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1_igm_br_vorwort_inhalt_gs.qxp 29.08.2013 16:54 Uhr Seite 1

Produkt-Nr.: 26806-43771

Herausgeber:IG Metall VorstandFB Zielgruppenarbeit und GleichstellungRessort Frauen- und Gleichstellungspolitik

Autorinnen:Claudia Dunst, Wert.Arbeit GmbH, BerlinAnnemarie Weber, Wert.Arbeit GmbH, BerlinKarin Flothmann, Journalistin, BerlinChristiane Niemann, IG Metall Vorstand, Ressort Frauen- und Gleichstellungspolitik

Redaktion:Iris Becker, IG Metall Vorstand, Ressortleitung Frauen- und GleichstellungspolitikChristiane Niemann, IG Metall Vorstand, Ressort Frauen- und GleichstellungspolitikAstrid Knüttel, IG Metall Vorstand, Ressort Frauen- und GleichstellungspolitikClaudia Dunst, Wert.Arbeit GmbH, BerlinAnnemarie Weber, Wert.Arbeit GmbH, Berlin

Fotos:Uwe Annas: Umschlagseite 1 (Titel) oben links, S. 4, S. 6, S.10, S. 20, S. 22, S. 80, S. 82, S. 89Karin & Uwe Annas: Umschlagseite 1 (Titel) unten rechts, S. 4, S. 6, S. 10, S. 20, S. 38, S. 80, S. 90, S. 99Ingo Bartussek: Umschlagseite 1 (Titel) unten links, S.4, S. 6, S. 10; S. 20, S. 50, S. 65, S. 80, S. 116, S. 121Jens Brueggemann aka Ikonoklast: S. 37Stephen Coburn, Snappy Stock Inc.: Umschlagseite 1 (Titel) oben rechts, S.4, S. 6, S. 10, S. 20, S. 66, S. 80, S. 128, S. 133Danr13 – Fotolia: S. [email protected]: S. 125Tyler Olson – Simple Foto: S. 103People Images.com, 5062a6a69d762: S. 111flammenhannes/Photocase: Umschlagseite 3Razvan Photography – Radu Razvan: S. 115Frank Rumpenhorst: S. 3WavebreakmediaMicro – Fotolia: S. 137

Ausgabe: Juli 2013

Grafische Gestaltung/Layout: Ralf Henning – Grafische Konzeption & Gestaltung, Berlin

Druck: Druckerei Conrad GmbH, Berlin

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VORWORT 3

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

der Blick auf die Frauenbeschäftigung in Wirtschaft und Gesell-schaft ist geschärft. Grund dafür ist die demografische Entwick-lung und die Diskussion über Fachkräftemangel. In betrieblicherFrauenförderung steckt ein enormes Potenzial, diesem Fachkräfte-mangel entgegen zu wirken.

Für die IG Metall geht es vor allem um eins: Um echte Chancen-gleichheit. Es ist wichtig, bestehende Entgeltungleichheiten aufzu-decken und berufliche Entwicklungs- und Karrieremöglichkeitenfür Frauen zu thematisieren. Frauen sind heute sehr gut ausgebil-

det und haben genaue Vorstellungen, unter welchen Bedingungen sie ihren Beruf ausüben wollenund können. Wir brauchen vor allem gute Infrastrukturen, die Familien bei der Vereinbarkeit vonArbeit und Leben unterstützen.

Erfahrungsgemäß sind es vor allem Betriebsräte und Vertrauenskörper, die in diesem Sinne diepraktische Umsetzung von Gleichstellung in Unternehmen befördern.Die IG Metall hat sich 2010 mit dem ESF-Projekt „Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Siche-rung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen“ auf den Weg gemacht,bestehende Ansätze sichtbar zu machen und weiter zu entwickeln. In bundesweit 25 Betriebenaus den Branchen Automobilhersteller, Automobilzulieferer, ITK- und Elektroindustrie entstanden„Good-Practice-Beispiele“, die wir beteiligungsorientiert und meist sozialpartnerschaftlich um-gesetzt haben. Durch Beschäftigtenbefragungen, Workshops und Interviews mit betrieblichenExpertinnen und Experten haben wir erhoben, wo es in den Unternehmen weiteren Handlungs-bedarf gibt.Hier einige Beispiele:Bei Bosch Car Multimedia GmbH in Hildesheim bekamen wir Antworten von den beschäftigtenFrauen und Männern, wie berufliche Entwicklungschancen am Standort im Bereich Forschungund Entwicklung verbessert werden können. Im Hildesheimer Werk der Robert Bosch GmbH wur-den betriebliche Handlungsansätze zur Verbesserung der Weiterbildungssituation auf den Punktgebracht. Dazu gehört die Optimierung des Mentoring-Programms und die Schaffung neuerWeiterbildungsangebote und -formen. Bei Infineon in München wurde unter anderem der Blickauf Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern im außertariflichen Bereich geschärftund bei Ford in Köln bekamen wir Antworten darauf, warum viele der jungen Frauen mit gewerb-lich-technischer Ausbildung nicht in ihrem Beruf verbleiben.

Die Broschüre zeigt diese und weitere entstandene „Good-Practice-Beispiele“ sowie erste Thesenzu branchenspezifischen Trends, Erfolgen und Problemlagen. Praktische Beispiele, wie manChancengleichheit konkret umsetzen kann. Davon profitieren Frauen und Männer. Die Erkennt-nisse bieten eine gute Grundlage, um weiter zu diskutieren – in den inner- und überbetrieblichentstandenen Netzwerken – und als Anregung für die Verbesserung der Gleichstellung in anderenBetrieben.

Ich danke den engagierten Frauen und Männern aus den Unternehmen, die diese guten Beispielegeschaffen haben und ihre Erfahrungen mit uns gemeinsam auch anderen Kolleginnen undKollegen zur Verfügung stellen. Mit dem Beratungsunternehmen Wert.Arbeit GmbH, Berlin hattenwir einen engagierten und kompetenten Kooperationspartner an unserer Seite.

Christiane BennerGeschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

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INHALT

Vorwort 3

10 Gute Gründe für Gleichstellung 6

Schlaglichter zur Gleichstellungspolitik in vier Industriebranchen/Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Betriebsräte 10

Thesenpapiere 20

Gleichstellungspolitische Herausforderungen in den Unternehmen der Autohersteller 22

Gleichstellungspolitische Herausforderungen in den Unternehmen der Autozulieferer 38

Gleichstellungspolitische Herausforderungen in den Unternehmen der Elektroindustrie 50

Gleichstellungspolitische Herausforderungen in den Unternehmen der ITK-Industrie 66

Kurzbeschreibungen 80

Automobilhersteller 82

Gutes Tun, darüber reden und Zukunftsperspektiven entwickeln! Die Gleichstellungsbilanz (G-Bilanz) bei der Volkswagen AG 84

Die Fachkräftebindung junger Frauen im Produktionsbereich bei der Ford-Werke GmbH in Köln 86

Automobilzulieferer 90

Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Autoliv in Elmshorn: Kinderbetreuungsangebote und flexible Schichtarbeit 92

Balance Arbeit und Privatleben bei Autoliv in Dachau: Arbeits(-zeit)arrangements verbessern und kontrollieren 96

Alternsgerechte Arbeitsbedingungen in der Produktion gestalten – Aktivitäten bei der GKN Driveline Deutschland GmbH, Werk Mosel 100

Demografischen Wandel geschlechtersensibel gestalten in einem Automobilzulieferer- und Logistik-Unternehmen 104

Entwicklungschancen für Frauen verbessern – Aktivitäten bei Robert Bosch Car Multimedia GmbH 108

Weiterbildungssituation für (ältere) Frauen aus der Produktion verbessern – Aktivitäten bei der Robert Bosch GmbH 112

Elektroindustrie 116

Karriereentwicklung von Frauen in einem Unternehmen der Elektroindustrie 118

Karriereentwicklung für Frauen auf allen Ebenen bei Infineon Technologies AG am Standort München (Campeon) 122

Gleichstellungscheck in einem Unternehmen der Elektroindustrie 126

Informations- und Kommunikationstechnologien 128

Die Karriereentwicklung von Frauen und die Balance von Arbeit und Privatleben in einem Unternehmen der IT-Industrie 130

Balance Arbeit und Privatleben bei einem Unternehmender IT-Industrie 134

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10 Gute Gründe für Gleichstellung

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2 Gleichstellung ist eine Frage des gesellschaftlichen Lebens

Gleichstellungsmaßnahmen unterstützen das Leben mit Kindern. Von Gleichstellung profitie-ren daher nicht nur Frauen, die ihre Kinder betreuen. Junge Männer legen mittlerweile genauso viel Wert auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen im Unternehmen. Männer undFrauen müssen in der Lage sein, Berufs- und Privatleben in einer Weise miteinander in Ein-klang zu bringen, die ihren Anforderungen gerecht wird, und zwar unabhängig vom Familien-stand oder Haushaltseinkommen. Unternehmen, die Männern fehlendes berufliches Engage-ment unterstellen, wenn sie z.B. Elternurlaub nutzen und die Frauen mit Kindern aufs berufli-che Abstellgleis schieben, handeln schlicht verantwortungslos.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen

1 Gleichstellung ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Demokratie

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt: „Alle Menschen sind frei und gleich anWürde und Rechten geboren.“ Die gleichen Rechte sind in Deutschland im Grundgesetz fest-geschrieben, in der Realität aber nicht wirklich umgesetzt. Für die Erreichung von echterGleichstellung ist es notwendig, dass Gesellschaft, Institutionen und Wirtschaft mit Gleich-stellungsmaßnahmen darauf hinwirken. Dies kann nur erfolgreich sein, wenn sich die Funk-tionsweise von Gesellschaft und Wirtschaft und damit auch tief verwurzelte Rollenverständ-nisse ändern.

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3 Gleichstellung ist eine Frage unterschiedlicher Lebenssituationen

Die Gesellschaft wird vielfältiger – damit auch die Belegschaften. Heute gibt es Familien-ernährerinnen, Väter und Mütter mit Patchworkfamilien, Frauen mit starkem politischen Enga-gement und Männer mit pflegebedürftigen Angehörigen, Junge und Alte und noch viele an-dere Lebenssituationen. Diese Vielfalt braucht eine flexible gleichstellungspolitische Perso-nalpolitik, die nicht nur den männlichen Familienernährer vor Augen hat.

4 Gleichstellung ist eine Frage der Motivation

Mit Gleichstellungsmaßnahmen, die auf die Familienfreundlichkeit im Unternehmen abzielen,lässt sich die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern. Dasist durch eine Reihe von Studien belegt. (WSI, Roland Berger Strategy Consultants). Familien-freundliche Unternehmen erhalten außerdem weitaus mehr Bewerbungen als weniger fami-lienbewusste Unternehmen.

5 Gleichstellung ist eine Frage von Produktivität und Effizienz

Gleichstellungsmaßnahmen, die Familienfreundlichkeit im Unternehmen herstellen, steigerndie Produktivität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch das ist ein Ergebnis der Studienvon WSI und Roland Berger. Familienfreundliche Unternehmen haben oft eine bessere Pro-duktqualität, geringere Gewährleistungskosten und sie erreichen eine höhere Kundenbindung.Familienfreundlichkeit im Unternehmen führt darüber hinaus zu deutlich kürzeren Elternzei-ten, einer höheren Rückkehrquote aus der Elternzeit, einer längeren Betriebszugehörigkeit, ei-ner geringeren Fehlzeitenquote und einer niedrigeren Eigenkündigungsrate.

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10 GUTE GRÜNDE FÜR GLEICHSTELLUNG 9

6 Gleichstellung ist eine Frage der Sicherung von Fachkräften

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben und an Entschei-dungsprozessen ist in Zeiten des demografischen Wandels ein wirtschaftliches Gebot.Gleichstellung ist daher ein Thema des Managements. Denn wenn die Menschen immer älterwerden, wenn der Nachwuchs fehlt und dadurch Fachkräfte knapp werden, dann sind Frauenfür Unternehmen auf allen Hierarchie-Ebenen unentbehrlich. In Zukunft wählen sich qualifi-zierte Fachkräfte, egal ob Frauen oder Männer, den Arbeitgeber aus, bei dem sie ihre Vorstel-lungen von Familie und beruflicher Entwicklung leben können.

8 Gleichstellung ist eine Frage der Vielfalt und Kreativität

Frauen bringen andere Perspektiven und Fragestellungen in die Entwicklung neuer Produkteein. Bisher werden hier große Marktchancen verpasst, weil die Schwerpunktsetzungen, Lebens-wirklichkeiten und die Bedürfnisse von Frauen immer noch zu wenig Beachtung finden.In der Präambel der Gleichstellungstandards der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG)heißt es, dass die Qualität von Forschung davon abhängt, wie unterschiedliche Perspektiveneinbezogen werden. Um möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen mit einzubeziehen, istdeshalb die Erhöhung des Frauenanteils notwendig. Was für die Forschung und Entwicklunggilt, gilt auch für die Arbeit in anderen Unternehmensbereichen.

7 Gleichstellung ermöglicht Beschäftigungssicherung

Gleichstellung sichert die Beschäftigung von Frauen ab. Denn heute werden Frauen immernoch zu oft bei der Weiterbildung, bei anspruchsvollen Aufgaben, bei Teamleitungs- und Füh-rungspositionen übergangen. So sinkt mit der Zeit ihre Beschäftigungsfähigkeit. Sie sind dahereher als Männer von Erwerbslosigkeit bedroht und können schlechter ihre Existenz absichern.

9 Gleichstellung ist eine Frage der IG Metall

Die IG Metall fördert als DGB-Gewerkschaft die Gleichstellung von Frauen und Männern in denBetrieben – und zwar sowohl auf bundespolitischer als auch europäischer und internationalerEbene. Sie nimmt als weltweit größte Industriegewerkschaft maßgeblich Einfluss – auch auf betriebspolitisches Handeln in ihrem Organisationsbereich. Hintergrund ist ein großes Netzwerkvon Funktionärinnen und Funktionären sowie Expertinnen und Experten in den Unternehmen, inder Politik und in der Wissenschaft. Die IG Metall gibt Impulse zur Förderung von Chancengleich-heit, Entgeltgerechtigkeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Als Industriegewerk-schaft fördert sie aber auch einen betriebsinternen und gesamtgesellschaftlichen Kulturwandelhinsichtlich der Gleichstellung von Frauen und Männern. Tatsächliche Veränderungen in denUnternehmen werden maßgeblich von der IG Metall und ihren Betriebsräten vorangetrieben.

10Gleichstellung ist eine Frage der Betriebsräte und Vertrauensleute

Der Betriebsrat hat durch den Gesetzgeber 2001 den Auftrag erhalten, Gleichstellung mit sei-ner Arbeit explizit zu fördern. Je mehr Frauen in einem Betrieb beschäftigt sind, je höher dieQualifikation der Beschäftigten, je besser die Mitarbeiterbeteiligung und je stärker die Beleg-schaft gewerkschaftlich organisiert ist, desto mehr gleichstellungspolitische Maßnahmengibt es in den Betrieben. Das zeigt auch der internationale Vergleich. Die Initiative für gleich-stellungspolitische Maßnahmen geht in der Regel von den Betriebsräten aus. Aktivitäten, dieChancengleichheit fördern, sind in Betrieben mit Interessenvertretung deutlich häufiger als inFirmen ohne Mitarbeitervertretung. Betriebsräte und Vertrauensleute stärken also die Gleich-stellung.

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Schlaglichter zur Gleichstellungspolitik in vier Industriebranchen/Handlungsempfehlungen für Unternehmenund Betriebsräte

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen12

Automobilbauer, Autozulieferer, Elektro- und ITK-IndustrieDie Arbeitsbedingungen von Frauen weisen, unabhängig davon, in welcher der vier Branchen siebeschäftigt sind, einige Gemeinsamkeiten auf. Diese sind in folgenden Schlaglichtern beschrieben.Es zeigen sich übergreifende Trends wenn es um die Einkommenssituation geht, um Beschäf-tigung in Teilzeit, Ausbildung, Berufswahl oder um die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben.

Aus- und Weiterbildung

Mit Blick auf die Ausbildungsaktivitäten der Unternehmen bleibt festzustellen, dass in allenBranchen junge Frauen seltener im gewerblich technischen Bereich ausgebildet werden, alsjunge Männer.

Hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden immer gefragter sein. Vor dem Hinter-grund des Fachkräftemangels, des demografischen Wandels sowie der Chancengleichheit undberuflichen Förderung im Unternehmen, kommt der Ausbildung und Qualifizierung großeBedeutung zu. Doch gerade in der betrieblichen Weiterbildung sind Frauen in allen vier Branchenseltener anzutreffen als ihre männlichen Kollegen.

Frauen im Angestelltenbereich

Allen vier Branchen gemeinsam ist, dass Frauen sich in bestimmten Tätigkeitsfeldern wieder-finden. Die meisten von ihnen sind in den so genannten Büroberufen beschäftigt. Dort finden sich hochqualifizierte Frauen, die im Personalwesen, im Marketing oder der Finanz-abteilung tätig sind. Der überwiegende Anteil ist jedoch im klassischen kaufmännischen An-gestelltenbereich beschäftigt, besonders in der Assistenzarbeit in Sekretariaten und Projekten.

Ebenfalls allen Branchen gemeinsam ist der Trend, dass kaufmännische Tätigkeiten, dieursprünglich von Sekretärinnen und Teamassistentinnen ausgeführt wurden, mehr und mehroutgesourced werden. So verlagern manche Unternehmen ganze Bereiche, wie Gehaltsabrech-nung, Reisekostenabrechnung, Personalverwaltung, etc., ins Ausland oder übertragen die Buch-führung oder Assistenztätigkeiten wie etwa Reisekostenabrechnungen an auswärtige Firmenund Callcenter.

In allen vier Branchen wird sich die Beschäftigtenstruktur in den kommenden Jahren weiter verändern. Einfache Tätigkeiten in Büroberufen und in der Produktion werden weiter wegfallen.

Frauen in der Produktion

Ein ähnlicher Trend ist in der Produktion der Unternehmen zu beobachten, in der die Beschäf-tigung von an- und ungelernten Arbeitskräften generell zurückgeht. Einfache Tätigkeiten fallendurch die Automatisierung weg oder werden verlagert. Hier sind ebenfalls viele Frauen beschäf-tigt – häufig als so genannte Un- und Angelernte. Um nicht über kurz oder lang ihre Arbeit zu verlieren, brauchen sie die Chance, sich betriebsintern weiter zu qualifizieren.

Hochqualifizierte Frauen

In allen vier Branchen ergibt sich auch ein gemeinsames Bild hinsichtlich der wachsenden Forschungs- und Entwicklungsabteilungen (F&E). In diesen Bereichen finden sich nur wenigeFrauen, obwohl Unternehmen durchaus seit einigen Jahren verstärkt darum werben, Frauen als

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SCHLAGLICHTER ZUR GLEICHSTELLUNGSPOLITIK/HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR UNTERNEHMEN UND BETRIEBSRÄTE 13

Ingenieurin, Technikerin oder Informatikerin zu gewinnen. Dennoch gilt bis heute: Es gibt nur wenige Frauen mit diesen Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Tendenz ist zwarsteigend, junge Frauen studieren allerdings trotzdem immer noch vergleichsweise selten tech-nische oder naturwissenschaftliche Fächer oder Informatik.

Weibliche Führungskräfte – oft Fehlanzeige

Auch in Führungspositionen sind Frauen immer noch selten zu finden. Das gilt für die Meisterinin der Produktion, für die Werksleiterin und auch für Managementpositionen in der Führungs-etage eines Unternehmens.

Frauen oft in Teilzeitbeschäftigung

Die überwiegende Zahl der Beschäftigten, die sozialversicherungspflichtig Teilzeit arbeiten, sindFrauen. Dies stellte sich in allen vier betrachteten Branchen heraus. Wobei längst nicht mehr die15- oder 20-Stunden-Woche die Regel für einen Teilzeitjob ist. Mehr und mehr Frauen arbeitennach der Elternzeit lieber rund 30 Stunden – also vollzeitnah, um Beruf und Familie zeitlich besser vereinbaren zu können. Im Vergleich von West- und Ostdeutschland ist Teilzeitarbeit eherein westdeutsches Phänomen. In Ostdeutschland, speziell dort, wo Betreuungsplätze für Kindernoch ausreichend sind, arbeiten Frauen mit kleinen Kindern in der Regel Vollzeit.

Prekäre Beschäftigung

Prekäre Beschäftigung hat in allen Branchen in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Allerdings sind Minijobs in allen vier Branchen nur ein Randphänomen.

Die vorrangigsten Formen prekärer Beschäftigung finden sich in Form von Leiharbeit und Werk-verträgen. Als Leiharbeitskräfte arbeiten vorwiegend Männer, Frauen sind hier weitaus seltenervertreten. Grund dafür: Leiharbeit ist vor allem in Produktionsbereichen der Unternehmen zu finden. Von Werkverträgen sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Sie werden jedochzunehmend in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen vergeben und betreffen vorwiegenddie jungen, qualifizierten Nachwuchskräfte. Hinzu kommt: Ganze Betriebsbereiche werdenvermehrt an externe Dienstleistungsunternehmen vergeben – das gilt sowohl für kaufmännischeBereiche, als auch für die Produktion. Den betroffenen Beschäftigten werden Werkverträge angeboten, mit denen sie zu schlechteren Bedingungen an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurück-kehren.

Globalisierung und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Viele Unternehmen sind inzwischen global aufgestellt. Das verändert die Anforderungen an dieMobilität der Beschäftigten. Reisen im In- und Ausland gehören ebenso wie längere Aufenthaltean anderen innerdeutschen Standorten zum Arbeitsalltag vieler Beschäftigter.

Arbeitszeit hat für viele Beschäftigte kaum noch wahrnehmbare Grenzen. Der „Nine-to-five-Job“ist meist nicht mehr existent. Stattdessen wird erwartet, dass Beschäftigte immer länger undzeitlich flexibel erreichbar und einsetzbar sind. Telefonkonferenzen und Skype-Gespräche richtensich nach internationalen Zeitzonen. Neue Arbeitsaufträge werden per E-Mail auch noch nachFeierabend verschickt. Und selbst die Schichtarbeit erfordert heute oftmals eine hohe Flexibili-tät, insbesondere in Zulieferbetrieben, die nach dem Prinzip “just-in-time“ produzieren.

Für Frauen und Männer mit Kindern sind das unzumutbare Arbeitsbedingungen. Wer seine Kinder aus dem Kindergarten abholen und betreuen muss, kann schlecht am Abend an einer

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen

Die nachfolgenden Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Betriebsräte stellen keineabschließende Auflistung dar. Sie sind aus den konkreten Erfahrungen und Beispielen der Be-triebe abgeleitet, die im Rahmen des Projektes einbezogen waren.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen:

Veränderte Unternehmenskultur braucht die Beteiligung der Belegschaften

Eine Unternehmenskultur, in der Gleichstellungspolitik nicht nur auf dem Papier stehen soll,braucht die aktive Einbeziehung aller Führungskräfte und der Beschäftigten. Ohne eine aktiveBeteiligung der Akteurinnen und Akteure (Führungskräfte, Betriebsräte und Beschäftigte) sindVeränderungen im Handeln und Denken kaum möglich. In der Praxis geschieht dies häufig durchFragebögen, interne und öffentliche Medien, Workshops oder Dialoge.

Frauen gezielt für den Betrieb werben

Vor dem Hintergrund von demografischem Wandel und steigendem Fachkräftebedarf sind dieUnternehmen darauf angewiesen, das Erwerbspotential von Frauen besser für sich zu nutzen.Generell gilt: Die Betriebe müssen weitaus gezielter als bisher um Frauen werben und die Beschäftigungsfähigkeit aller Frauen im Blick behalten. Für die Zukunft gilt: Den Kampf um dieKöpfe werden die Unternehmen gewinnen, die gute Arbeitsbedingungen bieten, Frauen undMänner gleich behandeln, Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen und gleichzeitig Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten aufzeigen.

Ausbildung

Anteil der weiblichen Auszubildenden erhöhenBeteiligung am Girl’s Day um junge Mädchen anzusprechenMädchen gezielt auch auf technische Berufe orientieren und in allen Bereichen Karriere-möglichkeiten aufzeigenFrauen auf die Möglichkeit des Dualen Studiums ansprechen und dabei unterstützenProgramme starten, um junge hochqualifizierte Frauen von den Hochschulen an das Unternehmen zu binden (Kooperationsprojekt mit Hochschulen, Praktikumsplätze)

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Telefonkonferenz teilnehmen. Auch für Frauen und Männer in Schichtsystemen sind Planbarkeitund Verlässlichkeit unerlässlich, um Arbeit, Kinderbetreuung und/oder Pflegeaufgaben mitein-ander vereinbaren zu können.

Entgeltsituation von Frauen

Die Entgeltlücke ist in allen vier Branchen generell hoch. Das Einkommensgefälle zwischenFrauen und Männer ist bei den höheren Einkommen wesentlich ausgeprägter als in den nied-rigen Leistungsgruppen. Seltener finden sich Entgeltunterschiede zu Beginn des Berufslebens.Hier werden Frauen und Männer in der Regel noch in gleiche Entgeltgruppen eingestuft. Einkom-mensunterschiede entwickeln sich vielmehr im Laufe des Berufslebens. Je höher die Qualifi-kation und je älter die Beschäftigten, desto größer der Entgeltunterschied zwischen Frauen undMännern in den Unternehmen. Frauen steigen beruflich meist langsamer auf als ihre männ-lichen Kollegen. Sie haben häufiger familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und nehmen ingeringerem Maße als Männer an Fort- und Weiterbildungen teil.

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SCHLAGLICHTER ZUR GLEICHSTELLUNGSPOLITIK/HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR UNTERNEHMEN UND BETRIEBSRÄTE 15

Qualifizierung und Karrieremöglichkeiten bieten

Frauenförderung als Instrument der Personalentwicklung im Unternehmen einführenFrauen gezielt ansprechen und motivieren, an betrieblichen oder außerbetrieblichen Weiter-bildungen teilzunehmenMöglichkeiten für un- und angelernte Frauen schaffen, sich zur Facharbeiterin zu qualifizierenBeschäftigte, die in Elternzeit sind, die Möglichkeit bieten, an Qualifizierungsmaßnahmen teil-zunehmen. Teilzeitbeschäftigte in unternehmensinterne Weiterqualifizierungen integrieren undMöglichkeiten bieten, bei Bedarf wieder auf eine Vollzeitstelle zu wechseln

Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen

Ziele und Strategien/Zeitpläne zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzenund regelmäßig verfolgenKonsequente Ansprache von Frauen, Karrierewege eröffnen, gezielte Qualifizierung für bestimmteFührungspositionen anbieten MentoringprogrammeNachwuchsförderprogramme für junge Frauen

Entgeltgerechtigkeit herstellen

Entgeltstrukturen geschlechterdifferenziert analysieren – damit kannEntgeltungerechtigkeit aufgezeigt und direkte Entgeltdiskriminierung abgestellt werdenindirekte Diskriminierungen offengelegt und gezielte Maßnahmen zur Förderung von Fraueneingeleitet werden

Entgeltstrukturen im Unternehmen nachvollziehbar machen, z.B. durch Angabe der jeweiligenEntgeltgruppe bei der Stellenausschreibung

Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Vereinbarkeit als Teil der Unternehmenskultur verstehenKlare Regelungen/Betriebsvereinbarungen schaffen, die einen verbindlichen Rahmen für dieBeschäftigten beschreiben, z.B.

Regelungen für einen teilzeitfähigen SchichtbetriebFamilienfreundliche Arbeitszeit-Regelungen für die Inanspruchnahme von z.B. Gleitzeit, Teil-zeit, Home-Office, etc.Elternzeit/Teilzeit und die Inanspruchnahme weiterer flexibler (Arbeitszeit-) Möglichkeitenzur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Leben dürfen keine Karrierekiller seinUnterstützung bei Kinderbetreuung und PflegeTeilzeitmöglichkeit auch für Führungskräfte

Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels

Geschlechterspezifische AltersstrukturanalyseBereitstellung von alterns- und altersgerechten ArbeitsplätzenQualifikationsbedarfsanalyse und demografiesensible PersonalplanungGefährdungsbeurteilung und Entwicklung eines MaßnahmenplansFreistellung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von alterskritischen Tätigkeiten(z.B. Schicht- und Nachtarbeit)

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen

Handlungsempfehlungen für Betriebsräte

Mitbestimmung in der betrieblichen Gleichstellungspolitik

Gleichstellung ist ein betriebliches Querschnittsthema, hinter dem viele Themen stehen, die direkt oder indirekt per Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig sind:

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Schaubild des Projektes „Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherungund Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen“

Beteiligung macht stark – § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nutzen:

Der Betriebsrat hat über den § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG das Recht, die Einschätzung von Beschäf-tigten aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen einzuholen. Sie sind in diesen Fällen die betrieblichen Sachverständigen, die für einen beteiligungsorientierten Analyse- und Verän-derungsprozess im Betrieb enorm wichtig sind. Grundsätzlich gilt: Eine Beteiligung der Beschäf-tigten ist dann erfolgreich, wenn die Beteiligten ein wirkliches Mitentscheidungsrecht (z.B. übergemeinsame Forderungen und Aktivitäten) haben.

Beteiligungs-Werkzeuge können z.B. Dialoge, Befragungen, Workshops oder auch aktivierendeFormen der betrieblichen Öffentlichkeitsarbeit des BR sein.

Grundsätze der Beteiligung:

Beschäftigte sind Expertinnen und Experten in eigener SacheEntwicklung von Beteiligungskompetenz für die Akteurinnen und AkteureBeteiligung braucht ein gutes Konzept und klare AufträgeThemenbezogene Arbeit mit Beschäftigten muss glaubwürdig sein und einen „langen Atem“haben

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Arbeits- und Gesundheitsschutz:

Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 2 Arbeitsschutzgesetz und § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)

Schlechten Arbeitsbedingungen, der Ausweitung von Schichtarbeit, zunehmender Stress undArbeitshetze können mit einem gut ausgebauten Arbeits- und Gesundheitsschutz im BetriebGrenzen gesetzt werden. Eine Gefährdungsbeurteilung, die auch geschlechterspezifische Aspekteberücksichtigt, ist dazu ein elementarer Baustein.

Materialhinweise: Tipps für den Arbeitsplatz der IG Metall, Ressort Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz > Extranet der IG Metall > Rat und Tat

„Anti-Stress-Paket“ > im Extranet der IG Metall – Rat und Tat

Weitere Informationen anfordern bei: [email protected]

Demografie und Altersstruktur:

Demografie und Altersstruktur (§ 92 BetrVG)

Arbeitsplätze, die krank machen und fehlende Ausstiegsmöglichkeiten in die Rente – das istheute die Realität. Mit der Kampagne „Gute Arbeit – gut in Rente“ macht die IG Metall dieseMissstände zum Thema: www.gut-in-rente.de

Materialhinweise: Themenheft der IG Metall-Kampagne Arbeit: sicher und fair! „Alternsgerechtes Arbeiten und demografischer Interessenausgleich“ – Regelungen zur alterns-und altersgerechten Arbeitsgestaltung, Personalpolitik und Gesundheitsförderung“

Weiterbildung:

Aus- und Weiterbildung (§ 92 i.V.m. § 96 BetrVG)

Der gegenwärtige und künftige betriebliche Bildungsbedarf kann unter Einbeziehung von gleich-stellungspolitischen Aspekten genutzt werden. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit derPersonalentwicklungsplanung, deren Aufgabe es ist, Bildungsmaßnahmen für die Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer zu planen und durchzuführen.Der Tarifvertrag Qualifizierung bietet ebenfalls gute Möglichkeiten, berufliche Aus- und Weiter-bildungsmöglichkeiten zu vereinbaren und dies gezielt für die Förderung von Arbeitnehmerinnenzu nutzen.

Materialhinweise:Broschüre „Betriebliche und tarifliche Instrumente zur Durch- und Umsetzung betrieblicher Per-sonalentwicklung und Aus- und Weiterbildung“; IG Metall, FB Betriebs- und Branchenpolitik > imExtranet der IG Metall

Broschüre „Horizonte erweitern – Perspektiven eröffnen“ – Weiterbildungsmöglichkeiten für Be-schäftigte, IG Metall, Ressort Angestellte, IT, Studierende > im Extranet der IG Metall

SCHLAGLICHTER ZUR GLEICHSTELLUNGSPOLITIK/HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR UNTERNEHMEN UND BETRIEBSRÄTE 17

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen18

Arbeitszeitgestaltung:

Arbeitszeitgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)

Die IG Metall fordert, dass die Arbeitszeiten sich stärker als bisher an den Wünschen und Bedürf-nissen der Beschäftigten orientieren. Mehr Zeitautonomie und eine bessere Balance von Arbeitund Leben sind das Ziel.

Materialhinweise : (alle im Extranet der IG Metall)

Themenheft der IG Metall-Kampagne Arbeit: sicher und fair! Arbeitszeit gestalten: Fakten – Hintergründe – Vorgehen

„Der Arbeitszeit-TÜV“

Arbeitshilfe zur Schichtplangestaltung

„Meine Arbeit – meine Zeit – mein Leben“ – Arbeitszeitpolitische Herausforderungen undGestaltungshinweise

Vereinbarkeit von Arbeit und Leben:

Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b BetrVG)

In vielen Betrieben besteht dazu noch Regelungsbedarf. Planbare Arbeitszeiten gehören ebensodazu wie an den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtete Unterstützung bei Kinderbetreu-ung und Pflege – dazu brauchen die Beschäftigten verbindliche Ansprüche.

Materialhinweise: Themenheft der IG Metall-Kampagne Arbeit: sicher und fair! Vereinbarkeit von Arbeit und Leben:Fakten – Hintergründe – Beispiele

Handlungshilfe für Betriebsräte und Vertrauensleute: Broschüre Vereinbarkeit von Beruf und Familie, IG Metall Vorstand, August 2012

„Good-Practice-Beispiele“ der Projekt-Betriebe im ESF-Projekt Gleichstellen der IG Metall

www.extranet.igmetall.de (Praxis – Rat+Tat – Vereinbarkeit Beruf und Familie)

Klimaindex Vereinbarkeit: www.klimaindex-vereinbarkeit-igmetall.de(Beschäftigte können die Familienfreundlichkeit ihres Betriebes bewerten und Verbesserungs-maßnahmen mit dem Betriebsrat entwickeln)

Gleichstellungsberichte einfordern:

Gleichstellungsbericht des Arbeitgebers (§ 43, Abs.2 BetrVG)

Auf Grundlage des § 43 Abs. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber auf der nächsten Betriebs-versammlung (bzw. 1 Mal im Jahr) einen strukturierten Bericht zur Gleichstellung von Frauen undMännern im Betrieb liefern. Der Betriebsrat kann das Thema einfordern. Ein speziell entwickelterGleichstellungscheck erlaubt dem Betriebsrat einen geschlechterdifferenzierten Blick auf diePersonalstruktur und einen systematischen Blick auf die gleichstellungspolitische Situation im

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Betrieb. Hierzu bedarf es allerdings geschlechterdifferenzierter Daten, die der Arbeitgeber demBetriebsrat zur Verfügung stellen muss. Auf Grundlage des Gleichstellungschecks kann der Betriebsrat ein Kriterienpapier für den Arbeitgeber entwickeln, um Fragen und Anforderungen zuverdeutlichen. Die Berichterstattung auf einer Betriebsversammlung bewirkt, dass auch dieBelegschaft in die betriebliche Diskussion einbezogen wird.

Materialhinweise: Informationen zur Erstellung eines Kriterienpapiers sowie zum Gleichstellungscheck sind [email protected] einzuholen

Bildung von Gleichstellungs- und/oder Diversityausschüssen:

Nur eine sehr geringe Zahl der Betriebsratsgremien hat einen Gleichstellungs-/oder Diversity-ausschuss. Die Etablierung solcher Ausschüsse trägt viel dazu bei, die Kolleginnen und Kollegenim Betrieb für die Fragestellungen und vielen Aspekte der Gleichstellung zu sensibilisieren. Daszeigen die Good-Practice-Beispiele, die es bereits gibt. Für diese Arbeit wirkt eine nach Geschlechtern differenzierte Datenlage unterstützend, denn dann haben Betriebsräte Fakten inder Hand, mit denen sie argumentieren können.

Personalentwicklung beeinflussen:

Personalentwicklung/Nachwuchsrekrutierung/Maßnahmen der Berufsbildung (§ 92 BetrVG)

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Personalplanung können gezielt genutztwerden, um den Frauenanteil im Betrieb, in Betriebsbereichen zu steigern und berufliche Auf-stiegsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen. Frauenförderpläne gehören zum Bereich der Quali-fizierung und damit zur Personalentwicklungsplanung.

Entgeltlücke im Betrieb analysieren:

Entgeltgleichheit und Eingruppierung (§87 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG)

Die IG Metall bietet seit 2012 Unterstützung im Rahmen der Initiative „Auf geht’s – Faires Entgeltfür Frauen“ an. Teilnehmende Betriebsratsgremien werden in Form von Informationsmaterialien,spezifischen Rechtsbausteinen und Seminaren bei der Umsetzung einer geschlechterdifferen-zierten Entgelt-Analyse begleitet. Betriebsräte haben das Recht, geschlechterspezifische Ent-geltdaten einzufordern und können diese analysieren.

Materialhinweise:Ansprache-Flyer „Faire Bezahlung für Frauen“ (Initiative der IG Metall: „Auf geht’s – Faires Entgeltfür Frauen“ und Rechtsbaustein „Faires Entgelt“ -> Extranet der IG Metall -> Praxis – Rat – Gleichstellung)

Weitere Informationen zur Umsetzung anfordern: [email protected]

SCHLAGLICHTER ZUR GLEICHSTELLUNGSPOLITIK/HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR UNTERNEHMEN UND BETRIEBSRÄTE 19

3_igm_br_schlaglichter_gs.qxp 29.08.2013 16:58 Uhr Seite 19

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Thesenpapiere

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Gleichstellungspolitische Heraus-forderungen in den Unternehmen der Autohersteller

Das vorliegende Thesenpapier ist eine Zusammenfassung der Ergebnissevon fünf Expertinnengesprächen (z.T. mit mehreren Personen), die in 2011und 2012 geführt worden sind.

Entlang zentraler (gleichstellungspolitischer) Herausforderungen in der Bran-che sind die Aussagen der Expertinnen und Experten zusammengefasstund daraus gleichstellungspolitische Thesen abgeleitet.

4_igm_br_thesenpapiere_gs.qxp 29.08.2013 17:05 Uhr Seite 23

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen24

Exkurs: Statistische Daten und Trends bei den Auto-herstellern

Die Automobilhersteller-Industrie hat in Deutschland eine hohebeschäftigungspolitische Bedeutung. In der Branche selbst warenEnde 2010 rund 400.000 Menschen beschäftigt, 12% waren weib-lich. Die Zahl und der Anteil der weiblichen Beschäftigten hattenzwischen 2009 und 2010 leicht zugenommen. Insgesamt werdender Branche aus Beschäftigungssicht weiterhin gute Entwicklungenin Aussicht gestellt. Auch die Frauenbeschäftigung entwickelt sichnicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ gut. Dies lässt sich an-hand folgender Punkte festmachen:

Altersstruktur, Ausbildungs- und Nachwuchszahlen: Betrachtetman die Nachwuchszahlen und Ausbildungsanteile von Frauen,sind in der Automobilhersteller-Industrie gute Entwicklungen zubeobachten. Der Anteil der Frauen an den Auszubildenden liegtmit rund 21% deutlich über dem Gesamtfrauenanteil der Branche.Insgesamt haben die Belegschaften der Autohersteller-Unterneh-men sehr gute Nachwuchszahlen und ein sehr junges Durch-schnittsalter. Bei den Frauen ist jede 6. Beschäftigte (rund 15%)unter 25 Jahren. Etwa 39% aller weiblichen Beschäftigten sindunter 35 Jahre, 55 Jahre oder älter sind hingegen nur rund 8% derFrauen.

Befristungen: Befristungen sind unter weiblichen Beschäftigtenrückläufig, bei gleichzeitigem Beschäftigungsaufbau. Das heißt,dass in der Automobilhersteller-Industrie für Frauen unbefristeteund damit langfristig relativ sichere Arbeitsverhältnisse entstehen.Männer sind etwas stärker von Befristungen betroffen als Frauen,wobei diese Beschäftigungsform für beide Geschlechter nicht son-derlich stark ausgeprägt ist.

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse: Mini- und Midijobs sindin der Automobilhersteller-Industrie klare Randerscheinungen(2010: 1.700 Beschäftigte in diesen Arbeitsformen insgesamt).Mehrheitlich arbeiten Männer auf Mini- oder Midijob-Basis (rund60% Männeranteil in dieser Gruppe).

Verteilung von Führungspositionen: Eine gleichberechtigte Teil-habe an Führungspositionen ist in der Automobilhersteller-Indus-trie scheinbar formal gegeben. Gemessen an der Gesamtheit dermännlichen wie weiblichen Beschäftigten, sind prozentual genausoviele Frauen in Leistungsgruppe 1 eingestuft wie Männer. In Leis-tungsgruppe 2 ist der Anteil bei den Frauen sogar leicht höher alsbei den Männern. Allerdings sind aufgrund der insgesamt geringenZahl an Frauen in der Branche auch wenige Frauen in Führungs-positionen „sichtbar“. Männer bilden in diesen Positionen immernoch die große Mehrheit. Wichtig ist auch der Blick auf qualitativeFaktoren, z.B. in welchem Arbeits- und Aufgabenbereich weiblicheund männliche Führungskräfte eingesetzt sind und welche Stel-lung diese innerhalb des Unternehmens haben. Dass es hier trotzgleicher Teilhabe Unterschiede geben könnte, darauf weisen auchdie bestehenden Unterschiede im Einkommen hin.

Einkommensunterschiede: Einkommensunterschiede zwischenMännern und Frauen sind, im Vergleich zur Automobilzulieferer-Industrie wie auch dem Verarbeitenden Gewerbe insgesamt gering,aber dennoch vorhanden. Die Einkommensunterschiede liegen –über alle Einkommensgruppen hinweg – bei insgesamt „nur“ rund

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7%. Die hohe Tarifbindung und die starke Betriebsratsarbeit spielenhier u.a. eine Rolle. Dennoch zeigt sich, dass in den oberen Leis-tungsgruppen Einkommensunterschiede deutlicher ausgeprägtsind als in den niedrigen und auch, dass es ein deutliches Lohn-gefälle zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt.

Dennoch lässt sich unter diesen Aspekten betrachtet feststellen,dass sich die Situation von Frauen in der Automobilhersteller-Industrie relativ positiv gestaltet bzw. positiv entwickelt. Von einerfaktischen Chancengleichheit kann zwar noch nicht gesprochenwerden, allerdings sind bereits in vielen Bereichen gute Ausgangs-und Rahmenbedingungen vorzufinden.

Jedoch zeigen sich in einigen anderen Punkten deutliche Unter-schiede zwischen Frauen und Männern, die aus gleichstellungs-politischer Sicht als kritisch zu bewerten sind. Diese sind:

Qualifikation: Insgesamt zeigt sich, dass weibliche Beschäftigtein der Automobilhersteller-Industrie über ein gutes Qualifikations-niveau verfügen – gerade im Vergleich mit Frauen in der Automobil-zulieferer-Industrie. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegenist allerdings der Anteil der formal gering Qualifizierten deutlichhöher. Dieser Gruppe gilt es spezielle Aufmerksamkeit zu widmenund z.B. durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen Möglichkeitenfür berufliche Weiterentwicklung zu bieten.

Weiterbildungsaktivitäten: Frauen wie Männer sind in der Auto-mobilhersteller-Industrie zwar gleich „stark“ aktiv, wenn es umdas Thema Weiterbildung geht. Allerdings partizipiert nicht ein-mal jede(r) fünfte Beschäftigte der Branche an Weiterbildungen,was als schlechte Voraussetzung für lebenslanges Lernen gewertetwerden muss.

Speziell betriebliche Weiterbildungen kommen eher Männern alsFrauen zuteil, auch wenn diejenigen Frauen, die an betrieblicherWeiterbildung partizipieren, dies mit einem wesentlich höherenStundenvolumen tun, als ihre männlichen Kollegen. Gerade vordem Hintergrund, dass die Gruppe der formal gering Qualifiziertenunter Frauen wesentlich größer ist als unter Männern, ist dies negativ zu bewerten. Studien belegen, dass gerade diese Be-schäftigtengruppe seltener in Weiterbildung berücksichtigt wird,was indirekt auch eine Gefährdung der Arbeitsplatzsicherheit dar-stellt.

Unter dem Aspekt steigender Anforderungen sowie des notwendigenAuf- und Ausbaus bereits vorhandener Beschäftigtenpotenzialeist Weiterbildung insgesamt in der Branche stärker voranzutreiben.

Teilzeit: Teilzeittätigkeit ist eher eine Frauendomäne. Auch in derAutomobilhersteller-Industrie. Deutliche Unterschiede in der Nut-zung von Teilzeit zeigen sich jedoch zwischen alten und neuenBundesländern. In den alten Bundesländern ist mit 21,3% mehr alsjede fünfte Frau in Teilzeit tätig, in den neuen Bundesländern nichteinmal jede zehnte Frau (7,1%). Von den männlichen Beschäftigtenarbeiten nicht einmal 2% in Teilzeit.

Teilzeitarbeit spielt bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Lebeneine große Rolle und ist deshalb für viele weibliche Beschäftigtevon großer Bedeutung. Allerdings hat Teilzeitbeschäftigung einenambivalenten Charakter. Nicht nur, weil sich hierdurch Hinder-

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOHERSTELLER 25

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nisse in Bezug auf Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeitenergeben, sondern auch, weil sie die finanzielle Absicherung im Alter negativ beeinflusst (niedrigere Renten). Aus diesem Grundist die hohe Zahl bzw. der hohe Anteil an weiblichen Teilzeitbeschäf-tigten – gerade in den alten Bundesländern – kritisch zu betrach-ten.

Neue Technologien und Produktionsweisen – Qualifi-zierung rückt in den Fokus

Technologische und ökologische Innovationen sind bereits seitlängerer Zeit Themen in der Automobilhersteller-Industrie, diestetig vorangetrieben werden. Bereits seit mehreren Jahren wirdvon diversen Automobilherstellern im Bereich neuer Motortechno-logien geforscht und entwickelt (Stichworte: Elektromobilität, Hy-bridantrieb etc.).

Allerdings wird es in naher Zukunft keine Ablösung der alten Tech-nologien durch neue geben. Vielmehr werden sowohl alte als auchneue Technologien weiterentwickelt. So gibt es sowohl bei Brenn-stoffmotoren als auch im stahlbasierten Karosseriebau noch Ver-besserungspotenzial. Bei den neuen Motorentechnologien geht esvor allem darum, die Gewichtsnachteile auszugleichen, die gegen-über den Brennstoffmotoren bestehen.

Das Produktionsvolumen vorhandener und innovativer Automobil-technologien wird sich deshalb nur sehr langsam und schrittweisewandeln – trotz steigendem ökologischem Bewusstsein und auchentsprechenden Auflagen in einigen Ländern.

Einflüsse auf die Beschäftigung werden in qualitativer Hinsicht er-wartet. So verändern sich durch die Einführung neuer Technologien

Qualifikations- und Anforderungsprofile. Verstärkt werdenBeschäftigte mit Berufsabschlüssen in den Sparten Che-mie, Textil (zur Herstellung von Kunststoffkarosserien mussMaterial gewebt werden) sowie Hochvoltelektronik benö-tigt.

Aus den neuen Produktionsweisen ergibt sich künftig einestarke Verschränkung der beteiligten Branchen: IT, Auto-motive, Chemie, Textil – und Energieerzeugung. Das wirdzum Aufbau neuer Fertigungsbereiche in der einen undAbbau von Fertigungsbereichen in der anderen Brancheführen. „Das Forschungsvorhaben „E-Lab“ der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) untersucht derzeit die beschäf-tigungspolitischen Auswirkungen der Elektromobilität aufeine klassische Motorenfabrik (Daimler, Wörth). Hier gibtes Szenarien, die keinen dramatischen Beschäftigungs-abbau prognostizieren, allerdings gibt es noch keine Ein-schätzung über die Auswirkungen auf die Frauenbeschäf-tigung. Die verstärkte Nutzung von technischen Textilien(„Webtechniken“) könnte für die Stärkung von Frauen-

beschäftigung in der Textilindustrie sprechen.“ (UM, PW, MT DaimlerWest).

Bei Daimler am Standort Marienfelde in Berlin wurde vor dem Hin-tergrund der innovativen Entwicklungen eine Betriebsvereinbarung(BV) abgeschlossen, in der festgelegt ist, dass der neue E-Motor,wenn er in Serie geht, am Standort produziert wird und sich somiteine neue, zukunftsweisende Antriebssparte am Standort etabliert.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen26

These: Frauenbeschäftigung und neue Tech-nologien und Produktionsweisen

Bislang gibt es keine Szenarien zur Entwicklungder Frauenbeschäftigung in neuen Fertigungs-bereichen (z.B. Elektromobilität, Kunststoff-gestelle). Hier gilt es, Szenarien zu entwickelnum Grundlagen für entsprechende gleichstel-lungspolitische Strategien zu haben.

Die neuen Fertigungsabläufe, und damit dieQualifikationsanforderungen, können für eineverstärkte Frauenbeschäftigung genutzt wer-den. Dazu müssen Vereinbarungen darübergetroffen werden, wer an den (neuen) Quali-fizierungen teilnimmt und darüber, wie Frauenin den neuen Ausbildungsberufen gefördert wer-den können.

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Die Qualifikationsanforderungen an einen Teil der Beschäftigtenwürden sich hierdurch ändern. In der BV ist daher festgelegt, dassdie Belegschaft für die neue Produktion qualifiziert wird, damitderen Beschäftigungsfähigkeit erhalten bleibt.

Globalisierung – Arbeitsmobilität steigt weiter

Die globale Aufstellung der Autohersteller schreitet weiter voran.Hintergrund sind stagnierende Absatzzahlen in Europa und stei-gende Absatzahlen in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Know-How-Transfer und der Aufbaukompletter Wertschöpfungsketten, einschließlich Forschungund Entwicklung (FE) in diesen Absatzmärkten, gehen da-mit einher. Insbesondere Länder wie China stellen zudemdie Anforderung, dass inländische Unternehmen an der Pro-duktion beteiligt werden müssen. Diese Entwicklung führtebislang zu einer Stärkung der Automobilhersteller in Deutsch-land. Der Beschäftigungsaufbau außerhalb Deutschlandsgeht nach Aussage der Autohersteller auch künftig nicht miteinem Abbau der Beschäftigung in Deutschland einher.Das Beschäftigtenvolumen soll weiterhin auf dem gleichenStand bleiben. Der Druck auf die deutschen Standorte,ihren Wissensvorsprung und ihren Innovationsvorsprungzu halten, wird jedoch höher.

