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1 Wirtschaft neu denken Ansätze und Bausteine einer lebensdienlichen Ökonomie Bernd Winkelmann, Akademie Solidarsche Ökonomie Bearbeitungsstand 21.3. 2011 Zum Seminartag Murrhardt 19.3. 2011 I. Charakter und Ursachen der heutigen Wirtschaftskrise 1. Die Grundparadoxien unserer Zeit und erste Schlussfolgerungen 2. Die Ursachenfrage – Prinzipien, Ideologie, Mechanismen kapitalistischer Wirtschaftsweise 3. Schlüsselfrage Menschenbild Exkurs Wirtschaftswachstum II. Leitvorstellungen und Ansätze einer lebensdienlichen Ökonomie 1. Reformen im oder jenseits des Kapitalismus? 2. Gesellschaftliche Transformationsprozesse 3. Persönliches Handeln 1. Grundanliegen einer lebensdienlichen Ökonomie 2. Das ganzheitliche Menschenbild und Lebensverständnis 3. Ökonomische Leitvorstellungen einer lebensdienlichen Wirtschaftsweise III. Bausteine einer lebensdienlichen Ökonomie („Systemweichen“) 1. Neue Eigentumsordnung 2. Neue Finanzordnung 3. Partizipatorische Unternehmensverfassung 4. Leistungsgerechtes Lohnsystem 5. Ganzheitliche Arbeitskultur 6. Solidarisches Steuer- und Sozialsystem 7. Ökologische Nachhaltigkeitsökonomie 8. Ökosoziale Globalisierung VI. Frage der Umsetzbarkeit, politische Transformationsprozesse

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Wirtschaft neu denkenAnsätze und Bausteine einer lebensdienlichen Ökonomie

Bernd Winkelmann, Akademie Solidarsche Ökonomie Bearbeitungsstand 21.3. 2011 Zum Seminartag Murrhardt 19.3. 2011

I. Charakter und Ursachen der heutigen Wirtschaftskrise

1. Die Grundparadoxien unserer Zeit und erste Schlussfolgerungen 2. Die Ursachenfrage – Prinzipien, Ideologie, Mechanismen kapitalistischer Wirtschaftsweise3. Schlüsselfrage MenschenbildExkurs Wirtschaftswachstum

II. Leitvorstellungen und Ansätze einer lebensdienlichen Ökonomie

1. Reformen im oder jenseits des Kapitalismus? 2. Gesellschaftliche Transformationsprozesse3. Persönliches Handeln

1. Grundanliegen einer lebensdienlichen Ökonomie2. Das ganzheitliche Menschenbild und Lebensverständnis3. Ökonomische Leitvorstellungen einer lebensdienlichen Wirtschaftsweise

III. Bausteine einer lebensdienlichen Ökonomie („Systemweichen“)

1. Neue Eigentumsordnung 2. Neue Finanzordnung 3. Partizipatorische Unternehmensverfassung 4. Leistungsgerechtes Lohnsystem5. Ganzheitliche Arbeitskultur 6. Solidarisches Steuer- und Sozialsystem7. Ökologische Nachhaltigkeitsökonomie 8. Ökosoziale Globalisierung

VI. Frage der Umsetzbarkeit, politische Transformationsprozesse

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Grundparadoxie unserer Zeit

● Einerseits fortlaufende Steigerungen menschlicher Potentiale: der Arbeitsproduktivität, der Reichtümer und Geldvermögen, der wissenschaftlichen, auch ökologischen Erkenntnisse und der technischen Fähigkeiten – das alles in einem Tempo und in einer Höhe, wie es das in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat (M.Miegel „Stichflammenentwicklung“)

● Andererseits keine Lösung, sondern Zuspitzung gesellschaftlicher Grundprobleme von Armut und Hunger, von Fremd- und Selbst-ausbeutung im Arbeitsprozess, von Umwelt-zerstörung, sozialen Spannungen, kriegerischen Konflikten...

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Exemplarische Zahlen für Deutschland:

● Die Staatsverschuldung stieg in den letzten Jahren um jährlich ca. 7%; lag 2010 bei 1,8 Bio. €, das sind 74% des BIP, pro Kopf 21.490 €.

► Das Privatvermögen in Deutschland bis 2007 jährlich um ca. 7% gewachsen; 2001 bis 2008 von 3,6 auf 8 Bio. € angestiegen!

 Davon besitzen die 10% des oberer reichen Bevölkerungsanteils ca. 56% des Nettoprivat- vermögens (Anstieg um ca. 10% in sechs Jahren); - die 50% des unteren Bevölkerungsanteil besitzen 3,5% des NPV (Verringerung in 6 Jahren um 15%)  

● Die Arbeitsproduktivität stieg in D von 1960 bis 2000 um das 4-fache, das BIP um das 10-fache. > Die Arbeitszeit ist von 1885 bis 1985 von ca. 70 WStd. auf 40-35 WStd. gesunken. > Seit 20 Jahren steigt sie wieder auf 40-50 WStd. > Aber etwa 20% der Erwerbsfähigen werden aus regulärer Erwerbsarbeit ausgeschlossen.

Die 30 größten DAX-Unternehmen steigerten ihre Gewinne 2004 um 100% auf 35,7 Mrd. €, strichen im selben Jahr aber 35.000 Stellen in Deutschland („Entlassungsproduktivität“)

Die Einkommen der Manager sind in den letzten 10 Jahren um ca. 300% gestiegen, der Bruttolohn der Lohnempfänger von minus 2 bis plus 10%.

Die Armutsrisikoquote von 1998 zu 2003 von 12,1% auf 13,5% gestiegen (2006 jeder 6.Bürger betroffen). Verschuldetet Haushalten in Deutschland 2005 ca. 3 Mill. von 39 Mil. = 8%, steigende Tendenz.

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Exemplarische Zahlen für die Welt

► Seit 1991 (in 20 Jahren) ist das Welt-Brutto-sozialprodukt um über das 2-Fache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum verdoppelt.

2008 besaßen die 20% reichen Industrievölker 83% des Weltvermögens; die 80% ärmere Staaten 17%. (1990 noch Verhältnis 20% zu 80%) 2004 verfügten die 500 größten Weltkonzerne über 52% des Weltbruttosozialproduktes.

Auf der Erde sterben täglich 100.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen; alle 5 Sekunden ein Kind unter 10 Jahren – gegenläufig zum Millenniumsziel.

 Rüstungsausgaben jährlich weltweit ca. 1 Bio. US$; für Entwicklungshilfe nur 1/12. Deutschland drittgrößte Rüstungsexporteur (nach USA und Russland). Anstieg der Rüstungsexporte aus Deutschland 2006 bis 2009 um 10%.

 Ausgaben der Industriestaaten für Produktions- und Exportsubventionen landwirtschaftlichen Produkte 349 Mrd. Dollar (½ Mrd. Dollar pro Tag) – dies ruinierten die Landwirtschaft in Entwicklungsländer.

Meadows „Grenzen des Wachstums“, S.43

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Umweltverbrauch

● Wissen und Technologie wären dafür vorhanden (Herrmann Scheer, Al Gore), doch entsprechende Umbauvorschläge werden abgelehnt (Wachstumsgefährden). So entgegen dem Kiotoprotokoll weiterer Anstieg CO2 Ausstoß.

► Der Umweltverbrauch (Ökologischer Fußabdruck) liegt weltweit 20-30% über dem ökologisch vertretbaren Maß, - in D bei dem 4-fachen, - in den USA bei dem 10-fachen.

