der Zeremonie der Königsweihe zeigen also das Bild einer Kompilation alttestamentarischer Texte. Von daher ist es keinesfalls mög­lich, direkt auf die reale Ausgestaltung der Feierlichkeiten bei den West­goten und ihren Nachfolgereichen zu schließen. Angesichts dessen, daß in den westgotischen Quellen die Salbung als der eigentliche Weiheakt gilt und der Thron, das Königsgewand und das Szepter als die entscheidenden Herr­schaftszeichen genannt werden, wäre es falsch, aus den biblisch inspirierten Worten videte principem cum coronam quia coronabit eum dominus auch auf eine Krönung zu schließen. Der überlieferte Hymnus ist hierbei ein wert­volles Vergleichsstück. Er kennt nur die Salbung als Weiheakt und nennt die Krone wie in allen anderen westgotischen Texten lediglich in übertragenem Sinne. Weiterhin beinhalten die uns erhaltenen Fragmente der Königsweihe keine Hinweise auf die Bedeutung des Thrones als väterliches Erbteil. Das

45) Est. 8,15: Mardochaeus autem de palatio, et de conspectu regis egrediens,Jul­gebat vestibus regiis, hyacinthinis videlicet et aeriis, coronam auream portans in capite, et amictus serico pallio atque purpureo. Omnisque civitas exultavit, atque laetata est.

46) Ps. 88,21-22: Inveni David, servum meum, IOelo sancto mev unxi eum.1 Ma­nus enim mea auxiliabitur ei, lEt brachium meum confortabit eum.

47) Ps. 20,2: Domine, in virtute tua laetabitur rex, I Et super salutare tuum exsul­tabit vehementer.

48) Hymnodia gotica, Nr. 193,2: Provehe regnum fidelis I principis ad gloriam, I Unguine sacro nitescat, I sanctitate floreat, I Fulgeat vitae corona, I polleat clemen­tia. S.a. BiehI (Anm. 41) 117f. Zum übertragenen Bedeutung von ,corona' in der Liturgie siehe unten im Kapitel ,Die Wortwahl in Konzilsakten, Liturgie und Gesetzes­texten'.

49) LibCom S. 535 ff., S. 537: Spiritus Dominus super me: propter quod uncxit (sie) me.

4 Zeitschrift fUr ReChtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.

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Szepter, wichtiges Herrschaftszeichen der westgotischen und asturisch-Ieo­nesischen Könige, wird überhaupt nicht erwähnt.

Besonders fallt auf, daß das Königsgewand mit dem Begriff ,stola' be­zeichnet wird. Natürlich ist hier nicht die geistliche Stola gemeint, die in nichtspanischen Krönungsordines erst zu viel späterer Zeit als Teil des Herr­scherornates erscheint. In den westgotischen Konzilstexten wird das, was wir heute unter Stola verstehen, wie zunächst allgemein üblich orarium ge­nannt und steht dort in keiner faßbaren Beziehung zum Herrscherornat50

).

Die Bezeichnung ,stola' setzte sich erst seit dem 9. Jahrhundert von Gallien her im übrigen Europa durch51

). Die geistliche Stola als Teil des abendlän­dischen Herrscherornats ist ohnehin erst ab dem 13. Jahrhundert nachweis­bar2

). Im Sprachgebrauch der hispanischen Liturgie ist stola zunächst ein­mal die Bezeichnung für ein Gewand, das meistens in einem übertragenen Sinne von ,Heil' und, Vergebung' steht53) • In den vorliegenden Antiphonen des Königsordos ist stola zweifellos der Name des alttestamentarischen Kö­nigsgewandes, das z.B. David bei der Überführung der Bundeslade nach Jerusalem getragen hat54

). Auch hier liegt eindeutig eine Anlehnung an den Sprachgebrauch des Alten Testamentes vor. Gemeint war mit stola das königliche indumentum, und nicht das geistliche orarium.

Die erhaltenen Stellen der Königsweihe deuten also darauf, daß die Kö­nigssalbung in Anlehnung an das alttestamentarische Vorbild vonstatten ging. Der König wurde gesalbt, dann präsentierte er sich dem Volk und ver­richtete möglicherweise eine öffentliche Opferhandlung am Altar. Darauf deuten Anspielungen auf die Opferhandlungen Davids und Salomons55).

5~ 1. Konz. v. Braga (561) S. 73: ,De orario diaconi'; 4. Konz. v. Toledo (633) S. 202f.: ut si episcopus fuerit recipiat coram altario de manu episcoporum orarium, annulum et baculum,' S. 206: Oraria dua ne episeopo quidem lieere nec presbytero uti. 3. Konz. v. Braga (675) S. 374f.: Kanon: ,Ne saeerdos sine orario missam audeat eelebrare.' Vgl. Rafael Puertas Tricas, Iglesias hispanicas (siglos IV al VIII), Testimonios literarios, Madrid 1975, darin: ,Lexico arqueol6gico de las iglesias', S. 130: ,Orarium'.

51) Th. Bogler,Art. ,Stola', in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 9, Freiburg 21964, Sp. 1090.

52) Josef Deer, Byzanz und die Herrschaftszeichen des Abendlandes, in: Byzan­tinische Zeitschrift 50 (1957), S. 416f.

53) LibOrd Sp. 39 Anm. 2: suscipiat repromissionis stolam. Sp. 230 Anm. 1: Redde mici, Domine, stolam inmortalitatis. S. a. Sp. 98, 136,271. Vgl. die Fundstellen im Index von Marius Ferotin (Hg.): Le Liber mozarabicus Sacramentorum et les m~~uscrits mozarabes, Paris 1912 (im folgenden als LibSacr zitiert), Sp. 1087: ,stola'.

) 1 Par 15,27: Porro David erat indutus stola byssina. 55) LibAnt S. 452: rex dedit oloeausta coram deo . ... Alleluia stetit rex coram altare

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Auf eine Krönungszeremonie kann man jedoch auf grund der erhaltenen Texte nicht schließen.

Die Deutung der Stola als prachtvolles Königsgewand zeigt vor allem eines: die Übernahme von Texten aus dem Alten Testament bedeutete kei­neswegs auch die sklavische Übernahme aller in diesen Texten genannten Elemente. Es genügte auch ein allegorischer Sinngehalt, der die Zusam­menhänge verstehen ließ. Dies könnte auch im Falle der im Alten Testament genannten goldenen Gemmenkrone geschehen sein. Die Worte der Antiphon Processit princeps stolam habens regalem et coronam auream et diadema56)

kennzeichnen das Gewand als königliches Herrschaftszeichen und erwäh­nen eine goldene Krone. Doch die muß der westgotische König nicht un­bedingt getragen haben; es hätte genügt, wenn er eine Kopfbedeckung besessen hätte, die liturgisch als Krone im weitesten Sinne zu begreifen ge­wesen wäre57).

3. Ein Hinweis bei Isidor von Sevilla? Das wichtigste Indiz auf eine mögliche Krönung der westgotischen

Könige findet sich in der Gotengeschichte des Isidor von Sevilla. Zur Kenn­zeichnung der Nachfolge Rekkareds nach dem Tode Leovigilds bedient er sich der Formulierung regno est coronatus58). Der eigentliche Herrschafts­antritt hatte wenigstens teilweise schon zuvor mit der Assoziation Rek­kareds und seines Bruders Hermengild auf den väterlichen Thron statt-

domini in conspectu universe multitudinis Israel manus autem suas elebans ad celos et exorans dominum dixit non est similis tibi deus in caelo et in terra. V gl. 3 Reg. 8,22-23: Stetit autem Salomon ante altaris Domini in conspectu ecclesiae Israel, et ex pandit manus suas in caelum, et ait: Domine Deus Israel, non est similis tui Deus in caelo desuper, et super terramdeorsum. 1 Par. 16,1-2: etobtulerunt holocausta, et pacifica coram Deo. Cumque complesset David offerens holocausta, et pacifica, be­nedixit populo in nomine Domini. Möglicherweise war auch der Eid des Königs, den Glauben und die Kirche zu schützen und gerecht zu regieren, und der Treueeid der Untertanen mit der Zeremonie der Salbung verbunden. Siehe Valverde Castro (Anm. 1) 146f. u. Jose Orlandis Rovira, HistoriadeEspafia. La Espafia visig6tica, Madrid 1977, S. 212. Zum Eid siehe Abilio Barbero de Aguilera/Marcelo Vi­gil Pascual, La formaci6n deI feudalismo en la Peninsula Iberica, Barcelona 51991, S. 170ff. u. Dietrich Claude, Königs- und Untertaneneid im Westgotenreich, in: Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hg. v. Helmut Beumann, Köln u. Wien 1974, S. 358-378.

56) LibAnt S. 452. 57) Diese ,Kopfbedeckung' könnte beispielsweise eine Herrschertiara gewesen

sein. Siehe hierzu Bronisch, Die iberische Herrschertiara, in: Frühmittelalterliche StUdien 33 (1999) (in Druck).

58) HistIsid 52: 3 f.: Recaredus regno est coronatus.

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gefunden. Dies berichtet Johannes von Biclaro, der im übrigen die Regie­rungsübemahme Rekkareds mit den Worten regni eius sumit sceptra be­schreibt59).

Wie also ist coronatus hier zu verstehen? Eine Vergleichs stelle in Isidors Gotengeschichte legt als Übersetzung ,auszeichnen' nahe. Wie Christen durch das Martyrium, so wurde Rekkared durch seine Frömmigkeit mit der Herrschaft ausgezeichnet60). Schließlich hatte Rekkared die Goten vom Arianismus zur Rechtgläubigkeit bekehrt und damit einen besonderen, ge­radezu heilsgeschichtlichen Platz eingenommen. Der Bericht über Rekka­red trägt bei Isidor einen deutlich panegyrischen Charakter61).

Auch in anderen Zusammenhängen bediente sich Isidor des Wortes ,corona', dessen eigentlichen Sinngehalt er durchaus kennt62), in einer über­tragenen Bedeutung. So nennt er in seinen ,De ecclesiasticis ojJiciis' den Haarkranz der Tonsur als ,corona circuli' ein Symbol der Priesterschaft und des himmlischen Königreiches63

). Ansonsten verwendet Isidor ausschließ­lich andere, häufig variierende Ausdrücke zur Bezeichnung des Herr­schaftsantritts, wie suscepit sceptra regni oder apicem fastigii regalis conscendifA). Offensichtlich ist Isidor aus stilistischen Gründen um Ab-

59) ChrBic1 a. 573 Z. 95 f.: Hermenegildum et Reccaredum consortes Regni facit. a. 586 Z. 277 : Reccaredus cum tranquilitate regni eius sumit sceptra.

60) HistIsid (kurze Version) 6: 7-10: ex quibus plerique, quia idolis immolare non adquieverunt, martyrio coronati sunt. In diesem Sinne auch Reydellet (Anm. 5) 538f.: ,,martyrio est, sans conteste, un ablatif de moyen. Reccarede, de mSme, a done ete eouronne de la royaute et non po ur exercer la royaute."

61) Reydellet (Anm. 5) 534ff. 62) Isidor von Sevilla: ,De ecclesiasticis officiis' (PL 83), Lib. II, IV, 4 Sp. 780:

Corona autem latitudo aurei est circuli, quae regum capita cingit. V gl. Etym XIX, 30, 1-2.

63) Isidor von Sevilla: ,De ecclesiasticis officiis' (PL 83), Lib. II, IV, 4 Sp. 780: Quod vero, detonso superius capite, inferius circuli corona relinquitur, sacerdotium regnumque in eis existimojigurari. Siehe zu diesem Komplex Reydellet (Anm. 5) 537, der auch weiter Beispiele für Isidors übertragenen Gebrauch von ,Krone' anführt: in: ,Allegoriae quaedam scripturae sacrae' (PL 83), Sp. 129, u. in: ,De Ortu et obitu patrum' (PL 83), 64 Sp. 148 u. 68 Sp. 149. Peter Classen, Corona Imperii, Die Krone als Inbegriff des römisch-deutschen Reiches im 12. Jahrhundert, in: Festschrift für Percy Ernst Schramm zu seinem siebzigsten Geburtstag von Schülern und Freun­den zugeeignet, hg. v. Peter Classen u. Peter Scheibert, Wiesbaden 1964, Bd. 1 S. 91, spricht vom "metonymischen Gebrauch des Wortes corona".

64) Einige Beispiele aus HistIsid 6: 2-4: primus Gothorum gentis administratio­nem suscepit Athanaricus; 12: 3 f. : Alaricum regem sibi constituunt; 23: 3 f.: Theu­deridus succedit in regnum; 20: 3f.: Sigericus princeps electus est,. 30: 2-4: Turis­mundus filius Theuderedi provehitur ad regnum; 41 : 3 f. : Theudis in Spania creatur in

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 53

wechslung im Ausdruck bemüht. Eine Formulierung, die auf die tatsächliche Übergabe einer Krone schließen ließe, etwa ,coronam regni suscepit', wird von ihm nirgends verwandt65). Claudio Sanchez-Albornoz hatte noch auf der Bedeutung von ,coronare' im Sinne von ,krönen' aufgrund eines Analogieschlusses mit Stellen im Antiphonar von Lean und in der ,Exorta­tio ad principem' bestanden, die im Codex von Albelda aus dem Jahre 976 überliefert ist und die er mit Marius Ferotin bzw. Enrique Flarez in das 7. Jahrhundert datierte66). Doch hat neuere Forschung ergeben, daß diese spanische, Via regia' eine verkürzte Fassung von Smaragds Fürstenspiegel darstellt67).

regnum; 45 : 3: Agila rex constituitur; (kurze Version) 48 : 3: Liuva Narbonnae regno praeficitur,. 49 : 2-4: Leuvigildus adepto Spaniae et Galliae principatu; (kurze Ver­sion) 57: 2f. : filius eius Liuva regni suscepit sceptra; bzw. in der langen Version der Chronik: post Recaredum regem regnat Liuva filius eius,. (kurze Version) 59: 1 f. : Gundemarus post Wittericum princeps efficitur; 60: 21: Sisebutus post Gundemarum regali fastigio evocatur; 62; 2f.: Svinthila gratia divina regni suscepit sceptra; 62: 7f.: Postquam vero apicemfastigii regalisconscendit; 65 : 3: cumpatri solio con­laetatur. S. a. in Isidors ,Sentenzen' : Sancti Isidori Hispalensis epsicopi Sententiarum libri tres (PL 83), folgende Wendungen zur Kennzeichnung der Königsherrschaft: m, XLVIll, 8: ad culmen potestas venerint; m, XLIX, 2: Qui recte utitur regni potestate formam; regni fastigio humili praesidet animo,. m, LI, 3: et quamvis culmine regni sunt praediti.

65) Schon Mare Bloch, Les rois thaumaturges, Etudes sur le caractere surnaturel attribue a la puissance royale particulierement en France et en Angleterre, Straßburg 1924, S. 461 f., war der Ansicht, daß die "Krönung" Rekkareds im metaphorischen Sinne verstanden werden müsse. Daß die westgotischen Könige trotzdem zu be­stimmten Gelegenheiten Kronen getragen haben, schließt er dabei mit Berufung auf Felix Dahn nicht aus. Dieser nahm wegen der Krone des Rebellen Paulus, Abbildun­gen auf Münzen und dem Schatzfund von Guarrazar einen gotischen Kronenbrauch an. Felix Dahn, Die Könige der Germanen, Das Wesen des ältesten Königthums der germanischen Stämme und seine Geschichte bis zur Auflösung des karolingischen Reiches, 2. erweit. Aufl., Leipzig 1885, Bd. 6 S. 53lf. Gegen Blochs Interpretation wendet sich A biEo B arbero de Aguilera, EI pensamiento politico visigodo y las primeras unciones regias en la Europa medieval, in: Hispania 30 (1970), S. 317. Eine Münze aus der Zeit Leovigilds, die den König mit einer byzantinischen Krone zeigt, und, etwas vage, die Hinweise in den Quellen sind ihm hierfür Beweis genug. Sehüeking (Anm. 21) 73f., glaubt nicht an eine Krönung Rekkareds, da auch in der Historia Julians von Toledo keine Krönung, sondern nur die Salbung erwähnt wird.

66) Sanchez-Albornoz (Anm. 21) 1178. Ferotin (Anm.l0) 502, bzw. Fl6rez, Espafia sagrada, Bd. 6, Madrid 21773, S. 37.

