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treff.punkt Buchhandlung Brigitte Salanda Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: + 43 1 532 85 14 ab 1. Dezember: Mo – Fr: 11–18.30 Uhr, Sa: 10 –17 Uhr www.apunktbuch.at, [email protected] a punkt Literatur 2014 „Schlagen wir die Bücher auf, fallen lauter Einzelheiten aus ihnen heraus“ Liebe Leserinnen, liebe Leser, willkommen bei treff.punkt a.punkt. Diesen schönen Satz von Thomas Hürlimann (NZZ, 8. Nov.) möchte ich unserer heutigen Literaturauswahl vorausschicken. Die Auswahl an lesenswerten, interes- santen und immer öfter auch schön gestalteten Büchern soll Ihnen durch diesen treff.punkt erleichtert werden. Die Titel und viele andere aus den Be- reichen Philosophie, Kultur- und Zeit- geschichte sind vorrätig, es gibt ein Lyrik- und ein Krimi-Regal, Naturkunden aus dem Matthes & Seitz Verlag und vieles, was Sie nicht gesucht haben, aber finden werden. Diese Auswahl macht die Besonderheit meiner Buchhandlung aus – jedes von mir ein- gekaufte Buch wartet auf einen Käufer. 54 Jahre am Buch beraten ich und meine Mitarbeiter Eva Ribarits und Georg Kostron Sie gerne und nehmen Bestellungen per mail und telefonisch entgegen. Aber glauben Sie mir: ein Besuch in Ihrer Buchhandlung kann durch nichts ersetzt werden. Auch wenn Sie schon länger nicht bei uns waren, würden wir Sie gerne wieder überzeugen: a.punkt ist die Buchhandlung Ihrer Wahl. Brigitte Salanda und Team Paul Auster Bericht aus dem Inneren Aus dem Englischen von Werner Schmitz Rowohlt, 288 S., € 20,60 Paul Auster führt uns in seine frühe Kind- heit, in eine Zeit, in der Uhren noch Ge- sichter, die Stifte noch Flugzeuge und der Mann im Mond, obgleich ohne Gestalt, noch ein echter Mann war. Auster be- schreibt diese phantastische Welt mit großer Wärme und leichter Hand. Aber die Fragen, die sich ihm und uns stellen, haben Gewicht. Wann begreift sich ein kleiner Junge aus New Jersey als Ameri- kaner? Wann als amerikanischer Jude? Auster lernt jenen Paul kennen, der ihm viele Jahre später nur noch schemenhaft vor Augen steht, der allmählich zum Künstler heranwächst, rastlos in winzi- gen Pariser Zimmern ausharrt, Dreh- bücher und Liebesbriefe schreibt, die Studentenrevolte in New York erlebt und sich zunehmend professionell dem Schreiben widmet. Mit dem Doppelge- stirn „Winterjournal“ und „Bericht aus dem Inneren“ hat Auster ein Panorama eines Menschen im Amerika der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelegt. Isaak Babel Sämtliche Erzählungen Übersetzt aus dem Russischen von Peter Urban und Bettina Kalbach Hanser, 864 S., € 41,10 Von albtraumhaften Kinderszenen über Erzählungen vom Erwachen der Liebe und vom Entdecken der Künste bis zu schonungslosen Kriegsbeschreibungen – Isaak Babel ist der Chronist der Jahrzehn- te vor und nach der russischen Revolution. Bettina Balaka Unter Menschen Haymon, 264 S., € 19,90 Berti ist das Ergebnis der unglücklichen Liaison eines Jack Russel Terriers mit einem Straßenköter, er sieht aus wie ein schwarzer Fleck und benimmt sich wie ein übermütiges Kind. Er ruiniert die Geschäfte eines Welpenhändlers, bricht einer Zwölfjährigen das Herz und weckt die Lebensgeister eines neurotischen Physikers. Honoré de Balzac Verlorene Illusionen Neu übersetzt aus dem Französischen von Melanie Walz Hanser, 896 S., € 41,10 Balzacs bitterböse Satire auf das Treiben der Menschen. Ein virtuoses Gemälde von Aufstieg und Fall, von Provinz und Haupt- stadt, von Adel und Geld. In einer neuen Übersetzung mit Anmerkungen und einem Nachwort erhellt Melanie Walz auch die Hintergründe dieses Klassikers. a. LESE-LUST LESE-LUST Margret Kreidl Einfache Erklärung Alphabet der Träume Edition Korrespondenzen, € 19,- „Der Traum ist der Buchstabe und nicht der Geist“, Paul Valery, Cahiers Heft 4. Der persönliche Tipp von Daniela Strigl (Der Standard): Das Buch ist für Feinspitze, vielleicht sogar noch mehr für Feinspitzinnen. Mit dem ihr eigenen Witz, der ihrer Gründ- lichkeit in nichts nachsteht, nimmt sich Margret Kreidl des unangreif- baren Phänomens Traum an und der mannigfachen volksmythischen, banalen oder tiefenpsychologischen Anstrengung zu seiner Deutung. Für jeden Tag des Jahres böte das Alphabet ein Stück, das – ob Szene, Dialog, Anekdote, Sinnspruch oder Gedicht, stets mit einer „einfachen Erklärung“ endet: „Arbeitstier / Oh, edles Tier in Blau / Darf ich vorstel- len: meine Frau / Einfache Erklärung: Ein Mann macht viel Arbeit.“ Die „einfache Erklärung“ erklärt eben nichts, sie gibt vielmehr neue Rätsel auf und bewirkt eine heilsame Ver- unsicherung.