Es wird festgestellt, dass die Anforderungen an die (inter-nationale) Mobilität vieler Beschäftigter gestiegen sind.Das betrifft Reisetätigkeit, Auslandsaufenthalte sowie diezeitliche Verfügbarkeit für die Kommunikation am frühenMorgen oder späten Abend.

„Problematisch wird die Anforderung an Reisetätigkeitenund Mobilität, wenn Beschäftigte Familienpflichten wahr-nehmen. Bei längeren Auslandsaufenthalten beispiels-weise steht die Frage im Raum, inwiefern die Partnerin oder derPartner einen Arbeitsplatz dort finden und wie die Kinder unter-gebracht werden können“, so ein Betriebsratsmitglied eines Auto-mobilherstellers. Insgesamt muss bei dem Thema Mobilitätmitbestimmungspolitisch noch mehr Aktivität entwickelt werden,um den Ansprüchen der Unternehmen etwas entgegensetzen zukönnen.

Tätigkeitsbereiche von Frauen in der Autohersteller-industrie – Traditionen leben noch

Im Bereich Forschung und Entwicklung (FE) gibt es bislang sowenige Frauen, dass es noch keine Einschätzungen zu möglichengeschlechtsspezifisch geteilten Tätigkeitsbereichen gibt. Fest-gestellt werden kann, dass sie selten in Führungspositionen sind.Es zeichnet sich jedoch mindestens künftig ein ernsthaftes Pro-blem für Ingenieurinnen und Ingenieure mit Kindern ab. Da diesezum einen eher in der Mobilität eingeschränkt sind und zum anderen ihre Qualifizierung ggf. nicht mit dem InnovationstempoSchritt hält, weil sie weniger Zeit investieren können. Hierdurchkönnte zumindest für die beruflichen Entwicklungsoptionen einneues Ausschlusskriterium entstehen.

Im Produktionsbereich haben die Männer oftmals höherwertigeTätigkeiten (qualifizierte Facharbeit), z.B. „Nacharbeit“. Der sach-liche Grund hierfür ist bislang unklar, da ausreichend Frauen

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOHERSTELLER 27

These: Frauenbeschäftigung und Globalisierung

Der Fortschritt der globalisierten Produktionführt zu hohen Mobilitätsanforderungen undder Einschränkung der Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben. Deswegen besteht in diesemarbeitspolitischen Handlungsfeld großer Regu-lierungs- und Veränderungsbedarf. Es muss ver-stärkt begrenzende Regelungen und verändertekulturelle Standards geben. Dies insbesonderebezogen auf die Mobilitätsansprüche der Un-ternehmen, da Beschäftigte ansonsten die Ver-einbarkeit von Arbeit und Leben schwer reali-sieren können. Darüber hinaus sind für die „mobilen Beschäf-tigten“ zeitlich und organisatorisch bessereRahmenbedingungen notwendig. Z.B. ein ange-messener zeitlicher bzw. arbeitsorganisatori-scher Ausgleich (Stichworte:Reisezeiten/Arbeits-volumen am Heimat-Standort).

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durchaus die notwendige Qualifikation dafür haben. Hier mussweiter nachgehakt werden, um die Gründe zu klären und entspre-chend gegensteuern zu können. Es ist zudem in den letzten Jah-ren in Unternehmen deutlich geworden, dass junge Männer, dieschlechtere Ausbildungsabschlüsse als die gleichaltrigen Frauen

haben, eher in den höherwertigen Arbeitsbereichen, wiez.B. Betriebsmittelbau, eingesetzt werden. Daraus ergibtsich gleichstellungspolitischer Handlungsbedarf.

Eine Frauendomäne sind nach wie vor die kaufmännischenAngestelltenbereiche, wie Sekretariat, Teamassistenz, etc.Diese haben sich in den vergangenen Jahren allerdingsstark gewandelt. Unter anderem aufgrund der Auslagerungvon standardisierten Aufgaben. Hier ist festzustellen, dasses weniger klassische Sekretariatsarbeit und vielmehr viel-fältige und anspruchvollere Aufgaben und Verantwortlich-keiten gibt. Es wird jedoch, bezogen auf die Eingruppierung,vielfach nicht das reale Aufgabenspektrum, sondern auchdie Hierarchieebene der Vorgesetzten bewertet. In einemUnternehmen sind im Umgang mit dieser Problematik interessante Entwicklungen zu beobachten:

„Eine Reihe von Abteilungsleitungen haben die Vorzimmer-planstellen halbiert und die andere Hälfte als Sachbear-beitungsstelle eingruppiert. Damit wird die Kollegin aufder Stelle als Sachbearbeiterin geführt und kommt in einehöhere Entgeltstufe. Zudem ist eine andere Entgeltent-wicklung möglich, da sich das Entgelt dann an den realenTätigkeitsprofilen orientiert (und nicht an der Hierarchie-stufe des Vorgesetzten). Für die Abteilung ergibt sich derVorteil, dass auch andere Tätigkeiten gemacht werden

können. Dies ist ein interessanter Ansatzpunkt im Umgang mit derbestehenden Eingruppierungs- und Entwicklungsproblematik inden Berufsfeldern Sekretariat, Teamassistenz, etc., der weiter ver-folgt werden kann. Es könnte durchaus eine positive Entwicklungim Sinne der Gleichstellung sein, wenn z.B. Bürokauffrauen damitin bessere berufliche Entwicklungslaufbahnen kommen können.Schlecht wäre es, wenn sich die Stelle aufteilt in Aufgaben für höher qualifizierte (männliche) Fachkräfte (z.B. Bachelor) und Bü-rogehilfinnen mit einfachen Tätigkeiten (z.B. Telefonate führen)“,so eine Betriebsrätin.

Bei einem anderen Autohersteller wird die Umwidmung in Sach-bearbeitungspositionen dahingegen konsequent abgelehnt.

Prekäre Beschäftigung 1 – Leiharbeit wird nicht über-all gesehen

Der Umgang mit steigender Leiharbeit ist für alle Autohersteller in der Produktion ein Thema und es gibt gute Strategienzur Bewältigung der Herausforderungen. Leiharbeit ist be-zogen auf die Produktion stark männlich geprägt. Sowohldie IG Metall als auch zahlreiche Betriebsratsgremien wirken aktiv dahin, dass es hier gleichwertige Arbeits-bedingungen und Übernahmen in unbefristete Beschäfti-gung gibt. Damit bietet die Leiharbeit im Produktions-bereich auch einen Fachkräftepool, jedoch werden ggf.festgelegte Zielkorridore für die Frauen in der Produktionunterlaufen.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen28

These: Frauenbeschäftigung in spezifischenTätigkeitsbereichen

Frauen in der Forschung und Entwicklung sindderzeit noch Einzelfälle. Da dieser Beschäf-tigungsbereich jedoch wächst, gilt es auchhier ein Monitoring zu entwickeln, um frühzei-tig Fehlentwicklungen zu erkennen, z.B. beider Teilnahme an Qualifizierungen. Im Produktionsbereich gibt es deutliche Gren-zen für Frauen, was qualifizierte Facharbeitangeht. Hier hat sich in den letzten Jahrenwenig geändert, obwohl mehr junge Frauenqualifizierte Ausbildungsabschlüsse haben.Die Beobachtung und Begleitung der Entwick-lung von Frauen muss daher verstärkt werden,um die Barrieren genauer bestimmen und da-mit beheben zu können. Frauen dominierennach wie vor die kaufmännischen Angestell-tenbereiche (Sekretariat, Teamassistenz, etc.)Deren veränderte und gewachsene Aufgaben-profile werden jedoch nicht adäquat wahr-genommen, was sich auch in der Einordnungin den Entgeltgruppen widerspiegelt.

These: Frauenbeschäftigung und LeiharbeitIn der produktionsnahen Leiharbeit gibt es nurwenige Frauen. Die (geregelte) Übernahme vonLeiharbeitskräften wirkt sich deshalb negativauf den Frauenanteil in der Produktion aus undunterläuft letztlich so auch die Erhöhung (beivorhandenen Zielvereinbarungen) der Frauen-beschäftigung in der Produktion. Hier gilt es,neue Reglungen zu finden.

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Bei einzelnen Autoherstellern bzw. Standorten werden aufgrunddes Fachkräftemangels zunehmend auch Leiharbeitskräfte in Bürobereichen eingesetzt. Hierbei sind vor allem Frauen betroffen,die schlechter entlohnt werden. Es gibt aber auch Leiharbeits-kräfte im unternehmenseigenen Gastronomiebereich. In diesenBereichen sind die betrieblichen Regelungen zum Thema „Leih-arbeit“ schwächer als im Produktionsbereich. Das liegt u.a. daran,dass diese Arbeitsbereiche bei den bisherigen Verhandlungenweniger im Fokus standen.

Prekäre Beschäftigung 2 – Werkverträge wachsen anund sind schwer zu kontrollieren

Im indirekten Bereich ist festzustellen, dass Werkverträge zuneh-men, beispielsweise bei IT-Dienstleistungen. Viele kaufmännischeTätigkeiten werden zudem delegiert auf Ingenieure etc., die wie-derum Hilfstätigkeiten über Werkverträge vergeben und damiteine Reihe von externen Beschäftigten führen (koordi-nieren und steuern) müssen. Das sind einerseits Arbeits-plätze, die bislang oftmals von Frauen besetzt wurden,aber auch Arbeitsplätze, die leistungsgewandelte Beschäf-tigte besetzen konnten. In der Entwicklung und Planungsind z.B. unterstützende Konstruktionstätigkeiten ver-lagert worden (z.B. Datenablage, Unterlagen erstellen, koordinierende Tätigkeiten). Der Abbau von Frauen-beschäftigung in indirekten Bereichen geht einher mit derErhöhung der Menge an Werkverträgen.

Der Betriebsrat erhält über Umfang und Ausmaß der überWerkverträge geregelten Beschäftigungsverhältnisse aller-dings oftmals keine belastbaren Daten. Personalplanungensollten deshalb aktiv eingefordert und gesichtet werden.Auch über Zutrittsberechtigungen sowie Fremdvergabe-budgets kann aktiv diskutiert werden. Die IG Metall bietetSchulungen für Betriebsräte zum Umgang mit vermehr-ten Werkverträgen im Betrieb an, um ein strategischesUmgehen von Mitbestimmungsrechten und Tarifverträgenzu verhindern.

Fachkräftesicherung 1 – hochqualifizierte Beschäftigte sind rar und gefragt

Es gibt bei den Autoherstellern eine Verschiebung der Beschäftig-tenstruktur hin zu hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern im Engineering und weg von einfachen Tätigkeiten inProduktion und Verwaltung. Das wird den Frauenanteil in den Unternehmen weiter absenken, da es sehr wenige Frauen in deneinschlägigen Studiengängen gibt, die rekrutiert werden könnten.

Für hochqualifizierte Frauen ist die Automobilbranche offensicht-lich als Arbeitgeber noch nicht attraktiv genug. Das liegt unter ande-rem an den Arbeitsbedingungen, z.B. der schwierigen Vereinbarkeitvon Beruf und Familie aufgrund der hohen Mobilitätsansprüche.Die überlangen Arbeitszeiten in den Entwicklungsbereichen sorgenebenfalls für eine geschlechtsspezifische Segregation, da diesFrauen oftmals stärker abschreckt als Männer.

Vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs im hochqualifiziertenSpektrum bemüht sich beispielsweise Daimler, die Vereinbarkeit

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOHERSTELLER 29

These: Frauenbeschäftigung und Werkverträge

In den vergangenen Jahren wurde eine Reihevon verwaltenden Tätigkeiten bei den Auto-herstellern ausgelagert. Damit sind u.a. tarif-lich gut geregelte Arbeitsmöglichkeiten in typischen Frauenbereichen abgebaut und inBranchen verlagert worden (z.B. Call-Center,Catering, etc.), die oftmals schlechtere Ar-beitsbedingungen bieten. Darüber hinaus wer-den auch im Bereich der hochqualifiziertenBeschäftigten zunehmend Werkverträge ver-geben.Bei Werkverträgen greifen unternehmensinterneRegelungen zur Chancengleichheit nicht, wasauch zu einer Verringerung des Frauenanteilsbzw. schlechteren Arbeitsbedingungen führenkann. Ein Vorschlag ist, bei der Vergabe vonWerkverträgen Mindestforderungen an die Sub-unternehmen zu stellen, wie z.B. die Tarif-bindung.

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von Arbeit und Privatleben für hochqualifizierte Beschäftigte stär-ker zu berücksichtigen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dassdie Ansprüche der Hochschulstudierenden sich verändert haben:sie wollen stärker eine Vereinbarkeit von Arbeit und Privatlebenund stellen diese Forderung auch an den potenziellen Arbeitgeber.

Hier geht es vor allem um die flexible mobile Arbeit. Es solldie Möglichkeit geben, an einem beliebigen Ort zu arbeiten,ohne große hierarchische Hürden überwinden zu müssen.Daimler hat in diesem Sinne 2011 eine Betriebsverein-barung (BV) „Mobiles Arbeiten“ abgeschlossen. Hier kannin direkter Absprache mit dem Vorgesetzten flexible Heim-arbeit festgelegt werden. Diese neue Regelung wäre voreinigen Jahren so undenkbar gewesen. Auch der Umgangmit dem Thema „Führung in Teilzeit“ hat sich geändert, istflexibler geworden.

Daimler und Volkswagen haben zudem ihre Rekrutierungs-strategien für hochqualifizierte Frauen deutlich ausgebaut.Beispielsweise gibt es ein Doktorandinnen-Programm zusammen mit einer Universität. Es gibt zudem Entwick-lungsgespräche für Potenzialträgerinnen, die bereits imUnternehmen arbeiten. Es gibt weiterhin ein Programm zurKarriereentwicklung (Women- Career-Days) für Sachbear-beiterinnen. Zudem verfolgt Daimler das „sportliche“ Ziel,2020 rund 20% Frauen in Führungspositionen zu haben.

Ein weiteres Thema in dem Zusammenhang ist die Selbst-darstellung vieler Automobilhersteller-Unternehmen, zum

Beispiel bei Stellenanzeigen. Hier sind die Ausführungen sehrmännerdominiert.

Aus dem Mangel an bestimmten hochqualifizierten technischenFachkräften ergibt sich derzeit eine neue Rekrutierungsstrategiein den Unternehmen: Der Fachkräftemangel im Engineering wirddurch den Lift-Effekt aus der Facharbeiterebene ausgeglichen.Das bedeutet, die Engineering-Tätigkeiten werden ausdifferenziertund qualifizierte Fachkräfte aus dem gewerblich-technischen Be-reich für einzelne Ingenieurstätigkeiten qualifiziert. Eine wichtigeFrage in dem Zusammenhang ist, wie viele Meisterinnen/Meisterund Technikerinnen/Techniker momentan unter ihrer Qualifikationarbeiten. Auf diese Beschäftigtengruppe müssen die Unterneh-men den Fokus legen, um ihre Potenziale zu heben. Im Produk-tionsbereich bei Daimler in Sindelfingen gibt es beispielsweisesehr viele Frauen, die eine Meisterausbildung haben, aber nichtals solche eingesetzt werden.

Fachkräftesicherung 2 – weibliche gewerblich-technische Fachkräfte sind eingeschränkt in den Entwicklungsoptionen

Die Autohersteller sind insgesamt auf einem guten Weg bezogen aufden Anteil junger Frauen in der gewerblich-technischen Ausbildung.Hier fand in den letzten Jahren eine deutliche Steigerung des Frauen-anteils statt. Bei Volkswagen wie auch bei anderen Autoherstellernwird einiges gemacht, z.B. Girl’s Day und Berufserlebnistage.

Auch die Begleitung der jungen Frauen in der Ausbildung spielteine Rolle. Volkswagen bietet beispielsweise „KICK“ an. Mit demProgramm „KICK“ werden junge Frauen in der Ausbildung in gewerb-lich-technischen Berufen zum beruflichen Aufstieg ermutigt.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen30

These: Fachkräftesicherung 1 – hochqualifizierte Frauen

Der Anteil der hochqualifizierten Beschäftig-ten wird sich erhöhen. Frauen werden bislangwenig angesprochen, was an der geringenZahl an Bewerbungen zu erkennen ist. Dahergilt es, hier verstärkt Augenmerk darauf zu legen. Die Rekrutierungsstrategien für Frauenmüssen deutlich ausgebaut werden. Dazu gehört auch die Gestaltung der Arbeitsbedin-gungen (Mobilität, Arbeitszeiten, unterstüt-zende Serviceangebote), aber auch die An-sprache und Motivation von jungen Frauen(z.B. über duales Studium) für technische Studiengänge. Darüber hinaus gilt es, neueAufgabenprofile im Ingenieursbereich für quali-fizierte Fachkräfte aus dem gewerblich-tech-nischen Bereich gleichstellungspolitisch zubegleiten und damit Qualifikationswege fürFrauen zu eröffnen.

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Eine offene Frage ist bislang, ob die jungen Frauen im gewerblich-technischen Bereich bleiben und wie sie sich mit ihrer Fachaus-bildung dort entwickeln können. Es gibt Hinweise darauf,dass dies problematisch ist. In einem Unternehmen wurdedazu eine Untersuchung gemacht. Dabei wurde festgestellt,dass die Übernahme von der Montage in eine Facharbeiter-position jungen Männern schneller gelingt als jungenFrauen im Betrieb. Hier funktionieren scheinbar noch die„Männernetzwerke“ auf Meisterebene, die junge Männerstärker fördern. Hier können Unternehmen noch stärkermit Zielvorgaben arbeiten.

Bei einigen Autoherstellern gibt es ein „Meisterinnen-Mentoring“. Hierbei handelt es sich um ein Entwicklungs-programm für Facharbeiterinnen mit dem Ziel, den Meis-terinnenanteil zu erhöhen. Trotz der Erhöhung des Meis-terinnen-Anteils ist jedoch auch bekannt, dass eine Reihevon Frauen mit dieser Qualifikation bislang nicht in dieserPosition arbeiten und die betroffenen Unternehmen damitPotenziale vergeben.

Fachkräftesicherung 3 – Teamassistenz bislang nicht im Blick

Ein weiteres Problem zeichnet sich in manchen Regionen(z.B. Süd-West-Deutschland) ab: Der Mangel an Teamassis-tentinnen, zum Beispiel bei Daimler in Sindelfingen. Um dasProblem zu lösen, hat der Betriebsrat (BR) vorgeschlagen, die vor-handenen Qualifikationspotenziale im Unternehmen zu prüfen undattraktive Angebote zu machen bzw. eine Qualifizierung anzu-bieten, um den Bedarf an Fachkräften in diesem Arbeits-bereich durch interne Schulungen langfristig zu decken.Darüber hinaus ist es dringend notwendig, stärker in Aus-bildung zu investieren.

Fachkräftesicherung 4 – Frauen in Führungs-positionen als Unternehmensvision

Die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen istbei allen Autoherstellern wie auch in anderen Großunter-nehmen ein Thema. Bei Daimler und Volkswagen gibt esbeispielsweise vereinbarte Zielkorridore zur Erhöhung desFrauenanteils sowie ambitionierte Zielvorgaben. In be-stimmten Positionen und Berufsgruppen konnten auchZahl und Anteil der Frauen in Führung erfolgreich und deutlichgesteigert werden. Um einschätzen zu können, auf welchen Füh-rungsstufen bzw. Entwicklungsstufen sich Frauen vorrangig befinden, muss es ein differenziertes Monitoring geben, das Fehl-entwicklungen frühzeitig aufzeigt.

Die Tatsache, dass Frauen verstärkt in Führungspositionen kommen,kann jedoch auch dazu führen, dass die aktuell positive Stim-mung in Bezug auf die Förderung von Frauen in und für Führungs-positionen kippt. Es zeigen sich bereits Diffamierungen gegenüberbeförderten Frauen, die als „Quotenfrauen“ abqualifiziert werden.Um an dieser Stelle einen Kulturwandel zu fördern, hat ein Betriebsratdeshalb auf einer Betriebsversammlung deutlich gemacht, dassbei 1.200 Führungskräften die Zahl von 47 Frauen in Führungs-positionen immer noch keine wesentliche Einschränkung für dieBeförderung der Männer darstellt.

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOHERSTELLER 31

These: Fachkräftesicherung 3 – Teamassistenz

Die Fachkräftemobilisierung darf nicht nur dentechnischen Bereich, sondern muss auch auftypische Frauenarbeitsplätze in kaufmännischenAngestelltenbereichen (indirekter Bereich) aus-geweitet werden. Hier gilt es, die Wertschät-zung für diese Berufsbereiche (Sachbearbeitung,Teamassistenz, etc.) zu stärken, ausreichend Aus-bildungsplätze anzubieten und Entwicklungs-optionen zu eröffnen.

These: Fachkräftesicherung 2 – Frauen imgewerblich-technischen Bereich

Die Berufsorientierung von Mädchen für tech-nische Berufe muss weiter intensiviert werdenund noch früher (in der Grundschule) ansetzen.Die Begleitung der Ausbildung (vgl. z.B. Volks-wagen-Programm KICK) zur Berufswegeplanungist ebenfalls hilfreich für die Nachwuchsförde-rung. Zudem sind die Praxiseinsätze in derAusbildung kritisch zu begleiten, damit Frauennicht demotiviert werden. Der Verbleib der über-nommenen jungen weiblichen Fachkräfte istzu prüfen und ggf. Entwicklungshemmnisse zubeheben. Auch bezogen auf den Fachkräfte-mangel liegen hier derzeit Potenziale brach,die die Unternehmen besser nutzen könnten.In einigen Unternehmen gibt es Unterstützungfür Frauen, damit sie die Meisterausbildungabsolvieren; so kann einerseits der Frauen-anteil bei den Führungskräften in der Produk-tion, aber mittelfristig auch der Einstieg imEngineering-Bereich unterstützt werden.

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Hochqualifizierte Frauen werden auch bei Volkswagen aktiv geför-dert, da dies im Fokus des Unternehmens steht, also ein Vorstands-

beschluss ist, dem sich alle Abteilungsleitungen formalverpflichtet fühlen. Konkrete Projekte und Maßnahmen zurPersonalentwicklung für Frauen bei Volkswagen sind z.B.:Woman-driving.award (Wettbewerb für Ingenieurinnen);Mentoring: Seit 1998 bietet Volkswagen ein Mentoring-programm an, um den Anteil von Frauen im Managementsystematisch zu steigern.

Personalentwicklung für Frauen muss weiterdifferenziert und ausgebaut werden

Die sich schnell verändernden Anforderungen durch dentechnologische Wandel, die globalen Produktionszusam-menhänge sowie Umstrukturierungen und neue Prozesseerfordern in allen Berufsbereichen der Autohersteller lebens-langes Lernen. In diesem Sinne bieten die Unternehmenzahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten an. Es gibt zudemverstärkte Weiterbildungsbemühungen, damit qualifizierteFachkräfte (Meisterinnen und Meister/Technikerinnen undTechniker) Engineering-Aufgaben übernehmen können. Dasliegt u.a. an dem Fachkräftemangel für bestimmte Aufgaben-

bereiche im Engineering.

Maßnahmen bei Daimler, um generell die Weiterbildung von Beschäf-tigten zu fördern, ist die Integration des Themas in Leistungs-beurteilungsgespräche sowie die Einbindung im Rahmen einesFührungskräfteentwicklungsprogramms auf Sachbearbeiterebene,wo Potenzialanalysen Pflicht sind. Führungskräfte werden hier

aufgefordert, gezielt nach weiblichen Potenzialträgerinnenzu suchen und sie zu fördern. Auf Meisterebene gibt es beiDaimler die Bemühungen, mit Frauen in Kontakt zu treten,die ihre Meisterausbildung begonnen haben bzw. kurz vordem Abschluss stehen und sie beim Abschluss zu unter-stützen. Ziel ist es, sie zu ermutigen, ihre Karriere weitervoranzutreiben und auch wirklich als Meisterinnen eineentsprechende Position im Unternehmen einzunehmen.

Bei Volkswagen ist ein Ziel, neben der Unterstützung zurQualifizierung, Frauen nach der Elternzeit einen quali-fizierten Wiedereinstieg in ihren Tätigkeitsbereich zu er-möglichen. Unabhängig davon, wie lange die Elternzeitdauert. Hier geht es darum, dass nicht irgendein Arbeits-platz wieder besetzt wird, sondern dass die Frauen begleitetwerden in der Rückkehr und in neue Systeme (z.B. Soft-ware). Sie sollen eingearbeitet werden bzw. aktuelle Trendsund Entwicklungen vermittelt bekommen. Es gibt zudemdas Programm „Fokus“, in dem Frauen, die sich in derElternzeit qualifiziert haben (z.B. Betriebswirt, Fachwirt,Techniker), gezielt eingebunden werden. Es geht darum,dass Frauen ein adäquater neuer Arbeitsplatz angebotenwird. Dazu werden die externen Weiterbildungen stärker

an die Personalentwicklung bei Volkswagen angebunden. Dasheißt auf lange Sicht, dass Frauen, die Zeit und Geld investieren,besser beraten werden, so dass ihre Qualifizierung anschlussfähigist im Unternehmen. Das ist für Volkswagen eine bedeutsame per-sonalstrategische Frage für die Fachkräftegewinnung und -bin-dung.

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These: Frauenbeschäftigung und Personalentwicklung

Die aktuellen Branchentrends machen Qualifi-zierung zu einem wichtigen Teil der Personal-entwicklung für die Beschäftigten in den kom-menden Jahren. Hier gilt es, dass Frauen indie neuen Qualifizierungswege und -ansätzeausreichend integriert sind. Die Wertschät-zung vorhandener Qualifizierungsabschlüsse(auch solcher, die während der Elternzeit er-worben wurden) sowie die aktive Einbindungin die Personalentwicklung des Unternehmenssind zu stärken. Die Einbindung von Beschäftigten in Elternzeitsowie von Beschäftigten mit eingeschränktenZeitkapazitäten in Qualifizierungsmaßnahmenist bedeutsam. Auch hier sind Zielvereinbarun-gen und das Monitoring zentrale gleichstel-lungspolitische Instrumente (z.B. für Beschäftigtein Teilzeit, für Technikerinnen etc.)

These: Fachkräftesicherung 4 – Führungspositionen

Frauen sind nach wie vor seltener in Führungs-positionen zu finden (12% Frauen in der Bran-che). Hier gilt es, generell mehr Frauen in dieAutomobil-Branche zu bringen. Bei den Auto-herstellern gibt es hierzu bereits vielfältigeAktivitäten. Bedeutsam ist, dass in einem Moni-toring die zahlenmäßige Entwicklung nachvoll-zogen wird, um zu prüfen, welche Maßnahmengreifen. Zudem ist darauf zu achten, dass dieEntwicklungspfade für Frauen in den mittlerenFührungspositionen (zum Beispiel in der Pro-duktion) aktiv gestaltet werden. Die Gewinnungvon Frauen in Fach- und Führungspositionenhängt eng mit dem Thema Qualifizierung undder Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu-sammen.

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Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben ist ein zentraler Faktor fürdie künftige Fachkräftesicherung, insbesondere für die Erschließungvon Rekrutierungspotenzialen von Frauen als Fach- und Führungs-kräfte (s.o.). Ebenso bedeutend ist der Erhalt der Beschäftigungs-fähigkeit angesichts verstärkter Arbeitsverdichtung und Leistungs-druck. Die Autohersteller haben verschiedenste Arbeitszeitmodelle –die entscheidende Frage ist jedoch, was in der Praxis konkret verwirklicht wird. So ist die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten beiden Autoherstellern in der Produktion wie auch auf Führungs-positionen grundsätzlich möglich, aber nach wie vor kulturellnicht verankert und daher wenig gelebt.

Vor dem Hintergrund, dass Führungskräfte in ihren Teams mög-lichst optimale Arbeitskapazitäten haben wollen (und müssen),sind zwei Regelungen bei Daimler bedeutsam, wenn auchnoch nicht durchgängig gelebt: Die Stellenberechnungenentlang der sog. Echtzeitnormierung. Wenn lediglich„Köpfe“ gezählt werden, ist es für alle Arbeitsbereichesehr unattraktiv, Beschäftigte in Teilzeit zu nehmen bzw.solche Stellen auszuschreiben. Durch die Echtzeitnormie-rung ist zumindest formal eine andere Argumentationmöglich, da mit den real geleisteten Stundenanteilen dieBesetzung in den Abteilungen berechnet wird. Innovativist zudem ein Beschluss des Vorstandes bei Daimler, indem festgelegt ist, dass eine Führungsposition (E4) ge-teilt werden kann (Job-Sharing) und hier eine Besetzungmit zwei Führungskräften mit je 30 Stunden möglich ist.Dadurch kann das Beschäftigungsvolumen sogar indirekterhöht werden. Ähnlich verhält es sich mit Teilzeit in derProduktion. Auch hier gibt es theoretisch die Modelle –praktisch wird es in den meisten Standorten nicht gelebt.

Ein BMW-Standort bietet beispielsweise eine Reihe vonindividuellen Lösungen an. So wird, sowohl im Angestell-ten- wie auch im Produktionsbereich, ein Wiedereinstiegin Teilzeit nach der Elternzeit ermöglicht. Dabei gibt esganz unterschiedliche Modelle (z.B. 2 Tage arbeiten, denRest der Woche nicht; verkürzte Arbeitszeit, versetzte Arbeits-zeiten). Allerdings betrifft dies nicht besonders viele weibliche Beschäftigte.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im engeren Sinne wirdebenfalls durch viele Maßnahmen bei den Autoherstellern flankiert.Neben Familienzeit und Kinderbetreuung sind flexible Arbeitszeiten,mobiles Arbeiten, Qualifizierung und häusliche Krankenpflegewichtige Punkte, mit denen sich die Betriebsräte beschäftigenund gemeinsam mit der Unternehmensleitung Lösungen gesuchthaben. Daimler hat beispielsweise 2001 die Gesamtbetriebsverein-barung „Familienzeit“ beschlossen. In ihr ist festgelegt, welcheMöglichkeiten zur flexiblen Gestaltung der Familienzeit es gibt. Sokönnen Eltern- und Familienzeit auch unterbrochen werden. Wie-dereinstiegsqualifizierungen dienen dazu, einen guten Wiederein-stieg nach der Eltern- und Familienzeit zu ermöglichen. An vielendeutschen Standorten von Daimler, u. a. in Untertürkheim, Sindel-fingen, Bremen und Berlin stehen in den betriebseigenen Kinderta-gesstätten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu Verfügung. DieResonanz auf das Betreuungsangebot ist gut und die Nachfragehoch. Zu vielen der Themen werden regelmäßig Informationsveran-

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These: Frauenbeschäftigung und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Die Autohersteller haben eine ganze Reihevon Maßnahmen zur Unterstützung der Ver-einbarkeit von Beruf und Familie umgesetztund entwickeln diese kontinuierlich weiter.Debatten gelten daher derzeit eher der Ar-beitsverdichtung/Mobilität, welche (fast) alleBeschäftigten betrifft, sowie der realen Um-setzung von Teilzeitmodellen auf Führungs-ebene und in der Schichtarbeit. Die Stärkungvon Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit auf Füh-rungsebene bzw. in Forschung und Entwick-lung braucht dabei gelebte „Echtzeitnormie-rung“. Im Schichtsystem und bei getaktetenArbeitsabläufen ist die Bereitschaft aller Be-teiligten zu stärken, konkret passende Modellezu entwickeln und zu realisieren. Hier sindFührungskräfte verstärkt verantwortlich zumachen.

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staltungen durchgeführt und es gibt zahlreiche Informations-materialien. Da die Pflege von Angehörigen ein immer wichtigeresThema wird, wurde 2008 durchgesetzt, dass sich Beschäftigtezur häuslichen Krankenpflege ihrer Angehörigen unbezahlt bis zu12 Monate beurlauben lassen können. Alternativ besteht auch dieMöglichkeit für eine bestimmte Zeit von Vollzeit auf Teilzeit um-zusteigen, um so die Pflegetätigkeit neben der beruflichen Tätig-keit besser regeln zu können.

Der GBR-Gleichstellungsausschuss bei Volkswagen hat ebenfallszahlreiche Maßnahmen angestoßen. Zudem sind aktuell drei Themencluster für die Gestaltung der Vereinbarkeit von Beruf undFamilie definiert. Das Thema Arbeitszeit wird bezogen auf flexib-lere Angebote geprüft, um dann ggf. auch eine umfassendereBetriebsvereinbarung zu entwickeln. Ein weiteres Thema betrifftdie Beschäftigten in Elternzeit. Diese müssen künftig noch besserintegriert werden. Dazu gehört auch die Qualifizierung (s.o.). Dasdritte Feld ist die Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Konkretbietet Volkswagen bereits an: Betreuungsangebote (Kaleo[Kinder-betreuungsnotruf], Kindergartenspenden, Kooperationen mit Kom-munen, Kinderferienbetreuung), Job&Child: Qualifizierungsangebotzum Wiedereinstieg, Arbeiten in EZ, Elternzeittreffen, Seminar Familienmanagement und Beruf, Arbeitszeitregelungen (Tele-arbeit, Teilzeit), Service-Broschüre/Elternzeit-Mappe.

Neben den sehr konkreten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufund Familie gilt es, auch die Leistungsverdichtung in den Blick zunehmen. Alle Betriebsräte stellen fest, dass sich die Arbeit ent-grenzt, da viele Arbeitsprozesse schneller und billiger werden sol-len. Ein Problem in den Unternehmen ist, dass es noch sehr vieleBeschäftigte gibt, die sich durch eine scheinbar selbstbestimmteTätigkeit als „Arbeitskraftunternehmer“ positiv angesprochen füh-len. Die Führungskräfte sollen stärker in die Verantwortung ge-nommen werden und die Bedingungen ihrer Mitarbeiterinnen undMitarbeiter mit gestalten. Führungskräfte müssen damit von einermoderierenden und koordinierenden Rolle wieder stärker hin zurPersonalverantwortung und Fürsorgepflicht gesteuert werden.

Entgeltgleichheit – immer noch eine Herausforderung

Im Unternehmen gibt es bei den Autoherstellern in den Einstufungenvon Männern und Frauen deutliche geschlechtsspezifische „Bal-lungen“: In den unteren Entgeltgruppen und Tätigkeitsbereichensind eher die Frauen, in den oberen Entgeltgruppen eher die Männer zu finden.

Als Problem wird die adäquate Einstufung der Teamassistenzenbeschrieben. Als Grundqualifikation für diese Position erwartenUnternehmen oftmals die Hochschulreife, Fremdsprachenkompe-tenz und, wenn möglich, einen betriebswirtschaftlichen Abschluss.Das alles wird offenbar nicht entsprechend honoriert.

Der Gesamtbetriebsrat (GBR) bei Volkswagen hat das Thema Ent-geltgleichheit im Jahr 2011 aufgegriffen. Die Entgeltkommissionwurde aufgefordert, dass der Entgeltbericht gegendert wird. Dasbedeutet konkret, dass nicht nur die Verteilung und Veränderungder einzelnen Entgeltstufen dargestellt wird, sondern die Frauen-anteile in den Entgeltstufen darzustellen sind. Dies wurde bereitseinmal bei den Facharbeiterinnen untersucht und soll nun sys-

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tematisch angegangen werden. Diese Daten verdeutlichen auchdie Laufbahnentwicklung von Frauen. Mit der Überprüfung der Ent-geltstrukturen bei den Facharbeiterinnen konnte aufgedecktwerden, dass diese eine vergleichsweise schlechtere Ent-geltentwicklung haben als die Männer. Erkenntnisse wiediese können argumentativ dazu genutzt werden, Ziel-vereinbarungen zu etablieren.

Anforderungen an die Tarifpolitik erfordernKreativität und Mobilisierung

Eine wichtige tarifpolitische Diskussion betrifft die Arbeits-zeit. Hier sind die Teilzeitansprüche bzw. Ansprüche aufZusatzurlaub der Eltern bzw. pflegenden Angehörigen sowie der älteren Beschäftigten ein möglicher Regelungs-punkt.

Der Tarifvertrag Qualifizierung (TVQ) bietet Möglichkeitenzur gleichstellungspolitischen Nutzung. Hintergrund ist,dass sich im Kontext der Branchenentwicklung und Ver-schränkung der Branchen die Berufsbilder verändernwerden, entsprechend auch der Berufsausbildung. Ein Beispiel istder Hochvoltmechatroniker bzw. -mechatronikerin für Elektro- undHybridantriebe.

Zitat eines Betriebsratsmitglied in der Automobilindustrie: „In derTarifpolitik hat die IG Metall eine gesellschaftspolitische Aufgabe.Wenn tarifpolitische Forderungen aufgestellt werden, muss daseingebettet sein in eine gesellschaftliche und betriebspolitischeDebatte, um damit die Meinungsbildung zu beeinflussen. Ähnlichwie mit der Leiharbeitskampagne müsste es das für gleich-stellungspolitische Themen geben, also eine breite Mobili-sierung stattfinden. Damit geht es dann nicht mehr nurum einzelne Forderungen wie „Zuschüsse“ (z.B. zur Betreu-ung von Kindern) oder die Regelung flexibler Arbeitszeitenfür Familien. Ein Beispiel wäre dann: Ein bestimmter Ge-winnanteil der Unternehmen muss in unterstützende Maß-nahmen für die Infrastruktur investiert werden, damitFrauen eine echte Wahlmöglichkeit erhalten zwischen Fa-milie und Beruf. Ein wichtiger Schritt ist durch die öffent-liche Debatte um die Quoten in den Aufsichtsräten gemacht.Das hat die Diskussionen in den Unternehmen angeregtund gleichstellungspolitische Akteurinnen in den BetriebenRückenwind gebracht. Jetzt müssen konkrete Forderungenentwickelt und die gesellschaftspolitische Unterstützungmobilisiert werden. Eine Kampagne zu Beruf und Familiemuss etwas Normales sein. Die Entgrenzung von Arbeits-zeit muss bewusst sein. Es muss letztlich gesellschaftlichverpönt sein, dass E-Mails nach 17:00 Uhr beantwortet oderBesprechungen auf 17:00 Uhr gelegt werden. Wenn das gelingt,können Infrastrukturmaßnahmen oder Maßnahmen zur Arbeits-zeitgestaltung verhandelt und letztlich die Unternehmenskulturwirklich bewegt werden. Denn es ist nicht einfach, wirklich etwasfür Frauen in den Industrieunternehmen zu bewegen, das ist einlangwieriger und mühsamer Prozess für alle Beteiligten. Dazubraucht es klare Zielvorgaben und einen kulturellen Konsens,sonst bleibt das ergebnislos. Es muss beispielsweise im Unter-nehmen selbstverständlich akzeptiert werden, dass Frauen undMänner in bestimmten Lebensphasen weniger Energie auf die berufliche Entwicklung verwenden können bzw. zeitlich einge-

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These: Frauenbeschäftigung und TarifpolitikDamit tarifpolitische Forderungen zur Gleich-stellung von Frauen oder Vereinbarkeit von Arbeit und Leben erstens durchgesetzt undzweitens dann auch gelebt werden, muss einebreite Mobilisierung stattfinden. Es müssenmögliche tarifpolitische Forderungen identifi-ziert und diskutiert werden. Eine Prüfung vor-handener tariflicher Regelungen auf möglicheDiskriminierungspotenziale wurde vom Gewerk-schaftstag beschlossen und ist bereits in Um-setzung. Bestehende Tarifvereinbarungen, wie z.B. derTarifvertrag Qualifizierung (TVQ) können stär-ker unter gleichstellungspolitischen Gesichts-punkten genutzt werden.

These: Frauenbeschäftigung Entgeltgleichheit

Frauen „verlieren“ Einkommen im Laufe desArbeitslebens über Arbeitszeitarrangements,Elternzeit bzw. veränderte Tätigkeitsbereichenach der Elternzeit. Es sind geschlechter-differenzierte Entgelt-Analysen und -berichtenotwendig, auf die aufbauend regelmäßigneue Zielvereinbarungen geschlossen werdenkönnen. Es muss Entwicklungschancen in allenTätigkeitsbereichen geben. Hier kann z.B. dieBeschreibung der realen Aufgabenprofile derSekretariate/Teamassistenzen unabhängig vonden Hierarchiestufen der Vorgesetzten erfolgenund ggf. die Umgruppierung in Entgeltgrup-pen der Sachbearbeitung ermöglicht werden.

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schränkter sind. Führungskräfte müssen dann konkret darauf auf-merksam machen, dass die Balance Arbeit und Privatleben wichtigfür die Beschäftigungsfähigkeit ist und nicht kritisch kommen-tieren, wenn pünktlich Feierabend gemacht wird. Die IG Metallbzw. think tanks in der IG Metall müssen innovative Impulse für dieTarifkommissionen entwickeln, die dort dann aufgenommen undpraxisnah weiterentwickelt werden.“

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Gleichstellungspolitische Heraus-forderungen in den Unternehmen der Autozulieferer

Das vorliegende Thesenpapier ist eine Zusammenfassung der Ergebnissevon vier Expertinnengesprächen, die in 2011 und 2012 geführt worden sind.

Entlang zentraler (gleichstellungspolitischer) Herausforderungen in der Bran-che sind die Aussagen der Expertinnen und Experten zusammengefasstund daraus gleichstellungspolitische Thesen abgeleitet.

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Exkurs: Statistische Daten und Trends in der Auto-mobilzulieferindustrie

Tendenziell werden in der Automobilzulieferer-Industrie etwasmehr Männer als Frauen eingestellt, so dass der Frauenanteil zwischen Ende 2009 und Ende 2010 insgesamt von 20,1% auf 20%leicht gesunken ist. Im Zweig „Herstellung von Teilen und Zubehörfür Kraftfahrzeuge“ ist die Zahl der weiblichen Beschäftigten mit70.601 am höchsten. Dieser Zweig ist auch insgesamt von denBeschäftigtenzahlen der größte der Automobilzuliefer-Industrie.Der Zweig, in dem der Frauenanteil mit 38,5% am höchsten ist, istder Zweig „Herstellung von technischen Textilien“. Er ist mit 12.219sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gleichzeitig der kleinsteZweig der Branche, zudem ist hier – trotz Beschäftigtenzuwächsenbei Männern und Frauen – der Frauenanteil zwischen Ende 2009und Ende 2010 um 1% gesunken.

Qualifikationsniveau und Weiterbildungsbeteiligung: Auffallendist der hohe Anteil der formal gering Qualifizierten unter weib-lichen Beschäftigten. Knapp 30% aller weiblichen Beschäftigtenin der Automobilzulieferindustrie haben keinen Berufsabschluss undgelten damit als formal gering qualifiziert. Unter den männlichenBeschäftigten sind es „nur“ etwa 20%, die keinen Berufsabschlusshaben. Unterschieden nach alten und neuen Bundesländern sowie nach einzelnen Branchen lässt sich zudem sagen, dass inden alten Bundesländern der Anteil der formal gering Qualifizier-ten unter weiblichen Beschäftigten deutlich höher liegt als in denneuen Bundesländern. Am stärksten sind sie im Zweig „Herstel-lung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen“ vertreten.

In der Gruppe der als hoch qualifiziert geltenden Beschäftigtensind Frauen in den meisten Fällen – gemessen an ihrem Anteil an derGesamtbeschäftigtenzahl – unterrepräsentiert. Eine Ausnahmezeigt sich im Zweig „Herstellung von Karosserien, Aufbauten undAnhängern“. Dort gibt es unter hoch qualifizierten Beschäftigtenanteilig mehr Frauen als in der Gesamtgruppe der Beschäftigtenin diesem Zweig.

Als problematisch erweisen sich gerade die hohen Zahlen derweiblichen gering Qualifizierten dann, wenn man bedenkt, wie gering die Weiterbildungsbeteiligung unter Beschäftigten aus-geprägt ist. Im größten Zweig der Branche – „Herstellung von Teilenund Zubehör für Kraftwagen“ – haben in 2010 nur 16,4% der Beschäftigten an Weiterbildungen teilgenommen. Frauen warenin der Gruppe der Weiterbildungsaktiven unterrepräsentiert. Auchzeigt sich, dass Frauen seltener an betrieblicher Weiterbildungteilnehmen als Männer. Hier muss, gerade auch mit Blick auf dievielen weiblichen Beschäftigten, die nicht einmal über einen Berufsabschluss verfügen und deshalb einem erhöhten Arbeits-losigkeitsrisiko ausgesetzt sind, eine stärkere Nutzung sowiebesseres Angebot an (betrieblicher) Weiterbildung flächendeckendfür Frauen wie Männern sowie alle Beschäftigtengruppen um-gesetzt werden.

Demografische Entwicklung: Besondere Beachtung muss auchder demografischen Struktur in der Branche gewidmet werden.Unter den weiblichen Beschäftigten ist mit rund 45% knapp dieHälfte aller Frauen älter als 44 Jahre. Alternsgerechtes Arbeiten,Gesundheitsschutz und -förderung sowie Gestaltung der Über-gangsphase in den Renteneintritt sind Aspekte, die vor dem

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Hintergrund dieser Zahlen steigende Bedeutung in und für dieBranche erhalten. Weiblicher Nachwuchs ist selten. Demgegen-über steht eine große Gruppe an weiblichen Beschäftigten, die inden nächsten 10 Jahren altersbedingt aus dem Erwerbslebenausscheiden wird. Eine (deutliche) Lücke zwischen diesen beidenGruppen zeigt sich – gerade in Ostdeutschland. Langfristig kanndies negative Konsequenzen für den Frauenanteil in der Branchebedeuten.

Auch was die zahlenmäßige Entwicklung der weiblichen Auszu-bildenden angeht, ist ihre Anzahl zu steigern, sowohl unter demo-grafischen Gesichtspunkten sowie vor dem Hintergrund, denFrauenanteil in der Branche zu sichern oder gar auszubauen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Frauen unter Auszubilden-den in der Automobilzuliefer-Industrie meist geringer repräsentiertsind als unter den Beschäftigten insgesamt oder innerhalb derGruppe der Facharbeiter. Besonders deutlich wird dies in Ost-deutschland, sowie speziell im Zweig „Herstellung von technischenTextilien“ (bundesweit). Die Situation unter den Auszubildendenunterstreicht die insgesamt schlechten Nachwuchszahlen derFrauen in der Branche. Hier zeigt sich ein entsprechender Hand-lungsbedarf – besonders dann, wenn man die Facharbeiterinnen-quote stabil halten oder gar erhöhen möchte.

Verteilung Führungspositionen: Um mehr weibliche (Fach-)Kräftefür die Branche zu gewinnen muss sich allerdings auch die Ein-kommenssituation für Frauen verbessern. Es zeigen sich allgemeinnicht nur Unterschiede in der Höhe der Einkünfte in den einzelnenZweigen sowie Ost- und Westdeutschland, sondern es variierenauch die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Entloh-nung erheblich. Im Zweig „Herstellung von technischen Textilien“ –dem Zweig mit dem momentan höchsten Frauenanteil in derBranche – sind sie besonders stark ausgeprägt. Hier gibt es auchbesonders wenige Frauen in Führungspositionen – gemessen ander Gesamtzahl der weiblichen Beschäftigten sowie im Vergleichzu den männlichen Beschäftigten.

Insgesamt kann für die Branche konstatiert werden, dass Frauennicht annähernd ihrem Beschäftigtenanteil gemäß in Führungs-positionen vertreten sind. Einzige Ausnahme bildet der Zweig„Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern“, wo inLeistungsgruppe 1 – gemessen an der jeweiligen Gesamtzahl derweiblichen und männlichen Beschäftigten – beide Geschlechtergleich stark vertreten sind. In Leistungsgruppe 2 gibt es sogar anteilig mehr Frauen als Männer. Allerdings sind aufgrund der ins-gesamt geringeren Zahl an Frauen in der Branche auch wenigeFrauen in Führungspositionen „sichtbar“. Männer bilden in diesenPositionen immer noch die große Mehrheit.

Neue Technologien und Produktionsweisen – Qualifizierung rückt in den Fokus

Elektromobilität bzw. die Elektrifizierung des Antriebssystems istder Branchentrend, der in den kommenden Jahren die Beschäf-tigungsstruktur in der Automobilindustrie insgesamt maßgeblichbeeinflussen wird – bemerkbar ist derzeit bereits eine verstärkteSuche nach spezifischen Fachkräften. Das passiert parallel zurOptimierung der traditionellen Brennstoffmotoren sowie der Ent-wicklung neuer Fahrzeugmodelle. Daraus ergeben sich neue

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veränderte Fertigungsvorgänge, die entsprechend neueQualifikationsprofile erfordern. Verstärkt werden Beschäf-tigte mit Berufsabschlüssen in den Sparten Chemie, Textil,Hochvoltelektronik sowie auch Berechnungsingenieurebenötigt.

Aus den neuen Produktionsweisen ergibt sich künftig einestarke Verschränkung der beteiligten Branchen: IT, Auto-motive, Chemie, Textil- und Energieerzeugung. Das wirdzum Aufbau neuer Fertigungsbereiche in der einen undAbbau von Fertigungsbereichen in der anderen Brancheführen.

Ein zukunftsweisendes Thema für Zulieferer mit viel Inno-vationspotenzial ist der Bereich „aktive Sicherheit“, derdie Außensicherheit von Automobilen in den Fokus nimmt(z.B. Fußgängeraufprallschutz durch Sensorsysteme zurFußgänger- und Objekterkennung). Im Bereich „Aktive Sicherheit“ spielt Elektronik eine große Rolle.

Zulieferer ist nicht gleich Zulieferer: Starke eigen-ständige Unternehmen (Rang-1-Zulieferer) und starkabhängige Unternehmen stehen nebeneinander

Es gibt zwei Gruppen von Zulieferern: „Tier-1-Zulieferer“ (Tier =Rang), die die Automobilhersteller mit Systemen, Modulen undKomponenten beliefern. Mit Bosch, Continental, Thyssen-Krupp,ZF und BASF kommen fünf der weltweit 20 größten Autozuliefereraus Deutschland. Auch sie operieren wie die (großen) Automobil-

hersteller in globalisierten Standortstrukturen. Kennzeich-nend für diese Akteure ist, dass sie seit Beginn der 2000erJahre immer mehr Anteile der Forschung und Entwicklung(F&E) von den Automobilherstellern übernommen habenund ihre eigenen Zuliefernetzwerke steuern müssen.Zudem streben die großen Zulieferer eine größere Eigen-ständigkeit und damit Verhandlungsmacht gegenüber denAutomobilherstellern an (vgl. Elektromobilität, vielfältigeProdukte). Um die Abhängigkeiten von den Automobil-herstellern zu verändern, wird in einem Zulieferunternehmenz.B. auf die Entwicklung von Windkraftsystemen gesetzt.

