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FG Geohydraulik und Ingenieurhydrologie Ingenieurhydrologie Universität Kassel Prof. Dr. rer. nat. M. Koch 1.1 0. Einleitung: Aufgaben und Ziele der Hydrologie Die Hydrologie ist die Lehre von den Eigenschaften, den Erscheinungsformen und dem Kreislauf des Wassers in der sogenannten Hydrosphäre. Die Ingenieurhydrologie als eine Subdisziplin der allgemeinen Hydrologie soll die Grundlagen für wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungen schaffen, indem sie das mengenmäßige Auftreten des Wassers (z.B. aus Regen) sowie den zeitlichen Ablauf untersucht. Das Ergebnis hydrologischer Untersuchungen (z.B. Bemessungsabfluß) wird als Belastungsgröße für die Dimensionierung wasserbaulicher Anlagen, bei der Vorhersage von Hochwasserereignissen, oder allgemein bei der Bewirtschaftung von Wasserresourcen verwendet. Beispiele für wasserbauliche Planungen, die hydrologische Voruntersuchungen erfordern: 6 Regenwasserableitung aus Siedlungsgebieten 6 Regenwasserrückhaltung und -behandlung in der Stadtentwässerung 6 Hochwasservorhersage 6 Hochwasserschutz 6 Wasserwirtschaft (Mengenprobleme) 6 Wasserwirtschaft (Güteprobleme) 6 Wasserkraftanlagen 6 Binnenschiffahrt 6 Be- und Entwässerung im landwirtschaftlichen Wasserbau Elemente des Wasserkreislaufs: 6 Niederschlag 6 Versickerung 6 Grundwasserneubildung 6 Verdunstung 6 Abflußbildung 6 Abflüsse aus den natürlichen Wasserspeichern (Boden, Grundwasser) Obwohl die Hydrologie sich überwiegend mit dem Vorkommen des Süßwassers auf der Landoberfläche beschäftigt und sich daher z.T. gegenüber der Ozeanographie (Salzwasser in den Meeren) und der Meteorologie (Wasser in der Atmosphäre) abgrenzt, kann eine vollständige Behandlung dieser Wissenschaft nur interdisziplinär mit diesen beiden anderen Fachgebieten erfolgen. Insbesondere bei Fragen der globalen Hydrologie, die auch bei der Behandlung von mittel- und langfristigen klimatischen Änderungen (Anm.: 100 jähriger Kalender) auftreten, kann die Hydrologie nur unter diesem fachübergreifenden Aspekt betrieben werden. Für die Untergrund-Komponente der Hydrologie ergeben sich weitere Verbindungen mit der Bodenkunde und der Hydrogeologie, die auch die Wechselwirkungen des Wassers mit Boden- und Gesteinsmaterial beinhalten.

0. Einleitung: Aufgaben und Ziele der Hydrologie · PDF fileBedeutung in Hydrologie, Meteorologie und Klimatologie ... Phosphor ist ebenfalls ein bedeutendes Aufbau-Element in der

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FG Geohydraulik und Ingenieurhydrologie IngenieurhydrologieUniversität KasselProf. Dr. rer. nat. M. Koch 1.1

0. Einleitung: Aufgaben und Ziele der Hydrologie

Die Hydrologie ist die Lehre von den Eigenschaften, den Erscheinungsformen und dem Kreislaufdes Wassers in der sogenannten Hydrosphäre.

Die Ingenieurhydrologie als eine Subdisziplin der allgemeinen Hydrologie soll die Grundlagenfür wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungen schaffen, indem sie das mengenmäßigeAuftreten des Wassers (z.B. aus Regen) sowie den zeitlichen Ablauf untersucht. Das Ergebnishydrologischer Untersuchungen (z.B. Bemessungsabfluß) wird als Belastungsgröße für dieDimensionierung wasserbaulicher Anlagen, bei der Vorhersage von Hochwasserereignissen, oderallgemein bei der Bewirtschaftung von Wasserresourcen verwendet.

