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(03/2009) Snoopy am Times Square · Kindersatz statt Haushund Hunde in New York, das sind nur for-mal Mitglieder der Spezies Canis lu-pus familiaris, Haushund. Sie sind viel mehr:

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Snoopy am Times Square

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uuosch, das war knapp! Fast wäre es soweit gewesen: Ein Hund unterm Auto!

Nur wenige Zentimeter trennten Reg-gie, den smarten Rehpinscher, von der Rushhour auf der Fifth Avenue. Doch der kleine Rüde zuckt nicht mal. Knapp vor seiner Nase vorbeirollende Autoreifen ist er gewöhnt. Genauso wie den niemals endenden Strom ihm entgegenkommender Menschenbeine, denen er ständig ausweichen muss, wenn er selbst mal das Bein heben will. Und selbst das Warten auf dem Bahnsteig der überfüllten Untergrund-Bahn – Reggie schockt gar nichts. Er ist ein „New York-Dog“.

Kindersatz statt HaushundHunde in New York, das sind nur for-mal Mitglieder der Spezies Canis lu-pus familiaris, Haushund. Sie sind viel mehr: Schmusetier, Teddybär, Kinder-satz und Therapeut. Dafür werden sie – ganz nach dem Lebensstil ihrer Besitzer – verwöhnt: Wer auf sich hält, trägt – in den Straßenschluchten von New York pfeift ein kalter Wind – kleine Mäntelchen von „Canine Styles“, der gerade angesagten Hundeboutique auf

der Greenwich Avenue. Stammgä-sten wird gekühlte Sojasahne mit Hühnchenge-schmack serviert, Herrchen und Frauchen bekommen ein Glas Champagner. An der Kasse hundgerechte Sushipor-tionen aus Reis und magerem Hühnchenfleisch, umwickelt mit Nori-Seegras. In der nur

ein paar Straßen entfernten „Barkery“ gibt es Hundekekse aus streng kontrol-lierten Öko-Anbau.

Fünf-Sterne-Luxus für VierbeinerIm „Ritzy Canine Carriage House“ (www.ritzycanine.com), einem Re-staurant für Hunde mit täglich wech-selnder Speisekarte, wird fast aus-schließlich argentinisches Steakfleisch verarbeitet, und wer seinen Liebling über Nacht dalassen möchte, muss tief in die Tasche greifen: „Unser Haus steht einem herkömmlichen Fünf-Sterne-Hotel in nichts nach“, sagt die Besitzerin Kristina Lanza. Es gibt Suiten, einen Massageraum, ein Fit-nesszimmer … Einziger Unterschied: alle Gäste hier haben vier Beine. „Die New Yorker sind ganz verrückt nach ihren Hunden“, weiß die Hotelche-fin und zählt auf, was die Hundeliebe im „Big Apple“ sonst noch für Blüten treibt: Juweliere, die nicht nur mit Diamanten besetzte Halsbänder ferti-gen, sondern auch die dazu passenden Broschen, Ketten und Ringe für Frau-chen in der Vitrine haben. Luxusbou-

tiquen, Spas und Schönheitssalons nur für Hunde, P a r f ü m e r i e n , Indoor -Hunde -Tagesstätten und sogar Reiseun-

ternehmer, die spezielle Feriencamps für Vierbeiner anbieten, inklusive entspannender Gitarrenmusik am La-gerfeuer. Selbstverständlich gibt es ausschließlich mit Hunden arbeitende Wahrsager und Kartenleger, und bei besonders guten Kunden blättert Kri-stina Lanza auch mal in ihrem klei-nen Adressbüchlein, um bei der Suche nach einem besonders guten (oder ge-rade angesagten) Hundepsychologen zu helfen. Der letzte Schrei in der Hundeszene: Nagellack in zwölf Farb-tönen von Paul Mitchell.

Neurotische Herrchen und FrauchenOrtstermin am Central Park, kurz vor ein Uhr mittags: In einem Café treffen wir Miriah Harvey. Auch die Mittzwanzigerin hat die Hundeliebe der New Yorker zu ihrem Geschäft gemacht. Sie ist Dog-Walkerin. Eine halbe Stunde Gassi-Gehen kosten pro Hund 14 Dollar, fünf Hunde hat sie heute bereits betreut, sechs weitere warten noch auf sie. „Die Hunde hier sind neurotisch, weil ihre Besitzer neu-rotisch sind“, stellt sie lakonisch fest. Mehr Meinung erlaubt sie sich über das Thema nicht. Die Hunde und ihre Besitzer, das ist ein sensibles Thema, wer zuviel redet, ist schnell raus aus