0 2 r u t a Buchhandlung Brigitte Salanda a. n u p a r e t i L · Mircea Cartarescu Die Flügel A. d. Rumänischen von Ferdinand Leopold Zsolnay, 670 S., € 26,80 „Es war das Jahr

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treff.punktBuchhandlung Brigitte SalandaFischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: + 43 1 532 85 14ab 1. Dezember: Mo – Fr: 11–18.30 Uhr, Sa: 10 –17 Uhrwww.apunktbuch.at, [email protected]

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Literatur 2014

„Schlagen wir die Bücher auf, fallenlauter Einzelheiten aus ihnen heraus“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,willkommen bei treff.punkt a.punkt. Diesen schönen Satz von ThomasHürlimann (NZZ, 8. Nov.) möchte ichunserer heutigen Literaturauswahlvorausschicken. Die Auswahl an lesenswerten, interes-santen und immer öfter auch schöngestalteten Büchern soll Ihnen durchdiesen treff.punkt erleichtert werden. Die Titel und viele andere aus den Be -reichen Philosophie, Kultur- und Zeit -geschichte sind vorrätig, es gibt einLyrik- und ein Krimi-Regal, Naturkundenaus dem Matthes & Seitz Verlag undvieles, was Sie nicht gesucht haben,aber finden werden. Diese Auswahlmacht die Besonderheit meinerBuchhandlung aus – jedes von mir ein-gekaufte Buch wartet auf einen Käufer.54 Jahre am Buch beraten ich undmeine Mitarbeiter Eva Ribarits undGeorg Kostron Sie gerne und nehmenBestellungen per mail und telefonischentgegen. Aber glauben Sie mir: einBesuch in Ihrer Buchhandlung kanndurch nichts ersetzt werden.Auch wenn Sie schon länger nicht beiuns waren, würden wir Sie gerne wieder überzeugen: a.punkt ist dieBuchhandlung Ihrer Wahl.Brigitte Salanda und Team

Paul Auster Bericht aus dem Inneren Aus dem Englischen von Werner Schmitz Rowohlt, 288 S., € 20,60 Paul Auster führt uns in seine frühe Kind -heit, in eine Zeit, in der Uhren noch Ge -sich ter, die Stifte noch Flugzeuge und derMann im Mond, obgleich ohne Ge stalt,noch ein echter Mann war. Auster be -schreibt diese phantastische Welt mitgroßer Wärme und leichter Hand. Aberdie Fragen, die sich ihm und uns stellen,haben Gewicht. Wann begreift sich einkleiner Junge aus New Jersey als Ameri -kaner? Wann als amerikanischer Jude?Auster lernt jenen Paul kennen, der ihmviele Jahre später nur noch schemenhaftvor Augen steht, der allmählich zumKünst ler heranwächst, rastlos in winzi-gen Pariser Zimmern ausharrt, Dreh -bücher und Liebesbriefe schreibt, dieStudentenrevolte in New York erlebt undsich zunehmend professionell demSchreiben widmet. Mit dem Doppelge -stirn „Winter journal“ und „Bericht ausdem Inneren“ hat Auster ein Panoramaeines Menschen im Amerika der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts vorgelegt.

Isaak Babel Sämtliche Erzählungen Übersetzt aus dem Russischen von Peter Urban und Bettina Kalbach Hanser, 864 S., € 41,10 Von albtraumhaften Kinderszenen überErzählungen vom Erwachen der Liebeund vom Entdecken der Künste bis zuschonungslosen Kriegsbeschreibungen –Isaak Babel ist der Chronist der Jahr zehn-te vor und nach der russischen Revolution.

Bettina BalakaUnter Menschen Haymon, 264 S., € 19,90Berti ist das Ergebnis der unglücklichenLiaison eines Jack Russel Terriers miteinem Straßenköter, er sieht aus wie ein

schwarzer Fleck und benimmt sich wieein übermütiges Kind. Er ruiniert dieGeschäfte eines Welpenhändlers, brichteiner Zwölfjährigen das Herz und wecktdie Lebensgeister eines neurotischenPhysikers.

Honoré de BalzacVerlorene Illusionen Neu übersetzt aus dem Französischenvon Melanie Walz Hanser, 896 S., € 41,10 Balzacs bitterböse Satire auf das Treibender Menschen. Ein virtuoses Gemälde vonAufstieg und Fall, von Provinz und Haupt -stadt, von Adel und Geld. In einer neuenÜbersetzung mit Anmerkungen undeinem Nachwort erhellt Melanie Walzauch die Hintergründe dieses Klassikers.

a.LESE-LUSTLESE-LUST

Margret Kreidl Einfache ErklärungAlphabet der TräumeEdition Korrespondenzen, € 19,- „Der Traum ist der Buchstabe undnicht der Geist“, Paul Valery, CahiersHeft 4. Der persönliche Tipp von DanielaStrigl (Der Standard): Das Buch istfür Feinspitze, vielleicht sogar nochmehr für Feinspitzinnen. Mit demihr eigenen Witz, der ihrer Gründ -lichkeit in nichts nachsteht, nimmtsich Margret Kreidl des un an greif -baren Phänomens Traum an undder mannigfachen volksmythischen,banalen oder tiefenpsychologischenAnstrengung zu seiner Deutung. Fürjeden Tag des Jahres böte dasAlphabet ein Stück, das – ob Szene,Dialog, Anekdote, Sinn spruch oderGedicht, stets mit einer „einfachenErklärung“ endet: „Arbeitstier / Oh,edles Tier in Blau / Darf ich vorstel-len: meine Frau / Einfache Erklär ung:Ein Mann macht viel Arbeit.“ Die„einfache Erklärung“ erklärt ebennichts, sie gibt vielmehr neue Rätselauf und bewirkt eine heilsame Ver -unsicherung.

a.punkt – Buchhandlung Brigitte Salanda, Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: +43 1 532 85 14, E-Mail: [email protected]