Beispiele für wasserbauliche Planungen, die hydrologische Voruntersuchungen erfordern:

6 Regenwasserableitung aus Siedlungsgebieten

6 Regenwasserrückhaltung und -behandlung in der Stadtentwässerung

6 Hochwasservorhersage

6 Hochwasserschutz

6 Wasserwirtschaft (Mengenprobleme)

6 Wasserwirtschaft (Güteprobleme)

6 Wasserkraftanlagen

6 Binnenschiffahrt

6 Be- und Entwässerung im landwirtschaftlichen Wasserbau

Elemente des Wasserkreislaufs:

6 Niederschlag

6 Versickerung

6 Grundwasserneubildung

6 Verdunstung

6 Abflußbildung

6 Abflüsse aus den natürlichen Wasserspeichern (Boden, Grundwasser)

Obwohl die Hydrologie sich überwiegend mit dem Vorkommen des Süßwassers auf derLandoberfläche beschäftigt und sich daher z.T. gegenüber der Ozeanographie (Salzwasser in denMeeren) und der Meteorologie (Wasser in der Atmosphäre) abgrenzt, kann eine vollständigeBehandlung dieser Wissenschaft nur interdisziplinär mit diesen beiden anderen Fachgebietenerfolgen. Insbesondere bei Fragen der globalen Hydrologie, die auch bei der Behandlung vonmittel- und langfristigen klimatischen Änderungen (Anm.: 100 jähriger Kalender) auftreten, kanndie Hydrologie nur unter diesem fachübergreifenden Aspekt betrieben werden.

Für die Untergrund-Komponente der Hydrologie ergeben sich weitere Verbindungen mit derBodenkunde und der Hydrogeologie, die auch die Wechselwirkungen des Wassers mit Boden-und Gesteinsmaterial beinhalten.

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1. Globale (Erd) Systeme und Kreisläufe

1.1 Konzept eines Systems

1.1.1 Bedeutung:

Durch die Einführung des Systemkonzeptes kann ein komplexes Erdmodell oder System inkleinere, einfachere Teile zerlegt werden, die einer Beschreibung eher als das ursprüngliche großeSystem zugänglich sind.

1.1.2 Arten von Systemen:

isoliertes System geschlossenes System offenes System

Austausch von weder Nur Austausch von Austausch von Materie

Materie noch Energie Energie und Energie

Abb. 1.1: Die drei Typen von Systemen (Murck et al., 1996)

Beispiele für Systeme:

Abb. 1.2: Die Erde als geschlossenes System (Murck et al., 1996)

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Abb. 1.3: Beispiel eines offenen Systems (Murck et al., 1996)

Abb.1.4: Aufteilung des Erdsystemes in vier offene Untersysteme (Murck et al., 1996)

1.1.3 Mathematische Beschreibung:

Durch sogenannte Systemfunktionen oder Übertragungsfunktionen H, die den Eingang einesSystems I mit dem Ausgang O verknüpfen:

O = H(I) (1.1)

für ein allgemeines nichtlineares System, bzw für ein lineares System (obwohl wünschenswertleider meistens in der Natur nicht der Fall, so daß häufig eine sogenannte Linearisierungdurchgeführt wird):

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O = H @ I (1.2)

oder eine systemtheoretische Darstellung

Input --------> H --------> Output (1.3)

Für ein lineares System werden die mathematischen Methoden der Systemtheorie(vornehmlich Laplace und Fourier Transformierte) angewendet.

Beispiel: Niederschlags-Abflußsystem in einem Einzugsgebiet

Das Niederschlags-Abflußsystem in einem Einzugsgebiet ist das wohl am meisten untersuchteund kleinste System. Der besondere Vorteil liegt in der klaren Definition der Systemgrenzen:

Input: Niederschlag

Output: Abfluß, gemessen im Vorfluter

Übertragungsfunktionen H: Physikalisches, hydrologische und geologische Eigenschaftendes Einzugsgebietes

Abb. 1.5:

Niederschlags-Abflußsystemin einem Einzugsgebiet (Ven te Chow et al., 1988)

Bilanz-Gleichung (Kontinuitätsgleichung) eines Systems (Energie oder Materie)

I = O + dS/dt (1.4)

mit

I = Input (Summe aller Zuflüsse) Energie (Materie) - Fluß [J/s bzw. m³/s]

O = Output (Summe aller Abflüsse) Energie (Materie) - Fluß [J/s bzw. m³/s]

S = Speicherungsvolumen Energie (Materie) [J bzw. m³]

Für stationäre Zustände (in der Hydrologie, i.a. langjährige Mittelwerte) ist dS/dt = 0.