● Damit die Erdtemperatur nicht über 2 Grad ansteigt, müsste in 10-20 Jahren der CO2-Pro-Kopf-Ausstoß - in D von 11 t auf 2 t abgesenkt werden, - in den USA von 19 t auf 2t .

● Rohstoffverbrauch ist weltweit von 1980 – 2010 um 62% gestiegen. „Peak Oil“ heute oder in 10 Jahren, „Peak Everything“ in nächsten Jahrzehnten (Niko Paech)..

Meadows „Grenzen des Wachstums“, XVII

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Erste Schlussfolgerungen

3. Will man die Fehlentwicklungen unserer gegenwärtigen Zivilisation überwinden, muss auf mentaler und struktureller Ebene die systemische Ursachenfrage gestellt und der systemische Umbau unseres Wirtschaftssystems gesucht werden: - Was wird falsch gedacht? - Was funktioniert falsch?

- Was müsste wie anders funktionieren?

2. Bei der Lösung der Krise kann es primär nicht um noch mehr Reichtum, um noch mehr Wachstum und noch schnellere technische Entwicklung gehen, sondern um einen grundlegenden anderen Umgang mit Reichtum, Können und Vermögen.

1. Der Kern der zivilisatorische Krise unserer Zeit liegt nicht in der mangelnden Leistungsfähigkeit ihrer Wirtschaft, sondern in ihrem ethischen, politischenund ökonomischen Unvermögen, mit Hilfe der Reichtümer die sozialen und ökologischen Problemeunserer Zivilisation zu lösen.

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Die Ursachenfrage

►Vordergründige Ursache: für die 2008 ausgebrochene Finanz- und Wirt- schaftskrise wird gesehen: 1. die Gier der Finanzmager, der Investmentbanker, der Kapitalanleger („Gier macht blind, dumm“ Verantwortungslosigkeit fachliches Versagen). 2. Die mangelnde Kontrolle der Finanzmärkte.

►Dahinterstehende Fehlentscheidung der Politiker, die sich flächendeckende ab 2000 durchsetzten: Beschlüsse der Parlamente, abschöpfende „Finanzprodukte“ zuzulassen (gemischte Fondspakete, Derivatenhandel, Hedgefonds, Leerverkäufe usw.).

● Zitat aus CDU-Wahlprogramm 2005: "Wir entschlacken die Vorschriften zum Kreditwesengesetz und führen die bestehende Überregulierung bei der Bankenaufsicht auf das notwendige Maß zurück. Wir schaffen international attraktive Bedingungen für Wagniskapital, um die Gründung von innovativen Unternehmen zu fördern. Wer wagt, der gewinnt.“

● Michael C. Burda, Prof. für Wirtschaftstheorie Humboldt-Univ. Berlin: (Spiegel 4/2009):

“Als Ökonom kann ich diese Gier nicht verurteilen. Ich muss sie sogar loben! Ohne das Streben nach Gewinn, das der Motor unseres Wirtschaftsstreben ist, wäre der Wohlstand, denn wir genießen, unmöglich.“

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Kernursache der ökonomischen Fehlentwicklung

Leitprinzipien kapitalistischer Wirtschafweise: 1. das Kapitalisierungsprinzip: aus Geld muss mehr Geld werden 2. das Privatisierungsprinzip: Privatisierung jeder Wertschöpfung (Akkumulation der Wertschöpfung in Privatverfügung)

Also nicht die Bereitstellung nützlicher Güter, Dienstleistungen und sinnvoller Arbeitsplätze für alle, sondern Profitmaximierung und Mehrung des Kapitals in Privatverfügung als Ziel und Zweck allen Wirtschaftens (Renditensteigerung als Ziel unternehmerischen Handelns).

Daraus vier weitere kapitalistische Prinzipien:1. Das Verwertungsprinzip: alles muss zur Geldvermehrung verwertet werden, „muss sich rechnen“: Natur, Mensch, Kultur, Religion... = Monetarisierung des Lebens;2. Das Konkurrenzprinzip: Wirtschaften im Gegeneinander, im gegenseitigen Über- vorteilen, Verdrängen...3. Der Wachstumsprinzip auf Grund des Profitmaximierungsprinzips, des Wachstums- wettlaufs – durch Konkurrenzprinzip erzwungen ...4. Das Externalisierungsprinzip: Abschieben aller Last- und Folgekosten (Natur, Soziales) auf Allgemeinheit – Folgen des Profitmaximierungsprinzips..5. Das Deregulierungsprinzip der Wirtschaft: weitgehendster Rückzug von Staat und Regeln aus Wirtschaft

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● ein Welthandelsordnung, die die reichen Länder gegenüber Entwicklungsländern bevorteilt (Agrarexportsubventionen, einseitiger Protektionismus u.a.)

Systemfehler – Mechanismen kapitalistischer Wirtschaftsweise (strukturelle Ebene)

● das Finanzwesen: > mit spekulativem Geldhandel (neue „Finanzprodukte“), > im abschöpfendem Bankwesen, > mit leistungslosen Gewinnen im Zinswesen,● eine Eigentumsordnung, die Privateigentum an Grund und Boden, an Grundversorgungsgütern, an großen Immobilien zur leistungslosen Abschöpfung anderer Leistung nutzen kann● die Akkumulation (Ansammeln) des gemeinsam geschaffenen Mehrwertes in Privatverfügung der Kapitaleigner● Abschieben der sozialen und ökologischen Lastkosten (externalisieren) auf Staat, Steuerzahlen („Privatisieren der Gewinne, Sozialisieren der Risiken und Verluste“)

● ein „Entlohungssystem“, das Spitzenlöhne weit über jedes Leistungsvermögen möglich macht (50-500-fache der Durchschnittslöhne)

● ein Steuer- und Sozialsystem, das den solidarischen, paritätischen und progressiven Ansatz (Bismarcks Sozialsystem) zunehmend verlässt (z.B. „Kopfpauschale“)

● eine Unternehmensverfassung, in der ethikloses Handeln, Verdrängung vom Markt, Zerstörung und feindliche Übernahme anderer Betrieben zum System gehört

● die Liberalisierung und Deregulierung der Märkte, dies in unkontrollierter neoliberaler Globalisierung

Aus den Prinzipien der kapitalistischer Wirtschaftsweise kommen zwangsläufig die Systemfehler des Kapitalismus: die Abschöpfungs- und Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen zu Gunsten weniger, zu Lasten vieler, des Gemeinwesens, der Umwelt. Die wichtigsten sind:

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Dahinterstehende Ideologien, Mythen, Halbwahrheiten, Lügen(mentale Ebene)

● Eigennutz und Konkurrenz würde wie von einer „unsichtbaren Hand geleitet“ zum Wohlstand aller führen (Adam Smith 18. Jahrhundert).

● Liberalisierung des Marktes, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft würde die beste wirtschaftliche Entwicklung bringen („Selbstheilende Kräfte des Marktes“).

● Privatisierung und Kommerzialisierung aller Güter des Lebens brächte höchste Effizienz und größten Wohlstand.

● Kapitalanhäufung und Reichtum in der Hand weniger würde die unteren Bevölkerungsschichten mit nach oben ziehen („Pferdeapfeltheorie“ von M.Theatcher).

● Ständiges exponentielles Wachstum der Wirtschaft sei möglich und Wirtschaft ginge nur im ständigen Wachstum.

