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V Vorwort Die Weiterführung eines Lehrbuches, das 1990/ 91 zum ersten Mal erschienen ist, bedarf auf- grund der breiten Akzeptanz keiner besonderen Rechtfertigung. Da aber im deutschsprachigen Raum zur Klinischen Psychologie verschiedene Lehrbücher angeboten werden, sollen die Grün- de für die Neuauflage des umfassend revidierten und erweiterten Lehrbuches dennoch vorgelegt werden: • Wie im Einleitungskapitel gezeigt, können Lehrbücher störungsübergreifend oder stö- rungsbezogen konzipiert werden. Vielfach wird der Schwerpunkt auf die störungsbezo- gene Variante gesetzt, während eine gleich- rangige Darstellung der beiden Perspektiven, auch in neueren Lehrbüchern, nicht vorge- nommen wird. Eine umfassende Sicht der Klinischen Psychologie – Psychotherapie be- nötigt aber die störungsübergreifende und stö- rungsbezogene Perspektive gleichermaßen, so daß wir in der Berücksichtigung dieser Ziel- vorstellung eine erste Rechtfertigung für die Neuauflage des Lehrbuches sehen. Eine zweite Rechtfertigung liegt in dem hier realisierten Anliegen, zwischen der Klini- schen Psychologie – Psychotherapie und an- deren Teilgebieten der Psychologie, insbeson- dere der Allgemeinen Psychologie, eine Brücke zu schlagen. Indem wir Störungen mit unterschiedlichem Auflösungsgrad – Einzelfunk- tionen, Funktionsmuster, interpersonelle Systeme – betrachten, kann diesem Anliegen Rechnung getragen werden. In einer Zeit, in der die internationalen Klassifikationssysteme ICD und DSM dominieren, ist es für die Psy- chologie besonders wichtig, sich auf die Brei- te ihrer Erkenntnisse zu besinnen und neben den gestörten Funktionsmustern gem. ICD und DSM auch die gestörten Funktionen und die gestörten interpersonellen Systeme zu be- achten. Eine alleinige Orientierung der Klini- schen Psychologie – Psychotherapie an den Diagnosen bringt eine Verkürzung des Pra- xis- und Forschungsfeldes mit sich. Gegenüber der ersten Fassung weist das vorlie- gende Lehrbuch folgende formale Änderungen auf: Das Lehrbuch erscheint unter dem Titel Kli- nische Psychologie – Psychotherapie. Berufsstän- disch ist zum Teil der Begriff der Psycho- therapie wichtiger geworden als der Begriff der Klinischen Psychologie, da Kranken- kassen Psychotherapie und nicht klinisch- psychologische Behandlung bezahlen. Teil- weise wird die enge Verknüpfung von Psychotherapie mit der Klinischen Psycholo- gie von nichtpsychologischen Berufsgruppen in Frage gestellt. Zur Klärung haben wir da- her den erweiterten Titel Klinische Psycho- logie–Psychotherapie gewählt. Diese Begriffs- erweiterung im Titel des Lehrbuches beinhaltet aber keine Neuorientierung, da Psychotherapie weiterhin als Teil der Klinischen Psychologie gesehen wird; es wird aber eine berufspoli- tisch unumgängliche Präzisierung vorgenom- men. • Im störungsbezogenen Teil werden pro Stö- rungsart die Kapitel Klassifikation/Diagnostik, Ätiologie/Bedingungsanalyse und Interven- tion jeweils hintereinander abgehandelt, um den Zusammenhang der verschiedenenen As- pekte bei den einzelnen Störungen zu ver- deutlichen.

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V

Vorwort

Die Weiterführung eines Lehrbuches, das 1990/91 zum ersten Mal erschienen ist, bedarf auf-grund der breiten Akzeptanz keiner besonderenRechtfertigung. Da aber im deutschsprachigenRaum zur Klinischen Psychologie verschiedeneLehrbücher angeboten werden, sollen die Grün-de für die Neuauflage des umfassend revidiertenund erweiterten Lehrbuches dennoch vorgelegtwerden:

• Wie im Einleitungskapitel gezeigt, könnenLehrbücher störungsübergreifend oder stö-rungsbezogen konzipiert werden. Vielfachwird der Schwerpunkt auf die störungsbezo-gene Variante gesetzt, während eine gleich-rangige Darstellung der beiden Perspektiven,auch in neueren Lehrbüchern, nicht vorge-nommen wird. Eine umfassende Sicht derKlinischen Psychologie –Psychotherapie be-nötigt aber die störungsübergreifende und stö-rungsbezogene Perspektive gleichermaßen, sodaß wir in der Berücksichtigung dieser Ziel-vorstellung eine erste Rechtfertigung für dieNeuauflage des Lehrbuches sehen.

