15
10 Bioelektrische Quellen 10.1 Ursprung bioelektrischer Quellen 10.1.1 Elektrische Felder im Organismus Abbildung 10.1: Hierarchie elektrischer Strukturen. Elektrische Felder treten im menschlichen Organis- mus auf allen Skalen auf. Je nach Struktur verwen- det man eine andere Beschreibung, um ihr Auftre- ten zu verstehen, ihr Verhalten zu beschreiben und die diagnostischen Signale zu interpretieren. Auf der makroskopischen Skala des gesamten Körpers sind die Maxwell Gleichungen am besten geeignet. Auf der Skala einzelner Zellen ergibt die phänomeno- logischen Thermodynamik interessante Erkenntnis- se, bei supramolekularen Strukturen die statistische Thermodynamik, und für atomare und molekulare Strukturen wird die Quantenmechanik benötigt. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den elek- trischen Feldern, welche einzelne Organe erzeugen, sowie mit den Möglichkeiten, diese über Körper- externe Messungen zu bestimmen und für diagno- stische Zwecke zu nutzen. Viele Funktionen des menschlichen Körpers werden durch elektrische Signale gesteuert. Die Nervenzel- len des Gehirns verarbeiten ankommende elektrische Signale von den peripheren Nerven und Sinnesor- ganen und senden Signale aus, die die Bewegung der Muskeln steuern. Der Herzschlag wird ebenfalls durch elektrische Signale gesteuert. Im Vordergrund der Abbildung bioelektrischer Quellen stehen daher auch das Herz und das Hirn. Die wichtigsten Anwen- dungen umfassen das Elektrokardiogramm (EKG; Herz), das Elektromyogramm (EMG; Muskel), so- wie das Elektroenzephalogramm (EEG; Gehirn). 10.1.2 Ruhemembranpotenzial Der Ursprung bioelektrischer Signale sind Potenzi- aldifferenzen zwischen dem Inneren und Äußeren biologischer Zellen. Diese kommen durch Unter- schiede in der Konzentration der Ionen zustande und können z.B. mit Hilfe von Mikroelektroden gemes- sen werden. Die Doppelllipidschicht einer Zelle ist elektrisch iso- lierend und besitzt eine hohe Kapazität von unge- fähr 1 μ F/cm 2 (Dicke der Zellmembran: 5 nm). Insbesondere die Membranen von Muskel- und Ner- venzellen sind in ihrem elektrischen Verhalten steu- erbar. Diese Membrane enthalten Proteine, die zwi- schen ihren Ketten und Kreuzungspunkten Kanäle freilassen, und durch die Ionen wie K + , Na + , Ca 2+ , Cl - gelangen können. Die Durchlässigkeit dieser Kanäle kann gesteuert werden, und sie können se- lektiv wirken. Der passive Transport erfolgt entwe- der durch elektrostatische Kräfte oder durch Diffu- sion auf Grund eines Konzentrationsgradienten. Es gibt auch Proteinstrukturen, die unter Aufwendung von Energie bestimmte Ionen auch gegen diese pas- sive Transportrichtung von innen nach außen (oder umgekehrt) pumpen können. Die wichtigsten Ionenpumpen sind die Na + /K + Pumpen, die beständig K + ins Innere der Zelle und 192

10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

10.1 Ursprung bioelektrischerQuellen

10.1.1 Elektrische Felder im Organismus

Abbildung 10.1: Hierarchie elektrischer Strukturen.

Elektrische Felder treten im menschlichen Organis-mus auf allen Skalen auf. Je nach Struktur verwen-det man eine andere Beschreibung, um ihr Auftre-ten zu verstehen, ihr Verhalten zu beschreiben unddie diagnostischen Signale zu interpretieren. Auf dermakroskopischen Skala des gesamten Körpers sinddie Maxwell Gleichungen am besten geeignet. Aufder Skala einzelner Zellen ergibt die phänomeno-logischen Thermodynamik interessante Erkenntnis-se, bei supramolekularen Strukturen die statistischeThermodynamik, und für atomare und molekulareStrukturen wird die Quantenmechanik benötigt.

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den elek-trischen Feldern, welche einzelne Organe erzeugen,sowie mit den Möglichkeiten, diese über Körper-externe Messungen zu bestimmen und für diagno-stische Zwecke zu nutzen.

Viele Funktionen des menschlichen Körpers werdendurch elektrische Signale gesteuert. Die Nervenzel-len des Gehirns verarbeiten ankommende elektrischeSignale von den peripheren Nerven und Sinnesor-ganen und senden Signale aus, die die Bewegungder Muskeln steuern. Der Herzschlag wird ebenfallsdurch elektrische Signale gesteuert. Im Vordergrundder Abbildung bioelektrischer Quellen stehen daherauch das Herz und das Hirn. Die wichtigsten Anwen-dungen umfassen das Elektrokardiogramm (EKG;Herz), das Elektromyogramm (EMG; Muskel), so-wie das Elektroenzephalogramm (EEG; Gehirn).

10.1.2 Ruhemembranpotenzial

Der Ursprung bioelektrischer Signale sind Potenzi-aldifferenzen zwischen dem Inneren und Äußerenbiologischer Zellen. Diese kommen durch Unter-schiede in der Konzentration der Ionen zustande undkönnen z.B. mit Hilfe von Mikroelektroden gemes-sen werden.

Die Doppelllipidschicht einer Zelle ist elektrisch iso-lierend und besitzt eine hohe Kapazität von unge-fähr 1 µF/cm2 (Dicke der Zellmembran: ≈ 5 nm).Insbesondere die Membranen von Muskel- und Ner-venzellen sind in ihrem elektrischen Verhalten steu-erbar. Diese Membrane enthalten Proteine, die zwi-schen ihren Ketten und Kreuzungspunkten Kanälefreilassen, und durch die Ionen wie K+, Na+, Ca2+,Cl− gelangen können. Die Durchlässigkeit dieserKanäle kann gesteuert werden, und sie können se-lektiv wirken. Der passive Transport erfolgt entwe-der durch elektrostatische Kräfte oder durch Diffu-sion auf Grund eines Konzentrationsgradienten. Esgibt auch Proteinstrukturen, die unter Aufwendungvon Energie bestimmte Ionen auch gegen diese pas-sive Transportrichtung von innen nach außen (oderumgekehrt) pumpen können.

Die wichtigsten Ionenpumpen sind die Na+/K+

Pumpen, die beständig K+ ins Innere der Zelle und

192

Page 2: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

Abbildung 10.2: Entstehung des Ruhemembranpo-tenzials. Eingezeichnet sind diewesentlichen Prozesse für denTransport von K+ und Na+ durchdie Zellmembran.

