4
Blitz, Donner, Schnürlregen OPEL LEGENDÄR. Zwischen hinreißenden Coupés und glaubwürdiger Oberklasse: Opel schwang sich in den Sechzigern und Siebzigern zu erstklassiger Ware auf. Sport und Volksnähe prägten eine Mission, die sich später in bedenkliche Irrwege verästeln sollte. VON STEFAN SCHLÖGL FOTOS: WERK, ARCHIV Bleib bei mir Problem-Barde Roy Black konnte mit seinem 68er-Hit „Bleib bei mir“ nur den im gleichen Jahr erschienenen Opel GT gemeint haben. Bottle-Shape-Design, Wille zum Sport (zumindest in der 1,9-Liter-Version mit 90 PS) und Potenzbeule machten den Zweisitzer zu einem der It-Cars der Szene. Opel war drauf und dran, mit dem auch in den USA hocherfolgreichen Zweisitzer einen echten Imagewandel hinzulegen. Doch verschärſte US- Sicherheitsvorschriſten (und eine zu starke Konkurrenz für die Corvette, wie Opelianer munkeln) zogen dem GT 1973 den Stecker. Auf ewig schade. O pel. Das ist die Geschichte eines Autoherstellers, der lange nicht Autohersteller werden wollte. Gründungszweck der 1862 in Rüsselsheim von Adam Opel eingetragenen Firma war die Produktion von Nähmaschinen, erst ab 1886 baute man auch Fahr- räder – und stieg rasch zu einem der größten Produzen- ten auf. Erst 1897 hatte man mit dem Opel-Patentmotor- wagen die eigentliche Bestimmung gefunden, die Bestseller wie den Opel 4 PS „Laubfrosch“ (1924) hervorbrachte. 1928 war Opel größter Autohersteller Deutschlands, eine Erfolgsstory, die die Weltwirtschaſtskrise jäh beendete. Bis 1931 musste die Gründer- familie ihre Anteile an General Motors verkaufen. 1935 nahm man, wieder konsolidiert, mit dem günstigen P4 den „kleinen Mann“ ins Visier, doch der hatte ab 1939 eher andere Sorgen. Erst 1947 erhob sich Opel aus der Asche des Zweiten Welt- kriegs und lieferte fortan passgenaue Ware für die Wirt- schaſtswunder-Generation. Und die wollte konservative Werte ohne technische Sperenzchen zum kleinen Preis. Fortan mobilisierte der Kadett ab 1962 Baby-Boomer und den kleinen Landadel, die neue Mittelschicht er- probte am Rekord und dem barocken Kapitän die Auf- steigerattitüde. Nach oben plafonierten Admiral und der gravi- tätische Diplomat V8. Abseits des gepflegten Biedersinns ent- wickelten die Rüsselsheimer jedoch ab Mitte der 1960er einen erstaunlichen Spürsinn für die Bedürfnisse der Jugend: Der Manta, diverse Energie-Kadetts und der Calibra demokratisier- ten den Sport und bescherten Opel bis Ende der 1980er herauf blendende Verkaufszahlen und die Heydays der Marke. Adam Opel 98 autorevue 2/09 ZEITMASCHINEN

0902098 Legendäre Opel

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Autorevue Feature Legendäre Opel Stefan Schlögl

Citation preview

Blitz, Donner, SchnürlregenOPEL LEGENDÄR. Zwischen hinreißenden Coupés und glaubwürdiger Oberklasse:

Opel schwang sich in den Sechzigern und Siebzigern zu erstklassiger Ware auf. Sport und Volksnähe prägten eine Mission, die sich später in bedenkliche Irrwege verästeln sollte.

V O N S T E F A N S C H L Ö G L F O T O S : W E R K , A R C H I V

Bleib bei mirProblem-Barde Roy Black konnte mit seinem 68er-Hit „Bleib bei mir“ nur den im gleichen Jahr erschienenen Opel GT gemeint haben. Bottle-Shape-Design, Wille zum Sport (zumindest in der 1,9-Liter-Version mit 90 PS) und Potenzbeule machten den Zweisitzer zu einem der It-Cars der Szene. Opel war drauf und dran, mit dem auch in den USA hocherfolgreichen Zweisitzer einen echten Imagewandel hinzulegen. Doch verschärft e US- Sicherheitsvorschrift en (und eine zu starke Konkurrenz für die Corvette, wie Opelianer munkeln) zogen dem GT 1973 den Stecker. Auf ewig schade.