Auf der dritten Ebene der Wertschöpfungskette befindensich die Zulieferer von spezifischen Komponenten undTechnologien, die über spezifische Kompetenzen verfügenund unverzichtbar für die Autoproduktion sind, auch wennes sich zum Teil um mittelgroße bis kleine Unternehmen

handelt (Tier-2-Zulieferer). Zulieferer von Standardbauteilen bishin zum Rohmaterial werden der Tier-3- bis Tier-n-Ebene zu-geordnet.

Globalisierung – Arbeitsmobilität steigt weiter

Die globale Aufstellung der Autohersteller schreitet weiter voranund die Zulieferer folgen dem Trend. Hintergrund sind stagnie-rende Absatzzahlen in Europa und steigende Absatzzahlen in denBRIC-Staaten. Damit einher gehen der Know-How-Transfer undder Aufbau kompletter Wertschöpfungsketten, einschließlich derForschungs- und Entwicklungsbereiche außerhalb Deutschland/Europa.

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These: Unterschiedliche Ausgangspositionenfür die Frauenbeschäftigung

Die Autozulieferindustrie ist gekennzeichnetdurch wenige Aktivitäten zur Gleichstellungvon Frauen und Männern. Man muss hier aller-dings unterscheiden zwischen den großen Zu-lieferern (Rang 1) wie Continental, Bosch oderThyssen Krupp, die sich sehr wohl engagierenund den kleineren und stärker abhängigen Zu-lieferern (Rang 2/3), die bislang kaum Aktivi-täten entwickeln. Darüber hinaus führt die engeAbhängigkeit der letzteren auch zu proble-matischen Arbeitsbedingungen (Stichwort:Just-in-time-Produktion, s.u.)

These: Frauenbeschäftigung – Neue Techno-logien und Produktionsweisen

Bislang gibt es keine Szenarien zur Entwicklungder Frauenbeschäftigung in neuen Fertigungs-bereichen (z.B. Elektromobilität, Kunststoff-gestelle). Hier gilt es, Szenarien zu entwickelnum Grundlagen zu haben für entsprechendegleichstellungspolitische Strategien.Die neuen Fertigungsabläufe und damit dieQualifikationsanforderungen können für eineverstärkte Frauenbeschäftigung genutzt wer-den. Dazu müssen Vereinbarungen getroffenwerden, wer an den (neuen) Qualifizierungenteilnimmt und wie Frauen in den neuen Aus-bildungsberufen gefördert werden, ggf. kannhier der Tarifvertrag Qualifizierung (TVQ) spe-ziell für Frauen genutzt werden.

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Der Trend in der Automobilherstellerindustrie, neue Märktezu erschließen und Produktionsstätten außerhalb Deutsch-lands aufzubauen, hat großen Einfluss auf die Zuliefer-unternehmen und ihre Unternehmens- und Beschäftigten-strukturen. Sie sind gezwungen, eigene Standorte in dembetreffenden Land aufzubauen, wenn sie einen Stamm-kunden aus der Herstellerindustrie nicht verlieren wollen.Dies führt fast zwangsläufig zu einem Abbau von Beschäf-tigung in Deutschland und einem Aufbau in anderen Län-dern. Dasselbe vollzieht sich zwischen den Unternehmenaus der Zulieferindustrie und ihren Lieferanten, was sichabermals negativ auf das Beschäftigungsvolumen dieserZu-Zulieferer in Deutschland auswirkt.

Ende der 1990er hat der Standortaufbau im osteuro-päischen Ausland von Autozulieferern begonnen (z.B. Polen, Ungarn, Rumänien). „Das hatte zu Beginn keine Aus-wirkungen auf die Beschäftigung. Zwar wurden einige derehemals am Standort gefertigten Serienprodukte an dieosteuropäischen Standorte ausgelagert, aber das wurdedurch die Produktion von neuen Teilen/Produkten kom-pensiert. Dies änderte sich allerdings. Es wurde dazuübergegangen, nur noch die Referenzproduktion am Stand-ort zu betreiben und die Serienproduktion an andere (billigere) Standorte auszulagern. Zudem begann mandazu überzugehen, auch im Ausland Referenzproduk-tionen zu betreiben. Seit 2003 findet so ein Stellenabbauim Produktionsbereich und simultan hierzu in den an dieProduktion direkt angelagerten Bereichen des Unterneh-mens (genannt „Production Overhead = POH“) statt“, soeine Betriebsrätin eines Zulieferers, die zugleich Mitgliedim Europäischen Betriebsrates (EBR) dieses multinatio-nalen Konzerns ist.

Es ist zudem festzustellen, dass die Anforderungen an die(internationale) Mobilität vieler Beschäftigter gestiegensind. Das betrifft Reisetätigkeiten, Auslandsaufenthaltesowie die zeitliche Verfügbarkeit für die Kommunikationam frühen Morgen oder späten Abend. Insgesamt mussbei dem Thema Mobilität mitbestimmungspolitisch nochmehr Aktivität entwickelt werden, um den Ansprüchen derUnternehmen etwas entgegensetzen zu können.

Hoher Frauenanteil bei Zulieferern in den Montage-arbeiten/Produktionsvorbereitung sowie in kaufm./techn. Angestelltenbereichen

Gerade bei den Montagearbeiten und der Produktionsvorbereitungist der Frauenanteil hoch, was auch an der Art der Tätigkeiten inder Produktion liegt (Kleinteilproduktion/kleine Montagearbeiten).In diesem Kontext fällt auch der hohe Anteil an Beschäftigten auf,die keinen Ausbildungsabschluss haben. Durch die Verlagerungder Produktion ins Ausland sowie durch die sich zum Teil voll-ziehende Umstellung auf reine Referenzfertigung, werden Ar-beitsplätze für un- und angelernte Beschäftigte immer weniger.Zukünftig werden für Unternehmen, in denen sich ein solcher Prozess vollzieht, nur noch gut ausgebildete Spezialisten, dieaufgrund ihrer Ausbildung flexibel einsetzbar sind, interessantsein.

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These: Frauenbeschäftigung und Globalisierung

Die fortschreitende Globalisierung führt zuStandortverlagerungen und somit auch zueinem spürbaren Beschäftigungsabbau in denUnternehmen der Automobilzuliefer-Industriein Deutschland. Vom Abbau ist nicht nur derProduktionsbereich betroffen, sondern auchdie angelagerten Angestellten-Bereiche. Eskönnen keine Aussagen dazu gemacht werden,ob der Abbau Frauen oder Männer stärker betrifft. Insgesamt schwinden aber die (origi-nären) Betätigungsfelder für Frauen in derBranche, was negative Konsequenzen auf dieFrauenbeschäftigung in der Branche hat. Aberauch in eher männlich geprägten Forschungs-und Entwicklungsbereichen findet ein Aufbauvon Beschäftigung außerhalb Deutschlandsstatt. Langfristig wird auch dies zum Abbauvon Beschäftigung in diesem Bereich inDeutschland führen, so die Einschätzung derExpertinnen. Der Fortschritt der globalisierten Produktionführt zudem zu hohen Mobilitätsanforderungenund der Einschränkung der Balance von Arbeitund Privatleben. Deswegen besteht im Hand-lungsfeld Vereinbarkeit von Arbeit und Lebengroßer Regulierungs- und Veränderungsbedarf.Es muss verstärkt begrenzende Regelungenund veränderte kulturelle Standards der Unter-nehmen geben, insbesondere bezogen auf dieMobilitätsansprüche. Beschäftigte können einegute Vereinbarkeit von Arbeit und Leben indieser Branche ansonsten nur schwer reali-sieren. Darüber hinaus sind für die „mobilenBeschäftigten“ zeitlich/organisatorisch erwei-terte Serviceangebote zu machen sowie einangemessener zeitlicher bzw. arbeitsorgani-satorischer Ausgleich zu regeln (Stichworte:Reisezeiten/Arbeitsvolumen am Heimat-Stand-ort).

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Im Gegensatz zur Produktion, wo Frauen und Männer oft gleichstark vertreten sind und dort auch die gleichen Aufgaben über-nehmen, bzw. an den gleichen Arbeitsplätzen tätig sind, gibt es imAngestelltenbereich Bereiche, wo mehr Frauen bzw. mehr Männer

zu finden sind. Am Autoliv-Standort in Elmshorn sind diesdie Bereiche, Finanzbuchhaltung, Personalabteilung sowiedie Logistik.

Bei ZF, wo 8.900 Beschäftigte arbeiten, sind weibliche Beschäftigte nach wie vor hauptsächlich in traditionellenBereichen vorzufinden, wie in der Verwaltung, in der Per-sonalabteilung, im kaufmännischen Bereich. Im Bereichder Forschung und Entwicklung ist die Zahl der weiblichenBeschäftigten verschwindend gering, genauso wie in leitenden Positionen. Ein weiterer männlich geprägter Bereich ist die Fertigung. Es gibt ein paar Frauen in derVormontage. Früher gab es noch un- und angelernte Beschäftigte in der Kabelbaumfertigung, die ist jedochzum großen Teil ausgelagert.

In den vergangenen 20 Jahren sind Forschungs- und Entwicklungsbereiche von Herstellern auf die Zuliefererübergegangen. Entsprechend sind diese auch dem Druckausgesetzt, die Produktentwicklung zu beschleunigenund kostengünstig zu gestalten.

„Leichte Beschäftigungszuwächse sind durch die tech-nologischen Weiterentwicklungen bedingt, die einen Ausbau vonForschung und Entwicklung nach sich ziehen. Hier liegt ein mögliches zukünftiges Entwicklungsfeld für (hochqualifizierte)Frauenbeschäftigung, wobei momentan in diesen Unternehmens-bereichen noch wenige Frauen tätig sind“, so eine Expertin für dieAutomobilbranche.

Prekäre Beschäftigung – Werkverträge und Leiharbeit wachsen

Im indirekten Bereich ist festzustellen, dass Werkverträge zu-nehmen, beispielsweise bei den IT-Dienstleistungen.

„Oftmals sind keine belastbaren Daten zu Werkvertragsverhältnis-sen vorhanden. Ein gutes Beispiel für die Berücksichtigung prekä-rer Beschäftigung in Form von Leiharbeit ist ein Tarifvertrag im

Ingenieursbereich bei ZF, der das Thema der Werkverträgeangeht, die Einsatzdauer für Projekte festlegt, die Entgelt-gruppen festmacht und für Equal Pay sorgt“, berichteteeine Expertin der Automobilzulieferer-Industrie.

Im Raum Eisenach sind befristete Einstellungen in denUnternehmen der Automobilzulieferindustrie keine Selten-heit. Auch Mehrfachbefristungen sind keine Ausnahme,nehmen sogar an Bedeutung zu. Hiervon sind Männer wieFrauen gleich betroffen.

Leiharbeit wird indes sehr unterschiedlich genutzt. Unter-nehmen, die eine Förderung durch das Wirtschaftsminis-terium erhalten, haben die Auflage, dass die Zahl derLeiharbeitsbeschäftigten einen bestimmten Prozentsatz

nicht überschreiten darf. Dies ist ein Grund dafür, dass Leiharbeitnicht so stark präsent ist. Eine volle Förderung erhalten nur Unter-

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen44

These: Frauenbeschäftigung und prekäre Beschäftigung

Der Trend geht dahin, mehr Werkvertrags-verhältnisse abzuschließen, gerade auch imBereich der hochqualifizierten Beschäftigten.Begrenzende Regelungen, wie beispielsweisebei ZF eingeführt, müssen hier stärker um-gesetzt werden.Auch gilt dem Thema Befristungen und Leih-arbeit weiterhin hohe Aufmerksamkeit zu widmen,da hiervon gerade auch Frauen (in einfachen Tätigkeiten) betroffen zu sein scheinen.

These: Frauenbeschäftigung – klassischeVerteilung der Tätigkeitsbereiche –un- und angelernte Frauen in Mon-tage und Produktionsvorbereitung

Die Frauenbeschäftigung in der Zulieferindus-trie ist auf typische Tätigkeitsfelder konzen-triert, die tendenziell von Verlagerung betrof-fen sind und damit abgebaut werden. Imwachsenden Beschäftigungsfeld „Forschungund Entwicklung“ sind bislang wenige Frauenzu finden. Es gilt daher, (Aufstiegs-)Qualifizie-rungsmöglichkeiten (z.B. Fachmontierer) fürFrauen zu erschließen und mehr Frauen fürden Bereich Forschung und Entwicklung zugewinnen. Hier müssen entsprechende Maß-nahmen in Kooperation mit Schulen ansetzen,da immer noch eine sehr geringe Anzahl vonFrauen entsprechende Ausbildungs- und Stu-diengänge wählt. (MINT: Mathematik, Infor-matik, Naturwissenschaften, Technik)

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nehmen mit einer Leiharbeiterquote bis 10%. Liegt der Anteil höher,gibt es nur eine Basisförderung und wenn der Anteil der Leiharbeits-beschäftigten 30% überschreitet, gibt es gar keine Förderungmehr. Dennoch zeigt sich gerade bei weiblichen Beschäftigteneine Zunahme an Leiharbeitskräften. Besonders sind von Leiharbeitsolche Frauen betroffen, die in einfachen Tätigkeiten arbeiten.

Bei einem Autozulieferer sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse(Werkverträge, Leiharbeit sowie Minijobverhältnisse) nicht starkausgeprägt, werden aber genutzt, um Beschäftigungslücken zuschließen. Sie dienen dazu, reguläre Beschäftigungsverhältnissezu ersetzen, die nicht mehr geschaffen werden, obwohl ausreichendArbeit vorhanden wäre.

Produktionsbedingungen (kurz getaktete Arbeit) verhindern Einsatz von Beschäftigtengruppen – Beschäftigte sind unter 50 Jahre und männlich

In einigen Unternehmen gibt es, beispielsweise in der Getriebe-montage, aufgrund von Kosteneinsparungen kurze Taktzeiten(Toyota Produktionssystem). Diese sollen weiter verkürzt werden.Damit die Bandarbeit menschengerecht gestaltet werden kann,ist u.a. ein externes Institut eingebunden. Dabei geht es beispiels-weise um das „ausrotieren“ aus dem Band. Derzeit ist esso, dass man die Leine ziehen und ein Springer kommenmuss, das soll sich ändern. Ein Beispiel: In der Getriebe-montage sind hauptsächlich Männer bis 50 anzutreffen.An dieser Stelle kommt die Frage auf, was mit den Arbeit-nehmern geschieht, die unter diesen Bedingungen nichtmehr in der Produktion tätig sein können. Nicht nur engeTaktungen sondern auch neue Anforderungen gehen mitdem ganzheitlichen Produktionssystem einher. Aus Sichtder Beschäftigten und bezogen auf die Belastung bedeu-ten sie eher einen Rückschritt.

„Ein weiteres Beispiel zeigt, dass trotz der Abschaffungder Akkordarbeit negative Trends in Bezug auf Leistungs-druck zu beobachten sind: Mit Beginn des Stellenabbauswurde die Akkordarbeit am Standort abgeschafft und eine3. Schicht eingeführt. Beschäftigte müssen nun eine be-stimmte Stückzahlvorgabe erfüllen. Das (Nicht-)Erreichender Stückzahlen wird auf großen Tafeln für alle sichtbar (inrot/grün) vermerkt. Bei Nichterreichen gib es Konflikte mitden Vorgesetzten. Dies baut Leistungsdruck bei den Be-schäftigten auf – ebenso wie die bestehenden Regelungenzur Qualitätssicherung: Am Ende jeder Linie findet eineEndkontrolle statt, für die der zuständige Beschäftigte namentlich unterzeichnen muss. Entgehen der Linien-End-kontrolle Fehler/Mängel, kann eine Abmahnung aller Beschäftigteneiner Linie erfolgen. Dies baut häufig enormen Druck bei den Beschäftigten auf, die die Endkontrolle übernehmen müssen, wes-wegen dieser Arbeitsplatz in der Linie auch besonders unbeliebtist“, berichtet eine Betriebsrätin eines Zuliefererbetriebes.

Druck auf Arbeitszeitflexibilisierung aufgrund derProduktion „Just-in-time“ und enge Personalkapazi-täten erschweren Balance von Arbeit und Privatleben

Es zeigen sich Trends hin zur einer zunehmenden Flexibilisierungder Arbeitszeiten, was in der Praxis gerade für weibliche Beschäf-

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOZULIEFERER 45

These: Frauenbeschäftigung – Arbeitsmög-lichkeiten für Frauen in der Produktionsinken mit kurz getakteter Arbeit

Die Veränderung hin zu ganzheitlichen Produk-tionssystemen führt in der Realität der Auto-zulieferer zu einer neuen Teilung der Belegschaft,da ein Verdrängungsprozess der (vermeint-lich) Schwächeren in der Produktionsarbeitstattfindet. Verknüpft mit dem Abbau vielereinfacher Tätigkeiten gibt es in den Unterneh-men wenige Ausweichmöglichkeiten für ältereArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie weib-liche Produktionsbeschäftigte allgemein. Vor diesem Hintergrund sowie dem Thema„Belastungen/Belastungsgrenzen“ gilt es zubeleuchten, wie die Varianten der Tätigkeitenaussehen, die Beschäftigte ausführen: Kannsich vom Band wegbewegt werden, gibt es zu-sätzlich bezahlte Pausen? Betriebsräte müs-sen sich in die Arbeitsgestaltung einbringenund ihre Mitbestimmungsrechte nutzen, damitProduktionsarbeit alternsgerecht gestaltet wird.

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tigte große Probleme nach sich zieht, wenn es um die Vereinbar-keit von Beruf und Familie geht. Die erhöhten Anforderungen andie zeitliche Flexibilität sind u.a. hervorgerufen durch Maßnahmenzur Kostensenkung, gerade im Bereich der Materialhaltung. „Just-in-time“- oder auch „just-in-sequence“-Produktion wird sowohlbei den Zulieferern wie auch den Herstellerunternehmen immer

stärker zum Trend, da dies Lagerkosten spart. „Ist nichtgenug Material vorhanden, kommt es vor, dass Beschäf-tigte nach Hause geschickt werden und wieder kommenmüssen, wenn der Engpass behoben wurde. Es ist zudembeobachtbar, dass Zulieferer sehr kurzfristig Meldung da-rüber erhalten, welche Teile der Autohersteller von ihnenbenötigt. Das kann so weit gehen, dass erst nach Auf-nahme des Produktionsprozesses die Mitteilung kommt,dass bestimmte Teile benötigt werden – und das mög-lichst schnell. Auch dies führt dazu, dass immer mehrzeitliche Flexibilität von den Beschäftigten in den Zuliefer-betrieben eingefordert wird“, so ein Betriebsrat.

Problematisch – gerade für junge Frauen – ist die Arbeits-zeitsituation im Produktionsbereich der Unternehmen.Zwar wird auf Seiten der Beschäftigten hohe Flexibilitäterwartet (die meisten Unternehmen haben Schichtbe-trieb), selbst wird aber wenig Flexibilität im Sinne der Be-schäftigten gewährt (z.B. durch Teilzeit, Gleitzeit etc.).Dies ist ein bedeutender negativer Aspekt der Arbeit (imProduktionsbereich) von Automobilzulieferunternehmen,der sich negativ auf die Attraktivität des Arbeitsfelds gerade für junge Frauen auswirkt, die Familie haben wollen.

„Der Wunsch, nur in einer bestimmten Schicht zu arbeiten, istschwer zu realisieren. Hierzu gibt es weder betriebliche Vereinba-rungen, noch ist es kulturell im Unternehmen erwünscht. Ausnah-men hiervon können vom Betriebsrat oftmals nur gegen große Widerstände umgesetzt werden und basieren auf „gentlemenagreements“ zwischen Betriebsrat und dem jeweiligen Vorgesetz-ten des Beschäftigten. Probleme bei der Wiedereingliederung nachder Elternzeit zeigen sich immer wieder. Gerade dann, wenn derWunsch besteht, nicht mehr Vollzeit oder nur noch in bestimmtenSchichten eingesetzt zu werden. Die Teilzeitquote bei weiblichenBeschäftigten ist daher insgesamt eher niedrig, da die Möglichkeitenhierzu im Produktionsbereich sehr gering sind. Minijobs kommenhier ebenfalls nicht vor. Aber nicht nur Mütter, sondern auch Män-ner, die Weiterbildung machen möchten oder älter sind, wollen Teil-zeit-Modelle zunehmend in Anspruch nehmen. Hier gibt es z.B. beiZF auch gute Vereinbarungen, die jedoch in der Praxis nicht gelebtwerden“, so ein Betriebsratsmitglied eines Zuliefererbetriebes.

In einer Betriebsvereinbarung eines Zuliefererbetriebes wurde geregelt, dass die Schichtplanung für ein volles Jahr im Vorausvorgegeben ist, um eine langfristige Planbarkeit für die Beschäf-tigten zu gewähren. Sind Änderungen aufgrund veränderter Kunden-anforderungen notwendig, besteht – laut BV – eine einmonatigeAnkündigungsfrist. Auch dies wird allerdings in der Praxis nichtgelebt. Änderungen werden zum Teil deutlich kurzfristiger ange-wiesen. Die Beschäftigten haben zwar das Recht, auf der vier-wöchigen Frist bis zur Umstellung zu beharren, dies wird aber vonden Vorgesetzten negativ kommentiert und deshalb oftmals nichteingefordert.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen46

These: Frauenbeschäftigung – Vereinbarkeitvon Arbeit und Leben stark unter Druckdurch Flexibilitätsanforderungen

Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird zwarin den Unternehmen der Automobilzuliefer-industrie zunehmend stärker thematisiert, vieleRegelungen müssen aber individuell getroffenwerden. Gerade im Schichtsystem gibt eskaum Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit. In ver-waltenden Tätigkeiten gibt es durch Gleitzeitund Telearbeit mehr Möglichkeiten auf Flexibi-lität, allerdings ergeben sich Beschränkungendurch das Fehlen einer gelebten familien-freundlichen Firmenkultur sowie dem Fort-bestehen einer ausgeprägten „Anwesenheits-kultur“. Eine besondere Belastung sind auchdie starken Flexibilitätsanforderungen der Un-ternehmen. Hier gilt es gemeinsam mit denBeschäftigten und der IG Metall Grenzen zusetzen.

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Ein weiteres Problem ist, dass bei Personalengpässen oftmalsauch kurzfristige Versetzungen in andere Linien und Abteilungenangewiesen werden. Dabei wird wenig Rücksicht darauf genom-men, ob Beschäftigte mit Betreuungs- oder Pflegeaufgaben dieseVersetzung, die oftmals auch zu einer Veränderung im Schicht-system für die Betroffenen führt, mit ihren privaten Betreuungs-aufgaben vereinbaren können. Auch hier muss wieder durch individuelle Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Vorgesetz-ten versucht werden, eine gute Lösung für die Betroffenen zu finden.Langfristig hat all dies negative Auswirkungen auf den Frauen-anteil in der Produktion, da es für junge Frauen mit Familienwunschkeine wirkliche Perspektive bietet.

Zusätzliche Sonntagsarbeit (außerhalb des normalen Schicht-betriebs), war lange Zeit ein Problem in den Unternehmen der Ver-waltungsstelle Eisenach, die aber aufgrund einer Neuregelungseit November 2011 nun besser reguliert ist. Demnach muss beiAntragstellung für zusätzliche Sonntagsarbeit eine Stellungnahmeder IG Metall vorliegen bzw. mit dem Antrag vom Unternehmeneingereicht werden. Dann erst entscheidet die zuständige Behörde.Hierdurch hat die IG Metall direkt Einfluss auf die Genehmigungerhalten und kann eigene Kriterien einbringen. Seit Einführungdieser Neuregelung, hat sich die Zahl der Anträge auf zusätzlicheSonntagsarbeit verringert.

Im Angestelltenbereich gibt es deutlich häufiger die Möglichkeitauf Gleitzeit sowie Telearbeit. Das Thema Beruf und Familie ist sobei ZF auch in der Personalabteilung verankert. Beispielsweisesind hier Belegplätze in der Kinderbetreuung organisiert worden.

Was sich allerdings negativ in vielen Unternehmen der Automobil-zulieferindustrie auswirkt, gerade auf Beschäftigte mit Kindern,ist die mangelnde Unternehmenskultur und konkrete Verein-barungen bzw. Unterstützungsmaßnahmen, die die Vereinbarkeitvon Beruf und Familie fördern. So finden Meetings oft in Rand-zeiten der Arbeitszeit nach 16 Uhr statt, Dienstreisen sind für vieleBeschäftigte fester Bestandteil ihrer Arbeit.

Im Unternehmen herrscht gerade in den Führungsebenen eineausgeprägte „Anwesenheitskultur. Nach dem Motto: Nur wer langebleibt, leistet viel“, berichtet eine Betriebsrätin eines Zulieferer-unternehmens.

Kaum Frauen in Führungspositionen: Vereinbarkeits-probleme hindern Frauen in Führungspositionen zugelangen

Wie in der Branche allgemein, so sind auch in den regio-nalen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie Füh-rungspositionen meist von Männern besetzt. Frauen inFührung sind die Ausnahme – trotz guter Qualifikationenvieler weiblicher Beschäftigter. Grund hierfür ist – ähnlichwie beim Thema Weiterbildung – die Schwierigkeiten derVereinbarkeit von beruflicher Karriere und Familienpflich-ten. Diese Schwierigkeiten führen mit dazu, dass Frauenzögerlicher ihre berufliche Karriere vorantreiben und des-wegen seltener in Führungspositionen zu finden sind.

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER AUTOZULIEFERER 47

These: Frauenbeschäftigung – Frauen inFührungspositionen sind eine Min-derheit – Vereinbarkeitsaspekte spielen dabei eine große Rolle

Frauen in Führungspositionen sind auch in derBranche der Automobilzulieferer eine Minder-heit. Die mangelhafte Vereinbarkeit von Arbeitund Leben ist dafür einer der Gründe. Zur Förderung von Frauen in Führungspositionensind deshalb gezielte Maßnahmen zur Verbes-serung der Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben zu ergreifen.

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen48

Weiterbildung kaum Thema und Vereinbarkeit mitprivaten Pflichten oftmals problematisch

Unternehmen sind oftmals nicht bereit, größere Investitionen inihre Beschäftigten vorzunehmen. Zwar werden Qualifizierungen inden Unternehmen angeboten, allerdings sind diese oftmals sehrspezifisch auf den (bisherigen) Arbeitsablauf der Personen

zugeschnitten. Der Zugang zu berufs- bzw. arbeitsplatz-fremden Weiterbildungen, die neue berufliche Perspek-tiven eröffnen könnten, ist eher schwer – gerade für Beschäftigte aus dem Produktionsbereich.

Eine Hürde für weibliche Beschäftigte sich weiterzubilden,ist oftmals die Vereinbarkeit von Weiterbildung mit fami-liären und/oder beruflichen Pflichten. Das führt u.a. dazu,dass bei vielen Frauen Weiterbildungsaktivitäten eher inden Hintergrund rücken und sie sich zu vorhandenen Angeboten zögerlich verhalten. Bei BIT („Bildung im Tarif-vertrag“)/Bildungsurlaub gab es Fälle, wo Beschäftigte in Schichtbetrieb – speziell Frauen – eine Weiterbildung besuchen wollten, dies aber aufgrund von Kindern/Familienicht konnten, weil die Betreuung nicht gesichert gewesenwäre.

Was im Zuge der Weiterbildung zum Fachmontierer (fürun- und angelernte Produktionsbeschäftigte) bei Autoliv

deutlich wurde, ist, dass sich gerade ältere Frauen diese Weiter-bildung nicht mehr zugetraut haben und so gegenüber den Jüngeren oder auch gegenüber ihren gleichaltrigen männlichenKollegen zurückgesteckt haben.

Entgeltgleichheit – Verhandlungen müssen intensivbegleitet werden

Im Rahmen des Entgelt-Rahmenabkommens (ERA) wurde Entgelt-gleichheit zischen Männern und Frauen auch in den Unternehmender Automobilzulieferindustrie thematisiert.

Bei einem Automobilhersteller zeigte sich etwa, dass bei Neu-einstellungen von Führungskräften, die nach AT (außertariflich)entlohnt werden, Frauen ein deutlich geringeres Einstiegsgehalterhielten als Männer. Ähnliches zeigte sich auch bei anderen Berufsgruppen, bei denen keine tarifliche Einstufung möglich ist.Dies war der Fall bei einem Automobilzulieferer in Norddeutsch-land, der zur Textilindustrie zählt. Hier hat ERA keine Gültigkeit.Der für die Textilindustrie noch gültige Tarifvertrag besteht schonseit einigen Jahren. Die gerade in den letzten Jahren entstandenenneuen Jobs und Aufgabengebiete lassen sich hierin allerdingsschlecht einstufen, weshalb individualisierte Lösungen gefundenwerden müssen. Auch hier wurde eine schlechtere Entlohnung derFrauen gegenüber den Männern festgestellt.

Gleichstellungspolitik – ein Thema an dem mehr gearbeitet werden müsste – sowohl auf Branchen-als auch Betriebsebene

Gleichstellungspolitik spielt in den Unternehmen ebenfalls ehereine geringe Rolle. Zwar ist das Bewusstsein vorhanden, dassman an dem Thema arbeiten muss, aber die konkrete Umsetzungerfolgt noch nicht ausreichend.

These: Frauenbeschäftigung – Weiter-bildung muss besser mit Betreuungs-pflichten koordinierbar sein

Zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligungerscheint es notwendig, unterstützende Maß-nahmen zur besseren Vereinbarkeit von Fami-lienpflichten und beruflicher Weiterbildunganzubieten. Auch sollten gerade ältere (weib-liche) Beschäftigte stärker dazu ermutigt wer-den, an (Höher-)Qualifizierungsmaßnahmenteilzunehmen, um einerseits die Beschäfti-gungsfähigkeit zu sichern und Qualifikationenweiter auszubauen, zum anderen um sicherzu gehen, dass vorhandenes Potenzial bei(weiblichen) älteren Beschäftigten nicht un-genutzt bleibt.

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Hierbei muss zwischen größeren und kleineren Unternehmen differenziert werden. In größeren Unternehmen (mit größeremFrauenanteil) ist das Thema eher präsent als in den kleineren Unternehmen, wo es oft heißt, dass andere Themen eine höherePriorität haben müssen. Positives Beispiel ist Bosch. Hier gibt esbereits seit längerem Ansätze zur Förderung der Gleichstellung –besonders im Bereich „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben/Familie“. So hat es bei Bosch in Eisenach etwa vor der Krise imProduktionsbereich eine „Muttischicht“ gegeben. Diese ist im Kon-text der Krise abgeschafft und seitdem nicht wieder eingeführtworden. Derzeit gibt es Überlegungen, eine Kinderbetreuung ein-zurichten.

Auch auf Branchenebene gibt es Verbesserungsbedarf, was dieBerücksichtung gleichstellungspolitischer Aspekte betrifft. Sosind z.B. in der Region Eisenach „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“,Qualifizierung, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben/Familiesowie Arbeitszeitpolitik die bestimmenden branchenpolitischenThemen.

Gleichstellungspolitische Aspekte spielen in den genannten bran-chenrelevanten Themen aber keine besondere Rolle, obwohl diegenannten Themen aus gleichstellungspolitischer Sicht bedeut-sam sind. Es gibt das Bewusstsein, dass gleichstellungspolitischerHandlungsbedarf besteht. Konkrete Aktivitäten und die Präsenzdes Themas „Gleichstellung“ auf Branchenebene sind allerdingsnoch zu gering.

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Gleichstellungspolitische Heraus-forderungen in den Unternehmen der Elektroindustrie

Das vorliegende Thesenpapier ist eine Zusammenfassung der Ergebnissevon fünf Expertinnengesprächen (z.T. mit mehreren Personen), die in 2011und 2012 geführt worden sind.

Entlang zentraler (gleichstellungspolitischer) Herausforderungen in der Bran-che sind die Aussagen der Expertinnen und Experten zusammengefasstund daraus gleichstellungspolitische Thesen abgeleitet.

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Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen52

Exkurs: Statistische Daten und Trends in der Elektro-industrie

Die Elektroindustrie hat für die Frauenbeschäftigung noch immereine hohe Bedeutung – insbesondere der Bereich „Herstellungvon medizinischen und zahnmedizinischen Geräten“, in dem derFrauenanteil bei über 50% liegt. Allerdings sinkt der Frauenanteil– nicht erst seit der Krise sondern bereits seit 1999 – und zwar unabhängig davon ob Arbeitsplätze tendenziell ab- (wie im WestenDeutschlands) oder aufgebaut wurden (wie im Osten Deutsch-lands). Lag der Frauenanteil in der Elektroindustrie 1999 noch beirund 34%, ist er bis zum Jahr 2009 auf 31,1% gesunken. Damitvollzieht sich ein schleichender Bedeutungsverlust der Branchefür die Frauenbeschäftigung.

Betrachtet man die in der Elektroindustrie beschäftigten Frauennach Merkmalen wie Alter, Qualifikationsniveau, Arbeitszeitvolumenetc., fallen positive wie negative Aspekte auf, denen Berücksich-tigung geschenkt werden muss, um die Frauenbeschäftigung zusichern und zu fördern:

Qualifikationsstruktur: Das Qualifikationsniveau der Beschäftig-ten ist insgesamt sehr gut. Der überwiegende Teil der weiblichen(wie männlichen) Beschäftigten hat eine abgeschlossen Berufs-ausbildung und damit eine solide qualifikatorische Basis für dieBewältigung der heutigen wie zukünftigen Herausforderungen inund für die Branche. Der Anteil der Frauen, die aufgrund einesFachhochschul- bzw. Hochschulabschlusses als hochqualifiziertgelten, steigt zudem. Bisher liegt der Frauenanteil unter denhochqualifizierten Beschäftigten in der Branche allerdings bei nur14%. Damit sind sie in dieser Gruppe (noch) deutlich unterdurch-schnittlich vertreten, was Einfluss auf Einkommensunterschiedewie auch die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen hat(siehe weiter unten). Problematischer ist allerdings, dass es in derElektroindustrie eine große Zahl weiblicher Beschäftigter gibt, dieüber keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, und damitals formal gering qualifiziert gelten. Dies betrifft insgesamt rundein Viertel aller Frauen in der Branche – wobei dies in Westdeutsch-land deutlich ausgeprägter ist als in Ostdeutschland. Insgesamtsind in der Branche fast die Hälfte (45,5%) aller formal gering Quali-fizierten weiblich. Frauen sind in dieser Beschäftigtengruppe alsodeutlich überrepräsentiert.

Weiterbildung: Positiv hervorzuheben ist, dass Unternehmen derElektroindustrie sehr aktiv im Bereich Weiterbildung sind. In rund93% aller Unternehmen der Branche gibt es Weiterbildungs-angebote. Allerdings sind Frauen seltener und in geringeremStundenumfang an betrieblicher Weiterbildung beteiligt. So lagdie Teilnahmequote der Männer an unternehmensinternen Lehr-veranstaltungen im Jahr 2005 bei 39,3%, die der Frauen hingegenmit 30,3% rund ein Viertel niedriger. Während der Krise ist all-gemein die Weiterbildungsbeteiligung der Beschäftigten – beruflichoder privat organisiert – nicht gestiegen, sondern stagniert oderteilweise sogar zurückgegangen. Deswegen gilt es, die Weiter-bildungsbeteiligung und -aktivität der Beschäftigten – speziell derFrauen – zu verstärken.

Altersstruktur: Wie in (fast) allen Branchen zeigt sich auch in derElektroindustrie eine deutliche Verschiebung der Altersstruktur –bei den Frauen bereits etwas deutlicher als bei den Männern. So

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waren Ende 2009 bereits 43,5% aller weiblichen Beschäftigten 45Jahre oder älter. Nur etwa jede zehnte Frau in der Branche warjünger als 25 Jahre und zählte damit zur „Nachwuchsgruppe“.Diese beiden Phänomene sind im Osten Deutschlands stärkerausgeprägt als im Westen, was bedeutet, dass hier die Frauentendenziell älter sind als im Westen. Unterschiede zeigen sich aller-dings nochmals zwischen den einzelnen Zweigen der Branche:Während im Zweig „Herstellung von elektrischer Ausrüstung“bereits 47,5% aller weiblichen Beschäftigten 45 Jahre oder älterist, kann der Zweig „Herstellung von medizinischen und zahnmedi-zinischen Geräten“ mit 38,4% aller Frauen in dieser Altersklassesowie 12,7% Frauen in der „Nachwuchsgruppe“ als relativ „junger“Zweig der Branche gelten. Nichtsdestotrotz: Die genannten Zah-len belegen, dass die (weiblichen) Beschäftigten der Brancheimmer älter werden. Viele werden in den nächsten 5 –10 Jahrenaus dem Berufsleben ausscheiden. Nachfolgeplanung ist hier einwichtiges und notwendiges Instrument für die Unternehmen, umden (zukünftigen) Fachkräftebedarf zu sichern. Zudem gilt es,über Konzepte alternsgerechten Arbeitens stärker nachzudenken.

Ausbildung: Wenn auch die Bemühungen der Unternehmen imBereich Ausbildung zwischen 2007 und 2009 gestiegen sind,müssen diese weiter ausgebaut werden. Denn die Ausbildungs-quote ist in der Elektroindustrie mit 5,6% weniger stark entwickeltals im restlichen Verarbeitenden Gewerbe mit durchschnittlich6%. Allgemein gilt es zudem, Frauen stärker für Ausbildungen imBereich der Elektroindustrie zu werben, da nur rund ein Viertel aller Auszubildenden in der Branche weiblich ist. Die Frauenquoteunter den Auszubildenden ist im Osten Deutschlands niedriger alsim Westen. Zudem gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Zwei-gen der Branche. Nur im Zweig „Herstellung von medizinischenund zahnmedizinischen Geräten“ ist die Frauenquote bei den Aus-zubildenden vergleichbar mit dem Frauenanteil an allen Beschäf-tigten. In allen anderen Branchen sind Frauen in der Ausbildungz.T. deutlich unterrepräsentiert.

Einkommen: Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen undMännern in der Elektroindustrie sind extrem stark ausgeprägt. Diedurchschnittliche Einkommensdifferenz (ohne Sonderzahlungen)beträgt in den einzelnen Zweigen zwischen 29,9% und 32%. Damitverdienen Frauen in der Elektroindustrie – im Vergleich zumDurchschnitt im Verarbeitenden Gewerbe (21,7%) – deutlich wenigerals ihre männlichen Kollegen. Berücksichtigt man Sonderzahlungen,erhöhen sich die Einkommensunterschiede je nach Branche aufdurchschnittlich 30,3% bis 33,9%. Zusätzlich negativ für Frauenwirken sich Einkommensunterschiede zwischen Beschäftigten inOst- und Westdeutschland aus. Durch diese werden in Ostdeutsch-land beschäftigte Frauen zu „doppelten Verliererinnen“: Sie ver-dienen nicht nur weniger als ihre ostdeutschen Kollegen, sondernauch als ihre westdeutschen Kolleginnen.

Führungspositionen: Anteilig an der Gesamtzahl der weiblichenBeschäftigten haben nur sehr wenige Frauen Führungsfunktionen.Dies zeigt sich anhand des geringen Anteils von Frauen in Leis-tungsgruppe 1 und 2, in welche Personen mit Führungsaufgabeneingestuft sind. Groß ist hingegen – gerade im Vergleich mit denmännlichen Beschäftigten – der Anteil der Frauen in Leistungs-gruppe 5, der Leistungsgruppe, in der sogenannte Un- und Ange-lerntentätigkeiten eingestuft sind.

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Arbeitszeitvolumen/Mini- wie Midijob: Allgemein kann konstatiertwerden, dass das Arbeitszeitvolumen der weiblichen Beschäftig-ten in der Branche niedriger ist als das der Männer. Frauen bildenso etwa mit 78% den überwiegenden Teil der insgesamt 69.000Teilzeittätigen in der Elektroindustrie. Die Teilzeitquote bei denFrauen ist mit 17,5% zudem deutlich höher als bei den Männernmit 2,2%. Unterschiede zeigen sich zwischen einzelnen Zweigen,aber auch vor allem zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Teil-zeitquote der Frauen ist in Ostdeutschland deutlich niedriger aus-geprägt als im Westen und nimmt zudem ab. Im Westen steigt dieBedeutung von Teilzeitbeschäftigung für Frauen hingegen an.Dasselbe Problem besteht in Bezug auf Mini- wie Midijobverhält-nisse, die ebenfalls eher von Frauen als von Männern ausgeübtwerden, die im Vergleich zum restlichen Verarbeitenden Gewerbeaber keine besonders ausgeprägte Stellung einnehmen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die beschriebenenBeschäftigtendaten auf ein sehr gemischtes Bild in Bezug auf dieSicherung und Förderung von Frauenbeschäftigung in der Elektro-industrie verweisen.

Globalisierung hat hohen Einfluss auf Arbeit und Beschäftigung

Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Wirtschaft und somitauch auf Unternehmen der Elektroindustrie in Deutsch-land sind bekannt: Produktionsprozesse wurden ins Ausland verlagert was zum Abbau „einfacher“ bzw. stan-dardisierter Arbeit an deutschen Standorten bzw. „Out-sourcing“ führte. Die Arbeitsorganisation veränderte sichaufgrund der Internationalisierung – vermehrte (inter-nationale) Reisetätigkeiten, Zeitzonen-Arbeitszeiten undvirtuelle Teams prägen für viele Beschäftigte den Arbeits-alltag. Hiervon sind vor allem AT-Beschäftigte negativ betroffen.

In Bezug auf Verlagerung von Produktion und damitAbbau von Beschäftigung zeigen sich unterschiedlicheTrends: So hat etwa Siemens in den letzten Jahren keinegrößeren Verlagerungen mehr vorgenommen. Mitbedingtist dies auch dadurch, dass die Produktionsergebnisseder verlagerten Einheiten qualitativ nicht so gut sind, wieman es sich erhofft hatte.

Bosch hingegen verfolgt aktiv das Ziel, die Produktion zuden Absatzregionen zu verlagern. Das bedeutet konkret:in Ungarn, China, USA wird Produktion aufgebaut und anden deutschen Standorten wird das Beschäftigungs-volumen in der Produktion erhalten bzw. abgebaut. DieSteuerung geschieht über die deutschen Standorte. Dashat deutlich Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhält-nisse: So führen Auslieferungsprobleme an einem inter-nationalen Standort dazu, dass die deutschen Standortein Sonderschichten produzieren und Ingenieure aus dendeutschen Standorten im Ausland die Produktion opti-mieren. Das erfordert eine hohe Flexibilität. Für Beschäf-tigte im Ingenieursbereich ist es mittlerweile selbst-verständlich, dass sie regelmäßig zu den internationalenStandorten im Ausland reisen, um dort zu arbeiten – alsoFertigung aufbauen, Probleme beheben etc. Bei Einigen

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These: Frauenbeschäftigung und Globalisierung

Die fortschreitende Globalisierung hat in derVergangenheit zu massiven Standortverlage-rungen und somit auch zu einem spürbarenBeschäftigungsabbau in den Unternehmender Elektroindustrie in Deutschland geführt.Zum Teil hält dieser Trend weiter an und hat soauch aktuell negative Auswirkung auf dieFrauenbeschäftigung in der Branche, da ein(originäres) Betätigungsfeld für Frauen in derBranche (un- und angelernte Produktions-arbeit) weiter schrumpft. Beschäftigungsrisi-ken für Frauen steigen hierdurch.Der Fortschritt der globalisierten Unterneh-menszusammenhänge führt zudem zu hohenMobilitätsanforderungen und der Einschrän-kung der Vereinbarkeit von Arbeit und Privat-leben – sowohl für Beschäftigte im Ingenieurs-bereich, aber auch im Produktionsbereich. Dasmacht diesen großen Arbeitsbereich der Bran-che (langfristig) unattraktiv für weibliche (aberauch männliche) Beschäftigte mit familiärenVerpflichtungen (Kinderbetreuung/Betreuungpflegebedürftiger Angehöriger). Deswegen be-steht im Handlungsfeld Vereinbarkeit von Arbeitund Privatleben großer Regulierungs- und Ver-änderungsbedarf. Einhergehend mit einer ver-änderten Unternehmenskultur ist es notwendig,verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen,die die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigtenberücksichtigen und notwendige Erholungs-und Ruhephasen garantieren.

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sind das zwei Wochen im Monat, unabhängig davon, ob die Beschäftigten Familien haben oder nicht. Das ist besonders fürFrauen mit Familie schwierig.

Neue Technologien – neue Produktentwicklungen Es gibt eine Reihe von Branchen- bzw. Produktentwicklungen, diedie künftige Elektroindustrie stark prägen werden bzw. dies bereitstun. Dazu gehören:

Erneuerbare Energien (Photovoltaik, Windenergiebereich): auf-grund des steigenden Umweltbewusstseins und des geringerenRessourcenverbrauches,

Medizintechnik: aufgrund der demografischen Entwicklung undder dynamischen Entwicklungen in der Forschung für neue medi-zinische Anwendungen,

E-Mobility (hier z.B. Batterietechnologie): ebenfallsaufgrund des steigenden Umweltbewusstseins und desgeringeren Ressourcenverbrauches.

Informationstechnologie: die Herstellung der Hardwareerlebt zwar einen Abbau, aber der Softwarebereich istim Aufbau – hier ist die Globalisierung sowie die Entwicklung zur Informationsgesellschaft ein starker Motor.

Zudem zeigt sich, dass die Branchen Bedarfe bzw. gestie-gene Ansprüche der (potenziellen) Kundinnen und Kundenin der Produktentwicklung mit aufnehmen (Beispiel: Luxus-auto mit geringerem Benzinverbrauch) und Produkte stär-ker vom Kunden her gedacht werden.

Insgesamt werden durch die Entwicklungen positiveBeschäftigungseffekte erwartet. Bei Bosch in Reutlingenwird beispielsweise das E-Bike entwickelt. Zudem ist derHybridantrieb ein wichtiges Innovationsthema. Diese Ent-wicklungen sind v.a. für das Beschäftigungsvolumen wichtig,da es sich um sehr arbeitsintensive Produkte handelt.

Allerdings gehen mit den neuen Entwicklungen auchTrends einher, die gerade vor dem Hintergrund der Arbeits-qualität aber auch der Arbeitsplatzsicherheit von Frauenkritisch betrachtet werde müssen. So herrscht ein hoherInnovationsdruck in der Branche, Innovations- und Pro-duktionszyklen werden immer kürzer, die Arbeitsorgani-sation verändert sich und die Qualifikationsanforderungenebenso wie der Bedarf und der Anspruch an Service-orientierung steigen.

Siemens erlebt mit der Einführung des neuen Unterneh-mens-Sektors „Infrastructure & Cities“ den größten Unter-nehmensumbau seit 2007. Der Diversity-Ausschuss desGesamtbetriebsrates begleitet die Maßnahmen und schautim Kontext der strategischen Personalplanung, wo Arbeits-plätze wegfallen oder hinzukommen. Die technologischeEntwicklung zeigt zudem insgesamt, dass einfache Tätigkeitenstärker reduziert werden und in eigentlich allen Bereichen mehrFachkräfte gesucht werden. Wichtige Rahmenbedingungen fürdie Entwicklung der Frauenbeschäftigung in diesem Kontext sind

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These: Frauenbeschäftigung – Neue Techno-logien – neue Produktentwicklungen

„Innovationen in der Elektroindustrie könnenfür eine stärkere Beschäftigung von Frauengenutzt werden. Durch Innovation kann Be-schäftigung gesichert und Tätigkeiten aufge-wertet werden. In der Realität findet dies we-nig statt, wie beispielsweise die niedrige all-gemeine Weiterbildungsquote zeigt. Vor allemin der Gruppe der un- und angelernten Be-schäftigten, wo vermehrt Frauen zu findensind, sind Unternehmen noch zu wenig be-müht, die Fortentwicklung ihrer Beschäftigtenzu fördern. Dies wäre sowohl für das Unter-nehmen, als auch die Beschäftigten förder-lich“, so die Einschätzung eines Betriebsrats-mitglied eines Konzerns der Elektroindustrieam Standort Deutschland. Diese Sicht auf dieSituation überschneidet sich mit den Aussa-gen weiterer Akteurinnen und Akteuren derBranche.Aufgrund der beschleunigten Produktent-wicklungszyklen ergeben sich zudem erhöhteAnforderungen an Flexibilität und Qualifika-tion. Viele Arbeits(zeit)spitzen bedeuten zumeinen oftmals zusätzliche Mehrarbeit in derProduktion (z.B. Samstags) oder die Einfüh-rung von durchgehenden Schichtsystemen.Für den Bereich Forschung und Entwicklungbedeutet es Dauerhochbelastung durch meh-rere parallel laufende Projekte. Arbeitszeitfle-xibilität für die Beschäftigten nimmt deutlichab – und damit eine gute Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben. Die Sicherung einer gutenVereinbarkeit und zugleich die Einbindung in(hochwertige) Qualifizierung sind in diesemKontext Herausforderungen – nicht nur für dieFrauenbeschäftigung.

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bei Siemens die Aus- und Weiterbildungsqualität, faire Beschäf-tigungsbedingungen und die Gestaltung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Neue Arbeitssysteme und Produktionstechniken erhöhen den Arbeitsdruck/die Arbeitsdichte und gefährden die Frauenbeschäftigung

Kostensenkung und damit verbunden die Verschlankung von Arbeitsprozessen spielt in den Unternehmen der Elektroindustriebereits seit mehreren Jahren eine große Rolle und hat negativeAuswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse – sowohl inBezug auf Qualität als auch Quantität. Die Automatisierung derProduktion hat etwa in der Halbleiterindustrie starke Auswirkungenauf die Frauenbeschäftigung, da die Maschinenführerarbeits-plätze, die überwiegend von Frauen besetzt waren, durch Roboterersetzt werden. Dieser Wandlungstrend zeigt sich schon seit rund10 Jahren.