Na+ nach außen befördern und dadurch eine Poten-zialdifferenz zwischen dem Inneren und dem Äuße-ren der Zelle erzeugen. Es gibt auch Proteine, dieals Pförtner für Kanäle fungieren und so zum Bei-spiel für bestimmte Ionenarten den passiven Trans-port möglich machen oder verhindern. Außerdem istdie Zellwand für Ka+ Ionen teilweise durchläßig.Diese erreichen deshalb eine Gleichgewichtsvertei-lung zwischen Innen und Außen.

Durch die Summe dieser Teilprozesse entsteht eineungleiche Ionenkonzentration zwischen dem Zellin-neren und Zelläußeren, und daher ein Potenzial, dasden Ruhezustand der Zelle charakterisiert. Dieseswird als Ruhemembranpotenzial bezeichnet.

10.1.3 Zell(de)polarisation

Das Ungleichgewicht der Ionenkonzentrationen imRuhezustand wird als Polarisation der Zellen be-zeichnet. Für eine Ionenart wird die daraus resultie-rende Potenzialdifferenz durch die Nernst’sche Glei-chung gegeben. Existiert eine Potenzialdifferenz ∆Uzwischen den beiden Seiten der Membran, so unter-

scheidet sich die potentielle Energie eines einfachgeladenen Ions um ∆E = e∆U . Gemäß Boltzmann-Statistik ist das Verhältnis der Konzentrationen aufbeiden Seiten bei einer Temperatur T in diesem Fall

c1

c2= e−

e∆UkT .

Aufgelöst nach ∆U erhalten wir daraus dieNernst’sche Gleichung

∆U =−kTe

ln(

c1

c2

).

Für das Membranpotenzial sind vor allem die IonenNa+, K+ und Cl− verantwortlich, bei denen sich dieKonzentrationen im intra- und extrazellulären Raumum etwa einen Faktor 10-30 unterscheiden. Die re-sultierende Potenzialdifferenz ergibt sich aus einemgewichteten Mittel der beteiligten Ionensorten,

∆U =kTe· ln(

PKcaK +PNaca

Na +PClciCl

PKciK +PNaci

Na +PClcaCl

).

Der obere Index zeigt an, ob die Konzentration intra-zellulär (i) oder extrazellulär (a) gemeint ist. DieseGleichung wird als Goldmann-Gleichung bezeich-net. Die Gewichtungsfaktoren Pi werden als Beweg-lichkeit oder Permeabilität bezeichnet. Da die Be-weglichkeit der K+-Ionen etwa 30 mal so hoch istwie für die Na+-Ionen, dominiert in der Regel derEinfluss von K+.

Auf die Ionen wirken umgekehrt Kräfte. Der Kon-zentrationsgradient führt zu einem Strom von Na-Ionen ins Innere der Zelle, für die K-Ionen ist derKonzentrationsgradient umgekehrt. Das elektrischeFeld erzeugt für beide positiven Ionen eine Kraft,welche ins Innere der Zelle zeigt. Für Na addierensich die beiden Kräft, wegen der geringen Durchlä-ßigkeit der Membran dominiert jedoch deer Effektder Na/K Pumpe und die Konzentrationsdifferenzbleibt groß. Beim K wirken die Kräfte entgegenge-setzt und heben sich deshalb teilweise auf.

Durch äußere Einflüsse, wie zum Beispiel elektri-sche Felder (konduktile Erregung) oder das Vorhan-densein bestimmter chemischer Botenstoffe (nicht-konduktile Erregung), kann die Permeabilität derZellmembran verändert werden. Wenn die Ionen-kanäle ”aufgemacht” werden, dann erhöht sich die

193

Page 3: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

Ionenbeweglichkeit durch die Membran erheblich,und die passiven Transportmechanismen überwiegenverglichen mit dem “mühsameren” Pumpmechanis-mus.

Abbildung 10.3: Ionenströme, Depolarisation undAktionspotenzial.

Die Folge des Öffnens der Ionenkanäle ist ein ra-scher Abbau des negativen Ruhepotenzials. Durchdie unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten(Na+-Kanäle öffnen im Allgemeinen schneller alsK+-Kanäle) kommt es sogar zu einem kurzzeitigenÜberschießen (Overshoot) des Membranpotenzialsin den positiven Bereich. Durch die Ionenpumpenwird nach dieser Depolarisation der Zellen der Ru-hezustand wieder hergestellt.

In der Abbildung 10.3 sind typische Zeitverläufe desAktionspotenzials dargestellt. Bei den Herzmuskel-zellen tritt ein Plateau nach dem Überschießen auf,das durch den Ca2+-Ionentransport gesteuert wird.Bei der Anregung muss eine bestimmte Schwel-le von etwa +20 mV gegenüber dem Ruhepoten-zial überschritten werden, dann erfolgt der weite-re Ablauf selbstständig. Liegt die Anregung unterder Schwelle, dann kommt es nicht zur Depolarisa-tion. Bei einer Wiederholung des Reizes steigt derSchwellwert an, und sinkt mit dem zeitlichen Ab-stand zur letzten Depolarisation auf den Gleichge-wichtswert ab.

Es gibt eine Phase nach einem Reiz, in dem keineneue Erregung möglich ist. Dies ist die sogenanntetotale Refraktärphase. In der sich anschließendenrelativen Refraktärphase ist eine Erregung nur mit

Abbildung 10.4: Veranschaulichung der Refraktär-phase an Nervenzellen.

reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert.

10.1.4 Erregungsleitung

Die Erregung wird entlang von Nervenfasern weiter-geleitet. Dabei gibt es zwei Typen der Erregungslei-tung.

Abbildung 10.5: Kontinuierliche Erregungsleitung.a) Aktionspotenzial nur bei der lin-ken Ableitungsstelle; b) Kationen-einstrom während Erregung; c) Ak-tionspotenzial bei rechter Ablei-tungsstelle erreicht.