Obige Gleichung wird für vielfältige Budget-Betrachtungen in der Hydrologie verwendet und

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kann pro Zeiteinheit (wie angegeben) oder über eine beliebige Zeitdauer integriert angewendetwerden (s. Kap. 1.2.2). Wichtig für die korrekte Anwendung dieser Formel ist die angemesseneDefinition des Systems mit seinen Grenzen, die entweder natürlicher Art oder aber auchgedanklicher Natur sein können.

1.2 Kreisläufe von Energie und Materie

1.2.1 Der Energie-Kreislauf der Erde

Bedeutung in Hydrologie, Meteorologie und Klimatologie (globale Erwärmung), sowie in derLandwirtschaft und Biologie (Lebensspender ). Erstreckt sich über die Hydrosphäre hinaus.

Bilanz-Gleichung der Energie an der Erdoberfläche:

Rn = B + H + l ET (1.6)

mit: Rn = Nettostrahlung (nach Abzug der von Atmosphäre absorbierten, und vonErdoberfläche reflektierten Strahlung)

B = Bodenwärmestrom

H = fühlbare Wärme

lET = latente Verdunstungswärme (aufgebraucht bei der Verdampfung von Wasser)

Abb. 1.6: Aufbau derAtmosphäre

(Für die Hydrologie vonBedeutung ist eigentlichnur die Troposphäre)

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Abb. 1.6a: Der globale Energie Kreislauf der Erde (Dyck und Peschke, 1995, oben)

Abb. 1.6b: Der globale Energie Kreislauf der Erde (NASA)

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Box 1.1: Der Treibhauseffekt (Quelle: http://www.dkrz.de/tdf/klima/)

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1.2. 2 Biochemische Kreisläufe

1.2.2.1 Der Sauerstoff-Kohlenstoff-Kreislauf

Bedeutung für die Photosynthese und die Respiration:

6 H2O + 6 CO2 + Sonnenenergie <====> C6H12O6 + 6 O2

wobei

====> Photosynthese (Aufbau von organischen Kohlenstoffverbindungen undSauersstoffbildung, Verbrauch von Sonnenenergie)

<====> Respiration (Als Energiespender in den Zellen, bzw beim Verbrennen,Freiwerden der Energie, Erhöhung des CO2 in der Atmosphäre)

Abb. 1.7: Der Kohlenstoffkreislauf (in Gt/a) (DKRZ)

Der CO2 -Haushalt neben seinen biologischen Aspekten von Bedeutung für das Klima der Erde

(Global Change). Der antropogene Beitrag in den 80er Jahren beträgt auf der

Quellen-Seite (+)

5,5 Gt/a : fossile Verbrennung von Öl Kohle und Gas

1,6 Gt/a : Abholzung von Wäldern

------------

Gesamt + 7,1 Gt/a

Senken Seite (-)

2 Gt/a : Aufname durch Ozeane (die große Unbekannte)

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0,5 Gt/a : Aufforsten von Wäldern (Nodrhalbkugel)

1,3 Gt/a: Erhöhte Planzendügung

----------

Gesamt - 3,8 Gt/a

===> Nettoeintrag in das Atmosphären+ Ozean system: 3,3 Gt/a (Treibhauseffekt) ( Kap. )

1.2.2.2 Der Stickstoff-Kreislauf

Stickstoff ist ein bedeutendes Element in den Aminosäuren, dem Grundbaustein der biologischenZelle, und daher essentiell für das Leben.

Abb. 1.8a:

Der Stickstoff-Kreislauf(Dyck und Peschke, 1995)

Abb. 1.8b: Der Stickstoff-Kreislauf

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1.2.2.3 Der Phosphor-Kreislauf

Phosphor ist ebenfalls ein bedeutendes Aufbau-Element in der biologischen Zelle, und als Enzymunabdingbar für die Photosynthese. Nur anorganisches Phosphat (Orthophosphat) kann von derPflanze aufgenommen werden.

Abb. 1.9: Der Phosphor-Kreislauf

1.2.2.4 Der Schwefel-Kreislauf

Der natürliche biogene Schwefel wird vorwiegend bei der anaeroben (ohne Sauerstoff) Bildungvon H2S und bei der aeroben (mit Sauerstoff) Bildung von Sulfaten frei. Ein großer Teil desSchwefels wird auch freigesetzt bei Vulkanexplosionen. Darüber hinaus werden beträchtlicheMengen durch anthropogene (s. f. Kap.) Verbrennung von fossilen Brennstoffen emittiert.