67) Hans Hubert Anton, Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolinger­zeit, Bonn 1968, S.135, 168ff.; Otto Eberhardt, Viaregia,DerFürstenspiegeISma­ragds von St. Mihiel und seine literarische Gattung, München 1977, S. 127ff. Diese Via regia ist wiedergegeben in: Colleetio maxima coneiliorum omnium Hispaniae,

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4. Formulierungen in mozarabischen Chroniken: Bezeichnend ist die Wortwahl der beiden ersten lateinischen Chroni­

ken, die nach dem Zusammenbruch des Westgotenreiches (711) Mitte des 8. Jahrhunderts im muslimischen Spanien entstanden sind. Während der Regierungsbeginn der arabischen Kalifen in der Regel mit wechselnden neutralen Wendungen oder mit der Thronbesteigung umschrieben wird68

),

wird der Herrschaftsantritt der byzantinischen Kaiser in der 754 entstan­denen ,Chronica byzantina-arabica' häufig, in der ,Chronica muzarabica' von 741 stets mit den Worten imperio coronatur bezeichnet69

). Es ist denkbar, daß hier die wörtliche Übersetzung einer griechischen Formel ins Lateinische vorliegeO). Dubler hat nachgewiesen, daß der Chronist von 741 seine Informationen vor allem aus griechischen und syrischen Vor­lagen bezogen hat7l). Für den Regierungsantritt der gotischen Könige hin-

Bd. 1, hg. v. Jose Saenz de Aguirre, Rom 1693, S. 232-234, bzw. in: Collectio conciliorum Hispaniae, hg. v. G. Loaisa, Madrid 1593, S. XXXIv-xXXIX.

68) Chr 74113 Z. 2,17 Z. 4f., 19 Z. 2f., 23 Z. lf., 27: lf., 28 Z. 1,29 Z. 3, 31 Z.2, 34 Z. 1,38 Z. 1 f., 41 Z. 1,43 Z. 2f. Einmal ist auch im muslimischen Zusammenhang vom Reichsszepter die Rede. Innerhalb des Satzgefüges wirkt diese Formulierung aber wie ein Versehen, 36 Z. 1 f. : Sarracenorum Rutit sceptra regni ... succedit in regnum,. Chr 754 10: Abubaccar ... succedit in solio. 21: Attuman ... administrationem susCt­pit. 28 Z. 1 f.: Moabia precesoris sortitus est sedem. 87 Z. 2f. : Emir Almuminim .. , a cunctis sublevatur in solio. Vgl. auch 12 Z. 3, 34 Z. 2, 40 Z. 2,50 Z. 2, 51 Z. 2,58 Z. 3, 61 Z. 2, 67 Z. 2, 72 Z. 1,76 Z. 2, 84 Z. 2, 88 Z. 9f. u. 21 f., 94 Z. 5. Nur zweimal beim Kalifen al-Walid wird der Ausdruck ,sceptra regni' verwandt; 51 Z. 1,52 Z. 2. Der Chronist setzt Kenntnisse über die Thronfolge bei den Sarazenen nicht voraus und erläutert, daß bei ihnen der Nachfolger noch zu Lebzeiten seines Vorgängers von die­sem mit allen königlichen Privilegien ausgestattet wird, um Wirren bei seinem Tod zU vermeiden (ibid. Kap. 73).

69) Chr 741 4 Z. lf., 7 Z. lf., 20 Z. lf., 22 Z. lf., 25 Z. 3f., 30 Z. 1, 33 Z. 1, 35 Z. lf., 37, 39, Z. 3. Viermal wird die Herrscherinvestitur mit ,coronatur' umschrie­ben: 6 Z. 1,26 Z. 2, 32 Z. 2,37 Z. 3. Chr 7541 Z. 1,20 Z. 1 f., 24 Z. lf., 30 Z. lf., 39 Z. lf., 42 Z. 2f., 46 Z. lf., 63 Z. lf., 66 Z. lf., 71 Z. lf., 89 Z. 2f. u. 4f. Einzige Ausnahme ist hier der Satz Leo imperii, ut diximus, suscepit sceptra (72 Z. 4f.), nach­dem im vorangehenden Abschnitt schon von der Krönung des Kaisers in der üblichen Weise berichtet worden war.

70) J ose Eduardo L6pez Pereira, Estudio critico sobre la Cr6nica Mozarabe de 754, Zaragoza 1980, S. 95f., 111 f. "EI cliche es siempre e1 mismo, y su empleo se hace mas significativo por la falta de antecedentes en nuestra historiografla" (ibid. S. 95). L6pez Perreira versucht diese Formel damit zu erklären daß sie die lateinische Übersetzung des griechischen 7:cf! n(}a7:EL oucpavov7:at sei. Na~hrichten über Byzanz und die arabischen Kalifen habe die Mozarabische Chronik über lateinische syrisch­nordafrikanische Quellen bezogen (ibid. S. 95ff., 115ff.).

71) Cesar E. Dubler, Sobre 1a cr6nica arabigo-bizantina de 741 y la infiuencia

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 55

gegen wird in der Chronik von 754 keine spezifische Wendung ver­wandt.

Diese Unterscheidung ist nicht belanglos. Insofern die Formel für die In­thronisation in Byzanz suggeriert, daß der entscheidende Akt der Investitur der byzantinischen Kaiser die Krönung war, müßte man aus der der unter­schiedlichen Wortwahl für die gotische Investitur schließen, daß es nach Ansicht des Chronisten hier entweder keine spezifische Zeremonie der Machtübergabe gab, oder daß er den Herrschaftsantritt durch eine Reihe von Akten markiert sah, die sich schließlich in der Vielfalt der von ihm hierfür gewählten Formulierungen niedergeschlagen haben. Wie Isidor von Sevilla variiert der Autor der Chronik die verschiedenen Möglichkeiten des Ausdrucks. Dabei überwiegt allerdings neben allgemeinen Wendungen die Formel, in welcher der Thron des Reiches als Sinnbild für die Herrschaft gewählt wird72

). Ein einziges Mal, im Falle Ervigs, wird eine Königsweihe angedeuteC3). Auf die Königswahlläßt sich nur durch eine indirekte For­mulierung schließen74). Indizien für einen Krönungs- oder Kronenbrauch bei den Westgoten sucht man jedoch vergebens.

bizantina en la Peninsula Ib6rica, in: AI-Andalus 11 (1946), S. 326ff. und Tafel S.332.

72) Im Zentrum des Interesses der Chr 741 steht die Geschichte im Spannungs­verhältnis zwischen den Sarazenen und Byzanz. Gotische Ereignisse werden nicht be­richtet, und die eingestreuten Daten gotischer Könige von Rekkared I. bis Svinthila, wobei Rekkared rr. nicht erwähnt wird, dienen lediglich einer weiteren zeitlichen Ein­ordnung der Geschehnisse. Siehe Chr 7412 Z. 2, 5 Z. 2,9 Z. 1. Nur in einem Fall wird auf das Reichszepter verwiesen, 14 Z. 1 f.: Svinthila in regno Gothorum digna guber­nacula suscepit sceptra. Chr 754 13: Sisebutus .. , Iberiam ... tetentat. 15 Z. 11: Reccharedo ... succedente in solio. 16: Svintila ... gubernacula in regno Gothorum suscepit sceptra. 17: Sisenandus ... regali locatus est solio. 19: Tulgas ... regno sus­cepto principat a. JI. 22: Chindasvintus per tirannidem regnum Gothorum invasum Yberie triumphabiliter principat. 25: Chindas Reccesvintum ... fllium suum regno Gothorum proponit. 41 Z. 2f.: Egika .. , primum et summum obtinet principatum. 44 Z. 4: (Witiza) patris succedens in solio. 52 Z. 2f.: Rudericus tumultuose regnum ortante senatu invadit. S. a. Dubler (Anm. 71) 333. Vgl. Ana Moure Casas, En torno a la fuentes de la Cr6nica Mozarabe, in: Humanitas, In honorem Antonio Fontan, Madrid 1992, S. 359f.

73) Chr 754 37: Gothorum Ervigius consecratur in regno. 74) Chr 754 18 Z. 1-3: Cintila ... Gothis preficitur. 35 Z. 1: Vvamba Gothis pre­

fectus regnat. L6pez Pereira übersetzt: "Ios godos eligen a Chintila" bzw. "Wamba elegido rey de los Godos gobierna" (Ders., Cr6nica mozarabe, S. 37 u. 53). Vgl. 91 Z. 2-4: Toaba (ein muslimischer Gouverneur; Bro.) in Hispaniis ... a cunctis ... preficitur. Ibid. Z. 5 -7: Iuzzif ... adclamatur in regno. Die geläufigere Wendung mit ,eligere' findet sich nur einmal 84 Z. 1-3: Abdebnelic vero consensu omnium ...

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5. Die angebliche Selbstkrönung König Rodrigos: Eine Stelle in der arabischen Chronik des Ibn al-Qutiyya aus der zwei­

ten Hälfte des 10. Jahrhunderts steht allerdings dem ersten Anschein nach im scharfen Gegensatz zu den bisherigen Ergebnissen. Als Kompilation älterer mündlicher, möglicherweise auch schriftlicher Überlieferungen wird dieser Chronik ein verhältnismäßig hoher Quellenwert zugemessen75

).

Bei Ibn al-Qo.tiyya scheint die Praxis der westgotischen Königskrönung belegt. Inden Übersetzungen von Julian Ribera undJames M. Nichols heißt es, Rodrigo habe sich zur Mißbilligung der Christen selbst gekrönt, nachdem er zur Königsherrschaft gelangt war76). Hier scheint unmißver­ständlich ausgedrückt, daß es bei den Westgoten im Zusammenhang mit der Inthronisation eine Krönungszeremonie gegeben hat. Die Selbstkrönung Rodrigos hat nach der Lesart Riberas und Nichols gegen Regeln dieser Zeremonie verstoßen und wurde deshalb vom Volk abgelehnt. Darüber hin­aus könnte man diese Stelle als Hinweis darauf deuten, daß Rodrigo usur­patorisch an die Macht gekommen war.

Prof. Christoph Correll von der sprachwissenschaftlichen Fach­gruppe der Universität Konstanz hat sich auf meine Bitte hin den arabischen Text dieser Stelle bei Ribera und Nichols genauer angesehen. Er hält die vorliegenden Übersetzungen für vom Originaltext auf unzulässige Weise abweichende Interpretationen. Das Verbum des Satzes habe die allgemeine

eligitur Arabum in regno. Dagegen wird ,praeficere' häufig in der Chr 741 verwandt, 2 Z. H.: Liuva ... Gothis praeficitur ... in regno. 5 Z. H.: Gundemarus '" in regno praeficitur. 9 Z. 1: Sisebutus in Gothis regali fastigio evoe,atur.

75) Zur Chronik des Ibn al-Qutiyya siehe die knappe Darstellung des Forschungs­standes bei Bettina Münzel, Feinde, Nachbarn Bündnispartner, "Themen und Formen" der Darstellung christlich-muslimischer Begegnungen in ausgewählten historiographischen Quellen des islamischen Spanien, Münster 1995, S. 21 ff., und er­gänzend Mafia Isabel Fierro, La obra hist6rica de Ibn Al-Qutiyya, in: AI-Qantara 10 (1989) 485-512.

76) Historia de la conquista de Espana de Abena1cotia el Cordobes seguida de frag­mentos hist6ricos de Abenoctaiba, etc., hg. u. übers. ins Spanische von Julilin Ri­bera, Madrid 1926, S. 5: ,Alllegar a manos de Rodrigo la autoridad real, se ciii6 por si mismo la corona, hecho que el pueblo cristiano no aprobO.' James Mansfield Ni c hol s, The History of the Conquest of al-Andalus by Ibn al-Qfiitlya the Cordovan: Translation and Study (Phi!. Diss. masch.-schriftl), The University ofNorth Carolina at Chapel Hill1946, S. 15: When it fell to Roderick to govern he donned the crown, and the Christians disapproved ofit. Besonders frei übersetzt M. A. Cherbonneau, Histoire de la conquete de 1 'Espagne par les musulmans, traduite de la chronique d'lbn el-Kouthya, in: Journal asiatique se sero 8 (1856) S. 434 f.: Or Rodrigue avait souleve contre sa personne le mecontentement des chretiens, d'abord en osant mettre la couronne de Witiza (sie !) sur son front ...

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 57

Bedeutung von stellenisetzenllegenJmachen, vergleichbar dem lateinischen ponere, und sei in der arabischen Form transitiv-aktiv oder auch passivisch aufzufassen. Er übersetzt deshalb: Als das Reich dem Rodrigo zukam, setzte, stellte etc. er die Krone, bzw. in der passiven Form: ... wurde die Krone ge­setzt etc.; da fand die Christenheit das befremdlich77). Da Ribera und Nichols die Existenz von Königskronen und ihre konstitutive Bedeutung als selbstverständlich voraussetzten, interpretierten sie und mit ihnen B ettina MünzeF8) den arabischen Text als eine geläufige Wendung zur Umschrei­bung eines Herrschaftsantritls bzw. einer Usurpation.

Freilich bleibt die Bedeutung dieser Stelle auch in der Übersetzung Cor­rells zunächst dunkel. Klarer wird das Bild, wenn man den Kontext beach­tet, in den der Bericht von der Krone Rodrigos eingebettet ist. Es ist die in verschiedenen Varianten überlieferte Legende vom verschlossenen Haus in Toledo, das nur beim Tod eines Königs geöffnet wurde. Ibn al-Qutiyya bie­tet nur eine kurze Version der Legende: Rodrigo läßt gegen den Widerstand des Volkes das Haus öffnen und findet darin die Darstellung arabischer Krie­ger mit der Inschrift, diese würden das Land erobern, wenn das Haus einst geöffnet werde79). In den Berichten über die Eroberung Spaniens des Pseudo-Ibn Qutayba ist die Legende in zweierlei Form überliefert: als Erzählung von der unerlaubten Öffnung durch Rodrigo und als Bericht über die reichen Schätze, die den Eroberern in Toledo in die Hände fielen. In der Erzählung von der Öffnung heißt es, das Haus sei mit vierundzwanzig Rie­geln verschlossen gewesen. Jeder König habe dem Vorbild seines Vorgän­gers folgend jeweils einen weiteren Riegel anbringen lassen80). Der Bericht von der Kriegsbeute der Muslime erwähnt die Auffindung von 24 goldenen Kronen in einem ,Haus der Könige' genannten Palast. Jede der Kronen sei mit den Namen und Lebensdaten eines Königs versehen gewesen, denn es sei bei den Gotenkönigen üblich gewesen, nach ihrem Tod die Krone, die sie getragen hatten, in diesem Haus niederzulegen81). Beide Varianten sind in jeweils leicht voneinander abweichenden Versionen - beispielsweise

77) Die Umschrift des Satzes nach Correll:Ja-lamma sara l-mulku 'ila Lfidartq ga'ala t-taga (pass. gu'ilu t-tagu)Ja-'ankarat dfUika n-nasraniyya.

78) Münzel (Anm. 75) 50, 52f. 79) Abenalcotfa: Historia de la conquista de Espaiia, S. 5. 80) Narraci6n de la conquista de Espaiia tomada dellibro "Alimamato ua as-siasato"

des Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), hg. u. übers. v. Ribera, Historia de la con­quista de Espaiia (Anm. 76), S. 112f. Siehe auch Fatho-L-Andalu.,:i, Historia de la conquista de Espaiia, C6dice arabigo de siglo XII, hg. u. übers. v. J oaquin de Gon­zalez, Algier 1889, S. 3.

81) Ibid. S. 109.

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schwankt die Zahl der Kronen zwischen 24 und 25 - von verschiedenen ara­bischen Quellen überliefert82

).

Nach Auffassung der Experten sind in die Legende vom verschlossenen Haus auch orientalische Motive eingeflossen83). Heute ist es kaum noch möglich, christliche und muslimische Elemente sauber voneinander zu scheiden. Doch gibt es begründete Hypothesen zum historischen Kern die­ser Legende. Juan Menendez Pidal interpretierte die verschiedenen muslimische Legenden über den letzten Gotenkönig, die er mit den Berich­ten über die Kronen in Beziehung bringt, dahingehend, daß es in Toledo beim Königspalast eine Kirche gegeben habe, die als königliche Grablege fungierte und in der die Schätze aufbewahrt wurden, die das Erstaunen der arabischen Eroberer hervorriefen. In dieser Kirche seien die immer wieder erwähnten Kronen als Weihegaben nach dem Tode des Herrschers aufge­hängt worden84). Allerdings dürften dort nicht nur Könige, sondern auch Mitglieder der königlichen Familie bestattet worden sein, denn bei 24 bzw. 25 Herrschern wäre dieser Brauch bis weit in die Zeit vor der Entstehung des Reiches von Toledo zurückzuführen. Sollte Menendez Pidals Hypothese zutreffen, deutet der Bericht bei Ibn al-Qutiyya darauf, daß Rodrigo die Grablege der Westgotenkönige hatte öffnen lassen, um dort eine Votivkrone

zu stiften. Wenn es sich um einen Akt handelte, der üblicherweise nur nach dem Ableben eines Königs vollzogen wurde, könnte dies das Befremden des Volkes ausgelöst haben.

