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Wolf Linder Das politische System der Schweiz 1. Verfassungssystem Das schweizerische Verfassungs- und Regierungssystem (Schweizerische Eidgenossen- schaft, Confédération suisse, Confederazione svizzera nach den drei Amtssprachen) gilt wegen seiner zahlreichen Besonderheiten der direkten Demokratie, der Kollegialregierung, des Fehlens eines besonderen Staatsoberhaupts, des ausgeprägten Föderalismus und seiner eigenständigen Staats- und Demokratietradition (z.B. Bäumlin 1978; Riklin 1984; Saladin 1984) oft als eigentlicher Sonderfall. Ungeschriebene Elemente politischer Kultur (Lin- der/Steffen 2006b) wie die politische Konkordanz oder die allgegenwärtige Proportionalisie- rung des öffentlichen Lebens erschweren dem Beobachter den Zugang zum politischen Ver- ständnis der viersprachigen Kleingesellschaft. 1 Es wäre allerdings falsch, die zahlreichen Strukturelemente zu übersehen, die das schweizerische System mit anderen Regierungssys- temen teilt oder die es mit anderen Systemen vergleichbar machen. So gibt es gemeinsame Züge des deutschen, amerikanischen und schweizerischen Föderalismus (Duchacek 1985; Elazar 1985); Referendum und Initiative werden in vielen Einzelstaaten der USA ebenso häufig benutzt wie in der Schweiz. Die Konkordanz schließlich ist eine besondere Form von consensus democracy, wie sie beispielsweise Arend Lijphart (1984, 1999) an 36 Ländern und als Gegenstück zur majoritarian democracy untersucht hat, und sie lässt sich auch ohne weiteres mit der konkurrenzmäßigen Interessenvermittlung in einen internationalen System- vergleich stellen (Abromeit 1993). Auf diese vergleichbaren Elemente möchte der folgende Beitrag ebenso hinweisen wie auf die zweifellos vorhandenen Besonderheiten. 1.1 Historische Entwicklung Bis zur Französischen Revolution bildeten die Kantone (auch Stände oder Orte) der Eidge- nossenschaft unabhängige Kleinststaaten, welche sich gegenseitige Hilfe und gemeinsame Unabhängigkeit von außen durch Verträge garantierten. Der Einfall der Franzosen (1798) 1 Den umfassendsten Überblick über das politische System der Schweiz bietet zur Zeit das 1999 erstmals er- schienene und inzwischen mehrmals überarbeitete Handbuch der Schweizer Politik (Klöti u.a. 2006). Für weitergehende Gesamtdarstellungen des Politiksystems siehe Aubert 1981; Auer 1984; Fenner/Junker 1986; Gabriel 1990; Germann 1975; Kriesi 1980; 1995; Linder 1987; 1994; 2005; Neidhart 2002; Masnata/Rubattel 1991; Rey 1990; Rhinow 1984; Steiner 1988; Tschäni 1983; Urio 1985; Handbuch politisches System Schweiz 1983ff. Über die laufenden Ereignisse schweizerischer Politik informiert die jährliche Chronik Schweizerische Politik/Année politique suisse 1965ff. Von 1961 bis 1994 erschien das Schweizerische Jahrbuch für politische Wissenschaft, dessen Bände seit den späten 1970er Jahren thematisch ausgelegt wa- ren. Seit 1995 erscheint an Stelle des Jahrbuchs die Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaft.

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Wolf Linder Das politische System der Schweiz 1. Verfassungssystem Das schweizerische Verfassungs- und Regierungssystem (Schweizerische Eidgenossen-schaft, Confédération suisse, Confederazione svizzera nach den drei Amtssprachen) gilt wegen seiner zahlreichen Besonderheiten der direkten Demokratie, der Kollegialregierung, des Fehlens eines besonderen Staatsoberhaupts, des ausgeprägten Föderalismus und seiner eigenständigen Staats- und Demokratietradition (z.B. Bäumlin 1978; Riklin 1984; Saladin 1984) oft als eigentlicher Sonderfall. Ungeschriebene Elemente politischer Kultur (Lin-der/Steffen 2006b) wie die politische Konkordanz oder die allgegenwärtige Proportionalisie-rung des öffentlichen Lebens erschweren dem Beobachter den Zugang zum politischen Ver-ständnis der viersprachigen Kleingesellschaft.1 Es wäre allerdings falsch, die zahlreichen Strukturelemente zu übersehen, die das schweizerische System mit anderen Regierungssys-temen teilt oder die es mit anderen Systemen vergleichbar machen. So gibt es gemeinsame Züge des deutschen, amerikanischen und schweizerischen Föderalismus (Duchacek 1985; Elazar 1985); Referendum und Initiative werden in vielen Einzelstaaten der USA ebenso häufig benutzt wie in der Schweiz. Die Konkordanz schließlich ist eine besondere Form von consensus democracy, wie sie beispielsweise Arend Lijphart (1984, 1999) an 36 Ländern und als Gegenstück zur majoritarian democracy untersucht hat, und sie lässt sich auch ohne weiteres mit der konkurrenzmäßigen Interessenvermittlung in einen internationalen System-vergleich stellen (Abromeit 1993). Auf diese vergleichbaren Elemente möchte der folgende Beitrag ebenso hinweisen wie auf die �– zweifellos vorhandenen �– Besonderheiten.

1.1 Historische Entwicklung Bis zur Französischen Revolution bildeten die Kantone (auch Stände oder Orte) der Eidge-nossenschaft unabhängige Kleinststaaten, welche sich gegenseitige Hilfe und gemeinsame Unabhängigkeit von außen durch Verträge garantierten. Der Einfall der Franzosen (1798) 1 Den umfassendsten Überblick über das politische System der Schweiz bietet zur Zeit das 1999 erstmals er-

schienene und inzwischen mehrmals überarbeitete �„Handbuch der Schweizer Politik�“ (Klöti u.a. 2006). Für weitergehende Gesamtdarstellungen des Politiksystems siehe Aubert 1981; Auer 1984; Fenner/Junker 1986; Gabriel 1990; Germann 1975; Kriesi 1980; 1995; Linder 1987; 1994; 2005; Neidhart 2002; Masnata/Rubattel 1991; Rey 1990; Rhinow 1984; Steiner 1988; Tschäni 1983; Urio 1985; Handbuch politisches System Schweiz 1983ff. Über die laufenden Ereignisse schweizerischer Politik informiert die jährliche Chronik �„Schweizerische Politik/Année politique suisse�“ 1965ff. Von 1961 bis 1994 erschien das �„Schweizerische Jahrbuch für politische Wissenschaft�“, dessen Bände seit den späten 1970er Jahren thematisch ausgelegt wa-ren. Seit 1995 erscheint an Stelle des Jahrbuchs die �„Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaft�“.

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führte zur Auflösung der alten Eidgenossenschaft und zur Bildung eines Einheitsstaats, der allerdings nur von kurzer Dauer war. Napoleon genehmigte 1803 die sog. Mediationsver-fassung, welche den Kantonen eine Teilautonomie zurückgab und damit den föderalisti-schen Strukturen des viersprachigen Landes mit protestantischen wie katholischen Volk-steilen besser entsprach. 1815 führte der Wiener Kongress auch zur Restauration in der Schweiz: Die 25 Kantone kehrten zum System eines Staatenbundes zurück, der durch einen �„Ewigen Vertrag�“ besiegelt und organisatorisch durch eine Delegiertenversammlung der Kantone mit gebundenem Mandat, der sog. Tagsatzung abgesichert war. Immerhin hatte aber die Französische Revolution die Ungleichheit der Kantone des Ancien Régime abge-schafft und republikanisches Verfassungsverständnis verbreitet. Ab 1831 kam es in ver-schiedenen Kantonen zu Verfassungsrevolutionen, welche unter der demokratischen For-derung nach �„Volkssouveränität�“ eine von den Stimmbürgern genehmigte Verfassungsge-bung, die Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Legislative, die Öffentlichkeit parla-mentarischer Beratungen und Vetorechte gegenüber Parlamentsbeschlüssen verlangten.

Unzulänglichkeiten des Staatenbundes, der Wunsch nach Beseitigung der Handels-hemmnisse kantonaler Grenzen im Zeitalter der Industrialisierung und die sich abzeichnen-de Nationalstaatenbildung der Nachbarländer führten zum Wunsch nach föderalem Zusam-menschluss. Er wurde vor allem durch die freisinnig-liberalen, protestantischen und indust-rialisierten Kräfte vorangetrieben. Der Idee eines Bundesstaats widersetzten sich dagegen die katholischen, konservativen Kantone, zuletzt mit der Gründung eines Sonderbundes. Letzteres führte zu einer kurzen, bürgerkriegsmäßigen Auseinandersetzung, welche die Katholisch-Konservativen 1847 verloren (Kölz 1992; Ernst/Tanner/Weishaupt 1998).

Damit war der Weg frei für die Gründung des Bundesstaats. Sie stand �– im Gegensatz zur Nationalstaatenbildung umliegender Länder �– nie unter den Visionen eines Staatsvolks, einer Sprache, Ethnie oder Kultur, sondern verfolgte von Anfang an die Idee einer multikul-turellen Staatsgründung. Ebenso war die föderalistische Verfassung von 1848 ein Kom-promiss zwischen der Mehrheit der (freisinnig-protestantischen) Zentralisten und der Min-derheit der (konservativ-katholischen) Föderalisten. Dementsprechend blieben die Staats-aufgaben größtenteils bei den Kantonen; der Bund erhielt nur wenige Kompetenzen, vor allem das Geld- und Zoll- und später das Postwesen, die Sicherung der inneren Ordnung sowie die Behauptung der äußeren Unabhängigkeit durch eine Armee und nach der politi-schen Maxime der bewaffneten Neutralität. In Anlehnung an die amerikanische Verfassung wurde das Parlament als Zweikammersystem ausgestaltet, womit jede Beschlussfassung neben dem demokratischen Entscheidungsprinzip (eine Person �– eine Stimme) auch der föderalistischen Entscheidungsregel (Gleichheit der Gliedstaaten) unterstellt wurde. Mit der Regierung sollte ein vom Parlament gewähltes Kollegium von sieben gleichberechtigten Bundesräten mit einem jährlich wechselnden Bundespräsidenten betraut werden, das ge-meinsam die Regierungsgeschäfte führen sollte. Diesem Verfassungsprojekt stimmte 1848 eine Zweidrittelmehrheit der Kantone zu, zumeist in Volksabstimmungen.

1874 erfolgte eine erste Gesamtrevision. Dem Bund wurden weitere Aufgaben sowie Kompetenzen zur Rechtsvereinheitlichung übertragen. Die Instrumente direkter Demokra-tie wurden erweitert. Bereits nach der Verfassung von 1848 waren Vorschläge zur Total- oder Teilrevision der Verfassung der Abstimmung durch Volk und Stände zu unterbreiten (obligatorisches oder Verfassungsreferendum). Nun kamen zwei neue Elemente hinzu, die sich auf kantonaler Ebene durchgesetzt hatten. Mit der Einführung des (fakultativen) Geset-zesreferendums waren alle Gesetzes- und wichtigen Parlamentsbeschlüsse dem Volk vorzule-

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gen, falls dies eine bestimmte Anzahl der Bürger (heute: 50.000) mit ihrer Unterschrift ver-langte. Sodann wurde 1891 den Stimmbürgern das Recht eingeräumt, durch Unterschrift (heute benötigte Anzahl: 100.000) für eine Volksinitiative Vorschläge für eine Verfassungs-änderung einzureichen, die nach parlamentarischer Beratung dem Volk und den Kantonen zur Abstimmung zu unterbreiten sind.

Die weitere Verfassungsentwicklung ist von den Rahmenbedingungen direkter Demo-kratie geprägt. Da jede neue Bundeskompetenz nach Artikel 3 der Bundesverfassung (BV) die Zustimmung von Volk und Ständen erfordert, konnten der Ausbau und die Modernisie-rung des Zentralstaats nur über zahlreiche Verfassungsreferenden erfolgen, von denen viele in einer ersten Abstimmung scheiterten.

Von hoher institutioneller Bedeutung waren die Ausweitung der Referendumsdemo-kratie auf die Außenpolitik (1921 und 1977), die Neuregelungen des parlamentarischen Dringlichkeitsrechts (1939 und 1949), die Mitwirkung der Verbände in der Wirtschaftspoli-tik (1947), die Einführung des Frauenstimmrechts (1971) und des Gleichstellungsartikels für die Frau (1981) sowie die Schaffung des Kantons Jura, der sich von Bern abtrennte (1978). Wichtige Etappen der Aufgabenentwicklung des Bundes bildeten die Übernahme der Bundesbahnen (1891), die Einführung einer unabhängigen Zentralbank (Nationalbank 1906), eines Sozialversicherungssystems (1923 und 1947), die Neuordnung der Wirtschaftspolitik (1947), die Übernahme von Kompetenzen im Bereich der nationalen Infrastruktur (vor allem Verkehr und Energie, Forschung und Bildung) und der Konjunkturpolitik.2

Während in den 1970er Jahren viele Kantone ihre Verfassungen aus dem 19. Jahrhun-dert zeitgemäß umgestalteten, scheiterten entsprechende Bemühungen beim Bund. Eine Gesamtrevision der Bundesverfassung gelang erst 1999. Allerdings beinhaltete diese Ver-fassungsreform nur unbestrittene Einzelpunkte und die formale Neugestaltung von Teilen des unübersichtlich gewordenen Verfassungswerks aus dem Jahre 1874.

1.2 Das föderalistische Verfassungssystem Der föderalistische Staatsaufbau ist �– neben der direkten Demokratie �– eines der wichtigs-ten Strukturelemente der schweizerischen Staatsverfassung.3 Nicht nur der Bund, sondern auch die (heute) 26 Kantone verfügen über eine Verfassung, und den rund 3.000 Gemein-den wird im Rahmen der kantonalen Ordnung eine weitgehende Selbstorganisation und Autonomie in der Wahrung ihrer Aufgaben eingeräumt. Bund, Kantone und Gemeinden er-heben je eigene Einkommens- und Vermögenssteuern. Die Steuerhoheit der Kantone um-fasst das Recht, nicht nur die Ausgaben, sondern auch ihre Einnahmen selbst festzulegen �– im Unterschied z.B. zum deutschen Föderalismus. Legislative, Exekutive und richterliche Gewalten sind auf allen drei föderalistischen Ebenen vorzufinden (Abb. 1).

2 Für die Kommentierung der laufenden Verfassungsänderungen aus politologischer Sicht: Schweizerische

Politik/Année politique suisse 1965ff. Einen Überblick über die frühere Entwicklung vermittelt Aubert 1974; zur Gesamtentwicklung: Linder 1983a und Linder 2005. Aus historischer Sicht: von 1848-1914: Ruffieux 1986; 1914-1945: Jost 1986; ab 1945: Gilg/Hablützel 1986.

3 Für Gesamtdarstellungen und Kommentierung der schweizerischen Verfassung von 1999 aus juristischer Sicht: Thürer/Aubert/Müller 2001; Ehrenzeller u.a. 2002 sowie Rhinow 2003. Für die Verfassung von 1874: Aubert 1991.

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Die Nicht-Zentralisierung politischer Gewalten und die Gewährung lokaler Autonomie haben historisch das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen (McRae 1983; Watts 1991; Windisch 1992) und das Auskühlen des konfessionellen Konflikts zwischen Protes-tanten und Katholiken (Borner 1981, Altermatt 1991a) erleichtert sowie das Weiterbestehen kultureller Vielfalt begünstigt. Gleichzeitig war der Bund aber seit dem 19. Jahrhundert das wichtigste Entwicklungselement für die Identitätsbildung einer schweizerischen, multikul-turellen Gesellschaft (Deutsch 1976). Der Bund hat den Kantonen nicht nur formale Auto-nomie belassen, sondern eine Förderungspolitik betrieben, die auf die Gleichwertigkeit der Lebenschancen in allen Landesteilen und Regionen ausgerichtet war (Brugger/Frey 1985).