1.2.3 Anthropogen-induzierte Schadstoff-Kreisläufe

Anthropogen-induzierte Schadstoffe werden zum Teil in die oben genannten Kreisläufe desSauerstoff-Kohlenstoffs, Stickstoff, Phosphors und Schwefels eingebunden. Dadurch kann es zuStörungen des natürlichen biologischen und biochemischen Gleichgewichtes mit negativenAuswirkungen kommen.

Beispiele:

Biologische Abwässer (erhöhter BOD [biologischer Sauerstoff Bedarf] und COD[chemischer Sauerstoff Bedarf])

Nitratbelastung von Gewässern vorwiegen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten

Eutrophierung von Seen und Oberflächenwässern durch Phosphate (übermäßigesAlgenwachstum

Schwefeldioxid-Emissionen (saurer Regen)

Darüber hinaus Belastung durch

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Schwermetalle (Nicht abbaubar und daher toxische Anreicherungseffekte)

Mineralöle (BTX-Komposition)

Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) (Lösungsmittel)

Pestizide (Herbizide und Insektizide)

Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen chemischen und physikalischen Prozesse die beider Ausbreitung von Schadstoffen in einem Fließgewässer eine Rolle spielen.

Abb. 1.10: Chemische und physikalischen Prozesse die bei der Ausbreitung von Schadstoffenin einem Fließgewässer eine Rolle spielen.

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1.2.4 Der hydrologische (Wasser) Kreislauf

1.2.4.1 Komponenten des Wasser Kreislaufes

Abb. 1.12: Schematische Darstellung des Wasserkreislaufes mit seinen Komponenten(Mattheß und Ubell, 1983, Watson and Burnett, 1995 )

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Abb. 1.13: Der Wasserkreislauf

Fig. 1.14: Jährliche Wasserflüssedurch den hydrologischen Kreislauf

F i g . 1 . 1 5Wasserhaushalt derE r d e f ü r e i nm i t t l e r es Ja h r(modelliert (rot) undb e o b a c h t e t(schwarz))

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1.2.4.2 Der Wasservorrat der Erde

1.2.4.2.1 Freies Wasser

Tab. 1.1: Verteilung des Wasservorrates auf der Erde (Dyck und Peschke, 1995)

1.2.4.2.2 Geologisch gebundenes Wasser

Neben den in der Hydrosphäre freien Wasser (Tab.1.1) ist ein Großteil chemisch gebunden inMineralien, die bei der chemischen Verwitterung entstehen, z.B. bei der Hydrolyse von Feldspatzu Tonen:

2 KALSI3O8 + 9 H2O + 2 H+ -----> Al2Si2O5(OH)4 + 4 H4SiO4 + 2 K+

Ein Teil von diesem Wasser wird wieder frei bei der Entgasung von Magmen, wobei dieBindungsrate durch Verwitterung etwa gleich der Entgasungsrate ist.

Geringe Mengen von Wasser werden auch durch Sedimentationsprozesse und nachfolgendeKompaktierung freigesetzt.

1.2.4.3 Verweilzeiten des Wassers im Kreislauf

Die Verweilzeit (residence time) tR [year] des Wassers in einem einzelnen Reservoir deshydrologischen Kreislaufes ist die Zeit, bis dieses Reservoir mit dem Speicherungsvermögen S[m3] voll- oder ausgelaufen ist bei einer Zu- oder Abflußrate Q [m3/year]:

tR = S/Q (1.8)

Da die Größen Sund Q in der Praxis nicht genau bekannt, und nur Abschätzungen unterliegen, kann tR auch nur als Anhangspunkt dienen. tR variiert zwischen etwa 10 Tagen für die

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Atmosphäre und 40000 Jahre für Ozeane.

Tab. 1.3: Verweilzeiten des Wassers im Kreislauf (Mattheß und Ubell, 1983)

Erscheinungsform Verweilzeit (Jahre)

--------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ozeane 40000

Gletscher 10000

Grundwasser (Bis 4000 m Tiefe) 5000

Süßwasserseen 100

Bodenfeuchte 1

Wasserläufe 1

Atmosphärisches Wasser 0,05 - 0,1

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

1.2.4.4 Bilanzgleichungen des Kreislaufes

Die fundamentale Bilanzgleichung des Kreislaufes ist ein Spezialfall der Gleichung (1.4) undlautet mit den Komponenten der Abb. 1.11 und 1.12:

P = ET + R + ) S (1.9)

mit:

P = Niederschlag [m3]

ET = Verdunstung [m3]

R = Gebietsabfluß (sowohl ober- als auch unterirdisch) [m3]

)S = Änderung des Wasservorrates [m3]

Über längere Zeiträume die sich über ein oder mehrere Jahre erstrecken werden saisonaleVariationen von P, ET und R heraus gemittelt und man kann davon ausgehen, daß )S =0 (s. Tab.1.2). Gl. 1.9 ist in der zeit-integrierten Form geschrieben. Durch Teilung der angegebenenGrößeneinheiten durch die Fläche des betrachtenden Bilanzgebietes A ergeben sich alle Wert alsHöhen [m] (s. Übungen).