Ein wesentlicher Wandlungsfaktor für die Beschäftigung in derBranche war auch die Einführung der ganzheitlichen Produktions-systeme. Die Veränderung und Verschlankung der Prozessabläufebetraf in den letzten Jahren nicht nur die Fertigung, sondern auchdie Büroarbeit. Bei dieser Entwicklung wird beispielsweise bei denTeamassistentinnen Zuarbeit für zu betreuende Teams/Vorgesetzteeingespart. Solche Zuarbeiten werden beispielsweise durch Soft-warelösungen ersetzt, wie Programme zur Reisekostenabwicklung.Ein weiteres Mittel ist die Verlagerung von Tätigkeiten (Einfachdienst-leistungen) ins Ausland. Beispiele hierfür sind die Buchhaltungoder die Rechnungsstellungen – hierdurch fallen dann Tätigkeits-bereiche ganz weg. Bosch hat ein Call-Center in Magdeburg, daszentral die Reisekosten abrechnet. Vor kurzem (2010) wurde überdie Zentralisierung im Einkauf diskutiert. Hier sind viele Frauenbeschäftigt.

In der Produktion haben neben voll automatisierten Produktions-abläufen auch sogenannte Fertigungsinseln Einzug gehalten (z.B.bekannt unter dem Namen „Chaku-Chaku-Linie“). Diese Fertigungs-inseln/-linien haben den Vorteil, dass sie in der Produktionskapa-zität flexibel sind, da sowohl einer wie auch drei Beschäftigte aneiner Fertigungsinsel arbeiten können. Durch diese Arbeitsplatz-gestaltung können dort fast keine Leistungsgewandelten mehruntergebracht werden. Zudem sind diese Arbeitsplätze so opti-miert, dass die Beschäftigten sehr gut „funktionieren“ müssen.Dadurch entsteht eine hohe Arbeitsbelastung. Bei Bosch bemühtsich deshalb der Betriebsrat, so wenige Chaku-Chaku-Linien wiemöglich zuzulassen.

Arbeits- und Leistungsverdichtung und die hiermit einhergehendenBurn-Out-Fälle werden in den Betriebsratsgremien der Branchethematisiert und diskutiert. Arbeitgeber sehen jedoch häufig nochnicht die Notwendigkeit zum Handeln (z.B. Anhebung des Personal-umfangs). Dies beweist auch das vermehrt auftretende Angebotder Arbeitgeber, die wöchentliche Arbeitszeit wieder von 35 auf40 Stunden anzuheben sowie der Arbeitszeitverfall.

Insgesamt muss bei den neu getakteten Arbeitsabläufen in derProduktion darauf geachtet werden, dass die Arbeit nicht zu mono-ton wird und den Arbeitsschutzstandards entspricht.

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Die Einflussmöglichkeiten der Betriebsräte durch die bestehendenMitbestimmungsrechte bei der Arbeitsgestaltung sind hier vongroßer Bedeutung. Zudem besteht aufgrund des demografischenWandels das Problem, dass die Anforderungen, die solche neuenProduktionsprozesse mit sich bringen, von den älteren Beschäf-tigten immer schwerer bewältigt werden können. Die Etablie-rung von sogen. „Schonarbeitsplätzen“ steht deshalb imFokus der Betriebsratsarbeit, z.B. bei Siemens. Hier besteht der Widerspruch, dass auf der einen Seite „Ein-facharbeitsplätze“ dem Unternehmen nicht rentabel genugsind, andererseits diese Tätigkeiten für ältere Beschäf-tigte eine gute Möglichkeit wären, ihre Arbeit mit geringe-ren Belastungen auszuführen. Dass Problem der hohenBelastungen u.a. aufgrund von Leistungsverdichtung betrifft nicht nur den fertigenden Bereich, sondern istebenso bei den Angestellten vorhanden.

Maßnahmen, wie etwa Refa- oder MTM-Prüfungen, diehier eigentlich entgegensteuern sollten, wirken nicht ent-sprechend der eigentlichen Möglichkeiten. Auch undgerade im Angestelltenbereich ist dies ein Problem, dahier das leistungspolitische Know-How – im Gegensatzzum Produktionsbereich – nie gegeben war. So findet überGefährdungsbeurteilungen im Produktionsbereich die Über-wachung und Reglementierung der Arbeitsbedingungenstatt. Dagegen gibt es im kaufmännischen Bereich keinebzw. kaum geeigneten Maßnahmen. Deswegen hat die IGMetall das Ziel, über Befragungen zur Belastung (Stress-barometer) das Thema im indirekten Bereich der Betriebestärker ins Bewusstsein zu rücken. Dies geschieht momentan in30 Pilotunternehmen. Gerade die psychischen Belastungen sindals Thema in vielen Unternehmen, und dort vor allem im Ange-stelltenbereich, noch wenig thematisiert.

Zudem nehmen die leistungsbezogenen Entgelte ab und werdendurch zeitbezogene Entgelte ersetzt. Dadurch ist die Leistungs-erstellung wie eine Blackbox und verstärkt den Leistungsdruck.

Hochqualifizierte, wissensintensive Tätigkeiten nehmen zu

Aufgrund der neuen Produkt- wie auch Produktionsentwicklungengeht für viele andere Unternehmen der Trend hin zur Erweiterungder Angestelltenbereiche und hier besonders von Forschung undEntwicklung sowie des Arbeitsbereichs der Prozessingenieure.Ferner werden Stellen im Bereich Controlling und Einkauf auf-gebaut. Damit verändern sich die Beschäftigtenstrukturen sehrstark.

Die gut qualifizierten Beschäftigten (Facharbeiterabschluss oderhöher) machen mittlerweile 75% aller Beschäftigten aus, so dieEinschätzung eines befragten Experten/einer befragten Expertin.Vor 25 Jahren sei dies noch anders gewesen – der Anteil derFacharbeiter, Ingenieure oder Betriebswirte an der Gesamtzahlder Beschäftigten habe da noch bei 25% gelegen.

Der Gesamtbetriebsrat (GBR) bei Bosch hat aktuelle Daten zurAufteilung von Frauen auf direkte und indirekte Bereiche ermittelt.Bosch hat insgesamt rund 20% Frauenanteil (Stand 07/2010). Die-ser Anteil variiert von Standort zu Standort. Insbesondere im

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These: Frauenbeschäftigung und neue Arbeitssysteme

Die Veränderung (wie auch die Verlagerung)von Arbeitsprozessen (Produktion/Verwaltung)erhöhen die Anforderungen an das Wissens-management wie auch die (körperliche undgeistige) Leistungsfähigkeit auf einfachen Ar-beitsplätzen, die oftmals von Frauen besetztwerden. Dies kann bei nicht entsprechend vorliegenden Qualifikationen schnell zur Über-forderung der Beschäftigten führen. Das ganz-heitliche Produktionssystem kann dazu führen,dass der physische und psychische Verschleißder Beschäftigten zunimmt – das betrifft ins-besondere angelernte Tätigkeiten in der Pro-duktion, aber auch die Bürotätigkeiten. Hier isteine Begleitung und Prüfung der Prozessedringend notwendig. Aufgrund der komplexenZusammenhänge besteht hier erhöhter Schu-lungsbedarf für die betrieblichen Interessen-vertretungen.

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indirekten Bereich verliert Bosch Frauenanteile, obwohl der Ange-stelltenbereich insgesamt wächst. Ein Grund hierfür ist, dass in

der „typischen Entwicklung“, die stark aufgebaut wird,sehr wenige Frauen beschäftigt sind. Darüber hinausschrumpft der Bereich der Sachbearbeitung und Sekreta-riate, weil diese Tätigkeiten nach Indien verlagert oderzentral an (angegliederten) Standorten gebündelt werden.

Frauen in der Elektroindustrie eher in tradi-tionellen Tätigkeitsbereichen zu finden

Frauen arbeiten in Produktionsprozessen der Elektroindus-trie überwiegend in monoton gestalteten und taktgebun-denen Tätigkeiten. In der Weißen Ware ist dies z.B. der Bereich der Endmontage. Darüber hinaus ist typische ein-fache Arbeit noch in den Betriebskantinen zu finden. Steigende Beschäftigungspotenziale für Frauen sind inUnternehmensbereichen wie der Personalabteilung, Juri-sten, Design, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit zu finden.Dies sind wachsende Bereiche in Unternehmen und starkvon gut ausgebildeten, z.T. relativ jungen Frauen besetzt.Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die hochqualifizier-ten Tätigkeiten nochmals voneinander zu unterscheiden,um die für Frauen relevanten Bereiche heraus zu kristalli-sieren. In den ingenieurswissenschaftlichen Fächern dagegen ist der überwiegende Teil der Absolventen männ-lich, was sich bei den Einstellungen auswirkt.

Zudem wird durch die Erschließung neuer Vertriebswege(Internetvertrieb) die Arbeit in CallCentern – die meistdurch Frauen erledigt wird – aufgewertet und ausgeweitet.Das Callcenter hat in der internetbasierten Betriebsstruk-tur die Funktion des Backup-Offices. Hier ist Beschäf-tigungsaufbau zu erwarten, der qualitativ hochwertig seinmuss, da hohe Servicequalität erwartet wird, um dasFunktionieren des Internetvertriebs zu gewährleisten.

Mehr duale Ausbildung und Frauen stärker im Blick

Die Ausbildungsaktivitäten der Betriebe sind ein permanentes Themain der IG Metall, speziell der IG Metall Jugend. Momentan wird im Auf-trag der IG Metall die Strukturverschiebung in der Ausbildung hin zu

mehr dualen Studiengängen untersucht. Bisher hat sich ge-zeigt, dass weniger Leute in den Bereichen Bürokommuni-kation und Industriekaufmann/-frau ausgebildet werden unddass tendenziell die Zahl der jungen Menschen im Dual-studium bzw. mit einem entsprechenden Abschluss zunimmt.

Bis auf den Bereich Medizintechnik sind Frauen in der Aus-bildung in der Elektroindustrie unterrepräsentiert. Dadurchkann sich der Frauenanteil auf der Ebene der Facharbeitnicht erhöhen. Dies hängt u.a. mit dem Berufswahlverhal-ten von jungen Frauen zusammen, dass bei vielen immernoch sehr traditionell geprägt ist. Ein Punkt, der die At-

traktivität einer Ausbildung generell mindert (für Frauen wie Män-ner), ist, dass nach wie vor Auszubildende nicht automatisch ineinen unbefristeten Arbeitsplatz übernommen werden.

Um junge Frauen gezielt für technische Berufe anzusprechen, ver-folgen die Unternehmen unterschiedliche Wege. Bosch beteiligt

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These: Frauenbeschäftigung und Zunahmenwissensintensiver, hochqualifizierterTätigkeiten

Es gibt immer weniger gewerbliche Beschäf-tigte, dafür immer mehr Arbeitsplätze in Ange-stelltenbereichen. Zudem gibt es immer weni-ger An- und Ungelernte sowie Facharbeiter,dafür vollzieht sich ein Beschäftigungsaufbaubei Ingenieuren. Tätigkeiten, die stark mit Frauenbesetzt waren, sind zudem verlagert oder au-tomatisiert worden. Ausbildungsplätze im kauf-männischen Bereich, wo traditionell eher Frauenzu finden sind, sind rückläufig. Vor diesemHintergrund muss man die (weibliche) Beschäf-tigungsentwicklung von Frauen in der Elektro-industrie einschätzen.Der Aufbau von hochqualifizierten Beschäfti-gungsfeldern im Bereich Forschung und Ent-wicklung bietet Beschäftigungschancen fürFrauen, die bislang aber nicht genutzt werden– auch weil bisher die Zahl der Frauen in MINT-Berufen und Studiengängen (MINT = Mathe-matik, Ingenieurs- und Naturwissenschaftensowie Technik) sehr gering ist. Darum gilt es, Entwicklungsmöglichkeiten fürweibliche Beschäftigte zu bieten, die bereitsin der Branche tätig sind und sie für eine höherqualifizierte Tätigkeit im technischenBereich zu befähigen. Auch bei der Auswahlder Ausbildungs-/Studienrichtung sollte dahin-gehend Einfluss auf junge Frauen genommenwerden.

These: Frauenbeschäftigung in spezifischenTätigkeitsbereichen 1

Die Entwicklung in den Bereichen, in denen sichsteigende Beschäftigungspotenziale zeigen,muss geschlechterdifferenziert betrachtet wer-den. Es sollte gezielt darauf hingewirkt werden,dass dort, wo qualifizierte Frauen zur Beset-zung neuer Stellen vorhanden sind, entsprech-ende Einstellungen erfolgen.

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sich so etwa am Girl’s Day, darüber hinaus werden keine weiterengroßen Aktivitäten entfaltet. Siemens führt den Girl’s Day durchund bietet zudem Praktika, Forscherkisten, um junge Frauen (wieMänner) für das Unternehmen zu gewinnen. Ebenso ist Siemensaktiv an Schulen und Hochschulen und hat vielfältige Kooperations-projekte, die junge Fachkräfte an Siemens binden sollen. Im Inter-net ist Siemens ebenfalls stärker aktiv geworden (z.B. virtuellerEignungstest). Der Betriebsrat hat hier Einfluss genommen undden Blick auf junge Frauen als qualifizierte Fachkräfte gelenkt.Siemens will nun die Geschlechterperspektive in seine Aktivitätenstärker einbinden. Eine wichtige Frage ist allerdings, wie interessantSiemens als Unternehmen für gut qualifizierte Jugendliche ist –dies gilt speziell in Bezug auf diese jungen Frauen.

Gestiegene Attraktivität der Ausbildung nutzen und weiter ausbauen

Die Berufsorientierung von Mädchen für technische Berufe mussfrüher ansetzen und weiter intensiviert werden. Unternehmen kön-nen hier einen aktiven Beitrag leisten, indem sie entsprechendeProjekte an Schulen gestalten, Praktikumsangebote machen etc.Zudem müssen Unternehmen ihre (technischen) Arbeitsbereicheund duale Studienmöglichkeiten offensiver an Frauen herantragenund das Angebot – nicht nur aber gerade auch aufgrund des stei-genden Bedarfs an (hoch-)qualifizierter Beschäftigung. Die Beglei-tung der (dualen) Ausbildung zur Berufswegeplanung ist ebenfallshilfreich für die gezielte Nachwuchsförderung – gerade von Frauen.

Prekäre Beschäftigung zeigt sich auf unterschiedliche Arten

Prekäre Beschäftigung hat in den letzten Jahren zugenommen.Dies hängt wesentlich mit dem Flexibilitätsanspruch der Unter-nehmen zusammen. Entsprechend gibt es zunehmend Regelun-gen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen für solcheBeschäftigungsverhältnisse. In der Industrie sind vor allemLeiharbeit und befristete Beschäftigungsverhältnisse prä-sent, weniger geringfügige Beschäftigung. Frauen arbeitenzu einem geringen Anteil in Leiharbeitsverhältnissen inder Industrie – und profitieren dadurch nicht von Über-nahmeregelungen.

Der Anteil der Frauen an den befristet Beschäftigten istetwas höher als ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung.Geringfügige Beschäftigung ist in der Elektroindustriestärker vertreten, als in anderen Industriezweigen (83.000Beschäftigte). Mit etwa 57% ist die Mehrheit der Minijob-beschäftigten in der Elektroindustrie weiblich. Gering-fügig Beschäftigte sind besonders in der Medizintechnikzu finden (30.000). Die hohe Zahl von Minijobs in der Bran-che, lässt sich eventuell mit Heimarbeitsarbeitsplätzenerklären. Generell ist aber bisher nicht eindeutig geklärt,in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungendiese Minijobbeschäftigten tätig sind und was das Arbeits-stundenvolumen angeht.

Frauen in Führungspositionen

Frauen sind nach wie vor selten in Führungspositionen zu finden.Es besteht ein generelles Interesse der Unternehmen, dies zu

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These: Frauenbeschäftigung und prekäreBeschäftigungsverhältnisse

Leasing, Leiharbeit und Befristungen sindPhänomene, die in der Elektroindustrie nichtselten auftreten und sogar z.T. weiter zuneh-men. Dies betrifft nicht nur die männlich domi-nierten Arbeitsbereiche, sondern auch die derFrauen. Die Betriebsräte können hier nochstärker aktiv werden, um für mehr Sicherheitder Arbeitsverhältnisse zu sorgen und demschleichenden Abbau von unbefristeten Be-schäftigungsverhältnissen entgegen zu wirken.Hierbei sollte eine gleichstellungspolitischeSichtweise auf die bestehenden Problemeentstehen. (Welche und wessen Arbeitsplätzewerden abgebaut bzw. durch Leasing undBefristung besetzt und von wem?). Zudem gilt es, die Arbeitsbedingungen der(überwiegend weiblichen) Minijob-Beschäf-tigten zu thematisieren und zu überprüfen, obhier Verbesserungen möglich sind.

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ändern und entsprechende Maßnahmen werden zum Teil schonumgesetzt.

Siemens hat seit 2000 das Programm „ÜT-Anteil von Frauen er-höhen“. 2001 wurden weltweit neue Leitsätze für Diversity ent-wickelt (Vielfalt fördern und praktisch umsetzen). In Folge derLeitsätze wurde ein spezielles Mentoring für Frauen und ein Pro-gramm eingeführt, um die jungen, hoch qualifizierten Frauen anden Hochschulen an das Unternehmen zu binden. Angehendenweiblichen Fach- und Führungskräften werden Mentorinnen undMentoren aus der Führungsebene zur Seite gestellt, die sie beratenund anleiten. Auch gibt es ein Cross- Company-Mentoring-Programm mit anderen Unternehmen. Durch ein spezielles Weiter-bildungsprogramm für Frauen, das ebenfalls an Fach- und Führungskräfte adressiert ist, sollen bessere Verhandlungs- undKarriereplanungsstrategien vermittelt werden.

Bei Siemens gibt es zudem eine Reihe von allgemeinen Nach-wuchsförderprogrammen (Nachwuchskreise, Toptalents, Trainee-Stellen, Mentoringprogramme), in welchen bislang nur wenigeFrauen sind. Der GBR hat daher eine Anfrage auf Analyse derGeschlechterverhältnisse in den allgemeinen Programmen gestelltund möchte auf Basis der Ergebnisse prüfen, wo und wie verstärktFrauen angesprochen werden können.

Frauenförderung ist bei Siemens ferner ein Führungsziel. Bei derBesetzung von Führungspositionen müssen Frauen in der Aus-wahl sein. Das bedeutet, wenn drei Bewerber eingeladen werden,

muss eine Frau dabei sein. Trotzdem steht und fällt diesesKonzept mit der Führungskraft vor Ort – insofern sind dieFührungskräfteschulungen ebenso wie die Unternehmens-kultur wichtige Bausteine für die Gleichstellungspolitik imUnternehmen.

Karriere fördern soll auch das Frauen-Netzwerk „women@bosch“. Seit 1995 können weibliche Beschäftigte bei Boschhier ihr Wissen austauschen, sich über Geschäftsbereicheund Hierarchieebenen hinaus unterstützen und ihre Inte-ressen mit einer hörbaren Stimme vertreten. Der BR siehtdiese Ansätze, kritisiert jedoch, dass die Verfahren derFrauenförderung intransparent und v.a. auf die oberenFührungsebenen bezogen sind. Der Betriebsrat will daherdie Fördermöglichkeiten für Frauen auf allen Ebenen öff-nen. Am Standort Bamberg sind die Frauen schon aktivgeworden und führen seit nunmehr drei Jahren ein Mento-ring-Programm für junge Frauen in der gewerblich-tech-nischen Ausbildung durch. Es soll den jungen Frauen denWeg in den betrieblichen Aufstieg erleichtern. Die Frauen-gruppe des Gesamtbetriebsrates hat sich dafür ein-gesetzt, diese Maßnahme bundesweit auf alle Standorteauszuweiten. Zudem arbeitet der GBR bei Bosch derzeitan einer Gesamtbetriebsvereinbarung, die regelt, wieFrauen in Führungspositionen kommen können.

Entgeltgleichheit – immer noch eine Heraus-forderung

Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Män-nern in der Elektroindustrie sind stark ausgeprägt. AuchBetriebsrätinnen mit viel gleichstellungspolitischem Know-

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These: Frauen in FührungspositionenFrauen sind nach wie vor selten in Führungs-positionen zu finden. Unternehmen formulie-ren allerdings ein generelles Interesse, dies zufördern. Wichtig ist es, die teilweise bestehen-den Maßnahmen weiter auszubauen und gleich-zeitig Instrumente zu entwickeln, die die Er-gebnisse evaluieren. So könnte z.B. durch einlangfristiges Monitoring die zahlenmäßigeEntwicklung nachvollzogen werden, um zuprüfen, welche Maßnahmen greifen. Zudem istdarauf zu achten, dass die Entwicklungspfadefür Frauen in den mittleren Führungspositio-nen nicht verbaut sind. Die Gewinnung vonFrauen in Fachkräfte- und Führungspositio-nen hängt zudem eng mit dem Thema Qualifi-zierung und der Vereinbarkeit von Arbeit undPrivatleben zusammen. Um eine Steigerungdes Frauenanteils in Führungspositionen zu för-dern, ist allgemein eine (größere zeitliche) Flexi-bilität notwendig. Die Rahmenbedingungenhierfür sind in manchen Unternehmen bereitsdurch entsprechende Betriebsvereinbarungen(BV Gleitzeit, Telearbeit, Teilzeitmöglichkeiten)gegeben. Allerdings bedarf es oftmals nocheines kulturellen Wandels in den Unternehmen,damit auch Führungskräfte diese Vereinba-rungen besser für sich in Anspruch nehmenkönnen.

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How haben Probleme, „einklagbare“ Fakten in die Hand zu bekom-men. Meist werden die Entgeltdaten nicht geschlechtsspezifischanalysiert und ausgewertet. Bei Siemens wurde bei der Einfüh-rung vom Entgelt-Rahmenabkommen (ERA) darauf geachtet,dass es keine „ungleiche Bezahlung“ gibt. Im Einführungsprozesswurden die Aufgabenprofile und Einstufungen klarer um-rissen. Der BR hat sich hierzu die Einkommensstrukturengenauer angesehen, um sicher zu gehen, dass die tat-sächlich geleisteten Aufgaben gerecht bewertet werden.

Bei Bosch spiegelt sich das Thema der Entgeltungleich-heit in der Leistungszulage wieder. Am Standort Feuer-bach wurde zur Entgeltgleichheit eine Analyse gemacht.Heraus kam, dass Frauen und Männer unterschiedlich inder Leistungszulage bedacht waren. Es ist zu vermuten,dass es diese Unterschiede auch an anderen Standortengibt.

Im Bereich des Controllings gab es bei Bosch im Kontextder ERA-Einführung das Problem, dass die Tätigkeitenerst einmal geringer eingestuft wurden. Aufgrund der Beschwerde des Betriebsrats und der betroffenen Frauenwurden die Tätigkeiten umfassender und höherwertiger beschrie-ben, es wurde eine Höhergruppierung erreicht. Treibendes Argu-ment war dabei auch, dass das Unternehmen für die Tätigkeit beiniedrigerer Einstufung kein qualifiziertes Fachpersonal mehr bekommen hätte.

Weiterbildung und Personalentwicklung

Die Qualifikationsstruktur in der Elektroindustrie verdeutlicht, dassFrauen im akademischen Bereich (mit Hauptschulabschluss) nochstärker unterrepräsentiert sind (15% Frauen) als bei den Beschäf-tigten insgesamt. Dagegen sind sie bei den Beschäftigten ohneAusbildung mit 46% stark repräsentiert – und von Beschäftigungs-abbau bedroht. Frauen sind zudem in der Weiterbildung in derElektroindustrie proportional zu ihrem Anteil an den Beschäftig-ten unterrepräsentiert.

Um dies umzukehren und so die Beschäftigung von Frauen zusichern und ihren beruflichen Aufstieg zu fördern, gibt es unter-schiedliche, bereits praktizierte Maßnahmen. So gilt in allen Sie-mens-Niederlassungen ein Ergänzungstarifvertrag. Danach musses ein Qualifizierungsgespräch geben. Weiterhin stehen den Beschäftigten 50 Stunden (im Durchschnitt) an Weiterbildung imJahr zu. Zudem gibt es eine Bildungsbedarfsanalyse. Hier hat derBetriebsrat Informations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Esgibt ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm, z.B. gibt esAngebote für Sekretärinnen für Sprachkurse und Softwareschu-lungen etc.. Der BR wirkt darauf hin, dass die Beschäftigten die-ses Recht in Anspruch nehmen und auch selber Vorschläge machen. Der Diversity-Ausschuss achtet zudem darauf, wie undwo Weiterbildung vergeben wird und ob alle Beschäftigten gleicher-maßen davon profitieren können. Bisher scheinen Beschäftigte ineinfachen Tätigkeiten und Tätigkeiten, die keine großen Verände-rungen erfahren (z.B. Abrechnungsverfahren, Logistik, etc.), selteneran Weiterbildung teilzunehmen.

Bosch bietet Qualifizierung innerhalb und außerhalb der Arbeits-zeit an. Zudem gibt es sehr viele unterschiedliche Qualifizierungs-

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These: Frauenbeschäftigung und Entgelt-gleichheitEntgeltgleichheit ist mit dem Entgelt-Rahmen-abkommen (ERA) in der Metall- und Elektro-industrie stärker verwirklicht. Ständige Aufgabeim Betrieb bleibt, dass Aufgabenprofile undEinstufungen permanent überprüft und ange-passt werden, damit die tatsächlich geleistetenAufgaben bewertet werden. Eingruppierungen,Leistungs- und andere Zulagen müssen nachGeschlecht differenziert betrachtet werden.Regelmäßige geschlechterdifferenzierte Ent-geltberichte und Entgeltanalysen helfen dabei,Ungleichheiten aufzudecken und abzustellen.

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projekte. So wurde im Werk in Ansbach speziell für angelernte Mit-arbeiterinnen eine Facharbeiterausbildung angeboten. Einigemachten im Anschluss hieran eine Höherqualifizierung und wur-

den Meisterinnen. Als der Standort Rommelsbach (beiReutlingen) geschlossen wurde, sind die Facharbeiterinnenund Facharbeiter in sechs Wochen zur Elektrofachkraftqualifiziert worden. Zudem wurden sieben angelernteBeschäftigte zu Facharbeiterinnen ausgebildet, wodurchihnen eine Weiterbeschäftigung ermöglicht werden konnte.

Für die Zukunft zeichnet sich aus Sicht des Betriebsratsdie Notwendigkeit ab, die Aktivitäten zur Weiterbildung zuverstärken und Fördermöglichkeiten weiter auszubauen.Insbesondere der Ingenieursbedarf kann an den Stand-orten mit Entwicklungsbereichen heute nur schwer gedecktwerden. Deshalb sollen die Bemühungen intensiviert wer-den, Ingenieurinnen und Ingenieure aus der bestehendenBelegschaft heraus zu qualifizieren.

Im kaufmännischen Bereich ergeben sich bei der Umset-zung von Aufstiegsqualifizierungen zusätzliche Probleme:Frauen im kaufmännischen Bereich, die nur durch ein Stu-dium über die Stellung als Sachbearbeiterin hinaus kom-men können, müssen dafür den Beruf aufgeben und andie Universität wechseln, da berufsbegleitende Weiterbil-dungsstrukturen in diesem Bereich nicht in ausreichen-dem Maß vorhanden sind. Dies ist wenig attraktiv und

praktikabel für viele der in diesem Bereich Beschäftigten, selbstwenn sie großes Interesse an beruflicher Weiterbildung haben.

Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

In vielen Unternehmen der Elektroindustrie gibt es bereits guteRegelungen, um Beschäftigten eine größere Arbeits(zeit)flexibili-tät zu gewähren und damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familiezu unterstützen. Allerdings sind diese Regelungen in der Praxisnicht immer gelebt. Speziell für bestimmte Beschäftigtengruppengibt es kulturelle Barrieren, bestimmte Vereinbarungen zu nutzenbzw. für sich einzufordern. Dies trifft Beschäftigte in Führungs-positionen ebenso wie im Schichtbetrieb.

Siemens hat bereits in den 1990er begonnen, Vereinbarungen zurBalance von Arbeit und Privatleben umzusetzen (1998 BV Tele-arbeit) und die Papierlage zum Thema im Laufe der darauffolgendenJahre weiter ausgebaut (2003 BV Flexible Teilzeitmodelle – u.a.Sabbatical, 2006), BV Vereinbarkeit von Beruf und Familie, 2006Elternzeit (Gesprächsleitfaden). Für Beschäftigte in Elternzeit besteht die Vereinbarung, dass in regelmäßigen Abständen ver-bindliche Gespräche mit der Mutter (dem Vater) in der Elternzeitgeführt werden müssen. Die Beschäftigten in Elternzeit könnenzudem auf das Intranet zugreifen.

Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass trotz der bestehenden guten Vereinbarungen auch immer noch Probleme bestehen. Sowollen immer mehr junge Männer in Elternzeit gehen und in Teil-zeit arbeiten. Allerdings erleben sie – ebenso wie die Frauen –zunehmend das Phänomen des Karriereknicks. Es ist zudem fest-zustellen, dass viel Potenzial durch die Elternzeit verloren geht.Eine Studie hat dafür eine erste Datengrundlage geliefert. Nun solleine weitere gezielte Abfrage erstellt werden.

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These: Frauenbeschäftigung und Weiter-bildung – Thema Personalentwicklung

Um Beschäftigungsverhältnisse zu sichern undFrauen Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnenmüssen weibliche Beschäftigte – auch undgerade solche mit niedrigem Qualifikations-niveau – ausreichend in neue unternehmens-interne oder zumindest berufsbegleitende Qua-lifizierungswege und -ansätze integriert werden(z.B. Weiterbildung von Beschäftigten mittechnischen Berufsabschluss hin zu Ingenieurs-tätigkeiten oder von un- und angelernten Beschäftigten zu Facharbeiter/-innen). Mög-liche bestehende Barrieren müssen zudemüberwunden werden, damit auch Beschäftigtein Elternzeit sowie solche mit eingeschränk-ten Zeitkapazitäten in Qualifizierungsmaßnah-men adäquat eingebunden werden. Hier sindentsprechende Zielvereinbarungen und dasMonitoring zentrale gleichstellungspolitischeInstrumente (z.B. Beschäftigte in Teilzeit).

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„Ein gutes miteinander zu vereinbaren“ zwischen Beruf und Fami-lie ist auch erklärtes Ziel der Unternehmensleitung von Bosch. Beschäftigte sollen ihre Angehörigen – ob Kinder oder pflege-bedürftige Familienmitglieder – versorgt wissen, damit sie für dasUnternehmen produktiv sein können. Deshalb unterstützt Boschdie Vereinbarkeit durch flexible Arbeitszeitmodelle und Telearbeitsowie Informations- und Unterstützungsleistungen (z.B. Vermitt-lung von Ferienbetreuung von Kindern). Bosch-Mütter und -Väterkönnen sich so etwa auf der Internetplattform family@bosch austauschen und vernetzen. Beschäftigten mitPflegeaufgaben werden durch die Betriebsvereinbarungzur Pflegezeit verschiedenste Möglichkeiten geboten, dieArbeitszeit an die privaten Anforderungen anzupassen(durch Teilzeit, alternierende Telearbeit, Freistellung vomSchichtbetrieb) oder durch eine Auszeit vom Beruf von biszu dreieinhalb Jahren.

Vor besondere Herausforderung sind die Unternehmenaber immer noch gestellt, wenn es darum geht, Arbeits-zeitsouveränität für die Beschäftigten in der Produktion,insbesondere in Schichtarbeit, umzusetzen. Bei Boschzeigten sich Probleme, die Anfangs- und Endzeiten in denSchichten flexibel zu gestalten. Diese individuellen Rege-lungen gab es schon früher – als die Arbeitseinteilungnoch durch die Meister geregelt wurde. Doch dann hattesich die Personalabteilung eingeschaltet und das verhin-dert. Dies wurde mit einer generellen Schichtumstellungam Standort Reutlingen jetzt geregelt. Hier hat derBetriebsrat gefordert, dass die Bedürfnisse und Wünscheder Beschäftigten in die Schichtplangestaltung einbezo-gen werden müssen. Es gab dann konkret 60 Fälle von Beschäftigten, die gesonderte Anfangs- oder Endzeiten brauch-ten. Es zeigte sich: die Bedarfe konnten alle abgedeckt werden.Auch gab es lange das Problem, Teilzeitwünsche in der Schicht-arbeit umzusetzen. Eine Kampagne, und damit verbunden eineBefragung des Vertrauenskörpers der IG Metall zur Vereinbarkeitvon Familie und Beruf, hat mit dazu geführt, dass die Teilzeit imKontischichtsystem durchgesetzt werden konnte. Auch Jobsharing(zwei Beschäftigte teilen einen Arbeitsplatz) ist jetzt möglich. DieUmsetzung der unterschiedlichen Teilzeitmodelle wurde zuBeginn als Pilotversuch gestartet und ist jetzt in einer Betriebs-vereinbarung geregelt.

Eine weitere zentrale Problemlage hat sich mit der zunehmenden„Vertrauensarbeitszeit“ bei den hochqualifizierten Beschäftigtenherausgebildet. Hier ist der Schutz der Beschäftigten aus vielerleiGründen nur schwer umsetzbar.

Anforderungen an die Betriebspolitik beim Thema Gleichstellung

Ebenso wie beim Thema Vereinbarkeit ist auch beim ThemaGleichstellung die Papierlage zum Thema in vielen Unternehmenbereits gut – die Umsetzung jedoch ist häufig problematisch. Inden Unternehmen, aber auch in Betriebsratsgremien fehlt oftmalsdie Sensibilität, die Sicherung und Förderung der Frauenbeschäf-tigung sowie der Gleichstellung der Geschlechter voran zu bringen.Nur eine sehr geringe Zahl der Betriebsratsgremien hat bisher einen Gleichstellungsausschuss, wobei der Trend steigend ist.

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These: Frauenbeschäftigung und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Die Möglichkeiten zur Teilzeit, Jobsharing undTelearbeit in allen Bereichen, auch auf Füh-rungsebene und im Bereich Forschung undEntwicklung (F&E), müssen weiter gestärktwerden. Das Bewerten der realen Arbeitszeitje Beschäftigten und nicht das „Zählen derKöpfe“ trägt dazu bei, mehr Arbeitszeitflexi-bilität im Sinne guter Vereinbarkeit von Arbeitund Leben zu erreichen. Das heißt, dass Arbeits-stunden auf mehrere Beschäftigte flexibel ver-teilt werden können (z.B. bezogen auf lebens-phasenorientierter Teilzeitbeschäftigung). Dieseso genannte „Echtzeitnormierung“ und eineVerabschiedung vom Präsenzmodell sind hier-zu notwendig. Im Schichtsystem und bei ge-takteten Arbeitsabläufen ist die Bereitschaftaller Beteiligten zu stärken, konkret passendeModelle zu entwickeln und zu realisieren.

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Auch in den Branchen mit hohem Frauenanteil (Medizintechnikund Weiße Ware) spielen gleichstellungspolitische Fragestellungen

derzeit kaum eine Rolle. Die (überwiegend männlich domi-nierten) Betriebsräte und Vertrauensköper sind wenigengagiert in diesem Bereich.

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These: Frauenbeschäftigung und Betriebspolitik

Betriebliche Gleichstellungspolitik muss wei-ter auf- und ausgebaut werden. Die Papier-lage zum Thema ist z.T. bereits gut, aber in derUmsetzung von Vereinbarungen zeigen sichhäufig Mängel. Deshalb ist es bedeutsam, durchdie Etablierung entsprechender Ausschüssedie Sensibilität in den Unternehmen für dievielseitigen Fragestellungen und Aspekte desThemas zu erhöhen und die betrieblichenHandlungsfelder systematisch anzugehen.Auch eine nach Geschlecht differenzierte Da-tenlage kann unterstützend wirken, um Faktenin der Hand zu haben, mit denen gearbeitet undargumentiert werden kann. Bei Bosch gibt esetwa seit 1988 einen Frauenförderplan. Im Zu-sammenhang damit wurde ein betrieblichesReporting entwickelt und es entstand 2004das interne Gleichstellungsaudit für die Stand-orte. Hier werden die Daten zur Situation vonFrauen und Männern in allen Bosch- Stand-orten jährlich erhoben, um die Entwicklung beob-achten zu können und ein Benchmark derStandorte zu haben. Das ist auch in der Be-triebsvereinbarung festgehalten. Der Ausschussmuss jedoch jedes Jahr intensiv dafür werben,damit die Standorte diese Daten liefern.

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Gleichstellungspolitische Heraus-forderungen in den Unternehmen der Informations- und Kommunikations-technologien

Das vorliegende Thesenpapier ist eine Zusammenfassung der Ergebnissevon fünf Expertinnengesprächen (z.T. mit mehreren Personen), die in 2011und 2012 geführt worden sind.

Entlang zentraler (gleichstellungspolitischer) Herausforderungen in der Bran-chen sind die Aussagen der Expertinnen und Experten zusammengefasstund daraus gleichstellungspolitische Thesen abgeleitet.

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Exkurs: Statistische Daten und Trends in der ITK-Industrie

Die ITK-Industrie 1 ist für die Frauenbeschäftigung eine bedeutendeBranche. Der Frauenanteil an allen Beschäftigten liegt mit 29,6%(Stand: 12/2009) deutlich über dem Durchschnitt im Verarbeiten-den Gewerbe (25,2%). In 2009 arbeiteten die meisten der rund240.000 weiblichen Beschäftigten in einem der dienstleistungs-orientierten Segmente der ITK-Industrie, sowie im durch die Produktion geprägten Zweig „Herstellung von elektrischen Bau-elementen und Leiterplatten“ (41.529 weibliche Beschäftigte).Insgesamt sind in diesen beiden Zweigen fast Dreiviertel (genau:71,9%) aller weiblichen Beschäftigten der Branche tätig. In Bezugauf die Frauenbeschäftigung gibt es in der Branche allgemein gültige Tendenzen, aber auch solche, die unterschiedlich ausfallenje nachdem, ob die Frauen in den produzierenden oder dienst-leistungsorientierten Zweigen der Branche arbeiten.

Als allgemeine Trends/Tendenzen können folgende gesehen werden:

Teilzeit: Nach wie vor ist Teilzeittätigkeit eine Frauendomäne – auchin der ITK-Industrie. 67,6% der knapp 69.000 Teilzeitbeschäftigtender Branche waren Ende 2009 weiblich, nur 22,4% (absolut:22.306) waren männlich (vgl. Anhang, Tabelle 4). Gemessen an allenweiblichen Beschäftigten arbeiten 19,4% in Teilzeit; von allen männ-lichen Beschäftigten arbeiten hingegen nur 3,9% in Teilzeit. Unter-schiede in der Nutzung der Teilzeit gibt es zwischen einzelnenZweigen der Branche sowie zwischen Ost- und Westdeutschland.

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse: Mit 57,3% ist die Mehr-heit der Minijob-Beschäftigten in der ITK-Industrie weiblich. Auchbei den Midijobs bilden sie mit 61,7% die Mehrheit. Rund 80% allerMini- bzw. Midijob-Beschäftigten sind in den dienstleistungs-orientierten Zweigen der Branche tätig, ohne dass sie hier aber –gegenüber der Gesamtzahl der Beschäftigten – eine herausragendeRolle spielen. Ausnahme ist der Zweig „Informationsdienst-leistungen“: Hier bilden Minijobbeschäftigte einen Anteil von33,5% an allen Beschäftigten.

Verteilung von Führungspositionen: Beschäftigte in „leitenderPosition“ (eingestuft in Leistungsgruppe 1) sind in der gesamtenITK-Industrie zu überwiegenden Teilen Männer. Hier ist das Bild innerhalb der Branche über alle Zweige hinweg einheitlich. Unter-schiede zwischen einzelnen Branchenzweigen ergeben sich, betrachtet man die Gruppe der „herausgehobenen Fachkräfte“,die eingeschränkte Führungsaufgaben haben (Leistungsgruppe 2).Hier ist der Anteil der Frauen in den dienstleistungsorientiertenZweigen der Branche höher als in denen, die durch Produktion geprägt sind.

Neben diesen allgemeinen Trends/Tendenzen gibt es auch solche,die unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob man produzierendeoder dienstleistungsorientierte Zweige der Branche betrachtet.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen68

1 Für die ITK-Industrie gibt es keine einheitliche statistische Definition. Deshalb erfolgt die Eingrenzung der ITK-Industrie entlang der Branchendefinition der IG Metall,demnach zählen zu der ITK-Industrie folgende Wirtschaftszweigen: Herstellungvon elektronischen Bauelementen und Leiterplatten, Herstellung von Datenverarbei-tungsgeräten, Herstellung von Geräten und Einrichtungen der Telekommunikations-technik, Herstellung von magnetischen und optischen Datenträgern, Telekommunikation,Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie, Informationsdienst-leistungen, Reparatur von Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräten

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Qualifikation: Die Qualifikationsstruktur der weiblichen wie männ-lichen Beschäftigten in der ITK-Industrie ist sehr solide. Der Groß-teil der Beschäftigten hat eine abgeschlossene Berufsausbildungund damit ein gute Qualifikationsbasis. Dennoch: Frauen sind ten-denziell schlechter ausgebildet als männliche Beschäftigte. Sohat ein größerer Teil der Frauen keine abgeschlossene Berufsaus-bildung. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten mit (Fach-)Hochschulabschluss ist zudem niedriger als bei den männlichenBeschäftigten. Allerdings gibt es in den dienstleistungsorientiertenSegmenten der Branche deutlich weniger formal gering qualifi-zierte Frauen (jeweils unter 10%) als in den übrigen Bereichen derBranche. Die meisten formal gering qualifizierten Frauen – anteiligwie auch in absoluten Zahlen – arbeiten im Bereich „Herstellungvon elektronischen Bauelementen und Leiterplatten“. Hochquali-fizierte Frauen sind am stärksten im Bereich „Erbringung vonDienstleistungen der Informationstechnologie“ vertreten.

Weiterbildungsaktivitäten: Insgesamt sind Weiterbildungsaktivi-täten in den dienstleistungsorientierten Branchenzweigen stärkerausgeprägt und zwar um bis zu 50%. In diesen Zweigen liegt auchder Frauenanteil bei den Weiterbildungsbeteiligten über dem Anteil der Frauen an der Gesamtbeschäftigtenzahl. In den anderenZweigen liegt sie eher darunter.

Altersstruktur: Insgesamt ist das Durchschnittsalter der Beschäf-tigten der ITK-Industrie niedriger als in anderen Branchen. Aller-dings können nicht alle Bereiche der Branche als „jung“ gelten. Inden Zweigen, die zu den „klassischen Produktionsbereichen“ derBranche zählen, ist der Altersdurchschnitt hoch. So ist gerade inder „Herstellung von elektrischen Bauelementen und Leiterplatten“(WZ 26.1), ein großer Teil der weiblichen Beschäftigten, 43,5% – 45Jahre oder älter.

Einkommensunterschiede: Die Einkommensunterschiede zwischenFrauen und Männern in der ITK sind extrem stark ausgeprägt. Allerdings gibt es hier generelle Unterschiede zwischen den „pro-duzierenden“ und den „stärker dienstleistungsorientierten“ Zweigender Branche. In erstgenannten sind die Einkommensdifferenzen(ohne Sonderzahlung) höher. Sie schwanken zwischen 31,9% und37,5%. In den stärker dienstleistungsorientierten Zweigen der ITK-Industrie liegt die durchschnittliche Einkommensdifferenz (ohneSonderzahlungen) zwischen 22,9% und 28,4%. Damit verdienenFrauen – im Vergleich zum Durchschnitt im Verarbeitenden Gewerbe(21,7%) – deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.

Ein Sonderfall zeigt sich für den Bereich Ausbildung. Insgesamtist die Ausbildungsaktivität der ITK-Branche niedriger als im pro-duzierenden Gewerbe insgesamt. Die Zahl bzw. der Anteil derweiblichen Auszubildenden schwankt je nach Branchenzweig. Besonders problematisch ist zu bewerten, dass gerade in den Bereichen, die die höchsten Auszubildendenzahlen aufweisen,nämlich der Bereich „Herstellung von elektrischen Bauelementenund Leiterplatten“ sowie der Bereich „Erbringung von Dienstleis-tungen der Informationstechnologie“ der Frauenanteil niedrig ist.Er weicht hier deutlich negativ von den Frauenquoten unter denBeschäftigten mit Berufsabschluss sowie dem Frauenanteil ander Gesamtzahl der Beschäftigten ab. Dies ist als problematischzu bewerten, da Frauen nicht ausreichend als (potenzielle) Auszu-bildende in diesen beschäftigungsstarken Zweigen der Brancheerkannt und gefördert zu sein scheinen. Hierdurch wird sich der

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Frauenanteil an Personen mit Berufsabschluss langfristig rück-läufig entwickeln. Demgegenüber liegt der Anteil der weiblichenAuszubildenden in den Zweigen „Telekommunikation“ (WZ 61) undim Zweig „Informationsdienstleistungen“ (WZ 63) z.T. deutlichüber dem Frauenanteil insgesamt bzw. über dem Anteil bei Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung. Dies kannlangfristig zu einer Verbesserung des Frauenanteils bei Fach-kräften führen, bleibt die Ausbildungsbeteiligung von Frauen auchweiterhin auf diesem guten Niveau.

Globalisierung allgemein bestimmend für die Arbeitin der ITK-Branche

Informationstechnologien sind Voraussetzung und Treiber vonGlobalisierung. So ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen

der ITK-Industrie global aufgestellt sind und die Beschäf-tigten in globalen Strukturen arbeiten. Dies trifft alle Beschäftigungsbereiche. Reisetätigkeiten sind keine Aus-nahme. Vermehrt führt die Globalität auch dazu, dassviele Beschäftigte regelmäßig in trans- bzw. internationalenProjektteams arbeiten. Der Effekt ist, dass der persönlicheKontakt zwischen den Beschäftigten/Teams/Mitarbeiternund Vorgesetzten abnimmt. Immer mehr Kommunikationwird über E-Mail, Web- oder Telefonkonferenzen geregelt.Dies hat sowohl positive als auch negative Konsequenzenfür die Beschäftigten.

„Positiv daran ist, dass Chancen für Telearbeit dadurchsteigen. Negativ daran ist allerdings, dass diese Form derZusammenarbeit hohe Anforderungen an Teamarbeit sowie an die Verfügbarkeit zu ungewöhnlichen Zeitenstellt. Beschäftigte müssen sich von der Vorstellung vonfesten Arbeitszeiten bzw. „Normalarbeitszeiten“ (8:00 –16:00 Uhr) in der ITK-Branche verabschieden. Eine umfas-sende zeitliche Flexibilität wird von den Beschäftigtenverlangt“, so ein Betriebsrat der ITK-Industrie. Als guterAusgleich zur verlangten Flexibilität werden von vielenBeschäftigten die bestehenden Gleitzeitregelungen wahr-genommen. Diese Einschätzungen teilen alle Interview-partner/innen, die zur Erstellung dieses Thesenpapiers

zur gleichstellungspolitischen Sicht in die ITK-Branche zur Ver-fügung standen.

Green IT: Trendthema mit Zukunfts- und Beschäftigungspotenzial

Ein wesentliches Trendthema ist die Verknüpfung von Informationstechnologien mit ökologischen Themen undAnforderungen (z.B. neue intelligente Verkehrskonzepte)zur so genannten „Green IT“. Der Begriff „Green IT“ um-fasst die Gesamtheit aller ITK-basierten Potenziale fürEnergie- und Ressourceneffizienz. Dazu gehören intelli-gente Stromnetze, modernes Gebäudemanagement odereffiziente Logistiklösungen „Green IT“ ermöglicht, inner-halb der Branche und durch innovative ITK-Produkte- und-anwendungen auch in anderen Wirtschaftsbereichenden Energie- und Materialverbrauch zu senken.

„Allerdings hat die deutsche IT-Industrie derzeit nicht dasInnovationspotenzial wie die amerikanische IT-Industrie.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen70

These: Frauenbeschäftigung und Globalisierung

Das global vernetzte Arbeiten mit vermehrtemEinsatz virtueller Kommunikations- und Infor-mationswege birgt Chancen wie Risiken fürdie Frauenbeschäftigung. Die allgemein ver-langte zeitliche Flexibilität stellt ein Problemfür viele Frauen (und Männer) mit familiärenVerpflichtungen dar. Räumliche Flexibilitätspielt zwar auch immer noch eine Rolle undmuss von den Beschäftigten akzeptiert undgeleistet werden. Durch den vermehrten Ein-satz virtueller Kommunikations- und Informa-tionswege und -möglichkeiten verringern sichaber andererseits Reisetätigkeiten und dieMöglichkeiten für Telearbeit steigen. Das stelltfür viele Beschäftigte mit Betreuungsauf-gaben eine Erleichterung dar. Auch die (fürden Angestelltenbereich) starke Verbreitungvon Gleitzeitregelungen bietet einen gewissenGegenpol zu den Flexibilitätsanforderungenund kann als positiv gewertet werden.

These: Frauenbeschäftigung und „Green IT“Bislang gibt es keine Szenarien zur Entwick-lung der Frauenbeschäftigung im Bereich der„Green-IT“. Allerdings werden durch diesenneuen Entwicklungs- und Produktionsschwer-punkt auch neue Qualifikationsanforderungenentstehen, die für eine verstärkte Frauen-beschäftigung genutzt werden können. Dazumüssen allerdings klare Vereinbarungen ge-troffen werden, wer an den (neuen) Qualifi-zierungen teilnimmt und wie Frauen in denwomöglich neu entstehenden Ausbildungs-berufen (auch universitäre Ausbildung) geför-dert werden können.

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In Deutschland liegt das an fehlender Infrastruktur, wie beispiels-weise an der noch unzureichenden Netzausrüstung, und den eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten durch fehlendesVenture Capital für kleine Unternehmen“, so die Einschätzung einer Branchenexpertin für die ITK-Industrie.

Frauen in der ITK-Industrie eher in traditionellen Tätigkeitsbereichen zu finden

Traditionell sind Frauen in der ITK-Industrie verstärkt in den admi-nistrativen Bereichen tätig. Ein eindeutig von Frauen dominiertesFeld ist die Teamassistenz. Viele Frauen gibt es auch in Bereichenwie etwa Buchhaltung, Personalwesen oder auch Marketing. DasQualifikationsniveau der Frauen ist sehr unterschiedlich: Nebenvielen hochqualifizierten weiblichen Beschäftigten mit vermehrtwirtschaftswissenschaftlichen Abschlüssen finden sich solchemit kaufmännischen Berufsabschlüssen.