Die kontinuierlichen Erregungsleitung erfolgtentlang von Nervenfasern ohne Myelinscheide (sie-he Kapitel 10.1.5). Infolge der Kationeneinströmungwährend der Erregung hat das Potenzial seinen po-sitiven Pol im Intra- und seinen negativen Pol im

194

Page 4: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

Extrazellularraum (siehe Abbildung 10.5). Am übri-gen Faserteil liegt die umgekehrte Polung vor, daherentsteht eine (zweite) Potenzialdifferenz entlang derMembran. Auf Grund des elektrischen Feldes strö-men Kationen im Intrazellularraum von von der lin-ken zur rechten Elektrodenposition in der Abbildung10.5, und im Extrazellularraum entgegengesetzt (ge-schlossener Stromkreis). Dadurch kommt es zu ei-ner elektrischen Depolarisation im Bereich der rech-ten Elektrode, und wenn dort der Schwellwert er-reicht wird, dann wird ein Aktionspotenzial ausge-löst und die Erregung hat sich insgesamt von linksnach rechts entlang der Nervenfaser ausgebreitet.Bei der kontinuierlichen Erregungsleitung wird dieErregung jeweils auf die Nachbarbezirke der Ner-venfaser übertragen.

Abbildung 10.6: Saltatorische Erregungsleitung.

Bei Menschen (allgemein bei höheren Organismen)sind die meisten Axone von einer Myelinscheideumhüllt. Myelin ist eine Lipidschicht, welche alsIsolator wirkt. Die Myelinscheide wird in Abständenvon einigen mm von den Ranvierschen Schnürrin-gen unterbrochen. Dadurch ”springt” die Potenzial-änderung jeweils von einem Schnürring zum näch-sten. Die Myelinscheide trägt deshalb zu einer we-sentlichen Beschleunigung der Nervenleitung bei:die Sprunglänge nimmt zu, die Kapazität der Mem-bran nimnmt ab und damit die Zeitkonstante. Außer-dem benötigt die Signalübertragung dadurch weni-ger Energie. Es können Übertragungsgeschwindig-keiten von bis zu 180 m/s erreicht werden. Man be-zeichnet diese Art der Signalübertragung als salta-

torische Erregungsleitung.

Bei der Multiplen Sklerose - MS - zerfallen dieMyelinscheiden im Zentralnervensystem, bevorzugtum die Hirnventrikel. Dadurch wird die Erregungs-leitung verzögert und zum Teil sogar unterbrochen.Folge sind Störungen in allen Teilen des ZNS.

10.1.5 Nervenzellen

Eine Nervenzelle (Neuron) ist eine auf Erregungs-weiterleitung spezialisierte Zelle. Sie gliedert sich in3 Abschnitte (entsprechend der Richtung des Erre-gungsablaufs):

• Dendriten: Rezeptive Strukturen,

• Neurit (Axon, Nervenfaser): EffektorischeStrukturen,

• Perikaryon (Soma): Zelleib; Stoffwechselzen-trum.

Abbildung 10.7: Nervenzellen (links), Bestandtei-le einer synaptischen Verbindung(Mitte) und Erregungsübertragungdurch elektrische und chemischeSynapse (rechts).

In der Abbildung 10.7 sind links Nervenzellen mitaxonalen Fortsätzen zu sehen. Zu erkennen sind dieMarkscheiden und die schon erwähnten Ranvier-schen Schnürringe. Die Markscheiden bestehen ausmarkhaltigen oder myelinisierten Fasern und isolie-ren die Axone gegen die Umgebung. Bei den Ran-vierschen Schnürringen steht das Axon in direkterVerbindung mit dem extrazellulären Raum. Im zen-tralen Nervensystem sind die Axone in der Regelzu Faserbündeln zusammengefasst, im Bereich des

195

Page 5: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

peripheren Nervensystems zu Nervensträngen undNerven. In der Mitte der Abbildung 10.7 sind Be-standteile einer synaptischen Verbindung und typi-sche Lokalisationen von Synapsen an einem Neurongezeigt.

Im Nervensystem werden Informationen in Sequen-zen von Aktionspotenzialen verschlüsselt und überdie Nervenfasern weitergeleitet. Zur weiteren Verar-beitung müssen diese Informationen auf andere Neu-rone übertragen werden. Die Weitergabe der Infor-mation erfolgt an Strukturen, die unter dem Oberbe-griff Synapsen zusammengefasst sind. Es gibt zweiTypen von Synapsen (siehe Abbildung 10.7 rechts):beim ersten Typ sind prä- und postsynaptische An-teile über Proteine (Konnexone), die tunnelartigeVerbindungen (gap junctions) bilden, direkt mit-einander in Kontakt. Man spricht von elektrischenSynapsen, da die Erregungsübertragung durch elek-trotonische Ströme durch diese Tunnel erfolgt. Beimzweiten Typ, der chemischen Synapse, sind dieMembranen der prä- und postsynaptischen Struk-turen durch einen Spalt voneinander getrennt. DieErregungsweiterleitung erfolgt über chemische Sub-stanzen, die sogenannten Transmitter.

10.1.6 Feldquellen

Die auf den Axonen entstehenden Quellen bei derSignalweiterleitung können als Strom-Quadrupolmodelliert werden, und die elektrischen Vorgängehinter den Synapsen können als Stromdipole model-liert werden (Abbildung 10.8 links).

Abbildung 10.8: Felder von Axon und Synapse(links); Pyramidenzellen in derHirnrinde (rechts).

Die elektrischen und magnetischen Quellen einesQuadrupols fallen sehr schnell mit dem Abstand vonder Quelle ab. Zusätzlich dazu sind die Axone kreuz

und quer im Gehirn verteilt, die gleichzeitig aktivsind. Daher kann man die Signale dieser Quellen ander Haut des Kopfes nicht mehr messen. Die von denSynapsen ausgehenden Signale haben zwar eine grö-ßere Reichweite, aber wegen der ebenfalls stochasti-schen Verteilung hebt sich ihre Wirkung im Mittelauf. Nur in den Pyramidenzellen, die sich in einerSchicht der Hirnrinde befinden, summieren sich dieSignale (Abbildung 10.8 rechts).

Abbildung 10.9: Hirnrindenregionen.

Die Großhirnrinde (zerebraler Kortex) ist beim Men-schen besonders hoch entwickelt, und sie ist fürdie Eigenschaften verantwortlich, die den Menschenvom Tier unterscheiden. Bestimmten Gebieten derGroßhirnrinde kommen spezifische Funktionen zu(siehe Abbildung 10.9).

Wenn 10000 Nervenzellen, die in 1mm3 der Hirnrin-de sind, gleichzeitig ”feuern”, dann entstehen auf derKopfhaut elektrische Spannungen von einigen 10µVbeziehungsweise magnetische Flussdichten von ei-nigen 100 f T .

Abbildung 10.10: Herzerregung.