Opel. Das ist die Geschichte eines Autoherstellers, der lange nicht Autohersteller werden wollte. Gründungszweck der 1862 in Rüsselsheim von

Adam Opel eingetragenen Firma war die Produktion von Nähmaschinen, erst ab 1886 baute man auch Fahr-räder – und stieg rasch zu einem der größten Produzen-ten auf. Erst 1897 hatte man mit dem Opel-Patentmotor-wagen die eigentliche Bestimmung gefunden, die Bestseller wie den Opel 4 PS „Laubfrosch“ (1924) hervorbrachte. 1928 war Opel größter Autohersteller Deutschlands, eine Erfolgsstory, die die Weltwirtschaft skrise jäh beendete. Bis 1931 musste die Gründer-familie ihre Anteile an General Motors verkaufen. 1935 nahm man, wieder konsolidiert, mit dem günstigen P4 den „kleinen Mann“ ins Visier, doch der hatte ab 1939 eher andere Sorgen. Erst

1947 erhob sich Opel aus der Asche des Zweiten Welt-kriegs und lieferte fortan passgenaue Ware für die Wirt-schaft swunder-Generation. Und die wollte konservative Werte ohne technische Sperenzchen zum kleinen Preis.

Fortan mobilisierte der Kadett ab 1962 Baby-Boomer und den kleinen Landadel, die neue Mittelschicht er-probte am Rekord und dem barocken Kapitän die Auf-

steigerattitüde. Nach oben plafonierten Admiral und der gravi-tätische Diplomat V8. Abseits des gepfl egten Biedersinns ent-wickel ten die Rüsselsheimer jedoch ab Mitte der 1960er einen erstaunlichen Spürsinn für die Bedürfnisse der Jugend: Der Manta, diverse Energie-Kadetts und der Calibra demokratisier-ten den Sport und bescherten Opel bis Ende der 1980er herauf blendende Verkaufszahlen und die Heydays der Marke.

Adam Opel

98 autorevue2/09

Blitz, Donner, SchnürlregenOPEL LEGENDÄR. Zwischen hinreißenden Coupés und glaubwürdiger Oberklasse:

Opel schwang sich in den Sechzigern und Siebzigern zu erstklassiger Ware auf. Sport und Volksnähe prägten eine Mission, die sich später in bedenkliche Irrwege verästeln sollte.

V O N S T E F A N S C H L Ö G L

ZEITM

ASCH

INEN

Grrrrrroaaaaaaarrrr!Opels Antwort auf den Ford Capri fiel 1970 deutlich aus. Mit dem noch im-mer gültigen Manta A setzte Rüssels-heim ein klares Zeichen Richtung Volkssport. In puncto Leistung zwar etwas verhalten – die Vierzylinder mo-bilisierten zwischen 60 und 90 PS –, bediente das vom Ascona abgeleitete Fünfsitzer-Coupé perfekt seine virile Kundschaft. Der Manta B sollte der Firma ab 1975 jedoch völlig entglei-ten und fortan diverse Disco-Pub-Parkplätze zwischen Bottrop und Mistelbach prägen. Erinnerlich sind Fuchsschwanz an der Antenne, waf-fenscheinpflichtiges Haupthaar des Besitzers, 3-Wetter-Taft-Blondine am Beifahrersitz und Iron Maiden aus den Zusatzboxen. Opel feuerte mit Manta 400 (ab 144 PS aufwärts) und dem 2,0 E (110 PS) nach. Nach 13 Produktionsjahren war 1988 Schluss.

Zwei Türen für ein HallelujaAb 1990 glänzte der 2+2-Sitzer Calibra mit einer hinreißend schlichten Stromlinie und bewährter Vectra-Technik. Diesmal sollten japanische Kleinsportler im Zaum gehalten werden. (Ford hatte mit dem Probe definitiv aufgegeben, VW verhaspelte sich mit dem optisch arg verschnarchten Corrado.) Beim Calibra hingegen ging Opel keine Kompro-misse ein: Ein neuer 2-Liter-Vierventilmotor mit 150 PS bediente den Breitensport, die 4x4-Version sowie Turbo-Vierzylinder und V6-Motor waren eine schöne Grußadresse Richtung BMW. Letzteres hat das heute in der Youngtimer-Szene heftig nachgefragte Großcoupé Monza nicht geschafft. Dem zwischen 1978 und 1986 gebauten Senator-Ab-leger blieb trotz 6-Zylinder-Programm und Digitaltacho der große Erfolg versagt. Klassi-ker ist er dennoch. Ein Super-Klassiker wäre hingegen aus ihm geworden, wenn man sich in Rüsselsheim den Bitter CD genauer ange-sehen hätte. Der Kleinhersteller aus Ennepe-tal überzog in den 70ern Opel-Technik und Diplomat-V8 mit italienischer Grandezza. Wow!

Der Manta B wurde in der Autorevue-Redaktion wohlwollend aufgenommen. Hier lässt David Staretz das Disco-Tier raushängen. Fehlt nur noch die fünffach verspiegelte Sonnenbrille.

Calibra

Monza Bitter CD

autorevue2/09 99

Geschafft, LieblingDer Kapitän war zwar bereits ab 1938 im Portfolio, Opels obere Mittelklasse startete aber erst ab 1948 so richtig durch. US-amerikanischer Bling präg-te bis 1963 die Garagen von braven Unternehmern und gehobenen Staats-dienern. Mit dem A-Modell von 1964 versachlichte sich der Auft ritt schlag-artig, die aufgemöbelten Edel-Linien Admiral und Diplomat verloren ge-genüber Mercedes und BMW zuse-hends an Boden. 1970 ging der Kapi-tän von Bord.