82) Melchor M. Antufia, Notas de Ibn AbI Riqä' de las lecciones de Ibn Habib acerca de la conquista de Espafia por los arabes, hg. mit einem Vorwort v. Ciaudio Sanchez-AIbornoz, in: Cuadernos de Historiade Espafia 1-2 (1944) S. 256f.; Ibn el-Athir, Annales du Maghreb et de l'Espagne, übers. ins Franz. v. E dm 0 n d Fa g n an, Algier 1898, S. 50; The History of the Mohammedan Dynasties in Spain; extracted from the nafhu-t-tfb min ghosni-l-andalusi-r-rattfb wa tarfkh lisanu-d-dfn ibni-l-khat­tfb by Ahmed Ibn Mohammed Al-Makkari, a native of Telemsan, übers. ins. Engl. v. Pascuai de Gayangos,Bd.l S. 26lf., 282f.,AppendixD (=eine Version derChro­nik des Pseudo-Ibn Qutayba) S. XLIIIf., XLVIII u. LXXIIf.; Ibn 'Idari, Histoire de l' Afrique et de I'Espagne intitulee Al-Bayano'l-Mogrib, übers. ins Französische v. Edmond Fagnan, Bd. 2,AIgier 1904, S. 4; Ibn al- Kardabus, Historia deal-Andalus (Kitäb al-Iktifä'), Estudio, traducci6n y notas porFelipe Maillo Salgado, Madrid 21993, S. 53 f., 64. Zu weiteren arabischen Quellen, in denen diese Legende überliefert ist, siehe Rene Basset, Legendes arabes d'Espagne: la maisonfermee deTolede, in: Bulletin de la Societe de Geographie et d' ArcMoIogie de la Province d' Oran 20 (1898) 42-58.

83) Münzel (Anm. 75) 51 u. Anm. 56. 84) .Juan ~enendez Pidal, Leyendas deI ultimo rey godo (notas e investigaci6-

nes), m: Revlsta de archivos, bibliotecas y museos 5 (1901) S. 871 f.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 59

Ren e Ba s set deutete die Legende so, daß Rodrigo Geld für den Kampf gegen die Partei der Witizaner brauchte, welche die Legitimität seiner Herr­schaft nicht anerkannten. Er habe deshalb gegen den Widerstand des Klerus einen toledanischen Kirchenschatz geplündert85).

Bleiben die Hintergründe insgesamt auch dunkel, so liegt ein Ergebnis doch auf der Hand: Die erwähnte Krone des Rodrigo gehört zur Legende vom verschlossenen Haus in Toledo und ist nicht als Hinweis auf die Krö­nung des Königs zu verstehen. Das Befremden der Christenheit gegenüber der Tat Rodrigos meint somit auch nicht die Ablehnung der usurpierten Herrschaft Rodrigos oder der selbstherrlichen Annahme des Königsinsigne. Bei dieser Deutung löst sich auch der bislang unerklärliche Gegensatz zur Aussage der Chronik Ajbar Mayma'a, die trotz ihrer "anti-Roderich-Sicht" berichtet, das Volk habe die Wahl Rodrigos als eines entschlossenen und be­herzten Mannes gut geheißen86).

IU. Zur Frage westgotischer Königskronen 1. Die Votivkronen von Guarrazar: Von einem anderen Ansatz ausgehend hat auch Brühl die These ver­

treten, es habe keine Krönung bei den Westgoten gegeben. Er erläutert, Kro­nen hätten bis ins HochmittelaIter nicht nur keinen "quasi sakramentalen Charakter" gehabt, wie Ernst Kantorowicz ab der ottonisch-salischen Zeit angenommen hatte87), sondern auch keinen konstitutiven Charakter und seien deshalb nicht wie in späteren Jahrhunderten als Inbegriff von Herr­schaft und Reich verstanden worden. Auch die fränkischen Königssalbun­gen habe man ursprünglich ähnlich den westgotischen ohne Krönung vollzogen88

). Doch die Tatsache, daß eine Krone fester Bestandteil des Kaiserornats gewesen sei und Purpur und Krone auch zur konsularischen

85) Basset (Anm. 82) 56. 86) Ajbar Machmua (Colecci6n de tradiciones), Cr6nica an6nima deI siglo X, dada

a luz por primera vez, traducida y anotada por D. Emilio Lafuente y Alcantara, Madrid 1867, S. 19. Vgl. Münzel (Anm. 75) 50 u. Anm. 53. Auch die Opposition ge­gen die Öffnung des Hauses durch Rodrigo überinterpretiert Münzel als Hinweis auf seine llIegitimität. Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, daß bei Ibn al­Qfitiyya klar zum Ausdruck gebracht wird, daß die Witiza-Söhne die Herrschaft Rodrigos nicht anerkannten. Wie auch in der Chronik Ajblir Maymfi' a erwähnt, war Rodrigo wohl nicht von königlicher Abkunft. Von einer Thronusurpation ist jedoch nicht die Rede.

87) Brühl (Anm. 21) 4f.; Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae: A Study in Liturgical Acclamations and Medieval Ruler Worship, Berkeley-Los Angeles 21958, S.94.

88) Brühl (Anm. 21) 22ff.

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Amtstracht gehört hätten, sei Grund genug für die Annahme, daß auch die Germanenkönige Kronen als festen Bestandteil des Herrscherornates be­

saßen89). Den Gebrauch von Königskronen sieht er bei den germanischen

Völkern für erwiesen90). Hinsichtlich den Westgoten stützt sich Brühl bei dieser Annahme auf dieselben Argumente, die auch den Verfechtern einer

Krönung bei den Westgoten dienen, vor allem aber auf die Votivkronen des

Mitte des 19. Jahrhunderts westlich von Toledo gefundenen Schatzes von

Guarrazar91 ).

Zwei dieser Kronen wurden von den westgotischen Königen Svinthila (621-631) und Rekkesvinth (649-672) gestiftet. Die Annahme liegt des­halb nahe, sie seien ursprünglich getragene Kronen gewesen, die erst später

zu Weihegaben umgeformt worden waren. Doch handelt es sich bei diesen

westgotischen Kronen wenigstens zum Teil um "Kunstkronen" , da sie "durch Größe und Form ungeeignet sind, um aufgesetzt zu werden"92). Li­turgisch scheint ihnen sogar geringere Bedeutung zugemessen worden zu

89) Ibid. S. 19ff. So erklärt Brühl den profanen Brauch des "Unter-der-Krone-Ge­hens" als Relikt eines ursprünglichen Tragens der Krone im Herrscherornat (ibid. S. 21). Beispiele rur Kronen als Teil des byzantinischen Herrscherornates bei J ä s c hk e (Anm. 22) 571ff.

90) Brühl (Anm. 21) 20. Einige Beispiele für fruhmittelalterliches Kronentragen hat Jäschke (Anm. 22) 563ff. zusammengetragen. Doch differenziert er dahin­gehend, daß selbst die frühen Karolinger Kronen "nicht zur Legitimation ihrer Herrschaft, sondern lediglich zur Vervollständigung ihres königlichen Aussehens benötigten". Erst Karl der Große habe das kaiserliche Diadem in den Herrscherornat aufgenommen. Siehe ibid. S. 583 u. 587. Auch Schneider (Anm. 7) 209ff., steht der Bedeutung von Kronen als Herrschaftszeichen bei den Germanen skeptisch gegen­über. Während er bei den Langobarden Königskronen seit Agilulf (590-616) für er­wiesen hält, kennzeichnet er die Belege hierfür bei den Merowingern bis zum 8. Jahr­hundert als problematisch.

91) Brühl (Anm.21) 19. Zu den Votivkronen der Schatzfunde siehe Helmut Schlunk,Arte visigodo, in: Ars Hispaniae, Bd. 2, Madrid 1947, S. 311 ff.; J ose Fer­randis Torre, Artes decorativas visigodas, in: Historia de Espafia (414-711), Bd. 3, hg. v. Ram6n Menendez Pidal, 2. erweit. Aufl., Madrid 1963, S. 682ff. u. Abb. 438-44~; Matilde L6pez Serrano, Arte visigodo: arquitectura y escultura, Artes decoratlVas de la epoca visigoda, ibid. S. 769f.; J ean-Pierre Caillet, L'an­tiquite classique, le haut moyen age et Byzance au musee de Cluny, Paris 1985, Nr. 153-161 S. 218ff. u. Farbabb. Nr. 1; J ean und Philip Lozinski, The Treasure of Guarrazar: in: Actas deI XXIII Congreso Intemacional de Historia deI Arte, Espafia en~;e el Medlterraneo y el Atlantico (Granada 1973), Granada 1976, S. 379-392.

) Percy Ernst Schramm, Gotische "Kronen"?, in: ders., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1, S. 134. Ders., Die Kronen des frühen Mittelalters, in: ders:, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Beiträge zu ihrer Geschichte vom drit­ten biS zum sechzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Stuttgart 1955, S. 377-417, S. 379.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 61

sein, als den Kreuzen, die den Kirchenraum schmückten. Darauf deutet die Segensformel zur Weihe von Votivkronen im über Ordinum, die im Ver­gleich mit der Segnung von Kreuzen kurz ausfällt. Die Segenssprüche wur­den um einen besonderen Teil erweitert, wenn es sich um ein goldenes Kreuz handelte. Eine Erweiterung im Falle einer goldenen Krone oder gar einer Königskrone ist jedoch nicht vorgesehen93).

Diejenigen Votivkronen von Guarrazar allerdings, die wegen ihrer Größe und Beschaffenheit theoretisch auch aufgesetzt werden konnten, sind in der Tat der wichtigste Anhaltspunkt für die Vermutung, Westgotenkönige hätten Kronen getragen. Schücking meint deshalb sogar, die in der Geschichte der Rebellion des Paulus genannte Votivkrone sei ein Beleg dafür, daß bereits ihr Stifter Rekkared 1. eine Krone getragen habe94). Einige der erhaltenen Kronen weisen sogar Scharniere und Ösen auf, die man als Vorrichtungen für die Anbringung einer Fütterung gedeutet hat95). Theo Jülich hingegen bietet eine andere Deutungsmöglichkeit : "Einfacher und schlüssiger wäre eine Interpretation der Ösen als Befestigung eines umlaufenden Drahtes, auf den Perlen aufgefadelt wären, die dann mit den Granula alternieren wür­den"96). Trifft dies zu, so wäre ein wichtiges Argument für die Annahme, daß es sich bei denjenigen Kronen, die dieses Ösen aufweisen, um ehemals wirk­lich getragene Kronen handelt, hinfällig.

Auf jeden Fall ist mit dem Schatzfund von Guarrazar und mit der musli­mischen Überlieferung von den in Toledo gefundenen und mit den Lebens­und Regierungsdaten versehenen Kronen die Sitte, den Kirchen Votiv­kronen zu schenken, hinreichend belegt. Interessanterweise findet sich wie­derum in Byzanz der kaiserliche Brauch, in der Hagia Sophia als Weihege­schenk eine Krone niederzulegen97). Im spanischen Westgotenreich läßt

93) LibOrd Sp. 163ff. ,LVIII. - Benedietio eruds'; Sp. 165f. ,LVIII!. - Benedietio eorone'.

94) Schücking (Anm. 21) 71. 95) Dahn, Könige der Germanen, Bd. 6, S. 532; Schücking (Anm. 21) 72. Diese

Deutung geht wohl auf E. du S ommerard zurück, der am 12. 2. 1859 in ,Le Mond iIlustre" S. 106f. über den spanischen Schatzfund berichtete. Siehe Theo Jülich, Gemmenkreuze, Die Farbigkeit ihres Edelsteinbesatzes bis zum 12. Jahrhundert, in: Aachener Kunstblätter 54/55 (1986/87), S. 239 Anm. 609.

96) Jülich (Anm. 95) 144. 97) Elisabeth Piltz, Kamelaukion et mitra, Insignes byzantines imperiaux et

eccIesiastiques, Stockholm 1977, S. 51ff., 72f. Die Habil.schr. von Hans Dietrich Kahl, Weihekrone und Herrscherkrone, Studien zur Entstehungsgeschichte mittel­alterlicher Symbolhandlungen mit Kronen (masch.-schriftl.), Giessen 1964, ging mir leider erst nach Abschluß des Manuskripts zu und konnte nicht entsprechend berück­sichtigt werden.

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sich auf vielen Gebieten eine Übernahme byzantinischer Formen feststel­len98). Man darf annehmen, daß auch hinsichtlich der Votivkronen dem oströmischen Vorbild gefolgt wurde99). Die Angleichung an byzantinisches Herrscherzeremoniell mag auch zur Folge gehabt haben, daß die Goten­könige in Spanien Kronen getragen haben, um sich ein imperiales Erschei­nungsbild zu gebenIOO). Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß die Westgoten sich keinesfalls sklavisch an ihre Vorbilder hielten, sondem selbstbewußt eigene Traditionen begründeten. Die Übernahme imperialer Gebräuche war nicht nur schlichte Nachahmung, sondern diente durch die Ang1eichung imperialer Symbolik der Gleichsetzung des westgotischen Königs mit dem byzantinischen Kaiser und damit der Legitimation der Herrschaft über Gebiete, die einst zum Römischen Reich gehÖrtenIOI

).

Luis Garcia Moreno spricht von der ,Imperialisierung' der gotischen MonarchieI02

). Demselben Ziel konnte auch die Schaffung neuer Symbole dienen. Hierfür ist die Königssalbung das beste Beispiel. Im byzantini­schen Bereich fand sie erst seit Theodoros I. Laskaris im Jahre 1208 in Ni­kaia durch den Einfluß des lateinischen Kaisertums in Konstantinopel stattI03

). Die Königssalbung war mit den Worten Barberos zweifellos "la creaci6n original de una instituci6n"104). Daß die Salbung mit einem höhe­ren sakralen Anspruch hier an die Stelle der Krönung getreten ist, die in Byzanz im übrigen keine konstitutive Bedeutung hatte, sollte nicht ver­wundern. Kurt- Ulrich Jäschke vertritt die Ansicht, daß der byzantini­sche Herrscherornat in den germanischen Reichen nachgeahmt wurde, nicht jedoch die komplizierten Erhebungsvorgänge, und daß deshalb eine Erstkrönung beim Herrschaftsantritt keine zwingende Notwendigkeit ge­wesen seP05).

98) V gl. oben Anm. 1. 99) Schlunk (Anm. 91) 313, sieht in germanischen Weihekronen die Übernahme

eines byzantinischen Brauchs; ebenso Deer (Anm. 52) 433. J(JO) Solche "Nachahmungen im äußeren Erscheinungsbild" nimmt Jäschke

(Anm. 22) 582 auch für die fränkischen Könige an. 101) Valverde Castro (Anm. 1) 142ff.; s. a. Barbero de Aguilera (Anm. 65)

247,259.

102) Garcia Moreno (Anm. 1) 119f.: "Esta ,imperializaci6n' de la Monarqula goda ensayada por Leovigildo ..... . :03) Georg üstrogorsky, Zur Kaisersalbung und Schilderhebung im spätbyzan­t1n:~chen Krönungszeremoniell, in: Historia 4 (1955) S. 246ff.

105) B.~rbero de Aguilera (Anm. 65) 317; s. a. Valverde Castro (Anm. 1) 146. ) Jaschke (Anm. 22) 584: "Wo sich zeigen läßt daß der Westen nur das Er­

scheinungsbild, nicht jedoch die komplizierten Erheb~ngsvorgänge byzantinischer Herrscher nachahmte - und das gilt schon für Chlodwig-, entfällt die zwingende

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 63

Für Spanien kann das bedeuten, daß zur eigenen, westgotischen Form der Königsweihe der byzantinische Brauch trat, eine Votivkrone als Weihegabe niederzulegen. Ein Jahrhundert später hat dies auch Karl der Große getan, wie wir aus dem Bericht des ,Liber PontificaZis' über seine Krönung und Kaiserakklamation am Weihnachtstage des Jahres 800 erfahren. Denn nach der Meßfeier schenkte Karl der Peterskirche eine Gemmenkrone, die über dem Altar aufgehängt wurde106

). Die Bedeutung dieses Aktes darf freilich nicht überschätzt werden. Denn die Stiftung von Weihekronen war kein königliches Privileg. Auch Bischöfe, Äbte und Laien übten diesen Brauch.