196

Page 6: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

Zum Vergleich: die elektrische Depolarisation desHerzmuskels führt zu etwa hundertfach größeren Si-gnalen an der Körperoberfläche. Die auf dem Herz-muskel auftretenden Stromdichten betragen bis zueinigen mA/mm2, und die Signale an der Haut desKörpers erreichen einige mV (einige 10pT ). Diesewerden in der Elektrokardiographie (EKG) mit Elek-troden und hochohmigen Messverstärkern registriert(siehe Kapitel 3.4.3 und 10.2.5). Bei den Nervensi-gnalen heißt das Verfahren Elektroenzephalographie(EEG). Eine ausführlichere Besprechung erfolgt inKapitel 10.2.2.

10.1.7 Biomagnetische Signale

Jedem Elektrogramm ist ein Magnetogramm zuge-ordnet. Die Quellen biomagnetischer Signale sinddaher ebenfalls die im Innern des Körpres entstehen-den elektrischen Signale. Zu den Vorteilen bioma-gnetischer gegenüber bioelektrischen Signalen ge-hört, dass die biomagnetischen Signale zwischendem Entstehungsort und dem Aufnahmeort an derKörperoberfläche kaum gestört werden. Das liegtdaran, dass die magnetische Permeabilität praktischüberall µr = 1 ist. Selbst paramagnetische Substan-zen weichen von diesem Wert nur in der Größenord-nung 10−6 ab. Das hat zur Folge, dass keine Verzer-rungen auftreten. Bei gleichzeitiger dreidimensiona-ler Aufzeichnung an mehreren Stellen ist daher eineviel präzisere Lokalisation möglich, was insbeson-dere für die Forschung sehr interessant ist.

Die entsprechende elektrische Größe ist die (relati-ve) Dielektrizitätskonstante εr, die in Luft 1 ist, undin Wasser etwa εr = 81 beträgt. Daher werden dieelektrischen Dipolfelder in inhomogenen Gebietenverzerrt. Ein anderer Vorteil ist die berührungsloseAufnahme biomagnetischer Signale. Damit entfallenalle Schwierigkeiten der Signalableitung mit Elek-troden, die bei bioelektrischen Verfahren auftritt.

Der wesentliche Nachteil ist die Kleinheit der zuge-hörigen Magnetfelder; sie bewegen sich im Bereichvon

B = 10−11 . . .10−13 T .

Zum einen werden daher sehr sensitive Sensoren be-nötigt (SQUIDS, siehe Kapitel ...), und zum anderen

ist eine sorgfältige Abschirmung notwendig. Grö-ßenordnungen für Störquellen:

BErde ≈ 5 ·10−5 T

BNetzkabel ≈ 10−7 T

Bmagn.VerunreinigungeninLunge ≈ 10−9 T

Die Unterdrückung von Störsignalen gelingt mitSubtraktionsmessungen. Die zugrunde liegende Ideeist, dass weit entfernte Störquellen an zwei naheliegenden Messorten das gleiche Signal erzeugen,aber Magnetfelder von biologischen Quellen einenstarken Gradienten auf dieser Skala aufweisen. DieMessungen mit zwei gegensinnig gewickelten supra-leitenden Drahtspulen an zwei nahe liegenden Or-ten (wenige cm auseinander) werden subtrahiert, undStörsignale lassen sich um einen Faktor von etwa100 unterdrücken. Solche Messgeräte werden Gra-diometer genannt. Zusätzlich werden magnetisch ab-geschirmte Kabinen benutzt und Filter eingesetzt.

10.1.8 Quellenmodelle

Bei den Quellenmodellen wird der menschliche Kör-per aus dem Blickwinkel der elektromagnetischenFeldtheorie betrachtet. Es ergibt sich, dass eine be-liebige Verteilung von eingeprägten Strömen imKörper als Überlagerung von Stromdipolen aufge-fasst werden kann. Bei der Abbildung soll die Ver-teilung der Stromdipole im Körper dargestellt wer-den. Im Extremfall wird die Stromdipolverteilungauf dem Herzen durch nur einen einzigen Stromdi-pol, den Herzvektor, approximiert.

Grundsätzlich setzt sich die gesamte Stromdichte imKörper aus einer eingeprägten Stromdichte ~ji durchbioelektrische Ströme, und dem Rückstrom im Vo-lumenleiter zusammen:

~j = ~ji +σ~E .

Mit dem elektrischen Potenzial ϕ erhält man

~j = ~ji−σ~∇ϕ .

Unter der Annahme, dass die Leitfähigkeit σ des Ge-webes homogen ist, und wegen ~∇~j = 0 (keine La-dungsanhäufung möglich; vgl. Magnetostatik) erhält

197

Page 7: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

man die Poisson-Gleichung

~∇~ji = ~∇(

σ~∇ϕ

)+~∇~j = σ ∆ϕ(~r) .

In den Grundgleichungen der Elektrostatik steht anStelle des Quellterms~∇~ji die freie Ladungsdichte. InAnalogie dazu berechnen wir das Potenzial, indemwir über alle Quellenterme integrieren:

ϕ(~r) =− 14πσ

∫d3r′

~∇~ji|~r−~r′|

.

Es ist sinnvoll, diese Lösung noch weiter umzu-formen. Mit der Definiton ψ(~r,~r′) := 1

|~r−~r′|und

~∇(ψ~ji) = ψ~∇~ji +~ji ·~∇ψ bekommt man

ϕ(~r) =− 14πσ

∫d3r′

~∇(ψ~ji)−~ji ·~∇ψ

.

Mit dem Gaußschen Satz verschwindet der erste Teildes Integrals, da sich auf einer ausreichend großenHüllfläche keine eingeprägten Ströme befinden:∫

d3r′~∇(ψ~ji) =∮

d~f (ψ~ji) = 0

Mit dem Gradienten der Hilfsfunktion ~∇ψ = ~r−~r′

|~r−~r′|3sieht man letztendlich, dass sich das Potenzial ϕ(~r)aus einer Überlagerung von vielen Stromdipolen ~ji ·d3r zusammensetzt:

ϕ(~r) = +1

4πσ

∫d3r′ ·~ji

~r−~r′

|~r−~r′|3.

Man kann sich einen Stromdipol auch als einen sehrkurzen stromdurchflossenen Pfad der Länge ~l vor-stellen: ~ji · d3r ≈ I

A ·A~l = I ·~l. Zur numerischen Be-handlung wird der Körper in diskrete Volumenele-mente aufgeteilt, mit einem zugehörigen mittlerenStromdipol.