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Xaver Bayer Geheimnisvolles Knistern aus demZauberreich Jung und Jung, 210 S., € 19,90 Xaver Bayer als Wahrnehmungs künst-ler – voll absurder Komik und Fabulier lust,voll grotesker Einfälle und überraschen-der Wendungen sind diese Miniaturen.„Seltsam, diese Träume. Ich komme nichtdahinter, ob ich geweint habe, weil ich indieser Traumsequenz mit meiner Mutterin dieser schönen, alten Buch handlungdie Unmöglichkeit, je wieder an diesenZeitort zurückzukehren, so dass es mirdas Herz zerriss, oder ob ich zu weinenanfing, weil ich diesmal das Buch, dasich ungeduldig nachhause hätte tragenkönnen, nicht bekommen habe.“

Konrad Bayer der kopf des vitus beringReihe Österreichs EigensinnJung und Jung, 100 S., € 18,50 Konrad Bayer experimentierte mit Lite-ratur und Sprache, schuf aus Text bau -steinen aller Art eine neue Welt. In sei-ner umfangreichsten abgeschlossenenArbeit bediente er sich einer schillerndenhistorischen Figur: Vitus Bering, ein inrussischen Diensten stehenden Marine-offizier und Entdecker dänischer Her-kunft. Die große nordische Expe di tion(1733–1743), die Bering leitete, galt bisins 20. Jahrhundert als aufwendigsteForschungsreise im Namen des wissen-schaftlichen Fortschritts. Der Verschleißvon Mensch und Material war enorm.

Rita Bischof Nadja revisitedBrinkmann & Bose, 315 S., Abb., € 33,-André Bretons „Nadja“ und Léona„Nadja“ Delcourt • Die surrealistische Theorie derEreignisse, • Als Nadja den Weg vonAndré Breton kreuzte, • Der Umbruch,• Der Surrealismus im Lichte Hegels,• Nadjas langer Schatten, • Sprache inder Psychoanalyse und im Surrealismus, • Léona “Nadja“ Delcourts Zeichnungenund Briefe an André Breton.

Szilard BorbelyDie Mittellosen Aus dem Ungarischen von HeikeFlemming und Laszlo KornitzerSuhrkamp, 240 S., € 23,60Kindheitsszenen in einer erbarmungslosenländlichen Welt. Alle kennen sich in demkleinen Dorf im Nordosten Un garns. Esgibt eine einzige Straße, den Glocken -stuhl am Kirchplatz, die Kneipe an derRampe. Ende der sechziger Jahre wohnendie Verwandten noch dort, die „damals“mitgemacht haben – und Morzi der jüdi-

sche Ladenbesitzer, der zur Überraschungaller aus dem Lager in seine ausgeplün-derte Wohnung zurückgekehrt ist. Hierwächst ein kleiner Junge auf, der Er zählerdes Romans. Früh lernt er, wie man Tieretötet und sich mit halberfrorenen Fingerndie Fußlappen bindet. Scharfäugig nimmter wahr, mit welchem Misstrauen dieLeute ihn und seine Familie betrachten.Die Eltern sind keine Bauern, sondernMenschen, die ein „Fremdengeruch“ um -gibt. Sie kommen von anderswo.

Alastair BrotchieAlfred Jarry Ein pataphysisches Leben Aus dem Englischen von Yvonne Badal Piet Meyer, 552 S., 275 Abb., € 46,-Erst jetzt erscheint die erste wirklich um -fassende biografische Darstellung diesesaußergewöhnlichen Autors, der im wah-ren Leben ein nahezu mittelloser Bohe -mien war, und mit 34 Jahren an Menin -gitis starb. Er hat jedoch weit über seinenTod hinaus die Literatur des 20. Jahr -hunderts beeinflusst, Dadaisten ebensowie Surrealisten, das absurde TheaterIonescos ebenso wie die RomaneBallards oder Burroughs, den Fluxus vonBeuys, das Happening und die RomanePerecs und Queneaus. Alastair Brotchie,Leiter des Londoner Verlagshauses AtlasPress, hat ausgiebig recherchiert und derVerleger Piet Meyer daraus ein ausneh-mend schön gestaltetes Buch ge macht.

Michail Bulgakow Die verfluchten Eier A. d. Russischen von Alexander NitzbergGaliani, 144 S., € 17,50 Eine Satire mit bizarren Science-Fiction-Auswüchsen. Bulgakow schrieb die „Dieverfluchten Eier“ 1925, während Stalinim Machtgefüge der Sowjetunion un auf -haltsam aufstieg.

Doris ByerMali. Eine Spurensuchemit 60 Fotos von Abdoulaye Sima Literaturverlag Droschl, 400 S., € 26,- Es ist ein Reisebericht der ganz be son -deren Art, eine mehrschichtige (Erinner -ungs-) Erzählung, die nur am Rande mitdem Staat Mali zu tun hat, vielmehr istes eine „Familienge schichte“ über vierGenerationen einer afrikanisch-europäi-schen Familie. Es geht um das Lebenheute, die Geschichte des Kolonialismusund Postkolonialismus und ebenso umunterschiedliche "Lebensvorstellungen".Der Text ist ein dokumentarischer Reise -bericht, ein Einblick in die Zusammen -arbeit Doris Byers und Abdoulaye Simasbei der Erforschung seiner Familien ge -schichte.

Mircea Cartarescu Die Flügel A. d. Rumänischen von Ferdinand Leopold Zsolnay, 670 S., € 26,80„Es war das Jahr der Herrn 1989. DieMenschen hörten von Kriegen und vonAuf ständen, doch sie ängstigten sichnicht, denn das alles musste sich ereig-nen.“ So beginnt der letzte Teil der Orbi -tor-Trilogie. Nährboden und Hinter grunddes Buches bilden die gesellschaftlichenGärungs- und Wandlungs pro zesse wäh-rend der „Revolution“ in Bukarest. Aufden Straßen der verschneiten Stadt spie-len sich tumultartige Szenen ab, imInneren der Wohnung des Ich-Erzählersläuft tagein tagaus der Fernseher, und ertaucht ein in die Geschichten seinerVorfahren. So entsteht ein glitzerndesKaleidoskop von Bewusstseinssplittern.