Mittels Gl. 1.9 kann man die messtechnisch schwer zu erfassende Verdunstung ET berechnen:

ET = P - R (1.10)

Die Grundgleichung (1.9) kann weiter verfeinert werden:

P = ET + Rs + I + )S (1.11)

wobei nun

Rs = der oberflächliche Abfluß [m3]

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I = die Infiltration [m3]

Weitere Bilanzgleichungen lassen sich für andere Untersysteme (z.B. Grundwasser) aufstellen,sobald die Grenzen und die möglichen Ein- und Ausflüsse in das Gebiet definiert sind.Insbesondere lassen sich mit einer solchen Bilanzierung auch Grundwasserneubildungsratenbestimmen.

Übung 1.1: Wasserbilanz für einen See

Ein See hat eine Fläche von 300 Hektar und einen Zufluß von 1 m³/s sowie einen Abfluß von 0,8 m³/s.während eines Monats wird eine Speicherungsreduktion von 5 Hektar @ m gemessen. Mit einemRegenmesser wurden während dieser Zeit 4 cm Niederschlag gemessen. Berechnen Sie dieVerdunstungsverluste des Sees unter der Annahme, daß die Infiltration vernachlässigt werden kann.

Lösung:

Qin @ dt + P @ dt = Qout @ dt + ET @ dt + dS

(hier integriert über einen Monat)

mit:

Qin = Zufluß

P = Niederschlag

Qout = Abfluß

ET =Verdunstung

S = Speicherung

Y ET = Qin + P - Qout -dS

mit Zahlenwerten:

Asee = 300 ha = 3 @ 106 m²

Qin = 1 m³/s = 2,592 @ 106 m³/Mon.

Qout = 0,8 m³/s = 2,0736 @ 106 m³/Mon.

dS = 5 ha @ m = -5 @ 104 m³/Mon.

P = 4 cm = 12 @ 104 m³/Mon.

ET = (2,592 @ 106 m³/Mon. + 12 @ 104 m³/Mon. - 2,0736 @ 106 m³/Mon.

+ 5 @ 104 m³/Mon.)/ 3 @ 106 m²

ET = 22,95 cm

Übung 1.2: Wasserbilanzierung für ein Reservoir

In einem Einzugsgebiet von 500 km2 Fläche wird der durchschnittliche jährliche Niederschlag auf 90 cmund der Oberflächenabfluß auf 33 cm geschätzt. Es soll ein Reservoir mit einer Fläche von 1700 Hektargeplant werden, das das Wasser für eine Gemeinde zur Verfügung stellen soll. Die jährlich Verdunstungim Reservoir wird auf 130 cm geschätzt. Berechnen Sie die jährliche Abflußmenge, die für die Gemeindeentnommen werden kann.

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Lösung:

Qin @ dt + P @ dt = Qout @ dt + ET @ dt + R @ dt + dS

(hier integriert über ein Jahr)

mit

Qin = Zufluß

P = Niederschlag

Qout = Abfluß

ET =Verdunstung

S = Speicherung

R = Oberflächenabfluß

Y Qout = Qin + P - ET - R - dS

mit Zahlenwerten:

AEZG = 500 km² = 500 @ 106 m

P = 90 cm/a = 450 @ 106 m³/a

R = 33 cm/a = 165 @ 106 m³/a

Ares = 1700 ha = 17 @ 106 m²

ET = 130 cm/a = 22,1 @ 106 m³/a

Qin = 0, dS = 0

Y Qout = 450 @ 106 m³/a - 165 @ 106 m³/a - 22,1 @ 106 m³/a

Qout = 262,9 @ 106 m³/a

Übung 1.3: Wasserbilanz für ein Reservoir

In einem 500 Hektar großen Reservoir fiel der Wasserspiegel während eines Monates um 50 cm, trotzWasserzuflusses von 200000 m3/d. Die Infiltrationsverluste, der Niederschlag und die Verdunstungwährend dieser Zeit werden auf 2 cm, 10,5 cm und 8,5 cm geschätzt. Wie groß war die Abflußmengewährend dieses Monats?