Die Mediziner interessieren nur die eingeprägtenStröme ~ji, gemessen werden beim EEG aber zu-sätzlich die Volumenströme an der Haut. Bei gu-ten Rekonstruktionsalgorithmen werden beide Tei-le berücksichtigt, aber nur die eingeprägten Strömeim Ergebnis dargestellt. Zur genauen Berechnungder Volumenströme muss die genaue Lage der Orga-ne, die äußere Form des Körpers und die Impedan-zen der beteiligten Gewebearten genau bekannt sein.

Diese Informationen können zum Teil aus der MR-Tomographie und der Impedanztomographie gewon-nen werden. Letztentlich ist dieses Vorgehen jedochsehr aufwendig, so dass üblicherweise nur einfacheModelle benutzt werden, die zum Beispiel den Kopfals Kugel approximieren.

10.2 Messmethoden

10.2.1 Übersicht

Die an der Körperoberfläche abgeleiteten Signalesind eine Überlagerung der elektrischen Aktivitätdes gesamten Nerven-, Muskel-, und sensorischenSystems. Eine gewisse Selektion der Signalkompo-nenten erfolgt durch geeignete Ortswahl der Elek-trodenanordnung. Eine Auswahl der bioelektrischenUntersuchungsmethoden:

• Elektrokardiogramm (EKG): siehe Kapitel3.4.3 und 10.2.5

• Elektroenzephalogramm (EEG): siehe Kapitel10.2.2

• Elektromyogramm (EMG): liefert ein Bild derMuskelerregung und wird zum Beispiel in derSportmedizin eingesetzt. Die Amplitude der Si-gnale an der Hautoberfläche ist in der Größen-ordnung von 100 µV .

• Elektroretinogramm (ERG): macht die Licht-reizung im Auge sichtbar. Die wesentlichen In-formationen stecken in Amplituden und La-tenzzeiten der detektierten Wellen.

• Elektrookulogramm (EOG): gibt Aufschlußüber die Augenstellung, so sind motorischeEinflüsse diagnostizierbar.

Seltener angewendete Verfahren sind:

• Elektroolfaktogramm: Reizung des Geruchs-sinns

• Elektrogastrogramm: Aufzeichnung der Aktivi-tät der Magenmuskulatur

• Elektrohysterogramm: Aufzeichnung der Akti-vität der Uterusmuskulatur

198

Page 8: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

• Elektordermatogramm: Aufzeichnung der elek-trischen Potenzialverteilung auf der Haut

• Elektroneurogramm: Aufzeichnung von intra-zellulären elektrischen Potenzialen

10.2.2 Elektroenzephalogramm (EEG)

Bei dem Elektroenzephalogramm (EEG) werdenvon der Schädeloberfläche Potenzialschwankungenabgeleitet, die in der Hirnrinde entstehen. Die zu-grunde liegenden Ströme entstehen durch synapti-sche Prozesse in der Großhirnrinde (zerebraler Kor-tex). Die Entstehung von Feldpotenzialen und zu-gehörigen Magnetfeldern im Extrazellularraum desZentralnervensystems ist in der Abbildung 10.11skizziert.

Abbildung 10.11: Grundlagen der Entstehung vonPotenzialen (EEG) und Magnet-feldern (MEG).

Dort ist ein zunächst im Ruhezustand befindlicherlanggestreckter neuronaler Fortsatz (z.B. ein Den-drit) zu sehen. Der erste Schritt für die Entstehungbioelektrischer Signale ist die Aktivierung einerSynapse und die damit verbundene lokal begrenzteDepolarisation. Die zugehörigen ”primären” trans-membranen Ionenströme sind durch den roten Pfeilin der Abbildung angedeutet. Als Folge davon ent-stehen entlang der Membran lokale Membranpoten-zialänderungen und Potenzialgradienten. Durch diePotenzialgradienten getrieben fließen ”sekundäre”Ionenströme sowohl im intra- als auch im extrazellu-lärem Raum. Der extrazelluläre Ionenstrom erzeugtam Widerstand des Extrazellularraums die Feldpo-tenziale, die im EEG dargestellt werden. Durch seinegrößere Bündelung ist der intrazelluläre Ionenstrom

in erster Linie für die Ausbildung der Magnetfel-der verantwortlich, die im Magnetoenzephalogramm(MEG) gemessen werden. Diese Magnetfelder sindsenkrecht zum Stromfluss orientiert.

In der Abbildung 10.12 wird gezeigt, wie die einzel-nen Feldpotenziale in der Hirnrinde entstehen.

Abbildung 10.12: Entstehungsmechanismen derFeldpotenziale in der Hirnrinde.

Abgebildet ist ein langgestrecktes, vertikal orien-tiertes Neuron der Hirnrinde sowie 3 intrazellulä-re Elektroden (Membranpotenziale) und 3 zugehö-rige extrazelluläre Elektroden (Feldpotenziale). EinReiz (elektrische Stimulation) löst ein Aktionspoten-zial in der afferenten Faser aus. Der Zeitpunkt derReizauslösung ist in den Potenzialmessungen mit ei-nem Punkt markiert. An den Synapsen erfolgt einEinwärtsstrom von positiv geladenen Ionen, und imBereich der Mikroelektrode 1 entsteht ein exzitatori-sches postsynaptisches Potenzial (EPSP). Durch dieentstandene Potenzialdifferenz zu den übrigen Mem-branabschnitten (Plus- und Minuszeichen in der Ab-bildung) erfolgen intra- und extrazelluläre Ionen-ströme (in der Abbildung durch unterbrochene Pfei-le dargestellt). Durch den Zufluss positiver Ladun-gen finden auch im Bereich aller MikroelektrodenDepolarisationen statt, die mit zunehmendem Ab-stand in Amplitude und Steilheit abnehmen. Der Ab-strom von positiven Ionen aus dem Extrazellular-raum in das Neuron erzeugt im Bereich der ober-flächennahen extrazellulären Elektrode 1 ein nega-tives Feldpotenzial. Da die positiven Ionen auf dieextrazelluläre Elektrode 3 zuströmen, wird dort einpositves Feldpotenzial gemessen. Am Umkehrpunktselbst (extrazelluläre Elektrode 2) ist kein Potenzialmessbar. Wenn die aktivierte exzitatorische Synapse

199

Page 9: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

am tiefen Ende des Neurons liegt, dann kehren sichdie Ionenströme und die Vorzeichen der gemessenenSignale um.

Außer den EPSP gibt es auch inhibitorische postsyn-aptische Potenziale (IPSP), die dann entstehen, wennnegative Ionen einströmen oder postive ausströmen.Erfolgt die Aktivierung einer inhibitorischen Synap-se oberflächennah, dann kehren sich ebenfalls die Io-nenströme um, verglichen mit dem ausführlich be-sprochenen Fall für oberflächennahe exzitatorischeSynapsen.

