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06. Mai 2005 Der Buddha lächelt als Computergraphik Heidelberger Studenten digitalisieren das Weltkulturerbe von Angkor Wat Der Buddha lächelt. Er hält die Augen geschlossen, während ein Halogenstrahler sein Gesicht hell erleuchtet. Das gleißende Licht braucht Philipp Struck für gute Fotos: Der Heidelberger Physikstudent lichtet den Kopf, die Kopie eines Buddhakopfes vom berühmten Bayon- Tempel in Angkor aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, von 15 Seiten ab. Der Computer bastelt hinterher ein dreidimensionales Modell daraus. Gemeinsam wollen sie die Tempelanlage in Angkor rekonstruieren: Holger Rapp, Jens Schöbel und Dr. Stefan Körkel (v.r.) vom IWR der Universität Heidelberg und ihre Kollegen vom World Monuments Fund. Foto: Dombrowski Währenddessen ist Lun Rayi, der in Phnom Penh Architektur studiert, damit beschäftigt, Baupläne der Tempelanlage von Angkor Wat einzuscannen. Seine Kommilitonen bilden eine Traube um Jens Schöbel, der an dem langen Tisch in der Bibliothek seinen Laptop aufge- klappt hat und das Programm erklärt, mit dem die Scans bearbeitet werden. Der Heidelberger Mathematikstudent arbeitet an der Visualisierung des Angkor-Geländes in Echtzeit. "Die Op- timierung von 3D-Computergrafik ist mein Spezialgebiet", erklärt der 27-Jährige. Im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt arbeiten Studenten vom Interdis- ziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, an das verschiedene Fakultäten angekoppelt sind, und Architekturstudenten der Königlichen Universität der Schönen Künste in Phnom Penh gemeinsam daran, das Weltkul- turerbe Angkor zu digitalisieren (die RNZ berichtete). Unter surrenden Ventilatoren scannen sie Baupläne, die die französischen Kolonialherren in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dieser größten Tempelanlage der Welt erstellt haben. Später werden sie am Computer zusammengesetzt. Von allen Bauplänen, die die Studenten aufgrund ihrer Größe stückweise scannen, macht Pheakdey Nguonphan zusätzlich Fotos. Die Fotos dienten dann als Vorlage, um aus den ein- zelnen Puzzleteilen das Original zu rekonstruieren. Der Kambodschaner hatte schon vor eini- ger Zeit Kopien der Pläne von Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht. Das war ein An- stoß für das Projekt, das Prof. Hans Georg Bock, Leiter des IWR, mit Gründung der Projekt- gruppe "Angkor Wat" Anfang des Jahres in Heidelberg und bei einem kurzen Besuch Ende

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06. Mai 2005

Der Buddha lächelt als Computergraphik Heidelberger Studenten digitalisieren das Weltkulturerbe von Angkor Wat

Der Buddha lächelt. Er hält die Augen geschlossen, während ein Halogenstrahler sein Gesicht hell erleuchtet. Das gleißende Licht braucht Philipp Struck für gute Fotos: Der Heidelberger Physikstudent lichtet den Kopf, die Kopie eines Buddhakopfes vom berühmten Bayon-Tempel in Angkor aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, von 15 Seiten ab. Der Computer bastelt hinterher ein dreidimensionales Modell daraus.

Gemeinsam wollen sie die Tempelanlage in Angkor rekonstruieren: Holger Rapp, Jens Schöbel und Dr. Stefan Körkel (v.r.) vom IWR der Universität Heidelberg und ihre Kollegen vom World Monuments Fund. Foto: Dombrowski

Währenddessen ist Lun Rayi, der in Phnom Penh Architektur studiert, damit beschäftigt, Baupläne der Tempelanlage von Angkor Wat einzuscannen. Seine Kommilitonen bilden eine Traube um Jens Schöbel, der an dem langen Tisch in der Bibliothek seinen Laptop aufge-klappt hat und das Programm erklärt, mit dem die Scans bearbeitet werden. Der Heidelberger Mathematikstudent arbeitet an der Visualisierung des Angkor-Geländes in Echtzeit. "Die Op-timierung von 3D-Computergrafik ist mein Spezialgebiet", erklärt der 27-Jährige.

Im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt arbeiten Studenten vom Interdis-ziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, an das verschiedene Fakultäten angekoppelt sind, und Architekturstudenten der Königlichen Universität der Schönen Künste in Phnom Penh gemeinsam daran, das Weltkul-turerbe Angkor zu digitalisieren (die RNZ berichtete). Unter surrenden Ventilatoren scannen sie Baupläne, die die französischen Kolonialherren in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dieser größten Tempelanlage der Welt erstellt haben. Später werden sie am Computer zusammengesetzt.

Von allen Bauplänen, die die Studenten aufgrund ihrer Größe stückweise scannen, macht Pheakdey Nguonphan zusätzlich Fotos. Die Fotos dienten dann als Vorlage, um aus den ein-zelnen Puzzleteilen das Original zu rekonstruieren. Der Kambodschaner hatte schon vor eini-ger Zeit Kopien der Pläne von Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht. Das war ein An-stoß für das Projekt, das Prof. Hans Georg Bock, Leiter des IWR, mit Gründung der Projekt-gruppe "Angkor Wat" Anfang des Jahres in Heidelberg und bei einem kurzen Besuch Ende

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2 Februar in Kambodscha endgültig ins Rollen brachte. Einige Tage später in Angkor sehen die Heidelberger "ihre" Tempel zum ersten Mal in Wirklichkeit. Während Philipp Struck vor al-lem Oberflächen der Tempel, einzelner Reliefs und Statuen für die 3-D-Modelle fotografiert, sammeln die anderen Studenten, was sie an Plänen und Informationen bekommen können.

Viele Ansätze für mögliche Projekte sind vor Ort entstanden. "Wir haben Ideen entwickelt, wie man virtuell ausprobieren kann, welche Köpfe zu welchen Statuen gehören", nennt der Physikstudent ein Beispiel. "Real ist das nicht möglich, weil die Köpfe zu schwer sind." Nun geht es vor allem darum, weitere interessierte Studenten und Sponsoren zu finden.

Wann sich die nächste Gruppe auf den Weg macht, sei noch nicht geplant. Bis dahin hoffen die Heidelberger auf Zuarbeit der kambodschanischen Architekturstudenten. Wenn es gelingt, alle Daten zusammenzubekommen, um Angkor virtuell darzustellen, wären die Studenten gerne im nächsten Jahr auf der Bundesausstellung über die Khmer-Kultur in Bonn dabei.

Von Katja Dombrowski

03/2005 – Juli-September 2005

Ortstermin Kambodscha, Angkor Wat „Daten, Daten, Daten“: Eine Arbeitsgruppe am IWR will die größte Tempelanlage der Welt virtuell entstehen lassen

Forschung kann ganz schön Schweiß treibend sein – vor allem in den Tropen und unter frei-em Himmel. Das erfuhr die Projektgruppe „Angkor“ der Ruprecht-Karls-Universität am eige-nen Leib, als sie ihr Forschungsobjekt im fernen Kambodscha unter die Lupe und vor die Lin-se nahm.

Das ehrgeizige Ziel der Arbeitsgruppe um Professor Hans Georg Bock, Leiter des Interdis-ziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen (IWR): die größte Tempelanlage der Welt virtuell entstehen zu lassen. Dafür scannen die Studenten in Kambodscha alle Baupläne, die sie auftreiben können: teils im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt, wo die Heidelberger mit Architekturstudenten der Königlichen Universität der Schönen Küns-te Phnom Penh zusammenarbeiten, teils bei der École Française d’Extrême-Orient in Siem Reap nahe Angkor. Später werden die Pläne am Computer zusammengesetzt. „Unser Traum ist es, alle im gleichen Format zur Verfügung zu stellen“, sagt der Physikstudent Holger Rapp.

Der zweite Teil der Exkursion führt in die Tempel selbst, Zeugen einer untergegangenen Hochkultur aus der Zeit vom 9. bis 14. Jahrhundert und Nationalstolz der Khmer. Dort foto-grafieren die Studenten Details (zum Beispiel Statuen) und Oberflächen für die Texturen der Computergrafiken. Dass eine Teilnahme an der Projektgruppe „Angkor“ mit einschließt, bei 35 Grad im Schatten auf alten Steinen herumzukraxeln, war für die Studenten allerdings nicht der Grund, sich ihr anzuschließen. „Ich habe mitgemacht, weil mich Visualisierung interes-siert“, sagt Jens Schöbel. Der Mathematikstudent will in Kürze seine Diplomarbeit im Bereich Optimierung von 3D-Computergrafik schreiben. Jetzt arbeitet er an der Echtzeit-Visualisierung des Weltkulturerbes Angkor. Holger Rapp erklärt die Motivation für seine Teilnahme so: „Ich interessiere mich seit langem für die physikalisch korrekte Visualisierung von Lichtmodellen.“ Und das Spezialgebiet seines Kommilitonen Philipp Struck ist die Fo-togrammetrie, ein Verfahren, mit dem aus Fotos dreidimensionale Darstellungen erstellt wer-

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3 den können. Doch vor dem Programmieren und Visualisieren heißt es zunächst, Rohmaterial zu beschaffen. „Wir brauchen Daten, Daten, Daten“, beschreibt Dr. Stefan Körkel, wissen-schaftlicher Mitarbeiter am IWR und Leiter der Kambodscha-Exkursion, das Hauptziel der Fernreise. Weitere Ziele sind, Ideen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel mit den Studenten vom German Apsara Conservation Project der Fachhochschule Köln, die den Heidelbergern zeigen, wie sie die Reliefs am Angkor-Wat-Tempel konservieren.