Abbildung 1: Der föderalistische Staatsaufbau der Schweiz Legislative Exekutive Judikative Bund Volksvertretung

Nationalrat: 200 Mitglieder vom Volk gewählt

Kantonsvertretung Ständerat: 46 Mitglieder, 2 pro (Voll-) Kanton, Volkswahl

Bundesrat, 7 Mitglieder, von der Bundesversammlung (National- und Ständerat) einzeln gewählt

Bundes- und eidg. Versiche-rungsgericht, 41 voll- und 41 nebenamtliche Bundesrichter gewählt von der Bundesver-sammlung

Kantone Kantonales Parla-ment, zwischen 49 und 200 Mitglieder, vom Volk gewählt

Regierungs- oder Staatsrat, 5-7 Mitglieder, vom Volk einzeln gewählt

Kantonsgericht, gewählt vom Kantonsparlament oder von der Regierung ernannt

Gemeinden Kleine Gemeinden: Vollversammlung der Stimmberechtigten zur Beschlussfassung über wichtigste Entscheide

Größere Gemein-den: vom Volk gewähltes Gemeindeparlament

Gemeinde- oder Stadtrat, üblicherweise 5-9 Mitglie-der, einzeln vom Volk gewählt

Bezirksgerichte für eine oder mehrere Gemeinden, Volkswahl oder Ernennung durch Regie-rung

Quelle: eigene Zusammenstellung. Der volle gewaltenteilige institutionelle Aufbau auf allen drei Ebenen ermöglichte die kon-sequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips. Neue Aufgaben werden üblicherweise zu-nächst von den Gemeinden übernommen; kantonale Lösungen werden erst gesucht, wenn die Aufgabe örtlich oder durch zwischengemeindliche Zusammenarbeit nicht mehr gelöst werden kann. Für übergeordnete Aufgaben sind wiederum zunächst die Kantone, nicht der Bund zuständig, und wie bereits erwähnt, setzt die Übertragung auf den Bund die Zustim-mung des Volkes und der Kantone voraus. Dies und die Tatsache, dass auch der Aufgaben-vollzug weitgehend dezentral erfolgt, macht die Schweiz im internationalen Vergleich zu einem der dezentralisiertesten Länder (Lijphart 1999). Die Zentralregierung kontrolliert nur knapp 30% der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben; der übrige Teil entfällt auf Kantone (rund 40%) und Gemeinden (rund 30%). Erwähnenswert ist ferner, dass dem Bund ur-sprünglich nur Zölle, Gebühren und Verbrauchssteuern zukamen. Die seit den 1930er Jah-ren erhobenen Bundessteuern auf Einkommen und Vermögen beruhen bis heute auf befris-teten Erlassen, die jeweils erneuert wurden. Im Übrigen ist die ehemalige Aufgabentren-nung einer weitgehenden Aufgabenverflechtung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden gewichen. Die hohen politischen Konsenshürden für jede Zentralisierung führen allerdings auch dazu, dass ökonomisch oder staatspolitisch wünschbare Kompetenzübertragungen an den Bund nicht oder spät erfolgen und dass der Bund nicht überall über ausreichende Kon-trollmöglichkeiten für den Aufgabenvollzug in Kantonen und Gemeinden verfügt (Linder 2005: 163ff.; Vatter 2006).

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2. Staatsoberhaupt und Regierung: Der Bundesrat Das schweizerische System verzichtet auf die Institution eines herausgehobenen Staats-oberhaupts und weist dessen Funktion dem jährlich wechselnden Bundespräsidenten oder dem Bundesrat als Ganzes zu.4

Der Bundesrat, als oberste leitende Behörde der Eidgenossenschaft, wird von der Ver-einigten Bundesversammlung (gemeinsame Sitzung von Nationalrat und Ständerat) auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Die Wahl jedes der sieben Mitglieder erfolgt einzeln. Gewählt ist ein Kandidat, wenn er die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht. Sind mehrere Wahlgänge erforderlich, fällt jeweils der Kandidat mit der geringsten Stim-menzahl aus der folgenden Wahl. Es gibt keine Abwahl und auch kein Misstrauensvotum, mit dem das Parlament die Gesamtregierung oder einzelne Bundesräte zum Rücktritt zwin-gen könnte. Auch die Nicht-Wiederwahl eines erneut kandidierenden Bundesrats kam bis 2003 nicht vor. Bei den Parlamentswahlen 2003 erzielte die Schweizerische Volkspartei (SVP) große Gewinne vor allem auf Kosten der Christlich-demokratischen Volkspartei (CVP). Sie machte daraufhin ihren Anspruch auf einen der beiden CVP-Sitze im Bundesrat geltend. Die SVP erreichte dieses Ziel bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesrats im Dezember 2003 dank der Unterstützung der Freisinnig-demokratischen Fraktion. Mit die-sem Wechsel in der Zusammensetzung des Bundesrats blieb die Konkordanz im Sinne der Regierungsbeteiligung der vier größten Parteien bestehen; die zahlenmäßige Vertretung wurde jedoch den veränderten Wählerstärken angepasst. Wie schon 2003 erfolgte 2007 bei der Gesamterneuerung des Bundesrats die Abwahl eines amtierenden Bundesrats. Die da-von betroffene SVP akzeptierte die Ersetzung ihres Spitzenpolitikers durch eine andere Person aus ihren Reihen nicht, schloss ihre beiden Vertreter im Bundesrat aus der Parla-mentsfraktion aus und kündigte die Mitarbeit in der Konkordanz auf. Ob und wie lange die grundsätzliche Opposition anhalten und die seit 1959 bestehende Konkordanz der vier Re-gierungsparteien schwächen wird, ist offen (siehe Abschnitt 5).

Von diesem Einzelfall abgesehen bestimmen Bundesräte den Zeitpunkt ihres Rück-tritts faktisch selbst, was Pressionen seitens der Parteien und Fraktionen nicht ausschließt. Häufig treten einzelne Mitglieder der Regierung vor Ablauf der ordentlichen Wahlperiode zurück, worauf eine Ersatzwahl in der Reihenfolge der Rücktritte vorgenommen wird.5 Die faktische Stellung der Regierung ist daher einem Präsidialsystem angenähert, obwohl die Bundesversammlung die Möglichkeit hätte, in der Gesamterneuerung des Bundesrats zu Beginn jeder Legislatur eine personell oder parteipolitisch völlig veränderte Regierung zu bestellen. Dass diese nach Artikel 175.2 BV gegebenen Möglichkeiten eines parlamentari-schen Regierungssystems nicht ausgeschöpft werden, hängt mit der politischen Tradition und den Konkordanzzwängen (Kap. 5) zusammen.

4 Als Vertiefung: Klöti 2006: 151ff. Zur Stellung der Regierung aus juristisch-institutioneller Sicht: De Pretto

1988. Informativ zum Funktionieren der schweizerischen Kollegialregierung aus historischer Sicht: Altermatt 1991b: 13ff.

5 Theoretisch gibt es freilich die Möglichkeit einer (indirekten) Abwahl des Gesamtbundesrats durch das Volk: Falls eine Totalrevision der Bundesverfassung nach Art. 193 BV vom Volk ausgelöst wird, dann ist das Par-lament aufzulösen. Die neugewählten Räte haben in diesem Fall nicht nur die Totalrevision der Bundesverfas-sung in die Hand zu nehmen, sondern auch eine Gesamterneuerung des Bundesrats vorzunehmen (Art. 175.2 BV). Das Verfahren ist noch nie zur Anwendung gekommen.

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Da die Regierung nicht durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum zu Fall ge-bracht werden kann und die Parlamentsmehrheit umgekehrt nicht den permanenten Macht-erhalt der Regierung sichern muss, sind beide Gewalten relativ unabhängig voneinander. Das sichert dem Bundesrat zunächst die Möglichkeit einer relativ starken, vom Einfluss der Parteien und Fraktionen unabhängigen Regierungspolitik. In den schweizerischen checks and balances kommt es aber auch vor, dass das Parlament einer Regierungsvorlage nicht folgt oder dass einzelne Regierungsparteien einer Vorlage die Zustimmung verweigern. Diese �„fallweise Opposition�“ ist dann von besonderer Bedeutung, wenn die Vorlage nach parlamentarischer Behandlung der Volksabstimmung unterliegt.

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung ist von der Verfassung nicht funktional, sondern pragmatisch festgelegt. So obliegen dem Bundesrat nicht nur die Staatsleitung und der Gesetzesvollzug, sondern die Kollegialregierung verfügt auch über wichtige Prärogativen in der Außenpolitik und über erhebliche Verordnungskompetenzen.

2.1 Der Bundesrat als Kollegialbehörde Der schweizerische Bundesrat ist eine sog. Kollegialbehörde: Der Präsident des Kollegi-ums leitet die Sitzungen, hat aber kein Weisungsrecht wie der Ministerpräsident im Kabi-nettssystem. Jeder Bundesrat ist damit gleichberechtigtes Mitglied des Kollegiums, aber zugleich Vorsteher (und damit oberster Chef) eines der sieben Departemente der Bundes-verwaltung, die sich in folgende Aufgabenbereiche gliedern: Inneres; Äußeres; Justiz und Polizei; Volkswirtschaft; Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation; Finanzen sowie Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Alle wichtigeren Entscheidungen werden vom Gesamtbundesrat (mit einfacher Mehrheit) getroffen und nach außen verantwortet. Trotz aller Veränderungen und Ausweitungen der Staatstätigkeiten und trotz offensichtli-cher Leistungsgrenzen ist das System der siebenköpfigen Kollegialregierung seit der Grün-dung des Bundesstaats in seinen Grundzügen nicht verändert worden. Die einzigen nach-haltigen Neuerungen bildeten die Schaffung von sog. Staatssekretären zur Vertretung des Bundesrats im Ausland sowie der Ausbau der Bundeskanzlei: Bundeskanzler und zwei Vizekanzler bilden den Kopf einer leistungsfähigen Stabsstelle der Regierung, die mit der Vorbereitung und Koordination der laufenden Geschäfte betraut ist, Sprecherfunktionen des Bundesrats wahrnimmt und die konzeptionelle Vorbereitung der Regierungspolitik (sog. Regierungsrichtlinien für eine Legislaturperiode) leitet.

2.2 Politische Zusammensetzung Auffallend und historisch durchgehend ist das Bemühen der Bundesversammlung, den verschiedenen Sprach- und Kulturregionen eine angemessene Vertretung in der Regierung zu sichern. Den Deutschschweizern (65% der Bevölkerung) kommen aufgrund der freiwil-lig praktizierten Proporzregel vier Sitze im Bundesrat zu, den Romands der französisch-sprechenden Westschweiz (18,5%) deren zwei und den italienischsprechenden Tessinern (6,5%) ein Sitz. Einer solchen Verteilungsregel kommt trotz gelegentlicher Durchbrechung mehr als symbolische Bedeutung zu: Sie sichert strukturellen Minderheiten, die von der demokratischen Mehrheitsregel keine Begrenzung und keinen Wechsel der Macht erwarten können, dauerhaft Teilhabe und Einfluss.

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Diesem gesellschaftlich-kulturellen Ausgleich aus den Gründungszeiten des Bundes-staats ist im 20. Jahrhundert der parteipolitische Ausgleich gefolgt. Seit 1959 ist der Bun-desrat aus den gleichen vier Parteien zusammengesetzt, die zusammen rund 80% der Wäh-lerstimmen repräsentieren. Bis 2003 war die Regierung ununterbrochen durch zwei Frei-sinnige, zwei Christlich-Demokraten, zwei Sozialdemokraten und einen Vertreter der Volkspartei besetzt. Seit 2003 hält, wie erwähnt, die Volkspartei auf Kosten der CVP zwei Sitze. Diese Zusammenarbeit ist der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung des schweize-rischen Politiksystems von der Mehrheits- zur Konkordanz- oder Konsensdemokratie, in welcher allmählich alle wichtigen politischen Kräfte an der Regierung beteiligt wurden. Der erste Schritt begann 1891, als die Mehrheitspartei der Freisinnigen den Katholisch-Konservativen einen und später mehrere Sitze überließ. Eine nochmalige Erweiterung der bürgerlichen Koalition erfolgte 1929 mit dem Einzug eines Bauernvertreters der heutigen SVP. Der Sozialdemokratie, obwohl zeitweise stärkste politische Kraft, wurde die Beteili-gung an der Regierung lange verwehrt. Ein erster Sitz wurde ihr zu einer Zeit der Bedro-hung nationaler Unabhängigkeit, im Kriegsjahr 1943, zugesprochen. Erst mit der Zauber-formel von 1959 erlangte sie eine proportionale Vertretung in der Landesregierung.

Die machtteilende Bestellung der Regierung ist nicht formaljuristisch geboten �– der sog. freiwillige Proporz könnte theoretisch bei jeder Gesamtwahl aufgekündigt und durch eine bloße Mehrheitskoalition z.B. der bürgerlichen Parteien ersetzt werden. Die außeror-dentlich hohe Stabilität der Allparteienregierung beruht vielmehr auf indirekten Wirkungen der Referendumsdemokratie: Um den häufigen Volksabstimmungen zu Verfassungs- und Gesetzesänderungen eine hohe Erfolgschance zu garantieren, ist der Einbezug möglichst al-ler wichtigen politischen Gruppierungen notwendig. Dieser so genannte Konkordanzzwang hat zur Integration aller referendumsfähigen Kräfte in das Regierungssystem geführt. Diese Konkordanzzwänge sind so hoch, dass die Besetzung der Regierung nach proportionaler Stärke der vier Regierungsparteien nach der sog. �„Zauberformel�“ �– wenn auch in leicht ge-änderter Form seit 2003 �– Bestand haben konnte, selbst ohne gemeinsames Regierungspro-gramm und trotz zunehmender Polarisierung im Parteiensystem seit Ende der 1990er Jahre.

3. Parlament: Nationalrat und Ständerat 3.1 Funktion und Zusammensetzung Im Staatsverständnis des 19. Jahrhunderts war das Parlament das oberste Organ der Eidge-nossenschaft, was in der entsprechenden Verfassungsbestimmung (Art. 148 BV) seinen Ausdruck findet. Begrenzt wird diese Stellung allerdings durch die starken Befugnisse des Bundesrats und durch die Volksrechte.6 Das Parlament ist, analog zum amerikanischen Kongress oder zum Deutschen Bundestag, eher ein Arbeits- denn ein Redeparlament (Zehnder 1988; Jegher 1999; Lüthi 2006), ohne allerdings über eine reichhaltige Infrastruk-tur zu verfügen. Zu den Aufgaben zählen die Anregungs- und Initiativfunktion, die Gesetz-gebung, die Beschlussfassung über Budget, Finanzplan und Rechnung, die Oberaufsicht

6 Zur Stellung des Parlaments: Riklin/Ochsner 1984; aus juristischer Sicht: Schmid 1971. Zum Verhältnis Par-

lament-Parteien: Kerr 1981. Für neuere Entwicklungen der Parlamentspraxis: Eidgenössische Parlaments-dienste 1991.

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über Regierung und Verwaltung, die Wahl der Mitglieder der Regierung und des Bundes-gerichts sowie des Generals der Armee in Kriegszeiten.