Die Auslösung einer wellenförmigen Potenzialfol-ge, die in der Regel beim Gehirn vorliegen, kommtdurch gruppierte Aktionspotenziale in der afferentenFaser zustande.

Abbildung 10.13: Entstehung einer wellenförmigenPotenzialfolge durch gruppierteAktionspotenziale einer afferen-ten Faser.

Die aufsteigenden Aktionspotenziale erzeugen anden oberflächlichen Dendriten des Neurons einzel-ne EPSP aus, die sich überlagern zu größeren De-polarisationen. Es kommt zu wiederholten negativenFeldpotenzialschwankungen an der Hirnoberfläche.Wenn die afferenten Impulsgruppen periodisch auf-einander folgen, dann sind die Potenzialschwankun-gen sinusförmig. Die sinusförmigen Signalschwan-kungen werden mit Wechselspannungsverstärkernregistriert und als EEG bezeichnet.

10.2.3 Messung

Abbildung 10.14: Ableitetechnik EEG

Bei dem Menschen werden verschiedene Elektrodenam Schädel plaziert, um die Ableitungen zu messen.

Abbildung 10.15: Ableitungschema beim EEG undBeispielmessung.

Zusätzlich zu den sogenannten differenten Elektro-den, die in unmittelbar oberhalb der Hirnrinde an-gebracht werden, gibt es noch Referenzelektrodenan Punkten des Kopfes, dessen Potenzialschwankun-gen weniger von der Hirntätigkeit abhängig sind. Beieiner bipolaren Ableitung wird die Spannung zwi-schen zwei differenten Elektroden gemessen. Schal-tet man eine differente Elektrode gegen eine Refe-renzelektrode, dann spricht man von einer unipola-ren Ableitung.

In der oberen Kortexschicht entstehen EEG-Wellenunterschiedlicher Amplitude und Frequenz. Die Fre-quenzen werden in 4 Frequenzbänder des EEG ein-geteilt.

Abbildung 10.16: Die 4 Frequenzbänder des EEG.

Welche Frequenz dominiert, hängt unter anderemvon dem Reifegrad des Gehirns ab. Im Säuglings-und Kleinkindalter dominieren ϑ - und δ -Wellen, diemit zunehmendem Alter durch α- und β -Wellen ab-gelöst werden. Außerdem hängt die Frequenz vomAktivitätsniveau des Gehirns ab. Bei einem Erwach-senen treten im inaktiven Wachzustand bei geschlos-senen Augen α-Wellen auf, die beim Augenöffnenin β -Wellen übergehen (siehe Abbildung 10.15).

200

Page 10: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

Beim Übergang in den Schlaf treten zunächst ϑ -Wellen, und im Tiefschlaf δ -Wellen auf.

Abbildung 10.17: Erlöschen der EEG-Tätigkeitbeim Sterben eines Menschen.

Mit dem Hirntod erlischt das EEG irreversibel (Null-Linien-EEG). Meistens geht diesem eine Phase mitsehr langsamen, unregelmäßigen Wellen vorraus, dieein Koma anzeigen. Das Null-Linien-EEG dient mitanderen Paramtern als Todeskriterium.

10.2.4 Evozierte Potenziale

Bisher wurden nur ”spontane EEGs” betrachtet, dasheißt ohne sensorische Reizung von Außen. DiePotenzialänderungen, die an verschiedenen Punktendes Nervensystems als Folge von Sinnesreizung oderim peripheren Gewebe entstehen, heißen evoziertePotenziale. Die Ableitungen erfolgen an der Wir-belsäule oder der Schädeldecke. Durch eine gezielteReizung kann unter anderem die Reizleitung von derPeripherie zum Kortex überprüft werden. Außerdemkönnen Zusammenhänge einer nervlichen Blockadeeinzelner Teile des Zentralnervensystems untersuchtwerden. Die vom Kortex abgeleiteten sogenanntenevozierten Potenziale liefern die sicherste Informa-tion über die im Kortex ablaufenden Informations-übertragungsabläufe.

In der Regel besitzen evozierte Potenziale eine we-sentlich geringere Amplitude (Größenordung 1 . . .10µV) als die überlagerten EEG-Signale und sie ver-schwinden in der Regel im Rauschen. Da sie aber mitdem auslösenden Reiz, dessen Zeitverlauf bekanntist, korreliert sind, kann eine häufige Wiederholungund Mittelung der Signale die evozierten Potenzia-le sichtbar machen. Die Repetitionszeit der ≥ 1000

Wiederholungen beträgt je nach Anwendung zwi-schen 10 ms und 5 s.

Bei somatosensorisch evozierten Potenzialen (SEP)wird ein peripherer Nerv gereizt um Funktionsprü-fungen der afferenten Nerven vorzunehmen. DieReizung kann mechanisch oder direkt (gepulst) elek-trisch erfolgen. Abweichungen der Reizleitungsge-schwindigkeit vom Normwert geben Hinweise aufKrankheitsprozesse. SEPs werden außerdem noch inder Hirnforschung eingesetzt.

Akustisch evozierte Potenziale (AEP) werden durchdie Reizung der Basilarmembran im Innenohr durchSchallwellen angeregt. Die Schallwellen sind ent-weder monochromatisch oder breitbandige Klick-Laute. Durch AEPs kann die akustische Wahrneh-mung untersucht werden. Das dient zum einen derDiagnostik, zum anderen aber auch der Bestimmungder Anästhesietiefe, da das akustische Wahrneh-mungssystem scheinbar bei zunehmnender Schlaf-tiefe am spätesten abgeschaltet wird.

Bei visuell evozierten Potenzialen (VEP) wer-den gepulste Blitzlampen (nur Helligkeitsreiz) oderSchachbrettmuster mit langsamen (1 Hz) oderschnellem (14 Hz) Wechsel der Felderfarben be-nutzt. Wegen der räumlichen Nähe von Retina undvisuellem Kortex ist die Festlegung des Ableitungs-ortes für die Beurteilung besonders wichtig. MitVEPs werden nicht nur die visuelle Sinneswahrneh-mung untersucht; sie werden auch eingesetzt umMultiple Sklerose (MS) zu diagnostizieren. Die er-sten Symptome für MS sind Verlängerungen der La-tenzen der VEP.

Generell ist bei EP in der Diagnostik die Amplitu-denänderungen und die Laufzeitunterschiede der Si-gnale von Bedeutung.