2. Herrscherabbildungen auf Münzen: Unter König Leovigild (568-586) begann in Spanien eine eigene

numismatische Tradition, die sich durch die fortschreitende Lösung von byzantinischen Vorbildern auszeichnete. Mit Ausnahme weniger Münzen aus einer experimentellen Frühphase, auf denen der abgebildete Herrscher tatsächlich eine Krone 107) , manchmal auch so etwas wie einen Helm trägt108

), bildet sich bald ein eigener westgotischer Münztyp heraus, der in Frontalansicht einen unbedeckten Kopf mit bis auf die Schultern fallendem Haar zeigtI09). Dieser Typus wird erst gegen 649 unter Rekkesvinth zugun-

Notwendigkeit für die Annahme, daß alle Bestandteile des Königsomats bereits beim Herrschaftsantritt feierlich entgegengenommen wurden."

106) Le Liber Pontificalis, Texte, introduction et commentaire, hg. v. Luis Du­chesne, Paris 1981 (Nachdr. d. Ausg. von 1955), Bd. 2 S. 7f.: Et missaperacta, post celebrationem missarum, obtulit ipse serenissimus domnus imperator... et corona aurea cum gemmis majores, quae pendet super altare.

107) Schon Alois Heiss, Description generale des monnaies des rois wisigoths d' Espagne, Paris 1872, S. 34, hatte festgestellt, daß auf den westgotischen Münzen nur sehr selten Abbildungen von Kronen zu finden sind.

108) Abb. bei W. Reinhart, Los yelmos visigodos, in: Archivo Espafiol de Ar­queologfa 20 (1947) 122-125 u. Phili pp Griers on, The Coins ofMedieval Europe, London 1991, Taf. 1. Vgl. Claude (Anm. 4) 64: "Wiederholt erscheinen die west­gotischen Könige auf Münzen mit einem konischen Helm, von dem Infuln herab­hängen. Auch hier ist es jedoch unklar, ob es sich nicht um eine mißverstandene Nachahmung römischer Vorbilder handelt. "

109) Zu Abb. vgl. vorangehende Fußnote u. Miles (Anm. 16) 43ff., 47f.; S. 48: "A distinctive feature of all the facing busts, with the exception of Leovigild's first experimental ones (where in some cases the king appears to be wearing a crown), and of some of the childlike busts toward the end of the Visigothic coinage, is the bare head and long flowing locks descending almost to the shoulders in braids or curls on each side of the head. The long hair was the ,badge of nobility and perhaps of racial superiority' of the Gothic kings, and there is little doubt but that tbis characteristic of the Visigothic facing bust is a true reflection of the ,national' quality of the new coinage; that is, we have here the evidence not only of a divorcement from imperial

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sten des Herrscherbildes im Profil aufgegeben, das den König mit der Binde des Diadems und deutlich sichtbaren Infuln zeigtllO).

Leider macht es die Abhängigkeit der westgotischen Münzprägungen von oströmischen Vorbildern hinsichtlich der Königsdiademe unmöglich zu ent­scheiden, ob sie der Realität entsprachen, oder ob es idealisierte oder strikt dem byzantinischen Vorbild folgende Darstellungen sindlll). Auf jeden Fall kennzeichnen den König auf den Münzbildern keine Kronen des Typus aus dem Schatzfund von Guarrazar. Auffallend vielmehr ist stattdessen die Darstellung des langen Haupthaares, das nach altgermanischer Vorstellung sichtbares Zeichen des königlichen Heils warll2). Hinsichtlich der Mero­winger stellt Jäschke fest, daß für sie eigentlich keine Notwendigkeit be­standen habe, eine Krone zu tragen, da sie an ihrem langen Haar als Könige jederzeit zu erkennen waren ll3). Daß Gleiches für die westgotischen Herr­scher gilt und die Abbildungen auf den Münzen der Wirklichkeit entspro­chen haben könnten, legt ein Brauch nahe, der bis zum Ende des westgoti­schen Reiches als ein Mittel zur Untauglichmachung von Rebellen oder Usurpatoren der Königsherrschaft geübt wurde: die schändliche Dekalva­tion1l4).

ties but of the conscious creation of a proud and peculiarly Gothic independence of style."

11') Ibid. S. 51. Zur Entwicklung des westgotischen Münzwesens s. a. Felipe Ma­teu y Llopis, EI arte monetario visigodo, Las monedas corno monurnentos (uu ensayo de interpretaci6n), in: Archivo Espafiol deArte 16 (1943) S. 190ff.; 18 (1945) S.34ff.

111) Heiss, Monnaies de rois wisigoths, S. 24ff.; Miles (Anm. 16) 51, 53; Grier­son (Anm. 108) 14f., 22f., Tafell; Claude (Anm. 4) 64.

112) Percy Ernst Schramm, Zur Haar- und Barttracht als Kennzeichen im germanischen Altertum und im Mittelalter, in: ders., Herrschaftszeichen und Staats­symbolik, Bd. 1 S. 124 ff.; Der s., Brustbilder von Königen auf Siegelringen der Völkerwanderungszeit, ibid. S. 213ff.

113) Jäschke (Anm. 22) 582. Zur Haartracht der Merowinger siehe auch Schnei­der (Anm. 7) 204. Doch glaubt Schneider, daß die langen Haare ihren Träger weder zur Herrschaft legitimierten, noch daß ihr Verlust auch den Verlust des Herrschafts­anspruchs bedeutete, "da sie nachwachsen konnten". Dagegen KI aus S p ri g ade, Die Einweisung ins Kloster und in den geistlichen Stand als politische Maßnahme im frühen Mittelalter (Phil. Diss.), Heidelberg 1964, S. 44: "Langes, bis auf den Rücken herabfallendes Haar ließ bei den Franken das Mitglied des merowingischen Königs­hauses, den Prinzen wie den zur Herrschaft gelangten König, erkennen. Abschneiden des langen Haares brachte auf sinnfällige, greifbare Weise den Ausschluß aus der ~önig~familie zum Ausdruck: Das kurzgeschnittene Haar verwies den Merowinger in dl~l~elhe des zur Königsherrschaft nicht zugelassenen übrigen Volkes."

) Bund (Anm. 6) 600f.; s. a. Schramm (Anm. 112) 126f. Vgl. 6. Konz. v.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 65

3. Kronen bei lsidor von Sevilla: Aus der schon zitierten Stelle der Historia des Isidor von Sevilla über

die Einführung von Herrscherinsignien durch Leovigild ergibt sich, daß die Westgotenkönige mindestens bis Leovigild keine Kronen als exklusive Herrschaftszeichen getragen haben. Denn sonst hätte der Chronist kaum be­richtet, er habe sich bis dahin in seinem Aussehen nicht vom Volke unter­schieden1J5

). Auch an eine Verleihung römischer Amtsabzeichen durch den byzantinischen Kaiser, unter denen auch das Diadem figuriert haben könnte, ist kaum zu denken. Nicht nur, daß davon nichts bekannt ist: regalis vestis und solium gehören nicht zu den Attributen, die römischen Alliierten ge­meinhin zuerkannt wurden1l6).

In seinen Etymologien beschreibt Isisdor Gebrauch und Funktion von Kronen. Er bezeichnet sie zunächst allgemein als Kopfschmuck, und im en­geren Sinne als Zeichen des Sieges, der königlichen Würde oder gar als Symbol der Herrschaft über mehrere Völker. Allerdings nimmt er nicht di­rekt auf die Goten Bezug, sondern er schreibt, daß die römischen Imperato­ren und einige Könige goldene Kronen benützten. Denn es würden nicht in allen Reichen die gleichen Herrschaftszeichen verwandtl17). Brühl sieht

Toledo (638) S. 244f.: nullus tyrannica praesumtione regnum adsummat, nullus sub religionis habitu detonsus aut turpiter decalvatus. Daß Merowinger niemals durch Skalpierung untauglich gemacht wurden, sondern daß ihr zur Strafe oder Buße ge­schorenes Haar tatsächlich wieder nachwachsen konnte, was in einigen Fällen tatsäch­lich geschah, hat auf einer breiten Quellenbasis Sprigade (Anm. 113) 9ff. nach­gewiesen. Insofern ist sogar an eine stärkere Bedeutung der Haartracht bei den West­goten zu denken. Die Dekalvation bedeutete bei ihnen nach einer Bestimmung in den ,Leges Visigothorum', 12, 3, 2, zweifellos eine Skalpierung, wahrscheinlich durch Schläge, bis sich die Kopfhaut löste (,Leges Visigothorum', XII 3,2 S. 432 u. XII 18 S. 448: centenis decalvatus flagellis; C. flagella decalvati), und keine Rasur, und so­mit einen dauerhaften Verlust. Siehe Bund (Anm. 6) 581 Anm. 167.

115) So Schücking (Anm. 21) 71. Vgl. Histlsid (kurze Version) 51: 7-10. Kar! Friedrich Stroheker, Leovigild, in: Germanentum und Spätantike, Zürich u. Stutt­gart 1965, S. 143, nimmt, gestützt auf die Isidorstelle und auf die Münzbilder, an, daß Leovigild als erster westgotischer König eine Krone getragen hat. Claude (Anm. 4) 61 u. 64 läßt die Frage unentschieden, da einerseits viel ältere gotische Stirnreifen bekannt sind, andererseits durch die ikonographische Abhängigkeit westgotischer Münzprägungen vom byzantinischen Vorbild Herrscherabbildungen mit Krone kein hinreichender Beleg dafür sein können, daß die Westgotenkönige tatsächlich Kronen getragen haben.

116) Reydellet (Anm. 5) 534. 117) Etym XIX, 30,1-3: Omamenta dicta eo quod eorum cultu ora vultusque de­

corentur. Prima omamenta corona insigne victoriae, sive regii honoris signum; quae ideo in capite regum ponitur, ad signijicandum circumfusos in orbe populos, quibus

5 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.

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darin einen klaren Hinweis auf Königskronen bei den Goten. Dafür seien die westgotischen Votivkronen der materielle Beleg118). Doch hat Isidor sehr distanziert formuliert und die Unterschiede der Insignien betont. Für eine generelle Bestätigung des Kronenbrauchs bei den Goten sollte man eine direktere Ausdrucksweise erwarten können 119). An anderer Stelle äußert sich Isidor dann auch eindeutiger. Was in israelitischer Zeit die Königssalbung gewesen sei, sei zu seiner Zeit das purpume Königsgewand I20

).

Ein letztes Beispiel bestärkt die Vermutung, daß Isidor Kronen nicht als westgotische Insignien königlicher Herrschaft betrachtete. In seinen ,Sen­tenzen' schreibt er über den Lohn, den gute bzw. schändliche Könige im Jenseits erhalten. Dem guten König werde ewiger Ruhm zuteil. Verruchten Regenten hingegen blühe nach einem Leben im Prachtkleid und nach dem Glanz von Edelsteinen nackt und armselig der Abstieg in die Hölle I21

). Als Kennzeichen für die irdische Würde eines Königs wählt Isidor also das Königsgewand und als weltliches Attribut seiner Herrschaft den Reichtum, für den das Leuchten der Edelsteine steht. Diese Symbolik findet sich auch in anderen Zeugnissen aus westgotischer Zeit, die noch zur Sprache kom­men. Von Kronen als Herrschaftszeichen gotischer Königsgewalt ist bei Isidor von Sevilla jedenfalls nirgends ausdrücklich die Rede.

Eine Stelle allerdings scheint auf den ersten Blick doch für den Gebrauch des Diadems als königliches Insignie zu sprechen. In der ,Laus Spaniae', mit der er seine Gotengeschichte einleitet, lautet der letzte Satz, daß Spanien nun an die Goten übergegangen sei, die das sichere Glück der Herrschaft über das Land genießen, versehen mit königlichen Infuln (regias injulas), um­fangreicher Truppenmacht und reichlichen Schätzen122). Hier möchte man

adcinetus quasi caput suum eoronatur. ( ... ) Inperatores Romani et reges quidam gen­tium aureas coronas utuntur. ( ... ) Non enim eadem sunt insignia omnium regnorum.

118) Brühl (Anm. 21) 19. 119) In diesem Sinne auch Reydellet (Anm 5) 537. Eine andere Stelle in den

Etymologien bezeugt den Kronenbrauch bei den Griechen und ist nicht als allgemeine Bestätigung von Königskronen zu verstehen. Etym IX, 3, 18: Reges autem ob hanc causam apud Graeeos ,basileis ' voeantur, quod tamquam bases populum sustinent. Unde et bases coronas habent.

120) Etym VII, 2, 2: et sieut nunc regibus indumentum purpurae insigne est regiae dignitatis, sie illis unctio sacri unguenti nomen ac potestatem regiam conferebat.

121) I 'd S'l . SI or Von eVlla: ,Sententiarum libri tres', III Cap. XLVIII, 6 S. 719: QUI

inter s~ee~lum bene temporaliter imperat, sine fine in perpetuum regnat .. et de gloria saecul! hUJus ad aeternam transmeat gloriam. Qui vero prave regnum exercent, post vestem fulgentem et lumina lapillorum, nudi et miseri ad inferna torquendi descen­dunt.

122) HistIsid ,Laus Spaniae', S.170: denuo tamen Gothorumflorentissima gens post

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zunächst an die Schleife des Diadems denken, mit der es am Hinterkopf zu­sammengebunden wurde und die z.B. auf Münzen deutlich zu erkennen ist. Mit den Infuln wäre dann als pars pro toto das Diadem als Zeichen der Königswürde angesprochen. In seinen Etymologien aber beschreibt Isidor die infula ganz im klassischen Sinne als eine Kopfbinde heidnischer Prie­ster, die nach Art eines Diadems gebunden ist und von der auf beiden Seiten Streifen herabhängen, mit denen die Infula festgebunden wirdI23). Als Teil des Herrscherornats nennt Isidor hier die Infula nicht. Das Band, mit dem die Krone hinter dem Kopf befestigt wird, nennt er ,vitta' bzw. den sicht­baren Teil dieses Bandes, der von der Krone herabhängt ,taenia <I24). Nach Fougeres war die Infula das Zeichen für einen Weihezustand, also Ab­zeichen von Priestern, Opfertieren und zum Tode Verurteilter. Die Braut schmückte damit die Türe ihres Gatten. In der Sprache der figürlichen Dar­stellung sei die Infula zum Zeichen hoher Würde, insbesondere der Herr­schaft (injulae imperiales) gewordenI25). Die Infula ist also nicht als reeller Ausstattungsgegenstand byzantinischer oder gotischer Herrscher zu ver­stehenJ26

). Die ,infulae regiae' in Isidors ,Lobpreis Spaniens' sind dem-

multiplices in orbe victorias certatim rapit et amavit, jruiturque hactenus inter regias infulas et opes largas imperii felicitate securas. Eine Variante, die ich bevorzuge, lautet felicitate secura. Siehe Mo m ms e n s Edition der Gotengeschichte, in: Chronica minora saec. IV. V. VI. VII, Bd. 2 (MGH auct. antiqu., Bd. 11), Berlin 1894, S. 267: 25. Die Frage, ob imperii den opes largas oder felicitate zuzurechnen ist, läßt sich m. E. nicht entscheiden. Beides ist denkbar und möglich und mußte auch einem zeit­genössischen Leser ambivalent erscheinen. Siehe hierzu Reydellet (Anm. 5) 516 Anm. 38, der ,imperium' wegen des Chiasmus regias infulas/opes largas zu jelicitas' zieht. Zum folgenden s. a. ibid. S. 516f. Opes copiosas bedeutet sowohl Reichtum, als auch Truppenstärke. Beides ergibt im Kontext einen Sinn. Diese Doppelbedeutung dürfte beabsichtigt sein. I. d. R. wird mit ,Reichtum' übersetzt. NurIsidoro Rodrf­guez, Cantico de San Isidoro a Espafia, in: Helmantica 12 (1961) S. 213f. u. Anm. 126, bevorzugt "tropas copiosas", da bei einer metaphorischen Bedeutung von regias infulas sonst eine Tautologie gegeben wäre.