Lucas Cejpek Unterbrechung. Burn Gretchen Sonderzahl, 252 S., € 19,90 Der totale Roman: Lucas Cejpek erzähltauf radikale und verblüffende Weise seinLeben. Den Leser juckt es nicht nur inden Fingern, sondern auch in seinerHirnrinde, den von Cejpek ausgelegtenSpuren zu folgen. Der Autor bleibt demLeser keine Unterhaltung, kein Lesever -gnügen schuldig. Da er vor allem Autor,Regisseur, Kinogeher und Liebhaber ist,handelt sein Buch ziemlich oft vomSchreiben, von Filmen und von Gret chen.Die Auswahl der zitierten Autoren, u.a.Nathalie Sarraute, John Cage, GertrudeStein, Alain Robbe-Grillet, FriederikeMayröcker und Ernst Jandl zeigt CejpeksFokussierung auf die Avantgarde. EineLiebeserklärung an Gretchen auf Seite 15.

Bruce Chatwin Der Nomade Briefe 1948–1988 Hg. von Elisabeth Chatwin undNicholas Shakespeare Hanser, 640 S., € 28,60 Chatwins Briefe bestätigen alle, die ihmvorwerfen, in der Dritten Welt Cham pa -g ner getrunken zu haben. Die Wahrheitist aber: Meist befand er sich 200 Kilo -meter „vom nächsten Kopfsalat“ ent-fernt, in dauernden Geldnöten, unter In -fek tionen, mangelnder Hygiene, schlech-tem Essen und Polizeigewalt leidend.Und all das, wie die eigenen Verdienste,bestandene Proben und archäologischeFunde bloß lakonisch kommentierend.Die Briefe spannen einen funkelndenBogen von dem jungenhaft attraktivenGesicht des Abenteurers bis hin zu denSchrecken des Mannes mit den wie inPanik aufgerissenen Augen des Ster-bens kranken.

Hans Magnus Enzensberger Tumult Suhrkamp, 250 S., € 22,60 Wer sich nach einem halben Jahr hun -dert wieder begegnet, muss auf Überra-schungen gefasst sein. Wie aber sieht mitdem zeitlichen Abstand von 50 Jahren deralte Enzensberger den jungen? Die Ant -wort auf die Frage ergibt ein lebhaftesStreitgespräch, in dem beide sich ihrerHaut zu wehren wissen. Ein letztes Kapitelunter dem lapidaren Titel „Danach“ giltdem Abschied von den „politischen undprivaten Obsessionen der 60er Jahre“.Enzensberger gedenkt auch der Verliererund derer, die ihm nahe standen. Ge wid -met ist das Buch „den Verschwundenen“.

Marcello Fois Zwischen den Zeiten A. d. Italienischen von Monika Lustig Die Andere Bibliothek, 281 S., € 38,60Sardinien 1943. Vincenzo Chironi lebtzwischen den Zeiten. Er ist auf der Suchenach seiner Herkunft und einer Zukunft.Aufgewachsen ist er in einem Waisen -haus in Triest, viele Jahre war er derSohn von niemandem. Nun hat er wie-der einen Namen und ist auf dembeschwerlichen Weg nach Núoro, zuseiner Vaterfamilie, in seine karge sardi-sche Heimat – die für ihn noch keine ist.

Dalia Grinkeviciute Aber der Himmel – grandios A. d. Litauischen von Vytene Muschik Matthes & Seitz, 206 S., € 20,50 Nach der Annexion Litauens 1941 wirdDalia Grinkeviciute zusammen mit ihrerMutter und ihrem Bruder von den Sow jetsnach Sibirien deportiert. Ihre Jugend jahreverbringt sie in der Ver bannung. Zurückin Litauen schreibt sie ihre Erinnerungenan die Verbannung auf lose Blätter undvergräbt sie aus Angst vor der Ent -deckung durch den KGB in einem Ein -wegglas im Garten. Erst nach ihrem Tod1991 wurden die Blätter gefunden. DasSchicksal eines 14-jährigen Mädchens inder Verbannung ist ein wichtiges Doku-ment der litauischen Geschichte.

Lili Grün Mädchenhimmel!Gedichte und GeschichtenHg. und Nachwort von Anke HeimbegAviva, 192 S., € 18,50„Mädchenhimmel!“ betitelt Lili Grün1930 einen ihrer lyrischen Songs, der fürdie Themenpalette ihrer Gedichte undkleinen Geschichten steht: junge, mo -derne, selbstbewusste Frauen, hin- undhergerissen zwischen Autonomie, Selbst - behauptung und dem Wunsch nacheinem Mann „mit den starken Armen“.

Pierre Guyotat Grabmal für fünfhunderttausendSoldatenSieben GesängeAus dem Französischen von Holger Fock Diaphanes, 656 S., € 36,-Pierre Guyotat gilt als Frankreichs letzter„poète maudit“, als geistiger Verwandtervon de Sade, Lautréamont, Bataille undArtaud. 1960 wurde er in den Krieg nachAlgerien einberufen, wo er wegen Auf rufszur Desertion und der Ver breitung ver -botener Schriften in Haft kam. „Grab malfür fünfhunderttausend Soldaten“ ent-stand nach Kriegsende zwischen 1963und 1965, es erschien 1967 bei Gallimardund liegt nun erstmals in deutscherÜbersetzung vor.