Wenn Wissenschaftler Hand anlegen: Vor dem Programmieren muss man sich ums Rohma-terial kümmern. Foto: Hollmann

Auf dem Phnom Bakheng, dem ältesten Tempel in dem 232 Quadratkilometer großen Gebiet von Angkor, treffen die Besucher aus Deutschland lediglich einige Arbeiter, die ein Gerüst aus Bambus aufbauen. Touristen kommen fast nur zum Sonnenuntergang – dann aber in Scharen. Denn von hier aus („Phnom“ ist das kambodschanische Wort für „Berg“) hat man eine herrliche Sicht über den Urwald und auf viele andere Tempel. Durch den täglichen An-sturm sieht der World Monument Fund, eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation, die in Angkor in der Erhaltung der historischen Kunst und Architektur aktiv ist, Berg und Tempel in Gefahr. Eine Restaurierung ist geplant, dafür müssen jedoch große Teile abgesperrt werden. Als kleine Entschädigung will die Organisation für die Touristen ein Computer-Terminal einrichten. Und hier soll die Heidelberger Projektgruppe ins Spiel kommen: „Der World Monument Fund will unsere grafischen Rekonstruktionen für seine Arbeit benutzen“, erzählt Dr. Stefan Körkel. „Am Computer könnten die verschiedenen Stadien des Tempelbaus und der Restaurierung anhand unserer Programme dargestellt werden.“

Ein Mitglied der Projektgruppe, Pheakdey Nguonphan, hat eine derartige virtuelle Darstellung bereits erstellt: Die berühmte Bibliothek von Angkor Wat kann dank seiner Programmierung virtuell durchschritten werden. Der Kambodschaner verbrachte einen Teil seiner Jugend in Deutschland, studierte in Phnom Penh Architektur und promoviert zurzeit in Heidelberg. Thema ist der Einsatz mathematischer Methoden der Bildverarbeitung bei der Modellierung der Angkor-Tempel. Pheakdey Nguonphan hatte schon vor einiger Zeit Kopien der Pläne von Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht – und damit einen Anstoß für das Projekt von Professor Bock gegeben.

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4 Vermutlich wird er nicht der letzte Kambodschaner an der Ruperto Carola sein. Denn wäh-rend die Heidelberger Studenten jetzt daran arbeiten, die Tempel, Pläne und Fragmente am Computer zu modellieren, bereitet Hans Georg Bock einen Besuch in umgekehrter Richtung vor: In einem zwei- bis dreimonatigen Kursprogramm sollen Studenten aus Phnom Penh mo-derne Computermethoden, Computergrafik und Datenbanksysteme lernen. Und das soll nur einer der nächsten Schritte der Kooperation „Angkor“ sein: „Es gibt viele Ansätze für an-spruchsvolle Projekte, für die die vielen Daten, die wir mitgebracht haben, genutzt werden können“, sagt Stefan Körkel mit Blick auf die Zukunft.

25.09.2005

Jahrhunderte alter Schatz der Wildnis Die Tempel von Angkor Wat in Kambodscha

Unzählige Türme recken sich in den Himmel und prunkvolle Schmuckstücke zieren Ecken und Wände. Terrassen und Pfade bilden ein verschlungenes, kaum in seiner Gänze zu erschließendes System. Das ist Angkor Wat, Kambodscha, das größte sakrale Bauwerk der Welt.

König Suryavarman II. erbaute dieses architektonische Meisterwerk in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und widmete es dem hinduistischen Gott Vishnu.

Tempelanlagen dieser Zeit waren nicht ausschließlich Kultstätten für Gläubige: Sie verdeut-lichten die indische Vorstellung der Welt. Nur hohe Priester und Könige hatten Zutritt zu den heiligen Stätten. Nach dem Tod des Königs, der einen Tempel erbaut hatte, bekam das Bau-werk die Funktion eines Mausoleums.

Lange Zeit vergessen: Die Tempelanlage Angkor Wat – Bildquelle ZDF

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5 Von unvorstellbarem Ausmaß Erst 1860 entdeckte der französische Forscher Henri Mouhot die Mauern und Türme der Tempel wieder. Lange Zeit von der Natur in Besitz genommen, bedrohten überdimensionale Baumwurzeln die beeindruckenden Bauten. Er beschrieb die 200 Quadratkilometer große An-lage monumentaler als alles, was er an antiken Stätten Griechenlands und Roms gesehen hat-te.

Unzählige Türme, Galerien, Zimmer, Portale und Höfe sind in Angkor Wat auf mehreren E-benen durch Treppen miteinander verbunden. Die verschiedenen Tageszeiten lassen die geo-metrisch angeordneten Bauwerke in unterschiedlichster Färbung und Ausstrahlung erschei-nen.

Ungezähmte Natur und faszinierende Bauten

Der Kosmos als Bauwerk Angkor Wat ist die exakte Nachbildung des Universums, wie es in der hinduistischen Mytho-logie beschrieben wird. Umgeben ist die Tempelanlage von Wassergräben, die das Urmeer symbolisieren. Gräben und Galerien stehen für die Gebirgsketten und die Türme für den Sitz der Götter.

Bedingt durch die politische Lage in Kambodscha, war es, auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, kaum möglich Restaurationsarbeiten vorzunehmen. Heute sind unterschiedliche Organisationen mit der Erhaltung von Angkor Wat beschäftigt.

Florina Starzacher

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,2346524,00.html

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09/2005

Datenjäger im Dschungeltempel Eine Chance für Angkor Wat

Allen Klischees zum Trotz greifen Heidelberger Wissenschaftler nicht zur Ma-chete, sondern zur Digitalkamera, wenn sie sich zu den Tempeln der alten Stadt Angkor im kambodschanischen Urwald aufmachen. Die Informatiker vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) sind auch nicht in archäologischer Mission unterwegs: Sie wollen vielmehr die größte Tempelanlage der Welt virtuell erstehen lassen.

Modell der Anlage von Angkor Wat

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7 Hinter dem Projekt steht eine neue Kooperation mit der Royal University in Phnom Penh, in deren Rahmen Hans Georg Bock, Direktor des IWR, ein Netzwerk „Wissenschaftliches Rechnen“ in Südostasien mit aufbaut. Das auf den ersten Blick verwunderliche Zusammen-spiel von Architektur und Computersimulation soll einen wichtigen Beitrag liefern, die vom Verfall bedrohten Tempel zu schützen und teilweise auch zu restaurieren.

Für die kambodschanischen Partner bedeutet die Zusammenarbeit nicht nur den Austausch von Know-How, wissenschaftliche Simulationsmethoden auf der einen Seite sowie architek-tonische und kulturelle Expertise auf der anderen. Studenten aus dem fernen Land können ü-ber Kursprogramme die Universität Heidelberg besuchen und für ihre Universität in Phnom Penh erschließt sich eine Reihe von Themen, die dort in Doktorarbeiten der Informatik in An-griff genommen werden können.

Die Bemühungen der Angkor Projektgruppe verlangen von den Beteiligten nicht nur viel Zeit an Heidelberger Computern ab, die für das Verarbeiten der gesammelten Daten nötig ist. Vor Ort müssen die Informationen für die Computersimulationen akribisch zusammengetragen werden und die Digitalkamera leistet dabei wichtige Dienste.

Ein erstes Ergebnis gibt es schon zu sehen: Als „Bibliothek“ ist der Tempel bekannt, den das Heidelberger Team virtuell neu hat erstehen lassen. Der Rundflug am PC-Bildschirm um und durch das Gebäude gibt nicht nur Touristen einen Eindruck der spektakulären Architektur des alten Kulturvolks der Khmer.

16.12.2006

„Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“

Lächelnde Buddhas aus dem Dschungel

Rund 140 Steinplastiken, Bronzefiguren, Holzskulpturen, Silberarbeiten und Malereien aus dem Khmer-Reich sind bei der Kambodscha-Ausstellung zu sehen © J. Gollings

Angkor-Wat ist eine gewaltige Tempelwelt im Dschungel Kambodschas. In ei-ner faszinierenden Ausstellung erweckt die Bonner Bundeskunsthalle ein altes Reich von Göttern und fremden Königen sowie die Pracht einer einzigartigen Kultur zum Leben.

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8 In sich ruhende, lächelnde Buddha-Figuren oder elegante Göttinnen, die Büffeldämonen be-siegen, symbolisieren eine mythische Religion und Geschichte, die noch immer nicht ganz er-schlossen ist. Die Ausstellung, die von Bundespräsidenten Horst Köhler und dem kambod-schanischen König Norodom Sihamoni eröffnet wurde, gibt erstmals in Deutschland einen umfassenden Einblick in die glanzvolle Epoche des Khmer-Reiches und das Weltkulturerbe Angkor-Wat. Die weitläufige Anlage gilt als größter Tempelbau und größtes religiöses Bau-werk der Erde.