Lösung:

Qin @ dt + P @ dt = Qout @ dt + ET @ dt + I @ dt + dS

(hier integriert über einen Monat)

mit

Qin = Zufluß

P = Niederschlag

Qout = Abfluß

ET =Verdunstung

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I = Infiltration

S = Speicherung

Y Qout = Qin + P - I - ET - dS

mit Zahlenwerten:

Asee = 500 ha = 5 @ 106 m²

Qin = 200000 m³/d = 6 @ 106 m³/Mon.

I = 2 cm/Mon. = 1 @ 105 m³/Mon.

P = 10,5 cm/Mon. = 5,25 @ 105 m³/Mon.

ET = 8,5 cm/Mon. = 4,25 @ 105 m³/Mon.

dS = 50 cm/Mon. = -2,5 @ 106 m³/Mon.

Qout = 6 @ 106 m³/Mon. + 5,25 @ 105 m³/Mon. - 1 @ 105 m³/Mon. - 4,25 @ 105 m³/Mon.

+ 2,5 @ 106 m³/Mon.

Qout = 8,5 @ 106 m³/Mon. = 283333 m³/d

1.2.4.5 Anthropogene Einflüsse auf den Wasser-Kreislauf

Anthropogene Einflüsse des Wasser-Kreislaufes entstehen durch:

* Erhöhung von Niederschlägen durch "Impfen" von Wolken

* Verminderung der Verdunstung durch Aufbringen von Fluidfilmen auf Seen

* Urbanisierung (Verringerung der Versickerung) (===>Erhöhung des Abflusses)

* Grundwasserentnahme durch Wasserwerke oder bei Baumaßnahmen

* Landwirtschaftliche Bewässerung und Beregnung

* Unterbindung von Salzwasserintrusion durch Grundwasseranreicherung

* Grundwasseranreicherung durch Uferfiltration von Flußwasser

* Allgemeine wasserbauliche Maßnahmen

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1.2.4.6 Der Wasserkreislauf der BRD

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Wasserförderung in West-Deutschland

[Mio m3/a]

Gesamt

Grundwasser

Quellwasser

Uferfiltrat

angereichertes GW

Flußwasser

Seewasser

Talsperrenwasser

4.155

2589

385

268

477

24

139

273

100 %

62

9

6

11

1

3

6

Angaben 1979 ohne Kühlwasser

Wasserkreislauf

Niederschlag 837 mm/a

Grundwasserabfluß 259 mm/a

Verdunstung 501 mm/a

oberflächiger Abfluß 77 mm/a

Box 1.1: The International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP)

Das IGBP ist ein internantionales interdisziplionäres Forschungsprogram und Einbeziehung vonHydrologen, Meteorologen, Geographen, Ozeanographen, das sich mit den biogeochemischen Prozesseninnnerhalb der Hydrosphere und insbesondere des globalen Wasserkreislaufes befaßt. Ein größeresUnterprogram ist das

BAHC ( Biospheric Aspects of the Hydrological Cycle), welches die die Frage behandelt, wie dieVegetation mit den physikalischen Prozessen des hydrologischen Kreislaufs interagiert. DieHauptaufgabe besteht darin, mit Hilfe von Messungen und Modellen das Verständnis von Wasser- undEnergieflüssen im System Boden - Vegetation - Atmosphäre zu verbessern. Dazu sind geeigneteDatenbanken zu entwickeln, mit deren Hilfe die Wechselwirkungen beschrieben und entsprechendeModelle getestet und validiert werden können. Im Vordergrund der Untersuchungen stehenVeränderungen der Biosphäre und Rückwirkungen auf Klima und Wasserressourcen, ausgehend vonÄnderungen der Landnutzung und einer veränderten Zusammensetzung der Atmosphäre. Ein Beispiel fürsolche integrierenden, interdisziplinären Fragestellungen ist das LBA Experiment (Large ScaleBiosphere-Atmosphere Experiment in Amazonia), an dessen Entwicklung und Durchführung BAHCmassgeblich beteiligt ist. (s. auch http://www.PIK-Potsdam.DE/~bahc/ am Potsdam Institut fürKlimaforschung)