Das Wahlverfahren für die Volksvertretung (Nationalrat, große Kammer) und die Kantonsvertretung (Ständerat, kleine Kammer) ist unterschiedlich. Die 200 Sitze des Nati-onalrats werden für jede Wahl den Kantonen nach ihrer Bevölkerungszahl zugeteilt. In diesen Wahlkreisen erhält jede Partei soviel Sitze, wie es ihrem Anteil an den Wahlberech-tigten entspricht. Gewählt sind jene Kandidaten, die auf ihrer Parteiliste die höchste Stim-menzahl vereinigen, wobei einzelne Kandidaten doppelt aufgeführt (kumuliert), gestrichen oder durch Kandidaten anderer Parteien ersetzt (panaschiert) werden können. Restmandate werden nach dem Verfahren von Hagenbach-Bischoff (minimaler Quotient für Vollmanda-te, größter Quotient für Restmandate, ähnlich der Methode d�’Hondt) in den Wahlkreisen verteilt. Im Gegensatz zu einigen Kantonen kennt der Bund keine Sperrklausel. Eine solche wäre auch nicht sinnvoll. Wegen der ungleichen Bevölkerungsgröße der Kantone bzw. der Wahlkreise sind nämlich die Proporzchancen ungleich: in den vier größten Kantonen mit 15 bis 34 Mandaten führt das Proporzsystem zur Berücksichtigung auch kleiner Parteien mit Wählerstärken von nur 6 bis 2,5%, während in den fünf kleinsten Kantonen ein Drittel der Stimmen für die Erringung des einzigen Mandats erforderlich ist, was einer Majorzwahl gleichkommt. Der Ständerat (46 Sitze, je zwei für jeden der 20 Vollkantone und je einen für die sechs Halbkantone) wird nach kantonalem Recht gewählt, in den meisten Kantonen nach dem Majorzverfahren und zum gleichen Wahltermin wie der Nationalrat.7

Im Ergebnis finden wir im Nationalrat eine proportionale Verteilung der Sitze, bei der auch kleine Parteien etwa so berücksichtigt sind, wie es ihrem nationalen Wähleranteil entspricht. Im Ständerat dagegen dominieren die drei bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP, und zwar wegen des Majorzsystems und wegen ihrer gegenseitigen Wahlabsprachen auf Kosten der Sozialdemokraten.

Der Frauenanteil in der Bundesversammlung stieg seit 1971, dem Jahr der Einführung des Frauenstimmrechts, von 5% auf 25,6% im Jahre 2003. Damit liegt das schweizerische Parlament etwa im europäischen Mittelfeld. Auf den unteren föderalen Ebenen ist der Frau-enanteil im europäischen Vergleich hoch. Einzelne Kantonsparlamente weisen 30% und mehr, einige Kommunalparlamente einen Frauenanteil von über 40% aus. Das proportiona-le Wahlrecht begünstigt die stärkere Vertretung der Frauen und erlaubt überdies die Auf-stellung separater Frauenlisten. Damit kann eine Partei versuchen, einen höheren Frauenan-teil ohne das Risiko einer Beeinträchtigung ihrer Wahlstärke zu erreichen (Ballmer-Cao 1994). Die Erfolgsbilanz solcher Listen sieht allerdings gemischt aus.

3.2 Arbeitsweise Das Mandat des schweizerischen Parlamentariers wird im �„Milizsystem�“, d.h. nebenberuf-lich ausgeübt: Neben den vier ordentlichen, dreiwöchigen Sessionen der Räte, der Kommis-sions- und Fraktions-, Partei- und Öffentlichkeitsarbeit, die etwa einer 50 bis 70 prozentigen Belastung eines Vollamts entspricht, gehen die Mitglieder des Parlaments noch einem zivi-len Beruf nach. Für ihre parlamentarische Arbeit beziehen die Ratsmitglieder eine Entschä-digung, die in etwa der Höhe eines Facharbeiterlohns entspricht (Z�’Graggen/Linder 2004). 7 Zu den Wahlverfahren des Ständerats: Lutz/Strohmann 1998.

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Entsprechend dem Prinzip der Gleichwertigkeit beider Kammern werden alle Vorla-gen sowohl im National- als auch im Ständerat vollständig behandelt. Die beiden Ratsbü-ros verständigen sich in der sog. Koordinationskonferenz über die Dringlichkeit sowie die Koordination der Geschäfte und bestimmen den Erstrat für jede Vorlage, die darauf in den vorberatenden Kommissionen und im Plenum beraten wird. Jede Vorlage bedarf der Zu-stimmung beider Kammern. Ergeben sich im Verlauf der Beratungen unterschiedliche Vor-schläge, findet ein Differenzbereinigungsverfahren zwischen beiden Räten statt. Einigen sich National- und Ständerat nicht auf eine übereinstimmende Fassung, ist die Vorlage ge-scheitert. Der formale Handlungsspielraum des Parlaments ist groß: Es kann auch gegen den Willen der Regierung ganze Vorlagen zurückweisen oder bei Nicht-Eintreten ohne weitere inhaltliche Diskussion ablehnen, oder in der Detailberatung beliebige Änderungen beschließen. Das Instrument der parlamentarischen Initiative erlaubt es beiden Räten, selb-ständig Gesetzes- oder Verfassungsänderungen unter Umgehung des Vorverfahrens von Regierung und Verwaltung auszuarbeiten. Bedeutsam ist der Einfluss des Parlaments auf Budget, Finanzen und die Geschäftsprüfung. Hinzu kommen übliche parlamentarische Ins-trumente wie die Anfrage, die Interpellation (Aufforderung zur Stellungnahme der Regie-rung), das Postulat und die Motion, welche die Regierung zur Prüfung bzw. zum Auftrag einer Gesetzgebungstätigkeit veranlassen.

Dem Ratsbüro jeder Kammer steht ein jährlich wechselnder Präsident vor, der die Ratssitzungen leitet. Das Ratsbüro bestimmt Sitzungstermine und Traktanden und wählt die Mitglieder der vorberatenden Kommissionen auf Vorschlag der Fraktionen, die entspre-chend ihrer Ratsstärke zum Zuge kommen.

Die Rolle der Fraktionen ist bedeutsam für die politische Willensbildung innerhalb der Parteien. Aus den Reihen der Fraktionen stammt denn auch der Großteil der parlamentari-schen Vorstöße (Anfragen, Interpellationen, Motionen und parlamentarische Initiativen) sowie der Anträge zur Gesetzesberatung. Eigentliche Machtzentren sind die Fraktionen hin-gegen nicht: Da kein Misstrauensvotum die Regierung stürzen kann, braucht es auch keine Fraktionsdisziplin zur Erhaltung der Regierungsmacht. Häufig sind einzelne Fraktionen denn auch gespalten in der Stimmabgabe. Dem einzelnen Abgeordneten kann im schweize-rischen Parlament eine vergleichsweise hohe Parteiunabhängigkeit gewährt werden. Es finden durchaus individuelle Rollendifferenzierungen statt, sei dies im Sinne unabhängig-persönlicher Mandatsausübung, oder auch der wirtschaftlichen, beruflichen oder sonst wie gruppenspezifischen Interessenvertretung.

Ähnlich wie im Präsidialsystem der USA genießt das schweizerische Parlament eine institutionell starke Stellung, da sich die politische Mehrheit nicht um den Machterhalt der Regierung zu kümmern braucht. Dauerhaft begrenzt ist der Handlungsspielraum durch den starken Verbandseinfluss und die direkte Demokratie. Entscheidungsschwächen des Miliz-systems hat das Parlament in den 1990er Jahren durch Organisationsreformen zu kompen-sieren versucht (Lüthi 1997; Linder 2005).

4. Direkte Demokratie 4.1 Institutionelle Grundzüge Die Idee der schweizerischen Volksrechte unterstellt wichtigste (Verfassungs-) und wichti-ge (Gesetzes-)Entscheide des Parlaments der Volksabstimmung durch das Referendum und

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gibt der Stimmbürgerschaft zudem Gelegenheit, eigene Vorschläge durch die Volksinitiati-ve zur Abstimmung zu bringen. Die Volksrechte entwickelten sich auf Ebene der Kantone noch vor der Gründung des Bundesstaats, wo sie im 19. Jahrhundert schrittweise über-nommen wurden.

Im Gegensatz zum Plebiszit, das in parlamentarischen Demokratien zur Stützung und Legitimierung der aktuellen Regierungspolitik verwendet wird (z.B. durch de Gaulle in der Algerienfrage 1960), sind die schweizerischen Volksrechte aus einer basisdemokratischen Bewegung entstanden, die dem Repräsentativsystem misstrauisch gegenüberstand und der es um die Begrenzung parlamentarischer Macht und um die Kontrolle der wichtigsten Ent-scheidungen ging. Daraus ist ein Regierungssystem gewachsen, in welchem die drei Orga-ne der Regierung, des Parlaments und der Stimmbürgerschaft folgendermaßen zusammen-arbeiten. Das Volk �– mit der höchsten demokratischen Legitimation authentischer Abstim-mung �– trifft die wichtigsten Letztentscheide, das Parlament die wichtigen, und die Regie-rung die Entscheide von zweitrangiger Wichtigkeit. Diese Idee gestufter Organkompeten-zen nach dem Kriterium materieller Wichtigkeit findet sich zumindest annäherungsweise auch in den Normstufen von Verfassung, Gesetz und Verordnung (Müller 1979). Dieses Konzept lässt sich wie folgt veranschaulichen: Abbildung 2: Organkompetenzen in der Schweiz Art der Entscheidung Rechtsform Beratende

Behörde Teilnahme des Volkes

Höchste materielle Wichtigkeit Verfassungsänderung Parlament Obligatorisches Referendum Volksinitiative

Materielle Wichtigkeit

Neues Gesetz, Gesetzesänderung

Parlament

Fakultatives Referendum

Geringere materielle Wichtigkeit

Einfacher Parlamentsbeschluss, Verordnungsrecht

Parlament Regierung

�– �–

Quelle: eigene Zusammenstellung. Das theoretische Dilemma zwischen unbefriedigender Realität repräsentativer Demokratie und unmöglicher Utopie direkter Demokratie in allen Entscheidungen wird damit auf prag-matische Weise gelöst: Die direkte Mitsprache des Volkes soll nicht in allen, aber in den wichtigsten Fragen möglich sein. Darum spricht man �– wo das Zusammenwirken von Volk, Parlament und Regierung gemeint ist �– auch von �„halbdirekter Demokratie�“, und diese selektiert die direktdemokratischen Entscheide systematisch nach dem Kriterium materiel-ler Wichtigkeit.

Damit wird auch verständlich, warum die Gegenstände der Volksabstimmungen nicht ad hoc bestimmt, sondern von Verfassung und Gesetz vorgeschrieben sind. Während auf Kantonsebene auch Finanz- und wichtige Verwaltungsentscheide dem Vorbehalt der Volks-rechte unterstehen, beschränken sich die Volksrechte beim Bund auf Verfassungs- und Gesetzesentscheide sowie auf die Genehmigung wichtiger internationaler Verträge. Dabei ist zu unterscheiden zwischen

a) dem obligatorischen (oder Verfassungs-) Referendum:

Der obligatorischen Nachentscheidung durch Volk und Stände (Kantone) unterliegen alle Änderungen der Verfassung sowie die Genehmigung von Staatsverträgen, welche den Bei-tritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften

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(wie etwa die EU) zum Gegenstand haben. Das obligatorische Referendum verlangt das doppelte Mehr von Volk und Kantonen. Für das sog. Ständemehr zählt jeder Vollkanton, der die Vorlage annimmt, eine Stimme, jeder Halbkanton eine halbe Stimme. Beim Stim-menpatt des Kantonsmehrs (11,5 von 23 Standesstimmen) gilt die Vorlage als abgelehnt.

b) dem fakultativen (oder Gesetzes-)Referendum:8

Gesetze, allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse sowie völkerrechtliche Verträge, welche unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen, sind vom Parlament mit einer Referendumsklausel zu versehen. Ergreifen 50.000 Stimmbürger innerhalb von drei Mona-ten das Referendum, so wird der Parlamentsbeschluss der Volksabstimmung unterstellt. Das Gesetz tritt nur dann in Kraft, wenn die Mehrheit der Abstimmenden die Vorlage an-nimmt (einfaches Volksmehr). Mit dem sog. Dringlichkeitsrecht für zeitlich dringende Be-schlüsse kann das ordentliche Referendum aufgeschoben werden: Solche Beschlüsse bedür-fen der absoluten Mehrheit in beiden Kammern. Dringlichkeitsrecht ist grundsätzlich be-fristet. Beschlüsse ohne zureichende Verfassungsgrundlage müssen innerhalb Jahresfrist von Volk und Ständen genehmigt werden; andernfalls treten sie nach Ablauf dieses Jahres außer Kraft und können nicht erneuert werden. Gegen verfassungskonforme Beschlüsse kann zwar das Referendum sofort ergriffen werden; es hat aber bloß resolutive Wirkung: Wird das Volksmehr nicht erreicht, tritt der Beschluss ein Jahr nach Annahme durch die Bundesversammlung außer Kraft und kann nicht mehr erneuert werden. Wird kein Refe-rendum verlangt, kann der Beschluss verlängert werden. Das Dringlichkeitsrecht ermög-licht also, zeitlich unaufschiebbare, befristete Beschlüsse sofort zu fassen und die manch-mal langwierige Genehmigung in der Referendumsdemokratie aufzuschieben, ohne sie aufzuheben. Die letzte Periode häufiger Anwendung des Dringlichkeitsrechts waren die frühen 1970er Jahre (Auer 1976).

c) der Volksinitiative:9 Beim Bund können 100.000 Bürger die Aufhebung, Änderung oder Neuschaffung eines Verfassungsartikels in Form einer allgemeinen Anregung oder eines konkret ausformulier-ten Begehrens verlangen. Kommt eine Volksinitiative zustande, so wird sie vom Bundesrat und vom Parlament beraten und den Stimmbürgern mit einer (meist ablehnenden) Empfeh-lung vorgelegt. Das Parlament kann den Stimmbürgern gleichzeitig einen Gegenvorschlag vorlegen. Zur Annahme einer Verfassungsinitiative braucht es �– analog zum Verfassungsre-ferendum �– das doppelte Mehr von Volk und Ständen. Werden in einer Abstimmung so-wohl die Volksinitiative wie der Gegenvorschlag angenommen, entscheidet das Volksmehr über eine angefügte Eventualfrage, welcher der beiden Vorschläge angenommen ist.

2003 wurde ein Verfassungszusatz angenommen, der mit dem Instrument der �„Allge-meinen Anregung�“ eine indirekte Form der Gesetzesinitiative einführen wollte. Die Rege-

8 Für eine Gesamtdarstellung der Referendumspraxis und ihrer Wirkungen auf das Politiksystem: Linder 2005;

Neidhart 1970; Kritik bei Auer/Delley 1978. 9 Die wichtigsten Monografien sind: Für die Zeit 1891-1939: Sigg 1978; für die Nachkriegsperiode bis 1975:

Delley 1978; Werder 1978.

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lung erwies sich bei Beratung des Ausführungsgesetzes allerdings als zu kompliziert. Auf ihre Umsetzung soll deshalb verzichtet werden.

Kantone und Gemeinden kennen eine vergleichbare Regelung der Volksrechte. Die Hauptunterschiede sind die folgenden: �– Die Kantone kennen im Gegensatz zum Bund auch die Gesetzesinitiative, und das

Referendum kommt auch bei wichtigen Verwaltungsentscheiden (z.B. bei Ausgaben- und Planungsbeschlüssen) obligatorisch oder fakultativ zum Zuge.

�– In den Gemeinden sind die Volksrechte unterschiedlich ausgebaut. Generell spielen Referendum und Initiative in den deutschschweizerischen Gemeinden eine größere Rolle als in der Westschweiz, deren Kantone eher vom französischen Repräsentativ-system geprägt sind (Lafitte 1987).