Im Produktionsbereich gibt es ebenfalls eine erhöhte Anzahl vonFrauen. Diese arbeiten vermehrt in einfachen Montagetätigkeiten,die keine spezielle berufliche Qualifikation voraussetzen. Männerhaben dagegen in der Produktion oftmals höherwertige Tätigkeiteninne.

Im Bereich Forschung und Entwicklung, der für die Beschäf-tigung in Deutschland von mehreren Interviewpartnerinnenund -partnern als sehr zukunftsträchtig eingeschätztwird 2, gibt es eher weniger Frauen. So liegt bei Infineon inMünchen der Frauenanteil in diesem Bereich nur bei 8%.Bei NSN in Berlin sind Frauen in Forschung und Entwick-lung gemäß ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Beschäf-tigten vertreten.

Der Grund für den tendenziell niedrigen Frauenanteil indiesem Unternehmensbereich wird primär auf den gerin-gen Anteil der Frauen in ITK-spezifischen Studiengängenzurückgeführt (lt. Bundesamt für Statistik 2011, für dasPrüfungsjahr 2010: 15%, sinkende Tendenz). Dies hat mitder geringen Attraktivität bzw. eines bestimmten Images,dass die Tätigkeit in der ITK-Industrie hat, zu tun.

„Viele sehen bei dem Beruf ´Programmierer` immer nochden ´Nerd`, der mit Pizza und Cola stundenlang alleine vordem Computer sitzt und irgendwann mit Burn Out zukämpfen hat. Deshalb muss die Branche viel für ihr Imagetun, um zu zeigen, dass sie attraktive Arbeitsplätze auchjenseits einer guten Bezahlung anbieten kann. Ein Beispieldafür ist, dass Ausbildungen in den Medienberufen (z.B.Web-Design) zu 50% von Frauen besetzt werden, weil sieein besseres Image haben. Das fängt schon mit der Be-rufsbezeichnung an“, so eine Branchenexpertin für die ITK-Industrie.

Innerhalb der Branche werden allerdings Unterschiedezwischen den einzelnen Bereichen in Bezug auf ihre (thematische)Attraktivität bei Frauen wahrgenommen. An oberster Stelle steht

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER ITK-INDUSTRIE 71

These: Frauenbeschäftigung in spezifischenTätigkeitsbereichen 1

Frauen dominieren nach wie vor administrativeTätigkeitsbereiche. Vor allem in der Teamassis-tenz sind sie präsent. Einen hohen Frauen-anteil gibt es auch im Personalwesen, im Marketing oder auch in der Buchhaltung. ImProduktionsbereich, wo ebenfalls viele Frauentätig sind, zeigt sich eine eindeutige Segre-gation: Produktionsfacharbeit wird eher vonmännlichen Beschäftigten ausgeführt, im ein-fachen Montagebereich finden sich eher weib-liche Beschäftigte.Frauen im Bereich Forschung und Entwick-lung – einem Bereich dem auch zukünftigwachsendes Beschäftigungspotenzial attes-tiert wird – sind Frauen derzeit noch eindeutigin der Minderheit. Es gilt deshalb, gezielteMaßnahmen zu ergreifen, um Forschung undEntwicklung insgesamt als Tätigkeitsbereichin der ITK-Industrie attraktiver zu machen. Zu-dem müssen Maßnahmen gefördert werden,die unterstützend bei der Vereinbarkeit vonArbeit und Leben/Beruf und Familie wirken.Auch erscheint es wichtig, ein gezieltes Moni-toring zu entwickeln, um mögliche Hinder-nisse oder Benachteiligungen von Frauen, z.B.bei der Teilnahme an Qualifizierungen, früh-zeitig zu erkennen.

2 So werden die Berliner Unternehmen in den Zukunftsbereichen Hybridantrieb(Fahrzeugbau), Bahnsicherung, Digitalfunknetze (TK-Bereich) oder auch elektrischeSteuerung (u.a. bei Haushaltsgeräten) als gut aufgestellt bewertet.

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die IT-(Software)-Industrie, danach der Telekommunikationsbereich.Schlusslicht bilden ITK-Unternehmen, die als Zulieferer der Auto-mobilindustrie tätig sind.

Aufgrund des zunehmenden Fachkräftebedarfs sind Unterneh-men generell daran interessiert, mehr Frauen im Forschungs- undEntwicklungsbereich (F&E) einzustellen. Es ist davon auszugehen,dass mehr weibliche Fachkräfte von den Unternehmen im BereichForschung und Entwicklung eingestellt werden und sich hierdurchder Frauenanteil prinzipiell positiv entwickeln kann. Allerdingssind in dem Bereich – durch Verlagerung der Produktion nach Ost-europa, Indien etc. – Reisetätigkeiten für die Umsetzung vonProjekten zwingend notwendig. Dies kann gerade für Frauen (undMänner) mit Kindern zu Problemen führen und Hinderungsgrundfür die Arbeit in diesem Bereich sein.

Teilweise Rückverlagerung von Produktion, Auslagerung von Verwaltungstätigkeiten

Nachdem über Jahre hinweg der Trend deutlich hin zur Verlagerungder Produktion ins Ausland ging und man deshalb der Produktions-

arbeit und damit vor allem den Tätigkeiten für Un- und An-gelernte im ITK-Bereich wenig Zukunftschancen attestiertwurden, ist eine teilweise Rückverlagerung der Produktionnach Deutschland aufgrund von Mängeln in der Produkti-onsqualität zu beobachten. Für die Frauenbeschäftigunghat dies positive Effekte, da nicht nur männlich geprägteFacharbeit, sondern auch die überwiegend von (un- und an-gelernten) Frauen besetzte Montagearbeit weiter Zukunfts-aussichten in Deutschland hat.

Eine andere – allerdings negative Entwicklung für dieFrauenbeschäftigung – kann in den indirekten Bereichender Unternehmen beobachtet werden, wo viele weiblicheBeschäftigte tätig sind. Viele der Tätigkeiten im adminis-trativen Bereich – wie etwa Buchhaltung – wurden in denletzten Jahren in andere Länder outgesourct. Sekretariats-tätigkeiten – wie Reisekostenabrechnung etc. – wurdenauf die einzelnen Beschäftigten zurückverlagert, um Stel-len einzusparen. Der letztgenannte Trend beeinflusst vorallem die Zahl wie auch das Tätigkeitsspektrum der(mehrheitlich weiblichen) Teamassistenten in den Unter-nehmen.

Von einem Unternehmen wurde die Buchhaltung nachPortugal verlagert, die Gehaltsabrechnung wird von einemexternen Dienstleister durchgeführt und in der Logistiksind externe Call-Center in Irland eingebunden. Geradedie Outsourcing-Trends haben zu nachweisbaren Quali-

tätsverlusten in den Angestelltenbereichen insgesamt geführt.Aber entgegen dem Trend im Produktionsbereich – wo aufgrundsinkender Qualität einzelne Produktionsprozesse wieder nachDeutschland zurückverlagert wurden – ist dieser Trend in den Angestelltenbereichen (noch) nicht zu erkennen.

Fachkräftesicherung 1: Fachkräftebedarf steigend –Trend zur Akademisierung

Die ITK-Branche hat viele Quereinsteiger und zeigt derzeit einenverstärkten Trend zur Akademisierung. Es geht weg von der Pro-

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen72

These: Frauenbeschäftigung in spezifischenTätigkeitsbereichen 2

Nachdem über Jahre hinweg der negative Ein-fluss der Produktionsverlagerung auf die Frauen-beschäftigung in der ITK-Industrie im Fokusstand, muss nun auch stärker im adminis-trativen Bereich den Outsourcing-TendenzenBeachtung geschenkt werden. Die aktuellenEntwicklungen in diesem Bereich beeinflussendie Frauenbeschäftigung in der Branche nega-tiv. Durch die teilweise Rückverlagerung derProduktion wachsen zwar wieder Beschäf-tigungschancen in der von Frauen dominierteneinfachen Montagearbeit. Allerdings können diepotenziellen Beschäftigungszuwächse in die-sem Bereich voraussichtlich nicht die Schrump-fungstendenzen in administrativen Tätigkeits-feldern auffangen. Qualitativ wie quantitativzeigt sich hierdurch ein negativer Trend für dieFrauenbeschäftigung in der ITK-Industrie. DieBeschäftigungschancen für Frauen mit Berufs-abschluss oder auch universitären Abschlüssenim wirtschaftswissenschaftlichen Bereich wer-den durch Outsourcing von administrativenTätigkeiten minimiert.

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duktion und hin zu Softwareentwicklung und industrienahenDienstleistungen. Diese Entwicklung zieht eine steigende Nach-frage nach hochqualifizierten Beschäftigten nach sich.Diese sind so zum Teil nicht am Markt vorhanden, was beiden Unternehmen zu unterschiedlichen Reaktionen führt.

Zum einen werden stärkere Zugeständnisse bei der Aus-wahl der Bewerberinnen und Bewerber gemacht. Hierwerden auch Fachkräfte eingestellt, die noch intensiv eingearbeitet werden müssen. Ein zweiter Weg ist dieoffensive Werbung und auch Förderung bestimmter Fach-richtungen an Universitäten: So wird etwa durch die Mit-finanzierung von Infineon demnächst ein Lehrstuhl fürLeistungselektronik an der TU München eröffnet. Eineweitere Maßnahme, den steigenden Bedarf an hochquali-fizierten Beschäftigten zu decken, ist die gezielte Weiter-bildung von bereits vorhandenen Beschäftigten mittechnischer Ausbildung. So setzt Infineon in Regensburgein Programm auf, um Industrietechnologen (gewerblicheAusbildung) durch gezielte Förderung näher an eine Ingenieurstätigkeit heranzuführen.

Fachkräftesicherung: Duale Ausbildung löst „klassische“ Ausbildung ab

„Klassische“, reine Ausbildungsberufe sind in dem ITK-Unternehmenrückläufig. Vermehrt werden duale Ausbildungsgänge angeboten– sowohl im kaufmännischen wie technischen Bereich. In derkaufmännischen (dualen) Ausbildung sind Frauen immer nochdeutlich stärker vertreten als in der technischen Ausbil-dung, allerdings nehmen sie auch hier keine „Quoten-frauenposition“ mehr ein. Insgesamt, so die Wahrnehmungder befragten Expertinnen und Experten, führe der Trendzur dualen Ausrichtung der Ausbildung im ITK-Bereich zueiner höheren Attraktivität bei Frauen, da sie sich hierbessere Entwicklungschancen erwarten. Die ITK-Unter-nehmen selbst achten darauf, auch aufgrund des hohenFachkräftebedarfs, an Schulen und Hochschulen Frauenwie Männer für eine (duale) Ausbildung in ihrem Unter-nehmen zu gewinnen. So etwa Siemens, die zwar keine gezielte Frauenquote für den Ausbildungsbereich haben,aber gezielt Frauen sowohl für den kaufmännischen alsauch den technisch-gewerblichen Bereich ansprechen.Dennoch gibt es immer noch relativ wenige Frauen, diesich gerade für eine (duale) technische Ausbildung in derBranche entscheiden. Auch ist zu beobachten, dass dieAusbildungsaktivitäten in der Branche zurückgehen.

Prekäre Beschäftigung zeigt sich auf unterschiedliche Arten

Prekäre Beschäftigung zeigt sich – je nach Arbeitsbereichin unterschiedlicher Form. Leiharbeit ist vor allem in derProduktion ein Thema. Das Ausmaß der Nutzung ist unterschied-lich, tendenziell aber wesentlich geringer als in der Automobil-industrie. Allerdings trifft es Frauen wie Männer relativ gleich. Auchin den Verwaltungsbereichen ist Leiharbeit verbreitet und trifft hiervermehrt Frauen. Befristungen sind hier ebenfalls keine Selten-heit.

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER ITK-INDUSTRIE 73

These: Frauen und Fachkräftesicherung –Gestiegene Attraktivität der Ausbil-dung nutzen und weiter ausbauen

Die Berufsorientierung von Mädchen für tech-nische Berufe muss früher ansetzen und weiterintensiviert werden. Unternehmen können hiereinen aktiven Beitrag leisten, indem sie ent-sprechende Projekte an Schulen gestalten,Praktikumsangebote machen etc.. Zudem kön-nen Unternehmen ihre (technischen) Arbeits-bereiche und duale Studienmöglichkeiten offensiver an Frauen herantragen. Nicht nur,aber gerade auch aufgrund des steigendenBedarfs an (hoch-)qualifizierten Beschäftig-ten mit Blick auf die demografischen sowiebranchenspezifischen Entwicklungen. Die Be-gleitung der (dualen) Ausbildung zur Berufs-wegeplanung ist ebenfalls hilfreich für die gezielte Nachwuchsförderung – gerade vonFrauen, für die es bisher nur wenige weiblicheVorbilder in der ITK-Industrie gibt.

These: Fachkräftesicherung – Hochqualifizierte Frauen

Der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigtenwird sich erhöhen. Frauen werden bislang je-doch wenig angesprochen, was an der geringenZahl an Bewerbungen zu erkennen ist. Dahergilt es, verstärkt Augenmerk darauf zu legen.Die Rekrutierungsstrategien für Frauen müs-sen deutlich ausgebaut werden. Dazu gehörtauch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen(Mobilität, Arbeitszeiten, unterstützende Ser-viceangebote), aber auch die Ansprache undMotivation junger Frauen (z.B. über dualesStudium) für technische Studiengänge. Da-rüber hinaus gilt es, neue Aufgabenprofile imIngenieursbereich für qualifizierte Fachkräfteaus dem gewerblich-technischen Bereichgleichstellungspolitisch zu begleiten und da-mit Qualifikationswege für Frauen zu eröffnen.

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Im Forschungs- und Entwicklungsbereich zeigt sich eine Pre-karisierung in Form von Werkverträgen. Die Nutzung von Werk-verträgen ist hervorgerufen durch die seit Jahren anhaltenden

Restrukturierungs- und Einsparungsprozesse: Eine gewisseMitarbeiter/-innen-Zahl darf nicht mehr überschrittenwerden – egal wie gut die Auftragslage ist. Diese „Kopf-Politik“ zieht zwei Trends nach sich: Sie führt zum einen zuStellenabbau im Verwaltungs- und Sekretariatsbereich,um Kapazität für die Einstellung von Entwicklern zu haben.Zum anderen werden Werkverträge an externe Entwick-lungs-Dienstleister vergeben. Die Zusammenarbeit mitdiesen besteht oftmals jahrelang, so dass sie im End-effekt nur formal nicht in die Unternehmensstruktureneingebunden sind, aber bei bestimmten arbeitsorgani-satorischen Maßnahmen – wie etwa Urlaubsplanung –mit einbezogen werden. Dadurch gleicht die Nutzungs-praxis der der Leiharbeit. Durch grundlegend neue Arbeits-methoden, wie Crowdsourcing 3, wird die Arbeitssituationvon Werkvertragnehmern zusätzlich verschärft, da durchdiese Methode Lohndumping gefördert wird.

Langfristig wird eine weitere Zunahme von Werkverträgenim Forschungs- und Entwicklungsbereich der Branche erwartet. Bisher sind aufgrund der geringen Zahl von Frauenin diesem Bereich eher Männer als Frauen von Werkvertrags-arrangements betroffen, wobei eine Betroffenheit von denBeschäftigten selbst oftmals nicht wahrgenommen wird. 4

Frauen in Führungspositionen

Frauen in Führungspositionen sind in den Unternehmender ITK-Industrie noch eine Seltenheit. Über alle Arbeits-bereiche hinweg zeigt sich: je weiter oben die Positionenangesiedelt sind, desto weniger Frauen sind dort zu finden.Allerdings ist die Erhöhung des Frauenanteils in Führungs-positionen in den größeren Unternehmen ein Thema. DerVorstand von Infineon etwa will den Frauenanteil auf Füh-rungsebene bis 2015 auf 15% und bis 2020 auf 20% erhöhen.Es ist dabei allerdings nicht definiert, welche Führungs-positionen hier mitgerechnet werden und wie der Wegdahin aussehen soll. Der Betriebsrat hat keine Detailinfor-mationen zu den Maßnahmen. Seit 2008 gibt es bei Infineonbereits ein Diversity-Management im Human-Ressource-Bereich (HR), welches sich aber noch in der Entwicklung

befindet. Hier werden gerade Ansätze mit externer Unterstützung(z.B. Fraunhofer-Institut) entwickelt.

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These: Frauenbeschäftigung und prekäreBeschäftigungsverhältnisse

Leiharbeit wird in der ITK-Industrie in der Pro-duktions- wie im Verwaltungsbereich genutzt.Im Verwaltungsbereich trifft es Tätigkeiten indenen vermehrt Frauen arbeiten, in der Pro-duktion sind Frauen wie Männer gleichsambetroffen. Übernahmeregelungen sind in derITK-Industrie nicht weit verbreitet. Die „Kopf-Politik“ in ITK-Unternehmen führt zueinem Abbau typischer Frauenarbeitsplätzeund hat damit negative Konsequenzen für dieFrauenbeschäftigung in der Branche. Warum:Viele Frauen in der ITK-Industrie arbeiten (meistaufgrund mangelhafter Vereinbarkeit von Arbeitund Leben) in Teilzeit bzw. mit vermindertemStundenvolumen. Bei der so genannten „Kopf-Politik“ wird nicht die Summe der Arbeits-stunden gemessen, sondern allein die Anzahlder Beschäftigten. So ist es nicht möglich, wennauch zeitlich begrenzt, mehrere Beschäftigteauf einer „Stelle“ bzw. Aufgabenbereich zubeschäftigen, wenn das Unternehmen hierfürnur 1 Person (also 1 Kopf) bewilligt. Hierdurchwird die Besetzung von Stellen mit Personen,die in Teilzeit arbeiten möchten, unattraktivbzw. kaum möglich. Dies betrifft somit auchJob-Sharing-Möglichkeiten in Fach- und Füh-rungspositionen.Zudem werden bei hochqualifizierten Beschäf-tigten zunehmend Werkverträge vergeben. DerTrend zum Crowdsourcing stellt eine zusätz-liche Problematik dar, die durchaus arbeits-politische Unsicherheiten birgt. Momentantreffen diese Entwicklungen eher männlicheals weibliche Beschäftigte, da Frauen geradein den Entwicklungsbereichen der ITK-Indus-trie in der Minderheit sind.

4 Zum Teil sind die Verdienstmöglichkeiten besser. Zudem wurde berichtet, dassWerkvertragnehmer positiv bewerten, nicht fest in Unternehmensstrukturen ein-gebunden zu sein. Aus langfristig Perspektive als problematisch zu werten, sinddie Gefahren für die Alterssicherung, bei Arbeitslosigkeit und/oder bei Langzeit-erkankung. Auch besteht für ältere Selbständige/Werkvertragnehmer sie Schwierig-keit, gegenüber jüngeren langfristig konkurrieren zu können.

3 Beim Crowdsourcing bedienen sich große Software-Firmen des Know-hows exter-ner Experten oder durch interne Vernetzung, um neue Anwendungen zu kreieren,Produkte zu optimieren oder effizienter zu verwerten. Das geschieht zumeist übervon ihnen ausgeschriebene Ideen- oder Servicewettbewerbe im Internet oder überIdeenplattformen, in denen sich kreative Leute untereinander austauschen können.An diejenigen, die sich besonders innovativ hervortun und mit einem geringen Honorarzufrieden sind, werden kleinere Auftragspakete vergeben. Manchmal werden dieseauch versteigert. Auf diese Weise erhalten Firmen mit wenig Geld viel kreativesKnow-how.

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Mehrere Faktoren haben nach Einschätzung der Expertinnen undExperten Einfluss darauf, dass Frauen seltener in Führungsposi-tionen arbeiten als Männer. Dies beginnt bei dem geringenAnteil an Frauen, die das Berufsfeld ITK überhaupt für sichentdecken. Weiterer Grund sind die erhöhten Flexibilitäts-anforderungen an Beschäftigte in Führungspositionensowie die zum Teil bestehenden (kulturellen) Widerständegegen Teilzeit- und Telearbeit für Führungskräfte, die denFrauen den Weg in Führungspositionen erschweren. Aucheine geringere Beteiligung an Weiterbildung sowie dastemporäre Ausscheiden aus dem Beruf aufgrund vonFamilienpflichten werden als Gründe benannt, warumFrauen seltener bzw. nur bis zu einer gewissen Grenze beruflich aufsteigen. Auch andauernde Umstrukturie-rungsprozesse im Unternehmen, aufgrund derer Füh-rungspositionen nicht langfristig vergeben, sondern ständig neu verteilt werden und mit erhöhtem Wett-bewerbsdruck um Führungspositionen einhergeht, schrecktFrauen ab, diese anzustreben.

Entgeltgleichheit – immer noch eine Heraus-forderung

Entgeltungleichheit ist ein weiter bestehendes Problem inder ITK-Industrie – auch wenn sich im Zuge der Umset-zungen zum Entgeltrahmenabkommen (ERA) in diesenBetrieben Verbesserungen vollzogen haben.

Bei Betrachtung von Eingruppierungstabellen zeigen sichgenerelle Unterschiede zwischen weiblichen und männ-lichen Beschäftigten: Frauen sind eher in den unterenEntgeltgruppen zu finden, Männer dominieren stärker diehöheren Leistungsgruppen. Dies hängt auch mit der unter-schiedlichen Verteilung von Frauen und Männern auf dieeinzelnen Tätigkeitsbereiche im Unternehmen zusammen(s.o.)

Die Unterschiede ergeben sich weniger beim Einstieg ins Berufsleben – hier werden Frauen wie Männern ihrer Qualifikation entsprechend gleichermaßen eingruppiert, da dies tarif-vertraglich geregelt ist. Vielmehr entwickeln sich Ein-kommenseinbußen im Laufe des Berufslebens, etwa dadurch, dass Frauen durch eine geringere Beteiligung anWeiterbildung oder/und das temporäre Ausscheiden ausdem Beruf aufgrund von Familienpflichten langsamerberuflich aufsteigen.

Bei NokiaSiemensNetworks (NSN) zeigte sich der Fall,dass Frauen generell niedriger eingestuft sind als Männer,sie aber eine deutlich höhere Leistungszulage erhalten,um die Höherstufung zu „umgehen“. Hier sieht der Betriebsrat eine faktische Benachteiligung, wohingegendie Geschäftsführung argumentiert, dass ja gerade dieLeistungen der weiblichen Beschäftigten besonders „belohnt“ würden.

Weiterbildung und Personalentwicklung

Die ITK-Branche ist stark durch „Instant-Learning“ gekennzeichnet.Die Halbwertszeiten des Wissens sind kurz und es gibt ein hohes

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER ITK-INDUSTRIE 75

These: Frauenbeschäftigung und Entgeltgleichheit

Entgeltgleichheit ist mit dem Entgelt-Rahmen-abkommen (ERA) in der Metall- und Elektro-industrie stärker verwirklicht. Ständige Aufgabeim Betrieb bleibt, dass Aufgabenprofile und Ein-stufungen permanent überprüft und angepasstwerden, damit die tatsächlich geleisteten Auf-gaben bewertet werden. Eingruppierungen,Leistungs- und andere Zulagen müssen nachGeschlecht differenziert betrachtet werden.Regelmäßige geschlechterdifferenzierte Ent-geltberichte und Entgeltanalysen helfen dabei,Ungleichheiten aufzudecken und abzustellen.

These: Frauen in FührungspositionenFrauen sind nach wie vor selten in Führungs-positionen zu finden. Es besteht ein generellesInteresse der Unternehmen, dies zu ändernund entsprechende Maßnahmen werden zumTeil schon umgesetzt. Wichtig ist es, dieseweiter auszubauen, gleichzeitig Instrumentezu entwickeln und die Ergebnisse zu evaluieren.So könnte z.B. durch ein langfristiges Monitoringdie zahlenmäßige Entwicklung nachvollzogenwerden, um zu prüfen, welche Maßnahmen greifen, Frauen vermehrt in Führungspositionenin Unternehmen zu bringen. Es ist darauf zu achten, dass die Entwicklungs-pfade für Frauen in den mittleren Führungs-positionen nicht verbaut sind. Die Gewinnungvon Frauen in Fach- und Führungspositionenhängt zudem eng mit dem Thema Qualifizie-rung sowie der Vereinbarkeit von Arbeit undPrivatleben zusammen. Um eine Steigerungdes Frauenanteils in Führungspositionen zufördern, ist allgemein eine (größere zeitliche)Flexibilität notwendig. Die Rahmenbedingun-gen hierfür sind in vielen Unternehmen bereitsdurch entsprechende Betriebsvereinbarungen(z.B. Betriebsvereinbarung Gleitzeit, Telearbeit,Teilzeitmöglichkeiten) gegeben. Allerdings be-darf es oftmals noch eines kulturellen Wandelsin den Unternehmen, damit auch Führungs-kräfte diese Vereinbarungen besser für sich inAnspruch nehmen können.

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Innovationstempo. Eine systematische Vorbereitung und Beglei-tung durch Aus- und Weiterbildung ist deshalb sehr schwierig.

Viele Wissensbedarfe werden erst durch die Kundenanfor-derung fassbar und damit auch lernbar. Somit ist es an-spruchsvoll, zukunftsweisende Jobprofile zu erfassen undentsprechende Fachkräfte weiterzubilden. LebenslangesLernen ist nichtsdestotrotz unabdingbar und wichtigerBestandteil der alltäglichen Arbeit.

In der Realität gestaltet sich die Situation in vielen Unter-nehmen anders: Oftmals fehlt die notwendige Zeit für Wei-terbildung. So wird etwa in Projektumsetzungsplanungenkeine Zeit für das Erlangen von Wissen einkalkuliert, auchwenn es unabdingbar zur Umsetzung des Projekts ist.Auch gab es im Zuge von Rationalisierungsprozessen Ein-sparungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung. „Trai-ning on the job“ und computergestützte Kurse dominierenin vielen Unternehmen das Weiterbildungsangebot. Wei-terbildung wird hierdurch stark individualisiert. Die Beteili-gung wird von der Initiative der Beschäftigten abhängigund von deren zeitlichen Spielräumen. Zwar gibt es in vielenUnternehmen jährliche Gespräche mit den Beschäftigten,in denen auch die persönliche Weiterentwicklung sowiedie dazu notwendigen Weiterbildungen besprochen wer-den. Die Verbindlichkeit der Gespräche gerade in Bezugauf Weiterbildung hängen allerdings stark davon ab, wiesehr das Thema von der Führungskraft forciert und geför-dert wird.

Auch zeigt sich, dass Arbeitsbereich und BildungsniveauEinfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung haben: Beschäf-tigte im Bereich Produktion nehmen allgemein weniger anbetrieblicher Weiterbildung teil. Auch sind ihnen ent-sprechende Angebote weniger bekannt. Bei den hoch-qualifizierten Beschäftigten ist dies seltener der Fall.

Über Betriebsvereinbarungen soll mehr Verbindlichkeitzur systematischen Beteiligung an Weiterbildung undQualifizierung geschaffen werden. Gerade für Beschäf-tigte, die sich in Elternzeit befinden, sind Regelungen

wichtig, damit keine Benachteiligungen in Bezug auf Weiter-bildung bestehen. Gleiches gilt für Beschäftigte in Teilzeit.

Neue Anforderung an Weiterbildung: Kultur-sensibilität, Fähigkeit zur Selbstrestriktion wieauch Selbstvermarktung immer wichtiger

Durch die Globalisierung werden Sprachkenntnisse imEnglischen sowie interkulturelle Sensibilität/Fähigkeitenimmer wichtiger. Personal- wie Ressourcenplanung in einem positiven Sinne (Leistungsgrenzen aufzeigen) werdeimmer weniger von den Abteilungsleitern übernommen,sondern liege immer stärker im Eigenverantwortungs-bereich der Beschäftigten. Deswegen wird es immer wich-tiger sich persönlich auch im positiven Sinn „abgrenzen“zu können.

Auch die Fähigkeit zum Selbstmarketing wird immerwichtiger. Selbstmarketing deshalb, weil im Kontext inter-national zusammengesetzter Teams Vorgesetzte nicht

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen76

These: Frauenbeschäftigung und neue Herausforderungen an Weiterbildung

Die zunehmende Globalisierung der Kunden-beziehungen und Unternehmensstrukturenführt zu steigenden Anforderungen an Beschäf-tigte in Bezug auf Kultursensibilität, die Fähig-keit zur Selbstrestriktion wie auch der Fähigkeitzur Selbstvermarktung. Diese Fähigkeiten müs-sen durch ein entsprechendes Weiterbildungs-angebot der Unternehmen gefördert werden.Gerade beim Thema „Selbstrestriktion“ könnenentsprechende Angebote auch einen Beitragzur Gesundheitsförderung leisten und helfen,Doppelbelastungen für Beschäftigte mit pri-vaten Betreuungs- und/oder Pflegeaufgabenabzumildern.

These: Frauenbeschäftigung und Weiter-bildung – Thema Personalentwicklung

Die Schnelllebigkeit der Branche und deren Innovations- und Entwicklungsfähigkeit machtQualifizierung zu einem wichtigen, wenn auchschwierig planbaren Teil der Personalentwick-lung. Generell scheint es wichtig, Regelungenzu finden, damit zeitliche Kontingente fürWeiterbildung in bestehende Arbeitsstrukturenintegriert und deren Umsetzung evaluiert wer-den kann, um auch der Gefahr entgegenzu-wirken, dass Beschäftigte in ihrer Freizeit ihrWissen mit Blended Learning und E-Learningaktualisieren müssen. Dies wäre auch eineVerbesserung der Weiterbildungssituation fürsolche Beschäftigte, die aufgrund von Familien-pflichten hierfür keine Freizeit aufbringen kön-nen.Zudem gilt es, Frauen in neue unternehmens-interne Qualifizierungswege und -ansätze aus-reichend zu integrieren (z.B. Weiterbildung vonBeschäftigten mit technischen Berufsabschlusshin zu Ingenieurstätigkeiten) und die Weiter-bildungsmöglichkeiten für solche Beschäftig-tengruppen weiter auszubauen, die bisher zuwenig in Weiterbildungsmaßnahmen partizi-pieren können (z.B. Produktionsbereich). Mög-liche bestehende Barrieren müssen hierzu über-wunden werden, damit auch Beschäftigte inElternzeit sowie solche mit eingeschränktenZeitkapazitäten in Qualifizierungsmaßnahmenadäquat eingebunden werden. Hier sind ent-sprechende Zielvereinbarungen und das Moni-toring zentrale gleichstellungspolitische Instru-mente (z.B. Beschäftigte in Teilzeit).

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mehr automatisch mitbekommen, wer welche Arbeitsleistung abliefert oder wer Projekte auch außerhalb seines eigenen direk-ten Verantwortungsbereiches unterstützt. Deswegen ist eine „Vermarktung“ der eigenen Leistungen ein wichtiger Bestandteilder Arbeit.

Vereinbarkeit Arbeit und Leben

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben ist ein zentraler Faktor fürdie künftige Fachkräftesicherung, insbesondere der Erschließungvon Rekrutierungspotenzialen von Frauen (und Männern) alsFach- und Führungskräfte (s.o.), sowie den Erhalt der Beschäf-tigungsfähigkeit angesichts verstärkter Arbeitsverdichtung undLeistungsdruck.

Einzelne Unternehmen, wie etwa Thales und IBM, versuchen, für(weibliche) Fachkräfte attraktiver zu werden, in dem sie eine „Will-kommenskultur für Kinder“ pflegen. Gratifikationen unddie Gewährung familienfreundlicher Arbeitszeiten sindAusdruck hiervon. Allerdings wird dies nicht als allge-meingültiger Trend in der ITK-Industrie gewertet.

Dennoch sind in der ITK-Industrie Vereinbarungen überflexible Arbeits(zeit)modelle (Gleitzeit, Telearbeit, Teilzeit-modelle) keine Seltenheit. Bei Infineon ist durch eine Betriebsvereinbarung (BV) geregelt, dass alle Beschäftigten,unabhängig vom Arbeitsbereich, die Möglichkeit haben,auf Teilzeit zu wechseln. Hierbei ist eine Verkürzung dertäglichen, wöchentlichen, aber auch jährlichen (Sabbatical)Arbeitszeit möglich. Auch erlaubt die BV eine Probezeit(„Schnupperteilzeit“) zu durchlaufen (3– 6 Monate), bevorein Wechsel – von Voll- auf Teilzeit erfolgt. Bei NokiaSiemensNetworks (NSN) am Standort Berlin wird durcheine BV ermöglicht, sowohl sporadisch als auch alter-nierend in Telearbeit zu arbeiten. Ähnliche Regelungenbietet auch das Unternehmen Hewlett Packard seinen Beschäftigten.

Die entscheidende Frage ist aber, was in der Praxis kon-kret verwirklicht wird. So ist die Möglichkeit in Teilzeit zuarbeiten in der Produktion (im Schichtbetrieb) selten gegeben, weil es kaum passende Schichtmodelle hierfürgibt. Auch bei Führungspositionen ist eine flexible Abeits-(zeit)gestaltung grundsätzlich möglich, aber nach wie vorkulturell nicht verankert und daher wenig gelebt. DiesesProblem wird von mehreren Expertinnen und Experten benannt. DasProblem hängt u.a. mit der Wahrnehmung von Leistung zusam-men (Stichwort „Präsentismus“). Es muss ein breiteres Bewusst-sein und eine stärkere Akzeptanz dafür geschaffen werden, dassLeistung nicht zwingend da entsteht, wo jemand bis spät abendsan seinem Arbeitsplatz sitzt. Auch gilt es, generell noch mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Beschäftigte mit veränder-ten, z.B. verkürzten, Arbeits(zeit)modellen leistungsbereit undleistungsfähig sind. Hier hat sich schon etwas bewegt, aber esmuss noch mehr passieren.

Neben den sehr konkreten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gilt es auch, die Leistungsverdichtung in den Blickzu nehmen (Vereinbarkeit von Arbeit und Leben). Alle befragtenExpertinnen und Experten stellen fest, dass sich die Arbeit entgrenzt

GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN DEN UNTERNEHMEN DER ITK-INDUSTRIE 77

These: Frauenbeschäftigung und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

In vielen der Unternehmen der ITK-Industriegibt es bereits gute rechtliche Regelungen,um Beschäftigten eine größere Arbeits(zeit)-flexibilität zu gewähren und damit die Verein-barkeit von Arbeit und Leben/Familie und Beruf zu unterstützen. Allerdings gibt es fürbestimmte Beschäftigtengruppen kulturelleBarrieren diese Vereinbarungen zu nutzen.Speziell trifft dies Beschäftigte in Führungs-positionen wie auch im Schichtbetrieb. DieStärkung von Möglichkeiten zur Teilzeit undTelearbeit auf Führungsebene (oder auch inForschung und Entwicklung) braucht deshalbeine gelebte „Echtzeitnormierung“ und eine Ver-abschiedung vom Präsenzmodell. Im Schicht-system und bei getakteten Arbeitsabläufen istvielmehr die Bereitschaft aller Beteiligten zustärken, konkret passende Modelle zu ent-wickeln und zu realisieren. Sowohl aus gleich-stellungs- wie auch gesundheitspolitischenAspekten heraus ist zukünftig auch eine stär-kere Beschäftigung mit der zunehmendenLeistungsverdichtung wichtig.

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und der Leistungsdruck aus diesem Grund wächst. Ein Problemin den Unternehmen ist, dass es noch sehr viele Beschäftigte gibt,die sich durch eine scheinbar selbstbestimmte Tätigkeit als „Arbeitskraftunternehmer“ positiv angesprochen fühlen.

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Kurzbeschreibungen

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Automobilhersteller

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Vorgehen

Das Projekt wurde durch den Gleichstellungsauschussim GBR initiiert und begleitet. Hier sind Vertreterinnenund Vertreter der Betriebsräte der Standorte eingebunden.Das Konzept der „Gleichstellungsbilanz“ (kurz: G-Bilanz)wurde durch die Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlinentwickelt und mit dem GBR-Gleichstellungsausschussdiskutiert. In mehreren Sitzungen wurde dann gemein-sam an dem Entwurf der G-Bilanz gearbeitet.

Schritt 1: Ziele und Konzeption klären

Ende 2011 erfolgte die Diskussion des Konzepts sowiedie Klärung der Struktur der G-Bilanz mit den GBR-Fach-ausschüssen. (Wer soll erreicht werden? Wie sieht dieinhaltliche Stoßrichtung aus? Etc.)

Schritt 2: Inhalte zusammentragen

2012 wurde intensiv an den Textentwürfen für die G-Bi-lanz gearbeitet und über die vergangenen und künftigenMaßnahmen zur Förderung der Gleichstellung im Kon-zern und an den einzelnen Standorten, diskutiert. DieZwischenergebnisse wurden an den gesamten GBR rück-gekoppelt. Im Ergebnis lag im Herbst 2012 ein erstervollständiger Entwurf für die G-Bilanz vor.

Schritt 3: Dialogveranstaltung zur G-Bilanz(in Planung)

Um Beteiligungsorientierung herzustellen und um einemgrößeren Akteurskreis (jenseits der bereits im Projektaktiven Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im GBR)die Ergebnisse der G-Bilanz vorzustellen, wird (nach Ab-lauf der Projektlaufzeit) eine große Veranstaltung mitden gleichstellungspolitisch Aktiven aus den Stand-orten erfolgen. Sie haben dann die Möglichkeit, ihreIdeen zur weiteren Ausgestaltung der Gleichstellungs-politik durch den GBR einzubringen und Ideen aus derG-Bilanz in ihre Standorte mitzunehmen.

Schritt 4: Veröffentlichung (in Planung)

Zum Ende der aktuellen Amtszeit des GBR und als Auf-takt für die neue BR-Wahlperiode wird die G-Bilanzveröffentlicht.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen84

Ausgangslage

Die Volkswagen AG hat gut 94.000 Beschäftigte undeinen Frauenanteil von 15%. Die wirtschaftliche Stabili-tät ist seit vielen Jahren gegeben.

Es gibt einen Betriebsrat (kurz: BR) sowie einen Gesamt-betriebsrat (kurz: GBR) mit umfangreicher Erfahrung inder Mitbestimmung sowie vielen gleichstellungspoli-tischen Aktivitäten und Erfahrungen sowohl an denStandorten als auch übergreifend auf der Ebene desGesamtbetriebsrates.

Der GBR hat 2010 unter Beteiligung der Belegschafteine Zukunftsstrategie erarbeitet – also sein Arbeits-programm, Grundwerte und Arbeitsziele benannt. Darinenthalten sind sechs zentrale Handlungsfelder, die fürdie Belegschaft bedeutsam sein werden: Mitbestim-mung, Arbeit und Belegschaft, Tarif, Soziales, Beschäf-tigung und Region sowie Gesellschaft. Damit verknüpftund darin integriert ist die Gleichstellungspolitik. DieseZukunftsstrategie ist die Grundlage für die Arbeit imKonzern- und Gesamtbetriebsrat wie auch in den Betriebsräten vor Ort.

Das Projekt „Gleichstellungsbilanz“ ist in diese Strategieeingebettet.

Ziele

Ziel war und ist es, durch Erstellung einer „Gleichstel-lungsbilanz“ Ergebnisse und Erfolge zu vermitteln wieauch Impulse für die künftige gleichstellungspolitischeArbeit zu geben. Deutlich gemacht werden soll zudem,dass die betriebliche Gleichstellungspolitik im Rahmender Zukunftsstrategie in der Praxis aktiv und wirksamgewesen ist. Dies geschieht in drei Aspekten:

Gutes Tun, darüber reden und Zukunfts-perspektiven entwickeln! Die Gleichstellungsbilanz (G-Bilanz) bei der Volkswagen AG

1. Maßnahmen und Erfolge werden sichtbar gemacht(„Das machen wir bei VW“)

2. Besonderheiten der einzelnen Standorte werden gezeigt („Das packen wir vor Ort an“).

3. Entwicklungsperspektiven werden angesprochen(„Das wollen wir künftig stärker angehen“)

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KURZBESCHREIBUNGEN AUTOMOBILHERSTELLER 85

Schritt 5: Nachhaltigkeit sichern – Wissens-management und Impulse dergleichstellungspolitischen Arbeit

Durch die Anbindung der G-Bilanz an den GBR sowie andie zentralen gleichstellungspolitischen Akteurinnenund Akteure ist die Nachhaltigkeit gesichert.

Das Projekt selber kann man als Nachhaltigkeitsprojektbezeichnen, da hier vorhandene Maßnahmen dar-gestellt und künftige gleichstellungspolitische Impulseangedacht sind. Die G-Bilanz ist also ein auf die Zukunftausgerichtetes Aktionsprogramm. Gleichzeitig werden

vorhandene Aktivitäten und Maßnahmen transparentgemacht und nachhaltiges Wissensmanagement orga-nisiert.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Die Gleichstellungsbilanz zeigt auf, was im Unternehmengetan wurde, insbesondere durch die Betriebsräte. Siebilanziert die Ergebnisse der gleichstellungspolitischenBR-Arbeit und ist zugleich eine gleichstellungspolitischeZukunftsstrategie, die eine wesentliche Grundlage fürdie gleichstellungspolitische Arbeit des GBR bildet.

Beispiel: Auszug aus der G-Bilanz – Kapitel Mitbestimmung (Entwurf)„Mitdenken, mitreden, mitgestalten – mitbestimmen! Denn bei Volkswagen steht jeder und jede Einzelne im Mittel-punkt unserer Strategien für mehr Mitbestimmung. Mitbestimmung bedeutet für uns, Regelungen im Sinne allerBeschäftigten beteiligungsorientiert zu gestalten, umzusetzen und auszuweiten. Das heißt: Interessenvertre-tung für, aber vor allem mit euch“ (Zitat aus der Zukunftsstrategie des Konzern- und Gesamtbetriebsrats derVolkswagen AG (2009) „mitbestimmen!“)

Das machen wir bei VWWir binden Frauen wie Männer in vielfältigen Dialogen ein und nehmen im Rahmen der Arbeit des Vertrauens-körpers die vielfältigen Anliegen der Beschäftigten auf. Zudem sind wir im Kontext der gezielten gleichstellungs-politischen Maßnahmen (z.B. Mentoring, Elternzeittreffen) sehr konkret mit den Beteiligten, meist Frauen, im Gespräch und tragen diese Erfahrungen in die BR-Arbeit. An allen Standorten wurden Gleichstellungsaus-schüsse gebildet. Über die Vertrauensfrauen werden an einigen Standorten regelmäßig Informationen über dieArbeit des Gleichstellungsausschuss an die Belegschaft weitergegeben. Der Gleichstellungsausschuss aufGBR-Ebene sorgt zusätzlich für einen intensiven Austausch zwischen den Standorten.

Das packen wir vor Ort anStandort 1: Hier organisieren wir 4 x im Jahr Treffen der Vertrauensfrauen. Inhalte sind u.a. Frauen in der IG

Metall – aktuelle Themen des Bezirksfrauenausschuss oder aus dem Vorstand der IG Metall, aktuelleSchwerpunkte der Frauenförderung (gemeinsam mit der Frauenbeauftragten) und Zukunftsthemender Kolleginnen.

Standort 2: Seit vielen Jahren haben wir am Standort auf Grundlage der Grundsätze zur Frauenförderung eineeigene Frauenförderkommission. Mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Vorstand und Betriebs-ausschuss, wo wir eigenständig verhandeln und Beschlüsse fassen können. Das ist für uns eineBesonderheit, nicht nur weil wir der einzige Standort sind, sondern weil es einem das Leben erleichtert.

Standort 3: Wir erhöhen den Anteil der Vertrauensfrauen, indem wir Frauen sehr aktiv ansprechen und gleich-stellungspolitische Themen in den internen Medien veröffentlichen. Darüber hinaus ist der Gleich-stellungsausschuss aktiv an allen BR-Ausschüssen beteiligt.

Das wollen wir künftig stärker angehenDamit wir noch mehr Frauen mit ihren Anliegen und Erfahrungen einbinden können und die Gleichstellung alsMitbestimmungsthema weiter verankern und vorantreiben, wollen wir künftig verstärkt ...

Gleichstellung als Thema der internationalen Arbeitsbeziehungen (Stichwort: Charta der Arbeitsbeziehungen)aufgreifen.

Neue Beteiligungsformen an den Standorten entwickeln (z.B. Dialogforen), um beteiligungsorientiert dieGleichstellung von Frauen und Männern wie auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben praxisnah weiterzu entwickeln.

Aufgrund der guten Erfahrungen mit einer Standortkommission in Hannover wird die Gründung von weiterenStandortkommissionen unterstützt

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Kontakt zum Unternehmen/Motivation für die tech-nische Ausbildung

Räumliche Arbeitsbedingungen

Vereinbarkeit von Arbeit & Privatleben

Personalentwicklung/Weiterbildung

Betriebsklima/Umgangsformen

Image Ford

Beweggründe für den Wechsel

Parallel wurde auf der Basis der Personalstatistiken derVersuch gestartet, die Frauen zu identifizieren, die inner-halb von Ford von technischen Arbeitsplätzen in andereTätigkeitsfelder gewechselt sind. Hier wurde erkannt,dass das Personalinformationssystem diese Frage nurunzureichend darstellen kann und es daher keine Sicher-heit gibt, ob alle Frauen, die eine solche Berufsbiografiehaben, statistisch sichtbar sind.

Schritt 2:

Im zweiten Schritt sind sechs Interviews mit Frauen ver-schiedener Altersgruppen umgesetzt worden, die dengewerblich-technischen Bereich nach Abschluss derAusbildung verlassen haben. Hier wurden Einflussfak-toren für die Bindung im bzw. Weggang aus dem tech-nischen Bereich (qualitativ) geprüft.

Zentrale Ergebnisse waren, dass die konkret erlebtePersonalentwicklung kritisch bewertet und die Um-gangsformen im gewerblich-technischen Bereich eben-falls öfter als grenzwertig erlebt werden.

Beweggründe für den Weggang dieser Frauen waren: Ver-halten der Führungskraft (keine Entwicklungsoptionen)/Wechsel wird nahe gelegt/Perspektivlosigkeit/kein Ein-satz als Facharbeiterin im erlernten Beruf/Schichtarbeit/Körperlich schwere Arbeit (Gesundheit)/Verhalten derKollegen.

Folgende Vorschläge zur Unterstützung der Frauen imgewerblich-technischen Bereich sind in den Interviewsan den Arbeitgeber formuliert worden:

Frauen in der Ausbildung auf Männerdominanz in derTätigkeit vorbereiten/Selbstbehauptung stärken

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen86

AusgangslageFord bemüht sich in mannigfacher Weise, die Vielfalt derBelegschaft zu pflegen und die Bedarfe der Beschäftig-ten zu unterstützen. Dazu gehört unter anderem die Beteiligung am Girls’ Day, eine Projektgruppe von Frauenim technischen Bereich (FiT) und eine Kindernotfall-betreuung.

Ford hat gegenwärtig einen Frauenanteil bei allenBeschäftigten von ca. neun Prozent. Der Anteil der jungenFrauen in der gewerblich-technischen Ausbildung istdeutlich höher und liegt bei 22 Prozent. Trotz des hohenAnteils ist festzustellen, dass viele der gut ausgebilde-ten jungen Frauen nicht in ihren Ausbildungsberufenbleiben, sondern den gewerblich-technischen Bereichverlassen. Diese Entwicklung wird vor dem Hintergrunddes drohenden Fachkräftemangels als problematischgesehen.

Betriebsrat und Geschäftsleitung haben sich daher dar-auf verständigt, die Ursachen für den Weggang der jungen Frauen zu untersuchen und daraus abgeleitetHandlungsempfehlungen zu entwickeln.

Ziele

Für die Erhöhung des Frauenanteils im gewerblich-technischen Bereich werden fördernde und hemmendeFaktoren für die Bindung von jungen Frauen gemeinsammit den Beschäftigten herausgearbeitet. Daran anknüp-fend werden entsprechende Maßnahmen (weiter) ent-wickelt, die die Bindung der jungen Frauen im gewerb-lich-technischen Bereich stärken.

Vorgehen

Zu Beginn wurde eine Steuerungsgruppe (kurz: StGr)gebildet, in die bedeutsame interne Expertinnen und Experten eingebunden waren: Diversity Management,Betriebsrat, Koordinationsstelle „Frauen in technischenBerufen“, FPS/Trainingskoordination. Das Projekt warvon Anfang an stark sozialpartnerschaftlich ausgerich-tet. Die StGr wurde moderiert durch eine Beraterin derWert.Arbeit GmbH, die auch fachliche Impulse gab.

Schritt 1:

Im ersten Schritt hat die StGr gemeinsam das Themaintensiv diskutiert und mögliche hemmende und förderndeFaktoren für die Bindung im gewerblich-technischenBereich herausgearbeitet. Darauf basierend ist ein Inter-viewleitfaden entwickelt worden. Themen hier waren:

Die Fachkräftebindung junger Frauen imProduktionsbereich bei der Ford-WerkeGmbH in Köln

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KURZBESCHREIBUNGEN AUTOMOBILHERSTELLER 87

Reine Frauengruppe in Ausbildung

Schulung der Führungskräfte (keine Vorurteile der Vor-gesetzten)

Konkrete Beratung zur Laufbahnentwicklung (Karriere/Weiterbildung)

Konkrete Unterstützung Vereinbarkeit von Beruf undFamilie (Arbeitszeiten)

Frauen sollen sich selber nicht so unter Druck setzen,ihre Leistungsfähigkeit beweisen zu müssen

Klare Ansprechpersonen bei Konflikten (JAV ist wich-tig ...)

Schritt 3:

Auf der Basis dieser ersten Einschätzungen und Verbes-serungsvorschläge entwarf die Beraterin der Wert.ArbeitGmbH, Berlin einen Fragebogen, der in der StGr abge-stimmt wurde und das Ziel hatte, eine größere Personen-anzahl zu Wort kommen zu lassen. Die Themenblöckeentsprachen den oben benannten Fragestellungen fürdie Interviews.

Die Fragebögen wurden einerseits an Frauen in verschie-denen Produktionsbereichen wie auch kaufmännischenAbteilungen verteilt, die einen technischen Ausbildungs-abschluss haben. Zudem erhielten auch männlicheJungfacharbeiter in diesen Bereichen den Fragebogen.Darüber hinaus wurde eine zweite Befragung mit einemgesonderten Fragebogen im dritten Ausbildungsjahrgestartet (ebenfalls unter Frauen wie Männern).

Schritt 4:

Der Rücklauf der Fragebögen lag bei den Facharbeite-rinnen und Facharbeitern bei rund 31%. Die Rücklauf-quote von Männern und Frauen war ähnlich hoch.