Insgesamt fast 150 Exponate, die zumeist aus dem kambodschanischen Nationalmuseum in Phnom Penh stammen, zeugen von einer tiefen Symbiose von Architektur und Religion und einer sakralen Götterwelt, die stark von Indien beeinflusst wurde. In Steinstatuen, überlebens-großen Kultskulpturen und Bronzefiguren wird die Verehrung von Gottheiten deutlich. Relie-fierte Türstürze mit figürlichen Darstellungen zeigen, wie kunstfertig die Khmer im Detail ar-beiteten. In originalgroßen Fotofriesen und Gipsabgüssen sind typische Flachreliefs mit der Darstellung epischer Legenden zu bewundern, mit denen die umlaufenden Galerien des Ang-kor-Wat geschmückt wurden.

Das Khmer-Reich erlebte seinen Höhepunkt zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert. In dieser Epoche wurden zumeist auch die Tempelanlagen errichtet. Angkor war das magisch-religiöse Zentrum eines mächtigen Reiches, das sich weit ins heutige Thailand, Vietnam und Laos er-streckte und in Südostasien dominierte.

Die frühesten überlieferten Werke der Khmer stammen aus dem 6. und 7. Jahrhundert nach Christus. Der indische Einfluss mit Buddhismus und Brahmanismus (Hinduismus) hatte sich in der gesamten Region ausgebreitet. Die Skulpturen der Götter stehen in der Tradition indi-scher Mythologie, haben aber einen unverwechselbaren eigenen Stil. Details wie Frisuren, Schmuck oder Gegenstände kennzeichnen ihre Wesen. Je mehr Köpfe und Arme die Götter haben, desto besser vermögen sie Aufgaben zu erledigen.

Der Besucher wird in die Schau geführt mit den Schöpfungsmythen. Die Götter Brahma, Vishnu und Shiva stehen für die drei kosmischen Fähigkeiten: Erschaffung, Beschützen und das Zerstören der Welt. Das so genannte Linga steht in seiner abstrakten Phallus-Form für die Schöpferkraft. Von Vishnu ist ein gewaltiges Bronzebildnis mit feinen Gesichtszügen zu be-staunen – es gilt als eine der größten Schätze der Khmer-Kunst.

„Gesichtertürme“ mit dem berühmten Lächeln Angkors Angor-Wat, von dem ein großes Holzmodell aufgebaut ist, wurde im 12. Jahrhundert aus Sandsteinen errichtet. Die Bauten sind buddhistischen Idealen wie Mitgefühl und Weisheit verpflichtet, was besonders in den typischen „Gesichtertürmen“ sichtbar wird. Das berühmte Lächeln Angkors ist auf zahlreichen Figuren von Buddhas und Erleuchteten zu sehen.

Die Herrscher ließen die Tempel nicht nur als Ausdruck ihrer Macht bauen, sie wollten auch ihre eigene Vergöttlichung nach ihrem Tod sichern. Unter dem buddhistischen König Jaya-varman VII. (1181-1220) erlebte Angkor eine letzte große Blütezeit. Von ihm ist ein Porträt-kopf aus poliertem Sandstein zu sehen. Im 15. Jahrhundert wurde Angkor dann von den Khmer-Königen verlassen, die wieder in den östlichen Landesteil zurückkehrten.

Tausende Besucher ziehen durch das frühere Sperrgebiet Lange Zeit blieben das Land und die Tempelanlagen – sie sind heute das Wahrzeichen Kam-bodschas und schmücken auch die Landesflagge – wegen der inneren politischen Wirren für Besucher aus dem Ausland verschlossen. Nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer ist seit den neunziger Jahren das Land auch für Touristen wieder zugänglich. Inzwischen ziehen jeden Tag Tausende Besucher durch die verwitterten Tempelbauten. Sie sind weiter von Ver-fall bedroht – auch durch den noch ungeregelten Besucherstrom. Kunstraub gilt inzwischen als gestoppt.

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9 „Wir wissen noch nicht alles über das Khmer-Reich“, sagte Kuratorin Wibke Lobo. „Fast alle Informationen kommen von Inschriften.“ Die Ausstellung wolle auch deutlich machen, wie das Erbe nachwirke. „Durch die Jahrhunderte steht Angkor bis heute auch für die nationale Identität und das Selbstverständnis der Khmer.“

Die Schau „Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“ in der Bundeskunsthalle in Bonn ist bis

zum 9. April 2007 zu sehen.

Edgar Bauer/dpa

29.12.2005

Angkor Wat/Kambodscha

Achtung, Tempelkoller inklusive Kambodscha? Klingt das, als sei es weit weg? Ist es aber nicht. Wer nach Thai-land zum Sonnen fliegt, der schafft es auch ganz leicht, schnell mal in Kambod-scha vorbeizuschauen. Wir warnen nur vor dem Tempelkoller.

Von FOCUS-Online-Redakteurin Tinga Horny

Der Abstecher von Bangkok nach Siem Reap lohnt sich. Angkor Wat, Angkor Thom und all die anderen Tempelanlagen warten hier, und sie können süchtig machen. Das gilt nicht nur für ambitionierte Bildungsbürger, die am liebsten jeden Tempelstein persönlich kennen lernen würden.

Nein, die Tempelruinen von Angkor faszinieren auch jene, die gewöhnlich um Museen und Relikte der Kunst einen großen Bogen machen. Denn Angkor Wat und seine benachbarten Anlagen bieten das, was man ganz selten findet und vor allem spürt: den Zauber der Vergäng-lichkeit.

Angkor Wat: Wahrzeichen von Kambodscha

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10 Von Größenwahn und Naturgewalt

Man stelle sich vor: Mitten im Urwald zwischen dem Phnom-Kulen-Gebirge und dem Tonle-Sap-See ließen sich rund zwei Dutzend Khmer-Gott-Könige Tempel und Städte errichten. Das geschah zwischen dem 9. bis 13. Jahrhundert aus einer Mischung von Größenwahn und Eitel-keit, wie man das auch aus anderen Kulturen und Religionen so kennt. Das Faszinierende aber ist, dass diese Tempelanlagen jahrhundertelang in Vergessenheit gerieten.Nach dem Unter-gang der Khmer im 15. Jahrhundert griff die Natur nach den verlassenen Bauwerken. Die Wurzeln der Kapok-Bäume krochen durch die Ritzen der Mauern, wurden größer und spreng-ten sie. Das Wurzelwerk der Würgefeigen umschlang die haushoch übereinander geschichte-ten Steinquader mit riesigen Krakenarmen und ließ über sie seine meterdicken- und hohen Baumstämme wachsen. Unerbitterlich überwucherte der Dschungel alles, was ihm keinen Widerstand bot.

Erst im 19. Jahrhundert wurden die Ruinen aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Der Na-turwissenschaftler Henri Mouhot stieß 1860 auf die im Urwald versunkenen Ruinen. Seitdem zählt Angkor Wat zu den Wundern dieser Welt.

20. Februar 2007

Tempel und ihre Besucher Wissenschaftler des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rech-nen der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg rekonstruieren schwer beschä-digte Tempel im kambodschanischen Angkor – Simulation von Besucherströ-men, um die Tempel bestmöglich zugängig zu machen.

Mit der Rekonstruktion alter, verfallener Tempel ist die Arbeit oftmals nicht getan, schließlich sollen die kulturellen Schätze in geeigneter Weise auch der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. So wie in den kambodschanischen Tempelanlagen von Angkor, die seit mehreren Jahrzehnten von verschiedensten Arbeitsgruppen restauriert werden. Eine Gruppe von Stu-denten des Interdisziplinären Zentrums für wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg um Professor Hans Georg Bock beschäftigt sich dabei mit der Rekonstruktion der teilweise schwer beschädigten Tempel. Hierbei arbeiten sie mit Architek-turstudenten der Royal University of Fine Arts and Architecture (RUFA) in Phnom Penh zu-sammen, um einzelne Tempel nicht nur am Computer neu erstehen zu lassen.

„Woran sind die Besucher von Angkor interessiert?“, fragt sich Dr. Michael Winckler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen Teil von Angkor, nämlich die Tempelanlage Preah Khan, in deren zu erneuerndem Besucherzentrum den Touristen näher zu bringen. Dafür ist es sicherlich notwendig einen Überblick über den gesamten Tempel, dessen Name so viel bedeu-tet wie Großes Schwert, zu geben. Gleichzeitig möchten die Besucher vielleicht einzelne De-tails wie etwa die zahlreichen Verzierungen an den Mauern kennen lernen und schließlich soll alles so eindrucksvoll präsentiert werden, dass man zu Hause etwas zu erzählen hat. Keine leichte Aufgabe und deshalb arbeiten die Heidelberger Wissenschaftler bei diesem Projekt mit dem World Monument Fund zusammen, der vor allem für die Finanzierung des Projektes sorgt.