4.2 Die Entscheidungswirkungen der Volksrechte Jährlich haben die Stimmberechtigten über etwa sechs Verfassungsänderungen zu entschei-den, von denen etwa die eine Hälfte auf Vorschläge des Parlaments, die andere Hälfte auf Volksinitiativen zurückgeht. Hinzu kommen jährlich etwa zwei bis vier Gesetzesreferen-den. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über den Gebrauch von Initiative und Referendum beim Bund. Tabelle 1: Referenden und Volksinitiativen 1848-2006 Obligatorische Referenden zur Abstimmung gebracht 206 von Volk und Ständen angenommen 153 Abgelehnt 53 Volksinitiativen zustandegekommen 254 zurückgezogen, gegenstandslos geworden, ungültig erklärt, abgeschrieben 83 2006 hängig 11 zur Abstimmung gebracht 161 von Volk und Ständen angenommen 15 abgelehnt 146 zur Abstimmung gebrachte Gegenvorschläge des Parlaments 15 von Volk und Ständen angenommen 6 abgelehnt 9 Fakultative Referenden Dem fakultativen Referendum unterstellte Parlamentsbeschlüsse 2.260 Zahl ergriffener Referenden 184 zustandegekommen 160 Parlamentsvorlage erfolgreich 87 Referendum erfolgreich (Gesetz abgelehnt) 73

Quelle: Bundesamt für Statistik. Der relativ hohe Anteil verworfener Verfassungsreferenden weist darauf hin, dass Neue-rungen beim Bund, die auf Verfassungsebene zumeist mit einer Erweiterung der Kom-petenzen und Aufgaben des Zentralstaats zu tun haben, von den Behörden oft nicht im ersten Anlauf, sondern erst nach zwei oder drei Versuchen eingeführt werden können. Zweifelsohne ist es eine der Wirkungen der direkten Demokratie, dass die Entwicklung des modernen Interventions- und Leistungsstaats, die Zentralisierung öffentlicher Aufgaben,

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oder verfassungsmäßige Grundentscheidungen im Zuge gesellschaftlicher Modernisierung wie das Frauenstimmrecht in der Schweiz eher zögerlich vonstatten gingen (Moser/Obinger 2007; Linder 2005: 255f.; Obinger 2000).

Differenziert ist das fakultative Gesetzesreferendum zu betrachten, dem ähnlich wie dem obligatorischen Referendum ein bremsender Einfluss zugunsten des Status quo nach-gesagt wird. Auch hier wurden seit seiner Einführung 1874 eine Reihe wichtiger Innovatio-nen des Parlaments verworfen: Wird ein Referendum erst einmal ergriffen, so haben die Gegner eines neuen Gesetzes immerhin über 50% Erfolgschancen. Trotzdem ist der Anteil der Referenden an der Gesamtzahl der Parlamentsvorlagen mit rund 7% gering. Der wich-tigste Grund liegt darin, dass im politischen Entscheidungsverfahren versucht wird, durch Einbezug aller referendumsfähigen Kräfte einen parlamentarischen Kompromiss zu finden, der die Risiken eines Referendums vermindert (Näheres in Abschn. 5.2).

Die Volksinitiative gilt umgekehrt als ein innovatorisches Element: Sie ermöglicht un-terschiedlichsten Gruppierungen, die ihre Anliegen in den institutionellen Verhandlungspro-zessen schlecht vertreten sehen, neue Themen zumindest aufzubringen und darüber eine Volksabstimmung herbeizuführen. Die Gegenstände von Volksinitiativen reichen von Tem-polimits auf Autobahnen, der Errichtung eines Wanderwegnetzes bis zum Vorschlag der Abschaffung der Armee. Nur rund 10% der Volksinitiativen ist ein direkter Erfolg in der Abstimmung beschieden; hingegen kommt es vor, dass das Anliegen erfolgloser Volksinitia-tiven vom Parlament wieder aufgegriffen wird und zumindest teilweise in die spätere Ge-setzgebung einfließt. Erfolgreicher ist die Bilanz der Volksinitiative auf kantonaler Ebene: Im Durchschnitt führt rund jeder vierte Vorstoß zu einem direkten Erfolg (Vatter 2002: 269).

Selbstverständlich können Initiative und Referendum auch wahltaktisch eingesetzt werden. Insbesondere Klein- oder Einthemenparteien erstreben den Zugang zum politi-schen Markt, den Wahlerfolg oder das Überleben durch Volksinitiativen zur Wahlzeit. Die-se Beobachtung lässt sich etwa an den Überfremdungsparteien seit den 1960er Jahren oder an der Parteibildung der Grünen in den 1980er Jahren machen, und sie belebt die historisch gemeinte These Erich Gruner (1977: 25) der �„schweizerischen Parteien als Kinder der Volksrechte�“ neu.

Neuere Längsschnitt-Studien zeigen zudem einen bedeutsamen Einfluss der direkten Demokratie auf die Entwicklung der Cleavages im Parteiensystem und die Konkordanz auf (Zürcher 2006; Bolliger 2007; Linder/Zürcher/Bolliger 2008).

4.3 Partizipation, Abstimmungskampagnen und Abstimmungsverhalten Im Mittel der letzten 20 Jahre lag die Stimmbeteiligung bei durchschnittlich gut 40%. Stark polarisierende Themen, von denen sich die Stimmbürger direkt betroffen fühlen und die sie als wichtig erachten, erhöhen die Stimmbeteiligung (wie z.B. zum EWR-Beitritt 1992 mit 78,7%).10 Bei komplexen Vorlagen, die wenig umstritten sind oder bei denen die Abstim-mungskampagne wenig Aufsehen erregt, kann die Beteiligung dagegen auf ein deutlich tieferes Niveau absinken, selbst wenn die Vorlage bedeutsam ist, wie etwa bei einer ver-worfenen Vorlage zur Mehrwertsteuer 1991 (33,3%) oder der angenommenen Neuordnung der Verfassungsbestimmungen zur Bildung 2005 (27,8%). 10 Zu den Folgen geringer Partizipation: Lutz 2006.

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Wie alle anforderungsreichen Partizipationsverfahren ist die direkte Demokratie nicht frei von unerwünschten Diskriminierungseffekten: Männer, Personen mit höherer Bildung, höherem Einkommen und Berufsstatus sowie mittlere, sozial integrierte Altersgruppen partizipieren stärker als Frauen, Personen mit geringerer Bildung, niedrigerem Einkommen und Berufsstatus sowie Junge, Alleinstehende und weniger sesshafte Personen. Das Pro-blem der Stimmbeteiligung liegt denn auch weniger in einem niedrigen Prozentsatz der Aktiven als an der ungleichen Beteiligung verschiedener Schichten, die sich bei hoher Stimmabstinenz verstärkt. Insgesamt lassen sich hinsichtlich der Stimmbeteiligung drei Hauptgruppen unterscheiden: regelmäßige Urnengänger, die keinen Urnengang versäumen und rund 25% der Stimmberechtigten ausmachen, Abstinente, etwa 20% der Stimmbürger, die nie abstimmen, sowie die gelegentlichen Urnengänger, als welche sich gut die Hälfte der Stimmbürgerschaft bezeichnen und die für das Schwanken der Teilnahme von 30 bis 70% verantwortlich sind (Linder/Longchamp/Stämpfli 1991).

In den Abstimmungskampagnen treten verschiedene Akteure auf. Die Regierung ver-fasst eine Informationsbroschüre, die an alle Stimmberechtigten versandt wird und neben der Begründung der Vorlage auch den Standpunkt der Gegner enthält. Parteien beschließen Pa-rolen für oder gegen die Vorlage, versuchen dabei, der Stimmbürgerschaft Orientierung über ihre dauerhaften Werte zu vermitteln und sich vor ihrer Wählerschaft zu profilieren. Die Medien lassen Gegner und Befürworter zu Wort kommen, kommentieren unabhängig oder machen sich für eine Seite stark. Je nach Vorlage entfalten betroffene Interessengruppen eine finanzstarke Propaganda in ihren eigenen oder den allgemeinen Medien (Ursprung 1994), welche nicht selten mit wenig differenzierten, vereinfachten Schlagworten auftritt, die nur lose mit dem sachlichen Gehalt der Vorlage zu tun haben müssen. Je nach Kampagne und Gegenstand haben Parteiparolen, Medienereignisse, Propaganda oder der persönliche Ein-satz prominenter Politiker ein unterschiedliches Gewicht im Meinungsbildungsprozess (VOX: 1977ff.). Für das Abstimmungsverhalten selbst scheinen alle drei der wichtigsten Theorieansätze der internationalen Forschung eine Rolle zu spielen: Das Eigennutzverhalten (rational choice), das schicht-typische Verhalten (sozial-struktureller Ansatz), sowie der Parteiidentifikations- bzw. sozial-psychologische Ansatz (Joye 1984; Schneider 1985; Knü-sel 1990; Finger/Sciarini 1990; Kriesi 1993; Papadopoulos 1994; Vatter 1994). 4.4 Vergleichende Aspekte Elemente direkter Demokratie sind in vielen Ländern verbreitet.11 Insbesondere in einem Großteil der amerikanischen Einzelstaaten werden das Referendum und die Volksinitiative zum Teil ebenso intensiv genutzt wie in der Schweiz. Dabei zeigen sich ähnliche Befunde über die Entscheidungswirkungen (Cronin 1989; Linder 2005): �– die Entscheidungswirkungen werden sowohl von den Anhängern wie den Kritikern

direkter Demokratie überschätzt; insbesondere führen Referendum und Initiative nicht zu einer �„Volksgesetzgebung�“, sondern allenfalls zur Korrektur parlamentarischer Poli-tik;

11 Unter vergleichenden Aspekten siehe: Butler/Ranney 1978 und 1994; Gallagher/Uleri 1996; Linder 1999;

Luthardt 1994; Möckli 1994 und Wagschal/Freitag 2007.

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�– die direkte Demokratie führt �– im Vergleich zu parlamentarischen Entscheidungen �– weder zu schlechter fundierter Gesetzgebung noch zur Verletzung von Minderheiten-rechten;

�– Initiative und Referendum machen Regierung und Parlament sensibel für Tendenzen der öffentlichen Meinung;

�– eher als dass die Volksrechte die politischen Parteien mit ihren umfassenden Pro-grammen stärken, ermöglichen sie einzelnen Interessengruppen, ihre Sonderinteressen oder single issue-Politik aufzubringen und für diese zu mobilisieren;

�– der Einfluss der Propaganda ist hoch; im Abstimmungskampf einseitig verteilte Mittel sind problematisch. Geld ist, nach amerikanischen Studien (z.B. Stratmann 2006; Zisk 1987: 90ff.), ein bedeutsamer Faktor für den Ausgang von Abstimmungen.

Im Vergleich zur Situation in den US-Staaten und zu den übrigen Ländern überhaupt sind zwei wesentliche Unterschiede auszumachen: �– Die Schweiz ist das einzige Land, dessen Verfassungsordnung wichtigste und wichtige

Entscheidungen auf nationaler Ebene der Volksabstimmung unterstellt, und dies auch ohne prinzipielle Ausnahmen z.B. der nationalen Sicherheits- oder der Außenpolitik.

�– In den Einzelstaaten der USA blieben Referendum und Initiative komplementäre Ele-mente, die am Mehrheitssystem mit einer starken Stellung des Gouverneurs nichts verändert haben. Im Gegensatz dazu haben die Volksrechte in der Schweiz den Ent-scheidungsprozess nachhaltig umgestaltet, und zwar von der Mehrheits- zur Konkor-danzdemokratie. Dies sind die indirekten (System-)Wirkungen der Volksrechte. Sie werden im nächsten Abschnitt dargestellt.

5. Der Gesetzgebungsprozess in der Konkordanzdemokratie 5.1 Strukturelle und prozessuale Elemente der politischen Machtteilung In der Typologie von Arend Lijphart (1984, 1999) bildet das schweizerische Politiksystem den Gegenpol zur majoritarian democracy, der Art des Westminster-Modells, nämlich den Typus der consensus democracy. Gegenstück ist das schweizerische Modell deshalb, weil hier sowohl die (föderalistischen) Strukturen wie die Entscheidungsprozesse selbst auf die einvernehmliche Konfliktregulierung (consociationalism, Konkordanz) und auf die Macht-teilung (power sharing) ausgerichtet sind (Neidhart 1970; Linder 1983b; Church 1989; ver-gleichend: Lehmbruch 1967; Lehner/Hormann 1987; Michalsky 1989; Abromeit 1993). Die Strukturen der Machtteilung beruhen maßgeblich auf dem Föderalismus und der Durchset-zung des Proporzes: Der Föderalismus bildet eine vertikale Machtteilung durch Gewährung von größtmöglicher Autonomie der nächst unteren Staatsebene. Der (freiwillige) Proporz, der sich in der Schweiz nicht nur auf Regierungsebene, sondern bei der Besetzung verschie-denster politischer Ämter hinsichtlich Sprache, Parteizugehörigkeit und neuerdings auch für

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die Vertretung von Frauen eingebürgert hat, ermöglicht die Integration struktureller Minder-heiten durch formale Beteiligung und horizontale Machtteilung.12

Im Folgenden nun geht es um das prozedurale Element der Konsensdemokratie, näm-lich um die Darstellung der Gesetzgebung unter dem Aspekt einvernehmlicher Konfliktre-gulierung und der Verhandlung.

5.2 Entwicklung der Verhandlungsstrukturen Bis in den Ersten Weltkrieg war das schweizerische Regierungssystem dominiert von der Mehrheitspolitik des Freisinns. Die Mehrheit in den beiden Kammern des Parlaments ging verloren mit der Einführung des Proporzwahlrechts 1918 für den Nationalrat (Jost 1976). Weit wichtiger für die Entwicklung des Konkordanzsystems war indessen die Einführung des Referendums 1874. Eingeführt von den progressiven Freisinnigen zur plebiszitären Abstützung ihrer Politik, wurde das Referendum ganz anders gebraucht, nämlich als Oppo-sitionsmittel der katholisch-konservativen Minderheit. Letztere verstand es, die Mehrheits-politik des Freisinns in wichtigen Fragen durch Volksentscheide zu blockieren. Das zwang zum Ausgleich mit den Katholisch-Konservativen, denen 1891 erstmals ein Regierungssitz zugestanden wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg kam �– wiederum mit dem Ziel der politi-schen Integration �– die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (heute Volkspartei) hinzu. Trotz Wirtschafts- und Verfassungskrise in der Zwischenkriegszeit sperrte sich dieser Bürger-block jedoch andererseits gegen die Integration der Arbeiterschaft in den Staat (Degen 1989; 1993; Jost 1986). Die Bürgerlichen regierten zumeist ohne die Vertreter der Sozial-demokratie, denen erst 1959 die proportionale Vertretung nach der bereits beschriebenen �„Zauberformel�“ zugestanden wurde.

Mit dieser Einbindung der vier wichtigsten Parteien in die Regierung wurde die wich-tigste Voraussetzung geschaffen, um die Risiken von Abstimmungsniederlagen zu vermei-den: Mit ihrer Beteiligung kann man von den Regierungsparteien auch erwarten, dass sie die Parlamentsvorlagen bei Volksabstimmungen in der Regel unterstützen. Die Integration der politischen Parteien reichte für sich allein allerdings nicht, denn auch die intermediären Organisationen (vor allem die Wirtschafts- und Berufsverbände) hatten in der Schweiz seit je eine starke Stellung. Einzelne von ihnen sind auch heute mehr noch als die Parteien in der Lage, das Referendum erfolgreich zu ergreifen, falls ihre Partialinteressen verletzt wer-den. Das führte nach dem Zweiten Weltkrieg zur institutionellen Integration der Verbände in den Gesetzgebungsprozess: Sie werden im vorparlamentarischen Prozess angehört und mit ihren Forderungen berücksichtigt. Parlamentarisches wie vorparlamentarisches Verfah-ren sind damit insgesamt stark auf Kompromiss und Ausgleich unter allen referendumsfä-higen Kräften angelegt, damit die Entscheidungsrisiken des Referendums minimiert wer-den. Von den Volksrechten geht der wichtigste Konkordanzzwang aus.

