1. Ostern als Vollendung der Schö · PDF fileseines Lehrers Rudolf Bultmann geprägt10. Die Anstoßfrage des Meisters lautet: „Kann die Rede von der Auferstehung Christi etwas anderes

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    1. Ostern als Vollendung der Schpfung: ein neues Verstndnis der Entmythologisierung

    Die Ostertheologie von Heinrich Schlier versteht sich als eine Kontrasttheolo-gie. Ihr Zusammenhang ist vor allem von der epochalen theologischen Leistung seines Lehrers Rudolf Bultmann geprgt10. Die Anstofrage des Meisters lautet: Kann die Rede von der Auferstehung Christi etwas anderes sein als der Aus-druck der Bedeutsamkeit des Kreuzes?11.

    Der Hintergrund dieser Frage ist das Entmythologisierungsprogramm, das der Marburger Theologe 1941, in einer programmatischen Schrift, so zusam-mengefat hat: So wird die Frage dringlich, ob die mythologische Rede nicht einfach den Sinn hat, die Bedeutsamkeit der historischen Gestalt Jesu und seiner Geschichte, nmlich ihre Bedeutung als Heilsgestalt und Heilsgeschehen zum Ausdruck zu bringen12. Um die Kluft zwischen uns und den Verfassern der Schrift zu thematisieren, greift Bultmann zur Kategorie des Mythus. Aus den Al-tertumswissenschaften stammend, war sie schon seit Strau Leben Jesu (1835)

    10 Vgl. W. LSER, Dimensionen der Auslegung des Neuen Testaments. Zum Gesprch Heinrich

    Schliers mit Rudolf Bultmann, ThPh 57(1982)481: Schliers gesamtes theologisches Werk kann als Reflex und Resultat dieses Ringens mit Bultmanns Schriftauslegung gelesen werden. Schliers Denken ist einerseits durch die bernahme grundlegender Optionen der Bult-mannschen Theologie geprgt. Andererseits hat sich Schlier schon in den 20er Jahren und im Laufe seines Lebens dann mit zunehmender Entschiedenheit auch von Bultmann distanziert. Vor kurzem wiederholt Thomas Ervens: Schliers Opus ist thematisch oder unthematisch Auseinandersetzung mit dem Werk Rudolf Bultmanns (T. ERVENS, Keine Theologie ..., op. cit., 135). Vgl. auch R. VON BENDEMANN, Heinrich Schlier ..., op. cit., 84. Schlier selbst schreibt an Bultmann aus Ispei am 07.12.47: Sie waren und sind, zur Zeit noch, mein theologischer Lehrer. Aber darber hinaus vertreten Sie meinem Urteil nach die echte, evangelische Theologie in ihrer Konsequenz, die verzeihen Sie mir, wenn ich das so sage einzige, mit der es sich m. E. lohnt, mit der es notwendig ist um des Ganzen der Kirche Christi willen sich ,auseinanderzusetzen, d.h. in These und Gegenthese vom Grunde aus zu diskutieren (zit. in R. VON BENDEMANN, Heinrich Schlier ..., op. cit., 89).

    11 R. BULTMANN, Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkndigung, in H. W. BARTSCH (Hg.), Kerygma und Mythos [I]. Ein theologisches Gesprch, Hamburg 1951, 44.

    12 R. BULTMANN, Neues Testament ..., op. cit., 41.

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    in der Exegese gewhnlich. Sie wird zur Grundkategorie der Exegese Bult-manns13.

    In derselben programmatischen Schrift wird sofort offensichtlich, wie die Auferstehung Christi der Angelpunkt des Entmythologisierungsanspruchs ist. Schlielich konzentriert sich alles auf die Hauptfrage nach Kreuz und Auferste-hung schliet Bultmann14.