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Angkor Wat ist der größte und bekannteste Tempel Kambodschas und für Touristen und Einheimische gleichermaßen Anziehungspunkt. Bild: Philipp Struck

Eine Aufgabe der Heidelberger Wissenschaftler wird es sein, ein Modell von Preah Khan zu erstellen und zwar ein Gipsmodell, das den heutigen Zustand der noch erhaltenen Tempel wiedergibt. Das Gipsmodell wird aber keineswegs mit der Hand angefertigt, sondern maschi-nell und hierzu werden die Daten aus dem Rechner benötigt. Die Maschine trägt dann Schicht für Schicht Gips auf und erreicht dabei eine Genauigkeit von einem Zehntel Millimeter, so dass selbst feinere Strukturen in dem Modell im Maßstab 1 zu 120 sichtbar werden. Wichtig ist dieses Modell, da nur Teile des Tempels überhaupt begehbar sind und der Besucher zwi-schen den aufragenden Tempelruinen keinen Gesamteindruck des Bauwerks bekommen kann.

Das Erstellen eines Gipsmodells ist natürlich keineswegs eine Aufgabe, wofür die Wissen-schaftler des IWR notwendig wären. Doch die Problematik liegt hier im wahrsten Sinne im Detail. Die Gebäude des Preah Khan sind nämlich derart komplex aufgebaut, beispielsweise mit feinsten Verzierungen an den Wänden, dass dieser Detailreichtum die Rechenleistung ei-nes Computers schnell übersteigen würde. Folglich wäre das Betrachten einer 3-dimensionalen Darstellung der Tempelanlage am Bildschirm in Echtzeit nicht möglich, son-dern es würde wohl einige Minuten benötigen, wollte man sich den Tempel aus einer neuen Blickrichtung am Computer anschauen.

„Deshalb arbeiten wir an einem Programm, das je nach gewähltem Maßstab eine feinere oder gröbere Auflösung wählt“, erläutert Michael Winckler. So ist es bei einer Übersichtsdarstel-lung natürlich nicht notwendig auch das kleinste Detail zu berücksichtigen, denn das erscheint möglicherweise gar nicht auf dem Bildschirm, wird aber vom Computer mit berechnet. Als Entscheidungskriterium, ob eine Verzierung an einer Säule weggelassen werden kann, dient dabei, wie viele Pixel sich verändern, wenn das Detail nicht mehr berücksichtigt wird. Verän-dern sich nur wenige Pixel, so kann das Detail entfernt werden. Wird das Bild dagegen ver-größert, so müssen die Details gegebenenfalls wieder erscheinen. Auch für das Gipsmodell ist diese Arbeit sehr wichtig, denn bei der sehr feinen Auflösung von einem Zehntel Millimeter, lässt sich zwar noch sehr vieles detailgenau darstellen, doch für den Betrachter mag dies eher verwirrend sein.

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12 Eine weitere Aufgabe der Wissenschaftler am IWR wird das Lenken von Besucherströmen sein. So sitzt beispielsweise der Tempel Phnom Bakheng auf einem Hügel, von dem aus ein herrlicher Sonnenuntergang zu beobachten ist. Daher drängeln sich in den Abendstunden mehrere tausend Touristen auf den zwei schmalen Zugangswegen, mit den entsprechenden Problemen bei gleichzeitigem Hin- und Rückweg. Lässt sich das Besucherverhalten bei-spielsweise durch das Errichten eines Informationszentrums so lenken, dass einer der beiden Wege vorwiegend als Hin-, der andere dagegen als Rückweg benutzt wird? Hierzu erstellen die kambodschanischen Studenten die Geländemodelle, die Simulation wird dann in Heidel-berg gemacht.

Diese Art der Arbeitsteilung beruht vor allem auf der bisher sehr ungenügenden technischen Ausstattung der kambodschanischen Universitäten. So wäre ohne die Unterstützung durch die Gottlieb-Daimler- und Carl-Benz-Stiftung in Ladenburg selbst die Internetanbindung der RUFA nicht möglich gewesen, was für die gemeinsamen Projekte jedoch unentbehrlich ist. Die Aktivitäten des IWR in Südostasien sind aber sehr vielfältig und so ist allmählich ein Netzwerk mit Universitäten aus Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha entstanden, wo-durch die kambodschanischen Studenten wohl in Zukunft beispielsweise die Computer an der Universität von Hanoi mitbenutzen können.

Stefan Zeeh

03.05.2007 STUDIOZEIT • AUS KULTUR- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN

Tempel der Könige und Götter Deutsche Wissenschaftler restaurieren die antike Hauptstadt der Khmer

Von Barbara Weber

Sie gehören zum herausragenden Kulturerbe der Menschheit: Kambodschas Tempelanlagen zeugen mit ihrer Größe und Kunstfertigkeit von Macht und Glanz des Königreiches der Khmer, das seine Blüte zwischen dem 9. bis 13. Jahrhundert erlebte. Auch deutsche Wissenschaftler widmen sich der Dokumen-tation und Restauration von Reliefs und Steinskulpturen.

Wenn man zum ersten Mal davor steht ... – Überwältigend. – Diese Dimensionen wirklich di-rekt zu erfassen, dadurch zu gehen, diese Ausgestaltung zu sehen, das ist absolut großartig. – Angkor selber ... hat über 400 Quadratkilometer mit über hundert einzelnen Tempeln. – Selbst als Kambodschaner kann man das gar nicht vorstellen, wenn man das sieht. – Es ist einfach beeindruckend. Vor allem, wenn man Satellitenaufnahmen sieht, und diese schiere Dimension überhaupt mal überblickt. – Das ist einfach gigantisch.

„Für jemanden, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, ist es schwierig, sich ein so wil-des und baufälliges Durcheinander von Leben und Verwesung, von zügellosem Grün, im Krieg mit einem unbeweglichen grauen Tod vorzustellen. Trotzdem erlangt der Stein durch diesen Kampf eine Art Leben, da er zwischen zwei Feuern gefangen ist. Zweige bäumen sich auf- und abwärts, um die Ruinen zu zerstören, wodurch die Architektur, genötigt an dieser Schlacht teilzunehmen, eine unvergleichliche Dynamik, im Gegensatz zu ihrer statischen Aufgabe, annimmt.“ (Sir Osbert Sitwell, Schriftsteller, 1939)

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13 „Es ist nicht notwendig, Kleidung zu tragen. Da Reis leicht zu haben, Frauen leicht zu überre-den, Häuser leicht zu bauen, Möbel leicht zu machen und Handel leicht zu treiben ist, gibt es viele Seefahrer, die sich hier niedergelassen haben.“ (Chou-Takuan, chinesischer Diplomat, 13. Jahrhundert)

Als das Reich der alten Khmer auf seinem Zenit stand, blühte der Handel. Handwerk und Kunst befruchteten sich und entfalteten eine schöpferische Pracht.

Fast 500 Jahre herrschten Gottkönige auf dem Thron der Khmer, führten blutige Schlachten und regierten ein Reich, das in seiner Hochzeit große Teile des heutigen Laos im Norden, Re-gionen Thailands im Westen, die Küste von Südvietnam und ein paar kleine Handelsstaaten an der malaysischen Halbinsel umfasste.

Nur durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das drei Reisernten im Jahr erbrachte, konnten diese Menschenmassen ernährt werden. Es gab eine Armee, eine Provinzverwaltung und einen Gerichtshof. Es bildete sich eine Hochzivilisation, wie sie zu dieser Zeit nirgendwo sonst auf der Welt existierte.

Die Klosteranlage Angkor Wat in Kambodscha (Bild: AP Archiv)

Alles, was von dieser Hochkultur überliefert ist, sind steinerne Zeugnisse ihrer Tempel, weder Wohnhäuser, noch Paläste, weder Markthallen noch andere öffentliche Gebäude. Auf über 400 Quadratkilometern finden sich in Angkor Tempel und heilige Gemäuer. Der größte, Ang-kor Wat, hat in etwa das Volumen der Cheops Pyramide. Er ist völlig freigelegt und von ei-nem künstlichen See umgeben.

Andere Tempel wie der Ta Phrom, vermitteln heute noch den Anblick, der sich dem französi-schen Abenteurer Mohout bot, als er Mitte des 18. Jahrhunderts Angkor entdeckte: ein Gewirr aus Dschungel und Stein.

Es gibt kaum schriftliche Quellen, die nähere Auskunft über das religiöse und das profane Leben der alten Khmer geben. Bei den Inschriften an den Tempelwänden handelt es sich letzt-endlich um Widmungen oder einfache Erklärungen der Grundfunktion der Tempel. Auf den Reliefs geben sie Hinweise über die gezeigten Personen.

Das Alltagsleben erschließt sich zum Teil aus den Reliefs am Bayon Tempel. Die haben Prof. Hans Leisen von der Fachhochschule Köln und seine Frau Dr. Esther von Plehwe-Leisen ge-nau studiert:

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14 „Da wird alles mögliche dargestellt: Geburt, Hahnenkämpfe, was auch heutzutage ein sehr be-liebter Volkssport ist. Es wird die Fischerei dargestellt; es wird das Kochen dargestellt oder die Begleitung von Kriegszügen, also die Marketenderinnen usw. usw.“

Das monumentale Rundrelief, an den Außenmauern angebracht, umschließt einen Tempel imponierenden Ausmaßes: verschachtelte Galerien, filigrane Flachreliefs und ein Chaos an verwinkelten, dunklen Räumen wechseln einander ab. Am beeindruckendsten sind wohl die etwa 200 gewaltigen Gesichter mit ihrem zu Stein erstarrten Lächeln, die von 54 Türmen in je eine von vier Himmelsrichtungen blicken.