Bei den Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr gabes eine Rücklaufquote von 93%. Die jungen Frauen ant-worteten hier anteilsmäßig etwas weniger als die jungenMänner.

In beiden Befragungen haben Beschäftigte bzw. Auszu-bildende aus verschiedensten technischen Ausbildungs-richtungen geantwortet.

Auffällig bei den befragten Beschäftigten ist, dass einegroße Anzahl der antwortenden Frauen hochqualifizierteWeiterbildungen absolviert hat, was bereits ein Hinter-grund für den Weggang sein kann.

Zentrale Ergebnisse der Befragung

Mit den Antworten auf die Befragung wurden konkrete Hin-weise auf gute und weniger gute Bindungsfaktoren ermittelt.

Mit welchen Ideen kommen die Frauen zur technischenAusbildung? Könnte hier ein Motiv für den Wechsel lie-gen?

Sehr viele Befragte (Beschäftigte und Auszubildende)kannten das Unternehmen als wichtigen Arbeitgeber inder Region und hatten bereits Familienmitglieder oderFreunde dort, bevor sie selber dort anfingen. Nur 40%bei den Beschäftigten und rund 50% bei den Auszubil-denden hatten vorher keinen Kontakt zum Unternehmen.Rund ein Drittel der Frauen aus beiden Befragungen haben spezifische Angebote für junge Frauen vorabgenutzt (z.B. Girls’ Day).

Das Interesse an Technik bzw. an einer praktischen Tätig-keit (Handwerk) ist eine zentrale Motivation für dieFrauen gewesen, in die Ausbildung zu gehen. Sie stehenhier den Männern nicht nach. Bei allen Befragten spieltzudem der sichere Arbeitsplatz eine große Rolle. Gut dieHälfte der Frauen stimmte der Aussage zu, dass sieLust hatten, etwas Ungewöhnliches zu tun.

Spielen die räumlichen Arbeitsbedingungen eine Rollefür den Weggang?

Bei den Arbeitsbedingungen am gewerblich-technischenArbeitsplatz ist insgesamt wenig Kritik geübt worden.Lediglich das Thema Monotonie ist ein größeres Pro-blem für rund 40% der Befragten und viele sehen auchdie Stressbelastung als Problem an.

Ist die gute Vereinbarkeit von Arbeit & Privatleben einBindungsfaktor?

Die Balance von Arbeit und Privatleben spielt für alle Aus-zubildenden eine große Rolle – auch für junge Männer. Bis-lang sehen die Auszubildenden das aber gut geregelt.

Bezüglich der Frage, wie die Führungskräfte mit denBalancethemen umgehen, sind die Antworten geteilt.Die Befragten gaben (im Rahmen einer offenen Frage)an, dass dies sehr von der einzelnen Führungskraftabhängen würde.

Die Frage nach ausreichender Arbeitszeitflexibilitätwird von allen kritischer gesehen. Bei den Beschäftigtensind es 54% der Befragten, bei den Auszubildenden 43%der Befragten, die angaben, keine ausreichende Arbeits-zeitflexibilität zu haben. Männer sind hier beide Maledeutlich kritischer. Dem entspricht auch das Ergebnisauf die Frage, ob Kolleginnen/Kollegen bekannt seien,die den Arbeitsbereich aufgrund der Balance von Arbeitund Privatleben verlassen hätten: Hier stimmen 40%der befragten Beschäftigten zu – sie kennen solcheFälle also.

Personalentwicklung/Weiterbildung

Das mit Abstand kritischste Thema war die Personal-entwicklung. Knapp die Hälfte der befragten Beschäf-

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tigten hat keine Gespräche zur beruflichen Weiterent-wicklung erlebt und 62% sagen, dass ihre Führungs-kräfte die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten nichtaktiv mit ihnen besprochen haben. Besonders Frauenmeinen zudem, nicht alle Entwicklungsmöglichkeitenzu kennen. Hier sind 71% der Meinung, dass dies nichtder Fall bzw. nur teilweise der Fall sei. Entsprechendnegativ fällt die Zufriedenheit mit der Weiterbildungaus. Nur 12% sind hier wirklich zufrieden. In der offenenFrage zu den Erfahrungen in der Personalentwicklungwird dann auch entsprechend von fehlender Wertschät-zung gesprochen.

Bei den Auszubildenden ist die Bewertung insgesamtpositiver, aber auch hier sind kritische Meinungen zu hören. So meinen 38%, dass die Ausbilder(innen) dieberufliche Entwicklung nicht aktiv besprechen.

Weibliche Vorbilder bei Ford?

Motivation über gute Praxisvorbilder ist leider eine Fehl-anzeige: Sowohl die Auszubildenden als auch die bereitsfertig ausgebildeten Frauen sehen wenige weiblicheVorbilder im gewerblich-technischen Bereich bei Ford.

Betriebsklima/Umgangsformen stärken Bindung?

Den Vorgesetzten wird von einer großen Mehrheit „i.d.R.vorurteilsfreies Verhalten“ attestiert und das kollegialeVerhalten untereinander positiv bewertet.

Unabhängig davon haben eine Reihe der Befragten,Auszubildende wie Beschäftigte, schwierige Umgangs-formen bestätigt. Das betrifft konkret verbale Übergriffeund Beleidigungen, die sie selbst erlebt haben. Bei denBeschäftigten fällt zudem auf, dass dies die Frauen stär-ker wahrnehmen als Männer. Witze/Sprüche auf Kostenvon Frauen oder Minderheiten haben ebenfalls eine er-hebliche Anzahl von Befragten erlebt bzw. davon gehört.

Auffällig ist, dass eine Reihe von Männern, bei den Aus-zubildenden wie bei den Beschäftigten meinen, dassFrauen bevorzugt werden würden.

Beweggründe für den Wechsel weg vom gewerblich-technischen Bereich

Wesentlicher Grund für einen Wechsel sind beruflichePerspektivlosigkeit sowie Unter- bzw.- Überforderung –also alles Fragen der Personalentwicklung. Für viele warzudem die Chance auf Weiterentwicklung ein Grund,den gewerblich-technischen Bereich zu verlassen. Feh-lende Wertschätzung wird ebenfalls deutlich: Die Ent-täuschung über den Arbeitsalltag sowie der fehlendeEinsatz im erlernten Beruf sind hier bedeutsam. Etwasweniger stark aber auch bemerkbar ist das Thema Ver-einbarkeit von Beruf und Familie als Faktor für den Weg-gang. Die Auszubildenden lassen bereits erahnen, wie

sie es handhaben werden: Ihre möglichen künftigen Beweggründe für einen Weggang sind die Bandarbeitsowie die Chancen auf Weiterentwicklung.

Ansprechpartner bei Problemen – ein möglicher Aus-weg vor dem Wechsel?

Erste Ansprechpartnerinnen und -partner sind für Be-schäftigte wie Auszubildende die Vorgesetzten. Es folgenBetriebsrat bzw. JAV. Deutlich seltener ist bei beiden Befragtengruppen die Personalabteilung die Stelle desVertrauens. Und der Vertrauenskörper der IG Metall wirdvor allem von den Männern als Ansprechpartner betrach-tet.

Vorschläge der Befragten

Entsprechend den Befragungsergebnissen richten sichVorschläge zu Verbesserungen vor allem auf eine besserePersonalentwicklung, flexiblere Arbeitszeiten sowie einenwertschätzenderen Umgang.

Schritt 5: Nachhaltigkeit sichern

Die in der StGr entwickelten und nun qualitativ gut unter-setzten Thesen werden nun im nächsten Schritt mit denFührungsebenen im Unternehmen diskutiert. Dazu gehörteine Präsentation und Diskussion mit dem Arbeitsdirek-tor ebenso wie dem Betriebsratsgremium.

Wesentliche Themen werden dort sein:

Arbeitszeiten

Personalentwicklung

Regelungen zu den Umgangsformen

Gemeinsam mit diesen wichtigen Gestalterinnen undGestaltern werden dann weitere Schritte und Maßnah-men erörtert und umgesetzt.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Das Thema Fachkräftebindung von jungen Frauen wurdeals zentrales Thema für die obersten Führungsebenenim Unternehmen akzeptiert.

Junge und ältere Frauen mit einer technischen Ausbil-dung haben durch die Befragung erfahren, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und damit bereits erste Wertschätzung erfahren.

Es gibt belastbare Aussagen/Ergebnisse dazu, was dieBeweggründe für den Weggang junger Frauen aus demtechnischen Bereich betrifft.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen88

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Automobilzulieferer

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Unternehmenskultur in Bezug auf Balance-Themen alsverbesserungswürdig benannt. Vor allem die Diskussionum Führung in Teilzeit, Jobsharing oder auch die beste-hende Anwesenheits- und Zeitkultur (Stichwort: „Nurwer lange bleibt, leistet auch viel“) werden hinterfragt.

Ziele

Betriebsrat und Geschäftsführung möchten die Verein-barkeit von Beruf und Privatleben bei Autoliv in Elms-horn verbessern, um damit die Bindung und Motivationder Belegschaft zu erhöhen, Entlastungen für (weibliche)Beschäftigte mit Betreuungspflichten zu schaffen undattraktiver für potenzielle weibliche Beschäftigte zuwerden. Um gezielt dabei vorgehen zu können, soll imRahmen des Projekts zuerst überprüft werden, wie Be-schäftigte die Situation im Unternehmen einschätzenund wo praxisnah gegebenenfalls weitere Verbesserun-gen gestaltet werden können.

Vorgehen

Um die anvisierten Ziele zu erreichen, wurde gemein-sam mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin undder Projektleiterin der IG Metall folgendes Vorgehen beschlossen:

Schritt 1: Gründung einer Steuerungsgruppeund Festlegung des Vorgehens

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitetund lenkt. Sie setzt sich zusammen aus Vertreterinnenund Vertretern des Betriebsrats wie der Personalabteilung.

Es wurde beschlossen, eine standortweite Befragungzum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privat-leben durchzuführen. Hierbei sollen die Beschäftigtenu.a. ihre Meinung äußern, was zur Verbesserung der Ver-einbarkeit getan werden sollte und welche weiteren Un-terstützungsmaßnahmen gewünscht sind. Auch soll einÜberblick darüber geschaffen werden, wie viele der Beschäftigten Betreuungsaufgaben (für Kinder/zu pfle-gende Angehörige) leisten.

Aufbauend auf den Befragungsergebnissen erfolgtedann eine konkrete Maßnahmenplanung.

Schritt 2: Erstellung des Fragebogens

Gemeinsam mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH,Berlin erstellten die Mitglieder der Steuerungsgruppe

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen92

Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Autoliv in Elmshorn: Kinderbetreuungs-angebote und flexible Schichtarbeit

Ausgangslage

Rund 900 Beschäftigte, davon 1/3 Frauen, arbeiten beibei Autoliv B.V. & Co. KG in Elmshorn. Der norddeutscheStandort gehört zu einem international aufgestelltenAutomobilzulieferer mit Sitz in Schweden, der Gurtsys-teme entwickelt und produziert. Rund 300 Beschäftigtearbeiten in der Produktion, davon sind etwa 50% weib-lich. Viele von ihnen sind in der Montage eingesetzt. DerForschungs- und Entwicklungsbereich ist personell eben-falls stark aufgestellt. Auch hier sind rund 300 Beschäf-tigte tätig, allerdings sind hier deutlich weniger Frauenzu finden (unter 30% Frauenanteil).

Die wirtschaftliche Situation des Standorts ist durch-wachsen. In den letzten zehn Jahren sind Stellen imProduktionsbereich und in den an die Produktion direktangelagerten Bereichen abgebaut worden. Neueinstel-lungen erfolgen in der Produktion sehr selten, weswegendie Belegschaft hier tendenziell älter ist als in anderenBereichen des Standorts.

Die Beschäftigungssituation im Forschungs- und Ent-wicklungsbereich ist hingegen positiv. Beschäftigungs-aufbau erfolgt – soweit ausreichend Bewerberinnen undBewerber gefunden werden können. Dies ist nicht immereinfach, da sich hier z.T. deutlicher Fachkräftemangelzeigt. Zu selten – so die Personalleiterin des Standorts –gäbe es weibliche Bewerber.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Personalsituation(viele ältere (weibliche) Beschäftigte in der Produktion,mangelnde (weibliche) Fachkräfte in Forschung und Ent-wicklung) wird vor allem die Verbesserung der Verein-barkeit von Beruf und Privatleben von Betriebsrat als auchPersonalabteilung als wichtiges personalpolitischesThema erachtet.

Im Produktionsbereich wird im 2-Schicht-System gear-beitet. Individuelle Spielräume, um mehr Flexibilität imSchichtsystem zu ermöglichen, sind kaum vorhanden –auch weil derzeit eine bestehende Betriebsvereinbarungdem entgegensteht. Schichtarbeitsplätze in Teilzeit gibtes nicht. Diese Situation stellt vor allem weiblicheBeschäftigte mit Betreuungsaufgaben vor große Heraus-forderungen.

In den Unternehmensbereichen, wo nicht schichtgebun-den gearbeitet wird, gibt es deutlich mehr Flexibilitäts-spielräume. Es besteht eine Gleitzeitregelung, Telearbeitist möglich, ebenso wie Teilzeitarbeit. Allerdings wurdevon Betriebsrat wie Personalleiterin die bestehende

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einen betriebsspezifischen Fragebogen zum Thema.Frageschwerpunkte sind hierbei: Arbeitszeit, Arbeits-organisation, Führungs-verhalten, Elternzeit, Unterstüt-zungsbedarf bei Kinderbetreuung und Pflege von Ange-hörigen.

Beim Thema Arbeitszeit wurden Fragen zusammen-gestellt, die speziell die Situation von schichtgebundenenBeschäftigten erfragen, zum anderen solche, die spezi-fisch auf die Arbeitszeitsituation von nicht-schicht-gebundenen Beschäftigten fokussieren. Bei allen ande-ren Frageschwerpunkten wurden einheitliche Fragen füralle Beschäftigte des Standorts formuliert.

Schritt 3: Information der Beschäftigten undVerteilung des Fragebogens

Bei einer Betriebsversammlung sind die Beschäftigtenüber die Projektaktivitäten am Standort von der Beraterinder Wert.Arbeit GmbH, Berlin ausführlich informiert undder Fragebogen durch den Betriebsrat an alle Anwesendenin Papierform verteilt worden. Betriebsrat und Geschäfts-führung forderten die Beschäftigten zudem aktiv auf,sich an der Befragung zu beteiligen.

Zur Information über das Projekt wurde darüber hinausein Plakat entwickelt und im Nachgang auf die Betriebs-versammlung an verschiedenen Stellen am Standortausgehängt. Ebenso fand eine weitere Verbreitung desFragebogens durch den Betriebsrat statt.

Ergebnis der Befragung

Die Beteiligung an der Befragung war geringer als erwar-tet (Rücklauf: ca. 20%). Dennoch sind die Befragungs-ergebnisse relevant – da die Einschätzungen der betrieb-lichen Steuerungsgruppe an vielen Stellen bestätigtbzw. untersetzt worden sind. Allein der Bereich Produk-tion ist in der Befragung unterrepräsentiert und damitauch die Gruppe der schichtgebunden Beschäftigten.

Für die Steuerungsgruppe ergaben sich konkret folgen-de Handlungserfordernisse:

Organisation Kinderbetreuung: Viele der Befragten äußer-ten den Wunsch nach mehr Unterstützung/Angebot imBereich Kinderbetreuung. Die Organisation eines Kinder-gartenplatzes gestaltet sich in der Region schwierig.Lange Wartezeiten sind die Normalität. Dies stellt auchein Problem bei der Anwerbung von neuen Beschäftig-ten (mit Familie) dar, da kurzfristige Kinderbetreuungs-angebote nicht vorhanden sind.

Flexibilität im Schichtbetrieb: Schichtgebundene Be-schäftigte bewerteten die starren Arbeitszeitarrange-ments als größtes Problem in Bezug auf die Vereinbarkeitvon Beruf und Familie. Gewünscht werden vor allemmehr Flexibilität bei den Anfangs- und Endzeiten derSchicht, aber auch flexiblere Modelle innerhalb desSchichtbetriebs.

Ausbau des Informationsangebots zum Thema: Hierwurde mehrfach sowohl der Wunsch nach Informations-material, als auch einer festen Ansprechperson zumThema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ ge-wünscht.

Schritt 4: Festlegung des weiteren Vorgehens

Die Steuerungsgruppe einigte sich darauf im weiterenVerlauf der Projektarbeit zwei Arbeitsschwerpunkte zusetzen und zwar:

1. Schaffung von Unterstützungsmöglichkeiten zur Kin-derbetreuung

2. Flexiblere Schichtgestaltung

Zur weiteren Bearbeitung des Themas wurde die Grün-dung von Arbeitskreisen beschlossen (Steuerungsgrup-pe+ X Beschäftigte). Die Teilnahme am „AK Kinderbetreu-ung“ wurde allen Interessierten Beschäftigen des Unter-nehmens ange-boten. Eine Mitteilung hierüber erfolgteauf einer Betriebsversammlung, bei der auch die Befra-gungsergebnisse vorgestellt wurden. Ebenso wurde einstandortweiter Aushang gemacht. Sieben Beschäftigte– überwiegend Frauen und alle mit Betreuungspflichtenfür Kinder unter 12 Jahren – meldeten sich hierauf fürdie Mitarbeit am „AK Kinderbetreuung“.

Für die Mitarbeit im „AK Flexiblere Schichtgestaltung“wurden gezielt Führungskräfte aus dem Produktionsbe-reich sowie hieran angegliederten Bereichen (z.B. Tech-nischer Support) angesprochen. Insgesamt konnten vierFührungskräfte aus der Produktion sowie der Verant-wortliche der Personalabteilung für den Produktions-bereich für eine Mitarbeit im Arbeitskreis gewonnenwerden.

Für die Mitarbeit werden alle von der Arbeitszeit bezahltfreigestellt.

Schritt 5: Arbeitsgruppen-Arbeit

Folgende Arbeitsschritte erfolgten im in den jeweiligenArbeitskreisen:

Vorgehen AK Kinderbetreuung

Problemschwerpunkte aus Sicht der Arbeitsgruppewurden ermittelt. Dabei stellte sich heraus, dass neben allgemein fehlendem Betreuungsangebot undProblemen bei der Randzeitenbetreuung (z.B. zwischenFrühschichtbeginn und Öffnung des Kindergartens),vor allem auch die Betreuung während der Ferien-zeiten ein Problem darstellt.

Verschiedene Maßnahmen und Modelle betrieblicherUnterstützung bei der Kinderbetreuung wurden vorge-stellt und ihre Nützlichkeit für die von den Beschäftig-ten angesprochenen Problemen diskutiert.

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Ein Gespräch mit einem freien Bildungsträger, der zu-künftig auch Kinderbetreuung in der Region anbietenmöchte und für die Eröffnung einer entsprechendenKindertagesstätte betriebliche Partner sucht, wurdegeführt. Hierbei wurden erste Kooperationsmöglich-keiten ausgelotet.

Es wurde der Beschluss gefasst, eine standortweiteBedarfserhebung beim Thema Kinderbetreuung durch-zuführen. Ein entsprechender Fragebogen hierzu wurdegemeinsam entwickelt und an die Beschäftigten ver-teilt.

Ergebnisse AK Kinderbetreuung

Die Bedarfserhebung ergab, dass ein realer und auchlängerfristiger Bedarf an Unterstützung beim ThemaKinderbetreuung am Standort besteht. Insgesamt habensich 233 Personen an der Befragung beteiligt (ca. 25%der Belegschaft). 61 der Befragten meldeten einenBedarf an Kinderbetreuung an. Dieses Ergebnis übertrafdie Erwartungen des Arbeitskreises deutlich. Zudemgab es viel gutes Feedback auf die Befragung: Sowohlvon Beschäftigten mit Betreuungsbedarf, als auch sol-chen ohne wurde das Engagement des Unternehmensbei diesem Thema als gute Maßnahme zur Steigerungder Attraktivität als Arbeitgeber gewertet.

Im Einzelnen zeigen die Befragungsergebnisse, dass...

Ein hoher Bedarf an regelmäßiger Betreuung besteht(53 Personen gaben dies an).

Der hohe Bedarf an regelmäßiger Kinderbetreuunglangfristig besteht (mind. in den nächsten 5 Jahren).

Der Großteil der Eltern kann sich vorstellen, dass ihrKind/ihre Kinder firmen- statt wohnortnah betreutwerden.

Hoher Bedarf besteht auch für Betreuung währendder Ferienzeiten – vor allem während der Sommer-ferien. Zum Teil wird Betreuung auch für (schulpflich-tige) Geschwisterkinder benötigt.

Die Befragten sind bereit für eine adäquate regelmäßigeBetreuung eine entsprechend hohe finanzielle Eigen-leistung zu erbringen.

Auf Basis dieser Ergebnisse kamen alle Anwesendenüberein, dass die Schaffung eines Angebots an Kinder-betreuung in Firmennähe für die Beschäftigten sinnvollund notwendig wäre. Im Idealfall realisiert werden solleine Kindertagesstätte in öffentlich-privater Partner-schaft (in Kooperation mit der Stadt Elmshorn sowieweiterer Firmen). Diese soll sowohl Krippenplätze fürKinder unter 3 Jahre, als auch Plätze für Kinder zwischen3–6 Jahren anbieten. Betreuungsmöglichkeiten solltenbestehen zwischen 7:00-17:00 Uhr an 5 Tagen in der Wo-che (Mo–Fr). Im Idealfall sollte durch die Kindertages-

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tätte eine (zusätzliche) Ferienbetreuung (auch fürGeschwisterkinder) angeboten werden.

Im nächsten Schritt werden Realisierungsmöglichkeiteneines solchen Betreuungsangebots ausgelotet. In Koope-ration mit dem freien Bildungsträger, wird ein Finanzie-rungsplan erstellt und Gespräche mit der Stadt sowieweiteren Firmen in der Umgebung geführt. Hierdurchsollen weitere Kooperationspartner für das Projekt gefun-den werden.

Die Umsetzung des geplanten Kita-Angebots wird ausSicht aller Beteiligten nur langfristig zu realisieren sein(frühestens Herbst 2014). Dies deckt den kurzfristigenBedarf, der von den Befragten angegeben wurde nichtab. Deshalb wurde die Umsetzung folgender kurzfris-tiger Unterstützungsleistung beschlossen:

Eine Informationssammlung für Beschäftigte mit Be-treuungsbedarf wird angelegt und eine Ansprechpersonfür das Thema benannt. Diese Ansprechperson soll fürAnfragen zu Verfügung stehen und die Informations-sammlung pflegen/aktualisieren.

Die Informationssammlung wird sowohl Adressen undAnsprechpartner von regionalen Anbietern enthalten,die regelmäßige Betreuung anbieten, als auch Hin-weise darüber, wo und von wem Angebote zur Ferien-betreuung (für Kita- als auch Schulkinder) bestehen.

Vorgehen AK Flexible Schichtplangestaltung

Rahmenbedingungen, die Einfluss auf die Gestaltungder Arbeitszeiten im Schichtbetrieb am Standort haben,wurden ermittelt. Hierzu wurden u.a. bestehende Be-triebsvereinbarungen zum Thema in ihrer praktischenUmsetzung diskutiert.

Gestaltungsmöglichkeiten in Form von „Best-Practice“anderer Unternehmen wurden vorgestellt und auf ihreUmsetzbarkeit am Standort hin überprüft und bewertet.

Handlungskorridore zur flexibleren Gestaltung derSchichtarbeit unter dem bestehenden Status Quowurden ermittelt.

Ergebnisse AK Flexible Schichtplan-gestaltung

Die Diskussionen in der Arbeitsgruppe ergaben, dassdie aktuellen Rahmenbedingungen im Schichtbetriebam Standort ausreichend Spielräume lassen, um zeit-lich flexiblere Arbeitsplätze anzubieten. Dies ergibt sichaus dem seit längerem stattfindenden Umstrukturie-rungsprozess des Produktionsbetriebs. Unter anderemwurde hierdurch im Projektzeitraum der größte Teil derProduktion auf ein 1-Schicht- bzw. 2-Schicht-Betriebumgestellt bzw. dies ist so für die Zukunft geplant. Zu-dem finden Umstrukturierungen in der Produktpalettestatt. Die Produktion von Ersatzteilen und Nischenproduk-

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KURZBESCHREIBUNGEN AUTOMOBILZULIEFERER 95

ten soll ausgebaut, Serienproduktion abgebaut werden.Auch dies erlaubt aus Sicht der Arbeitskreismitgliedermehr Flexibilitätsspielräume für die Arbeitszeitgestal-tung. Man ist sich deshalb einig, dass sehr unterschied-liche Angebote an familienförderlichen Arbeitszeitmodellenmöglich sind und in mehrfacher Hinsicht positive Aus-wirkungen – sowohl auf Produktionsabläufe als auchMitarbeiterzufriedenheit – haben könnten. Besonderssinnvoll werden Modelle erachtet, mit denen – trotz Voll-zeittätigkeit der Beschäftigten – ein späterer, an die Öff-nungszeiten der Kindertageseinrichtungen angepassterArbeitsbeginn (Arbeitsbeginn 8:00 Uhr statt 6:00 Uhr)möglich wird. Darüber sollen aber auch gezielt Teilzeit-arbeitsplätze geschaffen werden, an denen mit täglichreduzierter Arbeitszeit gearbeitet werden kann.

Aufbauend hierauf ermittelte der Arbeitskreis entspre-chende Linien, an denen die benannten flexibleren Ar-beitszeitmodelle möglich sind. Zudem wurde diskutiert,welche Schritte zur Umsetzung der neuen Arbeitszeit-modelle notwendig sind und wie genau der Einführungs-prozess gestaltet werden kann und muss. Man einigtesich darauf, eine 6-monatige Pilotphase an einer begrenz-ten Anzahl von Arbeitsplätzen bzw. Linien durchzufüh-ren, um zu testen, wie sich die erdachten Modelle in derPraxis bewähren und ob eventuell noch Optimierungs-bedarf besteht. Ergänzend wurde eine Betriebsverein-barung „Flexible Schichtarbeitszeit“ zur Regelung der6-monatigen Pilotphase abgeschlossen.

Das Pilotprojekt „Flexible Schichtarbeitszeit“ ist bereitsgestartet. Insgesamt stehen zehn flexible Arbeitsplätzespeziell für Beschäftigte mit Betreuungsaufgaben (fürKinder/zu pflegende Angehörige) zu Verfügung.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

1. Standortweite Thematisierung der Arbeitssituation wieauch der Unternehmens- und Führungskultur in Bezugauf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben/Fami-lie von Beschäftigten

2. Bestandsaufnahme zum Thema und Ermittlung vonHandlungserfordernissen aus Sicht der weiblichen undmännlichen Beschäftigten

3. Beteiligungsorientierung im Veränderungsprozess:Durch die Teilnahmemöglichkeit an den Arbeitskreisenkonnten Beschäftigte sich an der Diskussion und Gestaltung von Veränderungsprozessen teilnehmenund so einen aktiven Beitrag leisten

4. Erprobung flexiblerer Arbeitszeitmodelle im Schicht-betrieb im Rahmen einer 6-monatigen Pilotphase undUmsetzung einer entsprechenden Betriebsverein-barung zum Thema.

5. Standortweite Bedarfserhebung in Bezug auf Kinder-betreuung und Aufbau von Kontakten zu Kooperations-

partnern zur gemeinsamen Schaffung eines entspre-chenden Kinderbetreuungsangebots

6. Betriebsrat und Geschäftsführung konnten als aktiveund gemeinschaftlich handelnde Partner beim Themapositiv darstellen und als partnerschaftliche Förder-der des Themas wahrgenommen werden.

Insgesamt trägt das Projekt dazu bei, die Personalpoli-tik im Unternehmen zu modernisieren und damit als attraktiver Arbeitgeber mit fairen Arbeitsbedingungenauf dem Fachkräftemarkt und hier insbesondere fürqualifizierte Frauen besser zu bestehen.

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lenkt. Hier sind der stellvertretende Betriebsratsvorsit-zende Frank Petrus, der Personalleiter Frank Thomsensowie drei Beschäftigte aus unterschiedlichen Unter-nehmensbereichen und gleichzeitig Mitglieder des Betriebsrats vertreten.

Gemeinsam wurde beschlossen, eine standortweite Be-fragung zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben durchzuführen. Hierbei sollen die Beschäf-tigten ihre Meinung äußern, wie es um das Thema imUnternehmen bestellt ist (Stärken/Schwächen), was zurVerbesserung der Vereinbarkeit getan werden sollte undwelche weiteren Unterstützungsmaßnahmen gewünschtsind. Auch sollte ein Überblick darüber geschaffen wer-den, wie viele der Beschäftigten Betreuungsaufgaben(für Kinder/zu pflegende Angehörige) leisten. Aufbau-end auf den Befragungsergebnissen erfolgt dann einekonkrete Maßnahmenplanung.

Schritt 2: Erstellung des Fragebogens

Gemeinsam mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH,Berlin erstellte die Steuerungsgruppe einen betriebs-spezifischen Fragebogen zum Thema. Frageschwer-punkte bildeten hierbei: Arbeitszeit, Arbeitsplanung und-umsetzung, Unternehmens- und Führungskultur, Eltern-zeit, Unterstützungsbedarf bei Kinderbetreuung undPflege von Angehörigen.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangslage vonschichtgebunden Beschäftigten und nicht-schicht-gebunden Tätigen bezüglich des Themas Arbeitszeit,wurde der Fragebogen bei diesem Thema zielgruppen-spezifisch differenziert. Das heißt, es wurden zum einenFragen zur Arbeitszeit zusammengestellt, die spezielldie Situation von schichtgebunden Beschäftigten erfra-gen, zum anderen solche, die spezifisch auf die Arbeits-zeitsituation von nicht-schichtgebundenen Beschäftigtenfokussieren. Bei allen anderen Frageschwerpunkten wur-den einheitliche Fragen für alle Beschäftigten des Stand-orts formuliert.

Wichtiger Bestandteil der Befragung ist auch die Ab-frage von Personenmerkmalen. Dazu gehört neben demAlter und dem Arbeitbereich auch die Frage nach demGeschlecht der/des Befragten. So kann sehr genau er-mittelt werden, wie spezfische Beschäftigtengruppenbestimmte Sachverhalte bewerten und es kann fest-gestellt werden ob z.B. weibliche und männliche Beschäf-tigte bestimmte Fragen (z.B. nach der Arbeitszeit oderder Unternehmenskultur) unterschiedlich bewerten.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen96

Ausgangslage

Rund 700 Beschäftigte, davon 300 Frauen, arbeiten beiAutoliv B.V. & Co. KG in Dachau. Der Standort gehört zueinem international aufgestellten Automobilzulieferermit Sitz in Schweden, der Sicherheitssysteme für Kraft-fahrzeuge herstellt. In Dachau werden Airbagsystemeentwickelt und produziert. Rund 230 der Beschäftigtenam Standort arbeiten in der Produktion, davon sind etwa70% weiblich.

200 arbeiten im 2-Schicht und ca. 30 im 3-Schichtsystem.

Auch der Forschungs- und Entwicklungsbereich ist per-sonell stark aufgestellt. Hier arbeiten rund 315 Beschäf-tigte (Frauenanteil ca. 12%).

Die Konkurrenz um geeignete Fachkräfte in der Regionist groß. Viele namhafte Unternehmen sind präsent undwerben aktiv um geeignetes Personal. Ein wichtigerFaktor bei der Werbung – besonders von Frauen – sindneben einem guten Gehalt auch konkrete Angebote zurUnterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privat-leben, so die Beobachtung von Betriebsrat und Personal-leiter. Auch in Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen undMitarbeitern stellten sie fest, dass das Thema eine stei-gende Bedeutung bei den Beschäftigten erhält – beiFrauen wie Männern.

Ziele

Vor diesem Hintergrund sind Betriebsrat und Geschäfts-führung bestrebt, die Vereinbarkeit von Beruf und Privat-leben am Standort zu verbessern. Damit soll erreichtwerden, Entlastungen für (weibliche) Beschäftigte mitBetreuungspflichten zu schaffen, die Bindung und Moti-vation der Belegschaft zu erhöhen und die Attraktivitätdes Unternehmens für potenzielle Beschäftigte, ins-besondere Frauen, zu steigern.

Vorgehen

Um die anvisierten Ziele zu erreichen, wurde gemeinsammit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin und derProjektleiterin der IG Metall folgendes Vorgehen be-schlossen:

Schritt 1: Gründung einer Steuerungsgruppeund Festlegung des Vorgehens

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitet und

Balance Arbeit und Privatleben bei Autolivin Dachau: Arbeits(-zeit)arrangements verbessern und kontrollieren

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KURZBESCHREIBUNGEN AUTOMOBILZULIEFERER 97

Schritt 3: Information der Beschäftigten undVerteilung des Fragebogens

Bei einer Betriebsversammlung haben Betriebsrat und Per-sonalleiter die Beschäftigten über die Projektaktivitäteninformiert. Betriebsrat und Geschäftsführung forderten dieBeschäftigten aktiv auf, sich an der Befragung zu beteiligen.Dabei verteilten sie den Fragebogen an alle Anwesenden,zudem wurde er im Nachgang auf die Betriebsversamm-lung auch noch mal an alle Beschäftigten per E-Mail ver-schickt. Zudem wurde zur weiteren Information über dasProjekt und die Befragung auch ein Plakat entwickelt undan verschiedenen Stellen am Standort ausgehängt.

Ergebnis der Befragung

Die Beteiligung an der Befragung war geringer als erwar-tet (Rücklauf: ca. 20%). Die Befragungsergebnisse sinddennoch ein gutes Abbild, da die Belegschaftsstrukturdurch die Befragungsteilnehmenden weitgehend wie-dergespiegelt ist. Allein der Bereich Produktion ist in derBefragung unterrepräsentiert und damit auch die Gruppeder schichtgebundenen Beschäftigten.

Aus den Befragungsergebnissen ergaben sich folgendefünf Handlungsfelder zur Verbesserung der Vereinbar-keit von Beruf und Privatleben:

Ausweitung Home-Office: Unter den nicht-schicht-gebundenen Beschäftigten herrscht eine große Zufrie-denheit mit den Arbeitszeiten, allerdings Unzufrieden-heit bezüglich der Flexibilität der Arbeitsorganisation(z.B. durch Teilzeitarbeit, Home-Office). Am häufigstenwünschten sich die Beschäftigten mehr Flexibilitätdurch (mehr) Möglichkeiten für Home-Office.

Mehr zeitliche Flexibilität im Produktionsbereich: ImGegensatz zu den nicht-schichtgebundenen Beschäf-tigten gaben Befragte aus dem schichtgebundenenBereich sehr häufig an, dass ihre Arbeitszeiten dieVereinbarkeit von Beruf und Privatleben belastet.Rund 40% wünschten sich mehr zeitliche Flexibilitätim Schichtsystem. Konkret wurde der Wunsch nachTeilzeit im Schichtbetrieb/Reduzierung der Arbeits-zeit sowie Arbeiten im 1-Schicht-Modell geäußert.

Mehrarbeit/Überstunden: Die Arbeitsdichte wirkt sichaus Sicht der Befragten ebenfalls negativ auf die Ver-einbarkeit von Beruf und Privatleben aus. Konkret werden unverhergesehene Mehrabeit sowie fehlendeMöglichkeiten zum Abbau von Überrstunden als Pro-blem gesehen. Dies belastet alle Beschäftigten, wirdaber gerade von jenen, die außertariflich angestelltsind (sogenannte AT-Beschäftigte), als großes Pro-blem für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatlebenhervorgehoben, da ihnen entsprechende Flexibilitäts-spielräume (z.B. durch Gleitzeitmöglichkeit) fehlen.

Unterstützung bei Kinderbetreuung: Fast alle Befrag-ten sehen das Unternehmen als offen für Fragen rund

um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Allerdingserachten knapp 40% das Unternehmen als nicht aus-reichend aktiv in der konkreten Unterstützung. Gerade,was die Bereitstellung bzw. Ermöglichung eines Kin-dergartenplatzes angeht, wünschen sich die Befragtenhier mehr Aktivitäten

Rolle der Führungskräfte: Auch die Führungskräfte wer-den als offen für private/familiäre Belange eingeschätzt.Allerdings wird auch hier mehr aktive Unterstützunggefordert – gerade von weiblichen Beschäftigten mitKindern als auch Beschäftigten, die im Schichtbetriebarbeiten. Beide Beschäftigtengruppen bewerten auchdie Vorbildfunktion der Führungskräfte beim Themaals schlecht. Konkret haben sie den Eindruck, dass dieFührungskräfte selbst häufig keine gute Vereinbarkeitvon Beruf und Privatleben leben.

Schritt 4: Weiteres Vorgehen festlegen undBelegschaft informieren

Auf Basis der Befragungsergebnisse entwickelte dieSteuerungsgruppe gemeinsam mit der Beraterin derWert.Arbeit GmbH, Berlin Vorschläge, wo und wie Ver-besserungen in den einzelnen Handlungsfeldern erzieltwerden können.

Es wurde festgelegt, dass die Ergebnisse der Befragungsowie die erarbeiteten Handlungsansätze im Manage-mentkreis sowie im Betriebsrat vorgestellt und disku-tiert werden. Hierauf aufbauend sind dann Prioritätenbei der Umsetzung der Maßnahmen festgelegt worden.

Auf einer Betriebsversammlung wurde die Belegschaftüber die Befragungsergebnisse sowie das weitere Vor-gehen informiert. Auch wurde in der Betriebsratszeitungüber das Projekt und die bisherigen Ergebnisse berichtet.

Schritt 5: Arbeit an einzelnen Handlungs-feldern

Nach Diskussion der Ergebnisse im Managementkreissowie im Betriebsrat wurden vier Themen festgelegt, andenen in der nächsten Zeit gemeinsam bei Autoliv inDachau gearbeitet werden soll. Diese Themen sind:

Verstärkte Kontrolle von Mehrarbeit/Überstunden: Alsdringlichstes Handlungsfeld wurde sowohl von Betriebs-rat als auch Personalleitung die Verbesserung der Si-tuation in Bezug auf die Arbeitslast bzw. Arbeitsdichteeingeschätzt. Hierzu wurde im ersten Schritt das Mo-nitoring der Überstundensalden von Betriebsrat undPersonalleitung ausgeweitet bzw. verschärft. Von Seiten des Betriebsrats wurden zudem Gespräche mitFührungskräften über Gründe von Arbeitsverdichtungund Mehrarbeit/Überstunden geführt. Die Personal-abteilung thematisierte diese Punkte in den letztenMitarbeitergesprächen. Auf diesem Hintergrund wur-den gezielte Pläne zum Überstundenabbau erarbeitet,die nun schrittweise umgesetzt werden.

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Ausweitung der Arbeitszeitflexibilität für AT-Beschäf-tigte: Zudem werden gerade Überlegungen angestellt,wie mehr zeitliche Flexibiltät auch für AT-Beschäftigteermöglicht werden kann. Die Einführung von realerGleitzeit wird von Seiten des Managements zwar ab-gelehnt, dennoch soll mehr Flexibilität gewährt werden.Der Betriebsrat erarbeitet vor diesem Hintergrund gerade entsprechende Konzepte, wie flexiblere Arbeits-zeiten für AT-Beschäftigte ermöglicht werden können.Ziel ist die Einführung einheitlicher Regeln und derenVerankerung in einer Betriebsvereinbarung.

Bessere Kommunikation und Unterstützung bei Home-Office: Bereits bei der Diskussion in der Steuerungs-gruppe wurde deutlich, dass im Unternehmen keinegenerelle Ablehnung von Home-Office herrscht. Aller-dings wird dies nicht offensiv kommuniziert und esgibt keine einheitliche Regelung zum Thema. Eswurde vermutet, dass deswegen Beschäftigten häufigdie Möglichkeit zu Home-Office nicht nutzen bzw. dar-über keine Kenntnis haben. Um hier Verbesserungenzu schaffen, wurde die Belegschaft erneut über dieMöglichkeit zu Home-Office informiert. Gleichzeitigwurden die Führungskräfte durch das Managementdazu aufgefordert, auf Home-Office-Wünsche derBeschäftigten besser einzugehen und bei der Ermög-lichung von Home-Office besser zu unterstützen. Zudem strebt der Betriebsrat auch hier die Umsetzungeiner Betriebsvereinabrung an. Ein erster Entwurf wirdgerade durch eine betriebsratsinterne Arbeitsgruppeerarbeitet.

Rolle und Vorbildfunktion der Führungskräfte stär-ken: Wie die Befragungsergebnisse zeigten, habenFührungskräfte eine entscheidende Rolle für einegute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – durchaktives Handeln wie auch ihre Vorbildfunktion. Betriebs-rat als auch Personalabteilung sehen die Förderungdes aktiven Handelns wie auch der Vorbildfunktion alssehr wichtig an. Deswegen sollen Führungskräfte hier-zu zukünftig besser sensibilisiert und geschult wer-den.

Schritt 6: Nachhaltigkeit sichern – Entwick-lungen evaluieren

Im Rahmen des Projekts wurden erste Erfolge in den genannten Handlungsfeldern erzielt. „Wir nehmen zumBeispiel wahr, dass mittlerweile viel öfter Anfragen zurGewährung von Home-Office an uns gestellt werdenund dies als Möglichkeit zur besseren Vereinbarkeit vonBeruf und Privatleben nun auch deutlich häufiger umge-setzt wird“, so die gemeinsame Einschätzung von Betriebsrat und Personalleiter. Auch beim Abbau vonÜberstunden ist man ein gutes Stück weiter gekommen,aber noch lange nicht am Ziel.

Deswegen wurde vereinbart, auch nach Projektende aufdem eingeschlagenen Weg weiterzuarbeiten. „In einemJahr müssen wir uns dann noch mal zusammensetzen

und Bilanz ziehen, wo wir weitergekommen sind und wonicht und wie wir weiter machen“, so Frank Thomsen,der Personalleiter. Und der stellvertretende Betriebs-ratsvorsitzende, Frank Petrus, ergänzt: „Dann müssenwir auch prüfen, ob und wie wir die anderen Punkte –also den Wunsch nach Unterstützung bei der Kinder-betreuung sowie mehr Flexibilität im Schichtsystem –angehen. Denn auch hier müssen wir sehen, wie wir denBeschäftigten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf undPrivatleben zu ermöglichen. Gerade für unsere weib-lichen Beschäftigten in der Produktion sind diese Themenzentral und wir möchten sie hier konkret unterstützen.“

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsbisher umgesetzt/geleistet?

„Das Projekt war gut, um Austausch zu bekommen undneue Impulse für die Arbeit zu erhalten“, so das positiveFazit von Frank Thomsen. Und auch Frank Petrus ist zu-frieden: „Vereinbarkeit wurde als für uns wichtigesThema im Unternehmen gesetzt – beim Betriebsrat, denBeschäftigten sowie dem Management. Jetzt heißt es,weiter dran bleiben!“

In der Gesamtheit konnte das Projekt bisher dazu beitra-gen, dass folgende Punkte umgesetzt bzw. angegangenwerden:

1. Standortweite Thematisierung der Arbeitssituationwie auch der Unternehmens- und Führungskultur inBezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privat-leben/Familie von Beschäftigten

2. Bestandsaufnahme zum Thema und Ermittlung vonHandlungserfordernissen aus Sicht der weiblichenund männlichen Beschäftigten

3. Fokussierung und Priorisierung der gemeinsame Arbeitauf Schwerpunktthemen

Angestoßen durch die Arbeit im Projekt konnten sichBetriebsrat und Geschäftsführung als aktive und gemein-schaftlich handelnde Partner beim Thema positiv dar-stellen und als partnerschaftliche Förderder des Themaswahrgenommen werden. Insgesamt hat das Projekt dazubeigetragen, konkrete Anhaltspunkte zu liefern, wie dieArbeits- und Personalpolitik entsprechend der Bedürf-nisse der Beschäftigten weiter verbessert werden kann.Zudem wurden hierzu im Rahmen des Projekts ersteSchritte eingeleitet. Damit haben Betriebsrat und Arbeit-geberseite gemeinsam einen weiteren Beitrag dazu ge-leistet, das Profil des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber mit vereinbarkeitsförderlichen Arbeits-bedingungen zu schärfen. Die Vereinbarkeit von Berufund Familie ist ein Schlüssel für die Zufriedenheit derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit gerade auchfür die Gewinnung und Bindung von Frauen im Unter-nehmen.

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mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin folgen-des Vorgehen beschlossen:

Schritt 1: Projektplanung

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitetund lenkt. Hierin sind der Betriebsratsvorsitzende, seineStellvertreterin, der Meister des Bereiches, die Produk-tionsleiterin sowie der Personalleiter des Standortesmaßgeblich aktiv.

Um konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen der Arbeitsplatzsituation unter demografischen Gesichts-punkten zu ermitteln, einigte man sich darauf, Workshopsmit allen weiblichen und männlichen Beschäftigten derLinie durchzuführen. Hier soll die aktuelle Arbeitsplatz-situation in Bezug auf „Alternsgerechtes Arbeiten“ hinthematisiert und Ideen und Vorschläge zur Verbesserunggesammelt werden. Die Ergebnisse der Workshops die-nen dem Unternehmen als Grundlage, weiterführendeMaßnahmen zur alternsgerechteren Gestaltung derArbeitsplätze – insbesondere auch der Frauen – umzu-setzen.

Schritt 2: Vorbereitung der Workshops

Gemeinsam mit der Steuerungsgruppe fand eine gezielteinhaltliche Vorbereitung der Workshops statt. Im Mittel-punkt hierbei stand die Reflexion der Arbeitssituation inder Linie unter dem Gesichtspunkt „AlternsgerechtesArbeiten“.

Im ersten Schritt berichteten die Mitglieder der Steue-rungsgruppe über Arbeitsprozess und Arbeitsgestaltungin der Linie. Es wurde im Detail darüber gesprochen, wiein der Linie gearbeitet wird, welche Arbeitsschritte anjeder Linienstation anfallen, welche Aufgaben von deneinzelnen Beschäftigten erfüllt werden müssen und wiedie Arbeit zeitlich und organisatorisch gestaltet ist. ImAnschluss daran wurde von der Beraterin der Wert.ArbeitGmbH, Berlin dargestellt, welche Maßnahmen zur Ge-staltung alternsgerechter Arbeitsbedingungen ergriffenwerden können. Dabei wurden nicht nur die Gestaltungs-spielräume am Arbeitsplatz (Arbeitsumgebung, Arbeits-platzgestaltung, Arbeitsorganisation und Führung) aufgezeigt, sondern der Fokus erweitert auf weiterealternsrelevante betriebliche Handlungsfelder, wie etwa„Gesundheit“ (Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung etc.),Qualifikation/Kompetenz (Weiterbildungsmöglichkeiten,Knowhow der Beschäftigten) sowie Werte/Einstellung/

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Alternsgerechte Arbeitsbedingungen in derProduktion gestalten – Aktivitäten bei der GKNDriveline Deutschland GmbH, Werk Mosel

Ausgangslage

Bei dem sächsischen Automobilzulieferunternehmen GKNDriveline Deutschland GmbH, Werk Mosel sind die Aus-wirkungen des demografischen Wandels deutlich spür-bar. Rund 770 Beschäftigte sind am Standort beschäftigt,120 davon sind weiblich. Es werden Gleichlaufgelenk-wellen und Gleichlaufgelenke für PKW und die dazu-gehörigen Komponenten hergestellt, montiert und auchvertrieben. Die Mehrheit der Beschäftigten (536) arbeitetim Dreischicht-System, die Arbeit ist in vielen Bereichenkörperlich stark anstrengend. Das Durchschnittsalterder Belegschaft liegt bei etwa 48 Jahren, in einzelnenAbteilungen/Bereichen sogar bei über 50 Jahren.

Trotz gestiegener Ausbildungsaktivitäten und der Über-nahme ausgelernter Azubis, wird auch in den nächstenJahren mit der weiteren Alterung der Belegschaft gerech-net. Die demografische Entwicklung im Unternehmen aktivzu gestalten, erhält deshalb eine wichtige Bedeutung.

Ziele

Werkleitung und Betriebsrat möchten im Rahmen desProjekts hierzu gezielte Schritte umsetzen. Konkret solldas Thema „Alter(n)sgerechte Gestaltung von Arbeits-plätzen im Produktionsbetrieb“ im Mittelpunkt stehen.Hierbei soll pilothaft die Situation in einem Produktions-bereich des Unternehmens in den Blick genommenwerden, in dem vermehrt Frauen arbeiten.

Es wurde eine Linie im Dreischicht-System ausgewählt, inder pro Schicht 600 Teile mit einem Einzelgewicht von 2,5–3 kg produziert werden. Die Teile durchlaufen neun Bear-beitungsstationen mit 15 Maschinen. Diese werden von 6Personen betreut. Neben der Maschinenbedienung gehörtauch die händische Bestückung bzw. das Abnehmen derfertigen Teile zu den Aufgaben der Beschäftigten. Sichständig wiederholendes schwereres Heben und Tragen gehört somit zu den Grundaufgaben in dieser Linie.

Gerade für weibliche Beschäftigte besteht aufgrund derkörperlich anspruchsvollen Arbeit aus Sicht des Betriebs-rats und der Werkleitung erhöhter Handlungsbedarf.Hinzu kommt, dass der Altersdurchschnitt mit mehr als50 Jahren in diesem Arbeitsbereich sehr hoch ist.

Vorgehen

Um das anvisierte Ziel, die Gestaltung von alter(n)s-gerechten Arbeitsplätzen, zu erreichen, wurde gemeinsam

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Motivation (z.B. alternsgerechte, gleichstellungsorientier-te, wertschätzende Unternehmens- und Führungskultur).

Alle diese betrieblichen Handlungsfelder wurden bei deranschließenden Bestandsaufnahme zur Arbeitssituationin der Linie mit berücksichtigt. Die Steuerungsgruppegab eine Einschätzung, wo und wie in der ausgewähltenLinie bereits Maßnahmen umgesetzt werden, um Arbeits-plätze alternsgerecht zu gestalten. Zudem wurde ermit-telt, wo die Situation aus Sicht der Steuerungsgruppebelastend wirkt bzw. noch nicht gut gelöst ist. Die größ-ten Probleme wurden dabei im Bereich „Arbeit, Arbeits-umgebung, Führung“ gesehen. Am besten aufgestelltsahen die Mitglieder der Steuerungsgruppe das Unter-nehmen bzw. die Linie, im Handlungsfeld „Gesundheit“.