● Freihandel würde automatisch zum „komparativen“ Vorteil für alle Beteiligten wirken (David Ricardo 18. Jahrhundert).

● Der Markt löse automatisch sich selbst stabilisierend alle Verteilungsprobleme

● Kapitalismus sei Voraussetzung für Demokratie und umgekehrt.

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Der Materialistische Grundirrtum

Dahinter stehet der uralte „materialistische Grundirrtum“: Leben und Glück seien im Haben und immer mehr Haben, im Machen, Unterwerfen zu finden. Die Weisheiten der Menschheit, die Bibel, die Religionen und Philosophien haben immer gewusst, dass dies eine zerstörerische Verkennung des Lebens ist. Doch die kapitalistischen Ideologien und Mechanismen machen diesen Grundirrtum zum System, zum Leitprinzip der gegenwärtig herrschenden Kulturepoche.

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Schlüsselfrage Menschenbild

Hinter der kapitalistischen Wirtschaftsweise und ihren Ideologien steht das sozialdarwinistische Menschenbild:

● Der Mensch sei von Natur aus ein auf Egoismus, materielle Bereichung, Neid, Konkurrenz, Aggressivität hin angelegtes Wesen. Nur im Ausleben dieser Gaben könne der Einzelne gut leben und die Gattung Mensch in der Evolution überleben.

● Die Bedürfnisse und Gaben von Solidarität, Nächstenliebe, Teilen und Verzichten, Verantwortung, spirituelle Sinngebung werden verleugnet oder als sublimierter Egoismus umgedeutet oder im besten Fall ins rein Private abgeschoben.

● Aus der Kombination dieses Menschenbildes und der oben beschriebenen Wirtschaftsideologien werden Egoismus und Streben nach Reichtum, das Austricksen und Übervorteilen des anderen, Konkurrenzdenken, Ellbogenmentalität, Aggression und Gewalt auf allen Ebenen des Lebens und der Gesellschaft zum selbstverständlichen Leitbild und Lebensstil (gemacht).

„Ein außerirdischer Beobachter, der auch nur einen einzigen Tag lang die Werbung in Fernsehen, Radio, Zeitungen und Internet studierte, würde kaum ein Indiz dafür finden, dass wir in einer ... Gesellschaftsordnung leben, die auf Kooperation, Solidarität und Zusammenhalt beruht. Was er wahrnähme, wäre eine Propaganda, die ... nichts anderes betreibt als die unausgesetzte Förderung des Egoismus“. (Richard David Precht in „Die Kunst kein Egoist zu sein“)

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Exkurs: Wirtschaftswachstum

Offene Wachstumsfelder

Bevölkerungswachstum Ungesättigte Märkte

Neue Aufbauphasen Unbegrenzte Ressourcen

Wirtschaftswachstum

Kein Bevölker-rungswachstum

Beendete Aufbauphase

Gesättigte Markte

Begrenzte Ressourcen

Krise Wirtschaftswachstum,

Wachstumsfalle

Quantitatives Wachstum ist nur möglich, wenn Wachstumsfelder offen sind..

Geschlossene Wachstumsfelder

Sind Wachstumsfelder nahezu geschlossen, führt weiteres erzwungenes Wachstum zum Druck nach innen und in Crash-Situationen – oder zur Expansion nach außen.

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1. Denkfehler:

Das Bemessen des Wachstums in Prozenten (BIP) führt zum exponentiellen Wachstum, d.h. zu ständig steigenden Wachstumsgrößen (Stückzahl). Dies geht nie auf Dauer!

Drei Wachstumskurven:a) natürliches Wachstum: hört bei einem Optimum auf zu wachsen und stabilisiert sich.b) lineares Wachstum: gleichbleibender Zuwachs (gleiche Wachstumsgröße)c) exponentielles Wachstum: jährl. prozentuelles Wachsen (Wachstumsrate), d.h. Zuwächse gehen ein in Sockelbetrag des Folgejahres (Verdoppelungseffekt)

Beispiel: Wenn heute in Deutschland in einem Jahr 300.000 Autos produziert werden, sind das bei 6% Wachstum in 12 Jahren 600.000 Autos in einem Jahr.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E. Boulding, USA:„Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen

Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom.“

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2. Denkfehler

Das Bemessen von Wirtschaftswachstum nach dem Bruttoinlandprodukt (BIP): es misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsätze in Geldwert. Das heißt irrsinniger Weise: > Aufbau nach Zerstörungen bringt BIP-Wachstum; > material- und energiesparende Effizienz bringt rückläufiges Wachstum; > die qualitative Entwicklungen der Gesellschaft wird nicht gemessen.

Die „Glücksforschung“ zeigt, dass BIP und Lebenszufriedenheit/Lebensqualität nicht zusammenlaufen:

● Studie 2009: Die größte Lebenszufriedenheit in Ländern mit mittlerem Durchschnittseinkommen: - Costa Rica, Dänemark, Skandinavien, Island; - Deutschland an 30.Stelle, Simbabwe an letzter.

● Ab 20.000 / 50.000 Dollar Jahreseinkommen steigt der Glückspegel kaum noch.

Meadows „Grenzen des Wachstums, das 30-Jahre-Update“

● Seit 1990 fordert UNO die Bemessung der Entwicklung mit ganzheitlichen Indizes (z.B. „Neuer Wohlfahrtsindex“, Human Development Index). Wird nicht aufgenommen, da das quantitative Wachsen (BIP) dämpfen würde.

● Bisher hat nur der Himalaja-Staat Bhutan an Stelle des BIP das „Brutto-Sozialglück“ gesetzt: Ökologie, Kultur, Gesundheit, Bildung, Lebensstandart, Gemeinschaft, Zeitnutzung...

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3. Denkfehler

Mit fortlaufendem BIP-Wachstum würde man die ökonomischen und sozialen Probleme lösen (z.B. Arbeitslosigkeit). Das Gegenteil geschieht: Wachstum ohne Beachtung der Wachstumsgrenzen führt nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und ökonomisch in Crashsituationen (These Wachstumsfalle).

1. Ökologischer Crash bei weiterem quantitativem Wirtschaftswachstum, weil schon jetzt der „Ökologische Fußabdruck“ der Menschheit größer ist, als es unser Ökosystem verträgt.Wachstum durch ökologisierte Technologe („Green New Deal“) vom Verbrauch zu entkoppeln, erweist sich durch den „Rebount-Effekt“ (Rückschlagseffekt) als Illusion.

2. Sozialer Crash bei weiterem erzwungenem Wirtschaftswachstum, weil in den hochindustri-alisierten Nationen bei annährend gesättigten Märkten und Überproduktion Wachstum nur noch mit weiterer Rationalisierung, Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung, Arbeitsplatzverlagerung erreicht werden kann. Das treibt die untere Hälfe in Armut und Prekärisierung. (Radermacher: „Kannibalisierung“ der Wirtschaft, „Brasilianisierung“ der Gesellschaft)

3. Ökonomischer Crash, weil weitere Rationalisierung, Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung, usw. die Schere zwischen Überangebot und Unterkonsum verschärft, Märkte einbrechen und dies zu einer sich ständig verstärkenden Wachstumsfalle führt.(vgl. Konjunktur-Krisen-Kreislauf nach klassischer Volkswirtschaftslehre)

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Natürliches Wachstum und Gleichgewichtsökonomie

Exponentielle Wachstumsphase

Reifezeit

Langsame Keimzeit

Natürliches Wachstum - Vorbild auch für die Wirtschaft?