123) Etym XIX, 30. 3-4: Gentilium vates infulas, apices, pillea sive galeria ute­bantur. Infula estfasciola sacerdotalis capitis alba in modum diadematis, a qua vittae ab utraque parte dependent, quae infulam vinciunt .. unde et vittae dictae sunt, quod vinciant. Infula autem plerumque lata erat, plerumque tortilis, de albo et cocco.

124) Ibid. XIX, 31. 6: Item vitta est qua corona vincitur .. taenia vero extrema pars vittae quae dependet coronae.

125) Gustave Fougeres, ,infula', in: Dictionaire des Antiquites Grecques et ~omaines, Paris 1900 (Nachdr. Graz 1963), Bd. 3 S. 215f. S. a. Latte Art. ,infula', In: Paulys Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart 1916, ~d. 18 Sp. 1543.

126) Einen Hinweis auf die Infula als realer Herrscherinsignie geben weder

5*

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zufolge ein figürlicher Ausdruck, der die besondere Weihe unterstreicht, mit welcher nach Isidor die Gotenherrschaft in Spanien versehen ist. Als Übersetzung für infulae regiae böte sich ,königliche Weihe' an. Offenbar wollte Isidor zum Ausdruck bringen, daß die Goten mit den irdischen und himmlischen Attributen einer glücklichen Herrschaft versehen waren: mit irdischem Reichtum und einer von Gott begnadeten, geweihten Re­gierung. Dabei wählte er zugleich ein Bild, das die Verbindung der Goten mit dem Land Spanien als Bund zwischen Braut und Bräutigam be­

schriebI27).

4. Die Krone des Paulus: Der erste Bericht über den Gebrauch einer Krone durch einen König

steht in der ,Historia Wambae regis' des Julian von Toledo, die er in den sieb­ziger Jahren des 7. Jahrhunderts geschrieben haben dürfte. Darin wird berichtet, daß der Empörer Paulus es wagte, die von König Rekkared dem heiligen Felix gestiftete goldene Krone auf sein eigenes Haupt zu setzen

I2ß).

Diese Stelle dient vielen als Erweis des Gebrauchs von Kronen als Herr-

Andreas Alföldi, Insignien und Tracht der römischen Kaiser, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Röm. Abt. 50 (1935) 1-171 ; noch Kl auS Wes­sel/Elisabeth Piltz/Cornia Nicolscu, Art. ,Insignien', in: Reallexikon zur Byzantinischen Kunst, Bd. 3, Stuttgart 1978, Sp. 369-498.

127) Rodriguez Alonso (Anm. 2) 171, hat sich hier in seiner Übersetzung einer Interpretation entzogen: "sin embargo, al fin, 1a floreciente naci6n de los godoS, despues de innumerables victorias en tode el orbe, con empefio te conquist6 y te am6 y hasta abora te goza segura entre Infulas regias y copiosisimos tesoros en seguriada y felicidad de imperio." Kenneth Baxter Wolf, Conquerors and Chroniclers of Early Medieval Spain, Translated with notes and introduction, Liverpool1990, S. 82 f., hat sich für eine neutrale Übersetzung entschieden: "now it is the most flourishing people of the Goths, who in their turn, after many victories all over the world, have eagerlY seized you: they enjoy you up to the present time amidst royal emblems and great wealth, secure in the good fortune of empire." V gl. auch eine Stelle bei Cyprian, auf die Rodriguez Alonso (Anm. 2) 171 Anm. 5 verweist, und nach der Isidor seinen Satz gebildet hat: Cyprien de Carthage, A Donat et La Vertu de Patience (Texte latin). Introduction, traduction et notes de J ean Molager, Paris 1982, 13: 307-310 S. 108: An tu vel Wos putas tutos, illos saltim inter honorum infulas et opes largas stabili jinnitate. securos, quos regalis aulae splendore fulgentes armorum eX­cubantium tutela circumstat? Zur Deutung dieser Isidor-Stelle vor dem Hintergrund von Isidors providentialistischer Einordnung der Gotenherrschaft in Spanien s. a. Bronisch (Anm. 20) 48ff., insbesondere S. 53ff.

12ß) HistWamb 26 Z. 676-680: Unde factum est, ut vasa argenti quam plurima de thesauris dominicis rapta et coronam Wam auream, quam divae memoriae Recca­redu~ princeps ad corpus beatissimi Felicis obtulerat, quam idem Paulus insano capiti suo zmponere ausus est.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 69

schaftszeichen bei den Westgoten 129). Mancher glaubt hierin sogar einen Hinweis auf einen Krönungsakt zu erkennenl30).

Doch ist davon im eigentlichen Sinne nicht die Rede. Vielmehr soll hier die Schändlichkeit des Verhaltens des Tyrannen Paulus verdeutlicht wer­den. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß er gleichzeitig ins Lächerliche gezogen wird, wenn er mit einer Votivkrone, d. h. auch mit allen Pendilien und Autbängungsvorrichtungen auf dem Kopf vorgestellt wird. In der Gesamtkonzeption der Geschichte des Wamba dient Paulus stets als schlechtes Beispiel, um die hervorragenden Eigenschaften des Königs zu unterstreichenl3l

). Der Hintergrund dieser Geschichte dürfte sein, daß der Usurpator Kirchenschätze konfiszierte, weil ihm sonst die nötigen Mittel für den Krieg gegen Wamba gefehlt hätten, und daß er damit auch in den Besitz der Weihekrone des Rekkared gelangte. Daß Paulus sich die ge­weihte Krone auch aufgesetzt hat, ist jedoch wenig glaubhaft. Denn es ist äußerst zweifelhaft, ob das Verhalten des Paulus von seinen Anhängern und vom Volk, über das er zu herrschen gedachte, positiv gewürdigt worden wäre. Der Frevel wäre doch zu offensichtlich gewesen, als daß er dem auf Legitimität bedachten Paulus zugetraut werden muß. Daß Paulus Wert auf die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft legte, zeigt sich in einem Brief an Wamba, in weIchem er sich selbst ,Flavius Paulus unctus rex Orientalis' tituliert l32). Er betrachtete also, wie es üblich war, die Salbung als eigentlichen Akt der Königsweihe und nicht etwa eine Königskrönung. Es ist bezeichnend, daß Julian die Salbung des Paulus verschweigt, um seinerseits jeden Anschein von Legitimität der Herrschaft des Paulus zu vermeiden.

Ferner fällt auf, daß die Entweihung der Krone des Heiligen nicht im Zu­sammenhang mit der Herrschaftsusurpation des Paulus berichtet wirdl33),

auch nicht im Zusammenhang mit der Ablegung der Herrschaftszeichen nach seiner Niederlage - genannt werden an dieser Stelle wiederum die königlichen Gewänder und das Szepterl34) -, sondern als besonderes Bei-

129) Schücking (Anm. 21) 71; Claude (Anm. 4) 65; Elbern (Anm. 43) 1545. 130) So z.B. Orlandis Rovira (Anm. 55) 258. 131) Zum panegyrischen Charakter der Historia Wambae siehe Teillet (Anm. 22)

591ff., 596, 605f., 617ff. u. dies., L'Historia Wambae, S. 415-424. (32) Ibid. ,Epistola Pauli pe1jidi', S. 217. 133) HistWamb 8. In diesem Sinne auch Brühl (Anm. 21) 23 Anm. 122. Doch geht

er davon aus, daß Kronen zum Herrscheromat der Westgoten gehören und Paulus des­halb auch eine Krone brauchte. In Ermangelung einer eigenen habe er sich in der Eile der des hl. Felix bedient.

134) HistWamb 20 Z. 527-533: Tune omnimoda desperatione permotus, regalia

I""t, •

li: ·If!

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spiel seiner Habgier und seines schändlichen Kirchenraubes 135). Aus dem

byzantinischen Bereich überliefert Theophanes die Entweihung einer Votivkrone durch den Herrscher. Aus Habsucht habe sich Kaiser Leon IV. (775-780) eine Votivkrone der Hagia Sophia aufgesetzt und sei an den Fol­gen seines Frevels gestorben. Theophanes berichtet dies zwar aus einer späteren Zeit, dem Jahre 780, aber es kann kein Zweifel bestehen, daß die Profanierung von Weihekronen auch im ausgehenden 7. Jahrhundert als schändlich erachtet wurde136).

Beim triumphalen Einzug Wambas in Toledo mußte Paulus als Schand­kappe einen pechschwarzen Lorbeerkranz aus Leder tragen 137). Auch in die­sem Falle hat der Gebrauch des Wortes, coronatus' manchen diese Stelle als weiteres Indiz für Krönungen bei den Westgoten verstehen lassen138

). Doch steht der schwarze Lorbeerkranz wohl eher für die Ambitionen des Paulus. Er wollte triumphieren; nun erfährt er, bekränzt mit einem pervertierten Sie­gerkranz, die Karikatur eines Triumphzuges. Zugleich mag im Symbol der Schandkappe in der Konzeption von Julians Erzählung auch eine Allusion auf den Mißbrauch der Votivkrone durch Paulus vorliegen. Sie steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Symbolik. Jedenfalls ist es zu weit hergeholt, die Szene als Beweis für die Existenz von Krönungsritus und Kronenbrauch bei

indumenta, quae tyrannidis ambitione potius quam ordine praeeunte perceperat, ta­befactus deposuit, miro occultoque Dei iudicio id agente, ut eodem die percept~m tyrannus regnum deponeret, quo religiosus princeps regnandi sceptrum a Dommo percepisset.

135) Ibid. 26 Z. 672-676: Cumulaverat enim nefandissimus ipse Paulus pecca~~ peccatum, dum tyrannidi adiungeret sacrilegium. Nam ut quidam sapiens dicit: ,mSI

sacris ecclesiis intulisset spolium, non esset unde suum floreret aerarium '. ,,136) Siehe hierzu Jäschke (Anm. 22) 580 mit Verweis auf Leopold Breyer

(Ubers.), Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz, Das 8. Jahrhundert (717-813) auS der Weltchronik des Theophanes, Graz u.a. 1964, S. 107: "Am 8. September der 4., Indiktio s~arb Le?n, der Sohn des Konstantin, auf folgende Weise: Da er ein leldens~hafthcher LIebhaber Von Edelsteinen war, gelüstete es ihn sehr nach der Krone 1D der Großen Kirche. Er nahm sie an sich und setzte sie sich auf. Da bildeten si~h auf seinem Kopf brandartige Geschwüre (Karbunkel), er wurde von heftigem FIeber erfaßt und starb sechs Tage vor der Vollendung seines fünften Regenten­jahres."

137) Ibi~. 30 Z. 773: ~t picea ex coreis laurea coronatus. Schneider (Anm. 7) 200 ~nm. 65 mterpretIert dIe Stelle so: "Paulus trägt also eine aus Leder und Pech gefer­tigte Lorb.eerkro~e, möglicherweise ist sein Kopf auch verpicht ("geteert") worden, e~e ma.n Ihm lDIt ledernem (1) Lorbeer kränzte. Darin wäre eine zusätzliche und korperliche Pein zu sehen."

138) So Schücking (Anm. 21) 72,

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 71

den Westgoten heranzuziehen. Schließlich findet sich auch im Bericht von der Wahl und der Weihe Wambas kein Hinweis auf eine eventuelle Krönung des Königs 139).

5. Die Wortwahl in Konzilsakten, Liturgie und Gesetzestexten: Auch in den westgotischen Konzilien von Toledo finden sich zur Kenn­

zeichnung der Königsherrschaft gewöhnlich Formulierungen wie ,regia potestas', ,jastigium culminis', ,apex regni' oder ,culmen regni'140). Auf dem 3. Konzil von Toledo (589), das zur Bekräftigung der Abkehr vom Arianis­mus in Spanien einberufen worden war, wird ,corona' lediglich im über­tragenen Sinne gebraucht14!). Dieser übertragene Sprachgebrauch von ,corona' entspricht durchwegs den Gepflogenheiten der altspanischen Liturgie142

). Besonders deutlich wird das in den Gebeten, die anläßlich der Rückkehr von einem Kriegszug gesprochen wurden. Darin heißt es vom König, er möge als ein gerechter Herrscher dem Volke vorstehen, damit er nach dem Tode zusammen mit den Auserwählten gekrönt werde, d. h. be­sondere Ehrung und Auszeichnung erfahre143).

Die gleiche Wortwahl wie in den bisher betrachteten Quellen findet sich auch in den Texten der westgotischen Gesetzessammlung. Apex regni, regie celsitudinis culmen, culmen regium, culminis jastigium, solium regale und regia potestas bzw. potestas regis sind die Wendungen, die zur Kennzeich­nung der Königsherrschaft herangezogen werden!44).

139) Ibid. S. 74. Das Fehlen von Hinweisen auf eine Krönung Wambas unterstreicht die Notwendigkeit, Isidors Worte von der Designation Rekkareds regno est coronatus (HistIsid 52: 3 f.) allegorisch aufzufassen. Ibid. S. 73 f.

140) Siehe z. B. 3. Konz. v. Toledo (589) S. 108, 133; 4. Konz. v. Toledo (633) S. 219; 5. Konz. v. Toledo (636) S. 228; 6. Konz. v. Toledo (638) S. 236; 16. Konz. v. Toledo (693) S. 485 u. a. Siehe weitere Fundstellen unter den entsprechenden Stich­Worten bei J oaquin Mellado Rodriguez, Lexico de los concilios visig6ticos de Toledo, 2 Bde. (Textos elnstrumentos, Bd. 24), C6rdoba 1990.

141) 3. Konz. v. Toledo (589), S. 110: erit enim mihi inmarcesibilis corona vel gau­dium in retributione iustorum, si hii populi qui nostra ad unitatem ecclesiae solertia transcucurrerunt, fundati in eadem et stabiliti permaneant. S. 116: Cui a Deo aeterna corona nisi vero orthodoxo Recaredo regi? S. 139: sed gemitus illi id egerunt, ut hi qui per injidelitatem nobis erant sarcinafierent nostra per suam conversionem corona. Auch alle andere toledanischen Konzilien benutzten, corona' nur im übertragen Sinne von christlichen Ruhm und Ehre. Die Fundstellen siehe bei Mellado Rodriguez (Anm. 140),corona', ,corono', ,diadema'.

142) Siehe das Stichwort ,corona' in den Verzeichnissen von LibOrd 792, und Lib­Sacr Sp. 1025.

143) LibOrd. Sp. 154: 8-9: Itanuncpresitpopulus, utcoroneturposttransitumcum electis.

144) ,Leges Visigothorum', II, 1,6 S. 51: 1; II,5, 19 S.119: 1; II,2, lOS. 87: 12f.;

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Üblicherweise wird der gelegentlich gebrauchte Begriff ,apex' als Syn­onym für die Krone verstanden. Messerschmidt erläutert im Reallexikon für Antike und Christentum die verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes. Ihm zufolge wird ,apex' schon seit Cicero und Livius auch im Sinne von ,Tiara' und ,Krone' verwandtI45). Die Untersuchung der toledanischen Konzilstexte auf ihre Verwendung des Wortes ,apex' hin ergibt auch hier einen breiten Bedeutungsgehalt. Beispielsweise wird im 4. Konzil von Toledo (633) die Tonsur arianischer Kleriker mit der Scheibe auf der Mütze der Jupiterprie­ster verglichen, auf welcher ein Stab, der eigentliche Apex, aufsitzt, der für diese Kopfbedeckung typisch warI46). Im 17. Konzil von Toledo (694) wird ,apex' in seiner Bedeutung als literarisches Längenzeichen verwandtI47

). Im 6. Konzil von Toledo (638) ist in einer Wortverbindung mit ,apex' von der Höhe oder Würde der heiligen Kanones die Rede148).

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle freilich dient ,apex' zur Um­schreibung der Königsherrschaft149). Auf den Bedeutungsgehalt ,Krone' läßt jedoch keine der Stellen schließen, sondern vielmehr auf den synonymen Ge­brauch für culmen oderjastigium, wie in der Wendung ,provehatur ad apicem regni' am besten zum Ausdruck kommt 150). In Isidors Gotengeschichte wird es noch deutlicher: Der Satz apicemjastigii regalis conscendit kann nicht auf eine Krone weiseniSI). ,Provehi' und ,conscendere' bedeuten ,besteigen' oder ,aufsteigen' . Das läßt sich mit einer Krone nicht machen, wohl aber mit einer Höhe oder höchsten Würde. Somit erweist sich, daß Joaquin Mellado Rodriguez recht hat, wenn er als Übersetzung für ,apex' "cumbre, parte mas elevada" angibt, also ,Gipfel' oder ,höchster Punkt <1 52).