• Eine zweite Rechtfertigung liegt in dem hierrealisierten Anliegen, zwischen der Klini-schen Psychologie –Psychotherapie und an-deren Teilgebieten der Psychologie, insbeson-dere der Allgemeinen Psychologie, eineBrücke zu schlagen. Indem wir Störungen mitunterschiedlichem Auflösungsgrad – Einzelfunk-tionen, Funktionsmuster, interpersonelleSysteme – betrachten, kann diesem AnliegenRechnung getragen werden. In einer Zeit, inder die internationalen KlassifikationssystemeICD und DSM dominieren, ist es für die Psy-chologie besonders wichtig, sich auf die Brei-te ihrer Erkenntnisse zu besinnen und neben

den gestörten Funktionsmustern gem. ICDund DSM auch die gestörten Funktionen unddie gestörten interpersonellen Systeme zu be-achten. Eine alleinige Orientierung der Klini-schen Psychologie – Psychotherapie an denDiagnosen bringt eine Verkürzung des Pra-xis- und Forschungsfeldes mit sich.

Gegenüber der ersten Fassung weist das vorlie-gende Lehrbuch folgende formale Änderungenauf:

• Das Lehrbuch erscheint unter dem Titel Kli-nische Psychologie – Psychotherapie. Berufsstän-disch ist zum Teil der Begriff der Psycho-therapie wichtiger geworden als der Begriffder Klinischen Psychologie, da Kranken-kassen Psychotherapie und nicht klinisch-psychologische Behandlung bezahlen. Teil-weise wird die enge Verknüpfung vonPsychotherapie mit der Klinischen Psycholo-gie von nichtpsychologischen Berufsgruppenin Frage gestellt. Zur Klärung haben wir da-her den erweiterten Titel Klinische Psycho-logie–Psychotherapie gewählt. Diese Begriffs-erweiterung im Titel des Lehrbuches beinhaltetaber keine Neuorientierung, da Psychotherapieweiterhin als Teil der Klinischen Psychologiegesehen wird; es wird aber eine berufspoli-tisch unumgängliche Präzisierung vorgenom-men.

• Im störungsbezogenen Teil werden pro Stö-rungsart die Kapitel Klassifikation/Diagnostik,Ätiologie/Bedingungsanalyse und Interven-tion jeweils hintereinander abgehandelt, umden Zusammenhang der verschiedenenen As-pekte bei den einzelnen Störungen zu ver-deutlichen.

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VorwortVI

• Die Neuauflage erscheint in einem Band, sodaß es den LeserInnen leichter fällt, den Bo-gen vom störungsübergreifenden zum stö-rungsbezogenen Teil zu schlagen und die ein-zelnen Bereiche, insbesondere Klassifikation/Diagnostik, Ätiologie/Bedingungsanalyse, In-tervention/Psychotherapie, miteinander zuvernetzen.

Inhaltlich sind die bisherigen Kapitel auf denneusten Stand gebracht worden, was bei ver-schiedenen Kapiteln umfassende Änderungenmit sich brachte. Zusätzlich sind folgende Neu-erungen eingeführt worden:

• Im störungsübergreifenden Teil sind folgendeKapitel hinzugekommen: Ethik in der Klini-schen Psychologie; Ätiologie/Bedingungsana-lyse: Biochemische Aspekte; Ätiologie/Bedin-gungsanalyse: Neurophysiologische Aspekte;Ätiologie/Bedingungsanalyse: Psychophysio-logische Aspekte (bisheriges Kapitel zu denbiologischen Ätiologie-Modellen wird durchdie drei neuen Kapitel ersetzt); Streß/Copingals Konzepte der Ätiologie/Bedingungsana-lyse. Bei den Interventionen findet sich neuein Kapitel zu den interpersonellen Ansätzender Paar- und Familientherapie.

• Der störungsbezogene Teil ist bei den gestörtenFunktionen durch folgende zusätzliche Berei-che – jeweils ein Kapitel zur Klassifikation/Diagnostik, Ätiologie/Bedingungsanalyse, In-tervention – erweitert worden: Wahrneh-mungsstörungen, Eßstörungen. Bei den ge-störten Funktionsmustern sind die bisherigenKapitel zu den Neurosen und psychosoma-tischen Störungen durch die Kapitel zu denAngststörungen und den somatoformen, dis-soziativen Störungen ersetzt worden.