12 Der freiwillige Proporz beruht auf freiwilligen Absprachen zwischen den Parteien im Rahmen von Majorz-

wahlen. Dabei überlässt die Mehrheitskoalition den anderen proportional zu deren Wähleranteilen Sitze, in-dem sie nur mit einer beschränkten Zahl an Kandidaten antritt.

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5.3 Gesetzgebung als Verhandlungsprozess Im politischen Prozess der Gesetzgebung lassen sich vier Entscheidungskomplexe unter-scheiden:

Abbildung 3: Der politische Entscheidungsprozess beim Bund

Mitwirkung der Volkes Parlamentarischer Entscheidungskomplex Wahlen National- und Ständerat; Zwei gleichberechtigte Kammern Nachentscheidung Verfassungs- und Gesetzesvorlagen; mit je 12 ständigen Kommissionen Verfassungsinitiative, kantonale Initiativen und 11 gemeinsamen Delegationen und Kommissionen; und Mitwirkung an der Vernehmlassung nach kantonalem Recht

Differenzbereinigungsverfahren Fraktionen und informelle Interessengruppen

Quelle: Linder 2005.

BUNDES-

RAT als

leitende Behörde

Revision Gesetz oder Verfassung

Neuerlass Gesetz oder Verfassung

VOLLZUGSKOMPLEX Departemente, Ämter, Beauftragte Dritte, Private, Kantone

starke informelle Kontakte

ANTRAG AUF

VORPROJEKT

des zuständigen Departements

EXPERTENENTWURF

durch von Bundesrat ernannte Kommission

VERNEHMLASSUNG

Stellungnahme Interessengruppen Parteien, Kantone

BUNDESRATSENTWURF

nach Auswertung der Vernehmlassung

KOMMISSIONSENTWÜRFE

Parlamentarische Motion

nach Beratung Ständerats- und Nationalratskommission

Parlamentarische Initiative

PARLAMENTSVORLAGE

Verabschiedung nach Eintreten Detailberatung und Schluss-

abstimmung beider Kammern

Fakultatives Referendum

REFERENDUMSVORBEHALT

obligatorisch für Verfassungs- revisionen

fakultativ für Gesetze

Volksinitiative Standesinitiative

ANSETZUNG ABSTIMMUNG

durch Bundesrat

ABSTIMMUNG

doppeltes Mehr für Verfassungsvorlagen

INKRAFTSETZUNG

Bundesrat

VOLLZUG

Departemente und Ämter, beauftragte Dritte und Private

Verordnungsgebung und Vollzugserfah-

rung

VORPARLAMENTARISCHER ENTSCHEIDUNGSPROZESS Vollzugsbeteiligte, Interessengruppen, Beratende Kommissionen, Expertenkommissionen des Bundesrats

starke informelle K

ontakte

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a) Der administrative Entscheidungskomplex:

Wie in anderen Ländern sind Sachverstand und Vollzugserfahrung der Verwaltung für die Rechtsetzung immer bedeutsamer geworden. Hier wird bei parlamentarischen Vorstößen, Aufträgen des Bundesrats oder auf Grund der Evaluation des Vollzugs untersucht, ob Rechtsänderungen überhaupt notwendig und auf welcher Stufe sie vorzunehmen sind. Falls erforderlich, werden Studienaufträge zur Analyse des Politikbereichs durchgeführt oder an Dritte vergeben. Sie münden in erste Vorentwürfe der neuen Gesetzgebung. Beschließt die Regierung die weitere Ausarbeitung einer Vorlage, so folgt

b) Das vorparlamentarische Verfahren:

Dieses hat zwei Hauptphasen. Unter Hinzuziehung externer Experten wird ein Vorentwurf übernommen oder ein solcher erarbeitet. Die Mitglieder dieser Expertenkommissionen sind freilich nur zum geringeren Teil wissenschaftliche oder rein fachliche Experten. Vielmehr wird darauf geachtet, dass Vertreter der hauptsächlich betroffenen Organisationen sowie der Kantone zum Zuge kommen. In den Expertenkommissionen fallen nicht nur die Ent-scheide über die Grundzüge der Regelung. Vielmehr sind sie der Ort, wo um Kompromisse gefeilscht wird. Vertreter referendumsfähiger Gruppen haben eine hohe Verhandlungs-macht: Jede von ihnen kann das Referendum quasi als Verhandlungspfand zur Durchset-zung ihrer Forderungen benutzen. Soll in der einfachen Gesetzgebung das Referendum ver-mieden werden, erweist sich die Erzielung des Kompromisses oft als schwierig.

Den zweiten Teil des vorparlamentarischen Verfahrens bietet die so genannte Ver-nehmlassung. Der ausgehandelte Entwurf wird den interessierten Organisationen, den Kan-tonen und den politischen Parteien zur Stellungnahme unterbreitet. Aufgrund der Stellung-nahmen entscheidet der Bundesrat, ob er das Projekt fortsetzen soll oder nicht. Im positiven Fall lässt der Bundesrat den Entwurf nach seinen Weisungen überarbeiten und unterbreitet ihn den eidgenössischen Räten samt einer erläuternden Botschaft (Blaser 2003).

c) Das parlamentarische Verfahren:

ist in formeller Hinsicht bereits oben beschrieben worden. Zunächst behandeln die Fraktio-nen und die Kommissionen die Vorlage des Bundesrats. Seit der Parlamentsreform von 1992 werden alle Geschäfte einem von zwölf ständigen Ausschüssen (Kommissionen) zugewiesen, die für einen bestimmten materiellen Politikbereich zuständig sind. Derzeit sind die Kommissionen nach folgenden Bereichen umschrieben: Finanzen; Geschäftsprü-fung; Außenpolitik; Wissenschaft, Bildung und Kultur; Soziale Sicherheit und Gesundheit; Umwelt, Raumplanung und Energie; Sicherheitspolitik; Verkehr und Fernmeldewesen; Wirtschaft und Abgaben; Staatspolitik; Rechtsfragen sowie Öffentliche Bauten. Mit der Einführung ständiger Kommissionen, welche die bisherigen ad-hoc-Kommissionen ablösten, scheint der selbständige Gestaltungswille der vorberatenden Kommissionen und des Parla-ments insgesamt zuzunehmen (Lüthi 1997). Nach der Vorberatung gelangt die Vorlage ins Plenum, wo eine Eintretensdebatte, die Detailberatung und die Schlussabstimmung in bei-den Räten erfolgen. Angesichts der zunehmenden Belastung des Parlaments sind Rede- und Redezeitbeschränkungen im Plenum des Nationalrats für die weniger wichtigen Geschäfte

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eingeführt worden. Ist die Volksabstimmung zwingend durchzuführen oder wird bei Geset-zesvorlagen das Referendum ergriffen, folgt

d) Die plebiszitäre Nachentscheidung:

Sie ist weiter oben bereits einlässlich beschrieben worden.

5.4 Die Ergebnisse des Gesetzes als Verhandlungskompromiss Der Prozess einer größeren Gesetzesrevision dauert mehrere Jahre. Der allseitige Kompro-miss muss bei fundamentalen Interessengegensätzen erdauert werden. Sperrige Problemtei-le werden oft ausgeklammert, griffigen Maßnahmen in der Kompromissarbeit häufig die Zähne gezogen. Große Innovationsschritte sind seltener zu erwarten als in einem bipolaren Konkurrenzsystem, das Veränderungen vermehrt auch auf Kosten der nicht mitregierenden Minderheit erlaubt. Die Ergebnisse tragen alle Merkmale des piecemeal engineering und des muddling through. Sie entsprechen, machttheoretisch ausgedrückt, den Konsequenzen eines pluralistischen Modells, das auf �„die Akkommodation unter grundsätzlich saturierten Interessen�“ (Scharpf 1970) angelegt ist. Korrigiert wird dieses Modell durch die Volksiniti-ative, deren �„Ventilfunktion�“ den weniger organisations- und konfliktfähigen Interessen Stimme und Einfluss verleiht. Weiter ist der Zwang zum Kompromiss auch ein Zwang zur kreativen Konfliktbewältigung: Es muss nach Positivsummen-Lösungen gesucht werden, bei denen kein Partner alles gewinnt, aber auch keiner leer ausgeht. Vorteile bietet die In-tegration in das Verfahren des allseitigen Kompromisses sodann durch eine hohe Bereit-schaft der betroffenen Gruppen, am Vollzug mitzuwirken. 6. Parteiensystem und innerparteiliche Willensbildung Die schweizerischen Parteien13 haben keine starke Stellung im schweizerischen Politiksys-tem, sind erstmalig in der neuen Verfassung von 1999 überhaupt erwähnt, unterliegen kei-ner speziellen Gesetzgebung und werden bis auf die Beiträge an die Parlamentsfraktionen vom Bund auch nicht finanziert. Sie weisen eine wenig professionalisierte, föderalistische Organisation auf und sind wegen ihrer unterschiedlichen Tradition, Stellung und Ausrich-tung in den Kantonen wenig kohärent: Die gleiche Partei, die in einem Kanton über eine Hegemoniestellung verfügt und gerade deshalb eine ausgleichende Mitte-Position anstrebt, kann als marginale Partei in einem anderen Kanton ihre Profilierung sehr viel weiter links oder rechts auf dem politischen Spektrum suchen.

Die Parteien der Schweiz sind in Vereinsform organisiert, und zwar analog zum föde-ralistischen System auf Orts-, Kantons- und Bundesebene mit je eigenen Organisationen

13 Zur neueren Situation des Parteiensystems: Ladner 2006; Ladner/Brändle 2001; zu den Konfliktlinien im

schweizerischen Parteiensystem: Ladner 2004; Zürcher 2006; Bolliger 2007; Trechsel 1994; ältere Gesamt-darstellungen: Gruner 1977; 1984; Schmid 1981; SJPW 26, 1986, Politische Parteien und neue Bewegungen; zum Profil der Parteien: Tschäni 1979; zur Parteiensituation auf lokaler Ebene: Ladner 1991b, Geser u.a. 1994.

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und Organen. Für die Belange ihrer jeweiligen Ebene besitzen die Orts- und Kantonalpar-teien volle Autonomie. Entsprechend dem Vereinsrecht bestimmt die Mitgliederversamm-lung oder wählen deren Delegierte die Parteiorgane und die Kandidaten für die wichtigsten politischen Ämter. Die schweizerischen Parteien erfüllen ihre Artikulations-, Integrations-, Mobilisierungs-, Orientierungs-, Transmissions-, Rekrutierungs- und Wahlfunktionen wie in anderen Ländern, stehen aber wegen der direkten Demokratie vor besonderen zusätzli-chen Anforderungen. Dies gilt für die Lancierung eigener Initiativen und Referenden sowie für die Orientierung und Mobilisierung für die jährlich etwa vier Urnengänge, bei denen leicht 30 Abstimmungsvorlagen aus Bund, Kantonen und Gemeinden zusammenkommen können. Fragen der Profilierung, der schwindenden Attraktivität gegenüber der Wähler-schaft sowie der Professionalisierung bzw. des Bedeutungsschwunds im Wettbewerb mit Verbänden und Medien prägen die Probleme der heutigen Parteien (Ladner/Brändle 2001; SJPW 1986; Neidhart 1986; Ayberk u.a. 1991).

6.1 Die Regierungsparteien Die schweizerischen Regierungsparteien gehen auf die drei politischen Grundausrichtungen des 19. Jahrhunderts zurück: den Liberalismus, den Konservatismus und den demokrati-schen Sozialismus. Aus diesen drei ideologischen Orientierungen entwickelten sich die vier größten Parteien, die heute die Politik tonangebend bestimmen: Die Freisinnig-demokrati-sche Partei (FDP), die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP), die Sozialdemokrati-sche Partei der Schweiz (SPS) und die Schweizerische Volkspartei (SVP). Der einstige �„Milieucharakter�“ insbesondere der CVP und der SPS hat sich seit den 1950er Jahren ver-flüchtigt: Die Zusammensetzung der Parteien entspricht heute weitgehend sog. Volkspar-teien, deren Wählerschaft quer durch alle sozialen Schichten verläuft. Die nachstehende Charakterisierung kann die z.T. bedeutsamen Unterschiede der kantonalen Parteien hin-sichtlich politischer Ausrichtung und Wählerschaft nicht berücksichtigen. �– Die FDP (Wähleranteil 2007: 15,8%), im 19. Jahrhundert eine lockere Gruppierung

von Freisinnigen, Radikalen, Demokraten und Liberalen, betrachtet sich historisch als die staatsgründende und staatstragende Partei, vertritt liberales Gedankengut, verfügt über die engsten Beziehungen zu Industrie, Banken und Gewerbe und hat damit den höchsten Einfluss auf die Wirtschaftspolitik. Sie vertritt in erster Linie die Interessen der Unternehmerschaft, der Freiberuflichen sowie des Mittelstands und hat sich im Zuge der neo-liberalen und neo-konservativen Welle der 1980er Jahre ideologisch neu profiliert.

�– Die CVP (Wähleranteil 2007: 14,5%) bildete im 19. Jahrhundert das katholische Lager der Konservativen, die sich als Minderheit im Bund auf die Stammlande �„ihrer�“ katho-lischen Kantone zurückzogen und sich dort gegen die laizistische Politik des Freisinns einigelten. Ihr Erfolg beim Bund begann mit der Überwindung der diskriminierten Ghettoposition in der sog. Kulturkampfzeit durch Hinnahme der Trennung von Kirche und Staat und durch Integration in die Regierung. Die Katholisch-Konservativen bilde-ten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den wichtigsten bürgerlichen Bündnis-partner des Freisinns, und dies trotz ihres christlich-sozialen Parteiflügels (Altermatt 1986). Geblieben ist das Merkmal einer katholisch-konfessionellen Partei, die ihre

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Wählerschaft eher in den ländlichen Kantonen findet. Mit der Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten in der Zauberformel von 1959, die auf ihre Initiative zurück-geht, positionierte sie sich vornehmlich in den 1970er Jahren als Partei der Mitte und versuchte, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen im Rahmen eines modernisti-schen, christlichen Weltbildes zum Ausgleich zu bringen (Altermatt 1991b). Seit den 1990er Jahren bekundet die CVP Mühe, ihr traditional orientiertes Wählerpotential zu halten.

�– Die SPS (Wähleranteil 2007: 19,5%) ist die traditionelle Repräsentantin der Arbeiter-schaft, der entgegen den Katholisch-Konservativen die Integration in den bürgerlichen Staat verwehrt wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die reine Oppositi-onsrolle verwiesen, schwankte die SPS denn auch lange zwischen klassenkämpferi-scher Fundamentalopposition und sozialdemokratischer Reformpolitik (Degen 1989). Im parteiinternen Konflikt konnte sich letztere durchsetzen. Ihr traditioneller Bündnis-partner sind die Gewerkschaften. Als Regierungspartner vertritt sie die Interessen der Arbeitnehmerschaft, in den letzten 15 Jahren aber auch zunehmend ökologische Postu-late sowie die Gleichstellung der Frau. Sozial- und Ökologiepolitik sind denn auch die Bereiche von Themenführerschaft und hohem Einfluss, während ihr z.B. in den Berei-chen der Wirtschafts- oder Finanzpolitik von den bürgerlichen Partnern weniger Mit-sprache zugestanden wird. Mit der gesellschaftlichen Modernisierung hat sich die Wählerschaft der SPS nachhaltig verändert: Die traditionelle Arbeiterschaft, die in der Schweiz zu erheblichem Teil aus nicht stimmberechtigten Ausländern besteht, macht nur einen kleinen Teil der Anhängerschaft aus. Neue Wählerschichten fanden sich bei den Dienstleistern der öffentlichen Hand, den gut Ausgebildeten, den so genannten neuen Professionellen, den Frauen, sowie generell in der städtischen Bevölkerung.