    In diesem Kontext entwickelt Heinrich Schlier seinen eigenen Denkweg. Mit einem hnlichen exegetischen Instrumentar, aber unter unterschiedlichen theologi-schen Voraussetzungen, werden beide Autoren aus ein und demselben Sachverhalt, der mythologischen Sprache des Neuen Testaments, entgegengesetzte Folgerun-gen ziehen. Dieses Kapitel stellt diesen progressiven Entfernungsproze dar.

    1.1 Die Mythologische Sprache des Neuen Testaments

    1.1.1 Eine generelle Feststellung

    Bultmann und Schlier sind darin einig, dass das Neue Testament eine mythologi-sche Ausdrucksweise benutzt. Beide Autoren werden diese Feststellung hufig als generelle Aussage voraussetzten15. Schlier sieht aber in diesem Sachverhalt nicht nur ein historisches Phnomen, sondern einen theologischen Sinn. Er schreibt: Wie sollte auch, theologisch gesprochen, der Logos, der Fleisch geworden ist, damit nicht auch in die Sprache und das Denken der Zeit eingegangen sein, frei-lich ohne aufzuhren, der Logos zu sein?16. Damit liefert Schlier eine seiner tiefsten berzeugungen, die man so zusammenfassen knnte: Die Neigung des Wortes zur Inkarnation17. 13 Vgl. R. MARL, Bultmann und die Interpretation des Neuen Testamentes, Paderborn 1959. 14 R. BULTMANN, Neues Testament ..., op. cit., 41. 15 Vgl. NT und Mythos(1956)83: Und doch wird man der religionsgeschichtlichen Forschung

    und der Exegese recht geben mssen, wenn sie nicht nur im AT, sondern auch im NT mythische Vorstellungen findet. Das ist ja auch nicht verwunderlich, wenn man an die Intensitt des my-thischen Elementes in der Antike denkt. Sowenig das NT eine griechische Sondersprache spricht vielmehr die Koine der Zeit , so wenig kann es sich zunchst in anderen Begriffen und Vorstellungen aussprechen als in denen, die ihm aus seiner jdischen und hellenistischen Umgebung zukamen.

    16 NT und Mythos(1956)83. 17 Auch bei Bultmann kann man lesen: Die Verkndigung mute in einer den hellenistischen

    Hrern verstndlichen Sprache und ihrer Begriffswelt reden (R. BULTMANN, Das Urchristen-tum im Rahmen der antiken Religionen, Mnchen 1962, 164). Dieser Satz kann hnlich wie der ber den Logos oben zitierte Schliersche Satz klingen. Aber er enthlt eben keine theologische Deutung des Phnomens. Jedoch zieht Bultmann eine Verbindung zwischen Fleischwerdung des Logos und mythologische Sprache in: R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes, Gt-tingen 101968 [1. Aufl. 1941], 38.

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    Dass das NT eine mythologische Sprache verwendet, bedeutet fr Schlier nicht, dass es Mythen berliefert. Anhand 2Pt 1,16 betont Schlier die schon in-nerbiblische Unterscheidung zwischen Mythos und Heilsgeschehen18. Die Per-spektive Bultmanns ist hingegen durch und durch eine archologische, mehr als eine theologische. Er versucht die Mythologisierung des Christusgesche-hens in der hellenistischen Christengemeinde zu rekonstruieren.

    Fr Bultmann ist die Mythologie das Instrumentarium der Vergttli-chung des historischen Jesus19. Whrend die Urgemeinde Jesus als Hinweis verstanden habe, also als denjenigen, der als Messias kommen wird, habe die hellenistische Gemeinde die schon jetzige Teilnahme am Christusereignis durch Kult und Sakrament betont. Zugunsten dieses Vorgehens wurde die mythologi-sche Begrifflichkeit im Christentum beheimatet. Historisch zu beobachten sei die Entstehung eines Christusmythos nach dem Vorbilde gnostisch-mythologischer Denkweise20.