Eduardo Halfon Der polnische Boxer Aus dem Spanischen von Peter Kultzenund Luis RubyHanser, 176 S., € 18,40Eduardo Halfon, geboren 1971 in Guate -mala, spürt der Geschichte seines Groß -vaters nach, der dank eines polnischenBoxers Auschwitz überlebte. Doch was istwahr und was erfunden? Als Kind glaub-te er an die Lüge, die eintätowiertenZiffern auf dem Arm seines Großvatersseien dessen Telefon nummer. In seinem„Roman in zehn Runden“ fragt er nachder wahren Geschichte. Die Antwort fin-det er in sich selbst und durch Men -schen, denen er begegnet: einem Indio-Dichter, der völlig abgeschieden lebt,einem serbischen Musiker, dessen Jazz-Session tiefe Fragen aufwirft, und vielenanderen.

Nino Haratischwili Das achte Leben (Für Brilka)Frankfurter VA, 1280 S., € 35,-Georgien im Jahr 1900: Mit der GeburtStasias, Tochter eines angesehenen Scho-ko laden fabrikanten, beginnt diese Fami-lien saga, ein Epos über sechs Generatio-nen und acht außergewöhnliche Leben.

Wolfgang Herrndorf Bilder deiner großen Liebe Ein unvollendeter Roman Rowohlt, 144 S., € 17,50 An dem Roman über die verlorene, ver-rückte, hinreißende Isa hat Herrndorf biszuletzt gearbeitet. Eine romantischeWanderschaft durch Tage und Nächte,unvollendet und doch ein unvergessliches

Leseerlebnis. „Ich halte das Tagebuchwie einen Kompass vor mich hin.Pappelsamen schneien um mich herumund der süße Duft der Licht nelkenströmt durch die Nächte. Ich sehe einenWald, aus dem vier hohe Masten auf -ragen über die Baumwipfel. Am Wald -rand steht eine kleine Hütte, die Teileines Wander wegs ist, wie drei einge-kastelte Zeichen verraten. Ein schwarzerGedankenstrich, eine gelbe Schlange,ein rotes Dreieck. Mein Name.“

Andreas Heusler Lion Feuchtwanger Münchner – Emigrant – Weltbürger Residenz, 364 S., € 24,90Feuchtwanger war einer der meistgelese -nen Schriftsteller des 20. Jahr hun derts.Der unabhängige linksbürgerliche Intel -lektuelle publizierte in den 30er Jahrenschockierend unkritische Elogen auf diestalinistische Sowjetunion und ging überFrankreich in die USA ins Exil. SeinBiograph Andreas Heusler verschränkt

a.punkt – Buchhandlung Brigitte Salanda, Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: +43 1 532 85 14, E-Mail: [email protected]

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diese vielschichtige Lebens geschichtemit sozialen, kulturellen und politischenGegebenheiten und fragt nach Bezugs -sys temen, Netzwerken und Abhängig -kei ten. Feuchtwanger war in den USAeine stets hilfreiche Anlaufstelle fürandere deutschsprachige Emigranten,Freundschaften verbanden ihn mitArnold Zweig, Bertold Brecht undHeinrich Mann.

Grigori Kanowitch Ewiger Sabbat Übersetzt von Waltraud Ahrdt aus demRussischen Die Andere Bibliothek, 500 S., € 39,10„Ich bin kein jüdischer Schriftsteller, weilich russisch schreibe, kein russischerSchriftsteller, weil ich über Juden schrei-be, kein litauischer Schriftsteller, weil ichnicht litauisch schreibe.“ Anfang derdreißiger Jahre lebt Daniel in einem klei-nen Dorf bei Vilnius zunächst bei seinemGroßvater, dem Uhrmacher, und bei sei-ner Großmutter, sein Vater sitzt wegenpolitischer Umtriebe im Gefängnis. Ineinen Vogel möchte sich dieser träu-mende Junge verwandeln: Dann flöge erüber den Synagogen diener Chaim hin-weg, über Fleischer meister Hilles Laden,die Frisierstube, seinen ersten Lehrherrn,sähe alle Bewohner dieses Fleckens ausder Ferne. Vor allem bräuchte er nichtlänger auf dem jüdischen Friedhof mitall den Krähen und beim einbeinigenTotengräber Josef zu wohnen. Er sähedie Welt und wird sie bald im Ghettokennenlernen.

Navid Kermani Zwischen Koran und Kafka West-östliche Erkundungen Beck, 252 S., € 25,70Was hat das schiitische Passionsspiel mitBrechts Theater zu tun? Welche Gedichteverdankt Goethe dem Koran? Wie hängtIbn Arabis Theologie des Seufzens mitdem „Ach“ der Alkmene zusammen?Und warum identifizierte sich der irani-sche Dichter Hedayat mit dem PragerJuden Franz Kafka? Navid Kermani lässtdie vertrauten Grenzen zwischen Orientund Okzident verschwinden. Er demons-triert, was „Weltliteratur“ ist.

Esther Kinsky Am Fluss Matthes & Seitz, 400 S., € 23,60Alte Fabriken, ärmliche Häuser, aberauch unverhoffte Streifen von Wildnis;eine Landschaft an der Grenze von Stadtund Land, bevölkert von aus ihrenOrdnungen gefallenen Menschen. „AmFluss“ ist ein Buch über das Sehen, überErkenntnis durch Betrachtung, in dem

die Autorin die Frage nach den Mög -lichkeiten und Grenzen der Sichtbar -machung von Welt neu stellt. „EstherKinsky schreibt Sätze wie Gedichtzeilen.Hier sitzt kein Wort an der falschenStelle, sie braucht keine Metaphern oderVergleiche, um präzise zu sein, weil esfür jedes Ding das richtige Wort gibt.“(Verena Mayer, Literaturen)

Bodo Kirchhoff Verlangen und Melancholie Frankfurter VA, 444 S., € 25,60Eine Geschichte von Liebe und Verrat, inder unerbittlich die Frage nach demWarum eines Freitods gestellt wird.