II, 1,5 S. 48: 10; II, 1,6 S. 51: 16; II, 1,2 S. 46: 5; II, 1,8 S. 56: 1. Das Stichwort ,corona' hat Zeumer nicht in den Index der ,Leges Visigothorum' aufgenommen.

145) F. Messerschmidt,Art. ,Apex', iu: Reallexikon für Antike und Christentum. Bd. 1, Stuttgart 1950, Sp. 489-493.

146) 4. Konz. v. Toledo (633), XLI, Kau. S. 206: qui prolixis ut laici comis in solo capitis apice modicum circulum tondunt, ritus enim iste in Spanias haereticorumjuit.

147) 17. Kouz. v. Toledo (694) S. 523: nec verborum prolixa potest ratione depromi nec litterarum apicibus adnotari.

148) 6. Konz. v. Toledo (638) S. 237: taUs inventus sacrorum ordinum apices pen­tius adipiscere nullo modo permittatur.

149) 5. Konz. v. Toledo (636) S. 228: quem nec electio omnium provehit nec Gothi­cae gentis nobilitas ad hunc honoris apicem trakit. 6. Konz. v. Toledo (638) S. 244f.: nullus .. , provehatur ad apicem regni. 7. Kouz. v. Toledo (646) S. 251 : regni apicem su­mere. 8. Kouz. v. Toledo (653) S. 284: apicem regni quisquepercipiat. S. 290: subiec­tis glorioso apice potuissent adtolli ? S. 295: pro regni apice probantur adquisitajuisse.

150) 6. Konz. v. Toledo (636) S. 245. 151) HistIsid 62: 7f. 152) Mellado Rodrfguez (Anm. 140) ,apex'.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 73

6. Die Krone des Chindasvinth,' Die zweite Stelle mit einem Bericht über eine Herrscherkrone findet

sich im Cannen Nr. 25 des Bischofs Eugenius von Toledo. Betitelt als Epi­taph auf König Chindasvinth (642-653) ist es ein Schmähgedicht auf den verstorbenen Monarchen. Darin bekennt der tote König seine Schandtaten und bittet um das Mitleid der Lebenden zu seiner und ihrer eigenen Er­lösung. Dabei hebt er in elegischen Distichen die Nichtigkeit königlicher Würden und irdischer Schätze hervor:

Hier bin ich wieder zu Asche geworden, der ich das königliche Szepter getragen habe. Wen der Purpur bedeckt hat, den drückt jetzt nur die Erde. Jetzt nützen mir keine doppelt purpum gefärbten Königsgewänder, keine grünen Edelsteine, kein strahlendes Diadem. Nun hilft kein Silber, es hilft kein glänzendes Gold, die Betten am Hof scha­den mir und der Schatz gefällt mir nicht. Denn der ganze Ruhm und die Aufgeblasen­heit des goldenen Lebens geht wie ein Betrüger dahin, geht bald verflüchtigt verloren. Wirklich glücklich und glücklich nur durch die Gnade Christi ist, wer stets die vergänglichen Reichtümer der Welt verabscheut153).

Der historische Kontext ist die Thronusurpation des Chindasvinth und seine nachfolgende unerbittliche Herrschaft. Chindasvinth hatte alle seine Gegner aus dem Adel, mehrere hundert, töten und ihre Vermögen konfis­zieren lassen. Ebenso hart war er mit schweren ökonomischen Repressionen gegen die klerikale Opposition vorgegangen154

). Eugen von Toledo hatte auch persönliche Gründe, Chindasvinth böse Worte ins Grab nachzurufen. Dieser nämlich hatte ihn gegen seinen Willen und den seines Gönners und Förderers, des Bischofs Braulio von Zaragoza, als Metropolit von Toledo eingesetzt und damit anderweitige intellektuelle Ambitionen Eugens durch­kreuztI55).

In dem von Eugen verfaßten Epitaph werden zwei Gegenstände explizit als Herrscherinsignien im eigentlichen Sinne gekennzeichnet: sceptra regni

153) Eugen von Toledo, Carmina, S. 251 Nr. 25 Nr. 25: 17-26: en cinis hic redii sceptra qui regia gessi,' / purpura quem texit, iam modo terra premit. / non mihi nunc prosunt biblattea tegmina regni, / non gemmae virides, non diadema nitens. / non iuvat argentum, non fulgens adiuvat aurum, / aulica fulcra nocent nec mihi gaza placet. / ~mnis enim luteae deceptrix gloria vitae / et flatus abiit, mox liquefacta perit. / felix llle nimis et Christi munere felix, / qui terrae fragiles semper abhorret opes. Schücking (Anm. 21) 71 Anm.l, übersetzt biblattea tegmina mit "doppelt gefärbte, PUrpurmäntel". .

154) Zur Regierung Chindasvinths siehe Claude (Anm. 4) 115ff.; Orlandis Ro­vira (Anm. 55) 160ff. Zu Chindasvinths Politik gegenüber dem Adel siehe v. a. Gar­cia Moreno (Anm. 1) 162ff.

155) Claude (Anm. 4) 126. Claude schließt aus Eugens Epitaph, daß er Chindas­vinth haßte (ibid. S. 132). Orlandis Rovira (Anm. 55) 164.

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und tegmina regni. Das Diadem rangiert erst hinter den Edelsteinen im Kon­text der weltlichen Reichtümer, mit denen die Königsherrschaft verbunden war und denen Chindasvinth zu Lebzeiten, wie das Gedicht suggeriert, besonders zugetan war. Als herausragende, gar wichtigste Insignie der Königswürde dürfte man anstelle des Szepters das Diadem zu Beginn der Aufzählung herrscherlicher Attribute erwarten. Stattdessen wird es erst an fünfter Stelle genannt, nämlich nach dem Königszepter, nach dem purpur, dem Herrscherkleid und nach den Juwelen. In dieser Reihenfolge und im Kontext des Epitaphs gewinnt das Diadem eher die Bedeutung eines Zei­chens abzulehnender Prunksucht156).

Ähnlich verhält es sich auch an seiner Stelle in den ,Leges Visigothorum'. Dort wird in der Form eines kleinen Fürstenspiegels die königliche Tugend der inneren Friedenswahrung durch gerechtes und maßvolles Regieren als Voraussetzung für den militärischen Sieg über äußere Freinde gepriesen. Gelingt dies dem König, wird er nicht nur als guter Lenker seines Volkes und Sieger über die Feinde gefeiert, sondern auch mit dem ewigen Leben be­lohnt. Nach wechselvollen Zeiten wird er ewige Ruhe haben, nach dem nichtswürden Gold das himmlische Königreich, nach dem Diadem und dem Purpur Ruhm und die Krone erhalteni57). Hier geht es um die Gegenüber­stellung irdischer Attribute der Königswürde und himmlischer Attribute der Heiligkeit. Diese Attribute sind Kennzeichen, nicht Abzeichen, äußeres Bei­werk und nicht Insignien. Für das genannte Gold erübrigt sich jede Er­klärung. Purpurne Gewänder allerdings galten im Westgotenreich anders als in Byzanz, wo sie ausschließlich dem Kaiser vorbehalten waren, nicht als Vorrecht des Königs, sondern gebührten auch Mitgliedern des hohen Adels158

). Die Krone erscheint hier wie übrigens auch an der einzigen Stelle

(56) Die Vermutung, daß die Erwähnung des glänzenden Diadems hier eine Meta­pher sein könnte, hat schon Claude (Anm. 4) 64 geäußert.

157) ,Leges Visigothorum', 1,2,6 S. 42: 16-21: Sicque bonus princeps, interna regens et externa conquirens, dum suam pacem possidet et alienam litem obrumpit, celebratur et in civibus rector et in hostibus victor, habiturus post labentia tempora requiem sempiterna, post luteum aurum celestem regnum, post diadema et purpuram gloriam et coronam; quin pocius nec deficiet esse rex, quoniam, dum regnum terre relinquid et celeste conquirit, non erit amisse regni gloriam, sed ausisse. Mit ,corona' ist die Krone der Märtyrer und Heiligen gemeint, die himmlische Auszeichnung [dr irdisches Verdienst.

158) Konz. v. Narbonne (589) S. 146: Hoc regulariter definitum est ut nullus cleri­corum vestimenta purpurea induat, quae ad iactantiam pertinent mundialem non ad religiosorum dignitatem ... quia [pur }pura maxime laicorum potestate praeditis debe­tur, non religiosis. In diesem Sinne auch Claude (Anm. 4) 63f.

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in den Konzilstexten, an der diadema begegnet, als Symbol des weltlichen Ruhms im Gegensatz zur corona als himmlische Auszeichnung für ein im christlichen Sinne ruhmvolles Leben 159). Wie der Purpur durften auch Kronen nicht nur vom König, sondern auch von anderen Persönlichkeiten in hohen Positionen getragen werden. Doch das bedarf einer ausführlicheren Erörterung.

IV. Kronen als Kopfschmuck des Adels 1. Ein westgotisches Zeugnis: Als äußeres Zeichen des Reichtums, als kostbare Hauptzier, sind Kro­

nen bei den Goten bereits für das 4.-5. Jahrhundert belegt. Percy Ernst Schramm nennt diesen Kopfschmuck, der nicht Zeichen, sondern Zier ist, Stirnreifen 160). Allerdings suggeriert diese begriffliche Scheidung einen Unterschied, der sprachlich zumindest in den westgotischen Quellen kein Äquivalent hat. Doch erlaubt eine Stelle in den, Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium' aus der Mitte des 7. Jahrhunderts die Annahme, daß Kronen Im Reich von Toledo auch vom gotischen Adel getragen wurden. Darin wird vom Traum des Knaben Augustus berichtet. Er sieht in einer paradiesischen Landschaft goldene Gemmenkronen, seidene Schleier und unzählige Stühle, die zur Rechten und Linken eines erhöhten Sitzes aufgestellt sind. Diener bereiten ein Festmahl vor, und alles erwartet die Ankunft des Königs. Plötz­lich betreten viele weiß gekleidete Personen die Szene, die mit Gold und Edelsteinen geschmückt sind und die glänzende Kronen tragen. In ihrer Mitte schreitet ein Mann von herausragendem Äußeren, der König. Als er auf seinem erhöhten Sitz Platz nimmt, werfen sich die übrigen zu Boden und beten ihn an, während er sie segnet. Später wird der Knabe noch Zeuge einer GerichtsszeneI61 ).

159) 8. Konz. v. Toledo (653) S. 261 f.: In nomine Domini Flavius Reccesvindus rex reverentissimis patribus in hac sancta synodo residentibus,' Sancti Spiritus admirabili dono regulamfidei me[ae} solidam tenens et instructam agnoscens atque in honorem eius diadema gloriae cum cordis humilitate prosternens ...

160) Schramm (Anm. 92) 128ff. 161) VitPatr I Z. 31-41 : "Fui in locum amenum, ubi erant multi odoriferiflores, erbe

viridissime, rose ac lilie et corone ex gemmis et auro multe, vela oloserica innumera­bilia et aer tenulsflabralifrigoreflatu suo cuncta refrigerans. Ibi etiam vidi sedes in­numerabiles positas ad dextera levaque. In medio vero sedis multo sublimior posita prominebat. Ibi namque adstabant pueri innumerabiles, omnes omati et pulcri, pre­parantes mensas et conbibium eximium. ( ... ) Et prestolabant adventum domini sui regis." I Z. 47-57: " ... subito advenit ingens multitudo candidatorum, omnes auro et lapidibus pretiosis omati et coronis rutilantes redimiti. Et una acies ipsius multitudi­nis ad dextera, aUa vero ad leva parte gradiebatur, atque ita altrinsecus properantes

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Die Stelle ist in vielerlei Hinsicht interessant162). Der Knabe selbst deutet

seinen Traum als eine Vision Jesu Christi, der Engel und Heiligen und des ewigen Lebens163). Für uns ist die Darstellung des Königs und seines Ge-

regi suo ineffabile obsequium exhibebant. In medio autem eorum veniebat vir splen­didissimus nimiumque pulcerrimus, forma decorus, aspectu gloriosus, statura pro­cerior cunctis, lucidior sole, candidior nive. Quumque pervenisset ad preparatas sedes, sedit pulcrior ille vir in eminentiori loco, ceteri vero procidentes adorantesque eum residerunt in sedibus suis. Statim denique benedixit omnes. ( ... )." Die Quelle entstand zwischen 633 und 638. Siehe 1 oseph N. Garvin (Hg. u. Übers.), The Vztas Sanctorum Patrum Emeretensium, Text and Translation, with an Introduction and Commentary (Studies in Medieval and Renaissance Latin Language and Literature, Bd. 19), Washington D.C. 1946, S. Iff. u. Maya Sanchez, Vitas SanctorumPatrum Emeretensium (Anm. 13) LV.

162) Allegorien dieser Art bergen bei der Interpretation die Gefahr einer Überdeh­nung, da in manchen Punkten nicht klar entschieden werden kann, welches Bild der damaligen Realität entlehnt ist, und welches auf gängige lenseitsvorstellungen dieser Zeit anspielt. So die Stelle, als sich alle zum Zeichen der Verehrung niederwerfen: Es könnte dies ein Hinweis auf die Praxis der Proskynese am westgotischen Hofe sein. Eine andere Stelle wirkt durch die Parallelität wie ein kleiner Fürstenspiegel, wenn der König im Traume zum Knaben sagt ,,NoZi timere, fili. Scito quia protector tuuS ero. Numquam tibi aliquid deerit. Ego te semper pascam, ego te semper vestiam, ego te omni tempore protegam et numquam derelinquam" (ibid. I: 65-68 S. 10). An erster Stelle freilich steht der biblische Anklang. Der König gibt sich als guter Hirte und da­mit als Gott zu erkennen (vgl. Garvin (Anm. 161) 293). Eine Allegorie auf das himm­lische Königreich durch Beschreibung des irdischen bot den Zeitgenossen des Ano­nymus Raum, auch aktuelle politische Anspielungen zu entdecken. Vielleicht ist eine solche die seltsame Antwort des Knaben auf die zweifellos politische Frage des Berichterstatters, ob er unter den im Traume durch Christus/den König verurteilten Personen auch Berühmtheiten seiner Zeit erkannt hätte. Denn er erwidert, alle ihn Umstehenden sähen ganz anders aus und seien anders gekleidet als jene im Traum. Es umgeben ihn im Bericht aber nur Kleriker. (Zur Bedeutung von ,pueruli', zu denen Augustus gehört, siehe Cesar Chaparro G6mez, "Famulus" y "Servus" y otr~S terminos referidos al "servicio" en "Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium", in: PrI­meras Jornadas sobre manifestaci6nes religiosas en la Lusitania (marzo 1984), Cace­res 1986, Bd. 1 S. 57: "En este caso se trata de un grupo de j6venes adolescentes que bajo Ia supervisi6n deI praepositus, realizan un servicio liturgico, a la vez que san in­struidos para convertirse despues en clerigos. ") Das könnte u. a. eine Anspielung auf das Verhältnis der Kirche zum Reich sein; ibid. I: 83-87 S. 11: Rursumque sciscitans dixi: "Queso, fili, ut mici dicas si aliquem agnovisti ibidem de his qui nobis in hoc seculo cogniti fuerunt et iam de hac luce arcessiti migraverunt ". Ad hec ille ayt: "Ho­mines quos ibi vidi longe erant ab his hominibus quos videmus modo, nam aliajonna et alio habitu decorati sunt omnes. "Wegen des Präsens ,decorati sunt' beziehe ich die­sen Satz anders als in der Übersetzung von Garvin (Anm. 161) 145, auf die Um­stehenden und nicht auf die im Traume Verurteilten.