Der Bayon-Tempel stammt aus dem 12.Jahrhundert. Sein Erbauer weihte ihn zunächst dem Buddhismus. Die hinduistischen Symbole der Vorgänger negierte der König keinesfalls son-dern integrierte sie in das Baukonzept.

Als rein hinduistischer Tempel wurde Angkor Wat rund 50 Jahre vorher errichtet. Die unge-heure Größe und durchdachte Geometrie der Architektur sowie die fein gestalteten Details des größten sakralen Bauwerks auf der Erde lassen auf einen mächtigen Herrscher schließen. Hans Leisen:

„Es ist primär zunächst mal der Staatstempel. Es ist einfach auch der Punkt, wo der Gottkö-nig, es ist ja ein Gottkönigtum, der Gottkönig residiert sozusagen bzw. zum Beten hingeht, der Tempel, der der Gottheit Vishnu geweiht war, wo er dann auch beerdigt wird und so in Einheit mit der Gottheit lebt.“

Dargestellt wird das hinduistische Universum ...

„ ... mit ganz oben dem zentralen Heiligtum, dem heiligen Berg Meru, ... dieses Heiligtum ist eben von fünf weiteren Türmen umgeben und Galeriebauten in verschiedensten Ebenen nach unten, in Angkor Wat sind es insgesamt vier Ebenen, die nun die Bergketten um ... den Berg Meru symbolisieren und das Ganze dann noch umgeben in Angkor Wat durch einen 190 m breiten Wassergraben, das Urmeer. Es ist im Prinzip aufgebaut wie ein Mandala und stellt letztendlich das hinduistische Universum dar.“

Suryavarman II. erbaute das Monument zu Beginn des 12. Jahrhunderts und bestimmte es zu seinem Grabmal. Als Stadt in einer Stadt bot Angkor Wat 20.000 Menschen Raum. Das Uni-versum wurde so nachgestellt, wie es in der hinduistischen Mythologie beschrieben ist.

Von außen betrachtet erscheint die Anlage wie eine undefinierbare Steinmasse; genauere Be-obachter erkennen die durchdachte Architektur, bestehend aus Gängen, Zimmern, Innenhöfen und Türmen. Die 800 Meter langen Flachreliefs, die das Innengebäude umlaufen, zählen zu den längsten der Welt. Dargestellt werden die großen hinduistischen Mythen, zum Beispiel der hinduistische Olymp mit all seinen Göttern.

Neben diesem phantastischen Bildprogramm an der Außenwand des Tempels gibt es Darstel-lungen weiblicher Gottheiten, die so genannten Apsaras. Bei seinem ersten Besuch vor zwölf Jahren erschienen Hans Leisen die Außenreliefs verglichen mit den Apsaras in noch so gutem Zustand, dass er zunächst beschloss, die zahlreichen figürlichen Darstellungen zu restaurieren. Die waren nämlich über die Jahrhunderte zum Teil unwiederbringlich zerstört. Allein in Ang-kor Wat gibt es 1.850 Apsaras.

„Wir versuchen die Gesteinsoberfläche dort, wo sie bildhaft bearbeitet ist, zu konservieren, das heißt den Status quo, so wie er sich jetzt darstellt, einfach zu stabilisieren und zu erhalten, die Verwitterung hinauszuzögern. Das ist eine Sysiphusarbeit, das ist ein Kampf gegen die Mächte, die wir nicht beeinflussen können. Die Verwitterung dort ist hauptsächlich natürlich bedingt: es ist das Wetter, das Wasser, der Regen, es ist die Temperatur natürlich, und das in Kombination mit dem Steinmaterial, das dort verwendet worden ist.“

Unter Leitung von Prof. Hans Leisen versucht das Team des German Apsara Conservation Projects, diesen Zerfall aufzuhalten. Das Ausmaß der Schäden lässt sich bei oberflächlicher Betrachtung kaum feststellen. Deshalb müssen diverse Tests durchgeführt werden. Site Ma-

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15 nager vor Ort ist Long Nary, der als Restaurator die Arbeiten an dem Projekt in Angkor Wat beaufsichtigt.

„Jetzt sind wir auf dem Dach von Angkor Wat III auf einem Gerüst, 10 Meter über dem Dach. Ich möchte noch einmal demonstrieren, was wir hier machen, anhand einer Karte, die die Er-gebnisse unserer Arbeit zeigt.“

Die Karte, die Long Nary entfaltet, zeigt Ultraschallaufnahmen von der gegenüberliegenden Wand. Sie analysiert den Grad der Zerstörung der Figuren. Ein weiterer Test kann das de-monstrieren:

„Der Stein klingt an der Stufe nicht besonders gut. Oberflächlich betrachtet sieht der Zustand des Steins gut aus, aber wenn Sie klopfen, hören Sie den Hohlraum. So müssen wir etwas tun, damit die Stufe nicht herunterfällt und die Behandlung beginnen.“

Die Restauratoren fürchten die so genannte Schalenbildung. Nach außen strahlt die Tänzerin noch ihr anmutiges Lächeln, innerlich schon losgelöst vom Untergrund. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie fällt und nackten Stein zurücklässt.

„In der Spritze ist siliziumhaltiger Konservierungsstoff. Wir nutzen das Material, um den schwachen Stein zu festigen. Wir benutzen eine Spritze mit Skala, um genau zu sehen, wie viel Milliliter an Material wir unterspritzen müssen, so können wir genau feststellen, wie viel Konservierungsstoff wir brauchen, um den Stein zu festigen.“

Inzwischen ist das kambodschanische Team auf über 20 Fachleute vor Ort angewachsen. Ne-ben den fast abgeschlossenen Arbeiten an den Apsaras warten weitere Aufgaben auf die Res-tauratoren:

Im Moment ist sicher einer der Schwerpunkte diese großen Reliefs an den Giebeln. Der Status Quo ist so, dass wir mittlerweile ein sehr gutes und ausgereiftes Konservierungskonzept ha-ben, was auch umgesetzt wird und auch umgesetzt wird von einem ausgesprochen gut ausge-bildeten und sehr talentierten kambodschanischen Team ... weil man jetzt über die große Er-fahrung von zehn Jahren verfügt.

Prof. Leisen verfolgt das Ziel, das Projekt soweit zu emanzipieren, dass es ohne finanzielle Unterstützung des Auswärtigen Amtes bestehen kann. Die Chancen sind gut. Die kambod-schanische Denkmalbehörde hat jetzt die ersten jungen Restauratoren eingestellt, die in Ang-kor Wat mit deutscher Unterstützung ihr Metier gelernt haben.

Eine Aufgabe der kambodschanischen Denkmalbehörde ist neben der Restauration der histo-rischen Stätten die Organisation der Touristen, denn Angkor entwickelt sich immer mehr zum Publikumsmagneten.

Hilfe bekommt sie dabei von der Universität Heidelberg. Das Interdisziplinäre Zentrum für wissenschaftliches Rechnen entwickelt Modelle, wie Besucherströme möglichst ohne Scha-den anzurichten, durch die Denkmäler geleitet werden könnten.

Doch die Erfassung von Touristenströmen ist nur ein Teilbereich des Projektes – meint Dr. Michael Winkler, Leiter der Angkor-Projektgruppe – und erklärt, wie die Wissenschaftler das machen. Zunächst gilt es nämlich, die Tempel geometrisch zu erfassen.

„Wir versuchen also, möglichst exakte Modelle dieser Tempel herzustellen im Computer, und auf Basis dieser Geometrie-Modelle dann weitere Modellierungen dann hinzuzufügen, die aus dem wissenschaftlichen Rechnen stammen.“

Dabei ist die Größe der Tempel ein Problem...

