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Wir können uns nicht »verfühlen« 8 | | 9 Mehr Artikel, Ideen und Chancen im persönlichen Gespräch 445 Artikel im IdeenReich Wissenswertes Wissenswertes VON OLAF HARTMANN In einer audiovisuell überreizten Werbewelt erreichen uns täglich tau- sende Werbebotschaften, doch nur wenige davon berühren uns. Die Folge: Marken kämpfen gegen abnehmende Werbeeffizienz, mangeln- de Differenzierung und sinkende Glaubwürdigkeit. Trotzdem stechen immer wieder Kampagnen erfolgreich hervor; besonders solche, die es schaffen, eine Marke oder die Kampagnenbotschaft crossmedial zu vernetzen und in ein Objekt als Symbol zu verdichten. Expertenmeinung Hornbach beispielsweise schmiedete aus dem Stahl eines ausgedienten Panzers 7.000 Hämmer – begleitet von einer groß angelegten, multimedialen Kampagne. Innerhalb von nur drei Tagen war der 25 Euro teure Panzerstahl- Hammer ausverkauft, und in- nerhalb dieser Zeit verdoppelte Hornbach seinen Jah- resabsatz im gesamten Hammer-Sortiment. Darüber hinaus machte die Kampagne das archetypische Werk- zeug zum Hornbach-Symbol – ein Destillat der Marke: Topqualität, gewürzt mit Leidenschaft und einer Prise Wahnsinn. Warum ein einfacher Hammer eine derartig starke Werbewirkung entfaltet, liegt in der Psycholo- gie der Haptik begründet. Menschen haben eine besondere Beziehung zu Objek- ten. Schon als Baby verknüpfen wir die Dingwelt mit Emotionen und Assoziationen. Kein anderer Sinn ist so eng mit unserer emotionalen und kognitiven Ent- wicklung verbunden wie der Tastsinn. Was wir berüh- ren können, begreifen wir schneller und wir erinnern uns besser daran. Diese Effekte treten sogar auf, wenn wir uns nur vor- stellen, etwas zu berühren. Darüber hinaus ist der Tast- sinn unser Wahrheitssinn. Wir können uns verhören und versehen, aber ein “verfühlen” kennen wir nicht. Matrosen klopften einst auf die hölzernen Segelmas- ten und überprüften damit deren Stabilität für eine sichere Reise. Die Ureinwohner Amerikas betasteten die sonderbaren Wassergefährte hingegen, weil sie ihren Augen nicht trauten. Bischöfe salbten Könige und übertrugen ihnen durch das Berühren die Gnade Gottes. Ihre Macht demonstrierten die auf den Thron Erhobenen mit prunkvollen Insignien der Macht: die goldene Krone auf dem Kopf, in der Hand das schwere Zepter. Die Objekte machten ihre Autorität wahrhaftig, greifbar und damit glaubwürdig.

01 Katalogeinstiegsseiten FK16 - die6.dedie6.de/ePaper/Haptik.pdf · des Haptik-Effekts. Deshalb werden sie heute auch als „Hapticals“ bezeichnet. Hapticals erzeugen Auf-merksamkeit,

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Wir können uns nicht»verfühlen«

8| |9Mehr Artikel , Ideen und Chancen im persönlichen Gespräch445 Artikel im IdeenReich

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VON OLAF HARTMANN

In einer audiovisuell überreizten Werbewelt erreichen uns täglich tau-

sende Werbebotschaften, doch nur wenige davon berühren uns. Die

Folge: Marken kämpfen gegen abnehmende Werbeeffizienz, mangeln-

de Differenzierung und sinkende Glaubwürdigkeit. Trotzdem stechen

immer wieder Kampagnen erfolgreich hervor; besonders solche, die

es schaffen, eine Marke oder die Kampagnenbotschaft crossmedial zu

vernetzen und in ein Objekt als Symbol zu verdichten.