�– Die SVP (Schweizerische Volkspartei, Wähleranteil 2007: 28,9%) entstand nach dem Ersten Weltkrieg als Abspaltung von Bauern und Gewerbetreibenden von der FDP. Sie hatte sich vor allem in protestantischen Kantonen ohne einflussreiche CVP als Al-ternative zur FDP entwickelt. Mit ihrem liberal-konservativen Profil wendet sie sich nicht nur an Bauern und Gewerbetreibende, sondern generell an den bürgerlichen Mit-telstand. Seit den 1990er Jahren profiliert sich die SVP als Opposition gegen die vom übrigen Regierungslager betriebene europäische Integration und erzielt ihre Wahler-folge als Sammelbecken einer rechtskonservativen Wählerschaft. Dadurch gelang ihr bei den letzten nationalen Wahlen der Aufstieg zur wählerstärksten Partei.

6.2 Die Nicht-Regierungsparteien Im 20. Jahrhundert begünstigten das Proporzsystem ohne Quorum sowie die Instrumente der direkten Demokratie neben der föderalistisch-kleinräumigen politischen Kultur die Entwicklung eines Vielparteiensystems. Heute sind neben den vier Regierungsparteien mehr als zehn weitere Kleinparteien mit z.T. bloß kantonaler Bedeutung im Nationalrat vertreten.

Zu einer ersten Gruppe gehören die Kleinparteien der Mitte, die sich vor allem in der Zwischenkriegszeit etablierten: Die Evangelische Volkspartei (EVP, heutiger Wähleranteil: 2,4%) profilierte sich als Pendant zur CVP, ohne aber je auch nur annähernd ihre Bedeu-tung zu erlangen. Die sozial-liberale Bewegung des Landesrings der Unabhängigen (LdU),

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die im Land der Produzentenkartelle oft Vorreiterrolle für Liberalisierungen zugunsten der Verbraucher spielte, hatte ihre Blütezeit in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Welt-krieg. Nach dem Fall in die Bedeutungslosigkeit bei den Nationalratswahlen 1999 wurde die Partei aufgelöst. Einen Sonderfall bilden die Liberalen (LPS, 1,9%), die sich ähnlich wie die SVP von der FDP trennten und als Partei der Selbständigen einen konzentrierten, z.T. neoliberalen, z.T. liberal-konservativen Einfluss in wenigen Kantonen in der Westschweiz aufweisen.

Auf dem linken Spektrum spielten die Kommunisten (später: Partei der Arbeit, PdA; Wähleranteil: 0,7%) eine wichtige Rolle: Sie spalteten sich von der SPS ab, welche sich der Klassenkampfpolitik entzog und sich mit Beginn des Kalten Kriegs endgültig von der kom-munistischen Bewegung abgrenzte. Als Alternative zur relativ orthodoxen Klassenkampf-partei der PdA entwickelten sich neben kurzlebigeren neomarxistischen Splittergruppen nach 1968 vor allem die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH). In jüngerer Zeit hat die radikale Linke an Bedeutung stark eingebüßt. Heute ist auf nationaler Ebene links von der SPS nur noch das Grüne Bündnis übrig geblieben.

Zu einer dritten Gruppe zählen rechtskonservative Parteien. Dazu gehörten die sog. Überfremdungsparteien (Republikaner, Nationale Aktion, heute: Schweizer Demokraten, SD; Wähleranteil: 0,5%), die ihr Ziel einer Begrenzung des hohen Ausländeranteils (derzeit über 20% der schweizerischen Wohnbevölkerung) mit zahlreichen, aber erfolglosen Volks-initiativen zu realisieren versuchten. Auf ähnlich populistische Art versuchte die Autopartei (heute: Freiheitspartei; Wähleranteil: 0,1%) rechtskonservative Parolen mit kurzfristigen, engen Interessen der Autofahrer zu verbinden. Beide Parteien hatten es ab Mitte der 1990er Jahre schwer, neben der SVP zu bestehen. Die SD verlor in den 1990er Jahren die Hälfte ihrer Stimmen, und die Freiheitspartei fiel von einer 5%-Partei 1991 bei den Wahlen 1999 und 2003 in die Bedeutungslosigkeit zurück.

Die wichtigste neue Erscheinung seit Mitte der 1970er Jahre sind aber zweifellos die Grünen (Grüne Partei Schweiz, GPS; Wähleranteil 2007: 9,6%). Sie sind aus den zahlrei-chen Neuen Sozialen Bewegungen entstanden. Wie auch in anderen Ländern haben sie sich erst allmählich dem Erscheinungsbild und der Organisationsform einer konventionellen politischen Partei angenähert und sich dabei zur größten Nicht-Regierungspartei entwickelt. Mit ihren postmateriell-ökologischen Werthaltungen fügt sich die Grüne Partei nicht ohne weiteres ins traditionelle Links-Rechts-Spektrum ein. Dennoch stuft sich ihre relativ junge, gebildete Wählerschaft eher links ein, und ihr wichtigster Bündnispartner sind denn auch die Sozialdemokraten. In diesem Links-Grünen Lager fühlten sich nicht alle ökologisch Gesinnten wohl: 2007 kam es zu einer Abspaltung der Grün-Liberalen, die bei den Wahlen 1,4% der Stimmen mobilisieren konnten.

Im internationalen Maßstab blieben die Parteienstärken in der Schweiz während Jahr-zehnten außerordentlich stabil. Dazu mögen das Ausbleiben von Sozialkatastrophen wie der Weltkriege, die relativ problemlose Wohlstandsentwicklung unter dem Regime der Kon-kordanz, das proportionale Wahlsystem sowie die Neutralisierung des Oppositionspotenti-als durch viele Kleinparteien allesamt beigetragen haben. Das hat sich in den letzten drei Wahlgängen verändert. Sie brachten den Aufstieg der rechts-konservativen SVP als stärkste Partei, die Schwächung der politischen Mitte von FDP und CVP, den Aufstieg der Grünen (zum Teil zu Lasten der SP) sowie die Wählerverluste oder gar das Verschwinden von Kleinparteien. Die geringe Wahlbeteiligung von unter 50% erklärt sich vor dem Hinter-grund der geringen Bedeutung der Wahlen auf Bundesebene: Anders als in einem parla-

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mentarischen System haben die Wähler im schweizerischen System direkten Einfluss we-der auf die personelle noch auf die parteimäßige Zusammensetzung der Regierung. So wie Koalitionsbildungen z.B. einer Mitte-Rechts- oder Mitte-Links-Regierung mit entsprechen-den Programmen für die Politiker in der Referendumsdemokratie riskant und deshalb unatt-raktiv sind, so mag die Wahl angesichts des Fehlens großer Alternativen für die Wähler-schaft relativ uninteressant sein Ähnlich wie bei den low salience-Wahlen ins Europäische Parlament hängt die Teilnahme an der Wahl vor allem vom politischen Interesse und von noch vorhandenen Parteibindungen ab (Kriesi/Linder/Klöti 1998). Tabelle 2: Stärkeverhältnisse der politischen Parteien (Nationalratswahlen 1995 bis 2007, Sitzverteilung in

National- und Ständerat sowie im Bundesrat) Partei Stimmenanteil (%) Sitze im Nationalrat Sitze im Ständerat Sitze im Bundesrat 1995 1999 2003 2007 1995 1999 2003 2007 1995 1999 2003 2007 1995 1999 2003 2007Regierungsparteien Freisinn FDP 20,2 19,9 17,3 15,8 45 43 36 31 17 17 14 12 2 2 2 2Sozialdemokraten SPS 21,8 22,5 23,3 19,5 54 51 52 43 5 6 9 9 2 2 2 2Christlich-Demokraten CVP 16,8 15,9 14,4 14,5 34 35 28 31 16 15 15 15 2 2 1 1Volkspartei SVP 14,9 22,5 26,7 28,9 29 44 55 62 5 7 8 7 1 1 2 2 Zwischensumme 73,7 80,8 81,7 78,7 162 173 171 167 43 45 46 43 7 7 7 7 Nicht-Regierungsparteien Grüne GPS 5,0 5,0 7,4 9,6 8 8 13 20 �– �– �– 2 �– �– �– �–Grünliberale GLP �– �– �– 1,4 �– �– �– 3 �– �– �– 1 �– �– �– �–Freiheitspartei 4,0 0,9 0,2 0,1 7 �– �– �– �– �– �– �– �– �– �– �–Partei der Arbeit PdA 1,2 1,0 0,7 0,7 3 2 2 1 �– �– �– �– �– �– �– �–Liberale LPS 2,7 2,3 2,2 1,9 7 6 4 4 2 �– �– �– �– �– �– �–Schweizer Demokraten SD 3,1 1,8 1,0 0,5 3 1 1 �– �– �– �– �– �– �– �– �–Landesring der Unabhängigen LdU 1,8 0,7 �– �– 3 1 �– �– 1 �– �– �– �– �– �– �–Evangelische Volkspartei 1,8 1,8 2,3 2,4 2 3 3 2 �– �– �– �– �– �– �– �–Sonstige 6,7 5,8 4,5 4,7 5 6 6 3 �– �– �– �– �– �– �– �– Zwischensumme 26,3 19,3 18,3 21,3 38 27 29 33 3 1 �– 3 �– �– �– �– Gesamt 100 100 100 100 200 200 200 200 46 46 46 46 7 7 7 7

Quelle: Bundesamt für Statistik. 6.3 Neue Soziale Bewegungen und Parteien Die Neuen Sozialen Bewegungen (Friedens-, Anti-AKW-, Umwelt-, Frauenbewegung und andere) erregten in den 1970er Jahren auch in der Schweiz große Aufmerksamkeit und haben eine starke Entwicklung hinter sich (Giugni 2006; Gruner/Hertig 1983; Duvanel/ Levy 1984; Kriesi 1981; 1985; 1995b). Wie in anderen Ländern traten sie issue-zentriert auf und brachten traditionelle �„Nicht-Politik�“-Bereiche durch unkonventionelle Basis-Aktivitäten auf die politische Agenda, ohne sich auf institutionelle Bindungen festlegen zu lassen. Sie zogen spontane, ad hoc organisierte Aktionen der dauerhaften formalen Organi-sation vor, verweigerten sich der Kultur des politischen Kompromisses und mobilisierten als Opposition neue Schichten. Die neuen Bewegungen entstammen nicht nur einem �„alter-nativen�“, sondern ebenso einem progressiv-linken wie konservativ-rechten Protestpotential. Die Instrumente der direkten Demokratie eröffneten den Neuen Sozialen Bewegungen in

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der Schweiz vorteilhafte Einflussmöglichkeiten auf die institutionelle Politik, bargen aber zugleich das Risiko der Integration und des Versickerns von Protest (Epple-Gass 1991). Die Aktivitäten der Neuen Sozialen Bewegungen dauern an, haben sich aber im Vergleich zu den 1970er Jahren in mehrfacher Hinsicht �„normalisiert�“: Zunächst sind Bewegungen generell stärker organisiert. Für einzelne Basisbewegungen wie die Umweltbewegung gibt es heute professionelle, dauerhaft profilierte Organisationen wie den WWF oder die eigent-liche politische Partei der Grünen. Sodann suchen viele dieser Organisationen nach Einfluss in der institutionellen Politik. Sie verändern und erweitern damit die Akteurszene, mit der die Behörden in der Referendumsdemokratie generell zu rechnen haben. Schließlich haben sich die einstigen Gegensätze zwischen Neuen Sozialen Bewegungen und institutioneller Politik stark relativiert: Viele Aktivist(inn)en Neuer Sozialer Bewegungen sind gleichzeitig in politischen Parteien tätig; ein neuer Typus �„versierter Stimmbürger�“ benutzt pragmatisch sowohl die Register konventioneller wie unkonventioneller Politik. Damit hat sich, trotz oder gerade mit ihrer �„Normalisierung�“, das Innovationspotential der Neuen Sozialen Be-wegungen noch keineswegs erschöpft (Giugni 1995).

7. Interessenverbände Wirtschafts- und Berufsverbände haben eine starke Stellung (Mach 2006): Die geringe Größe des Marktes in einer Kleingesellschaft macht eine Kooperation der Anbieter vorteil-haft. Tatsächlich ist die Schweiz eines der Länder mit den dichtesten Kartellabsprachen. Die Wirtschaftsverbände suchten von Anfang an auch die Kooperation mit dem Staat für jene Dinge, die sie selbst nicht zu leisten vermochten, so etwa den Schutz vor ausländischer Konkurrenz durch Zölle und nichttarifliche Handelsbarrieren, die Durchsetzung allgemein-verbindlicher Berufsnormen oder, in begrenzterem Maße, die Schlichtung der Konflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Der Staat war umgekehrt an der Vollzugshilfe der Verbände interessiert, deren Fachwissen und Organisationen den Aufbau einer staatli-chen Verwaltungsbehörde ersetzen konnten (Hotz 1979; Farago 1985; Gruner 1956; Linder 1983a). Daraus entstanden in der Landwirtschaftspolitik wie in anderen Bereichen zahlrei-che parastaatliche oder halbprivate Vollzugsorganisationen (Steinmann 1988). Es ist also nicht nur dem Referendum zu verdanken, wenn insbesondere die Wirtschaftsverbände ei-nen starken Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, sondern ebenso deren partnerschaftli-cher Rolle im Vollzug, die den Staat entlastet. Damit sind es aber eher die intermediären Organisationen als die Regierung selbst, welche die politische Aufgabenentwicklung steu-ern. Insbesondere die schweizerische Wirtschaftspolitik wurde keineswegs aufgrund genuin politischer Präferenzen der nationalen Regierung oder ihrer Parteien entwickelt, sondern sie reagierte weitgehend pragmatisch, kurzfristig und sektoral auf entsprechende Branchenfor-derungen. So fehlt dem schweizerischen Staat eine konzeptionell angelegte, längerfristige nationale Wirtschafts- oder Industriepolitik, wie sie andere Länder auch im Zeitalter des Neo-Liberalismus zur Erhaltung ihrer Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt betreiben. Das Muster des schweizerischen Korporatismus (Katzenstein 1984; 1985) scheint aber auch deshalb atypisch, weil es sich keineswegs auf die Regulierung des Konflikts zwischen Ka-pital und Arbeit konzentriert, und weil die Arbeitnehmerseite schwächer vertreten ist als in vergleichbaren Ländern wie Österreich oder Norwegen (Armingeon 1997).

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Das schweizerische Verbandssystem ist unter politischer Perspektive zweistufig. Auf unte-rer Ebene finden sich die zahlreichen Berufs- und Branchenverbände, die in das vorparla-mentarische Verfahren einbezogen werden, wenn sie betroffen sind. Auf der oberen Ebene treffen wir auf die sog. Dachverbände. Die wichtigsten sind der Verband der Schweizer Unternehmen (economiesuisse, ehemaliger Vorort), der Schweizerische Gewerbeverband, der Schweizerische Bauernverband sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Sie ver-suchen, die z.T. unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder (z.B. der Arbeitgeber und der Branchenorganisationen oder der Einzelgewerkschaften) gegenüber dem Staat zu bündeln und als Teilnehmer an den meisten Gesetzgebungsarbeiten einzubringen. Die Absprachen zwischen Staat und Spitzenverbänden sind in jüngerer Zeit aus verschiedenen Gründen schwieriger geworden, unter anderem wegen der geringeren Kohäsion der Verbände selbst, dann aber auch deshalb, weil einzelne Verbände und parastaatliche Organisationen im Zuge der Liberalisierung auch des schweizerischen Marktes für den Staat von geringerem Inte-resse sind als früher.