„ ... denn die Größe bedeutet gleichzeitig, dass es sehr viel Arbeit ist und Aufwand, einen Tempel komplett zu erfassen. Die Arbeiten, die Pheakdey zum Beispiel macht, versucht das zu reduzieren und uns die Möglichkeit zu geben, selbst große Tempel in erträglicher Zeit zu rekonstruieren. Danach ist es meine Aufgabe, Projekte auszuwählen, die man auf Basis dieser

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16 geometrischen Modelle betreiben kann, also zum Beispiel kann man von einem Tempel, den wir haben, den wir ja schon rekonstruiert haben, den Phom Bakheng, an diesem Tempel ver-suchen wir, Touristensimulationen zu machen. Das heißt, wir haben die Geometrie des Tem-pels, und jetzt wollen wir wissen, wie bewegen sich Touristen innerhalb dieses Tempelkom-plexes, und wie kann man das Zusammenspiel von Touristen, die dort etwas sehen wollen von Rekonstruktionsarbeiten, die geschützt werden müssen, ... wie kann man das alles zusammen-bringen und vielleicht schützenswerte Teile des Tempels so abgrenzen, dass die länger erhal-ten bleiben.“

Michael Winkler arbeitet im Team von Prof. Hans-Georg Bock. Der Wissenschaftler ist Di-rektor des Interdisziplinären Zentrums an der Universität Heidelberg. Die Idee zu dem Ang-kor-Projekt basiert auf zwei Wurzeln, meint der Wissenschaftler. Die eine war natürlich die Faszination und der Blick des Mathematikers dafür, woran es fehlt bei den Restaurationsar-beiten:

„Die andere Ebene war, zusammen zu arbeiten mit den Kollegen an der Royal University of Fine Arts, denn Kambodscha ist ein Land, in dem sich die Universitäten sehr schwer tun, auch von ihren Standards her, auch von ihren Beziehungen her, Beziehungen in die allgemeine wissenschaftliche Gemeinschaft zu knüpfen. Deswegen war das zweite Anliegen, ein Projekt auf den Weg zu bringen, was den Studenten und auch den Dozenten der Royal University of Fine Arts helfen würde, mit uns zu kooperieren hier in Heidelberg. Und das ist eine der faszi-nierendsten Aspekte an unserer Kooperation, dass da Studenten aus Heidelberg und Studenten aus Kambodscha, aus Phnom Penh miteinander kooperieren.“

Unterstützt durch die UNESCO, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und weitere Drittmittel, können junge Wissenschaftler an der Universität Heidelberg zum Beispiel ihre Promotion beenden, so wie der eben schon erwähnte Diplom-Architekt Pheakdey Ngu-onphan:

„(Bei) meine(r) Forschung handelt es sich um einen bestimmten Tempeltyp, und zwar Angkor Wat Stil Tempel. Diese Tempel haben einen bestimmten architektonischen Aufbau, der im Bereich Computerrekonstruktion sehr schwierig ist. Und ich beschäftige mich genau an den Elementen, die solche Schwierigkeiten haben, um mit mathematischen Modellen und der Er-fahrung als kambodschanischer Architekt, Khmer-Kunst hinzuzufügen und das zu rekon-struieren.“

Auf dem Gelände von Angkor zeugen die unterschiedlichen Tempelanlagen von den ver-schiedenen Epochen, in denen sie gebaut wurden. Doch alle Tempel einer Epoche weisen immer wieder kehrende Elemente auf. Kennen die Wissenschaftler diese stilistischen Elemen-te, können sie fehlende Elemente an einem anderen Tempel rekonstruieren. Bei Hunderten von Tempeln in Kambodscha ist es unmöglich, dies mit Hilfe von Zeichnungen zu bewerk-stelligen.

Dr. Susanne Krömker, Leiterin der Computergrafik am Interdisziplinären Zentrum für wis-senschaftliches Rechnen, zeigt ein weiteres Beispiel:

„Das ist ein Prototyp für ein virtuelles Museum. Man kann also tatsächlich hier einen Raum betreten, wo verschiedene Objekte ausgestellt sind und durch einen einfachen Doppelklick bekomme ich dieses eine Objekt tatsächlich jetzt dreidimensional präsentiert, kann also da hinan zoomen und mir Details anschauen, bekomme Informationen zusätzlich eingeblendet ...“

... wie bei der Skulptur eines Elefantengottes aus dem Nationalmuseum Kambodscha in Phnom Penh, der in der Angkor-Ausstellung in Berlin zu sehen ist. Mit einigen Doppelklicks hat Susanne Krömker die Figur auf den Bildschirm gebracht:

„Beispielsweise den Ganésa hier, das ist der elefantenrüsselige Gott, der auch für das Begin-nen von Projekten auch für die Wissenschaft schlechthin steht, der ist also auch als Skulptur vor der Royal University of Fine Arts aufgestellt und insofern haben wir den natürlich auch in

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17 unser virtuelles Museum integriert, um hier deutlich zu machen, das ist ein neues Experimen-tierfeld, das wir angegangen sind. ...“

Mit Hilfe der Maustaste dreht die Wissenschaftlerin das Objekt, so dass alle Seiten begutach-tet werden können:

„ ... und man kann ihn wirklich auch mal von unterwärts sehen, was sie in einem Museum niemals machen könnten. Die Skulptur also so zu drehen und in die Hand zu nehmen wie es eine Vitrine nie zulassen würde.“

... und Prof. Bock ergänzt:

„Wir haben ja diese Datenbank- und Archivsystem für das Nationalmuseum entwickelt, und sie können jetzt diese Skulptur mit den kompletten Daten, die im elektronischen Archiv vor-handen sind, verknüpfen. Das Ganze bezieht sich natürlich nicht nur auf Touristen oder Inte-ressierte an der Kunst und Kultur der Kambodschaner sondern es ist auch hilfreich, um über-haupt den Museumskollegen vor Ort zu helfen. Wenn sie nur an das Conservoirtoire d'Angkor denken, in dem Tausende von Skulpturen auch für die Profis kaum zugänglich aufgehoben sind, sie können all das natürlich virtuell ohne Probleme begehen, und zwar an jedem Stand-ort der Welt.“

So können die Wissenschaftler virtuell entstehen lassen, was vor fast 600 Jahren zerstört wur-de:

„Den Untergang des alten Khmer-Reiches besiegeln die Thai 1430 durch den Vormarsch ihrer Truppen. Sie nehmen Angkor ein und plündern es. Der Sohn des siegreichen Thai-Herrschers bemächtigt sich des Throns.“

Doch dem äußeren Untergang war ein innerer vorausgegangen. Das lässt sich an der nachlas-senden Baukunst nachvollziehen. Die gewaltige Anzahl gleichzeitiger Bauprojekte erforderte immer mehr Steinmaterial. Steinbrucharbeiter und Transporteure konnten den Anforderungen vermutlich kaum noch Schritt halten. Ältere Tempel mussten jetzt als Steinbrüche herhalten. Die Steinmetzarbeiten wurden nicht mehr so sorgfältig wie in früheren Zeiten ausgeführt.

Die vordringenden Thai entreißen den Khmer Stück für Stück ihr Land. Das komplexe Sys-tem der Wasserverteilung mit den vielen Schleusen und Kanälen verfällt. Als 1431 die Haupt-stadt Angkor Thom aufgegeben wird, ist die Stadt fast zugepflastert mit Tempeln. Von nun an ergreift der Dschungel Besitz von dem Ort. Was von ihm übrig bleibt, beschreibt Mitte des 16. Jahrhunderts Joao dos Santos:

Und in dieser ganzen riesigen Stadt gab es weder Menschen noch Tiere, noch irgendwelche Lebewesen außer solchen, wie sie die Natur in den Spalten der Ruinen hervorbringt.

Hinweis: Die Arbeit der deutschen Wissenschaftler vor Ort in Kambodscha wird ab Samstag, den 5. Mai, im Martin Gropius Bau in Berlin im Rahmen einer großen Angkor-Ausstellung dokumentiert.

© 2007 Deutschlandradio

13.08.2007

ANGKOR

Forscher entdecken Ruinen riesiger Dschungel-Metropole Von Markus Becker

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18 Die Siedlung um die berühmte Tempelanlage Angkor Wat war offenbar viel größer als bisher bekannt. Forscher haben die Region in Kambodscha zu Fuß, per Flugzeug und Satellit erfasst – und eine versunkene Anlage von den Ausma-ßen New Yorks entdeckt: die wohl größte vorindustrielle Stadt der Welt.

Wer Angkor sagt und nicht zufällig Archäologe ist, meint in der Regel Angkor Wat – jene be-rühmte Tempelanlage, welche die Khmer vermutlich vor knapp 900 Jahren in den Dschungel Kambodschas gebaut haben. Doch in der Region Angkor gibt es mehr. Viel mehr, als selbst Experten bisher vermutet haben.

„Seit mehr als 100 Jahren hat sich die Wissenschaft auf die gewaltigen Sandstein-Tempelan-lagen und ihre Inschriften konzentriert“, sagt Damian Evans von der University of Sydney in Australien. „Wo und wie die Menschen dort gelebt haben, wollte niemand herausfinden – oder konnte es nicht wegen der vielen Jahre der Gewalt.“

Angkor heute: Forscher vermuten, dass der exzessive Reisanbau der Grund für den Untergang der mittelalterlichen Metropole war Google Earth / TerraMetrics / DigitalGlobe

Riesenstadt des Reisüberflusses Erst seit dem Ende des Schreckensregimes der Roten Khmer in den neunziger Jahren ist die systematische Erforschung von Angkor halbwegs sicher, und Evans hat die Zeit gemeinsam mit seinem Team genutzt. Denn was die Forscher jetzt im Fachblatt „Proceedings of the Nati-onal Academy of Sciences“ veröffentlichen, ist ein atemberaubendes Zeugnis einer längst ver-gangenen Zeit. Ihrer neuen Karte zufolge haben sich in der Gegend von Angkor Wat keines-wegs nur verstreute Tempel befunden – sondern eine gewaltige hydraulische Stadt mit einer Fläche von mehr als 1.000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: New York City ist rund 1.200, ohne seine Wasserflächen weniger als 800 Quadratkilometer groß. Berlin hat eine Fläche von knapp 900 Quadratkilometern.