• Eine wesentliche Ergänzung bilden die neuenKapitel zur Ätiologie/Bedingungsanalyse bei fol-genden gestörten Funktionsmustern: Störungdurch psychotrope Substanzen, Schizophre-nie, depressvie Störungen, Angststörungen,somatoforme Störungen und dissoziative Stö-rungen. Damit sind auch diese Störungenumfassend dargestellt worden.

• Eine weitere Neuerung betrifft den Fragen-katalog. Thomas Harder und Guy Bodenmannhaben den Fragenkatalog der ersten Auflagein Zusammenarbeit mit den Autoren voll-

ständig überarbeitet. Er steht den Benützerndes Lehrbuchs kostenlos auf dem Internet zurVerfügung, und zwar unter der gegenüber derTitelseite angegebenen Adresse.

Trotz aller Bemühungen konnten zwei formaleProbleme nicht immer zufriedenstellend gelöstwerden. Zum einen gilt dies für die Recht-schreibreform mit der zur Zeit bestehenden Un-gewißheit; das Lehrbuch ist einheitlich nachalter Rechtschreibung angelegt. Auch die über-geordnete, beide Geschlechter umfassendeSchreibweise ist weiterhin nicht zufriedenstel-lend einheitlich lösbar, so daß die einzelnenAutorInnen jeweils ihren eigenen Weg wähl-ten.

Durch das im Einleitungskapitel dargestellteKonzept haben die Herausgeber und die Au-torInnen Neuland betreten, da vergleichbareLehrbücher weder im deutschsprachigen, nochim englischsprachigen Raum vorhanden sind.Diese Situation hat sich auch bis heute nichtgeändert. Daß die AutorInnen erneut das Wag-nis eines ungewohnten Konzeptes eingegangensind, erfüllt uns mit besonderer Dankbarkeit.Die Realisierung dieses Buches benötigte vieleAbsprachen und Überarbeitungen; die Autor-Innen haben sich dieser oft mühevollen Proze-dur mehr oder weniger geduldig unterzogen,wofür ihnen besonders gedankt sei. Die mei-sten AutorInnen haben Termine als Realitätund nicht als Fiktion betrachtet, was uns dieArbeit erleichterte. Dank gebührt auch allenKollegInnen und MitarbeiterInnen die uns beieinzelnen Kapiteln beratend zur Seite gestan-den sind.

Die besten Manuskripte erblicken das Lichtder wissenschaftlichen Öffentlichkeit nur, wennsie formal bearbeitet und in druckfertige Formgegossen werden. Hier sei Frau Erika Feichtinger(Salzburg), die Sekretärin des Erstherausgebers,mit besonderem Dank erwähnt. Mit hoherKompetenz, großer Sorgfalt und Schnelligkeithat sie – aufbauend auf unterschiedlich les-baren Disketten – eine einheitliche Textverar-beitungsversion erstellt und damit eine wesent-liche Druckvoraussetzung geschaffen. Ebensohat sie bei den Korrekturen hilfreich und ge-duldig mitgewirkt. Danken möchten wir auchFrau Dorly Aebischer, die in Fribourg demZweitherausgeber mit großem Einsatz und vielKompetenz hilfreich zur Seite stand und damit

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Vorwort VII

für die Schlußredaktion einen wichtigen Bei-trag leistete. Nicht zuletzt sei dem Verlag HansHuber, insbesondere Herrn Dr. Peter Stehlin, fürdie sehr gute Zusammenarbeit und das Ver-ständnis für unsere Wünsche gedankt. Beson-ders zu Dank verpflichtet sind wir Herrn Jean-Pierre Corpaato (Fribourg), zu dem uns einbesonders herzliches Verhältnis verbindet, fürdie Erlaubnis, eines seiner Gemälde als Titel-bild zu verwenden.

Abschließend sei den beiden Ehefrauen An-nette Baumann und Ulrike Perrez für ihr Ver-ständnis bei der physischen und/oder geistigenAbwesenheit ihrer Ehemänner aufgrund dermit dem Lehrbuch verbundenen Tätigkeiten

besonders herzlich gedankt. Es ist uns klar, daßdieser kleine Dankessatz und die Widmung nurein Symbol sein können für eine Dankbarkeit,die sich letztlich nicht in Worte fassen läßt.Wir hoffen, daß die Mühe der Erstellung diesesLehrbuches sich dadurch lohnt, daß wir Studie-renden, praktisch Tätigen und ForscherInnenein Konzept in die Hand geben, das der Weiter-entwicklung der Klinischen Psychologie – Psy-chotherapie dient.

Urs Baumann und Meinrad PerrezSalzburg und Fribourg, Januar 1998

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VIII_Vakat