Auf Basis der Gesprächsergebnisse entwickelte die Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin ein Workshop-Konzept. Der Betriebsrat informierte den zuständigenMeister der Linie über Umsetzung und Ziele der Work-shops und vereinbarte entsprechende Termine zurDurchführung. Jedes der drei Schichtteams wurde zueinem Workshop-Termin eingeladen. Die Teilnahme warfür alle verpflichtend und wurde als Arbeitszeit ange-rechnet.

Schritt 3: Durchführung der Workshops

Die Workshops mit den Beschäftigten dauerten jeweilszweieinhalb Stunden. Neben der Sensibilisierung zur Frage„Was heißt alternsgerechtes Arbeiten und wie kann dasThema im Betrieb gestaltet werden?“, lag der Schwer-punkt darauf, die Meinung der weiblichen und männlichenBeschäftigten darüber einzuholen, wie sie die Arbeits-situation in ihrer Linie unter dem Aspekt „AlternsgerechtesArbeiten“ wahrnehmen. Probleme und Belastungen,aber auch positive Aspekte, durch die alternsgerechtesArbeiten im Unternehmen für sie persönlich gefördert wird,sollten dabei benannt werden. Abschließend erarbeitetendie Workshopteilnehmenden gemeinsam Lösungsvor-schläge zur alternsgerechteren Gestaltung der Arbeits-situation.

Ergebnis

Die Diskussion mit den Workshopteilnehmenden ergabein sehr eindeutiges Bild darüber, in welchen betrieblichenHandlungsfeldern die Beschäftigten das Unternehmengut aufgestellt sehen bzw. Probleme wahrnehmen. Die-ses deckte sich in weiten Teilen mit den Einschätzungender Steuerungsgruppe.

Positiv bewerten die Beschäftigten allgemein die Aktivi-täten, die das Unternehmen im Bereich „Gesundheit“anbietet. Hierzu zählen vor allem die angebotenen Gesundheitschecks (Augencheck, Venencheck etc.), dieMaßnahmen zur Gesundheitsförderung (z.B. Massagen)sowie der Arbeitsschutz. Kaum bekannt bzw. kaumwahrgenommen werden hingegen Belastungsanalysenund Verbesserungen im Bereich Ergonomie, die von der

Steuerungsgruppe als gezielte Instrumente zur Gestal-tung alternsgerechter Arbeitsbedingungen benanntworden waren.

Überwiegend positiv wurde auch der Bereich „Qualifika-tion/Kompetenz“ bewertet. Die Teilnehmenden gabenan, dass alle Beschäftigten über die notwendigen Kom-petenzen verfügen, an (fast) allen Stationen der Linieeingesetzt zu werden. Einschränkungen sahen sie hier-bei nur für einen spezifischen Arbeitsplatz, an dem spe-ziellere Kenntnisse erforderlich sind. Negativ bewertendie Workshop-teilnehmenden allerdings, dass viele dervorhandenen Kompetenzen nicht zum Einsatz kommen.Als Grund hierfür benannten sie, dass Tätigkeitswechselnicht in ausreichender Regelmäßigkeit ausgeführt wer-den. Gerade die weiblichen Beschäftigten bemängeltendies und kritisierten, dass sie für bestimmte Tätigkeitennicht eingesetzt würden, da sie eher den männlichenKollegen zugetraut würden.

Einige Stimmen bewerteten die Qualifikationsvermitt-lung z.T. negativ, da Anlernprozesse aus Sicht der weib-lichen wie auch männlichen Workshopteilnehmendenz.T. nicht ausführlich genug sind. Als Grund wurde hierdas Fehlen zeitlicher Kapazitäten benannt.

Verbesserungspotenzial sahen alle Workshopteilneh-menden im Bereich „Arbeit/Arbeitsumfeld sowie Füh-rung“. Die Bandbreite an Kritikpunkten war dabei groß.Die Punkte, die von allen als problematisch benanntwurden, sind:

Belastende Arbeitsplatzgestaltung (fehlende Ergono-mie, wenig Platz, weite Wege)

Belastende Arbeitsumgebung (Hallentemperatur, Be-lüftung)

Arbeitsorganisation (z.B. zu häufige Rüstvorgänge)

Fehlende Mitbestimmung und Information bei Arbeits-platzgestaltung und Arbeitsorganisation

Da im Handlungsfeld „Arbeit/Arbeitsumgebung/Führung“aus Sicht der Beschäftigten die meisten Probleme verortetwerden, gab es in diesem Bereich auch die intensivsteDiskussion über mögliche Verbesserungsansätze. Diegenannten Ansätze waren – ähnlich wie bei der Benenn-ung der Probleme – sehr vielfältig. Fünf Kernthemen zurGestaltung alternsgerechterer Arbeitsbedingungen habensich allerdings über alle Workshops hinweg heraus-kristallisiert:

1. Verbesserung an Maschinen/Werkzeug (z.B. Bänderniedriger (wegen Körpergröße vor allem der Frauen),Erneuerung von Rädern an Transportwagen, Installa-tion von Sensortechnik/Automatik zur Öffnung vonKlappen/Türen etc. (gerade auch um die für Frauen zu-sätzlichen schweren Bewegungen zu reduzieren))

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2. Verbesserung in Bezug auf die Arbeitsumgebung(Hallentemperatur, Be- und Entlüftung, ErneuerungFußboden, Reinigung Fußboden/Maschinen etc.)

3. Veränderungen im Linien-Layout zur Förderung derErgonomie und Reduzierung von Arbeitsschritten

4. Veränderung der Arbeitsorganisation (Zuteilung Tätig-keiten, Wechsel Tätigkeiten)

5. Verbesserung der Beteiligung/Information (z.B. Mit-sprache bei Layout-Änderungen, regelmäßige Grup-pentreffen/Feedbackrunden)

Weitere Schritte – Evaluation der Workshop-ergebnisse

Die Ergebnisse der Workshops wurden bei einer Sitzungder Steuerungsgruppe vorgestellt.

Es wurde deutlich, dass sowohl die benannten Proble-me, als auch die vorgeschlagenen Verbesserungsansät-ze auf große Zustimmung bei den Mitgliedern derSteuerungsgruppe fielen. Gerade die Vorschläge zu Ver-besserungen an Maschinen und Werkzeug sowie zurVeränderung im Linien-Layout wurden positiv aufge-nommen. Auch den Wunsch nach mehr Rotation zwi-schen verschiedenen Arbeitsplätzen, der gerade auchvon weiblichen Beschäftigten stärker gefordert wurde,befürworteten die Anwesenden. Gleichzeitig gab esaber auch Skepsis, denn: „Wir versuchen das bereitsseit längerem konsequent in dieser Linie durchzusetzen.Der Erfolg ist sehr personen- und gruppenabhängig. Wirstellen fest, dass häufig gerade auch die älteren Be-schäftigten gerne an einem festen Arbeitsplatz arbeitenund nicht wechseln wollen“, so der Meister und die Pro-duktionsleiterin.

Insgesamt fällt das Fazit des Projekts von Seiten derWerkleitung wie auch des Betriebsrats sehr positiv aus.„Ich hätte nicht gedacht, dass so viele konkrete Verbes-serungsvorschläge benannt werden. Zum Teil sind essehr einfache Dinge, die für die Beschäftigten eine Ent-lastung bedeuten und damit auch alternsgerechteresArbeiten fördern. Viele von ihnen können sogar ohnegroßen Aufwand umgesetzt werden“, so der Werkleiter.Und der Betriebsratsvorsitzende ergänzt:

„Bei manchen Dingen fragt man sich auch, warum dieBeschäftigten denn nicht mal früher was gesagt haben,dann hätten wir uns viel eher darum kümmern können.“

Dennoch ist auch klar: Nicht alle Verbesserungsansätzekönnen umgesetzt werden. „Bei manchen Dingen, wieetwa der Hallentemperatur oder der Be- und Entlüftungstehen wir einfach vor großen Problemen, die sich mitder bei uns vorhanden Technik nicht lösen lassen. Daswerden wir so schnell – auch aus finanziellen Gründen –nicht ändern können“, ist sich die Steuerungsgruppe einig.

Aktionsplan erstellen – Beschäftigte informieren

Im nächsten Schritt wollen die Mitglieder der Steue-rungsgruppe bei einem erneuten Treffen aus den Ver-besserungsvorschlägen einen konkreten Aktionsplanentwickeln. Hier soll gemeinsam festgelegt werden,welche Maßnahmen umgesetzt werden können, welcherZeitrahmen dafür veranschlagt werden muss und werdie Verantwortlichkeit für die Umsetzung übernimmt.

Hieran anschließend sollen die Beschäftigten der Liniebei einer gemeinsamen Runde über die geplanten Ak-tionen informiert werden. Auch wollen Betriebsrat undWerkleitung diese Gelegenheit nutzen, um darzustellen,warum bestimmte Vorschläge (erst mal) nicht zur Um-setzung gelangen und Möglichkeit zu Rückfragen geben.

Hierdurch erhoffen sich Betriebsrat und Arbeitgeber-seite, einen ersten Impuls für die von den Beschäftigtengewünschte Verbesserung der Information und Beteili-gung zu geben.

Was wurde im Rahmen des Projekts geleistet?

In der Gesamtheit konnte das Projekt bisher dazu bei-tragen, dass folgende Punkte bei GKN Driveline Deutsch-land GmbH, Werk Mosel umgesetzt bzw. angegangenwerden:

Fokussierung des Projekts und damit auch der Be-triebsrats- und Personalarbeit auf einen speziellenArbeitsbereich, in dem vermehrt Frauen tätig sind, sodass diese ein größeres Forum erhalten.

Wissenserweiterung über bestehende Probleme derBeschäftigten in einem speziellen Arbeitsbereich

Förderung der Beteilungsorientierung und Informa-tionsvermittlung zwischen Beschäftigten, Betriebsratund Arbeitgeberseite

Sensibilisierung für das Thema „Alternsgerechtes Arbeiten“ – sowohl bei betrieblichen Entscheidungs-trägern als auch Beschäftigten

Ermittlung konkreter Ansatzpunkte zur Gestaltungalternsgerechterer Arbeitsbedingungen aus Sicht derweiblichen und männlichen Beschäftigten

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mung von Betriebsrat und Geschäftsführung. Anreizezu setzen für die Gewinnung und Bindung gerade vonjungen Frauen ist deshalb wichtig.

alternsgerechtes Arbeiten: Aufgrund des bereits exis-tierenden hohen Altersdurchschnitts sowie eines er-höhten Krankenstands gilt es, Arbeitsbedingen alterns-gerechter zu gestalten. Hierbei soll gezielt auf die Be-dürfnisse beider Geschlechter eingegangen werden.

Ziele

Ziel der Projektumsetzung am Standort ist es, ein ge-schlechtersensibles Demografiekonzept für den Stand-ort zu entwickeln, um Strukturen zu schaffen, mit denensowohl kurz-, mittel-, aber auch langfristige Maßnahmenzum Umgang mit dem demografischen Wandel erarbeitetwerden können.

Vorgehen

Folgende Schritte wurden gemeinsam mit der Beraterinder Wert.Arbeit GmbH zur Entwicklung des geschlech-tersensiblen Demografiekonzepts umgesetzt:

Schritt 1: Projektplanung

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitetund lenkt. Hier wirkten Betriebsrat, Geschäftsführungund Personalabteilung des Standortes, wie auch dieKonzernbereichsleiterin Personal- und Organisations-entwicklung und eine Mitarbeiterin des betrieblichenGesundheitsmanagements mit.

Gemeinsam wurde beschlossen, zu Beginn des Projektseine solide Datenbasis zu schaffen, in dem für denStandort eine differenzierte Altersstrukturanalysedurchgeführt wird.

Schritt 2: Altersstrukturanalyse

Im Rahmen der Altersstrukturanalyse wurden für denStandort die Alters- und Qualifikationsstrukturen derBeschäftigten differenziert nach weiteren wichtigen betrieblichen Aspekten ausgewertet (in diesem Fall Geschlecht, Abteilung und Tätigkeitsbereich, Funktion imUnternehmen, Arbeitszeiten etc.). Mit dieser Datenbasiswurde eine umfassende Wissengrundlage geschaffenwie sich der IST-Stand am Standort gestaltet (unter-schieden nach Abteilungen, Tätigkeitsbereichen, Ge-schlecht etc.). Auch Zukunftsszenarien für die Jahre

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Demografischen Wandel geschlechter-sensibel gestalten in einem Automobil-zulieferer- und Logistik-Unternehmen

Ausgangslage

Am sächsischen Standort eines international agierendenAutomobilzuliefer- und Logistik-Unternehmens arbeitenrund 800 Beschäftigte. Zum Zeitpunkt des Projektstartsgab es zusätzlich etwa 160 Leiharbeitsbeschäftigte. DerFrauenanteil liegt bei insgesamt rund 25%.

Die Lage am Standort ist gut: Die wirtschaftliche Situ-ation entwickelt sich anhaltend positiv. Stellenaufbaufand in den letzten Jahren statt und ist auch weiterhingeplant. Es gibt einen Haustarifvertrag sowie flankie-rende Betriebsvereinbarungen zu unterschiedlichen The-men (z.B. Arbeitszeit, Mehrarbeit, Mitarbeitergesprächeetc.). Zudem sind Regelungen und ein Kontakthalte-programm während Elternzeit sowie einen sozialpart-nerschaftlich besetzter Arbeitskreis „Gesundheit“ vor-handen.

Der überwiegende Teil der Beschäftigten (mehr als 80%)arbeitet im direkten Bereich und hier fast ausschließlichim 3-Schichtsystem. Der Altersdurchschnitt am Stand-ort ist relativ hoch. Nach Einschätzung des Betriebsratssind etwa 40–50% der Beschäftigten 50 Jahre oder älter.Für die weiblichen Beschäftigten wird die Situation etwasweniger dramatisch eingeschätzt. Der Betriebsrat gehtdavon aus, dass von ihnen „nur“ etwa 30–40% 50 Jahreoder älter sind.

Das Unternehmen hat in den letzten Jahren bereitsseine Ausbildungsaktivitäten erhöht. Jährlich werdenetwa 12–13 junge Menschen – überwiegend Männer –ausgebildet, meist im indirekten Bereich. Nichtsdesto-trotz wird aufgrund der bestehenden Altersstruktur ver-stärkter Handlungsbedarf zur demografiefesten und demografiesensiblen Gestaltung des Unternehmens ge-sehen. Dieses Thema betrifft weibliche wie männlicheBeschäftigte.

Regelungs- und Gestaltungsbedarf aus gleichstellungs-politischer Perspektive sehen Betriebsrat und Geschäfts-führung vor allem bei den Themen:

Personalplanung und -entwicklung: Die Potenzialeder weiblichen Beschäftigten werden als hoch einge-schätzt. Einsatz sowie Entwicklungsmöglichkeitendieser vorhandenen Potenziale sollen verstärkt ge-prüft und gegebenenfalls optimiert werden.

Fachkräftegewinnung und -bindung: Ein im 3-Schicht-Betrieb geführter Produktionsbetrieb ist gerade fürjunge Frauen häufig wenig attraktiv – so die Wahrneh-

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2015 und 2020 wurden entwickelt. Zudem wurden regio-nale Daten (z.B. Demografischer Wandel in der Region,Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, Zu- und Abwande-rungszahlen, wirtschaftliche Entwicklung) ausgewertetund ihre Auswirkungen auf die Entwicklung am Standortanalysiert.

Ergebnisse der Altersstrukturanalyse

Mit der Altersstrukturanalyse wurde eine (geschlechter-)differenzierte Datengrundlage geschaffen, um strate-gisch zu diskutieren, welche Schwerpunkte im Umgangmit der betrieblichen Situation gesetzt werden müssen.Zudem wurden Entwicklungsszenarien und Herausfor-derungen für eine geschlechtersensible und chancen-gleiche Personalpolitik deutlich.

Für die Region zeigte sich: Die Bevölkerung in der Region schrumpft und altert rapide. Bis 2030 wird dasDurchschnittsalter auf 54 Jahre ansteigen, die Bevölke-rung wird um etwa ein Viertel schrumpfen.

Der Anteil der unter 20-Jährigen ist bereits seit mehre-ren Jahren gering und wird auch zukünftig auf diesemNiveau bleiben. Es wird immer schwieriger, Auszubil-dende zu finden. Viele junge Menschen – gerade jungeFrauen – wandern zum Studieren aus der Region ab undkommen später nicht zurück. Insgesamt werden – auchdurch die positive wirtschaftliche Entwicklung der Region – potenzielle Beschäftigte rar.

Für den Standort zeigte sich: Trotz hoher Ausbildungs-zahlen und vielen Neueinstellungen in den letzten Jah-ren gibt es einen hohen Anteil älterer Beschäftigter imUnternehmen und deutlich weniger junge Menschen –gerade unter weiblichen Beschäftigten!

Das Durchschnittsalter im Unternehmen liegt bei 43,5Jahren. Frauen haben mit knapp 45 Jahren ein höheresDurchschnittsalter. Es gibt doppelt so viele Beschäf-tigte im Alter 55 + wie junge Beschäftigte (unter 25 Jah-ren). Damit werden in den nächsten zehn Jahren fastdoppelt so viele Beschäftigte aus dem Berufsleben aus-steigen, wie es junge Nachwuchskräfte gibt. Unter denweiblichen Beschäftigten ist die Nachwuchsproblema-tik noch deutlicher ausgeprägt: Der Anteil der über 55-Jährigen ist fast 3 Mal so hoch wie der der unter 25-Jährigen. „Lücken“ zeigen sich zudem bei (vor allem weib-lichen) Beschäftigten in der Altersgruppe der 30- bis 45-Jährigen und führen z.T. zu einer ungünstigen Alters-mischung in den Abteilungen.

Unter den aktuellen Gegebenheiten wird sich der Frau-enanteil am Standort deutlich verringern. Die Alterungwird – gerade bis 2015 – unter den weiblichen Beschäf-tigten deutlicher voranschreiten als unter den männ-lichen.

Schritt 3: Festlegung des weiteren Vorgehens

Die Ergebnisse der Altersstrukturanalyse zeigten, dassdie Auswirkungen des demografischen Wandels stand-ortweit spürbar sind. Insgesamt wird es deshalb immerwichtiger, Vorsorge zu treffen und Arbeitsbedingungenin möglichst allen Bereichen so zu gestalten, dass Ar-beiten bis ins hohe Alter möglich wird. Gezielte Gesund-heitsförderung und die Gestaltung alternsgerechter Arbeitsplätze (gerade im Schichtbetrieb) sind hierzu ausSicht der Steuerungsgruppe wichtige Voraussetzungen.Zudem wird als wichtig erachtet, sich vermehrt Gedan-ken um die Gestaltung von Arbeitsplätzen für Leistungs-geminderte zu machen.

Neben diesen Maßnahmen, die gezielt auf die Alterungder Belegschaft fokussieren, sehen es die Steuerungs-gruppenmitglieder als notwendig an, stärker attraktivfür junge Menschen – speziell junge Frauen – zu werden.So wird etwa als ein Grund für die Nachwuchsproblema-tik wie auch die „Lücken“ in der Altersgruppe der 30- bis45-jährigen weiblichen Beschäftigten gesehen, dasssich 3-Schicht-Arbeit mit Kinderbetreuung für viele alssehr schwierig erweist. Auch für die Vereinbarkeit vonBeruf und Pflegeaufgaben werden hier Probleme gese-hen.

Darüber hinaus sollen Entwicklungsmöglichkeiten bes-ser gestaltet und auch besser kommuniziert und spe-ziell Frauen bei der Weiterentwicklung im Unternehmenunterstützt werden – sowohl durch gezieltere Förderungals auch durch die Weiterentwicklung von Maßnahmenzur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Schritt 4: Vertiefende Workshops

Zu jedem der genannten Themen wurden in der Folgevertiefende Workshops durchgeführt. Hier diskutiertendie Beteiligten die konkreten betrieblichen Ansatz-punkte zur Gestaltung der Themen. Geprüft wurde, wel-che Vereinbarungen und Maßnahmen zur Gestaltungdes jeweiligen Themas bereits vorhanden sind (Tarif-sowie Betriebsvereinbarungen, individuelle Vereinba-rungen sowie personalpolitische Unterstützungsleis-tungen) und wie sie in der Praxis umgesetzt werden.Hierauf aufbauend bewertete die Steuerungsgruppe,wie das Unternehmen beim jeweiligen Thema aufge-stellt ist, wo Stärken liegen bzw. wo Optimierungsbedarfbesteht.

Zudem stellte die Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Ber-lin zu den jeweiligen Themen gute Praxis aus anderenUnternehmen vor. Gemeinsam wurde diskutiert, ob undwie die vorgestellten Maßnahmen auch am Standortsinnvoll umsetzbar sind. Abschließend leitete die Steu-erungsgruppe weiterführende Maßnahmen ab, um dendemografischen Wandel am Standort nachhaltig undgeschlechtersensibel zu gestalten.

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Ergebnis

Folgende Maßnahmen sollen im Rahmen des geschlech-tersensiblen Demografiekonzepts umgesetzt werden:

Alternsgerechtes Arbeiten

Es soll geprüft werden, wo und wie Jobrotation in deneinzelnen Arbeitsbereichen sinnvoll umgesetzt bzw.ausgebaut werden kann. Zudem sollen die Beschäf-tigten stärker für die Vorteile von Jobrotation sensi-bilisiert und dazu ermutigt werden.

Die Belastungsanalysen der Arbeitsplätze sollen aufihre Demografie- wie Geschlechtersensibilität hinüberprüft und ggf. optimiert werden.

Die Taktinhalte an den Produktionsarbeitsplätzen sol-len daraufhin überprüft werden, ob sie ergonomischweiter optimiert werden können.

Arbeitsplatzgestaltung für Leistungs-geminderte

Eine Bestandsaufnahme zum Thema wird durch-geführt. Hierauf aufbauend ist zu prüfen, ob und inwelcher Form personalpolitische Maßnahmen zur Un-terstützung Leistungsgeminderter im Arbeitsprozessergriffen werden können (z.B. Ausweisung/Besetzungvon Schonarbeitsplätzen).

Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Produktionsarbeitsplätze sollen geschaffen bzw. aus-gewiesen werden, an denen in Normalschicht sowie(bei Wunsch) in Teilzeit gearbeitet werden kann. DieseArbeitsplätze sollen gezielt für (weibliche) Beschäf-tigte mit Betreuungsaufgaben (für Kinder/zu pflegendeAngehörige) zu Verfügung stehen.

Der Bedarf an betrieblicher Unterstützung bei der Kin-derbetreuung soll erhoben werden, um hier gezielterunterstützen zu können.

Bereits in der Umsetzung befindet sich die Erstellungeines Informationsflyers zum Thema Kinderbetreuungund Pflege, in dem alle regionalen Ansprechpartner/unterstützenden Stellen aufgelistet sind.

Geplant ist, Vereinbarkeit und demografischen Wandelstärker zum Thema zu machen – sowohl in Führungs-kräfteworkshops als auch in den jährlich stattfinden-den Mitarbeitergesprächen.

Entwicklungsmöglichkeiten ausbauen

Das Talentmanagement am Standort soll optimiertwerden, u.a. durch Schaffung von Stellenprofilen, die

durch umfassende Qualifizierung breitere Entwick-lungsmöglichkeiten im Unternehmen ermöglichen undauf Führungsaufgaben vorbereiten

Gezielt sollen für die Besetzung der Stellen weiblicheBeschäftigte angesprochen und geworben werden.Entsprechende Werbematerialen hierzu werden ent-wickelt.

Schritt 5: Nachhaltigkeit sichern – Kreis derHandelnden erweitern

Die einzelnen Punkte des geschlechtersensiblen Demo-grafiekonzepts wurden im Anschluss einem erweitertenEntscheiderkreis (u.a. Produktionsleiter Standort, Per-sonalchef Konzern) vorgestellt und diskutiert. Im Rah-men des Gespräch wurde geklärt, ob die beschlossenenMaßnahmen befürwortet werden und wo bzw. durch wenUnterstützung bei der Umsetzung der anvisierten Maß-nahmen geleistet werden kann und muss.

Die Rückmeldung auf das erarbeitete gleichstellungs-sensible Demografiekonzept fiel positiv aus. „Die vorge-schlagenen Maßnahmen sind ein richtiger und wichtigerSchritt um die Herausforderungen des demografischenWandels am Standort aktiv in bestimmten Handlungs-feldern anzugehen. Im nächsten Schritt wird es nunwichtig sein, diese zum Leben zu bringen und erfolg-reich durchzuführen“, so die einhellige Meinung der An-wesenden.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

In der Gesamtheit konnte das Projekt dazu beitragen,dass folgende Punkte umgesetzt bzw. angegangen wer-den:

Die aktuellen Herausforderungen des demografischenWandels (am Standort wie in der Region) wurden ausgleichstellungspolitischer Perspektive analysiert unddiskutiert.

Betriebsspezifische Handlungsmöglichkeiten zur Gestal-tung des demografischen Wandels wurden entwickeltund mit der Geschlechterperspektive verknüpft. Sorückte die Situation weiblicher Beschäftigter im Unter-nehmenskontext stärker in den Fokus der Betriebsrätewie auch Personalverantwortlichen.

Der Blick für Frauen/weibliche Beschäftigte als Po-tenzialgruppe wurde geschärft und es sind Ideen undMaßnahmen entwickelt worden, wie diese besser angesprochen als auch gefördert werden können (so-wohl vom Betriebsrat als auch Unternehmen ins-gesamt).

Die erarbeiteten Ideen und Konzepte flossen in dieDiskussion um die weitere Ausgestaltung des Haus-

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tarifvertrags ein. Wichtiges Ziel des Betriebsrats undder Gewerkschaft ist es, diesen „demografiefester“ zugestalten.

Ein gezieltes Maßnahmenpaket zur geschlechter-sensiblen Gestaltung des demografischen Wandels amStandort wurde vereinbart sowie dessen Umsetzungbis Ende 2015 organisatorisch und zeitlich festgelegt.

Konkrete Verantwortlichkeiten zur Umsetzung wurdenvergeben und die weitere sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit am Thema konkretisiert. Hierdurchsind gute Voraussetzung geschaffen worden, um dasThema nach Projektende erfolgreich und nachhaltigweiter zu gestalten.

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optimal gestaltet sind. Zudem wurde überprüft, wiehoch der Bekanntheitsgrad der im Unternehmen beste-henden personalpolitischen Instrumente zur Karriere-förderung (allgemein sowie speziell für Frauen) ist undwie deren Wirkung von den weiblichen Beschäftigteneingeschätzt wird. Hierauf aufbauend wurden Verbesse-rungsvorschläge erarbeitet.

Vorgehen

Um diese Ziele zu erreichen, wurde gemeinsam mit demBR, der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin und derProjektleiterin der IG Metall folgendes Vorgehen be-schlossen:

Schritt 1: Projektschritte klären

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitetund lenkt. Hierin waren maßgeblich die Betriebsratsvor-sitzende sowie ein zweites Mitglied des Betriebsrats aktiv. Die Personalverantwortliche des Standorts unter-stützte die Projektaktivitäten, war aber nicht aktiv in derProjektsteuerung eingebunden.

Gemeinsam wurde ein dreistufiges Vorgehen beschlos-sen:

Stufe 1: Explorative Einzel-Interviews mit weiblichen Beschäftigten entlang eines gemeinsam ent-wickelten Fragenkatalogs sowie

Stufe 2: Workshops mit weiblichen Beschäftigten ausunterschiedlichen Bereichen.

Stufe 3: Workshops mit Führungskräften – Die Ergeb-nisse der vorangegangenen Schritte wurdenden Führungskräften vorgestellt und die Ver-besserungsvorschläge weiter untersetzt.

Schritt 2: Vorbereitung und Durchführungder Interviews

Der Fragenkatalog für die Interviews thematisierte dieSicht der Frauen u.a. auf die Weiterbildungsmöglich-keiten, personalpolitische Instrumente zur Förderungvon Weiterbildung und Karriereentwicklung, das Bild vonFührungskräften, sowie die Situation bezüglich der Ver-einbarkeit von Beruf und Privatleben. Auch wurden dieeigenen Aufstiegs- und Karriereambitionen der Frauenerfragt. Insgesamt acht Frauen aus verschiedenen Arbeitsbereichen des Unternehmens wurden interviewt.

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Entwicklungschancen für Frauen ver-bessern – Aktivitäten bei Robert Bosch Car Multimedia GmbH

Ausgangslage

Bei der Robert Bosch Car Multimedia GmbH (kurz: BoschCM) in Hildesheim arbeiten mehr als 1.500 Beschäftigte.Jede/r fünfte Beschäftigte ist weiblich.

Der Standort ist schwerpunktmäßig für Forschung &Entwicklung zuständig. Es gibt noch eine kleine Produk-tionseinheit.

Die Förderung der Gleichstellung wird im Robert-Bosch-Konzern und damit auch am Standort groß geschrieben.In den Leitlinien zur Unternehmenskultur sowie zur Stellenbesetzung ist die Gleichstellung von Frauen undMännern ausdrücklich festgeschrieben. Betriebliche Wei-terbildung und Programme für angehende Führungs-kräfte stehen allen Beschäftigten offen – unabhängigvom Geschlecht. Zudem gibt es spezielle Förderprogram-me von und für Frauen, etwa ein Mentoring-Programmsowie das Frauen-Netzwerk „women@bosch“.

Auch die Arbeitsbedingungen versucht das Unternehmenso zu gestalten, dass sie Frauen und Männern die gleichenBerufs-, Aufstiegs- und Karrierechancen ermöglichen.Deshalb unterstützt Bosch etwa die Vereinbarkeit vonBeruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle undTelearbeit sowie zahlreiche Informations- und Unter-stützungsleistungen (z.B. vor Ort Betreuung, Vermitt-lung von Ferienbetreuung). Diese Beispiele in SachenVereinbarkeit und Chancengleichheit sind nur eine Aus-wahl der bei Bosch umgesetzten Maßnahmen.

Dennoch zeigen sich in der betrieblichen Realität – trotzgut gestalteter Rahmenbedingungen – Unterschiede beiweiblichen und männlichen Beschäftigten. So stellte derBetriebsrat bei der Überprüfung der Eingruppierungenvon hoch qualifizierten Beschäftigten (Fach- und Füh-rungskräfte) fest: Je höher die Entgeltgruppe, desto weniger Frauen sind präsent. Bei den außertariflich ein-gruppierten Beschäftigten sind die Frauen deutlich unter-repräsentiert – so das Ergebnis der Überprüfung. ZumTeil erklären sich die Unterschiede dadurch, dass Frauenseltener als Männer in den technischen Berufen bei BoschCM arbeiten. Aber auch im kaufmännischen Bereich, woder Anteil der Frauen deutlich höher liegt, gab es nursehr wenige Frauen in den oberen und außertariflichenEntgeltbereichen – so die Ergebnisse des Betriebsrats.

Ziele

Im Rahmen des Projekts sollte ermittelt werden, ob dieEntwicklungsmöglichkeiten für Frauen bei Bosch CM

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Schritt 3: Themen der weiblichen Beschäftigten

Deutlich wurde durch die Interviews, dass es hemmendewie auch fördernde Faktoren in der Personalentwicklungfür Frauen gibt. So wurden die bestehenden Regelungenzur Förderung der Vereinbarkeit sowie zur Chancen-gleichheit als klare positive Faktoren gewertet. Auchdas gute und breite Weiterbildungsangebot wurde alsförderlich bewertet, ebenso wie die häufig sehr abwechs-lungsreichen und sich verändernden Arbeitsinhalte.

Als strukturelle bzw. unternehmenskulturelle Hürdeerwies sich, dass bestimmte Personalentwicklungs-instrumente den Befragten nicht (ausreichend) bekanntwaren. Die Förderung der Weiterbildung sowie der Kar-riereentwicklung wurde zudem als stark durch die Führungskraft beeinflusst gesehen – mit sehr unter-schiedlichen Konsequenzen für die einzelnen Frauen(positiv wie negativ).

Als problematisch bei der Aufstiegs- bzw. Karriere-planung gerade von Frauen mit Kindern bewerteten dieBefragten, dass häufig (unterbewusst) hohe Erwartungenan die zeitliche Verfügbarkeit gerade in höheren Fach-und Führungsebenen vorhanden seien. Dies hindere gerade Frauen in Teilzeit, sich auf solche Posten zu bewerben bzw. darauf angesprochen zu werden.

Für die Workshops entschied sich die Steuerungsgruppe(StGr), insgesamt drei Workshops mit jeweils unterschied-lichen weiblichen Zielgruppen (Produktionsmitarbeiterinnen,Verwaltungsangestellte, Frauen in Fach- und Führungs-positionen) durchzuführen. Hintergrund dieser Aufsplittungwar, damit gezielter herauszuarbeiten, wo und wie Frauenin unterschiedlichen Positionen Stärken und Schwächen inder Personalentwicklung wahrnehmen und welche Verbes-serungsmöglichkeiten jede einzelne Zielgruppe sieht.

Schritt 4: 3 x Workshop = drei Beschäftigten-gruppen kommen zu Wort

Insgesamt nahmen an den Workshops 18 Frauen teil.Hier wurden die Ergebnisse der Interviews diskutiert und

Möglichkeiten und Ideen zu Verbesserungen erarbeitet.Zudem wurden die Instrumente und Maßnahmen, dieam Standort zur Personalentwicklung zum Einsatzkommen (z.B. Mitarbeitergespräch) oder unterstützendwirken sollen (z.B. Betriebsvereinbarungen zur besserenVereinbarkeit von Beruf und Privatleben) vorgestellt. DieTeilnehmerinnen diskutierten, wie diese Instrumenteund Maßnahmen aus ihrer Sicht in der Praxis gelebtwerden und wirken.

Ergebnis

In den Workshops bestätigten sich die Ergebnisse derInterviews. Gezielt wurden Ansatzpunkte für Verbesse-rungsmaßnahmen erarbeitet. Schwerpunkte waren dabeidie Verbesserung der Zeitkultur, der Ausbau der Infor-mationsvermittlung über bestehende Personalentwick-lungsinstrumente sowie die stärkere Sensibilisierungder Führungskräfte in ihrer Rolle als „Förderer und Un-terstützer“ in der Personalentwicklung – speziell derFrauen.

Schritt 5: Diskussion der Ergebnisse mit der Arbeitgeberseite

Bei einem gemeinsamen Gespräch zwischen Steue-rungsgruppe und Personalverantwortlichen sowie desam Standort aktiven Netzwerks „women@bosch“ wur-den die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.Dabei deckten sich die Einschätzungen aus den Inter-views und Workshops mit denen der Anwesenden. Beson-ders die Arbeitszeitkultur als auch das Führungskräfte-verhalten wurden von allen als starke (positive wie negative) Einflussfaktoren auf die Personalentwicklungvon Frauen gewertet. Die Notwendigkeit einer stärkerenSensibilisierung der Führungskräfte für Gleichstellungs-wie auch Vereinbarkeitsfragen wurde bekräftigt. Zudemteilten alle Anwesenden die Ansicht, dass mehr Trans-parenz und Wissen über die bestehenden Personalent-wicklungsinstrumente und Entwicklungsmöglichkeitengeschaffen und (mögliche) Entwicklungspfade deut-licher kommuniziert werden müssen.

Es wurde beschlossen, die in den Workshops erarbeitetenHandlungsansätze weiter zu vertiefen, u.a. durch eineDiskussion mit den Führungskräften.

Schritt 6: Interner Transfer der Ergebnisse:Business-Brunch

Die Betriebsratsvorsitzende stellte die Ergebnisse beieinem Netzwerktreffen der Bosch-Frauen am StandortHildesheim vor und konnte Unterstützende der Führungs-ebene gewinnen.

Schritt 7: Führungskräfte (FK) werden eingebunden

Im Rahmen von zwei Workshops mit Führungskräftenwurden diese sowohl für Gleichstellungsfragen weitersensibilisiert, als auch die Anliegen der Frauen vermittelt

Aussagen der weiblichen Beschäftigten (Ausschnitt)

„Karriere“ wird von den Befragten nicht mit derÜbernahme einer Führungsposition gleichgesetzt.

Gründe, keine Karriere bei Bosch zu verfolgen, sindu.a.: eigene Qualifikation wird nicht als ausreichendgesehen, sich weiter bzw. höher zu entwickeln;keine Bereitschaft, ausufernde Arbeitszeiten fürdie Karriere in Kauf zu nehmen

Führungsleitbild: Führungskräfte bei Bosch müs-sen rund um die Uhr verfügbar sein, viel Zeit inves-tieren und ihr Privatleben hinten anstellen

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und schließlich die Handlungsvorschläge bestätigt undweiter untersetzt. Folgende Handlungsansätze werdenhier gesehen (Ausschnitt):

Zeitkultur balancefreundlich gestalten – Meeting-kultur, Weiterbildungszeiten

Langfristige Entwicklungsplanung konzipieren (incl.Auszeiten) – Lebensphasenarbeitszeit,

Anforderungen an Führungskräfte überdenken

Sichtbare Maßnahmen und gute Beispiele kommuni-zieren – bspw. durch einen Leitfaden Karriereentwick-lung (einschl. informeller Wege); Darstellung von weib-lichen Vorbildern

Führungskräftekultur – Aufgabenprofil erweitern (Sozialkompetenz; Gleichstellung); Sensibilisieren fürGleichstellungsfragen; FK-Leitbild („immer verfügbarsein“) hinterfragen; kollegialen Austausch unter FKfördern und FK-Coaching

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Betriebsrat und Personalverantwortliche am Standortkonnten ihr Wissen über die Sichtweisen, bestehendeProbleme und Erwartungen der weiblichen Beschäftig-

ten deutlich erweitern. Durch den aktiven Einbezug derweiblichen Beschäftigten wird nunmehr der Betriebsratstärker als bisher als Ansprechpartner bei Problemenwahrgenommen. Konkrete künftige Aktivitäten sind u.a.:

Für die oberste Tarifebene wird bereits seit Anfang2012 ein Mentoring angeboten. Dieses wird jetzt auchauf die nächstniedrigere Entgeltstufe ausgeweitet(ein Ergebnis auch aus den Aktivitäten des Frauen-netzwerkes).

Der Betriebsrat diskutiert nunmehr über die Einführungder lebenslauforientierten Personalentwicklung – derAbschluss einer Betriebsvereinbarung wird hier in Aus-sicht genommen.

Das Selbstbewusstsein der Frauen soll weiter gestärktwerden, sowohl kollektiv durch allgemeine Thema-tisierung als auch bei individueller Beratung, u.a. imBetriebsrat.

Gemeinsam haben Beschäftigte (Frauen), Betriebsrat,Führungskräfte und Personalabteilung an Veränderungs-vorhaben gearbeitet. Damit ist eine Basis gelegt fürinnovative gleichstellungspolitische Vorhaben.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen110

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Zudem soll in Erfahrung gebracht werden, welche wei-teren Maßnahmen zur gezielten Förderung der weiblichenProduktionsmitarbeiterinnen umgesetzt werden können.Der Personalabteilung plant bereits, ein gezieltes Men-toring-Programm einzuführen, möchte aber im Rahmendes Projekts validieren, ob eine solche Maßnahme aufZuspruch bei den weiblichen Beschäftigten stoßen würde.

Vorgehen

Um die anvisierten Ziele zu erreichen, wurde gemein-sam mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin fol-gendes Vorgehen beschlossen:

Schritt 1: Festlegung des Vorgehens

Im ersten Schritt wurde eine betriebliche Steuerungs-gruppe gebildet, die den Beratungsprozess begleitetund lenkt. Hierin waren maßgeblich zwei Mitglieder desBetriebsrats und der Personalabteilung beteiligt. Zu-dem wurde die Weiterbildungsabteilung über das Vor-haben informiert und zu einzelnen Gesprächsterminenhinzugezogen.

Gemeinsam wurde der Beschluss gefasst, Gesprächs-zirkel mit den älteren weiblichen Produktionsmitarbeite-rinnen durchzuführen. In diesen soll gemeinsam mit denFrauen über die vorhandenen Weiterbildungs- und Ent-wicklungsmöglichkeiten reflektiert, negative wie positiveAspekte benannt und Vorschläge für die Optimierungder Weiterbildung diskutiert werden.

Schritt 2: Vorbereitung der Gesprächszirkel

Zur Vorbereitung der Gesprächszirkel machte die Steu-erungsgruppe gemeinsam eine Bestandsaufnahme überdie am Standort vorhandenen Instrumente und Maßnah-men zur Umsetzung und Förderung der Weiterbildungund Entwicklung von Beschäftigten aus dem Produk-tionsbereich. Hierbei wurden nicht nur die unterschied-lichen Formen von Weiterbildung zusammengetragenund diskutiert, sondern auch personalpolitische Instru-mente, die Weiterbildung (mit) in den Fokus nehmen(z.B. Mitarbeiterjahresgespräch, Qualifikationsmatrix)sowie Maßnahmen, durch die Weiterbildung unterstütztwird (z.B. Führungsgrundsätze, Bosch-Werte, Betriebs-vereinbarungen zum Thema). Diese Bestandsaufnahmediente als Diskussionsgrundlage für die Gesprächszirkel,an der entlang Stärken und Schwächen der Weiterbil-dungssituation mit den weiblichen Produktionsmitar-beiterinnen diskutiert wurden.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen112

Weiterbildungssituation für (ältere) Frauenaus der Produktion verbessern – Aktivitätenbei der Robert Bosch GmbH

Ausgangslage

Bei der Robert Bosch GmbH in Hildesheim (kurz: BoschHiP) arbeiten rund 1.500 Beschäftigte. Der Frauenanteilan diesem überwiegend durch Produktionsarbeit gepräg-ten Standort ist niedrig (Frauenanteil 8,5%). Es gibt einegrößere Gruppe von Frauen im Alter 45 +, die überwie-gend als angelernte Beschäftigte in der Produktion ein-gesetzt sind.

In der Produktion wird im 4-Schicht-System gearbeitet.Es gibt aber auch eine kleine Anzahl an (weiblichen) Beschäftigten, die in Normalschicht arbeiten. Es werdensowohl angelernte Beschäftigte als auch Facharbeiter/-innen eingesetzt. Die Zahl der angelernten Beschäftig-ten ist insgesamt rückläufig. Handarbeitsplätze, auf denen sie häufig beschäftigt sind, wurden in den letztenJahren sukzessive abgebaut. Insgesamt befindet sichdie Produktion am Standort in der Umstrukturierung(neue Technologien, Veränderung der Produktpaletteetc.). Aufgrund dieser Entwicklung ist Weiterbildung undLebenslanges Lernen eine Grundvoraussetzung für denErhalt der Beschäftigungsfähigkeit und für die Siche-rung des Beschäftigungsverhältnisses.

Der Bosch-Konzern bietet seinen Beschäftigten an allenStandorten ein breites Weiterbildungsangebot und guteEntwicklungsmöglichkeiten. So sind auch bei der RobertBosch GmbH in Hildesheim eine Reihe an Angebotenund personalpolitischen Instrumenten vorhanden, um dieWeiterbildung sowie die Weiterentwicklung der Beschäf-tigten im Schichtsystem zu fördern und zu dokumentieren.Allerdings gibt es gerade für angelernte Beschäftigtedeutlich weniger Angebote als für andere Beschäftig-tengruppen. Überwiegend beschränkt es sich auf Ange-bote in der Freizeit (durch das Unternehmen finanziert).Betriebsrat, Personal- wie auch Weiterbildungsabteilungnehmen wahr, dass gerade ältere weibliche Beschäf-tigte aus der Produktion sehr selten an Weiterbildungenteilnehmen. Dies wird negativ gewertet – nicht nur fürdie Beschäftigten sondern auch das Unternehmen.

Ziele

Im Rahmen des Projekts soll ermittelt werden, wie speziellältere weibliche Beschäftigte die Weiterbildungs- undEntwicklungsmöglichkeiten bei Bosch HiP wahrnehmen.Zudem soll überprüft werden, wie hoch der Bekannt-heitsgrad der im Unternehmen bestehenden personal-politischen Instrumente zur Förderung der Weiterbildungund beruflichen Entwicklung ist und wie deren Umset-zung in der Praxis sowie die Wirkung eingeschätzt wird.

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KURZBESCHREIBUNGEN AUTOMOBILZULIEFERER 113

Man einigte sich darauf, insgesamt drei Gesprächszirkelmit jeweils acht (älteren) Frauen aus der Produktiondurchzuführen. Ein entsprechendes Informations- undEinladungsschreiben wurde für die weiblichen Beschäf-tigten sowie deren Führungskräfte erstellt. Durchgeführtwurden die Gesprächszirkel während der Arbeitszeitdurch die Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlin. DieTeilnahme war freiwillig. Die Frauen wurden dafür bezahltvon der Arbeit freigestellt.

Schritt 3: Durchführung und Ergebnisse der Gesprächszirkel

Insgesamt nahmen 18 Frauen aus der Produktion an denGesprächszirkeln teil. Die Resonanz auf das Gesprächs-angebot von Seiten der Frauen war sehr gut. Sie nahmenbesonders positiv wahr, dass das Unternehmen ihre Sichtder Dinge zum Thema gezielt erfragt und empfanden diesals große Wertschätzung. Nichtsdestotrotz gab es auchVorbehalte: Viele der Teilnehmerinnen hatten im Laufeihrer (häufig bereits sehr langen) Betriebszugehörigkeit (25Jahre und mehr) schlechte Erfahrungen mit den Wei-terbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bei Boschgemacht. Viele fühlten wenig Anreiz und Motivation, ge-rade in höherem Alter, noch weiterbildungsaktiv zu sein.

Besonders negativ bzw. hinderlich in Bezug auf die Wei-terbildungssituation der Frauen wurde wahrgenommen:

Fehlende Informationen über Weiterbildungsangebote:Die Informationslage zu den Weiterbildungsangebotenwurde eher schlecht bewertet. Informationen über neueKursangebote würden nicht ausreichend bzw. nur überdas Intranet bekannt gegeben, worauf viele der Teilneh-merinnen aber keinen (regelmäßigen) Zugriff haben.

Zeitliches Angebot der Weiterbildungen: Als hinderlichwurde bewertet, dass angebotene Weiterbildungen nurin der Freizeit stattfinden. Gerade Frauen mit Familien-pflichten kritisierten, hierdurch nur schwer Weiterbil-dungsangebote wahrnehmen zu können. Zudem wurdeangemerkt, dass die Angebote generell mit der Arbeitim Schichtbetrieb nur schwer zu realisieren sind.

Zum Teil negatives Verhalten der Führungskräfte in Be-zug auf Weiterbildung: Ein Teil der Teilnehmerinnen gaban, dass Vorgesetzte sie bei ihrem Weiterbildungs-wunsch nicht unterstützten oder ihnen gewisse Weiter-bildungen aufgrund ihres Geschlechts nicht zutrauten.Hingegen bewertete der andere Teil der Teilnehmerinnenihre Vorgesetzten als Förderer von Weiterbildung (für siepersönlich sowie andere).

Begrenzte Nutzbarkeit der Weiterbildungsangebote: Inden angebotenen Weiterbildungen wird von vielen der Teil-nehmerinnen ein nur sehr begrenzter Nutzen gesehen.Oftmals seien sie am Arbeitsplatz nicht anwendbar, sodie Kritik. Auch hätte die Teilnahme keinen positiven Effekt auf die (finanzielle) Weiterentwicklung im Unter-nehmen.

Zum Teil wenig Selbstvertrauen und Kenntnisse überPerspektiven: Bei einigen der Teilnehmerinnen zeigtensich auch konkrete Ängste beim Thema. Diese hingendabei mit einem Mangel an Selbstvertrauen zusammen,auch noch in höherem Alter neue Arbeitsinhalte erler-nen zu können.

Schritt 4: Diskussion der Ergebnisse und Planung des weiteren Vorgehens

Die Ergebnisse der Gesprächszirkel wurden der Steu-erungsgruppe sowie der Weiterbildungsabteilung vor-gestellt und gemeinsam diskutiert.

Insgesamt stellten die Ergebnisse für die Teilnehmen-den keine große Überraschung dar. Vielmehr bestätigtensie die Vermutungen über Schwachstellen und Proble-me beim Thema Weiterbildung. Sowohl die Verbesserungder Transparenz über Instrumente und Möglichkeitender Weiterbildung, als auch die Stärkung der Rolle derFührungskräfte wurden als wichtige Handlungsfelderbewertet, um die Weiterbildungssituation für Frauen ausder Produktion zu verbessern. Auch über neue Formenbzw. Angebote an Weiterbildung müsse nachgedachtwerden. So hatten etwa die Teilnehmerinnen angeregt,die vor einigen Jahren regelmäßig durchgeführten Lern-stattrunden (gezielte Produkt- und Maschinenschulungenwährend der Arbeitszeit) wieder einzuführen. Diese Ideesoll geprüft werden.

Zudem waren sich die Beteiligten einig, dass Wege gefunden werden müssen, wie der Mehrwert von Weiter-bildung – auch unabhängig von der Verbesserung imEntgelt – besser vermittelt werden kann (Win-Win fürBeschäftigte sowie für das Unternehmen).

Die Personalleiterin betonte, dass es wichtig sei, die Ergebnisse (auch zum Thema Wertschätzung) an dieFührungskräfte weiterzuvermitteln. Zudem müsse über-legt werden, wie man Weiterbildung langfristig als regel-mäßigen Gesprächspunkt zwischen den Beschäftigtenund ihrer Führungskraft etablieren könne.

In Bezug auf das geplante Mentoring-Programm warensich alle einig, dass dieses gut genutzt werden könne,um Frauen aus der Produktion gezielt beim Thema Wei-terbildung zu unterstützen. Allerdings wurde als wichtigerachtet, das bisher geplante Konzept des Mentoringsnochmals auf seine Umsetzbarkeit hin zu prüfen undggf. zu optimieren (speziell: Gruppen-Mentoring stattEinzel-Coaching).