Gleichgewichtsökonomie anstelle einer Wachstumsökonomie hieße:• Die Wirtschaft wächst quantitativ nur in bes. Aufbauphasen. Bei Erreichen eines Sättigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwicklung über: Qualitätsprodukte, Wachsen kultureller, sozialer, geistiger Lebensqualitäten – dabei Schrumpfen materiellen Verbrauchs. • Dies geschieht in einer ständigen dynamisch sich einpendelnden Sinusbewegung - sowohl für einzelne Güter wie für die gesamtökonomische Entwicklung. • 1. Voraussetzung: das Herausnehmen wachstumstreibender Mechanismen und Ideologien: die kapitalistischen Prinzipien, ihre Abschöpfungs- und Externalisierungsmechanismen. • 2. Voraussetzung: das Zusammenwirken von a) Konsistenzstrategie (ökolog. Anpassung), b) Effizienzstrategie (ökologische Technologien), c) Suffizienzstrategie („Mit weniger besser leben“)

Abnehmendes Wachstum

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II. Leitvorstellungen und Ansätze einer lebensdienlichen Ökonomie

Ideekonferenz (Brainstorming)

„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine

Neuordnung von Grund auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein."

(Aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947)

Was müsste anders sein, um aus den Grundparadoxien und Fehlentwicklungen unserer Wirtschaftsweise herauszukommen?

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Das ganzheitliche Menschenbild und Lebensverständnis

1. Der Mensch kann nur eingebunden und in Übereinstimmung mit dem ökologischen Netzwerk der Erde leben und überleben. Verletzt er dies auf Dauer, wird er als „Parasit“ von der Natur ausgestoßen (Hoimar v. Ditfurth).

Neuere neurobiologische, sozialpsychologische Forschungen weisen nach: „Nicht Konkurrenz, Aggression und Kampf ums Dasein, - sondern Kooperation, Zugewandtheit, Empathie, Vertrauen und Wertschätzung sind die besseren Stimulanzien biologischer, sozialer, auch wirtschaftlicher Systeme.“ (Gerald Hüther, Joachim Bauer, Christian Felber - ähnliche Ergebnisse in der Glücksforschung )

Eine alternative, lebensdienliche Ökonomie geht von drei Grundeinsichten menschlichen Lebens aus:

3. Das ganzheitlich duale (christlich-humanistische) Menschenbild: Der Mensch ist zwar auch ein auf Egoismus und Aggressivität hin angelegtes Wesen („Sünder“), aber ebenso ist er ein auf Mitempfinden, Nächstenliebe, Solidarität, sinnvollen Verzicht, Kooperation, Verantwort und spirituelle Werte- und Sinnfindung hin angelegtes und begabtes Wesen („Erlöster“).

Erst von den Gaben der zweiten Seite her wird der Mensch sozial- und damit lebensfähig.

2. Der Mensch ist ein Sozialwesen: er kann weder als Individuum noch als Gattung isoliert ohne andere oder gegen andere überleben, sondern nur in einer sich Regeln gebenden Sozietät. In der Sozietät haben gemeinwohlorientierte Regeln Vorrang vor privatwohl-orientierten Interessen.

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● Grundanliegen der alternativen Ökonomiebewegung: die Wirtschaft zu ihrem eigentlichen lebensdienlichen Sinn bringen: > nicht Gewinnsteigerung als Profit- und Kapitalmehrung in der Hand weniger,

● Dabei sind: 1. die Tabufragen zu brechen: Wachstum, Eigentum, Reichtumsanhäufung, Systemfrage u.a., 2. eine „Realutopie“ zu entwerfen, die bewusst über das üblicherweise Gedachte und bisher Praktizierte hinausgeht und erst im zweiten Schritt die Realisierung sucht.

Grundanliegen einer Lebensdienlichen Ökonomie

● Wichtigste Aufgaben:> auf mentaler Ebene: die Denkmuster, Ideologie der Bereicherungsökonomie durchbrechen – zu einem solidarisch-kooperativem Verständnis von Wirtschaft führen (Paradigmenwechsel). > auf struktureller Ebne: die Abschöpfungs- und Bereicherungsmechanismen des Kapitalismus überwinden – durch solidarisch-kooperative Wirtschaftsstrukturen ersetzen (Systemveränderung).

sondern 1. die Bereitstellung nützlicher Produkte, Dienstleistung und sinnvoller Arbeitsplätze, 2. dies in solidarischer Teilhabe aller, 3. in Entwicklung eines kulturell und sozial stabilen Gemeinwesens, 4. in Erhaltung des Ökosystems und der Zukunftsfähigkeit der Menschheit.

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Ökonomische Leitvorstellungen einer Lebensdienlichen Wirtschaftsweise

Zu einer Wertegeleiteten Wirtschaft zurückfinden

Abschöpfungs- und Bereicherungsmecha-nismen überwinden

Statt Wachstums-Ökonomie

Gleichgewichtsökonomie

Beteiligungs-Ökonomie aller

Entschleunigung + ganzheitliche Wertschöpfung

Statt Konkurrenz-Kooperationsprinzip

Demokratisierung+ Mitbestimmung

Primat der Politik

Friedliche Konfliktlösung

Neuer Gesellschaftsvertrag(neue Verfassung)

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III. Bausteine einer Lebensdienlichen Ökonomie („Systemweichen“)

Der notwendige systemische Umbau im Überblick

Neue Eigentumsordnung

Neue Finanzordnung

Partizipatorisches Unternehmertum

Neue Arbeitskultur

Leistungsgerechtes Lohnsystem

Ökologische Kreislaufwirtschaft

SolidarischesSteuer+Sozialsystem

Ökosoziale Globalisierung + Regionalisierung

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(1) Neue Eigentumsordnung:

● Privateigentum (auch Privateigentum an Produktionsmitten) wird gewährt und geschützt: - sofern es durch eigene Leistung geschaffen wurde, - dem eigenen Lebensunterhalt dient, - dem Gemeinwohl dient (Sozialpflichtigkeit des Eigentums),- es nicht als leistungsloses Abschöpfungsinstrument fremder Leistung genutzt wird.

> Privateigentum an Grund und Boden, an natürlichen Ressourcen und großen kulturellen Gütern geht in Gemeineigentum über (klassische Allmende), es kann zur Nutzung verliehen werden (z.B. Erbpacht).

> In den Unternehmen durch Abschreibung für private Produktionsmittel und durch konsequente Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung (Partizipatorische Unternehmensverfassung).

● Die Abschöpfungsmechanismen, die im Privateigentum gegenüber fremder Leistung liegen, werden herausgenommen durch:

> Entprivatisierung der Öffentliche Güter der Daseinsvorsorge, sie gehen in gemeinnützige öffentliche Trägerschaft,werden ohne Gewinnabschöpfung rein betriebswirtschaftlich geführt (moderne Allmende).

> Einnahmen durch Mieten und Pachterträge dienen nur deren Errichtung, Erhaltung und Veraltung, nicht einem leistungslosem Einkommen.

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(2) Neue Finanzordnung

● Das Geld wird auf seine eigentlichen lebensdienlichen Funktionen zurück- geführt: es dient 1. als Tauschmittel,

2. als Aufbewahrungsmittel. 3. als Spar- und Kreditmittel, 4. als Wertmassstab für quantifizierbare Werte.