    Der mythologische Stoff des Neuen Testaments wird von Bultmann syste-matisch analysiert und klassifiziert. Schlier wird sehr frh die Ergebnisse des Lehrers bernehmen und berarbeiten.

    1.1.2 Eine systematische Klassifizierung

    Die Unterscheidung der verschiedenen mythologischen Motive im NT ihrem jeweiligen Ursprung nach lt sich bei Bultmann in drei Stichwrtern zusam-menfassen: Weltbild, jdische Apokalyptik und gnostischer Erlsungsmythos.

    Seine programmatische Schrift von 1941 erffnet Bultmann mit der Beob-achtung: Das Weltbild des Neuen Testaments ist ein mythisches. Die Welt gilt 18 Vgl. 2Pt 1,16: Nicht wohlausgedachten Mythen sind wir gefolgt und haben euch so die Macht

    und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, sondern wir waren Zeugen seiner Erha-benheit geworden. Vgl. NT und Mythos(1956)83.

    19 Vgl. R. BULTMANN, Das Urchristentum ..., op. cit., 176-187; und DERS., Theologie des Neuen Testaments, Tbingen 51965 [1. Auf. 1958], 162-182. So fat Scheid die Bultmannsche Analyse zusammen: Die hellenistische Christengemeinde [...] lehnt zunchst die naiv-rckstndige Heilserwartung der Urgemeinde ab und konzentriert all ihre Krfte auf das Verstndlichmachen ihrer Ansicht, da das eigentliche und letzte (eschatologische) Heilsereignis nicht noch bevor-stehe, sondern schon eingetroffen bzw. jeweils (noch) am Eintreffen sei (J. E. SCHEID, Die Heilstat Gottes in Christus. Eine Studie zu Rudolf Bultmanns Auffassung von der Erlsung in Jesu Tod und Auferstehung, Hamburg 1962, 114).

    20 J. E. SCHEID, Die Heilstat ..., op. cit., 105. Scheid erklrt weiter: Dann versucht man den Christusmythos, den in Glauben und Kult zurechtgebeteten Christus, im irdischen Leben Jesu zu begrnden. Wie man Christus in der hellenistischen Gemeinde verehrt und verkndigt, so will man ihn in sein Erdenleben hineinprojizieren und miterlebt wissen. Die Kultgottheit soll als Sohn Gottes unter uns auch gewohnt haben (ebd.).

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    als in drei Stockwerke gegliedert. In der Mitte befindet sich die Erde, ber ihr der Himmel, unter ihr die Unterwelt21. Mehrmals im Laufe seines Werkes betont Bultmann den mythischen (und deshalb unaktuellen) Charakter dieses Weltbil-des22. Dieser Interpretationsschlssel lt sich aber auf zwei Grundquellen des neutestamentlichen mythologischen Stoffes zurckfhren: die Apokalyptik und die Gnosis.

    Schlier wird diese beiden Quellen in seinen exegetischen Arbeiten stndig bercksichtigen. In einem systematischen Aufsatz von 1956 bietet er aber eine leicht vernderte Klassifizierung des mythologischen Stoffs des Neuen Testa-ments23. Schlier unterscheidet drei Bereiche: den Mythos der jdischen Apoka-lyptik (Henoch, Baruch, Esra, Daniel, ...), den Mythos vom Urmensch-Erlser (z.B. bei Johannes, oder die Figur von Adam bei Paulus, oder Christus als der prexistente Urmensch im Kolosserbrief), die Mythen der Mysterienkulte. In dieser letzten Kategorie, Schliers Meinung nach, bilden die Mythen von sterbenden und wieder auflebenden Gttern den Ursprung des gnostischen Mythos vom herabkommenden und durch die Himmel aufsteigenden Erlser. Deshalb sind die zwei letzten Kategorien aufeinander zurckfhrbar. In diesem Sinn bietet die Analyse Schliers keine besondere Originalitt gegenber der von Bultmann. Bahnbrechend ist aber die Kernfrage Schliers, die diese Kl