163) Ibid. 1. 5 S. 138: " ... verum etiam ipsum vitae aeternae auctorem dominutn

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folges wichtig. Denn die Szene wird ohne direkte Anspielungen auf ihre geistige Bedeutung allegorisch als Hof eines Königs beschrieben und kann deshalb Hinweise auf das westgotische HofzeremonieU gebenl64). Schon Dietrich Claude meinte dazu: "Da hier vom himmlischen König die Rede ist, liegt die Vermutung nahe, daß der Schilderung reale Verhältnisse des westgotischen Königshofes zu Grunde liegen"165). Gleich zu Beginn der Traumschilderung werden Objekte genannt, die sich typischerweise bei Hofe finden: Kronen und seidene SchleierI66). Der König ist von den übri­gen durch seine erhöhte Sitzposition hervorgehoben - ein weiterer Hinweis auf den erhöhten Thron der westgotischen Herrscher -, nicht aber durch eine Krone. Eine solche wird für ihn gar nicht erwähnt. Die Magnaten und Adli­gen aber, die mit dem König tafeln, sind nicht nur in prachtvolle Gewänder gehüllt, sondern zeichnen sich auch durch ihre Kronen aus. Freilich sind die Tischgenossen des Königs durch ihre Kronen vor allem als Märtyrer ausge­wiesen. Doch die Gesamtkonzeption der Allegorie mit einem westgotischen Königshof legt die Vermutung nahe, daß der Vergleich zu den Märtyrer­kronen der Heiligen so nicht gezogen worden wäre, wenn nicht auch in der Wirklichkeit der hohe Adel am Hofe goldene Stirnreifen getragen hätteI67).

2. Gotische Kronen in arabischen Überlieferungen: Eine Bestätigung dafür, daß Kronen bei den Goten in Spanien kein be­

sonderes Zeichen der Königswürde waren, sondern auch von Angehörigen des Hochadels getragen wurden, und das Tragen einer Krone somit nicht ein Vorrecht und deshalb auch keine spezifische Königsinsignie war, findet sich

Ihesum Christum cum angelorum catervas atque omnium sanctorum innumerabiles multitudines me vidisse confiteor."

164) Von daher erscheint es mir auch angemessener, multitudo candidatorum nicht interpretierend mit "multitude of saints" zu übersetzen, wie dies Garvin (Anm. 161) 141 u. S. 290.

165) Claude (Anm. 4) 67. 166) Seide war v. a. ein bei Hofe gebräuchlicher Stoff. Bischof Masona von M6rida

wird bei der großen Osterprozession geschildert. Wie einem König schritten ihm Be­dienstete mit seidenen Mänteln voran. VitPatr V. m z. 53 f. : plumiri pueri clamides olisericas induentes quoram eo quasi quoram rege incederent. S. a. den Kommentar zu ,clamides olosericas' bei Garvin (Anm. 161) 44lf.

167) Tellenbach hat vereinzelte Nachrichten über Herzogskronen in karolingischer und frühdeutscher Zeit untersucht die vielleicht ähnlich wie Patrizier, Konsuln oder Könige" vom Kaiser verliehen w~rde; waren: Gerd Tellenbach, Über Herzogs­kronen und Herzogshüte im Mittelalter, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 5 (1942) 55-71; Nachdr. in: ders., Ausgewählte Abhandlungen und AUfSätze, Bd. 4, Stuttgart 1989, S. 1183-1199. Ob die westgotischen Adelskronen ebenfalls als Amtsabzeichen vom König verliehen wurden, bleibt völlig im Dunkeln.

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in Berichten der Muslime über die reiche Beute, die sie bei den Goten ge­macht haben. AI-Makkari überliefert in seiner umfangreichen Kompilation,

• 168) daß in Toledo 170 golden Gemmenkronen aufgefunden worden selen . Das können freilich auch Votivkronen gewesen sein. Deutlicher ist der Be­richt des Ibn al-Qutiyya über die Rückkehr Muzas aus Spanien. Er erzählt, wie der muslimische Gouverneur Spaniens 400 gefangene Söhne aus de111 Hochadel, alle mit goldenen Diademen bekrönt, als Geschenk für den Kali­fen mit sich führte!69). Auch Pseudo-Ibn Qutayba überliefert, wie Muza die christlichen Gefangenen mit ihren Kronen schmücken läßt, bevor er mit ih­nen dem Sohn des Kalifen gegenübertritt!70). Die besondere Hervorhebung des Diadems im Ornat der Großen des Reichs läßt darauf schließen, daß die Muslime von dieser Kopfzier besonders beeindruckt waren. In der Version von Ibn AbI Riqa' führt Muza 100 Berberfürsten, 20 Könige aus "Rum" und 100 Könige von al-Andalus mit sichI7!). Der Bericht von der Wegführung der gotischen Großen ist in vielen arabischen Chroniken überliefert und wird durch die mozarabische Chronik von 754 bestätigt. Dort wird berich­tet, wie Muza auf Befehl des Kalifen Spanien verläßt und als Geschenke spanische Edle, die dem Tod entronnen waren, und immense Schätze mit­bringt172

). Daß es sich bei den Diademen der Adelssöhne aber nicht u111 Königskronen handelte, zeigt die undifferenzierte Verwendung des Wortes König im ,Ajbar Maymu'a'. Denn nicht nur Rodrigo, sondern auch andere hohe adlige Funktionäre werden in dieser islamischen Quelle Könige ge-

168) AI-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 S. 7. Zu al-Makkari siehe Claudio Sanchez­Alb 0 rn 0 z y Me n d u i fi a, En torno a los origenes deI feudalismo, Bd. 2: Los arabes y el regimen prefeudal carolingio, Fuentes de la historia hispano-musulmana deI siglo VIII, Mendoza 1942 (Nachdr. Madrid 1993), S. 346ff.

169) Abenalcotfa (Anm. 76) 7: Pusose en camino Muza, hijo de Nosair, llevando consigo 400 hijos de jefes espafioles que llevaban sobre sus cabezas coronas de oro Y el cuerpo cefiido con cinturones del mismo metal.

170) "Al-Imamato ua as-Siasato" von Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), in: Ribera (Anm. 76) 136: Muza habfa previamente ordenado a los de su sequito que vistieran y adornaran a todos los cautivos que consigo habfa trafdo, y que les pusieran a cada uno su diadema de oro y los mantos que en otro tiemo habfa usado los senores de las diademas. Les dijo que vistiesen a treinta de los mejor formados con hdbitoS reales y reales coronas. Siehe auch S. 121f.

171) Antufia (Anm. 82) 262. 172) Chr 754 56. Siehe auch Pascual de Gayangos, Mernoria sobre la autentici­

dad de la cr6nica denorninada deI moro Rasis leida en la Real Academia de la Histo­ria, in: Mernorias de la Real Academia de la Historia 8 (1852) S. 386 (80): " ... que qu~ndo Muga sali6 de Cordova, que se iba para aBende el rnar, que fueron con e110s rneJores hornes de Espafia ... "; Ibn al-Kardabfis (Anm. 82) 68.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 79

nanntI73). Zwar berichtet die Chronik des Rasis, daß sich die Bewohner der

wichtigsten Städte Spaniens, C6rdoba, Sevilla, Toledo, M6rida und Elvira, nach dem Tode Rodrigos unter neue Könige gestellt hättenI74). Aber es ist

wohl eher an die nun bindungslos gewordene Herrschaft ortsansässiger Hochadliger zu denken. In dieser Chronik werden nämlich auch alle musli­mischen Gouverneure Spaniens als Könige bezeichnetI75).

V. Muslimische Legenden Die bisherigen Ergebnisse führen freilich zu einer gehörigen Portion

Skepsis gegenüber Berichten in arabischen Chroniken, in denen die Krone als ein gotisches Königsinsigne erscheint, und für die bislang in der For­schung kein Anlaß gesehen wurde. In der Chronik des Ibn 'Abd al-Hakam (803-870/71) über die Eroberung Nordafrikas und Spaniens wird erzählt,

wie sich Rodrigo im vollen Schmuck und unter der Krone zur Schlacht mit den Sarazenen begibtI76). Auch die Chronik Fath al-Andalus, entstanden um die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, und die Kompilation des Ibn 'Idari vom Ende des 13. Jahrhunderts geben diesen Bericht wiederI77). Am deut­

lichsten aber scheint die Legende vom muslimischen Gouverneur von al­Andalus, 'Abd al-' AZlz, für die Existenz von Königskronen bei den Goten

173) AjMr MaymCt' a (Anm. 86), z. B. ein König von C6rdoba, S. 24, 31 ; 27: Cuando lIeg6 Moguits, estaba sentado sobre su escudo y se entreg6 prisionero, siendo el unico de los reyes cristianos que fue aprehendido, pues los restantes, 6 se entregaron por ca­pitulacion 6 huyeron a Galicia.

174) Gayangos, Cr6nica deI moro Rasis (Anm. 172) 375 (69). Diego Catalanl Marfa Soledad de Andres (Übers.), Cr6nica deI moro Rasis versi6n deI ajbär mulfik al-andalus de ahmad ibn muhammad ibn musa al-rilz!, 889-955, romanzada para el rey don dionfs de portugal hacia 1300 por mahomad, alarife, y gil perez, c1erigo de don perianes porgel, Madrid 1975, S. 353.

175) Gay an g 0 s, Cr6nica deI moro Rasis, S. 389 (83) ff. Gayangos vermerkt in einer FUßnote, S. 373 (67) Anm. 1: ",Reyes' traduccion literal de la palabra ... moluk, con que los historiadores arabes design an constantemente a los nobles 6 magnates de la monarqufa goda." S. a. Münzel (Anm. 75) 47f.

176) Eliseo Vidal B eltran (Übers.), Ibn' Abd al-Hakam, Conquista deAfrica deI Norte y de Espafia, Valencia 1966, S. 46: Rodrigo iba sentado en su trono real, colo­cado entre dos mulos que 10 llevaban. Mostraba diadema y guantes e iba revestido de todos los adornos reales tradicionales.

177) Fatho-I-Andalugi (Anm. 80) 7f. S. a. Claudio Sanchez-Albornoz y Menduifia, EI "Ajbär Maymu'a", Cuestiones historiognfficos que suscita, Buenos Aires 1944, S. 272f., 314. Zur Datierung siehe ibid. S. 271 u. Pedro Chalmeta Gendr6, Una historia discontinua eintemporal (Jabar), in: Hispania 123 (1973) S. 62f.; Luis Molina Fath al-Andalus (La conquista de al-AndaIus) (Fuentes arabico-hispanas, Bd. 18), Madrid 1994, S. XXXIT. Ibn '!dari, AI-Bayanol'l-Mogrib (Anm. 82) Bd. 2 S. llf. Zur Datierung siehe Bd. 1 (Algier 1991) S. 1.

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zu sprechen. Im ,Ajbtir Maymu' a' sowie in der Chronik des Rasis, die auf einer islamischen Quelle vom letzten Drittel des 10. Jahrhunderts basiert und in einer vom Portugiesischen ins Kastilische übertragenen Version über­liefert ist, wird berichtet, wie 'Abd al-' AZlz von seiner Frau Egilo, der Witwe des letzten Gotenkönigs Rodrigo, dazu überredet wird, eine goldene Gemmenkrone zu tragen. Die Gotenkönigin versucht ihren muslimischen Gatten mit dem Argument zu überzeugen, ein König ohne Krone sei ein König ohne Reich. Die Frau eines anderen muslimischen Beamten, ebenfalls eine hohe gotische Adlige - sie wird als Königstochter bezeichnet, nicht aber als Tochter der Frau des Rodrigo - sieht' Abd al-' AZlz in seinem Palast mit der Krone auf dem Haupt und bietet nun ihrem Mann an, ihm ebenfalls eine Krone anzufertigen. Der aber lehnt das als unislamisch ab. , Abd al-' AzlZ wird schließlich wegen seiner Krone von anderen Moslems für einen Apostaten gehalten und umgebrachtI78). In der Chronik des Ibn '!dari ist diese Legende mit dem Zusatz versehen, der Mordauftrag sei vom Kalifen Sulayman ergangen, dem 'Abd al-' AZlz den Gehorsam verweigert hatteI79

). Den Kalifen als Auftraggeber des Mordes nennen auch Ibn al­Qutiyya und Pseudo-Ibn Qutayba. Doch überliefern sie nicht die Legende von der Krone des spanisch-muslimischen GouverneursI80).

Die Chronik des Ibn' Abd al-Hakam, die des Rasis und die des al-Mak­karf berichten auch, wie sich die Witwe Rodrigos bei ihrem Mann darüber beschwert, daß sich das Volk nicht vor ihm verbeugt und dadurch seine Reverenz erweist. Dieser läßt daraufhin das große Portal seines Palastes vermauern und stattdessen eine kleine Pforte errichten, so daß jedermann nur in gebückter Haltung eintreten konnteI81).

178) Siehe die Legende in beiden Versionen bei Sanchez-Albornoz (Anm. 177) 22lf., Appendix S. 40Sf. Im AjMr Maymtl'a nach der Übersetzung von Lafuente Y Alcantara (Anm. 86) 3lf., lautet die Stelle: Un rey sin corona es un rey sin reino. In der "Cr6nica deI moro Rasis" heißt es nach Gayangos (Anm. 172) 388 (82): ." ni~­guno en Espanyajue confirmado, si ante non tuviesse corona en su cabe~a. S. a. di~ Version des Manuskripts von Kopenhagen aus dem 17. Jahrhundert be~ Catalanl Andres (Anm. 174) 363: ca ninguno en Espafiajue confirmado en rrey si ante non tobiesse corona en la cabeza. ( ... ) Muchas buenas razones ay porque la corona ha de ser puesta e non vos enpeze nada, e non abra quien os vea que non VOS

conozca por rrey, evas e los atros conaceredes a Dios por ella. 179) Ibn 'Idari, AI-Bayano'l-Mogrib (Anm. 82) Bd. 2 S. 30f. 180) Ribera (Anm. 76) 8, 146ff. 181) Ibn' Abd al-Hakam (Anm. 176) SOff.; al-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 S. 31, wo­

bei .in diesen beiden Chroniken nur die Episode der kleinen Pforte, nicht die O~­schichte der Krone wiedergegeben ist. Gayangos (Anm. 172) 388 (82). Ibn 'ldan, Al-Bayano'l-Mogrib (Anm. 82) Bd. 2 S. 3lf.; Catalanl Andres (Anm. 174) 363f.

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Sanchez-Albornoz deutet die Legende um 'Abd al-'Azlz und seine Frau als muslimische Erfindung, um als Erklärung für den Mord ein akzep­tables Motiv zu geben und damit das gute Andenken an den Herrscher in Damaskus zu wahren, der den Auftrag zur Ermordung des Gouverneurs von Spanien gegeben hatte. Denn der Kalif gehörte zum Herrschergeschlecht der Omayyaden, aus dem auch die späteren andalusischen Emire und Kalifen stammten182

). Doch ist dieses Argument nicht stichhaltig. Auch der Pseudo­Ibn Qutayba überliefert die Ermordung des 'Abd al-Azlz, allerdings ohne die Geschichte von der Krone. Mit gleichem Recht ließe sich nun annehmen, daß in dieser Chronik die Legende, die ein ungünstiges Bild vom muslimi­schen Gouverneur zeichnet, nur deshalb unterdrückt wird und die Version eines heimtückischen Komplotts überliefert, weil ihr Autor, wie Sanchez­Albomoz selbst angibt, zur Familie des Ermordeten gehörte183

). Was Sanchez-Albornoz nicht erwähnt, ist daß auch Ibn al-Qutiyya auf die Kronen-Legende verzichtet und als Auftraggeber für die Ermordung des 'Abd al-' AZlz den omayyadischen Kalifen Sulayman nennt, obwohl er selbst zur Familie der Nachfahren des Gotenkönigs Witiza gehörte, die den Omayyaden stets eng verbunden war184). Angesichts dessen erscheint die Deutung der Legenden als Erfindungen einer pro-omayyadischen Partei wenig überzeugend, wenngleich man Sanchez-Albomoz darin zustimmen kann, daß die Erklärung für den Mord an 'Abd al-' AZlz bei Ibn al-Qutiyya und beim Pseudo-Ibn Qutayba wohl der Wahrheit entspricht.

Zweifelsohne haben diese Legenden einen historischen Kern. Bereits die ,mozarabische' Chronik von 754 berichtet, 'Abd al-' AZlz habe Spanien während dreier Jahre befriedet, die Gotenkönigin geheiratet, sich Töchter der Könige zu Konkubinen genommen und in Sevilla mit Reichtum und Ehren geprotzt, bis er durch eine Verschwörung beim Gebet getötet worden sei. Der Verschwörer Ayub habe später seine Tat mit der Behauptung gerechtfertigt, 'Abd al-' AZlz habe auf Betreiben seiner Frau versucht, das arabisch Joch abzuwerfen und ein eigenes iberisches Reich zu errich-

Die Legende von der Krone und von der Pforte findet sich vereint bei Fatho-L­Andalugi, hg. v. Gonzalez (Anm. 80) 23ff.

182) Sanchez-Albornoz y Menduiiia, La Espaiia musulmana segUn los auto­res islamitas y cristianos medievales, Buenos Aires 1946, S. 53.