> Im Zinssystem durch: - einmalige Kreditgebühr statt Zins, - oder Linear- isierung des Zins, - oder Liquiditätsabgabe für nicht umgesetztes Geld (Negativzins nach Silvio Gesell)

> In der Finanzwirtschaft: Verbot allen spekulativen Geldhandelns: Börsen- und Aktienhandel, Hedgefonds, Derivate usw. (Allokation des Geldes durch Realwirtschaft, realwirtschaftl. Kredite, Steuer-Förder-Politik)

> Im Bankenwesen: : Banken als reine gemeinnützige Dienstleistungs- unternehmen (Maklerfunktion) in Öffentlicher Hand ohne Gewinne, mit festen Gehältern („Demokratische Banken“).

● Somit werden die Abschöpfungs- und Bereicherungsmechanismen des bisherigen Geldsystems herausgenommen:

● Die Ware-Geld-Beziehung wird wieder auf ihre zweckdienliche Funktion zurückgeführt: W – G – W statt: G – W – G´ oder G´- G´- G´´- G´´´

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(3) Partizipatorische Unternehmensverfassung● Die kapitalistische Unternehmensverfassung arbeitet nach zwei Prinzipien: 1. Die Bilanzierung konzentriert sich auf die Finanzperspektive, auf die Steigerung des Gewinns. Ökologische, soziale und gemeinwohlorientierte Aspekte kommen in der Bilanzrechnung nicht vor.

2. In allen Unternehmensfragen entscheiden allein die Kapitaleigener: (Shareholder-Prinzip) – oft gegen die Interessen der anderen Beteiligten und Betroffenen: die Beschäftigten, die Kunden, die Zulieferer, die Kommune, die Umweltverbände (Stakeholder):

● Eine partizipatorische Unternehmensverfassung arbeitet nach drei Prinzipien: 1. In der Bilanzierung werden neben betriebswirtschaftliche auch ökologische, soziale, gemein wohlorientierte Kennzahlen eingegeben und in entsprechenden Steuer- und Förderregeln berücksichtigt. (z.B. Ressourcenverbrauch, Arbeitsplatzkoeffizient)

2. Es werden a l l e am Unternehmen Beteiligte und vom Unternehmen Betroffene in die Entscheidungen des Unternehmens einbezogen - durch Wirtschaftsräte: • Kapitaleigner bzw. Besitzer, • Manager (Betriebsleitung), • Angestellten, • Kunden, • Lieferanten, • Vertreter der Öffentlichkeit, • Umweltverbände (Stakeholder-Prinzip):

5. Förderung Genossenschaftlicher Unternehmensführung Beteiligung aller ist eoipso gegeben; ökologische, soziale und gemeinwohl- orientierte Bilanzregeln werden integriert.

3. Einführung des Anreiz- und Begrenzungsprinzips für Unternehmergewinne (bis zum 10-fachen der Durchschnitteislöhne)

4. Einführung des Abschreibungsprinzips für eingebrachtes Kapital, Produktionsmittel

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Exkurs: Warum Sozialpflichtigkeit, Gewinnbeteiligung und Mitbestimmung zum Unternehmertum gehören

● Wertschöpfung und Mehrwert wird auch in Privatunternehmen nicht allein durch den Kapitalgeber (Eigentum an PM) erarbeitet, sondern durch: 1. Gesellschaftliche Vorgaben (Infrastruktur, technisch-wissenschaftliche

Vorleistungen, politische Ordnung, sozialer Friede u.a.), 2. Eingebrachtes Kapital (PM),3. Mitarbeiterleistung, 4. Eigenleistung des Unternehmers

● Darum ist in allen Betriebsfragen die Mitbestimmung, Gewinn- und Risikobeteiligung und aller Beteiligten geboten (genossenschaftliche Tendenz).

● Darum ist der erarbeitet Mehrwert aufzuteilen für: 1. Löhne und Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter, 2. Staatssteuer und Sozialsteuer (Sozialpflichtigkeit), 3. Investitionszurücklagen, 4. Private Gewinnanteile des Unternehmers (mit Anreiz- und Begrenzungsprinzip, Abschreibung für eingebrachte PM)

● Somit wird die Überwindung der Akkumulation des gemeinsam geschaffenen Mehrwertes in alleiniger Privatverfügung möglich.

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Zur Logik von Mitbestimmung, Gewinnbeteiligung und Gewinnabschreibung

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Statt Konkurrenzwirtschaft – Kooperationswirtschaft ?

Kooperativer Wettbewerbswirtschaft will die Motivationskräfte, die in den egoistischen und konkurrierenden Anlagen des Menschen liegen - insbesondere seine Ehrgeiz- und Selbstentfaltungsbedürfnisse – aufnehmen,diese aber mit den kooperativen und altruistischen Bedürfnissen synergetisch vermitteln.Dabei soll es durch entsprechende Anreizsysteme eine deutliche Bewegung von Konkurrenz zur Kooperation geben (Felber).

Die Grafik nach dem erkenntnistheoretische Quadrantenmodell von von Ken Wilber: die Polaritäten des Lebens bzw. der Evolution werden nicht als sich ausschließende Gegensätze, sondern als sich ergänzende Spannungen verstanden.

Vgl. Ken Wilber: „Eine kurze Gesichte des Kosmos“ 1996; „Integrale Spiritualität. Spirituelle Intelligenz rettet die Welt“ 2007.

Beispiel: ein Unternehmen (oder Kommune) schreibt Wettbewerb für ein bestimmtes Verfahren aus, verschiedene Teams entwickeln Lösungen; die beste wird ausgezeichnet, aber allen zur Verfügung gestellt, mit Teilergebnissen der anderen Teams optimiert.

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(4) Leistungsgerechtes und solidarisches Lohnsystem

● „Löhne“ die weit über dem 5-fachen des Durchschnittlohnes liegen, sind nicht durch eigenen Leistung erarbeitet; sie sind als „Raublöhne“ abzulehnen. (Die „Löhne“ der Banker, höheren Bankangestellten, Manager, Vorstände u.ä. liegen in Deutschland zwischen dem 20- und dem 1000-fachen der Durchschnittslöhne).

> Es ist ein Lohnsystem zu schaffen, in dem Löhne im Mindestlohn bei der Hälfte, im Spitzenlohn bis zum 5-fachen (max. 10-fachen) der Durchschnitts- löhne liegen (Tariftabelle 0,5 bis 5-fachen).

> Bes. Leistungen (Künstler, Freiberufler, Sportler u.ä.) werden nicht mehr nach dem „Knappheitskriterium“, sondern nach Leistung in variablen Pauschalsätzen vergütet.

● Arbeitsleistung wird nach drei Kriterien gemessen: 1. nach Leistungsintensität, 2. nach Qualitätsanspruch und Ausbildungsgrad, 3. nach Verantwortungslast.

● Das Arbeitsleistungsvermögen schwankt bei gleichem Zeiteinsatz zwischen 0,5 und dem 5-fachen der Durchschnittleistung eines Menschen. ● Die üblichen Tariflöhne liegen zwischen 1.400 € (Arzthelferin) und 6.300 € (Geschäftsführer).

Der Durchschnittslohn in Tariflöhnen liegt brutto bei 2.700 bis 3.200 €. (Spreizung in der Regel 1 : 3)

> Für sehr leistungsschwache Tätigkeiten gibt es einen solidarischen Lohnausgleich, so dass auch hier Mindestlöhne gezahlt werden können.