Danilo Kis Familenzirkus Die großen Romane und Erzählungen Hg. und m. e. Nachwort von Ilma Rakusa Hanser, 1050 S., € 41,10 Mit seinem literarischen Werk schrieb Kisgegen das Vergessen und den Tod an. Erwar noch ein Kind, als sein Vater, einungarischer Jude, in Auschwitz ermordetwurde. In seiner Trilogie „Frühe Leiden,Garten, Asche“, die er selbst Familien -zirkus nannte, hat er ihm und der KulturMitteleuropas ein Denkmal gesetzt. Inder „Enzyklopädie des Toten“ beschwörter das Ideal einer Erinnerungsschrift, diejeden Menschen in seiner Unver wech -sel barkeit bewahrt. Sein „Grabmal fürBoris Dawidowitsch“ löste eine politisch-literarische Kontro verse aus, weil Kis denkommunistischen Totalitarismus hier mitden Stilmitteln der Moderne beschrieb.

Michael KöhlmeierZwei Herren am Strand Hanser, 256 S., € 18,40 Sie sind einander wirklich begegnet:Winston Churchill und Charlie Chaplin –zwei Giganten der Weltgeschichte. Der

eine schuf als weltberühmter Komikerdas Meisterwerk „Der große Diktator“,der andere führte mit seinem Wider-standswillen eine ganze Nation durchden Krieg gegen Hitler. Und beide warenmanisch-depressiv: „Der schwarze Hund“,die Depression, verbindet sie und lässtsie einen Pakt schließen. Die Geschichtedes 20. Jahrhunderts zwischen Kunst,

Politik, Komik und Ernst, die Geschichtedes armen Tramps und des großenStaatsmannes. Und die Grundlagen derFiktion sind gewissenhaft recherchiert.

Amin Maalouf Die Verunsicherten Aus dem Französischen von Liz Künzli Arche, 505 S., € 27,80In diesem sehr persönlichen Buch erzähltAmin Malaouf (im Libanon geboren, lebtseit 1976 in Frankreich) von einem uni-versellen Gefühl des alternden Men-schen, dem Gefühl des Verrats, das sichim Laufe der Jahre und mit jedem Totenmehr und mehr einstellt: Der Verrat andem Land, in dem man geboren wurdeund das man verlassen hat; an denEltern, mit denen man nicht genuggesprochen hat, bevor sie starben; anden Jugendträumen, die zerschellt sindan der Realität oder die man schlicht vorsich hinfaulen ließ.

Friederike Mayröckercahier Suhrkamp, 192 S., € 20,60 Friederike Mayröcker hat keine Zeit.Nicht für Resümee und Erinnerung, aberfür Notizen: „Cahier oder Heftchen“.

Dinaw Mengestu Unsere Namen A. d. Amerikanischen v. Verena Kilchling Kein & Aber, 335 S., € 23,50

a.punkt – Buchhandlung Brigitte Salanda, Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: +43 1 532 85 14, E-Mail: [email protected]

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„Unsere Namen“ hat zwei Erzählstränge,die sich kapitelweise abwechseln, zweiErzählungen, zwei Schauplätze. In denAmerika-Kapiteln erzählt Helen ihreschwierige heimliche Liebesgeschichtemit dem falschen Isaac, die zusätzlich da -durch erschwert wird, dass der Rassis -mus in der amerikanischen Provinz dieoffen gelebte Beziehung zwischen einerWeißen und einem Dunkel häutigen inden 70er Jahren noch nicht duldete. Inden Uganda-Kapiteln erzählt der Namen -lose aus Äthiopien die Geschichte seinerschwierigen Freund schaft mit dem ech-ten Isaac.

Henri Michaux Zeichen. Köpfe. Gesten.A. d. Französischen von Helmut Mayer Piet Meyer, 120 S., 80 Abb., € 39,80 Deutsche Erstveröffentlichung. In die-sem Text erklärt Michaux, wie und wes-halb er mit dem Zeichnen begonnen hatund was dabei geschieht. Er hat seinemBuch eigene Bilder beigegeben. Sie sindnicht als Illustrationen zum Text zusehen, sondern gleichen eher farbgesti-schen Setzungen, die den Textkörperpunktieren.

Sofi Oksanen Als die Tauben verschwanden Aus dem Finnischen von Angela Plöger Kiepenheuer & Witsch, 430 S., € 20,60Der Roman folgt dem Schicksal dreierEsten während des Zweiten Weltkriegsund danach: Roland, einem prinzipien-treuen estnischen Freiheitskämpfer, sei-nem machthungrigen, skrupellosenCousin Edgar und dessen Frau. Zuerstdient sich Edgar den Deutschen an, nachdem Krieg werden die Karten neugemischt, Estland steht unter derBesatzung der Sowjets, und wieder ist esEdgar, der hofft, seiner Vergangenheitzum Trotz bei den Kommunisten eineherausragende Rolle zu spielen.

Per Petterson Nicht mit mir A. d. Norwegischen von Ina Kronberger Hanser, 288 S., € 20,50Die Geschichte zweier Jugendfreunde,Jim und Tommy, die sich nach mehr alsdreißig Jahren wieder begegnen. Dereine hat es in der Finanzbranche zuWohlstand gebracht, der andere istkrankgeschrieben und angelt am Fluss.Freundschaft, Einsamkeit, Wut, Trotz undeine große Portion Melancholie.