183) Ibid. S. 53. Diese Auffassung vertritt auch Mahmfid 'AU Makki, Egipto y los origenes de la historiografia arabigo-espaiiola, Contribuci6n al estudio de las ~ri­meras fuentes de historia hispanomusulmana, in: Revista deI Instituto de Estudios Isliimicos en Madrid 5 (1957) S. 213ff., 217.

184) Ribera, Historia de la conquista de Espafia (Anm. 76) XII, XIX, XXIII, XXxf., sowie S. 8.

6 Zeitschrift fUr Rechtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.

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ten18S). Für die Richtigkeit dieser Behauptung spricht die von den arabischen Chroniken bestätigte Ehe mit der Witwe des Gotenkönigs. Entsprechendder westgotischen Tradition fühlten sich die Gefolgsleute des Königs auch dessen Witwe verpflichtet. Durch die Heirat mit der Witwe gelangte ein Anwärter auf den Thron nicht nur zu ihrem Reichtum, sondern auch zu ihrem Einfluß. Der Sohn aus einer solchen Verbindung besaß zudem eine unabdingbare Voraussetzung für die Königswürde, nämlich eine Mutter aus königlichem Geblüt186). Die Heirat des' Abd al-' AZlz mit Egilo kann dem­nach als Versuch gewertet werden, die Herrschaft der Invasoren durch An­knüpfung an die traditionelle Herrschaftslinie zu konsolidieren187

). Claude hat diese Politik als den "interessanten Versuch einer an westgotischen Legitimismus anknüpfenden hybriden Reichsbildung" gewertet188

). Freilic~ konnte der Kalif diesen ersten Versuch einer Verselbständigung des mush­mischen Spaniens innerhalb der arabischen Welt mit seinem Mordauftrag verhindern.

Die wichtigen arabischen Chroniken zur Geschichte Spaniens sind großenteils Kompilationen älterer Werke, die von ihren Verfassern nach einem eklektischen Prinzip miteinander verquickt wurden und teilweise auf mündliche Traditionen und Legenden zurückgehen189). Es gibt Hinweise, daß auch die Geschichte von der Krone des' Abd al-' AZlz nicht das Werk

lli ·~go ) Chr 754 59: Abdellazis omnem Spaniam per annos tres sub censuarlO I

pacijicans, cum Spalim divitiis et honorum fascibus cum reginam Spanie in coniugio copulatam velfilias regum hac principum pelicatas et inprudenter distractas extuaret, seditione suorum facta orationi instans ob consilio Aiub occiditur... Cui de mOrte

Abdillazis ita edicitur, ut quasi consilio Egilonis regine ... iugum Arabicum a sua cervice conaret evertere et regnum invasum Iberie sibimet retemtare.

186) J ose Orlandis Rovira, La reina en la monarqufa visigoda, in: ders., EI po­derrealyla sucesi6n al tronoenlamonarqufa visigoda, Rom u. Madrid 1962, S. 106ff. Zur Heirat der Egilo S. 1l4f. S. 112: "Entonces la reina representaba un verdadero poder, disponfa de una fuerza polftica que ofrecer al magnate que contrajera con ~!la nuevo matrimonio y que podfa hacer uso de ella para intentar ascender al trono 0 bleu para consolidarse en e1. "

187) Allerdings verstieß sie gegen einige Kanones der westgotischen Konzilien, d~e der Witwe des Königs eine erneute Heirat verbaten und ihr sogar den Eintritt in elll Kloster vorschrieben. Diese Vorschriften waren zum Schutz der Witwe, ihrer Kinder und des Reiches vor Usurpatoren erlassen worden. Ibid. S. 115 ff. 13. Konz. v. ToledO (683) Kan. V S. 421. 3. Konz. v. Zaragoza (691) Kan. V S. 479.

188) Dietrich Claude, Untersuchungen zum Untergang des Westgotenreichs ~?11-725), in: Historisches Jahrbuch 108 (1988) 329-358, S. 353. Eine arabische Ube~lieferung schildert des Tod des' Abd al-' AZlz als Mord aus machtpolitischen Grün­de~8:m Auftrage Sultan Suleymans. Siehe al-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 App. A S. Iff.

) Chalmeta (Anm. 177) passim.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 83

gelehrter Muslime ist, sondern ihren Ursprung in einer mündlichen Über­lieferung hat. So fällt auf, daß nur vom äußerlichen Erscheinungsbild des Gotenkönigs berichtet wird. Der König wird so geschildert, wie er sich den Muslimen darstellte bzw. so, wie er ihnen beschrieben wurde. Neben der Kronel90

) werden auch andere Ausstattungsstücke des Königs erwähnt. Die Chronik Ajbiir Maymu' a, eine Sammlung historischer Überlieferungen, die vermutlich um 835 zusammengestellt wurde, gibt eine Beschreibung des goldenen und mit Rubinen und Smaragden verzierten Sattels König Rodri­gos und seines goldbestickten und mit Perlen und Rubinen besetzten Man­tels, der auf dem Schlachtfeld gefunden wurdeI91). Mäntel und königliche Gewänder werden auch in der Geschichte der Eroberung Spaniens des Pseudo-Ibn Qutayba erwähntI92). Im ,Bayan' des Ibn '!dari und in der Kompilation des al-Makkarf wird schließlich noch ein zurückgebliebener silberner Stiefel Rodrigos als letzte Spur des Königs nach dem Kampf erwähntI93

). Die Beschreibung als prachtvolle Stücke der Schatzkunst aber dient nirgends der Hervorhebung ihrer Funktion, sondern vielmehr der Betonung des Prunks, mit dem der westgotische König umgeben warI94

).

Von der Salbung als dem eigentlichen Weiheakt der Könige haben die mus­litnischen Chronisten offenbar keine Kenntniss. So drängt sich der Verdacht auf, daß die Auffassung, ein König ohne Krone sei ein König ohne Reich, eine Schlußfolgerung aus dem war, was sich den mit der westgotischen Tra­dition nicht vertrauten Muslimen darbot. Sie erlebten das Bemühen der Witwe Rodrigos, auch als Gattin des muslimischen Gouverneurs wie eine westgotische Königin aufzutreten, und gleichermaßen das Bestreben des ~euen Machthabers, an die westgotische Herrschaftstradition anzuknüpfen

190) Siehe oben Anm. 176 u. Anm. 177. 191) Ajbflr Maymfi'a (Anm. 86) 22. S. a. al-Makkari (Anm. 82) Bd. 1 S. 274. Die

Datierung ist umstritten. Juän Ribera nennt die Zeit des spanischen Kalifen 'Abd al-Rahman (912-961), Sanchez-Albornoz das erste Drittel des 11. Jahrhunderts: Ribera, Historiadela conquista (Anm. 76) XVll; Sanchez-Albornoz (Anm. 177) 39. Zur Datierung ins 9. Jahrhundert siehe Cha1meta (Anm. 177) 54.

192) "AI-Imamato ua as-Siasato" von Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), in: Ribera, Historia de la conquista de Espafia (Anm. 76) 136f.

193) Ibn 'Idari, Al-Bayano'l-Mogrib, Bd. 2 S. 13. al-Makkari, Bd. 1 S. 274. Ebenso Ibn al-Kardabüs, S. 63 (alle oben Anm. 82).

194) Siehe hierzu auch das Urteil von Julian Ribera y Tarrag6, Epica andaluza romanceada, in: ders., Disertaciones y opusculos, Edici6n colectiva que en su jubila­ci6n deI profesorado le ofrecen sus discfpulos Y amigos (1887-1927), Madrid 1928, s. 117: "Aun las leyendas acerca de D. Rodrigo, en las que est~ rey aparec~ en las batallas vestido a la oriental sobre trono adornado de piedras preclOsas, etc., tlenen el seno de la literatura legendaria de Oriente, que correrfa en arabe. "

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und es den alten Gotenkönigen gleichzutunI95). Diese Anekdoten sind von der Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse geprägt, d. h. es werden kausale Zusammenhänge hergestellt, die tatsächlich nur das Ergebnis von Fehldeu­tungen sind. Offenbar trugen alle hochgestellten gotischen Persönlichkeiten Kronen. Die Fehldeutung war, daß sie erst durch diese Kronen zu dem wur­den, was sie waren, daß sie also ohne Kronen keine Könige sein konntenI96

).

Die Vermutung, daß diese Anekdote das Ergebnis falscher Schlußfolge­rungen ist, läßt sich am Motiv der kleinen Maueröffnung erhärten, die jeden Eintretenden zur Proskynese zwingt. Das gleiche Motiv taucht nämlich in einem völlig anderen Zusammenhang auch bei einem anderen Chronisten auf. Es findet sich im Bericht über eine Delegation des Emirs 'Abd al­Rahmän ll. (822-852) zu den Normannen. Der muslimische Botschafter hatte die Bedingung gestellt, daß er sich nicht vor dem Normannenkönig verbeugen müsse. Das war ihm gewährt worden. Aber der König hatte die Eingangstüre zum Audienzsaal so niedrig bauen lassen, daß man nicht ein­treten konnte, ohne sich zu bücken. Der Botschafter löste das protokollari­sche Problem, indem er mit den Füßen voran durch die Türe krochI97

).

195) Zur Bestimmung der Herkunft von Legenden in der hispanisch-arabischen Bi­storiographie nach den drei hierfür wesentlichen Bevölkerungsgruppen in al-Andalus, der christlich-mozarabischen Gruppe, der Gruppe der Muladfes _ Muslime hispano­gotischer Herkunft- und ,nationalistisch-hispanisch' eingestellter Muslime, sowie der muslimischen Gruppen mit vornehmlich arabischem, syrischem oder berberischem Selbstverständnis siehe Ribera y Tarrag6 (Anm. 194), v. a. S. 106ff. Ribera fragt jeweils auch nach dem Zweck einer Legende .

• 196) Z:ur Aufnahme mündlicher Überlieferungen in die hispanisch-arabischen ~hro­niken, Siehe Chalmeta (Anm. 177) 30ff., 40f., 44, 55. Münzel versucht, die Le­gende u~ , Abd al-' AZlz und Egilo als Spiegelung der andalusischen Gesellschaft zU

deute~, 10 welcher die Position, die den einzelnen Gruppen zukommt _ Christen und ~ushme, und unter den Christen Anhänger Rodrigos und der Witizaner-, exernp~a­nsc~ darges~ellt wird. Sie gelangt aber nach eigenem Bekenntnis "nicht zu einer eill­deutlgen, wIderspruchsfreien Erklärung der Anekdote". Siehe Münzel (Anm. 75) 89ff., 93.

197) D' L d . . her .. lese ~gen e ~us Matrzb von Ibn Dihya ist wiedergegeben in spaU1s~ UbersetzungbelFranclsco Pons Boigues Los historiadores y ge6grafos arablgo-espanoles. 800-1~~0 A. D. Ensayo de un dicdionano bio-bibliografico, acompanada

de anotaclones cntlCas y hist6ricas, descripciones analiticas de las obras, Amsterdam 1972 (Nac~dr. der Ausgabe Ensayo bio-bibliografico sobre los historiadores Y ~e6-grafos arab~go-eSpafioles, Madrid 1898), S. 38ff. Ibn Dihya übernimmt den Bericht vo~ C~oru~t~n Temam b. Arnir b. Alcama, einem Zeitgenossen dieser angeblic~en Erelgrusse. (ibid. S. 39 ~nm. 1). S. a. Sanchez-Albornoz (Anm. 182) 151ff. Eine deut~che Übersetzung gIbt Georg J aco b, Arabische Berichte von Gesandten an ger­maruscheFürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert, Berlin u. Leipzig 1927, S. 38f.

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Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich 85

Bei diesem Motiv handelt es sic,h meines Erachtens wie bei den Kronen um eine Fehldeutung hinsichtlich ihrer Funktion. Die schmale und niedrige Pforte könnte beispielsweise aus militärischen Erwägungen heraus angelegt worden sein, damit mögliche Angreifer nur einzeln und in gebückter Hal­tung in das Innere des Gebäudes oder Saales gelangen konnten. Bat Ye' 0 r verweist auf Reiseberichte durch Persien und Yemen vom Anfang des 20. Jahrhunderts, nach welchen es in diesen Ländern der nichtislamischen Bevölkerung, den sogenannten ,Dhimmies' , nach alter Sitte vorgeschrieben war, ihre Häuser mit niedrigen Türen zu versehen, so daß sie gezwungen waren, in gebückter Haltung aus- und einzugehen. Dies sei zu ihrer Ernied­rigung gedacht gewesen I98). Die muslimischen Besucher könnten demnach die kleinen Türen vor dem Hintergrund ihres eigenen Erfahrungshorizonts gedeutet haben. Die Legende über den Zusammenhang zwischen Pforte und Proskynese muß also gar nicht frei erfunden sein, sondern könnte das Er­gebnis oberflächlicher Kenntnisse der fremden Gebräuche und der Funktion von Gegenständen und Einrichtungen sein. Für die Legenden, in denen von der Bedeutung der Königskronen die Rede ist, bedeutet das, daß die islami­schen Chronisten des Mittelalters offenbar in Unkenntnis des tatsächlichen westgotischen Hofzeremoniells weder die sachlich falschen Zusammen­hänge noch den satirischen Charakter der Erzählungen erkannten und sie in­folgedessen als scheinbar glaubhafte Berichte in ihre Werke aufgenommen haben.

VI. Ergebnisse Die Könige im westgotischen Reich von Toledo wurden zu ihrer Königs­

weihe gesalbt. Sämtliche Indizien, die auf eine zusätzliche zeremonielle oder gar konstitutive Krönung deuten könnten, erwiesen sich als formelhafte Wendungen, die im Falle der Liturgie als Bibelzitate übernommen wurden, im Falle der Historiographie als metonymischer Sprachgebrauch bei Isidor von Sevilla bzw. als Übernahmen griechisch-byzantinischer Formeln in der mozarabischen Chronik von 754 zu identifizieren sind. Die angebliche Selbstkrönung König Rodrigos in der Chronik des Ibn al-Qfttiyya ist das Ergebnis einer zu freien und interpretierenden Übersetzung einer arabischen Textstelle. Tatsächlich handelte es sich nicht um eine Krönung, sondern um einen nicht mehr näher zu bestimmenden zeremonieIlen Akt mit einer Weihekrone.

198) Bat Ye' 0 r, The Dhimmi, Jews and Christians under Islam, übers. aus dem Französischen v. David Maisel/Paul FentonIDavid Littmann/Rutherford u.a. 1985, S. 64.

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Die Analyse sämtlicher Zeugnisse für die Existenz von Königskronen bei den Westgoten ergab, daß sie zum äußeren Prunk des Königs gehörten und ein Zeichen höchster Würde, ein diadema gloriae waren, wie die Formulie­rung in den Akten des 8. Konzils von Toledo lautet. Aber sie waren ebenso wie der Purpur kein Vorrecht der Könige, kein diadema regni, sondern konn­ten auch vom hohen Adel getragen werden. Kronen waren somit im West­gotenreich von Toledo kein spezifisches Königsinsigne. Diese Bedeutung hatten nur das Szepter, der Thron und das Königsgewand.

Daß überhaupt bis heute ganz selbstverständlich von Krönung und Kro­nenbrauch bei den Westgoten ausgegangen wird, dürfte wesentlich an den scheinbar eindeutigen Belegen in den arabischen Chroniken liegen. Erst die genauere Analyse führte dann zu den gegenteiligen Ergebnissen. Als unge-plantes Nebenprodukt dieser Untersuchung zeigt sich somit erneut, mit wel­cher Vorsicht nicht nur die Übersetzungen arabischer Texte benutzt werden müssen, besonders wenn sich daran weitreichende Schlußfolgerungen knüpfen, sondern auch wie diffizil überhaupt der Umgang mit diesem Quel­lenrnaterial ist, das häufig auf legendenhaften Überlieferungen besteht. Die Anekdote von der Krone des' Abd al-' AZlz und das Motiv der niedrigen Pforte können dafür geradezu als Paradebeispiele dienen I99).

199) Vergleichbar ist die in arabischen Chroniken überlieferte Ermordung der 5300 Aufständischen Im Alca.zar von Toledo, die sogenannte ,Jornada deI foso'. Die Wahr­heit des Berichts wurde von niemandem angezweifelt, bis ihn erst vor wenigen Jahren Eduardo Manzano Moreno als orientalische Legende identifizieren konnte: Ders., La frontera de al-Andalus en epoca de los Omeyas (Biblioteca de Historia, Bd. 9), Madrid 1991, S. 274-284.