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(5) Ganzheitliches Arbeitskultur

Arbeit wird als ganzheitliche Wertschöpfung verstanden

a) Materieller Wert:Produktivität, Entlohung

b) Sozialer Wert:soziale Einbindung, Anerkennung,soziale Sicherheit

c) Psychischer Wert:Kreativität, Kommunikation,Verantwortung,ganzheitl. Betätigung

d) ideeller, ethischer Wert:Sinnfindung, dem Guten dienen

Bezahlte Lohnarbeit /Erwerbsarbeit:als Arbeiter, Angestellter, Beamter,als Selbstständiger

Unentgeltliche Eigenarbeit:Familienarbeit, Arbeit an Wohnung, Haus,Garten...Hobby u.ä.

Ehrenamtliche Gemeinnutzarbeit:(Bürgerarbeit):Vereinsarbeit, Kulturelle Arbeit, Bürgerinitiativen, Chor, Freiwillige Feuerwehr, Mitarbeit in Parteien, Kirchen,Nachbarschaftshilfe u.ä.

Die Überwindung der Entfremdung des Menschen in der Arbeit wäre dann gegeben, wenn sich der Mensch in allen drei Bereichen frei entfalten kann

– und so das familiäre, kulturelle, gesellschaftliche Leben seine volle freie Entfaltung findet.

Wertschöpfung der Arbeit in drei Bereichen:

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Das Recht der Erwerbsarbeit

Die Hineinnahme aller arbeitsfähigen Menschen in den ökonomischen Prozess ist: 1. die beste Grundlage eines stabilen und tragfähigen Sozialsystems, 2. die beste Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftsweise,3. ein unverzichtbarer Anteil für soziale Integration und Wertschätzung des Menschen.

> Zur Realisierung des Rechtes auf Arbeit soll das Volumen der Erwerbsarbeit so geteilt werden, dass jeder arbeitsfähige Mensch an ihr teilhaben kann.

Der besondere Wert der Erwerbsarbeit besteht darin, dass sie den Menschen in den ökonomischen Prozess von > Arbeit, > Produktion, > Einkommen, > Konsumtion, > Steuer- und Sozialsystem hineinnimmt (Beteiligungsökonomie).

Darum ist das Recht auf Erwerbsarbeit als ein Grundrecht des Menschen verfassungsmäßig zu verankern und zu realisieren.

> Dies durch Herabsetzung der Regelarbeitszeit auf z.B. 30 Wochenstunden; zugleich große Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Das würde die strukturelle Arbeitslosigkeit überwinden, zu einer neuen „Vollbeschäftigung“, zur Teilhabe aller am Ökonomischen Prozess führen.

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(6) Solidarisches Steuer- und Sozialsystem

● Das Steuer- und Sozialabgabensystem erfüllt zwei elementare Grundfunktionen, ohne die ein modernes Gemeinwesen nicht funktionieren kann:a) Finanzierung hoheitlichen und öffentlichen Aufgaben des Gemeinwesens („Staatssteuer“);b) Finanzierung sozialer Absicherungen im solidarischen Füreinandereinstehen („Sozialsteuer“)

● Das solidarische Steuer- und Sozialabgabensystem wird nach vier Prinzipien gestaltet:1. Einheitsprinzip: es werden von allen Bürgern und allen Einkünften Abgaben gezahlt;2. Solidarisches Prinzip durch progressive Besteuerung: wirtschaftlich Stärkere zahlen höhere Anteile zu Gunsten der wirtschaftlich Schwächeren;3. Paritätisches Prinzip: zu gleichen Anteilen zahlen Unternehmen und Angestellte Sozialabgaben (Bismarcksche Sozialsystem);4. Lenkungsprinzip: Höhe der Abgaben nach sozialen und ökologischen Zielorientierungen.

● Lösen der Sozialabgaben der Unternehmen von den Arbeitsplätzen, dafür Wertschöpfungsabgabe an die Wertschöpfung/Mehrwert/Gewinne gebunden

● Besteuerung der Unternehmen nach Kennziffern der Gemeinwohlbilanz, ökologische, soziale Kriterien (z.B. „Arbeitsplatzkoeffizient“)

● Ressourcensteuer: direkte Besteuerung des Ressourcenverbrauchs ökologisch zielorientiert

● Gemeinsame gesetzliche Kranken- und Sozialversicherung für alle Bürger.

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Bedingungsloses Grundeinkommen ?

● Funktion:Das bedingungslose Grundeinkommen tritt an die Stelle der bisherigen Sozialleistungen wie Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Grund-Bafög, Grundrente. Davon unberührt bleiben andere Sozialleistungen wie Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung, Invaliden- bzw. Zusatzrente, zusätzliches Bafög u.ä..

● Das BGE wird jedem Bürger unabhängig von der Erwerbsarbeit ohne Nachweis der Bedürftigkeit vom Finanzamt gezahlt: Erwachsene z.B. 600 €, Kinder 300 €.● Das Aufkommen des BGE wird erbracht a) aus der Sozialsteuer der Erwerbstätigen und der Unternehmen, b) aus Verbrauchssteuern.

Beispielberechnung:• Mann und Frau mit drei Kindern hätten ein Grundeinkommen von zusammen 2.100 € (2 mal 600 € und 3 mal 300 € ). • Dazu würde Mann oder Frau oder beide in Teilanstellung mit 30 Wochenstunden einer Lohnarbeit nachgehen mit einem Nettoverdienst von etwa 1.200 €. • Mit zusammen 3.300 € Monateinkommen wäre ein gutes Auskommen gegeben.

● Idee und Begründung:> Jeder Bürger erhält allein aus der Tatsache, dass er Bürger eines Sozialwesens ist, als soziale Grundsicherung eine bedingungsloses Grundeinkommen (BGE).● Vorteile: 1. Soziale Grundsicherung als Menschenrecht unabhängig von Leistungsfähigkeit; 2. Keine entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung; 3. Radikale Entbürokratisierung.

Achtung! Bedingungsloses Grundeinkommen ist nur sinnvoll, wenn es mit anderen Bausteinen der neuen Ökonomie verbunden wird!

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(7) Ökologische Nachhaltigkeitswirtschaft

● Unausweichliches Ziel einer Nachhaltigkeitswirtschaft ist eine drastische Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastung durch Abprodukte (um 90-99% - „Schrumpfungswirtschaft“ im Ressourcenverbrauch).

● Die wichtigsten systemischen Instrumente hierfür sind: 1. schnellstmöglicher Umstieg auf regenerative Energie, 2. Durchsetzung des Verursacherprinzips, 3. Realisierung der Kreislaufwirtschaft (höchste Ressourceneffizienz)

● Die wichtigsten mentalen und ökonomischen Voraussetzungen und die wichtigsten politischen Instrumente sind: a) Überwindung der Wohlstandsmehrungsideologien, b) Überwindung der Wachstumsideologie und Wachstumsmechanismen in der Wirtschaft. c) entsprechende Steuer-, Abgaben- und Fördersysteme.

● Es geht um das Zusammenwirken von vier Strategien: 1. Konsistenzstrategie: ökologische Übereinstimmung, 2. Effizienzstrategie: ressourcensparende Technologie, hoher Wirkungsgrad, 3. Suffizienzstrategie: „Mit weniger besser leben!“ (geistig, kulturell, spirituell, zwischenmenschlich)

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(8) Ökosoziale Globalisierung und Regionalisierung

Diese Prozesse sind nicht durch ein Warten auf globale Einigkeit zu erreichen, sondern durch regionales, nationales, bilaterales Agieren von unten.