10.2.5 Vektorkardiographie

Im Abschnitt 3.4.3 wurde die Herzmuskelerregungund das Zustandekommen des normalen EKGs er-klärt. Die Erregung des Arbeitsmyokards führt zuPotenzialschwankungen im Herzen. Diese sind ab-geschwächt über die Extrazellularflüssigkeit an derKörperoberfläche messbar im Bereich von 1 mV.Unerregte Stellen des Myokards sind außen positiv

201

Page 11: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

gegenüber erregten. Jede erregte Zelle wirkt als elek-trischer Dipol, und die Vektorsumme aller erregtenZellen ergibt den resultierenden elektrischen Dipol,auch Integralvektor oder Herzvektor genannt.

Kombiniert man mehrere Ableitungen von normalenEKGs miteinander, so kann man das EKG vektoriellinterpretieren.

Abbildung 10.18: Zusammenhang zwischen norma-lem EKG und der Vektorkardio-graphie.

Bei der Vektorkardiographie wird das Kreisen derDipolspitze im Verlauf des Herzzyklus aufgezeich-net.

Abbildung 10.19: Prinzip der Vektorkardiographie.

Die Richtung des größten Integralvektors (R-Zackeim EKG) definiert die elektrische Herzachse. Diesestimmt in der Regel mit der anatomischen Lage desHerzens überein, die so bestimmt werden kann.

10.3 Messtechniken

10.3.1 Lead fields

Zu der Abbildung bioelektrischer Ströme tragengrundsätzlich alle zur Messzeit aktiven Stromdipolebei. Es ist nicht möglich, nur eine Projektion aufzu-nehmen wie es z.B. in der CT gemacht wird. Manmuss genauer bestimmen, welche möglichen Strom-dipole ~pi im Körper in welchem Maße zu dem Si-gnal eines spezifischen Elektrodensignals beitragen.Zu jedem gegebenen Elektrodenpaar gibt es ein leadfield (lead = Zuführung, Elektrode)~a(~r), so dass dasvon dem Elektrodenpaar gemessene Signal eines be-liebigen Stromdipols ~p durch

U =~a(~r) ·~p

gegeben ist. Solche lead fields wurden für verschie-dene Elektrodenanordnungen bestimmt.

Abbildung 10.20: Lead fields von Elektroden undMagnetometern eines Kopfmo-dells.

Zur Modellierung der lead fields von Elekroden (undMagnetometern) auf einem Kopf wurden zur Model-lierung 3 Kugelschalen benutzt, die unterschiedlicheLeifähigkeiten besitzen: für die Haut, für die Kno-chen und für das Gehirn. Man erkennt, dass die Emp-findlichkeit für Stromdipole in der Nähe der Elektro-den am größten ist, und diese schnell mit wachsen-dem Abstand abfällt.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem leadfield eines Elektrodenpaars und der Stromdichtever-teilung im Körper, die sich ergeben würde, wennman in das gleiche Elektrodenpaar einen Strom ein-speist (Reziprozitätstheorem). Dieses Reziprozitäts-theorem ist nützlich um lead fields zu bestimmenoder abzuschätzen.

202

Page 12: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

10.3.2 Das inverse Problem

Das “Vorwärts-Problem” ist, aus einer gegebenenStromdipolverteilung die Potenziale (und Magnet-felder) außerhalb des Körpers zu berechnen. DieseProbleme besitzen immer eine eindeutige Lösung.Das ist bei dem inversen Problem, der Bestimmungder unbekannten Stromdipolverteilung aus den ge-messenen Potenzialen (und Magnetfeldern), nichtder Fall.

Bei der Rekonstruktion bioelektrischer Ströme tre-ten zwei Schwierigkeiten auf: das Problem ist un-terbestimmt d.h. die Zahl der Unbekannten ist klei-ner als die Zahl der Messgrößen, und es ist oft“schlecht gestellt”. Darunter versteht man, dass klei-ne Messfehler bereits zu großen Fehlern bei den re-konstruierten Strömen führen können. Es gibt alsosehr viele Lösungen, die zu den Messungen “pas-sen”. Ein schlecht gestelltes Problem tritt in diesemZusammenhang immer dann auf, wenn es Stromdi-polverteilungen gibt, die außerhalb des Körpers kei-ne oder nur sehr kleine Potenziale erzeugen (soge-nannte “stille Quellen”).

10.3.3 Auswertung bioelektrischer Daten

Häufig ist die Modellierung von bioelektrischenStrömen im Körper durch einen einzigen Stromdi-pol möglich. Bei der Rekonstruktion soll der Ortund die Richtung des Dipols gefunden werden. Jetztist das Problem überbestimmt, und per Fit werdendie “Vorwärts-Rechnungen” an die Messdaten ange-passt. Diese Art der Auswertung eignet sich auch fürdynamische Beobachtungen und kann auch, wennein physiologischer Grund für die Erweiterung vor-liegt, auf mehrere Stromdipole erweitert werden.

Es ist auch möglich, Ströme nur auf vorher festge-legten Punkten zu messen und dann danach zu Fra-gen, wie groß die Ströme an diesen Punkten warenund in welche Richtung sie gezeigt haben. Der Nach-teil ist die Festlegung der Messpunkte vor der Da-tenaufnahme, die idealerweise anhand von physio-logischen Überlegungen sinnvoll für die Fragestel-lung festgelegt werden. Der Vorteil ist die leichte Re-konstruktion der Ströme. Alle Messwerte an einem

Elektrodenpaar, die in dem Vektor ~U zusammenge-fasst werden, hängen über die lead field Matrix a(~r)mit dem Stromdipol ~p(~r) zusammen:

~U = a(~r) ·~p(~r) .

Bei mehreren aktiven Dipolen an den Orten ~r−~rN

gilt der Überlagerungssatz, dass die Beiträge aller NDipole zu einer gesamten Elektrodenspannung ad-diert werden können. Damit ergibt sich eine großeMatrixgleichung mit der gesamten lead field MatrixA:

~U = A(~r1,~r2, . . . ,~rN) ·~p(~r1,~r2, . . . ,~rN) .