Richard Powers Orfeo Aus dem Englischen von Manfred Allie Fischer, 496 S., € 23,60

Powers erzählt die Geschichte desMusikers Peter Els. In den Siebzigernwaren seine Stücke Avantgarde, jetztwill er der DNA ihre musikalischeStruktur ablauschen. Bis die HomelandSecurity in sein Leben stolpert und ihnverhört. Auf der Fahrt quer durch dieUSA flüchtet Els vor dem FBI und denMedien, erinnert sein Leben und suchtseine Familie. Ein Roadmovie vollerEmotion, unserer Gegenwart und ihrenThemen immer einen Schritt voraus.

Teresa Präauer Johnny und JeanWallstein, 208 S., € 20,50 Teresa Präauers unbestechlicher Blick aufdie zeitgenössische Kunstszene ist amü-sant, weil ihre verqueren Formu lier un -gen und ihre Lust am Sprachspiel immerpräzise die Schwachstellen der zeitge-nössischen Kunst und ihrer Diskurse tref-fen. Dabei können die Wiener Aktion istenebenso wie Mel Ramos oder Alex Katz inihr Visier geraten, souverän bewegt siesich zwischen High und Low. Hinreißendauch, wie die Philosophen Gilles Deleuzeund Walter Benjamin auftauchen.Orientierung versprechen nach wie vordie Alten Meister: „Wenn nichts mehrhilft, hilft Cranach.“ (Christa Gürtler inDer Standard)

Thomas Pynchon Bleeding Edge A. d. Englischen von Dirk van Gunsteren Rowohlt, 608 S., € 30,80„Bleeding Edge“ nennt man eine elek-tronische Anwendung, die so neuartigist, dass sie noch keinen erwiesenenNutzen hat. Wie etwa DeepArcher, eineverbesserte Version von SecondLife, inder alles möglich scheint. SogarGeldwäsche oder Terrorplanung für9/11, ohne dass man eine Spur hinter-lässt. Deshalb interessiert sich dafürneben den Geheimdiensten und interna-tionalen Verbrechern auch eine kleineNew Yorker Wirtschaftsdetektivin namensMaxine Tarnow, jüdisch, geschieden,Kinder und einer Beretta in derHandtasche. Ein finsterer Thriller undeine absurde Komödie in einem Roman.

Volker Reinhardt De Sade oder die Vermessung des BösenEine Biographie Beck, 464 S., € 30,80War Marquis de Sade (174–1814) einSadist, Verbrecher und Geisteskrankeroder ein Aufklärer, ja ein Vorkämpfergegen Triebunterdrückung und schein-heilige Moral?

Mordecai Richler Joshua damals und jetzt Aus dem Englischen von Gisela Stege Liebeskind, 544 S., € 25,60 Joshua Shapiro hat es geschafft. Er ver-kehrt in der feinen Gesellschaft vonMontreal, obgleich es als Kind in be -scheidenen Verhältnissen aufwuchs.Sein Vater war ein wenig begabter Boxer,der die Familie mit krummen Geschäftenüber Wasser hielt. Seine Mutter, ein ak -tives Mitglied der Frauenbewegung,machte sich als Stripteasetänzerin einenNamen. Heute ist Joshua ein berühmterFernseh journalist, alles prächtig. Danngibt’s einen Finanzskandal, einen Fa mi -lien skandal und einen Sexskandal.

Gerhard Roth Grundriss eines Rätsels Fischer, 512 S., € 25,70 Ein Schriftsteller wird von Baulärm ausseinem Haus vertrieben und begibt sichauf eine Odyssee durch Wien. Dreitschetschenische Flüchtlinge werden ineinem abgelegenen Teil der Steiermarkermordet. Eine Apothekerin versucht sichmit ihrem Sohn gegen widrige Um stän dezu behaupten. Ein Schau spieler kehrt imJahr 2040 an den Ort seiner Kindheit zu -rück. Eine Journalistin reist auf der Fluchtvor sich selbst nach Japan, und ein alterMann erinnert sich, wie 1902 in Venedigder Campanile einstürzte. Ein Roman derTäuschungen, nichts ist wie es scheint.

Franz Schuh Sämtliche LeidenschaftenZsolnay, 224 S., € 20,50Hauptsächlich schreibt Franz Schuh übersich, er trägt Erinnerungen zusammen,„weil ich alle meine Erkenntnisse mitVorliebe im Rückblick gewinne“. Schuhlässt sein Gedächtnis laufen, es machtmanchmal wilde Bocksprünge. Selbst -verliebt und selbstkritisch erzählt er vomSchreiben, von Freundinnen, vom Spital,vom Bundesheer und von der ange-wandten Philosophie.

Reiner Stach Kafka Die frühen Jahre Fischer, 608 S., € 36,80Nach den fulminant gefeierten erstenzwei Bänden seiner Kafka-Biografie (alsTaschenbuch lieferbar) schließt ReinerStach sein Werk mit Kafkas Kindheit undJugend, Studium und ersten Berufs -jahren ab. Die Ent faltung von KafkasSprachtalent, seine Bildungserlebnisse,das Reifen seiner Sexualität und nicht zu-letzt die Ausein andersetzung mit neu-en Technologien und Medien sind ent-scheidende Wegmarken.

a.punkt – Buchhandlung Brigitte Salanda, Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: +43 1 532 85 14, E-Mail: [email protected]

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Botho StraußHerkunft Hanser, 96 S., € 15,20Botho Strauß erzählt von seiner Jugendin den 40er und 50er Jahren, von Naum-burg und Bad Ems, den Orten, in denener aufgewachsen ist, von seinen frühen,prägenden Erinnerungen. Vor allem istes der Vater, dessen Bild immer deutli-cher hervortritt, liebevoll gezeichnet,doch ohne Selbsttäuschung.

Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn Die Reise einer jungen Anarchistinin Griechenland Fischer, 192 S., € 19,50 Marlene Streeruwitz übernimmt dieRolle ihrer Romanheldin Nelia Fehn aus„Nachkommen“ und schreibt deren Erst -lingswerk – die Reise Nelia Fehns nachGriechenland zu ihrem Geliebten Marioist eine Irrfahrt durch eine Welt, diezusammenbricht.

Marlene Streeruwitz NachkommenFischer, 432 S., € 20,60Natürlich ist der Roman auch ein bissigerKommentar zum Literaturbetrieb. Natür -lich stänkert Marlene Streeruwitz auchüber den Rummel um den „DeutschenBuchpreis“ und die notorischen Gockel,die auf der Frankfurter Buchmesse her -um stolzieren. Aber es geht der Autorinauch um die Schieflage Europas, um dassoziale Gefälle, um deutsche Dominanzund griechisches Elend und besondersum das erbitterte Strampeln der jungenGeneration, um Arroganz und Wohl -stand der Älteren.

Hans Thill Das Buch der Dörfer Matthes & Seitz, 163 S., € 20,50 „Das Buch der Dörfer“ erzählt eine Reisevon Dorf zu Dorf. Es sind imaginäreDörfer, deren unterschiedlicher Charakterhier in einer Sprache, die Prosamusik undNotiz zugleich ist, erfasst werden. Ein sur-realistischer Traumbericht, erfüllt voneiner Sehnsucht nach Ruhe, wie sie jederabenteuerlichen Erzählung zu eigen ist.

Jean-Philippe Toussaint Nackt A. d. Französischen von Joachim UnseldFrankfurter VA, 158 S., € 20,50 Das mit Marie sei jetzt auch mal gut,dachte man. Aber nein. Da ist sie wieder:anspruchsvoll, impulsiv und „ozeanisch“,wie der Erzähler, ihr ehemaliger Lebens -gefährte und penibler Dauer be obachter,sie gerne nennt. Über vier Romane hinwegarbeitet Toussaint an der Ikonisierungseiner Hauptfigur, wir haben ein Paket mit

allen vier Marie-Romanen geschnürt. Eingroßartiges Geschenk für die Geliebte(n).

Dato TuraschwiliWestflug Übersetzt aus dem Georgischen vonAnastasia Kamarauli Wagenbach, 176 S., € 10,20 Mitte der achtziger Jahre in Georgien.Sieben junge Erwachsene aus der Mitteder Gesellschaft wollen sich nicht mehrmit den Ungerechtigkeiten der sowjeti-schen Realität abfinden. Sie entwickelneinen Plan, der ihnen die Freiheit brin-gen soll, aber tödlich endet.

Juan Gabriel Vasquez Das Geräusch der Dinge beim Fallen A. d. Spanischen von Susanne Lange Schöffling & Co, 290 S., € 23,60Bogota, Kolumbien, im Sommer 2009.Der Jura-Professor Antonio Yammaraliest in der Zeitung von einem Nilpferd,das aus dem Privatzoo des legendärenDrogenkönigs Pablo Escobar entflohen ist.Unmittelbar fühlt er sich in die Zeit zu -rück versetzt, als der Krieg zwischen Esco -bars Medellin-Kartell und den Regierungs -truppen auf Kolumbiens Straßen eska-lierte. Damals musste er miterleben, wieein Freund ermordet wurde. Noch Jahrespäter quälen ihn die Erinnerungen. Beiseinen Nach forsch ungen über den Mordentdeckt Antonio, wie stark sein eigenesLeben und das seines Freundes von derge waltsamen Vergangenheit seinesLandes bestimmt wurden.

Tanguy Viel Das Verschwinden des Jim Sullivan A. d. Franz. v. Hinrich Schmid-Henkel Wagenbach, 128 S., € 17,40Das Leben war schon mal netter zuDwayne Koster. So besieht er sich die Weltnun vorzugsweise von seinem Wagen aus,

einem Dodge Coronet aus den Sechzigern,und hört dabei Musik von Jim Sullivan.

Hans Weichselbaum Georg Trakl Otto Müller, 224 S., € 24,-Früh endet das Leben des SalzburgerDichters. Trakl stirbt mit 27 Jahren inGali zien an den Folgen einer ÜberdosisHeroin. Weichselbaum erzählt die schwie -rige Lebensgeschichte eines begabtenjungen Mannes, beginnend mit der Über -siedlung der Familie nach Salzburg. Indiese Zeit fallen die ersten Experimentemit verschiedenen Drogen, von denen

Trakl Zeit seines Lebens nicht loskommenwird. Zu Beginn des ersten Weltkriegesmeldet er sich als Militär apotheker, dieSchlachtgräuel, die er dort erlebt, stür-zen ihn in Verzweiflung.

Josef Winkler Winnetou, Abel und ich Suhrkamp, 100 S., € 19,50 „Mutter und Vater beäugten mich beimLesen mit misstrauischen Blicken, denndie Nachbarin sagte einmal zu meinerahnungslosen Mutter, die ihr ganzesLeben kein Buch gelesen hatte: 'KarlMay verdirbt ihn!' Erlöst wurde ich erstvom Tierarzt, dem vornehmen Dr. Weber,der nach einer Operation im Stall, als er inder Küche mit einer Ter pen tinseife seineHände wusch und dabei fragte, was ichdenn da lese, in Anwesenheit meinerEltern ein Lob spendete: 'Sehr gut, sehrgut!'“

ImpressumBuchauswahl: Brigitte Salanda Fotos: Margret Kreidl, Traumtücher von Margret Kreidl und Rhizom Preise freibleibend, Stand: November 2014

a.punkt – Buchhandlung Brigitte Salanda, Fischerstiege 1–7, 1010 Wien, Tel.: +43 1 532 85 14, E-Mail: [email protected]

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