● Hauptproblem der Globalisierung: die oligopole Machtkonzentration der Transnationalen Konzerne (TNC) und der modernen „Finanzindustrie“: - sie häufen unermessliche Reichtümer (Macht) in Privatverfügung an (über 50% des Weltbruttosozial- produkts), - sie entziehen sich nationalen Regularien und der öffentlichen Kontrolle, - sie unterlaufen soziale und ökologische Standards, - untergraben Chancengleichheit und Existenz der mittelständigen Wirtschaft, - höhlen Regionalentwicklung aus...

● Gegenkonzept ist eine öko-soziale Globalisierung und eine verstärkte Regionalisierung der Wirtschaft. Dazu gehören: - internationale Regelwerke, die die Machtkonzentration der TNC verhindern/auflösen, die kleingliedrige regionale Einheiten stärken, fairen Welthandelsbedingungen, ökosoziale Mindeststandards durchsetzen (z.B. ILO-Bestimmungen) - Umbau oder Neuerfindung entsprechender internationaler Organisationen (neue WTO, IWF, Weltbank usw.)

- verstärkte Regionalisierung der Wirtschaft durch beschränkende Einfuhrreglungen (Überwindung des Dogmas vom „Freihandel“) -.Entwicklung einer modernen regionalen Subsistenzwirtschaft, Regionalwährungen u.a; - Vernetzung eigenständiger Regionen lokal, national, global.

● Zugleich sind sie in Krisen kollapsanfälliger als kleingliedrigere Einheiten, reißen diese aber mit in den Abgrund (z.B. Finanzkrise 2008f.; Autokrise...).

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Das Zusammenwirken der Bausteine einer Lebensdienlichen Wirtschaftsweise

Neue Eigentumsordnung

Neue Finanzordnung

Partizipatorisches Unternehmertum

Neue Arbeitskultur

Leistungsgerechtes Lohnsystem

Ökologische Kreislaufwirtschaft

SolidarischesSteuer+Sozialsystem

Ökosoziale Globalisierung + Regionalisierung

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Beispiel für das Zusammenwirken verschiedener Bausteine

Teilung des Arbeitsvolumens - ca. 30-Stundenwoche

- hohe Flexibilisierung der Arbeitszeit

Bedingungsloses Grundeinkommenanstelle Arbeitslosengeld, Sozialhilfe,

Kindergeld, Bafög, Grundrente...- z.B. Erwachsene 600 €

- Kinder 300 €

Paritätisch steuerfinanziertes Sozialsystem:

Ablösen der Sozialabgaben von Arbeitsplätzen, dafür

Wertschöpfungsabgabe der Unternehmen nach

Arbeitsplatzkoeffizient

Ausgleichendes, leistungsgerechtes Lohnsystem

- „Zeit statt Geld“ für hohe Löhne, - Mindestlöhne in Niedriglohnbereich- Leistungsgerechte Löhne von 0,5 bis

zum 5-fachen

• So Hineinnahme a l l e r in ökonomischen Prozess von Arbeit, Produktion, Einkommen, Konsumtion, Steuer- und Sozialabgaben. • So große soziokulturelle Befreiung und Bereicherung im Zusammenspiel von Familien- und Eigenarbeit, Erwerbsarbeit, bürgerschaftliches Engagement und Muße!

Eine neue Arbeits- und Sozialkultur

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VI. Fragen der Umsetzbarkeit, politische Transformationsprozesse

Ideekonferenz (Brainstorming)

Was wären die wichtigsten Fragen, Notwendigkeiten und Möglichkeiten für die Realisierung einer alternativen Ökonomie?

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Alternative gibt es schon

b) In alternativen Projekten (Ansätze von Systemalternativen): - Genossenschaftsbanken - gemeinnützige Banken (z.B. GLS-Bank, Oicocredit)

- zinsfreie Regionalwährungen (Komplementärwährungen) - Betriebsübernahmen durch Belegschaften (Marcora-Gesetz) - genossenschaftliche Unternehmen - Tauschringe - Zeitbanken - alternative Lebensstilbewegung - die Ökologiebewegung - die alternative Ökonomiebewegung ....

Verschiedenen Elemente einer Solidarischen Ökonomie gibt es schon:

a) In bisherigen Sozialen Marktwirtschaft (Reformen im System):

- Tariflohnsystem - Mitbestimmungsgesetze- Öko-Steuer - Kartellgesetze - Ansätze von Finanzmarktregulierungen - Daseinsvorsorge in Öffentlicher Hand - Non-Profitunternehmen ...

Entscheidend ist unsere Wahrnehmung und unser Einsteigen.

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Solidarische Ökonomie im oder jenseits des Kapitalismus?Reform oder Überwindung des Kapitalismus?

Kapitalistische Ökonomie:- Prinzip Kapitalmehrung, Privatisierung; Konkurrenz, Wachstum... - Mechanismen der Bereicherung, Abschöpfung, Externalisierung...

Solidarische Ökonomie: - Prinzip Kooperation, Solidarität, Teilhabe, Nachhaltigkeit...- Mechanismen der Partizipation, Kooperation, Nachhaltigkeit ...

Zähmung, Reformen im Kapitalismus:- bei Beibehalten der kapitalist. Prinzipien und Mechanismen- aber der Zähmung, Kontrolle, Beschränkungen... durch soziale und ökologische Auflagen (Regularien) „Ökosoziale Marktwirtschaft“

?

Konfrontativer Kampf oder Doppelstrategie?

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Was müsste geschehen? Was ist zu tun?

Auf gesellschaftlicher Ebene?

● Zuspitzung der Krise und Begreifen der Krise

● Entwicklung alternativer Projekte, Inselmodelle, Erprobungs- und Pionierarbeit

● Befreiung der Politik aus der Umklammerung der Wirtschaft

● Breite Bildungs- und Aufklärungspolitik auf allen Ebenen

● Politische Bewegungsarbeit: gemeinsames Wirken zivilgesellschaftlicher Gruppen, Initiativen, Bewegungen: Druck von unten, Demos, Blockaden...

● Gesellschaftlicher Diskurs „Was wollen wir wirklich wirklich?“ (Frithjof Bergmann)

● Entwicklung eines neuen Gesellschaftsvertrags (neues Grundgesetz)

● Die Machtfrage im demokratischen Prozess lösen● ...

● Entwicklung alternativer Systementwürfe

● Entwicklung einer alternativen Lebensstilbewegung (neue Werteerfahrung)

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Transformationsstrategie für eine lebensdienliche ÖkonomieErkenntnisse der Systemtheorie und Revolutionswissenschaften zeigen:

● Entscheidend ist, ob vorher genügend Alternativkräfte wirken, es im richtigen Moment („Kairos“) zum massen- wirksamen Paradigmenwechsel kommt

● Am wirksamsten sind Doppelstrategien: a) viele Reformansätze in Einzelschritten, b) einen gänzlichen Systemwechsel anstreben. (nach Ervin Laszlo, Fritjof Capra, Joanna Macy u.a.)

● Lebendige Systeme und Geschichtsprozesse laufen in sinusartigen Entwicklung: aufsteigend, stagnierend, abfallend... ● In Krisensituationen „Kipppunkten“: schlagartiger Zusammenbruch des Bisherigen..● Im Ungenügen, in Destabilisierungen des Alten baut sich Neues auf.