Das Bild der schweizerischen Interessengruppen wäre freilich unvollständig ohne die Erwähnung zahlreicher ideeller Interessengruppen und Non-profit-Organisationen, die im Bereich z.B. der Sozialpolitik eine ähnliche Rolle einnehmen wie die Wirtschaftsverbände in ihrem Bereich. Eine rasante Entwicklung haben in den 1980er Jahren die Umweltorgani-sationen erlebt, und auch die Konsumentenorganisationen haben Rückstände wettgemacht.

8. Verwaltung und Politikvollzug14 8.1 Grundzüge der Verwaltungsorganisation Die Schweiz kennt keine historische Tradition von Staatsverwaltung und Berufsbeamten-tum wie Deutschland oder Frankreich. Beschränkte Ressourcen einer Kleingesellschaft und ein historisch verbreitetes Misstrauen gegen staatliche Macht ließen es zweckmäßig er-scheinen, die öffentliche Verwaltung wie das öffentliche Budget klein zu halten. Dies konn-te erreicht werden: Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes machen heute �– je nach Definition des öffentlichen Sektors �–rund 15% der Gesamtbeschäftigung aus; auch die Staatsquote war bis Mitte der 1990er Jahre mit rund 30% des Sozialprodukts (ohne öffent-liche Unternehmungen und Transfer der Sozialversicherung) im internationalen Vergleich niedrig, hat allerdings im letzten Jahrzehnt stark zugenommen..

Nach der Teil-Privatisierung der ehemals größten öffentlichen Arbeitgeber, der Schweizerischen Bundesbahnen und der Post, entfallen von den rund 500.000 Beschäftig-ten des öffentlichen Dienstes nur noch 15% auf den Bund, während je rund 40% bei den Kantonen und Gemeinden beschäftigt sind. Die Bundesverwaltung mit ihren sieben Depar-tementen zählt gut 35.000 Angestellte. Zur politischen Kultur der Mehrsprachigkeit gehört, dass Deutsch, Französisch und Italienisch als Amtssprachen des Bundes gleichwertig sind, dass Gesetzestexte dreisprachig, z.T. auch in der vierten Landessprache, in Rätoromanisch, verfügbar sind, und dass auf allen Hierarchiestufen der Bundesverwaltung eine proportiona-

14 Als Gesamtdarstellung: Varone 2006.

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le Vertretung der Sprachgruppen gesucht und erreicht wird (Linder/Steffen 2006a; Ger-mann 1984).

Zur �„schlanken�“ Statistik der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz trägt die Miliz-verwaltung bei. Diese beruht auf der Idee nebenberuflicher Tätigkeit für die Öffentlichkeit, die nur bescheiden oder nicht honoriert wird. Vorhandene berufliche Fähigkeiten der Zivil-gesellschaft werden dabei für die Erfüllung öffentlicher Funktionen genutzt; mit der demo-kratischen Wahl oder der Ernennung zu Milizämtern eröffnen sich breitere Chancen politi-scher Partizipation. Viele politische Ämter werden im Milizsystem besorgt: Parlamentarier, Experten- und sonstige Kommissionen aller Stufen, von denen es z.B. auf Bundesebene mehrere Hundert für Beratungs-, Rechtsetzungs- und Vollzugsaufgaben gibt (Germann 1981), ein erheblicher Teil aller kommunalpolitischen Positionen (Geser 1987), soziale Dienste, sowie der Militärdienst (Haltiner 1985). Weiter zur Entlastung tragen die vom Staat ausgelagerte Verbandsverwaltung respektive die parastaatlichen Unternehmungen bei (Kissling-Näf/Wälti 2006; Steinmann 1988). Letztere sind zumeist private Unternehmun-gen und Organisationen, welche teilweise oder ganz mit der Erfüllung öffentlicher Aufga-ben betraut sind. Wir finden sie vor allem im Landwirtschaftsbereich, aber auch in anderen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialverwaltung aller Stufen, und insbesondere bei der Zusammenarbeit der Gemeinden für überörtliche Aufgaben.

8.2 Politikvollzug15 Der Politikvollzug ist geprägt von den strukturellen Eigenheiten der schweizerischen Ver-waltung: Die zumeist dezentrale Umsetzung der Bundesaufgaben bei Kantonen und Ge-meinden kann Vorteile der Einfachheit und Effizienz ausweisen, aber auch den Nachteil unterschiedlichen politischen Willens in der föderalistischen Kantonslandschaft (vgl. z.B. Vatter/Wälti 2003). Der politische Wille zur Umsetzung kann auch in der Schweiz als wichtigster Faktor für Realisierungserfolge oder Misserfolge ausgewiesen werden. Im Voll-zug kann sich die relativ langwierige Kompromissfindung in der Gesetzgebung positiv aus-wirken, da die Vollzugsadressaten beteiligt waren und daher für die Umsetzung zumeist kooperationswillig sind. Für den Politikvollzug nachteilig kann sich das Milizsystem dort erweisen, wo die notwendige Professionalisierung nicht geleistet werden kann (etwa in Kleingemeinden oder Kleinkantonen). Ebenso haben Milizsystem wie Verbandsverwaltung ihre spezifischen Schwächen, Kollisionen zwischen privatem und öffentlichem Interesse transparent werden zu lassen (Linder 1987: 217ff.).

9. Massenmedien16 Die Printmedien in der Schweiz stützten sich in der Vergangenheit auf die Vielfalt einer regional segmentierten Schweizer Gesellschaft und gaben sich überwiegend parteigebun-den. Von beidem ist heute weniger zu spüren. Die Pressekonzentration wirkt über Kantons-

15 Als Überblick: Kissling-Näf/Wälti 2006. 16 Als Übersicht: Donges 2005; Marcinkowski 2006.

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und gar Sprachgrenzen hinaus; in mehreren Kantonen gibt es keine bedeutsame eigenstän-dige Presse und auch keine systematische kantonale Berichterstattung mehr. Die Parteipres-se hat zugunsten publikumsspezifischer Blätter abgedankt. Daraus auf eine qualitativ schlechtere politische Berichterstattung zu schließen, wäre freilich verfehlt: Ein Großteil der Blätter weist dem politischen Teil besondere Aufmerksamkeit zu, und ebenso gilt es als Merkmal der Schweizer Presse, dass sie auch der Auslandsberichterstattung großes Ge-wicht zumisst (Blum, 2005; Bollinger 1986; Meier u.a. 1993.).

Die elektronischen Medien sind �– trotz der Liberalisierungstendenzen und der Locke-rung des Monopols der öffentlichen Anstalten �– grundsätzlich als öffentlicher Dienst mit einem Informationsauftrag konzipiert, der die breite politische Berichterstattung einschließt. Wie in andern Ländern sind elektronische und Printmedien heute als komplementäres Sys-tem zu verstehen: Radio und Fernsehen vermitteln die Erstinformationen, die Tages- und Wochenblätter vertiefen sie (Saxer 1984). Deutschschweiz, Tessin und Romandie bilden heute kommerziell gesehen vergleichsweise kleine, sprachlich segmentierte Teilmärkte. Dies gilt vor allem für das Fernsehen, zum Teil auch für die Printmedien. Welche künftige Me-dienstruktur sich angesichts der fortlaufenden Unternehmenskonzentration, der verstärkten Konkurrenz und Internationalisierung auf dem dynamischen Medienmarkt abzeichnet, ist offen. Noch weniger lässt sich sagen, welche Auswirkungen sich daraus für die politische Kommunikation in der sprachlich segmentierten Kleingesellschaft ergeben (Marcinkowski 2006).

10. Rechtssystem und Verfassungsgerichtsbarkeit Die Bundesversammlung wählt die 38 vollamtlichen und 11 nebenamtlichen Mitglieder des Bundesgerichts in Lausanne auf eine Amtsdauer von sechs Jahren. Auch hier kommt der Proporz in zwei Dimensionen zum Zug: Das Gesetz schreibt vor, dass alle Landessprachen vertreten sein müssen, und die Fraktionen berücksichtigen den Parteienproporz.

Das Schweizerische Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich alle Streitigkeiten in der Anwendung des Bundesrechts. Je nach juristischer Situation ist freilich die Kognition des Gerichts sehr unterschiedlich. Als Verfassungsbehörde beurteilt das Bundesgericht Strei-tigkeiten zwischen den Kantonen sowie zwischen Kantonen und Bund. Es überprüft Geset-ze und Verordnungen von Kantonen und Gemeinden auf ihre Verfassungsmäßigkeit und garantiert die Grundrechte. Hingegen besitzt das Bundesgericht keine Befugnisse zur Über-prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bundesgesetze (Kälin 1987).

Die rechtspolitische Bedeutung des Bundesgerichts kann nicht unterschätzt werden, so etwa bei der Entwicklung und Durchsetzung der Grundrechte und der Europäischen Men-schenrechtskonvention, aber auch bei der Konkretisierung der rechtsstaatlichen Verwal-tungsverfahren oder bei der Vereinheitlichung der Rechtsanwendung in den Kantonen. Oft hat das Bundesgericht die Rolle der Fortentwicklung des Rechts dann übernommen, wenn der Gesetzgeber entscheidungsunfähig war oder wichtige Grundentscheide in der Gesetz-gebung offen ließ (Kälin/Rothmayr 2006).

Auch das Gerichtswesen ist in der Schweiz föderalistisch aufgebaut. Der Großteil der Zivil- und Strafsachen wird erstinstanzlich von Bezirksgerichten beurteilt, während die kantonalen Gerichte und das Bundesgericht die Zweit- oder Letztbeurteilung vornehmen. Ähnliches gilt für das Verwaltungsrecht. Die Kantone besitzen nicht nur eine eigene Ge-

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richtshoheit, sondern regeln zudem das Verfahren durch eigenes Zivil- und Strafprozess- sowie Verwaltungsverfahrensrecht. Hier kommt ein weiterer Grundzug des schweizeri-schen Systems zum Ausdruck: Anders als im amerikanischen Föderalismus gibt es keine parallele Verwaltungsorganisation des Bundes auf unterer Ebene. Vielmehr werden Bun-desaufgaben nach Möglichkeit von den kantonalen und lokalen Behörden vollzogen (orga-nisatorische Subsidiarität).

11. Kantone17 Die 20 Vollkantone (Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuen-burg, Genf, Jura) und die sechs Halbkantone (Ob- und Nidwalden, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden, Baselstadt und -land) sind von unterschiedlichster Größe: So zählt der kleinste Kanton Appenzell Innerrhoden weniger Einwohner als der Kanton Zürich Beamte ausweist. Dessen ungeachtet verfügen alle Kantone über eine eigene Verfassung mit der Regelung einer gewaltenteiligen Staatsorganisation, politischen Rechten und weiteren Grundrechten sowie einem Aufgabenkatalog. Der herausragende Unterschied zum Bund besteht in der Volkswahl der 5 bis 7köpfigen Regierung. Formell ist im Großteil der Kan-tone die Majorzwahl vorgeschrieben. De facto wird sie meist von Teilvereinbarungen eines Proporzes der Parteien überlagert. Trotz eingeschränkter Konkurrenz bringt die Volkswahl der Exekutive in den Kantonen �– wie auch bei den Gemeinden �– zunehmende Wechsel in der persönlichen und parteipolitischen Zusammensetzung.

Der zweite Hauptunterschied zum Bund besteht im viel breiteren direktdemokrati-schen Instrumentarium. Neben der Gesetzesinitiative und dem Obligatorium des Gesetzes-referendums, das etwa ein Drittel der Kantone kennt, ist vor allem das Finanzreferendum zu erwähnen, das bei gewissen, gesetzlich nicht gebundenen Investitionen zum Zuge kommt. Einzelne Kantone kennen ferner das Referendum für wichtige Planungs- und Verwaltungs- oder gesetzgeberische Vorentscheide, sowie das Referendum für gewisse kantonale Stel-lungnahmen gegenüber dem Bund (Lutz/Strohmann 1998). Der Gebrauch der Volksrechte ist von unterschiedlicher Intensität; erwähnenswert ist die gegenüber dem Bund viel höhere Erfolgsrate von Volksinitiativen von rund 40% (Vatter 2002). Hier wie an der Tradition der Landsgemeinden (offene, jährliche Versammlung aller Stimmberechtigten), die sich in einigen Kleinkantonen erhalten hat, wird die Pflege einer vielfältigen Politikkultur sichtbar. Umgekehrt weisen die Kantone im Vergleich zum Bund in jüngerer Zeit eine größere Inno-vationsfähigkeit aus. So haben eine ganze Reihe von Kantonen in den letzten 35 Jahren im Zuge von Gesamtrevisionen ihrer Verfassung nicht nur die Verbesserung der direkten De-mokratie, sondern auch moderne Grundrechtsordnungen eingeführt. Der Kanton Neuenburg schließlich kennt ein beschränktes Ausländerstimmrecht bereits seit 1850, eine Innovation,

17 Zur Rolle der Kantone im schweizerischen Föderalismus: Linder/Vatter 2001. Für eine Gesamtbeschreibung

der politischen Institutionen: Vatter 2002 und Vatter 2007; für die Kantone der Romandie siehe Weibel 1990; instruktive Monographien zu Einzelkantonen: Epple-Gass 1998; Burckhardt 1984. Für eine vergleichende Darstellung der Volksrechte siehe Lutz/Strohmann 1998; Moser 1985; Trechsel/Serdült 1999; aus juristischer Sicht: Auer 1978; Hangartner/Kley 2000; als umfassende, vergleichende Darstellung der kantonalen Parla-mente: Stadlin 1990.

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die allerdings auf kantonaler Ebene mit Ausnahme des Jura keine weitere Nachahmung gefunden hat.18

Die knapp 3.000 schweizerischen Gemeinden unterschiedlichster Größenordnung ver-fügen über eine hohe Autonomie, die zwar kantonal unterschiedlich ausgestaltet ist, vom Bundesgericht aber grundrechtsähnlich geschützt wird. Sie umfasst folgende wichtigste Befugnisse:19 �– Eine eigentliche Bestandsgarantie, die das Recht auf unabhängiges Fortbestehen wie

auf Zusammenschluss mit anderen Gemeinden einschließt und vom Kanton nicht auf-gehoben oder verletzt werden darf;

�– das Recht, sich im Rahmen der kantonalen Gesetzgebung politisch und administrativ selbst auf geeignete Weise zu organisieren;

�– das Recht zur Erhebung eigener Abgaben, sei es in Form einer kommunalen Einkom-menssteuer oder von Gebühren;

�– die selbständige Entscheidungs- und Handlungsfreiheit in allen Bereichen, die nicht in den kantonal- oder bundesrechtlichen Kompetenzbereich fallen.