Damit ist „Groß-Angkor“ die mit Abstand gewaltigste vorindustrielle Siedlung der Welt, schreiben Evans und seine Kollegen. Selbst die riesigen Städte der Maya nehmen sich dage-

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19 gen winzig aus: Tikal, die größte bisher genau vermessene unter ihnen, bringt es auf höchs-tens 150 Quadratkilometer.

Das „Greater Angkor Project“ (GAP) mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frank-reich hat laut Evans nun auch die alte Annahme bestätigt, dass Angkor zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert eine hydraulische Stadt war. Der französische Forscher Bernard-Philippe Groslier hat Angkor seit den fünfziger Jahren erforscht und die Theorie eines riesigen Sied-lungskomplexes aufgestellt, der dank eines komplizierten Bewässerungssystems mehr als eine Million Menschen beherbergt habe. Dieses System habe die Riesenstadt, die sich auf mehrere Zentren verteilte, ernährt, definiert – und schließlich auch untergehen lassen.

Das ausgedehnte Bewässerungsnetz aus Flüssen, Kanälen und Stauseen hat die mittelalterli-chen Khmer der neuen Studie zufolge in die Lage versetzt, mehrmals im Jahr Reis zu ernten. Das verschaffte den Bewohnern Angkors nicht nur volle Teller, sondern auch komfortable Überschüsse, die zu einem enormen Reichtum führten. Das Khmer-Reich konnte seine Macht ausweiten, insbesondere während der Regierungszeit Königs Suryavarman II., dem auch der Bau der Tempelanlage Angkor Wat zugeschrieben wird.

Die GAP-Forscher haben nun anhand von Bodenvermessungen, mit Hilfe von Ultraleicht-flugzeugen und Radarsatelliten der US-Raumfahrtbehörde Nasa mehr als 1.000 künstlich an-gelegte Seen und mindestens 74 bisher unbekannte Tempel entdeckt. „Unsere neue Karte zeigt erstmals, dass Angkor keine Ansammlung verstreuter Tempel war“, erklärt Evans ge-genüber SPIEGEL ONLINE. „Es war ein durchgehendes, verflochtenes städtisches Netzwerk, das etwa zehnmal so groß ist wie alles, was bisher aus der antiken Welt gefunden wurde.“

Die Karte zeige auch, dass die Größe vormoderner Siedlungen nicht wie allgemein ange-nommen einfach anhand ihrer Stadtmauern definiert werden könne. Angkor Wat und die an-grenzende ummauerte Stadt Angkor Thom seien zwar besonders dicht besiedelt gewesen. „Aber wir sehen auch, dass Angkor nicht an den Stadtmauern endete, sondern ein riesiges Ge-flecht aus landwirtschaftlichen und besiedelten Flächen war und sich praktisch ohne Unter-brechung über mindestens 1.000 Quadratkilometer erstreckte“, sagt Evans. Auf dieser Fläche gebe es kaum einen Quadratkilometer, der nicht verändert und genutzt worden sei.

Die neuen Daten widerlegen laut Evans auch die Annahme, dass das Bewässerungsnetz nicht dazu geeignet war, den Reisanbau zu intensivieren. „Alle großen Stauseen haben Zu- und Ab-flüsse, es gibt Verteilerkanäle, und jede einzelne Wasserquelle der Region wurde intensiv und rücksichtslos ausgebeutet.“

„Immer komplexer und unkontrollierbarer“ Das habe vermutlich auch zum Untergang Angkors geführt. "Die Reiswirtschaft in Angkor hatte einen extremen Wasserbedarf", sagt Evans. Große Waldflächen seien gerodet worden, um die bewässerten Felder anzulegen. Das System habe derartige Ausmaße besessen, dass es mit der Zeit wahrscheinlich zu massiven Problemen führte – wie etwa zum Auslaugen des Oberbodens, zu Erosion und Überbevölkerung. Das empfindliche und komplexe System dürf-te außerdem äußerst empfindlich auf Naturkatastrophen und Kriege reagiert haben.

Insbesondere im neu erfassten Norden Angkors habe man Spuren von hektischen Anpas-sungsmaßnahmen, Deichbrüchen und einem Versagen des Systems gefunden, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Fachartikel. „Das legt nahe, dass das System über eine Zeit von mehreren Jahrhunderten immer komplexer und unkontrollierbarer wurde.“

Genaueres wisse man aber nicht. Evans kündigt an: „Wir werden Ausgrabungen und Pollen-Analysen durchführen.“ Jetzt, da man die Siedlungsfläche beziffern könne, seien bald auch bessere Annahmen über die Bevölkerungszahl im mittelalterlichen Angkor möglich – „anstatt wilder Vermutungen über eine Million Menschen“. Die neue Karte verrate „zumindest, wo wir nach Antworten suchen sollten“.

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14.08.2007

Archäologie

Angkor Wat war einst städtisch besiedelt Um die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha herum hat ein internationa-les Forscherteam die größte vorindustrielle Siedlung der Welt entdeckt. Radar-messungen der Nasa zeigten: Die Besiedlung um Angkor Wat erstreckte sich über gut 3.000 Quadratkilometer.

Die Ruinen aus der Zeit vom 9. bis 16. Jahrhundert waren über ein komplexes Bewässerungs-system miteinander verbunden. Dies berichtet das Archäologenteam um Damian Evans von der Universität Sydney in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaf-ten (PNAS). Mithilfe von Radarmessungen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA ge-lang es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen zu erstellen.

Kambodschas Tempel Angkor Wat einst Zentrum städtischer Besiedlung - und größer als gedacht Foto: dpa

Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des Monsuns und seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, führten die Forscher weiter aus. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen Spuren von mehr als tausend künstlich angelegten kleinen Seen und wenigstens 74 zuvor ü-bersehene Tempel.

Die Anlagen von Angkor Wat, die im 12. Jahrhundert vermutlich unter der Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk der Erde und als einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die UNESCO hat die Ruinen 1992 zum Weltkultur-erbe erklärt. Sie liegen 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.Das Team mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich trug für das Projekt jahrelang Da-

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21 ten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen und Radarmessun-gen mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien) zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte von der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ rund um den Tempel Angkor Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten vorerst nicht zu.

dpa/hem

14.08.2007

Archäologie

Ruinen rings um Angkor Wat Um den berühmten kambodschanischen Tempel Angkor Wat herum haben For-scher eine riesige Siedlung mit einer Fläche von über 1.000 Quadratkilometern entdeckt.

Wissenschaftler haben rings um die Tempelanlage Angkor Wat ein riesiges Areal mit Ruinen gefun-den

Das Archäologenteam um Damian Evans von der Universität Sydney veröffentlichte ihre Entdeckung in der aktuellen Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift „Proceedings of the

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22 National Academy of Sciences“ (PNAS). Ein komplexes Bewässerungssystem habe die Rui-nen aus der Zeit vom neunten bis 16. Jahrhundert verbunden. Mithilfe von Radarmessungen der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa gelang es den Forschern, eine Karte dieser Sied-lungen zu erstellen.

74 übersehene Tempel und über tausend Seen Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des Monsuns und seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, so die Forscher. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen Spuren von mehr als tausend künstlich angelegten kleinen Seen und wenigstens 74 zuvor übersehene Tempel. Die Anlagen von Angkor Wat, die im zwölften Jahrhundert vermutlich unter der Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk der Erde und als einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die Unesco hat die Ruinen 1992 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegen rund 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.

Größte vorindustrielle Siedlung der Welt Das Team mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich trug für das Projekt jah-relang Daten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen und Ra-darmessungen mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa und des Jet Pro-pulsion Laboratory in Pasadena/Kalifornien zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ rund um den Tempel Angkor Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten vorerst nicht zu.

14.08.2007

Größte vorindustrielle Siedlung der Welt

Angkor hatte die Fläche von Berlin Die berühmte Tempelanlage von Angkor Wat in Kambodscha war einst von ei-ner deutlich größeren Stadt umgeben als bisher angenommen. Die Siedlung habe sich über mehr als 1.000 Quadratkilometer erstreckt, berichteten australische Forscher. Die Erkenntnisse verdanken sie Radaraufnahmen aus dem All.

Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Singapur

Die Tempelanlagen von Angkor Wat im Norden Kambodschas gehörten offenbar einst zu ei-ner riesigen Stadt, einer der größten Siedlungen des 13., 14. und 15. Jahrhunderts. Australi-sche Forscher haben mit Weltraum-Radargeräten eine weitgehend genaue Karte von Angkor Wat angefertigt und ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „American Journal of the Na-tional Academy of Sciences“ veröffentlicht. In mehr als 15-jähriger Arbeit haben die Archäo-logen herausgefunden, dass die auf einer Fläche von mehr als 1.000 Quadratkilometern ver-streuten Tempel einst ein geschlossenes Siedlungsgebiet bildeten.