Expertenmeinung

Hornbach beispielsweise schmiedete aus

dem Stahl eines ausgedienten Panzers 7.000 Hämmer

– begleitet von einer groß angelegten, multimedialen

Kampagne. Innerhalb von nur drei Tagen war der 25

Euro teure Panzerstahl- Hammer ausverkauft, und in-

nerhalb dieser Zeit verdoppelte Hornbach seinen Jah-

resabsatz im gesamten Hammer-Sortiment. Darüber

hinaus machte die Kampagne das archetypische Werk-

zeug zum Hornbach-Symbol – ein Destillat der Marke:

Topqualität, gewürzt mit Leidenschaft und einer Prise

Wahnsinn. Warum ein einfacher Hammer eine derartig

starke Werbewirkung entfaltet, liegt in der Psycholo-

gie der Haptik begründet.

Menschen haben eine besondere Beziehung zu Objek-

ten. Schon als Baby verknüpfen wir die Dingwelt mit

Emotionen und Assoziationen. Kein anderer Sinn ist

so eng mit unserer emotionalen und kognitiven Ent-

wicklung verbunden wie der Tastsinn. Was wir berüh-

ren können, begreifen wir schneller und wir erinnern

uns besser daran.

Diese Effekte treten sogar auf, wenn wir uns nur vor-

stellen, etwas zu berühren. Darüber hinaus ist der Tast-

sinn unser Wahrheitssinn. Wir können uns verhören

und versehen, aber ein “verfühlen” kennen wir nicht.

Matrosen klopften einst auf die hölzernen Segelmas-

ten und überprüften damit deren Stabilität für eine

sichere Reise. Die Ureinwohner Amerikas betasteten

die sonderbaren Wassergefährte hingegen, weil sie

ihren Augen nicht trauten. Bischöfe salbten Könige

und übertrugen ihnen durch das Berühren die Gnade

Gottes. Ihre Macht demonstrierten die auf den Thron

Erhobenen mit prunkvollen Insignien der Macht: die

goldene Krone auf dem Kopf, in der Hand das schwere

Zepter. Die Objekte machten ihre Autorität wahrhaftig,

greifbar und damit glaubwürdig.

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Expertenmeinung

Olaf HartmannOlaf Hartmann gilt als einer der führenden Experten in Europa für die Nutzung der Haptik in Markenkommunikation und Verkauf (W&V). Er ist Geschäftsführer der Agentur Touchmore, Gesellschafter des Multisense Instituts für multi- sensorisches Marketing und ist zusammen mit Sebastian Haupt Autor des Marketing Bestsel-lers “Touch”.

Werbeartikel haben verschiedene psychologische

Wirkungen, die unsere Urteile über Marken und un-

ser Kaufverhalten stark beeinflussen – beispielsweise

durch den Besitztums-Effekt: Was wir in unseren Hän-

den halten und was wir berühren, das nehmen wir

psychologisch in Besitz, wodurch der subjektiv wahr-

genommene Wert schon nach 20 Sekunden längerer

Berührung um mehr als 50% steigt (Wolf et al. 2008).

Das gilt auch für die mit einem Objekt verbundene

Marke. Haptische Eigenschaften strahlen unbewusst

auf ihre wahrgenommene Qualität und Glaubwürdig-

keit ab, ganz nach dem Motto: Was sich gut anfühlt, ist

auch gut.

Die Wahrnehmungsforschung bestätigt seit einigen

Jahren das was erfolgreiche Marketing-Praktiker schon

lange wissen: Haptische Werbemedien bieten großes

Potenzial zur Differenzierung von Marken und Unter-

stützung des Verkaufs. Richtig in den Marketing-Mix

eingebettet, entfalten Werbeartikel die ganze Kraft

des Haptik-Effekts. Deshalb werden sie heute auch

als „Hapticals“ bezeichnet. Hapticals erzeugen Auf-

merksamkeit, stärken Kundenbeziehungen, verankern

Markenbotschaften im Gedächtnis, machen Nutzenver-

sprechen und Markenwerte erlebbar, erhöhen Respon-

se und Kaufbereitschaft.

Hapticals – gehirngerechte Kommunikation

Ein Haptical kommuniziert nicht nur haptisch, son-

dern immer auch optisch sowie durch seine Funktion.

Abhängig von der Kategorie sprechen Hapticals auch

weitere Sinne an: Geschmack, Geruch und Gehör. Da-

mit bedienen Hapticals perfekt die multisensorische

Arbeitsweise des Gehirns. Die Gehirnforschung zeigt,

dass mit jedem zusätzlich angesprochenen Sinn die

Nervenzellen im Gehirn zehnmal stärker feuern – die

Gehirnaktivität steigt um 1.000 Prozent. Gut beraten

ist, wer sich das zu Nutze macht.