In der politischen Organisation der Gemeinden lassen sich zwei Hauptformen unterschei-den: Größere Kommunen (ab etwa 20.000 Einwohnern) verfügen über eine vom Volk ge-wählte Exekutive (Kleiner Gemeinde- oder Stadtrat) sowie ein Gemeindeparlament (Großer Gemeinde- oder Einwohnerrat). In kleineren Gemeinden dagegen ersetzt die Gemeindever-sammlung (Vollversammlung der Bürgerschaft) das Gemeindeparlament. Während die Exeku-tive des Gemeinderats also abschließend zuständig ist für die laufenden Geschäfte, sind die wichtigsten Entscheide, aber auch Anträge einzelner Bürger, durch die Gemeindeversamm-lung zu behandeln (Ladner 1991a). In beiden Systemen existieren Formen des Referendums und der Volksinitiative analog zu Bund und Kantonen (Lafitte 1987). In Kleingemeinden beruht die Verwaltung überwiegend auf dem Milizsystem, während größere Gemeinden auf die Milizverwaltung nicht verzichten, sie aber mit Formen der Berufsverwaltung ergänzen (Geser 1987).

Die Kommunalpolitik ist stark von den unterschiedlichen Größenordnungen und Prob-lemlagen geprägt (Ladner/Bühlmann 2007; Auer 2003). Kleingemeinden und ihre Ver-sammlungsdemokratie sind nicht durchweg von Parteien, sondern auch stark von anderen sozialen Interessengruppen bestimmt (Windisch 1976; 1986). Die direkte Demokratie mitt-lerer Gemeinden (Windhoff-Héritier 1981) steht in starken Ambivalenzen zwischen Basis- und Eliteneinfluss (Bassand 1976) und ist in der Deutschschweiz stärker ausgeprägt als in der Westschweiz (Huissoud/Joye 1991), die den Ideen des Repräsentativsystems französi-scher Art näher steht. Das deutlich angestiegene gesellschaftliche Konfliktniveau in der Schweiz schließlich äußert sich in manchen Städten in einer Polarisierung und Hinwendung zu links-grüner oder bürgerlicher Blockwahl und entsprechender Mehrheitspolitik.

18 Die Kantone Waadt, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Freiburg erlauben jedoch das Ausländer-

stimmrecht auf Gemeindebene. 19 Zu Stellung und Funktionen der Gemeinden allgemein: Horber-Papasian 2006; Geser 1987; Linder 1980;

1992; 2005 und Meylan 1987; im Verhältnis zum Bund und rechtsvergleichend: Thürer 1986.

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12. Internationale Beziehungen und Europapolitik Als Kleinstaat hat sich die Schweiz bis heute der außenpolitischen Maxime der dauernden und bewaffneten Neutralität verpflichtet (Goetschel 2006; Wenger 2006; Riklin 1991; ver-gleichend etwa Ross 1989). Dabei ging die Schweiz bis in die jüngste Zeit über die völker-rechtlichen Verpflichtungen der Haager Konvention hinaus: Über die Nichtbeteiligung an kriegerischen Konflikten von Drittstaaten hinaus verzichtete die Schweiz im Namen ihrer Neutralität z.B. auf den Beitritt zur UNO oder die Beteiligung an ihren Wirtschaftssanktio-nen. Mit dem Ende des Ost-West- Konflikts, mit der zunehmenden Bedeutung der Systeme kollektiver Sicherheit und im Zuge der europäischen Integration verlor die Neutralität aller-dings jene Bedeutung, die sie während der beiden Weltkriege zur Behauptung der äußeren Unabhängigkeit und seit 1945 zur Vermittlung �„Guter Dienste des Neutralen�“ innehatte und wurde partiell zu einem Risiko außenpolitischer Isolation (Riklin 1995; Gabriel 1997; Bächler 1994). Seit seinem Bericht von 1993 zur Neutralitätspolitik, worin der Bundesrat eine Neuorientierung der Neutralitätspolitik ankündigte, ist eine verstärkte Kooperation und aktivere Beteiligung der Schweiz auf Ebene der inter- und supranationalen Organisationen zu vermerken.

Das wichtigste Ergebnis dieser außenpolitischen Öffnung war der Vollbeitritt zur UNO. War dieser Schritt in der Volksabstimmung 1986 noch deutlich abgelehnt worden, stimmten Volk und Stände 2002 dem Vollbeitritt zu. Damit erweitert die Schweiz ihre aktive Rolle in der Außenpolitik, die sich vorher auf den Bereich der Außenwirtschaftspoli-tik im Rahmen der WTO oder der OECD oder auf humanitäre Organisationen wie das In-ternationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) konzentriert hatte, wo die Schweiz einen originären Beitrag internationaler Vermittlung und Zusammenarbeit leistet. Mit der Globa-lisierung generell verbunden ist eine Internationalisierung der schweizerischen Entschei-dungsprozesse (Fischer 2006).

Auf europäischer Ebene ist die Schweiz u.a. Mitglied des Europarats, der EFTA und der OSZE. 1992 wollten Bundesrat und Parlament dem EWR-Vertrag beitreten. Die Vorla-ge scheiterte deutlich am Ständemehr, aber nur knapp am Volksmehr. Die Abstimmung signalisiert eine gespaltene Schweiz hinsichtlich der Europafrage, die immer noch nach-wirkt. Auch wenn die Außenwirtschaftsbeziehungen zur EU auf dem Weg bilateraler Ver-träge bis heute befriedigend gestaltet werden konnten, muss sich die Schweiz auf lange Sicht entscheiden zwischen einem �„Alleingang�“ im Zentrum Europas und einer Teilnahme am europäischen Integrationsprozess, der in die EU-Mitgliedschaft führt.

13. Ausblick 13.1 Institutioneller Reformbedarf Paradoxerweise steht die politische Konkordanz, die von außen betrachtet Vorzüge auf-weist, in der Schweiz seit Anbeginn oft im Zentrum institutioneller Kritik (als einer der ersten: Imboden 1964). Mit der Reideologisierung der politischen Parteien (zunächst der Linken nach 1968, später der Bürgerlichen durch die Welle des Neo-Liberalismus und -Konservatismus), dem Entstehen der neuen Konfliktlinie von materiellen und postmate-riellen Werten, dem Anwachsen sozialer Spannungen im Zuge der Globalisierung, ist der

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Ausgleich schwieriger geworden. Auch das schweizerische Sozialstaatsmodell steht unter Beschuss; mit dem Verlust ehemaliger Standortvorteile wird nicht mehr der Stabilität und dem Ausgleich, sondern der internationalen Konkurrenzfähigkeit und Innovation durch Deregulierung das Wort geredet. Periodisch verlangen einzelne Politiker oder Parteien die Aufkündigung der Konkordanz. Raimund E. Germann (1975; 1994) hat freilich schon vor geraumer Zeit aufgezeigt, dass die Annäherung an ein Konkurrenzsystem mit relativ großen institutionellen Veränderungen verbunden wäre: Einem �„starken�“ Majorzwahlsystem, der Umkehr der föderalistischen Kompetenzvermutung zugunsten des Bundes, der Preisgabe der Gleichwertigkeit von Volks- und Ständekammer und schließlich dem Abbau der Volks-rechte zur Verminderung der Konkordanzzwänge. All dies sind indessen Vorschläge, die bei der (gescheiterten) Totalrevision der Bundesverfassung in den 1970er Jahren als zu große und nachteilige Innovationsschritte erachtet wurden. Zu den Stimmen, die zu Beginn der 1990er Jahre eine grundsätzliche Überprüfung des Konkordanzsystems verlangten, gehörten der Bericht der Expertenkommission �„Schweiz morgen�“ (1991), Bor-ner/Brunetti/Straubhaar 1990, Germann 1994, Linder 1991 und Linder/Ballmer-Cao 1991. In jüngerer Zeit ist die Abschaffung der Konkordanz kein politisches Thema mehr, obwohl auf Ebene des Parteiensystems eine starke Polarisierung zwischen der rechtskonservativen Volkspartei und dem links-grünen Lager stattgefunden hat.

Ebenso verstummt ist die Kritik an der starken Veto-Position der kleinen, zumeist ländlichen Kantone: die Gewichtung zwischen demokratischer und föderalistischer Ent-scheidungsregel hat sich wegen des relativen Bevölkerungsrückgangs in den kleinen Kan-tonen stark zugunsten der letzteren verschoben: Aufgrund des gleichen Gewichts jedes Kantons beim Ständemehr wiegt die Stimme eines Urners in der Verfassungsabstimmung gleich viel wie 34 Zürcher Stimmen, während es um 1860 nur 17 Zürcher Stimmen waren. 9% der Stimmberechtigten aus den 11,5 kleinsten Kantonen haben theoretisch eine Vetopo-sition gegenüber der demokratischen Mehrheit. Das kommt einer Abwertung des Demokra-tieprinzips (eine Person = eine Stimme) gegenüber dem Föderalismusprinzip (ein Kanton = eine Stimme) gleich, die sinngemäß auch für das Verhältnis von National- und Ständerat gilt (Germann 1991). Dass Minderheiten dank föderalistischer Entscheidungsregeln demo-kratische Mehrheiten �„aushebeln�“ können, liegt in der Natur der Sache. Politische Vorstöße für eine Neugewichtung der Standesstimmen (z.B. drei Stimmen für die großen, zwei für die mittleren und eine Stimme für die kleinen Kantone) blieben erfolglos.

Zur Jahrtausendwende stimmten Volk und Stände der Gesamtrevision der Bundesver-fassung zu. Sie wurde jedoch als eine bloße �„Nachführung�“ der bisherigen Grundordnung konzipiert, die eine größere Übersichtlichkeit in die Ordnung der Bundesaufgaben und die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen brachte. Zu eigentlichen Strukturverände-rungen gelangte die Revision nicht. In den vergangenen zwanzig Jahren scheiterten mehre-re Anläufe einer Regierungsreform, mit der eine Anpassung an die gesteigerte Geschäftslast und eine einheitlichere politische Führung hätten erreicht werden sollen. Ähnlich erging es der Reform der Volksrechte. Expertenentwürfe zu ihrer systematischen Vereinfachung und Verwesentlichung scheiterten schon im Vorfeld der parlamentarischen Beratung. Die Ver-änderungen, die das Parlament schließlich dem Volk vorlegte, sind zwiespältig: die Aus-weitung des Referendums im Bereich völkerrechtlicher Verträge birgt Risiken außenpoliti-scher Isolation, während sich ein kompliziertes Verfahren zur indirekten Einführung der Gesetzesinitiative als nicht praktikabel erwies. Besser erging es der Reform des schweizeri-schen Föderalismus. Falsche Anreize des Subventionssystems wurden korrigiert, die Auf-

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gabenteilung bereinigt sowie der Finanzausgleich und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf eine neue Basis gestellt.

Die hohen Konsenshürden der Konkordanz und des Föderalismus lassen also insge-samt nur kleinere Reformschritte zu. Daraus insgesamt auf eine Systemschwäche zur politi-schen Innovation zu schließen, wäre aber wohl voreilig. In der Anpassung vieler politischer Programme angesichts der Globalisierung hat das schweizerische System hohe Flexibilität gezeigt. Der Grund liegt im Anpassungsdruck, der von der wirtschaftlichen Globalisierung ausgeht. Politisch wie ökonomisch ist die Schweiz, mit ihrem hohen Exportanteil der Wirt-schaft und im europäischen �„Alleingang�“, gleichermaßen exponiert und verletzbar. Das alles hat in den letzten zwanzig Jahren für sehr viel mehr Bewegung in der eidgenössischen Politik gesorgt.

13.2 Die schweizerische Konkordanz: Modell für andere Demokratien? Sieht man von der Eigentümlichkeit der direkten Demokratie einmal ab, so erscheint das schweizerische System im internationalen Vergleich weit weniger als �„Sonderfall�“ denn als �„Modellfall�“ einer Konsensdemokratie, die auf der Gegenseite des Kontinuums zur Mehr-heitsdemokratie des �„Westminster�“-Modells liegt. In Arend Lijpharts (1984; 1999) Typolo-gie sind dabei für die Schweiz die Elemente des Föderalismus und der proportionalen Be-teiligung an den politischen Entscheidungen von besonderer Bedeutung, denen durchweg Verhandlungscharakter zukommt. Das strukturelle Verfassungselement des Föderalismus datiert aus dem 19. Jahrhundert und sorgt für die vertikale Machtteilung, das jüngere der proportionalen Vertretung und des Verhandlungsverfahrens ermöglicht die horizontale Machtteilung.

Die Konkordanz- oder Verhandlungsdemokratie wird �– von der Output-Seite her be-trachtet �– ambivalent beurteilt: Sie dürfte ein geringeres Maß an Innovation ausweisen als die konkurrenzielle Mehrheitsdemokratie, entspricht aber offensichtlich einem Bedürfnis moderner Industriegesellschaften nach politischer Kompromisstechnik (Lehner 1987). Nach neueren Untersuchungen schneiden konkordante Systeme bezüglich ihrer Leistungs-fähigkeit in der Wirtschafts- und Sozialpolitik keineswegs ungünstiger ab als Konkurrenz-systeme (Freitag/Vatter 2000). Viel bedeutsamer dürfte allerdings die Bedeutung der Input-Seite sein: Eine ausgeprägte Konsensdemokratie hat in der Schweiz die Integration und Identitätsbildung einer mehrsprachigen, konfessionell, vom Stadt-Land- und später vom Kapital-Arbeit-Gegensatz geprägten Gesellschaft über politische Institutionen und Prozesse ermöglicht. Sie hat �– ebenso bedeutsam �– die Staatsbildung einer multikulturellen Gesell-schaft erlaubt, die sich vom monokulturellen Nationalismus des 19. wie des ausgehenden 20. Jahrhunderts deutlich abhebt.

Dieser Umstand ist über die schweizerische Kleingesellschaft hinaus von Bedeutung. Der Konflikt multikulturellen Zusammenlebens verschärft sich weltweit, gleichgültig ob in fortgeschrittenen Industriegesellschaften oder in Ländern der ehemaligen Zweiten oder der Dritten Welt. Oft steht dabei das vorherrschende Modell der Mehrheitsdemokratie der friedlichen Lösung von Konflikten im Weg: Strukturelle Minderheiten von Ethnie, Religion oder Sprache haben wenig Chancen auf Stimme und Einfluss: Weder die Afroamerikaner in den USA, noch die Katholiken in Nordirland, noch die Araber in Israel profitieren von den Möglichkeiten des periodischen Machtwechsels der Mehrheitsdemokratie. Zur Lösung der

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Konflikte multikultureller Gesellschaften weist dagegen das Modell der Konsensdemokratie offensichtliche Vorteile aus (Montville 1990; McRae 1990): Power sharing bedeutet propor-tionalen oder gar überproportionalen Einfluss für gesellschaftliche Gruppen, die auch als strukturelle Minderheiten Sitz und Stimme erhalten, und scheint geeignet, die nation-state fallacy (Ra�’anan 1990) des monokulturellen Nationalismus zu vermeiden. Power sharing ist allerdings, wie Lijpharts Untersuchungen nahe legen, kein einheitliches Systemmodell, son-dern kann sich aus der Kombination verschiedenster Elemente zusammensetzen.

Schließlich verweist gerade das schweizerische Beispiel auf die Bedeutung des kultu-rellen Faktors: Verhandlung und Kompromiss als Muster kollektiver Konfliktlösung sind nicht erst mit den modernen politischen Institutionen eingeführt worden, sondern finden sich als verbreitetes Verhalten in der vordemokratischen Geschichte der Eidgenossenschaft. Die konsensuale Konfliktlösungstradition der segmentierten, vorindustriellen Kleingesell-schaft war vielleicht gar eine Voraussetzung für die späteren Lernprozesse, die in den Strukturen des demokratischen power sharing die alten kulturellen Spaltungen überwinden und einen politischen Pluralismus für eine moderne, multikulturelle Gesellschaft entwi-ckeln ließen.

Die schweizerischen Institutionen sind also nicht ein ideales, sondern ein mögliches Modell des power sharing, von dessen Erfahrungen andere Länder zwar höchstens in der Umsetzung auf die eigene Gesellschaftskultur, aber doch partiell profitieren können.

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