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23 „Angkor war ein geschlossenes Siedlungsgebiet“

Zwischen den vielen Tempeln hätten sich einst Siedlungen befunden, sagte Damian Evans, der stellvertretende Leiter des Angkor-Forschungsprojekts: „Angkor war weniger eine An-sammlung verstreuter Tempelanlagen sondern vielmehr ein geschlossenes Siedlungsgebiet. Außerhalb der Tempel konnten wir Wohngebiete nachweisen, Gruppen von Häusern. In die-sen Siedlungen gab es auch kleine so genannte Dorf-Tempel. Außerdem fanden wir alte Brunnen und Wasserauffangbecken, mit denen Regenwasser aufgefangen wurde oder Flüsse und Bäche aus den Bergen abgeleitet wurden.“

Die berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha Foto: dpa

Genaue Karte aus dem Weltraum

Mit Hochauflösungs-Kameras der Nasa und mit Spezial-Radargeräten haben die Wissen-schaftler aus Sydney gemeinsam mit kambodschanischen und französischen Kollegen eine genaue Karte der damaligen Stadt Angkor erstellt. Ihre Ausdehnung war danach vergleichbar der Fläche Berlins. Sie sei nur nicht so dicht besiedelt gewesen: „Im Wesentlichen haben wir über die großen Sandstein-Tempel hinaus geblickt, um uns ein umfangreicheres Bild von dem zu machen, was man heute als Angkor Wat kennt. Uns hat interessiert, wie die Menschen dort gelebt haben, wovon sie gelebt haben und wie ihr tägliches Leben ausgesehen haben mag“, berichtet Evans.

Bei ihren Arbeiten im Norden Kambodschas haben die Archäologen 74 weitere Tempel in der Region entdeckt. Es seien aber wahrscheinlich noch viel mehr im Dschungel versteckt. „Das waren nur die, die wir sofort als Tempel erkennen konnten“, so Evans. „Es gibt dort wahr-scheinlich noch mehr als 100 weitere, aber das müssen wir noch einmal genau überprüfen.“

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Die Anlagen von Angkor Wat – eine Aufnahme der Nasa Foto: AFP

Ruinen erst Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ruinen der tief im Dschungel liegenden Tempel von Angkor entdeckt, als der französische Naturforscher und Zeichner Henri Mahout die heu-tigen Länder Kambodscha, Thailand und Laos erkundete. 1863 wurden in der französischen Zeitschrift „Le Tour du Monde“ erstmals Bilder von dem Atlantis im Dschungel veröffent-licht.

Bis heute sind ganze Tempel, wie zum Beispiel Angkor Thom von riesigen Bäumen überwu-chert und ein großer Teil der Kunstschätze, Skulpturen und Reliefs sind seit der Entdeckung von Angkor Wat verloren gegangen, vor allem durch Kunsträuber, die die Kulturgüter außer Landes schafften und an Sammler in aller Welt verkauften. 1992 wurde Angkor Wat in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

B. Musch-Borowska, ARD Singapur

24.12.2007

Die neuen Gesichter der alten Götter Auf Stippvisite beim Langzeitprojekt GACP in Angkor Wat Einheimische nennen ihn bewundernd den »Chef von Angkor Wat«: Dr. Hans Leisen, Professor am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissen-

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25 schaften der Fachhochschule Köln. Vor zehn Jahren hat Hans Leisen das Ger-man Apsara Conservation Project (GACP) initiiert. Die Kanzlerin der FH, Dr. Gisela Nagel, zieht nach ihrem Besuch in Kambodscha Bilanz

Sendungen im Fernsehen, eine Ausstellung in Bonn und im Martin-Gropiusbau in Berlin, zahlreiche Zeitungsartikel und Interviews: das German Apsara Conservation Project genießt seit seiner Gründung vor zehn Jahren viel Aufmerksamkeit. Höchste Zeit also, nach Kambod-scha zu fliegen und sich die weltberühmte Tempelanlage Angkor Wat (1113 – 1150) und die Projektarbeiten vor Ort persönlich anzusehen.

Verfallene Tempel im Urwald, Götterstatuen und riesige Würgefeigen – das waren die Bilder, die ich zu Beginn meiner Reise im Kopf hatte. Die Geschichte und Kultur des Khmer-Volkes wurde mir dann aber erst über die fachkundigen Führungen vor Ort und die Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung nähergebracht. Auch die unterschiedlichen Facetten des Projekts und die Schwierigkeiten bei der Projektarbeit hätte ich so nie am »grünen Tisch« kennen ler-nen können.

Prof. Hans Leisen (rechts) erklärt Kanzlerin Dr. Gisela Nagel die vielen Facetten des seit zehn Jahre laufenden Projekts

Der größte Teil der finanziellen Förderung erfolgt durch das Auswärtige Amt unter dem Ge-sichtspunkt »Kulturerhalt«. GACP beinhaltet aber noch wesentlich mehr Aspekte. Da wäre natürlich an erster Stelle die internationale Forschung zu nennen. Wissenschaftliche Untersu-chungen führten und führen zu Erkenntnissen über die Bausteineigenschaften, die Klimabe-dingungen am Tempel, die schädigenden Einflüsse sowie das Schadensausmaß und ermög-lichten es, besondere Konservierungsmaterialien für den Tempel und seine Gesteine zu entwi-ckeln. Konservierung und Pflege erfolgen seitdem auf der Grundlage dieser Forschungser-gebnisse. Alles wird sorgfältig dokumentiert und in Datenbanken gespeichert.

Aber auch Ausbildung und Lehre haben einen hohen Stellenwert. Vor Ort sind Theorie und Praxis ideal verknüpft. Ausgebildet werden sowohl kambodschanische Restauratoren (inzwi-schen 23) für die Konservierungsarbeiten als auch Studierende für die Planung; hinzu kom-men Computerspezialisten für die Dokumentationen. Bereits über 70 Studierende konnten im Rahmen von Praxissemestern und Diplomarbeiten von der Projektarbeit profitieren. Zwei Studentinnen unserer Hochschule, die seit sechs Monaten in Kambodscha sind, habe ich per-sönlich kennengelernt. Mit großer Energie und Freude arbeiten sie zusammen mit dem

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26 Khmer-Team auf den Gerüsten am Tempel – bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit si-cher keine einfache Arbeit. Schwindelfrei sollte man auch noch sein.

Leidiges Thema Finanzierung Die Arbeiten an den Reliefs und Steinfiguren müssen zurzeit in einer gewissen Höhe enden. Um auch oberhalb davon arbeiten zu können, werden spezielle Gerüste benötigt, für deren Anschaffung (Kosten ca. 150.000 € ) leider das Geld fehlt. Das ist umso bedauerlicher, wenn man sieht, mit welchen High-Tech-Gerüsten beispielsweise das japanische Team am Nach-bartempel ausgestattet ist. Vielleicht lässt sich doch noch ein Sponsor finden.

Geldsorgen binden sehr viel Energie. Starke Nerven, Humor und Einfallsreichtum sind un-umgänglich, wenn ein Projekt über so viele Jahre hinweg stabil gehalten werden soll. Um die Unterkunftskosten gerade auch für die Studenten möglichst niedrig zu halten, wurde ein klei-nes Haus mitten in Siem Reap angemietet. Das Logo der Fachhochschule ist gut sichtbar auf einer Tafel vor dem Eingang angebracht.

Fast 30 Arbeitsplätze für Einheimische hat Hans Leisen geschaffen, obwohl das Jährlichkeits-prinzip der finanziellen Förderung durch das Auswärtige Amt die Planung der laufenden Ge-hälter nicht einfach macht. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn dieses gut ausgebildete Restauratorenteam vor Auslaufen der Projektförderung in die kambodschanische Behörde in-tegriert würde.

Die in Stand gesetzten Statuen in den Tempeln werden von den Khmer wieder genutzt

Mit der Koordination der Arbeiten auf der größten Restaurierungsbaustelle der Welt hat die kambodschanische Regierung jedoch Mühe. Mehr als 100 größere Tempel verteilen sich über eine Fläche von rund 400 Quadratkilometern. Viele nationale und internationale Arbeitsgrup-pen arbeiten gemeinsam mit der UNESCO und der Apsara-Behörde am Erhalt dieser 1992 zum Weltkulturerbe erklärten Denkmäler. Nur durch diese Arbeiten konnte sich der Touris-mus im Land entwickeln und die Wirtschaft in Schwung kommen.

Gefördert wird auch das Image der Fachhochschule Köln. Das lässt sich allein an der Zahl der Gäste im GACP-Haus und der Besucher im neuen Info-Center am Tempel ablesen. Noch kei-ne Woche im Amt kündigte sich bereits der neue deutsche Botschafter für einen Besuch bei Hans Leisen an. Abgeordnete aus Berlin, der Direktor des Victoria & Albert-Museums Lon-don, Kollegen anderer Unis und demnächst auch die Frau des Bundespräsidenten: sie alle in-teressieren sich für die Restaurierungsarbeiten in Angkor.

Mit den restaurierten Gottheiten und Statuen kam auch die Khmer-Bevölkerung in die Tem-pelanlagen zurück. Zahlreiche Statuen sind geschmückt, kleine Opfergaben werden darge-bracht, Räucherstäbchen angezündet. Ich bin richtig stolz auf den Beitrag unserer Hochschule zur Kulturförderung. So etwas gelingt aber auch nur, wenn man mit der nötigen Sensibilität, Respekt und einer großen Begeisterung für das Land, die Menschen und deren Kultur vor-

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27 geht. Der Chef von Angkor Wat besitzt all diese Eigenschaften. Es ist zu wünschen, dass sei-ne Energie der Hochschule noch lange erhalten bleibt.

Dr. Gisela Nagel