dem Geschäft. Und schließlich könnte auch ihr Service von uns als „schräg“ angesehen werden: „Jeder meiner Kun-den bekommt von mir ein kleines Heftchen, in das ich nach dem Spa-ziergang eintrage, wen wir getroffen und mit wem wir uns für die folgenden Tage zum Spielen verabredet haben,“ sagt sie. „Wenn die Besitzer dann abends nach Hause kommen, können Sie nachlesen, was Ihr Liebling mit mir erlebt hat.“ Und weil sie zu fast allen Wohnungen auch einen eigenen Schlüssel hat, wird sie oft als eine Art Familienmitglied angesehen: „Wenn es mit dem Hund Probleme gibt, werde ich deshalb auch gerne nachts angeru-fen und um Rat gefragt.“

Mäntelchen und Parfum für EmmaGemeinsam mit Miriah holen wir Emma ab, eine wunderhübsche, be-stens frisierte und vor allem wunder-voll riechende Pekinesen-Dame – sie benutzt „Oh my Dog“, ein von einem ehemaligen Givenchy-Chemiker ent-worfener Duft. Nach einem kurzen Blick in ihren mit rund 30 Hunde-Mäntelchen gefüllten Schrank (Miriah entscheidet sich heute – in Emmas Na-men – für einen leichten und zurück-haltend mit Pelz verbrämten schwar-zen) geht‘s zurück in den Fahrstuhl und hinaus auf die Straße. Bis zum nächsten „Dogrun“ sind es nur ein paar Blocks: „Grüne Wiesen und freies He-rumtollen auf Waldboden kennen New Yorker Hunde nicht“, erklärt Maryah. Ohne Leine? „Das geht nur in den Do-gruns und an einer bestimmten Stelle im Central Park, morgens vor sieben.“ Sind New Yorker Hunde noch normal? „Nein!“, sagt Cesar Millan, Amerikas bekanntester Hundetrainer. „Unseren Hunden fehlt es nicht an Liebe, aber es fehlt ihnen an der Möglichkeit, Hund sein zu dürfen.“

Ist Deutschland viel besser?Zurück in Deutschland schalte ich den Fernseher ein. Auf einem Privatsender läuft ein Beitrag über Deutschlands

erste „Mops-Party“. Ein Frau im Dirndl gibt ein Interview, ihr Mops trägt eben-falls Dirndl. „Hupsi“ (so heißt ihr Mops) kenne Sir Henry (so heißt der Gastgeber-Mops) von gemeinsamen Mo torboot-Touren am Starnberger See. Viel Spaß hätten diese Bootstouren den beiden gemacht. Hupsi sagt gar nichts. Als ihm die Interviewerin aber das Mikro vor die Nase hält, ist leise ein langes, ein we-nig verzweifelt klingendes Seufzen zu hören. Philip Alsen

Dogwalkerin mit ihrer Kundschaft.

Philip und New York-Dogs

Unterwegs mit Pulli und Mantel

Foto

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Prada?

Chic in Schale

Puttin‘ on the Ritz!

Hi, darling!

Gassi gehen

Dogrun

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M einen Koffer hatte ich schon gepackt, mein Impfpass lag bereit, nun musste ich Frau-

chen nur noch überreden, mit mir nach New York zu fliegen. Ihre Antwort: „Nein! Das ist keine Stadt für Hunde!“ Ich bellte Protest. Frauchen war schon ein paar Mal in New York und ich kein einziges Mal. Das ist gemein! Wütend verzog ich mich in meine Schmoll-ecke. Gefühlte 120 Stunden später kam Frauchen zu mir und fragte: „Willst Du wirklich zehn Stunden eingepfercht in einer Box im Flieger sitzen? Willst Du wirklich die stickige New Yorker Luft einatmen und Dich an kurzer Leine von tausenden Beinen schubsen lassen, um dann auf einem dieser asphaltierten „Dog runs“ zu to-ben? Außerdem musst Du Dich von Kopf bis Pfote einkleiden, um in dieser Stadt überhaupt als vollwertiger Hund wahrgenommen zu werden!“ Uuups! Das hörte sich aber nicht so toll an. Ich zog mich erneut zurück – diesmal aufs Sofa, um zu überlegen.

Mopsfidel im Flieger?Zehn Stunden Flug! Auf Frauchens Schoß könnte ich das aushalten, aber als Handgepäck bin ich zehn Kilo-Kugel zu schwer. Abnehmen kommt für mich überhaupt nicht in Frage und „frauchenseelenallein“ in einer Box neben den lauten Maschinen vor mich hindarben möchte ich auf kei-nen Fall. Eine mopsfidele Reise wäre also nur in einem Privatjet oder auf einem Luxusdampfer möglich. Aber in diesen Zeiten gibt es keine Kredite von der Bank, schon gar nicht für Som-merferien. Also flitzte ich mit meinem Keks-Taschengeld zum Laden um die Ecke und füllte einen Lottoschein für Sonnabend aus.