Chrom wider den VerfallNach dem Wegfall des Opel Kapitän baute Rüsselsheim den Diplomat B zu einem heillos überfrachteten Luxus-liner aus. Neben einem 165-PS-Sechs-zylinder gab’s für den „Diplo“ exklusiv einen Chevrolet-V8 mit 230 PS, der von vier innenbelüft eten Scheiben-bremsen im Zaum gehalten wurde. Bis 1978 tschunderte das heute heiß begehrte Ami-Lookalike durch die Zeitläuft e, dann durft e der neue Senator mit dem Monza Coupé die Scherben zusammenkehren.

Meister aller Kassen1986 hebelte Opel den angegrauten Rekord aus dem Programm und er-setzte ihn durch den völlig neuen Omega. Prompt zum „Auto des Jahres“ gekürt, dominierte der Rundling als Limousine und Caravan die preiswer-te Mittelklasse. Kabarettistische Moto-risierungen (Lotus Omega mit 3,6-l-Biturbo und 377 PS) konnten den-noch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Oberklasse verloren war. Der Senator B, ein Omega im Feinzwirn, blieb ein König ohne Land.

Der will nur spielenSchönheit, ein Hauch Verschwendung, ja, auch Sex-Appeal: das gönnte Opel seiner Kundschaft mit dem Commodore. Ab 1967 und in drei Generationen schmückte der veredelte Rekord-Ableger das Straßenbild. Viertürer als auch Coupé waren 6-Zylinder-Reihenmotoren Pfl icht, ab 1972 schuf Opel mit dem Commodore B einen der Feuchtträume der Youngtimer-Szene. Wir sagen nur: Commo 2,8 GS/E Coupé mit Vinyldach. 1978 verfl achte die Euphorie mit dem C-Modell zusehends. Kurz nach der Einführung eines Com-modore Kombi kam 1982 das Aus.

100 autorevue2/09

ZEITM

ASCH

INEN

Die dunklen Seiten der MachtEs wäre vermessen, von einer Talfahrt zu sprechen, die ab Anfang der 1990er Opel ereilte. Schließlich hatten Astra und Corsa auch weiterhin ein Dauerabo in den Bestsellerlisten, und neben dem immer solide verkaufenden Vectra gelang mit dem Meriva gar ein echter Coup. Was nichts daran ändern konnte, dass der Marke das Image lange Jahre unter der Hand verfiel. Was (1) mit dem verheerenden Erfolg des Manta zu tun haben mag. Über Jahre machten sich übermotivierte Tuner und Privatiers über das Gerät her. Die nicht geschmack-sicheren Achtziger und cineastische Totalschäden („Manta, Manta“, „Manta, der Film“) taten ihr Übriges. Da half auch (2) die Flucht in die Digitalisierung des Arbeitsumfelds nichts. Der (3) Frontera gab zwar den preisgünstigen Wurzelsepp, bei der Qualität machten er und die gesamte Marke dank des Wirkens von Extrem-Einkaufsmanager José Ignacio López in den 1990ern schlapp. Merke: Kunden wollen kein billiges, sondern ein günstiges Auto. Und das am besten ohne Isuzu-Dieselmotor. Während Audi und VW den Diesel-Boom absurften, setzte Opel auf rachitische Zukauf-Motoren. Mühsam kämpfte sich Rüsselsheim in die Herzen der Kunden zurück. Ambi tionierte, kluge, letztlich jedoch gescheiterte Fehl versuche inklusive: Siehe etwa den (4) Opel Signum. Eine grund-sätzlich tadellose obere Mittelklasse, deren Fließheck nicht ganz mit den Wünschen der Kundschaft korrespondierte. l

SpaßguerillaDer Kadett blieb über Jahrzehnte ein hocherfolgreiches Backbone der Marke. Nach dem – im Ver-gleich zum VW Käfer – an-spruchsvollen A folgte 1965 der Bestseller B. Ab 1973 prägte der lustvoll zu Coupé, Fließheck, Kombi und Aero-Cabrio ausge-baute C-Kadett das Landschafts-bild. Mit dem frontgetriebenen D-Kadett stieg Opel 1979 dann emotional arg auf die Bremse. Der VW Golf war zweifelsohne Vor-bild. Den nahm auch der Kadett E ins Visier – und da speziell den GTI. Opels Antwort hieß GSi 16V, ein 150-PS-Posterboy, der Wolfs-burg einiges aufzulösen gab. 1991 siegte schließlich das Marketing: das offenbar zu piefige „Kadett“ ging, der Astra kam.

Mit dem Kadett Aero, einem Baur-Umbau zum Cabrio, wurde Opel richtig kess, mit dem D-Kadett seltsam brav und mit dem GSi 16V von 1988 richtig böse. 0 auf 100 km/h in 8 Sekunden. Und tschüss, GTI.

1 4

3

2

autorevue2/09 101