● Ein Kipppunkt kann zu „Bifurkationen“ führen: Gabelung zum chaotischen Zusammenbruch („breakdown“) oder zum Durchbruch eines Neuen („breakthrough“).

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Handeln auf persönlicher Ebene?

● Selbst begreifen, worum es geht ...

● Sehen, was ich davon im eigenen Leben umsetzen kann ...

● Entsprechende Meinungsbildung nach außen ...

● Entsprechende Initiativen, Bewegungen unterstützen, mitmachen ...

● Politische Forderungen, Druck von unten, bei politischen Aktionen mitmachen ...

●...

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4545

Zusatzfolien

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4646

Literaturhinweise:

• Norbert Bolz, David Bossart: „Kultmarketing. Die neues Götter des Marktes“, 1995• Matthew Fox: „Revolution der Arbeit. Damit alle sinnvoll leben und arbeiten können“, 1996• Franz Alt: „Das ökologische Wirtschaftswunder. Arbeit und Wohlstand für alle“, Berlin 1997• Hans Peter Martin, Harald Schumann: „Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand“, 1997• Ulrich Beck (Hg.): „Die Zukunft von Arbeit und Demokratie,“ Frankfurt a.M. 2000• Wolfgang Kessler: „Weltbeben. Auswege aus der Globalisierungsfalle“, 2004 • Günther Moewes: „Geld oder Leben. Umdenken und unsere Zukunft nachhaltig sichern“, 2004• Fritze Reheis: „Entschleunigung. Abschied vom Turbokapitalismus“, 2004• Franz Josef Radermacher: „Global Marshall Plan. Ein Planetary Contract. Für eine Ökosoziale Marktwirtschaft” 2004 • Wolfgang Engler: „Bürger, ohne Arbeit. Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft“, .2005• Niko Paech: „Nachhaltigkeit zwischen ökologischer Konsistenz und Dematerialisierung: Hat sich die Wachstumsfrage erledigt?“ in Natur und Kultur 6/1 2005• Maynard Keynes „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zins und des Geldes“ und Aufsatz von 1943; hier widergegeben nach Karl Georg Zinn „Rezeptionslücken des Keynesianismus“, Hamburg 2008• Ulrich Duchrow, Franz Josef Hinkelammer: „Leben ist mehr als Kapital. Alternativen zur Diktatur des Eigentums“, 2002• Ulrich Duchrow, Reinhold Bianchi, Rene Krüger, Vincenzo Petracca: „Solidarisch Mensch werden. Psychische und soziale Destruktionen im Neoliberalismus – Wege zu ihrer Überwindung“, 2006• Elmar Altvater / Nicola Sekler (Hrsg.): Solidarische Ökonomie“, 2006• Joachim Galuska (Hg.): „Pioniere für einen neuen Geist in Beruf und Business. Die spirituelle Dimension im wirtschaftlichen Handeln“, 2004• Manfred Linz: „Was wird aus der Wirtschaft? Über Suffizienz, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit“, 2006• Joachim Bauer: „Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren“ ,Hamburg 2006 • Christian Felber: „Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus“; 2008• Christian Felber: „Gemeinwohl-Ökonomie“, 2010• BUND und Brot für die Welt: „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte.“ Eine Studie des Wuppertal Instituts, 2008 • Dennis Meadows: „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update, Signale zum Kurswechsel“, 2009• Hans Peter Gensichen: „Nur die Armut wird uns retten. Geteilter Wohlstand in einer Gesellschaft des Weniger“, 2009• Meinhard Miegel: „EXIT. Wohlstand ohne Wachstum“, Berlin 2010• Susanne Schmidt: „Markt ohne Moral. Das Versagen der internationalen Finanzelite“, 2010 • Hans Küng „Anständig wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht“, 2010• Richard David Precht „Die Kunst kein Egoist zu sein“, 2010

Stand 23.2. 2011

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4747

Ungleichheit im Einkommen – in sozialer GesundheitNach Studien von Kate Pickett und Richard Wilkinson in

„Gleichheit ist Glück – Warum gerechtere Gesellschaften für alle besser sind“, Berlin 2010

Parameter: Mord, Selbstmord, Fettsucht, Teenagerschwangerschaft, Kindersterblichkeit, psychische Krankheiten, Zahl der Inhaftierten, Bildungsstand von 15jährigen, soziale Mobilität, Stellung der Frau...- nach Zahlen der WHO, Weltbank, UNO u.a.

Beispielzahlen: Ungleichere zu gleicheren Länder: Mordraten 10 mal, psychische Kranke 3 mal, Teenagerschwangerschaft 7 mal höher

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Sozialethische Bestimmung des Menschen – Wertebedingung einer menschlichen Zivilisation

Die sozialethische Bestimmung des Menschen hat einen dreifachen Grund:1. in seiner Empathiefähigkeit: die Not, das Leid des anderen rührt sein Herz,2. in der Zweckmäßigkeit des Guten: „Was du willst, das dir die Leute Gutes tun, das tue ihnen auch!“ (Goldene Regel)

3. in erfahrener Wertsetzung aus dem Unbedingten, der „Stimme des Gewissens“, des Göttlichen, das Wahre und Gute zu tun über das jeweilig Opportune hinaus.

Die menschliche Zivilisation lebet aus vier Wertsetzungen: 1. Technisch-wirtschaftliche Innovationskraft: gute materielle Lebensvoraussetzungen schaffen.2. Sozietät: ein Sozialwesen, Staat, Völkergemeinschaf aufbauen, in der Regelwerke zur Realisierung des Gemeinwohl entwickelt werden.3. Solidarität: Verhaltensweisen, in denen Schwächere vom Stärkeren mit getragen werden, weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend, menschlich und stabil ist.4. Spiritualität: die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten, Wahrheiten, der Antrieb zum Gutsein, zur Liebe, religiöse Tiefenbindung, Sinnfindung...

Da die kapitalistischen Leitvorstellungen und Praktiken nur die materiellen Lebensvoraussetzungen forcieren,

die sozialethischen, solidarischen und spirituellen aber unterhöhlen und zerstören, müssen sie um der Zivilisationsfähigkeit der Menschheit überwunden werden.

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Überproduktivität und Arbeit

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50

St. Paulus Kathedrale in London – Einkaufstempel Mailand

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5151

Gegenbewegungen zur neoliberalen Wirtschaftweise

  Ökologiebewegung, die Friedensbewegung, die Dritte-Welt-Bewegung, die Gerechtigkeitsgruppen, auch die feministische Bewegungen...

  Nichtregierungsorganisationen wie „Greenpeace“, Ärzte für den Frieden u.a.

  Konziliare Prozess der Kirchen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung

  Ökumenischen Kairos-Bewegung „Wirtschaft im Dienst des Lebens“

 „Ökumenische Initiative Eine Welt“  Lebensstilbewegung „Aufbruch – anders besser leben“

  Erd-Charta-Bewegung (eine sozial-ökologische Weltgemeinschaftsethik)

  Globalisierungskritische Attac-Bewegung und die Sozialforen auf Weltebene, auf europäischer und nationaler Ebene

 Global-Marshall-Plan-Bewegung (weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft)

  Bewegungen einer „Alternativen Ökonomie“, Akademien einer „Solidarischen Ökonomie“ u.ä.

  ...

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5252

Drei Arten der Systeme (F.Vester)

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5353

Systemische Schritte zur Bewältigung der Zivilisationskrise