Dicke Luft gibt es überall!Zurückgekehrt auf mein Sofa erin-nerte ich mich an Frauchens Warnung vor der stickigen Großstadtluft in New York City (NYC). Na ja, die gibt es hier in Hamburg auch. Vor allem im Sommer wird die Hoheluftchaus-

see ganz fix zur Dickeluftchaussee. Aber asphaltierte Dogruns? Hm! Eine derartige Scheußlichkeit habe ich in unserer Hansestadt nur an der Tele-mannstraße in Eimsbüttel entdeckt. Sonst haben wir hier sehr schöne Wiesen, im Verhältnis zu NYC sogar ganz schön viele. Im Niendorfer Ge-hege gibt es den herrlichen Wald, an der Elbe haben wir Sand zum Buddeln und Wasser zum Erfrischen und in der Holsteiner Schweiz können wir sogar Berge erklimmen. Auch die anderen Auslaufflächen bieten uns Natur pur. Und meistens sogar frische Luft.

Vom Stadtmops zum LandeiWas sagte Frauchen noch? An kurzer Leine von tausenden Beinen schub-sen lassen.... Nee, das ist nicht mein Ding! Ich geh zwar mal mit shoppen, aber so viele Beine sind mir bis-her erspart geblieben. Zu großen Veran-staltungen zerrt

Frauchen mich gar nicht erst hin – die mag sie selber nicht. Und wenn ich mal ganz ehrlich bin, muss ich zuge-ben, dass wir alle – also Frauchen, mein Neffe Emilo, meine Ex-Verlobte Lotte und meine Herrlichkeit – am liebsten auf dem Lande leben möchten. Da ist es nicht so voll, die Luft ist super und wir dürfen leinen- und BODlos über die Acker flitzen. Die Bauern freuen sich sogar über unsere düngenden Haufen – natürlich nicht vor ihrer Haustür, son-dern auf den Feldern.

Ed Hardy und Louis VittonUnd noch etwas meinte Frauchen: Ich müsste mich von Kopf bis Pfote einklei-den, um in NYC überhaupt als vollwer-tiger Hund wahrgenommen zu werden. Oha! In unserem Mops-Kleiderschrank fand ich Ersatzleinen und Halsbänder, ein paar Tücher, die im Sommer erfri-schend nass um unsere kaum vorhan-denen Hälse gebunden werden und Pfotenschuhe, falls sich einer von uns mal verletzt. Ganz hinten in der Ecke lag noch ein T-Shirt. Ed Hardy? Nee, es war nur ein stinknormaler geringelter Babybody, den Lotte mal nach einer OP tragen musste. So richtig schick in

Schale konnte ich mich mit dem Zeug nicht werfen. Wir besitzen nicht mal ein Louis Vitton-Täschchen. Frauchen weigert sich, uns auch nur einen Meter durch die Gegend zu tragen. Wir haben Beine und sie heißt nicht Paris Hilton. Immerhin fand ich einen Schlipps und eine Federboa – ein Outfit für Frankie-Boy und Rita.

Reeperbahn statt New YorkMeine Pläne, nach New York zu rei-sen, habe ich nach dem Lotto-Ergebnis am vergangenen Sonnabend über den Haufen geworfen. Frauchen tröstete mich: „New York ist nur für Zwei-beiner großartig! Der „king of the hill“ bist Du bereits in Hamburg. Und wenn Du in einer Stadt leben willst, die niemals schläft, dann trainiere lie-ber erstmal auf der Reeperbahn nachts um halb eins, denn if you can make it there, you ‘ll make it anywhere!“ Alberto

Mein Frauchen und mich hat es voll erwischt. Keine Angst, wir haben nicht die Schweine-Grippe. Frauchen leidet unter dem Frank Sinatra-Fieber und ich habe zwei Ohrwürmer. „I did it my way“ kann ich schon ganz gut mitbellen, aber „New York, New York“ gelingt mir um einiges besser. Da fühle ich so richtig mit. Auch ich will endlich mal in einer Stadt aufwachen, die niemals schläft. Auch ich will endlich mal ein „king of the hill“ sein und ausprobieren, ob „....if I can make it there, I´ll make it anywhere....“ wirklich stimmt.

Hamburg oder New York?

„I want to be a part of it – New York, New York!“

Hamburger Freunde

Bei uns gibt‘s Wiesen

Frankie-Boy und Rita Hayworth

Schiff ahoi?