Schritt 5: Information der Beschäftigten

Die Ergebnisse der Gesprächszirkel sowie die hierauf auf-bauenden Verbesserungsmaßnahmen sollen im nächs-ten Schritt nun allen weiblichen Beschäftigten aus derProduktion vorgestellt werden. Damit wollen Betriebs-rat, Personal- sowie Weiterbildungsabteilung die Ergeb-nisse transparent machen und gleichzeitig vermitteln,

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dass aufbauend auf den Ergebnissen gezielte Schrittezur Verbesserung der Weiterbildungssituation – speziellfür (ältere) Frauen aus der Produktion – umgesetzt wer-den. Die Verbesserung der Information und die gezielteUnterstützung im Rahmen des geplanten Mentoring-Programms werden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Wissenserweiterung von Betriebsrat, Personal- sowieWeiterbildungsabteilung über bestehende Problemeder älteren weiblichen Produktionsbeschäftigten inBezug auf Weiterbildung

Entwicklung und Optimierung von Handlungsansätzenzur Verbesserung der Weiterbildungssituation weib-licher Beschäftigter (z.B. Optimierung Mentoring-Pro-gramm, Schaffung neuer Weiterbildungsangeboteund -formen)

Förderung der Beteiligungsorientierung und Informa-tionsvermittlung zwischen Beschäftigten, Betriebsratund Arbeitgeberseite

Sensibilisierung weiblicher Beschäftigte über Maß-nahmen und Instrumente, die ihr Unternehmen zurFörderung der Weiterbildung anbietet und die sie nut-zen können Betriebsrat und Personalabteilung zeig-ten sich zufrieden mit den bisherigen Ergebnissendes Projekts: „Durch die Gesprächszirkel haben wirnoch mal neue Ideen erhalten, wie die Weiterbildungs-situation für die weiblichen Beschäftigten in der Pro-duktion verbessert werden kann. Zudem haben wir einen direkten Zugang zu den am Projekt beteiligtenFrauen beim Thema Weiterbildung erhalten. Sie wis-sen jetzt, dass wir beim Thema aktiv sind und Verbes-serungen planen und es wird vermutlich einfachersein, sie für neue Konzepte – wie etwa das geplanteMentoring-Programm – zu gewinnen.“

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen114

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Elektroindustrie

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Welchen konkreten Einfluss haben derzeit die struktu-rellen Rahmenbedingungen, insbesondere die Rege-lungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aufdie Karriereentwicklung von Frauen? Welche Maßnah-men, Planungen und Ideen gibt es, um diese Rahmen-bedingungen weiter zu verbessern?

Wie wird aktuell die Unternehmenskultur bezogen aufdie Gleichstellung von Frauen und Männern wahr-genommen und damit verknüpft das Rollenverhaltenvon Männern und Frauen eingeschätzt?

Welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für die kon-zeptionelle Weiterentwicklung der gleichstellungs-politischen Aktivitäten am Standort?

Der Betriebsrat musste sich bei der Arbeitgeberseiteauch während des Projektes intensiv dafür einsetzen,dass dieses Projekt umgesetzt werden kann.

Schritt 1: Mobilisierung Fachexpertise

Für die Mobilisierung der internen Fachexpertise hat derBetriebsrat im Dialog mit den zuständigen Expertinnenund Experten im Unternehmen die konzeptionellen An-sätze in der Weiterbildung wie auch in der Balance vonArbeit und Privatleben diskutiert. Dafür wurden im Vor-feld gemeinsam von Beratung und Betriebsrat Frage-stellungen entwickelt.

Zentrale Ergebnisse der Interviews des BetriebsratsDie Geschlechterdimension wird in Führungskräfte-Seminaren über Foliensätze eingebunden sowie durchdas Thema „unbewusste Vorurteile“ (Verzerrungen).Es gibt keine eigenen Seminare zu Genderthemen –keine Nachfrage – Einbindung in übliche Themen wirdals zielführend betrachtet.

Gender/Diversity ist ein strategisches Ziel, das vieleFührungskräfte nicht interessiert, da andere Themenaufgrund höher priorisierter Ziele und damit verbun-dener Incentives mehr Aufmerksamkeit verlangen.

Weiterbildungszeiten/-formen verändern sich derzeitzugunsten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie(kürzere, arbeitsplatznahe Angebote)

Eine differenzierte Evaluation der Weiterbildung, u.a.nach Geschlecht, ist problematisch aufgrund einerGesamtbetriebsvereinbarung zum Datenschutz

Controlling ist vorhanden für die Frauenquote imübertariflichen Bereich (Frauen in Führungspositio-nen)

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen118

Karriereentwicklung von Frauen in einemUnternehmen der Elektroindustrie

Ausgangslage

Das Unternehmen hat am Standort 4.000 Beschäftigteund einen Frauenanteil von 41%. Es sind viele hochquali-fizierte Beschäftigte an diesem Standort – Männer wieFrauen. Es wird die Unternehmensstrategie verfolgt, miteinem qualitativ hochwertigen Diversity-ManagementFachkräfte zu finden und zu binden. Der Gesamtbetriebs-rat wie auch der Betriebsrat am Standort setzen sichseit vielen Jahren, u.a. mit Unterstützung der IG Metall,für die Chancengleichheit von Frauen und Männern einund unterstützen damit aktiv diese Unternehmens-strategie.

Die Beschäftigtenstatistik führte und führt jedoch deut-lich vor Augen, dass es noch Entwicklungspotenziale inder Frage der Gleichstellung von Frauen und Männerngibt. Daher hat sich der Betriebsrat dazu entschlossen,die am Standort vorhandene interne Fachexpertise(Personalabteilung, Weiterbildungsmanagement, Diver-sity-Office etc.) zu mobilisieren und die Umsetzung bzw.Übersetzung der Unternehmensstrategie in der Praxisgemeinsam zu reflektieren.

Ziele

Langfristiges Ziel ist die Erhöhung des Frauenanteils inallen Führungsebenen sowie gerechte Entwicklungs-chancen für alle Beschäftigtengruppen – insbesondereauch den Teamassistenzen und Teilzeitbeschäftigten.

Projektziel ist es, die Erfahrungen und Einschätzungenvon internen Expertinnen und Experten (s.o.) wie auchFrauen in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnis-sen zu nutzen und praxisnahe Optimierungsvorschlägezu entwickeln.

Vorgehen

Gemeinsam mit der externen Beraterin der Wert.ArbeitGmbH, Berlin hat sich eine Arbeitsgruppe des Betriebs-rates intensiv zum Thema qualifiziert und ein möglichesVorgehen gemeinsam entwickelt. Drei Fragekomplexe(mit einem qualitativen Fokus) standen dabei im Mittel-punkt:

Wie werden die vorhandenen Maßnahmen/Ansätze derPersonalentwicklung (z.B. Mentoring/Weiterbildungs-angebote) bislang von Frauen in verschiedenen Tätig-keitsfeldern genutzt und welche Entwicklungsperspek-tiven sehen die jeweiligen Expertinnen und Expertensowie Beschäftigte bei den konzeptionellen Ansät-zen?

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KURZBESCHREIBUNGEN ELEKTROINDUSTRIE 119

Unterstützungsmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Be-ruf und Familie – auch Pflege – sind umfangreich undwerden flexibel angepasst. Gute Erfolge bei (externen)Unternehmenswettbewerben (Erfolgsfaktor Familie)

Aktuell gibt es Diskussion in der Abteilung Gesund-heitsförderung zum Thema Zielgruppenbedarfe undangepasste Angebote

Schritt 2: Beteiligung der FrauenFür die Reflexion der Praxis ist der Betriebsrat (externmoderiert) im Rahmen von zwei Workshops mit Frauenins Gespräch gegangen.

Zentrale ErgebnissePositiv wird die Vereinbarkeit Beruf und Familie gesehen –v.a. der organisatorische Rahmen. Dazu gehört: FlexibleArbeitszeit (Gleitzeit), Kinderbetreuung des Unterneh-mens am Standort, Ferienbetreuung, Home-Office, Teil-zeitstellen, techn. Anbindung in Elternzeit sowie techn.Anbindung für mobile Arbeit. Ebenfalls positiv gesehenwird ein Seminarangebot für Frauen: „Spielregeln für dieKarriere“.

Folgende Schwächen haben die Workshopteilnehmerin-nen benannt:

UnternehmenskulturDas Führungskräftebild ist eingeschränkt: Ideale Füh-rungskräfte sind jung und voll verfügbar, ebenso sindgute Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer ver-fügbar

Teilzeitarbeit/Vereinbarkeit Beruf und Familie stehtoftmals gegen Karriereentwicklung (z.B. ÜbernahmeProjektleitung)

Teilzeitkräfte sind schlechter in Teams/Kommunika-tion eingebunden, erfahren z.T. geringere Wertschät-zung

Die Sensibilität für Gleichstellungsfragen bei den Füh-rungskräften ist noch nicht ausreichend (z.B. Beur-teilung: Umgang mit flexibler AZ bei Eltern)

Unterstützung im TOP-Management fehlt (z.B. Res-sourcen für das Frauennetzwerk)

Gute Praxisvorbilder (jenseits des TOP-Managements)werden zu wenig kommuniziert, Vorbilder fehlen

Networking von Frauen in den allgemeinen Netzwerkenist noch zu gering (z.B. Nachwuchskreis)

MitarbeitergesprächeDie Mitarbeitergespräche stellen keine gute Grund-lage für Entwicklungsmöglichkeiten dar, da hier oftmalskeine realistische Einschätzung der Leistung aufgrundder Deckelung stattfindet. Zudem ist der Prozess denMitarbeiterinnen intransparent.

In den Runden der Führungskräfte, nach den Gesprä-chen mit den Beschäftigten, wird zu selten über dieErgebnisse im Sinne der Gleichstellung reflektiert

Personalentwicklung für TeamassistenzenTeamassistenzen (Sekretariate) in mittleren Positionenerhalten zu wenig Entwicklungsangebote/Weiterbil-dung. Es gibt zu wenig Entwicklungsoptionen für an-spruchsvollere Tätigkeiten

Personalentwicklung (PE), WeiterbildungsangebotDie Weiterbildungskultur ist mittlerweile insgesamtdefizitär. Es wird keine Personalentwicklung in derBreite wahrgenommen und es gibt zu wenig Unter-stützungsangebote für Frauen auf der mittleren Ebene

Die möglichen Entwicklungschancen sind oftmals intransparent (z.B. bei Umstrukturierungen, neuen Pro-jektausschreibungen, Auswahl der Frauen für Mento-ringprozesse, Entwicklung neuer Tätigkeitsbereiche/Produktsparten)

Oftmals wird als Begründung das (vermeintlich) fehlen-de Weiterbildungsbudget benannt. Das wird für Bereichein Forschung & Entwicklung problematisch gesehen

Anspruchsvollere Entwicklungsschritte (z.B. Promotion)werden von Führungskräften bei Frauen nicht unter-stützt bzw. stoßen auf Widerstand

Frauen werden nicht gleichermaßen wie Männer zuKonferenzen entsendet

KinderbetreuungÖffnungszeiten von öffentlichen Kinderbetreuungs-einrichtungen (in der Region) entsprechen nicht denAnforderungen des Unternehmens

Oftmals sehr hohe Mobilitätserwartungen – für Elternkritisch

Information zu Möglichkeiten der flexiblen Betreuungfehlen

Schritt 3: Diskussion Aktionsansätze

Die Ergebnisse der vorangegangenen Aktivitäten wur-den zusammengefasst und im Betriebsrat präsentiert.Folgende Handlungsansätze werden nun weiter disku-tiert und umgesetzt (Ausschnitt)

Verstärkte Unterstützung durch das TOP-Manage-ment, u.a. Ressourcen für Frauennetzwerk/Mento-ring/Coaching

Dauerhafte Sensibilisierung der Führungskräfte (Semi-nare, Coaching, Beurteilungsrunden ...)

In Führungskräfte-Seminaren verstärkt Gleichstellungs-aspekte thematisieren

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Frühe Unterstützung/Motivation von Frauen in den all-gemeinen Unternehmensnetzwerken

„Verfügbarkeitskultur“ ändern – Richtlinien entwickeln

Rolle der Personalabteilung für Gleichstellung undUnterstützung der Beschäftigten reflektieren

Lebenslauforientierte Gestaltung der Prozesse für dieFührungskräfte-Entwicklung (z.B. mit Unterbrechungwegen Elternzeit)

Transparenz der Entwicklungsoptionen (z.B. bei Um-strukturierungen)

Entwicklungsoptionen für Teamassistenzen klären (Wei-terbildung/Aufstieg)

Weiterbildungswünsche von Frauen evaluieren und ver-stärkt unterstützen

Individuelle Handlungsmöglichkeiten für die Entwick-lungs-Prozesse klären – was können Frauen konkretvon sich aus beitragen, um hier realistische Entwick-lungswege gehen zu können?

Frauen Impulse geben/ermutigen für Entwicklungs-prozesse (FK, PA, BR ...) – insbesondere auch in mitt-leren Fachpositionen

Im Rahmen der Workshops wurde zudem diskutiert, wasder Betriebsrat konkret machen kann. Der Betriebsratwill hier seine Handlungsmöglichkeiten prüfen:

Evaluation der Entwicklungsprozesse/individuelle Unter-stützung

Reflexion des möglichen BewerberInnenpools (Frauen/Männer) – Studierende, AbsolventInnen, Abteilungen...Rekrutierungsbilanz erstellen (Frauen/Männer)

Konkrete Unterstützung zur Vorbereitung von Gehalts-verhandlungen

Schritt 4: Nachhaltigkeit sichern

Der Betriebsrat hat das Thema im Gremium verankertund durch intensive inhaltliche Diskussionen vertieft.

Es ist zudem geplant, die Ergebnisse auf der Ebene desGesamtbetriebsrates zu reflektieren und übergreifendeHandlungsansätze abzuleiten.

Die Beteiligung der Expertinnen und Experten wie auchBeschäftigten hat praxisnahe Vorschläge erbracht, ins-besondere auch für das Handeln des Betriebsrats selbst.

Die Arbeitgeberseite ist in das Thema eingebunden. Hierwerden jedoch die Aktivitäten des Betriebsrates sicher-lich weiterhin misstrauisch beobachtet werden. Daherwird es nun die Frage sein, wie stark der BR sich in die-sem Thema durchsetzen kann.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektesumgesetzt/geleistet?

Der wichtigste und hier aufwändigste Schritt aufgrundzahlreicher Gesprächstermine war die Diskussion mitder Arbeitgeberseite. Hier konnte sich der Betriebsratim ersten Schritt durchsetzen.

Zudem hat sich der Betriebsrat intensiv mit dem ThemaGleichstellungspolitik beschäftigt und damit weiterqualifiziert.

Hochqualifizierte Frauen haben sich bereit erklärt, gemeinsam mit dem Betriebsrat über Veränderungennachzudenken. Damit konnte ein weiterer Schritt zur Erschließung dieser Beschäftigtengruppe für den Be-triebsrat geleistet werden.

Es sind zudem praxistaugliche Ideen für Veränderungenentstanden.

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Vorgehen

Koordiniert durch die Betriebsrätin Sabine Wohlleben wur-den die folgenden Projektschritte mit Unterstützung derexternen Beratung umgesetzt:

Schritt 1: Verbündete finden

Die Projektidee und das Vorgehen wurden im Vertrauens-körper vorgestellt und diskutiert. Ergebnis: Der VK unter-stützte das Projekt.

Schritt 2: Fragestellung mit „Expertinnen ineigener Sache“ konkretisieren

Sechs Frauen wurden in offenen Interviews zu ihren Ein-schätzungen zu den Stärken und Schwächen der Ent-wicklungsoptionen von Frauen bei Infineon befragt. DieseFrauen kamen sowohl aus dem Bereich Teamassistenzwie auch aus dem hochqualifizierten Beschäftigten-bereichen. Diese Frauen konnten dann auch für die Ent-wicklung eines Fragebogens, der am Standort an weibli-che Beschäftigte verteilt wurde, gewonnen werden.

Schritt 3: Schriftliche Befragung der Frauenam Standort

Aufbauend auf den Interviews und gemeinsam mit denFrauen wurde ein Fragebogen mit folgenden Themen ent-wickelt:

Personalentwicklungsmaßnahmen im Unternehmen

Interesse an Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen-gleichheit

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Der Fragbogen wurde in Papierform durch die Akteurin-nen (BR + VK + engagierte Frauen) vor Ort verteilt.

Ergebnisse der Befragung 2012

184 weibliche Beschäftigte haben sich an der Befragungbeteiligt – das sind 23 % aller weiblichen Beschäftigtenim Betrieb (Campeon). Privater Betreuungssaufwand fürKinder (unter 16 Jahren) oder pflegebedürftige Angehö-rige haben knapp die Hälfte der Befragten.

Zentrale Ergebnisse (Ausschnitt):Das Image des Unternehmens bezogen auf die beruf-lichen Entwicklungschancen wird bei den befragten

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen122

Karriereentwicklung für Frauen auf allenEbenen bei Infineon Technologies AG amStandort München (Campeon)

Ausgangslage

Die Infineon Technologies AG ist durch die Ausgliederungdes Halbleitergeschäfts der Siemens AG im Jahr 1999 so-wie einen Börsengang im Jahre 2000 entstanden. Das Un-ternehmen ist ein Hochtechnologieunternehmen. Die Un-ternehmenszentrale, Campeon genannt, befindet sich seitEnde 2005 in der Gemeinde Neubiberg (Landkreis München).

Die Infineon Technologies AG bietet als ein Weltmarkt-führer Halbleiter- und Systemlösungen, die die ThemenEnergieeffizienz, Mobilität und Sicherheit adressieren.Das Unternehmen gliedert sich in die GeschäftsbereicheAutomotive, Industrial & Multimarket sowie Chip Card &Security. In Deutschland hat die Infineon TechnologiesAG rund 10.000 Beschäftigte davon. 3.200 Beschäftigtein München, darunter rund 800 Frauen (rund 25%)

Das Unternehmen kümmert sich aktiv um die Nachwuchs-rekrutierung und hat dabei durchaus ein Interesse, auchjunge Frauen für das Unternehmen zu gewinnen.

Seit 2012 hat Infineon einen Haustarifvertrag. Dem vor-aus gingen intensive Mobilisierungsaktivitäten seitensder IG Metall vor Ort.

Der Betriebsrat (kurz: BR) hat im Vorfeld des Gesprächsmit der Projektleiterin der IG Metall sowie der Beraterinder Wert.Arbeit GmbH, Berlin bereits betriebliche Hand-lungsfelder für ein mögliches Projekt identifiziert. Besonders wichtig ist dem BR, dass er durch die Pro-jektaktivitäten stärker sichtbar wird und damit attraktivfür die qualifizierten Frauen im Unternehmen.

Konkret möchte der BR für die Frauen im Unternehmen(Campeon) Folgendes angehen: Aus Sicht des Betriebs-rats fehlen Entwicklungsperspektiven für Frauen in denmittleren und hohen Qualifikationsebenen. Beschäftigtein Teilzeitarbeit sind davon besonders betroffen, aberauch Frauen in Vollzeitarbeit. Das Projekt soll deshalb dieEntwicklungsoptionen für Frauen in den Fokus nehmen.

In das Projekt soll von Anfang an neben dem BR auchder IGM-Vertrauenskörper eingebunden werden – dahier aktive Beschäftigte aus dem Betrieb ein solchesAnliegen unterstützen und voranbringen können.

Ziele

Ziele des Projekts waren, die Entwicklungsoptionen vonFrauen im Betrieb beteiligungsorientiert transparent zumachen und darauf aufbauend weiterzuentwickeln.

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KURZBESCHREIBUNGEN ELEKTROINDUSTRIE 123

Frauen bislang nicht positiv wahrgenommen. Frauenmit Betreuungspflichten sehen sich deutlich von Kar-rierechancen ausgeschlossen.

Die Frage nach der gleichwertigen Berücksichtigungaller Beschäftigter an Weiterbildung (TZ, Frauen, Eltern)wird negativ beantwortet.

Frauen mit Betreuungspflichten haben ebenso Inte-resse an beruflichen Entwicklungsoptionen wie Frauenohne Betreuungspflichten.

79 befragte Frauen haben im Unternehmen persönlicheine konkrete Benachteiligung erlebt.

Die organisatorische Unterstützung des Unternehmenszur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird positivgesehen.

Ein Drittel der befragten Frauen sieht einen Konfliktzwischen anspruchsvollen Positionen und privatenBetreuungspflichten.

Die Frauen haben nicht den Eindruck, dass Eltern inihrer Karriere gefördert werden

Ebenso dominiert der Eindruck, dass das Unterneh-men Teilzeit in Führungspositionen nicht offen gegen-über steht.

Die Gestaltung der Rückkehr aus Elternzeit wird ten-denziell kritisch bewertet und es gibt Wissensdefizitebei Führungskräften zum Umgang mit Elternzeit.

Schritt 5: Ergebnisse veröffentlichen und weitere Kreise ziehen

Die Diskussion der Auswertung erfolgte in drei Schritten:Mit den Multiplikatorinnen, die die Befragung mit vor-bereitet hatten, mit dem Vertrauenskörper und mit demBR-Gremium. Alle Beteiligten sahen die Ergebnisse alsrealistische Einschätzung der Praxis im Unternehmenan.

Im Kontext der Diskussionen wurden auch zahlreicheHandlungsansätze entwickelt und diskutiert.

Assistenzarbeit: Entwicklungsoptionen klären und erweitern; mögliche Maßnahme: Gute Praxis sammelnund publizieren

Stärkung von Frauen: Mentoring-Angebote erweitern,Coachingangebote schaffen, Netzwerke entwickeln

Führungskräfteverantwortung: Aufgabenprofil erwei-tern um Personalführung und als Ziel messbar machen,Führungskräfte-Training ...

Personalentwicklung: Interne Bewerbungsverfahrenoptimieren (Begründung von Ablehnungen), Neue Vor-gaben für Stellenausschreibungen (Teilzeitfähigkeit),MA-Gespräche verbessern

Teilzeitarbeit: Stellenprofile teilzeitfähig gestalten

Elternzeit: vorhandene Elternzeitregelungen (BV) be-kannt machen und den HR-Prozess für die Rückkehraus der Elternzeit verpflichtend definieren (inkl. TZ-Stellen).

Schritt 6: Breite Betriebsöffentlichkeit undArbeitgeberseite einbinden

Ende 2012 folgte schließlich eine Präsentation der Er-gebnisse und Verbesserungsvorschläge auf der Betriebs-versammlung und ein Bericht in der betrieblichen IGM-Zeitung (siehe Anhang)

Schritt 7: Nachhaltigkeit sichern – aus-reichend Verbündete organisiert

In das Projekt wurden zahlreiche Akteurinnen und Ak-teure auf der Arbeitnehmerseite eingebunden und soeine gemeinsame Basis geschaffen für die weiteren Dis-kussionen.

Im nächsten Schritt gilt es nun, die Arbeitgeberseite mitden Ergebnissen zu überzeugen und einen Kulturwandelherbeizuführen.

Erste positive Anzeichen dafür:

Die Haltung der Führungskräfte wird künftig stärker inden Blick genommen – so hat die Unternehmensseiteaufgenommen, dass die FK künftig in den Beurteilungenstärker an ihren gleichstellungspolitischen Ergebnissengemessen werden. Das Projekt hat hier Impulse gege-ben.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Im Kontext des Projektes sind zahlreiche Beschäftigtezu Wort gekommen und haben ihre Sicht dargestellt zurPersonalentwicklung und Vereinbarkeit von Beruf undPrivatleben.

Der Fragebogen enthielt auch offene Fragen, auf diedie befragten Frauen in rund 400 Antworten ihre Mei-nung äußerten. Themen waren u.a.:

Kultureller Wandel für mehr Chancengleichheit

Teamassistenzen würdigen, weiter entwickeln

Führungskräfteverhalten steuern

Entwicklungsmöglichkeiten für Beschäftigte in TZ

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Zudem sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aufder Arbeitnehmer-Seite thematisch qualifiziert und sensi-bilisiert worden. Damit gibt es eine gute Basis für dieweiteren Aktivitäten.

Die Handlungsansätze sind an vielen Stellen sehr kon-kret und können nun weiter operationalisiert werden.

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Ein hoher Krankenstand: Dies hängt auch mit der feh-lenden Balance von Arbeit und Privatleben zusammenund muss angegangen werden, da es das Unterneh-men Geld kostet. Eine BEM-BV wurde dem Arbeit-geber zur Verhandlung bereits vorgelegt.

Vor diesem Argumentationshintergrund sind eine Reihevon möglichen Handlungsansätzen diskutiert worden:

Alternde Belegschaften und Qualifizierung: Die Beschäf-tigungschancen für un- und angelernte Frauen verbes-sern sich, wenn das Thema demografischer Wandel aktiv angegangen wird (Altersstrukturanalyse). Damiteng verknüpft steht das Thema Qualifizierung.

Vereinbarkeit Beruf und Privatleben: insbesondere dieErhebung psychischer Belastungen und Flexible AZ-Modelle (Rückkehr aus Elternzeit).

Datengrundlage Gleichstellung: es fehlen eine Reihevon Daten zur Bewertung der Ausgangssituation ausgleichstellungspolitischer Sicht, die durch einen Gleich-stellungsbericht des Arbeitgebers geliefert werden sol-len.

Nachhaltigkeit sichern – Impulse des G-Check weiterentwickeln

Im Nachgang des Workshops hat der Betriebsrat die Im-pulse weiter diskutiert und beschlossen, zwei weiterekonkrete Projekt anzugehen: Den Qualifikationspassund den Gleichstellungsbericht.

Der Betriebsrat hat festgestellt, dass einerseits die vor-handenen Qualifikationsressourcen im Unternehmen nurunzureichend bekannt sind. Andererseits bieten die un- undangelernten Beschäftigten, v.a. Frauen, ihre Fertigkeitenund Fähigkeiten nicht aktiv intern oder auf dem exter-nen Arbeitsmarkt an. Damit ist eine zukunftsorientiertePersonalentwicklung für alle Beschäftigten wie auch dieBeschäftigungssicherung bislang nur unzureichend mög-lich.

Vor diesem Hintergrund will der Betriebsrat einen Quali-fikationspass (Q-Pass) als Instrument entwickeln undeinführen. Ziel ist die umfassende Darstellung der Kom-petenzen der Beschäftigten, die sie sowohl auf dem in-ternen als auch externen Arbeitsmarkt nutzen können.Der Q-Pass enthält daher die systematische Erfassungund Darstellung der Kompetenzen und Qualifikationen.Er macht Qualifizierungsinhalte und -schritte transpa-rent und dient als Nachweis erworbener Teilqualifikatio-nen sowie der Berufserfahrung.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen126

Gleichstellungscheck in einem Unter-nehmen der Elektroindustrie

Ausgangslage

Das Unternehmen gehört zur Elektroindustrie und pro-duziert z.B. Eingabesysteme. Es hat rund 220 Beschäf-tigte, davon sind rund 120 in der Produktion tätig. DerFrauenanteil in der Produktion beträgt über 50%. Sie arbeiten vorwiegend als un- und angelernte Arbeiterin-nen. Der Altersdurchschnitt liegt bei rund 48 Jahren –damit wird die Nachfolgeplanung in nächster Zeit zu-nehmend bedeutsam.

Es gibt (unsystematische) Weiterbildungsangebote, z.B.wenn es Fördermittel gibt oder diese durch die Quali-tätszertifizierung vorgeschrieben sind. Diese sind jedochoftmals nicht praxisgerecht. Ferner ist eine Qualifika-tionsmatrix vorhanden, die jedoch die Kenntnisse undFähigkeiten der un- und angelernten Beschäftigten bis-lang nur unzureichend widerspiegelt. Die un- und ange-lernten Frauen sind derzeit also in ihrer Beschäftigungs-fähigkeit stark von außen beschränkt.

Der Betriebsrat hat den Gleichstellungscheck des Pro-jektes im Kontext eines Seminares des Ortsfrauenaus-schusses ausgefüllt und festgestellt, dass er weiterenDiskussionsbedarf sieht.

Ziele

Vor diesem Hintergrund wurde vereinbart, dass der Be-triebsrat als Gremium insgesamt einen Qualifizierungs-workshop mit der Beraterin der Wert.Arbeit GmbH, Berlinumsetzt, um konkrete Handlungsansätze zu entwickelnund innerhalb des Gremiums eine gemeinsame Wis-sensbasis herzustellen.

Vorgehen

Im Rahmen des Workshops wurden einerseits die gleich-stellungspolitischen Trends in der Elektroindustrie auf-gezeigt und andererseits die konkrete Situation im Betrieb reflektiert.

Gemeinsam haben die Teilnehmenden Argumente für gleich-stellungspolitische Aktivitäten im Betrieb gesammelt:

Ein hoher Altersdurchschnitt im Betrieb: hier könnteeine Altersstrukturanalyse verdeutlichen, wie die Nach-folgeplanung für die Frauen in Zukunft aussehen muss.Zudem ließen sich dadurch Argumente für Tätigkeits-wechsel (Rotation) finden.

Die Auditierung, die durch die Kunden gefordert wird:Eine systematische Weiterbildung – für alle Beschäftig-ten – sichert das Qualitätsaudit und damit die Aufträge.

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 126

KURZBESCHREIBUNGEN ELEKTROINDUSTRIE 127

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Ein Betrieb, in dem bislang das Thema Gleichstellungkein Thema war, hat im Rahmen des Projektes Defiziteerkannt und Handlungsansätze entwickelt.

Der Betriebsrat hat nun für sich einen Handlungsauftragformuliert und wird damit die Beschäftigungssicherungder un- und angelernten Frauen im Betrieb deutlichverbessern sowie die Herausforderungen des demogra-fischen Wandels aktiv gestalten.

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Informations- und Kommunikations-technologien (ITK)

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 02.09.2013 11:12 Uhr Seite 129

Arbeitszeitregelungen

Stressbelastung

Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben

Einsatzmöglichkeiten nach der Elternzeit/Langzeit-erkrankung

Personalentwicklung

Aufstiegsmöglichkeiten

Gehaltssystem

Unterstützung der Führungskräfte

Unterstützung des Betriebsrates

Schritt 2: Abstimmung mit dem BR

Der Arbeitskreis Chancengleichheit brachte die, nun be-reits gut untersetzte, Idee in den Betriebsrat ein, der denBeschluss zur Einbindung einer externen (kostenfreien)Sachverständigen über das Projekt der IG Metall sowiedie Umsetzung der Befragung fasste.

Schritt 3: Technische Umsetzung der Befragung

Darauffolgend sind unternehmensinterne Fachkräfteeingebunden worden, um die technische Umsetzung desFragebogens (als Online-Befragung) zu realisieren. Die-ser technische Support ermöglichte es, die Befragungüber das gesamte Unternehmen auszuweiten.

Schritt 4: Information der Beschäftigten

Es wurde dann eine Information zur anstehenden Befra-gung an die Beschäftigten entwickelt und versendet. DerBetriebsrat und insbesondere der Arbeitskreis Chancen-gleichheit hat die Umsetzung der Befragung begleitet,also Beschäftigte zur Teilnahme motiviert.

Schritt 5: Ergebnisse der Befragung

An der Befragung haben sich 1.232 Beschäftigte betei-ligt – darunter 33% Frauen. Das sind knapp 30% der Beschäftigten. Viele der Befragten haben in eigenenWorten genauer die Probleme beschrieben und Vor-schläge entwickelt – nämlich in rund 2.300 Anmerkun-gen.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen130

Ausgangslage

Das Unternehmen bietet vorwiegend IT-Dienstleistungenan, hat knapp 5.500 Beschäftigte am Standort und einenFrauenanteil von 28%. Die Geschäftsführung verfolgteine Diversity-Strategie, insbesondere vor dem Hinter-grund, dass die Beschäftigten stark multikulturell zu-sammengesetzt sind.

Der unternehmensweite Betriebsrat (kurz UBR) setzt sichfür die Gleichstellung aller ein. Gleichstellung bedeutethier: kein Mitarbeiter darf aufgrund seines Geschlechts,seines Alters, seines Arbeitszeitanteils, eines Schwer-behinderungsgrades etc. benachteiligt werden. Dafürist auch der „Arbeitskreis Chancengleichheit“ aktiv.

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe der IG Metall vor Ortsetzten sich daher einige Betriebsräte und engagierteBeschäftigte zusammen, um gemeinsam das Thema„Karriereentwicklung von Frauen und die Vereinbarkeitvon Beruf und Familie“ zu diskutieren und mögliche Wegezur Verbesserung der aktuellen Situation für Frauen aus-zuloten. Daraus entwickelte sich im Anschluss das Pro-jekt des Betriebsrates, der eine Beschäftigtenbefragungder startete.

Ziele

Ziel des Projektes war es, die bisherigen individuellenErfahrungen der Frauen mit den Entwicklungsmöglich-keiten und der Balance von Arbeit und Privatleben imUnternehmen zu bündeln und damit dem BR ein Mandatzu geben, kritische Themen intern und mit der Geschäfts-führung zu verhandeln.

Vorgehen

Das Vorgehen im Projekt war gekennzeichnet durch einstarkes Zusammenwirken zwischen der IG Metall vor Ort,unter deren Dach eine Arbeitsgruppe arbeitete, besteh-end aus einer Betriebsrätin und interessierten Beschäf-tigten, dem Arbeitskreis Chancengleichheit des BR unddem Betriebsratsgremium insgesamt. Inhaltlich undstrategisch wurde das Projekt durch eine Beraterin derWert.Arbeit GmbH, Berlin begleitet.

Schritt 1: Entwicklung der FragestellungenIm Rahmen des Projektes erarbeitete eine Arbeits-gruppe in der IG Metall-Verwaltungsstelle das inhaltlicheVorgehen (Fragebogen etc.) aus und stimmte dies mitdem Arbeitskreis Chancengleichheit des BR ab. Folgen-de Themen standen im Mittelpunkt:

Die Karriereentwicklung von Frauen und die Balance von Arbeit und Privatleben in einem Unternehmen der IT-Industrie

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KURZBESCHREIBUNGEN ITK-INDUSTRIE 131

Auszug aus den ErgebnissenDie Erholungszeit zwischen zeitintensiven großen Pro-jekten gaben 52% der befragten Beschäftigten alsnicht ausreichend an – Männer sehen dies kritischerals Frauen.

Die Erwartung, Mehrstunden zu arbeiten, erfahren 63%der Befragten – hier äußern sich Männer kritischer.

38% der Befragten bemerken eindeutige Stresssym-ptome, bei weiteren 27% kommt dies gelegentlich vor.

Beruf und Privatleben ist für 32% der Beschäftigtenschwer vereinbar, für 40% ist das teilweise so. Männersehen hier etwas mehr Probleme als Frauen.

44% der befragten Frauen und 21% der Männer haltendas Gehaltssystem nicht für gerecht. Noch mehr Be-schäftigte, nämlich 66% der befragten Frauen und54% der befragten Männer, halten das Gehaltssystemnicht für transparent/nachvollziehbar.

Schritt 6: Diskussion und Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen

Nach der Befragung wurde ein Workshop mit dem BRzur Präsentation der Ergebnisse und Entwicklung vonMaßnahmen umgesetzt.

Folgende Themen wurden hier aufgegriffen und ent-sprechende Maßnahmen zu zielgerichteten Verände-rungen/Verbesserungen diskutiert:

51% der befragten Männer und 40% der befragtenFrauen konnten in den letzten Jahren regelmäßig anWeiterbildungen teilnehmen. Je 20% schätzen diesteils/teils ein.

Die Aussage, dass alle Beschäftigten (TZ-Kräfte, Frauen,Eltern ...) gleichermaßen in der Weiterbildung berück-sichtigt werden stimmen 10% der befragten Männerund 27% der befragten Frauen nicht zu.

Keine Gleichbehandlung von Frauen und Männern beider Förderung der Fachkarrieren bzw. Management-positionen sehen 44% der Frauen, 15% der Frauenschätzen dies teilweise so ein. Bei den Männern wirddies deutlich weniger kritisch gesehen, nur 6% der be-fragten Männer meinen, dass keine Gleichbehandlungstattfindet. (s. Grafik)

Personalentwicklung

Weiterbildung auch für Teilzeitkräfte

Weiterbildungskonzept (Verhältnis von vorhandenenQualifikationen zu Anforderungen) und Evaluation derWeiterbildung

Betriebsvereinbarung entwerfen: Leistungsziele umSchulungszeiten reduzieren, KPI (Key Performance Indi-cator bzw. Leistungskennzahl) für Führungskräfte undBeschäftigte – Vorgabe von Weiterbildungstagen; KPIfür Personalentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter in den Bonusplan der Führungskräfte integrieren)

Betriebsvereinbarung Weiterbildung: Prozesse konkretbeschreiben

Diagramm zur Frage: Frauen und Männer werden gleich behandelt bei der Beförderung in Fachkarrieren bzw. Managementpositionen

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 131

ralfhenning
Notiz
sind das wirklich bei »männlich« ein prozent? ich bin mir da nicht ganz sicher, denn im manuskript war die prozentzahl abgeschnitten und schlecht sichtbar. kannst du das nochmal prüfen?

Gehalt

Keine Anreize für Mehrarbeit schaffen

Überprüfung Gehalt – Ist eine gleiche Gehaltsentwick-lung für Teilzeit- und Vollzeitkräfte gegeben (auch fürzugekaufte Firmen)?Kriterien, nach welcher Zeit nach Rückkehr (aus Eltern-zeit/Langzeiterkrankung) das Gehalt angepasst werdenmüsste (nach Zielübererfüllung zusätzliche %-Punkte,damit der „Rückfall“ aufgeholt werden kann) Dafürmüsste ein Extra-Budgettopf zur Verfügung stehen.

Führungskräfte

Klare Anweisungen zur Arbeitszeit, Arbeitszeit-Tool undHöchstarbeitszeit etc. – Überprüfung der Beschwer-den über Führungskräfte durch Personalabteilung

In KPI Führungsqualität als Messgröße einführen(Prozessbegleitung durch Betriebsrat)

360° Feedback verpflichtend machen und konsequenteMaßnahmen umsetzen, z.B. wenn es eine schlechteBewertung durch Beschäftigte gibt, dann Schulungen,Coaching etc. anbieten

Balance (Teilzeit/Home Office)

Pflicht-Kurse für Führungskräfte „Work Life Balance“

Verbindliche Home-Office-Regelung in Betriebsverein-barung

Der Lebensphase angepasste Aufgaben, z.B. ohnehohe Mobilitätsanforderungen, und Arbeitszeiten, z.B.phasenweise Teilzeitarbeit

Zeitmanagement-Seminare für Beschäftigte

Stellenausschreibung Teilzeitkräfte verpflichtend ma-chen und Betriebsvereinbarung Jobsharing (alle ausgeschriebenen Stellen im Portal sind für Teilzeitgeeignet, es sei denn es wird in der Ausschreibung explizit darauf hingewiesen, dass es nur in Vollzeitmöglich ist.)

Erweiterung der Home-Office-Regelung

Schritt 7: Nachhaltigkeit sichern

Die Befragung ist als Auftakt und Motor für die Arbeitdes Betriebsrats genutzt worden.

Im Nachgang dieses Prozesses arbeitet der ArbeitskreisChancengleichheit weiter aktiv an den Themen. Derzeitwird eine Betriebsvereinbarung zum Thema Gleichstel-lung entwickelt. Diese soll eine Rahmenvereinbarungwerden, mit drei BVen zu den Themen „Entlohnung“,„Weiterbildung“ und „Vereinbarkeit Beruf und Familie“.

Damit konkretisiert der Betriebsrat das Leitbild des Unter-nehmens und fordert eine nachhaltige Umsetzung ein.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Die Beschäftigten konnten erkennen, dass sich der Be-triebsrat mit Unterstützung der IG Metall für die ThemenGleichstellung/Chancengleichheit und die Balance vonArbeit und Privatleben einsetzt und ansprechbar ist.

Die Ergebnisse der Befragung haben vorhandene ein-zelne Erfahrungen und Einschätzungen untersetzt unddamit ermöglicht, sie auf die Agenda des BR zu setzen.Der Arbeitskreis Chancengleichheit hat damit eine klareGrundlage für die weitere Arbeit erhalten. Das Betriebs-ratsgremium konnte in den Prozess eingebunden unddamit überzeugt werden.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen132

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 30.08.2013 15:47 Uhr Seite 132

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eine Befragung der Teilzeitkräfte. Hier benannten dieBeschäftigten folgende zentrale Probleme:

Wiedereinstieg nach der Elternzeit

Entwicklungsmöglichkeiten bzw. Wechsel der Arbeits-stelle als Teilzeitkraft

Insgesamt neigen, nach Einschätzung des Betriebs-rates (BR), viele Beschäftigte dazu, selber keine Grenzenzu ziehen und sogar gegen das Arbeitszeitgesetz zuverstoßen. Der BR macht hierfür u.a. die Unternehmens-kultur verantwortlich. Hier müssen alle Beteiligten stär-ker sensibilisiert werden.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen134

Balance von Arbeit und Privatleben in einem Unternehmen der IT-Industrie

Ausgangslage

Das Unternehmen hat am Standort 900 Beschäftigte,davon 29% Frauen. Der Betriebsrat vor Ort ist für innova-tive Ideen und Aktionen bekannt, u.a. wurde eine Befra-gung zu einer vom Arbeitgeber geplanten Gehaltskürzungumgesetzt.

Die Frage der Teilzeitarbeit ist ein Problem, welches u.a.auf GBR-Ebene behandelt wird. Kontraproduktiv wirkt hier,dass im Unternehmen die Köpfe und nicht die Stellen-anteile berechnet werden, so dass Führungskräfte undTeams kein Interesse an Teilzeitkräften haben (können).Zudem sind bei Teilzeitkräften bis zu 20 Überstunden imMonat nicht zustimmungspflichtig. Es gab zudem bereits

Balance von Arbeit und Privatleben – Ergebnisse der Diskussion

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 134

KURZBESCHREIBUNGEN ITK-INDUSTRIE 135

Es gibt bislang keine Regelungen zum Home-Office. Arbeit im Home-Office wird eher informell geregelt undhängt damit stark von einzelnen Führungskräften ab. Essind Fälle bekannt, wo dies als Druckmittel verwendet wurde.

Der Betriebsrat sieht das Thema „Balance von Arbeitund Privatleben“ besonders wichtig an. Hier haben vieleBeschäftigte bereits Interesse bekundet – Frauen wieMänner.

Ziele

Die Verbesserung der Balance von Arbeit und Privat-leben war Ziel des Projekts des Betriebsrates. Damit solleinerseits das Gremium stärker für die Thematik sensi-bilisiert und andererseits der Betriebsrat bei Beschäf-tigten (speziell Frauen) noch stärker als Ansprechpartnerbekannt werden.

Die Arbeitssituation von Frauen, die stärker Verantwor-tung für Familienaufgaben übernehmen und besondersjene, die dafür in Teilzeit arbeiten, wurde dafür bei demProjekt in den Fokus gestellt.

Ferner ist angestrebt, die Ergebnisse in die Gestaltungvon Betriebsvereinbarungen und Gespräche mit der Arbeitgeberseite einzubinden.

Vorgehen

Mit strategischer und praktischer Unterstützung der ex-ternen Beratung sind Interviews sowie zwei Workshopsumgesetzt worden. Daraus hat sich eine Ideensamm-lung ergeben, die mit dem BR-Gremium diskutiert wur-de.

Schritt 1: BR-Beschluss und Steuerung

Im ersten Schritt wurde ein Beschluss im Betriebsratgefasst, das Projekt mit externer Begleitung umzusetzen.Gesteuert wurde das Projekt intern durch eine freigestell-te Betriebsrätin.

Schritt 2: Bestandsaufnahme zum Thema

Darauf folgend wurde ein erster Workshop mit interes-sierten Beschäftigten umgesetzt. In ihm ging es darum,das Thema „Balance von Arbeit und Privatleben“ in sei-ner Breite zu betrachten und die Situation im Unterneh-men zu reflektieren (Stärken-Schwächen-Analyse, s. Gra-fik).

Schritt 3: Entwicklung eines Interview-Leitfadens

Darauf aufbauend wurde gemeinsam ein Leitfaden ent-wickelt und die benannten Themen in Interviews mitausgewählten Beschäftigten, v. a. Frauen, vertiefend be-trachtet.

Zentrale ErgebnisseDas Unternehmen bietet potenziell viel Flexibilität –allerdings liegt die Ausgestaltung sehr in der Handder einzelnen Beschäftigten und ihren jeweiligen Füh-rungskräften

Arbeitszeitprobleme sehen v.a. Teilzeitbeschäftigte.Sie machen z.T. viele Überstunden und die Leistungsvor-gaben werden oftmals nicht realistisch herunterge-brochen auf die geringere Stundenzahl. Dies hängtebenfalls stark an den Führungskräften.

Die Arbeitsverdichtung nimmt deutlich zu, u.a. weil:

– Sekretariatsaufgaben auf die Beschäftigten zurück-verlagert werden

– Back-Office im Ausland – Verständigungsprobleme ver-ursachen Mehraufwand

– EDV-Tools sind nicht selbsterklärend und umständlich

– Umständliche Systeme/starre bürokratische Vorgaben,z.B. bei Arbeitszeiterfassung

Personalentwicklung ist defizitär

– Karrieremodelle/-angebote richten sich nach männ-licher Lebensrealität (Vollzeit, keine/wenig familiärePflichten, hohe zeitliche Flexibilität)

– Schulungen wurden nicht genehmigt

– das zeitliche Angebot von Weiterbildungen ist proble-matisch (z.B. webbasierte Schulungen aus Amerika inden Abendstunden) oder Schulungen jenseits vomStandort, die für Eltern schwer machbar sind

– Personalentwicklung ist besonders schwierig für Frau-en mit Kindern und in Teilzeit (insb. keine interessantenEntwicklungsoptionen in Teilzeit)

Unterstützung bei der Kinderbetreuung durch das Unternehmen wird befürwortet, aber ist noch nichtoptimal umgesetzt

Rückkehr aus längerer Elternzeit ist problematisch(u.a. Mangel an Möglichkeiten zum Kontakthalten wäh-rend Elternzeit)

Zunehmende Arbeits- und Leistungsverdichtung

Stressbelastung: Zunehmende Arbeits- und Leistungs-verdichtung und eng getaktete Tage insb. für Teilzeit-kräfte konterkarieren die Bemühungen im Unternehmen,Stressprävention zu betreiben

Generell wird Führungskräften ein hoher Einfluss aufdie Balance von Arbeit und Privatleben ihrer Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter zugesprochen

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 135

Das Unternehmen ist von seinen (ursprünglichen)Grundwerten sozial eingestellt. Diese Grundwerte sindaber in Vergessenheit geraten. Früher war das Leitbildfür Work-Life-Balance stärker präsent. Mittlerweilegibt es viele Manager, die selber wenig Handlungs-spielraum haben oder aber keine Verantwortung über-nehmen

Schritt 4: Entwicklung von Verbesserungs-maßnahmen

Aufbauend auf den Interviews wurde ein weiterer Work-shop mit interessierten Beschäftigten veranstaltet, indem die Ergebnisse vorgestellt und gemeinsam Hand-lungsansätze diskutiert worden sind.

Folgende Maßnahmen sollten nun weiter angegangenwerden:

Elternzeit gestalten – so etwa den gesamten Prozessmit Personalabteilung abstimmen (Teilzeit-Möglichkeit/Zugriff Stellenausschreibung), Elternzeit-Treffen orga-nisieren und aktuelle Infos zum Unternehmen geben,„Mentoring“ (Einarbeitung) für ElternzeitlerInnen anbie-ten (auf Kontierungselemente achten)

Familienservice – Kinderbetreuung als Thema aufnehmen

BR-Intranet – schnellen Themenzugriff ermöglichenund gute Praxis bzw. gute Erfahrungen darstellen (Vor-bilder)

Führungskräfte-Training – Work-Life-Balance einbinden

Teilzeitkräfte – bessere Regelung der Überstunden(dazu gibt es eine Arbeitsgruppe auf GBR-Ebene)

Unternehmenskultur – in Teammeetings das ThemaWork-Life-Balance aufnehmen

Verrechnung interner Aufgaben besser klären – Betriebs-vereinbarung

Die Einschätzung des Betriebsrates: Viele (auch funktio-nierende informelle) Regelungen sind den Beschäftigtennicht bekannt. So wurde deutlich, dass die Informa-

tionspolitik des Betriebsrats noch verstärkt werdenmuss. Zudem ist das Thema Kinderbetreuung stärkerpräsent als gedacht – hier gibt es durchaus Bedarfe.

Schritt 5: Nachhaltigkeit sichern

Im letzten Projektschritt wurden die Ergebnisse der Inter-views sowie die hieraus abgeleiteten Maßnahmen zurVerbesserung der Vereinbarkeit von Arbeit und Privat-leben dem Betriebsrat vorgestellt. Dieser hat die Ergeb-nisse befürwortet.

Ebenso wurden die Ergebnisse auf GBR-Ebene getragenund dort in andere Themen und Maßnahmen eingebun-den.

Damit ist das Thema auf zwei Ebenen der Arbeitneh-merseite fest verankert.

Eine Reihe von Handlungsansätzen (s.o.) sollen zudemim Unternehmen umgesetzt werden.

Fazit: Was wurde im Rahmen des Projektsumgesetzt/geleistet?

Der Betriebsrat beschäftigt sich bereits seit längererZeit mit dem Thema Balance von Arbeit und Privatleben.

Die Arbeitssituation von Frauen, die stärker Verantwor-tung für Familienaufgaben übernehmen und besondersjene, die dafür in Teilzeit arbeiten, wurde dabei in denFokus gestellt und so deren Belange besonders ernstgenommen.

Das Projekt hat hier das Gremium weiter sensibilisiertund eine gemeinsame Sichtweise geschaffen.

Zudem ist der Betriebsrat noch stärker als Ansprech-partner bekannt geworden.

Es gibt eine Reihe von sehr konkreten Vorschlägen fürVeränderungen.

Ferner ist angestrebt, die Ergebnisse in die Gestaltungvon Betriebsvereinbarungen und Gespräche mit der Ar-beitgeberseite einzubinden.

Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen136

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 136

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Kontakt:

IG Metall VorstandFB Zielgruppenarbeit und GleichstellungRessort Frauen- und GleichstellungspolitikWilhelm-Leuschner-Str. 7960329 Frankfurt am Main

E-Mail: [email protected]

Wert.Arbeit GmbH, BerlinGesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und InnovationAlbrechtstr. 11a10117 Berlin-Mitte

E-Mail: [email protected]

Kooperationspartner:

Gefördert durch:

Das Projekt wird gefördert im Rahmen der Bundesinitiative „Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft” (www.bundesinitiative-gleichstellen.de). Entwickelt wurdedas Programm vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem DeutschenGewerkschaftsbund (DGB). Das Programm wird finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie des Europäischen Sozialfonds (ESF).

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5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 139

Diese Seite kann nicht bedruckt werden, da hier die Broschüre in die Mappe eingeklebt wird

5_igm_br_kurzbeschreibungen_gs.qxp 29.08.2013 17:16 Uhr Seite 140