Der Großteil der Informationen wird bei einem hapti-

schen Kontakt im impliziten System des Gehirns un-

terbewusst wahrgenommen. Dieses implizite System

– der sogenannte Autopilot – verarbeitet 11 Millionen

Bits pro Sekunde. Unser Pilot, das Bewusstsein, ver-

arbeitet dagegen nur etwa 40 Bits in der gleichen Zeit.

Bis zu 95% der Kaufentscheidungen werden im implizi-

ten System getroffen und im Nachhinein rationalisiert.

Man kann also sagen: Der Bauch entscheidet, der Kopf

rechtfertigt. Hapticals als multisensorische Markenbot-

schafter sind ein direkter Draht zum Autopiloten Ihrer

Kunden und bilden dort Markenpräferenzen aus und

unterstützen Kaufentscheidungen.

Klasse schlägt Masse

Hapticals sind echte Superkommunikatoren und Wirk-

verstärker für Ihr Marketing – richtig angewandt funk-

tionieren sie ähnlich wie eine Brausetablette, die das

Wasser im Glas sprudeln lässt.

Sie verstärken die Wirkung jeder Marketingmaßnah-

me in deren Kontext sie zum Einsatz kommen.

Wie das Eingangsbeispiel des Hornbach-Hammers

zeigt: Qualität ist Trumpf! Ein China-Hammer hätte im

Rahmen der Kampagne nicht den gleichen Effekt er-

zielt. Er hätte die Marke sogar eher beschädigt. Psycho-

logische Studien zur Kundenzufriedenheit bestätigen

diesen Grundsatz. (Rupert & Wolford, 2008) Studien-

teilnehmer erhielten als Preis in einem Gewinnspiel

entweder eine Gratis-DVD mit einem erstklassigen,

oscarprämierten Film oder einen mittelmäßigen

Streifen. Daneben gab es auch eine dritte Empfänger-

gruppe, die sich über beide DVDs freuen durfte. Die

Zufriedenheitsanalyse brachte Verblüffendes an den

Tag: erwartungsgemäß waren die Empfänger des ein-

zelnen B-Films am wenigsten beglückt. Überraschung

aber bei den beiden anderen Empfängergruppen:

Zufriedenheitsspitzenreiter war im Vergleich nicht die

doppelt bedachte Gruppe, sondern die mit nur einem

oscarprämierten Film Belohnten. Auch bei der Aus-

wahl von Hapticals sollten Sie immer berücksichtigen:

Klasse schlägt Masse!

Menschen verdichten auch heute noch

komplexe Erfahrungen und Erinnerungen

automatisch in Gegenständen – das Strand-

fundstück aus dem ersten gemeinsamen

Urlaub, die signierte Fan-Devotionalie oder

das Familienerbstück, halten Erinnerungen

wach und besitzen einen Wert, der weit über

das Materielle hinaus geht. Auch Marken,

die ihre Botschaft mit Hilfe von Gegen-

ständen vermitteln, profitieren von dieser

innigen Beziehung von Mensch und Objekt,

die psychologisch in jedem von uns tief

verankert ist.

Touch! Der Haptik-Effekt im multisen-sorischen Marketing

Drei Jahre, zwei Laptops, 609.680 Zeichen, ein Hektoliter Kaffee, 156 Studien sowie rund 500 Telefonate und Interviews mit den führenden Agenturen, Wissenschaftlern und Marketing-experten der Welt: Das sind die Zutaten von Touch! – der ersten umfassenden Wirkungsbe-schreibung der Haptik im multisensorischen Marketing.Mit Touch! begreifen Sie Marketing neu. Sie lernen, wie stark der Tastsinn unbewusst unse-re Wahrnehmung beeinflusst und wie essen-ziell die Haptik für Ihren Marketingerfolg ist. Touch! sorgt mit aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften, der Psychologie und Wahrnehmungsforschung für „Aha“-Erlebnis-se, erklärt das große Potenzial multisensori-schen Marketings und macht es systematisch anwendbar.

Touch ist erschienen im Haufe Verlag: ISBN Nr. 978-3-648-07938-6