Wenn die Matrix A für eine Kombination aus be-stimmten Elektrodenpaaren und möglichen Strom-dipolen berechnet wurde, dann kann man für je-de mögliche Auswahl von Stromdipolen sofort diezu erwartenden Spannungen errechnen. Die Berech-nung der Matrix ist nicht einfach, insbesondere beikomplexeren Volumenleitermodellen, aber wegendieser Universalität (wenn sich die Dipolorte nichtverändern) sehr nützlich. Das schon angesprochene“inverse Problem” ist mathematisch gesehen das Be-rechnen der inversen lead field Matrix A−1, mit de-ren Hilfe die Stromdipole einfach berechnet werdenkönnten:

~p(~r1,~r2, . . . ,~rN) = A−1(~r1,~r2, . . . ,~rN) ·~U

10.3.4 Detektoren

Die Aufnahme elektrischer Spannungs- oder Strom-signale an der Körperoberfläche erfolgt im Allge-meinen druch auf die Haut aufgesetzte Elektro-den. Für spezielle Anwendungen können sie auchin das Körpergewebe eingestochen werden. DerOhm’sche Kontaktwiderstand sollte selbstverständ-lich möglichst klein gehalten werden. Daher werdengroßflächige Elektroden verwendet, wann immer ei-ne räumliche Ortsdifferenzierung der Signale nichtdagegen spricht. Für den Kontaktwiderstand werdenWerte von ≤ 100Ω im Allgemeinen als ausreichendbetrachtet.

Bei der Messung biomagnetischer Signale benö-tigt man nicht nur einen Detektor mit einem sehr

203

Page 13: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

gutem Signal-zu-Rausch-Verhältnis, sondern mussauch die Störsignale abschirmen, die meistens umviele Größenordnungen stärker sind als die Signa-le (siehe 10.1.7). Die empfindlichste Methode zurMessung von Magnetfeldern beruht auf der Aus-nutzung des Josephson-Effektes. Er nutzt den Tun-neleffekt durch eine dielektrische Barriere zwischenzwei Supraleitern aus. Als Detektor werden daher inder Magneto-Enzephalographie beziehungsweise -Kardiographie SQUIDS (Superconducting QuantumInterference Device) benutzt. Störsignale werden ab-geschirmt durch magnetisch abgeschirmte Kabinenund Filter.

10.3.5 Supraleiter

Die herausragendsten Eigenschaften eines Supralei-ters (SL) sind:

• Verschwindender elektrischer DC-Widerstand

• SL sind perfekte Diamagnete, d. h. χm = −1.Als Folge davon ist das Innere des SL magnet-feldfrei (Meissner-Ochsenfeld-Effekt).

• Ein SL verhält sich gewöhnlicherweise als obeine Energielücke 2∆ um die Fermi-Energie EF

herum zentriert existieren würde. Ein Elektronder Energie E kann nur dann aufgenommen(oder entfernt werden), wenn (E − EF) (oder(EF −E)) größer ist als ∆. Die Größenordnungder Energielücke ist ∆≈ 1meV .

• Die supraleitenden Eigenschaften treten unter-halb der sogenannten kritischen Temperatur Tc

auf. Häufig tritt der Isotopen-Effekt auf: Tc ∼√M Die Tatsache, dass die kritische Tempe-

ratur von der Masse M der Ionen abhängt, istein Hinweis darauf, dass die Ionen eine aktiveRolle beim Übergang in den supraleitenden Zu-stand spielen (Phononen!).

• Der magnetische Fluss Φ durch einen ringför-migen SL ist quantisiert: Φ = n ·Φ0 = n · h

2e .Φ0 = 2 · 10−11 Tcm2 ist das elementare Fluss-quantum.

Die qualitative Erklärung für diese Effekte beruhtdarauf, dass der Strom im SL nicht durch einzelne

Elektronen übertragen wird, sondern durch Elektro-nenpaare, die sog. Cooper-Paare. Diese sind Boso-nen und können deshalb alle den gleichen Grundzu-stand des Systems besetzen. Die Paarung der Elek-tronen kommt bildlich gesehen dadurch zustande,dass ein durch das Gitter laufendes Elektron dasGitter deformiert, so dass ein ihm gleichzeitig ent-gegenlaufendes Elektron eine stärkere Anziehungspürt. Diese über ein Phonon vermittelte Kopplungzwischen zwei Elektronen ist energetisch günstig,wenn Spin und Impuls der beiden Elektronen an-tiparallel ausgerichtet sind. Die beiden Elektronenund die Gitterdeformationen bilden ein Quasiteil-chen (Cooper-Paar). Wegen Sges = 0 sind sie Boso-nen, und es können daher makroskopische Quanten-zustände (z.B. Bose-Einstein-Kondensation) auftre-ten.

Bei SL 1. Art besteht der perfekte Diamagnetismusund die Supraleitung nur bis zu einem äußeren kri-tischen Feld Hc. SL der 2. Art verhalten sich bis zueinem ersten kritischen Feld Hc1 wie die SL 1. Art.Beim ersten kritischen Feld dringen die Feldlinienebenfalls in das Material ein, aber die Magnetisie-rung sinkt nicht auf Null. Diese teilweise supralei-tende Eigenschaft bleibt bis zu einem zweiten kriti-schen Feld Hc2 erhalten, das um mehrere Größenord-nungen über dem Feld Hc1 liegen kann. Für Typ 2 SLliegt dieses technisch wichtige zweite kritische Feldim Bereich von bis zu 50 T. Typ 2 SL sind größten-teils Legierungen, während Typ 1 SL eher Elemen-te sind. Darüber hinaus gibt es auch organische Su-praleiter (Polymere), sowie keramische Materialien(Hochtemperatursupraleiter), die oberhalb der kriti-schen Temperatur Isolatoren sind.

10.3.6 Josephson Effekt

Wenn zwei SL durch eine dünne isolierende (dielek-trische) Barriere getrennt sind (Josephson-Kontakt),dann ist es möglich, dass einzelne Elektronen durchdiese Barriere hindurchtunneln können. 1962 sagteB. D. Josephson voraus, dass zusätzlich zum norma-len Tunnelstrom von einzelnen Elektronen ein Tun-nelstrom von Elektronenpaaren existiert, wenn dieTunnelbarriere nicht zu dick ist. Solche Elektronen-paare können auch in der Abwesenheit von äuße-

204

Page 14: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

ren elektrischen Feldern auftreten. Da dieser Bei-trag durch Cooper-Paare geliefert wird, ist er verlust-frei und damit ohne Spannung über dem Josephson-Kontakt. Dies wird als DC Josephson-Effekt be-zeichnet.

Abbildung 10.21: Josephson-Kontakt.

In der Abbildung 10.21 ist ein Josephson-Kontaktskizziert. Die angeschriebenen Wellenfunktionen Ψi

sind die Wellenfunktionen aller Elektronen in demSL i = 1,2 (makroskopischer Quantenzustand). DieKopplung durch den Isolator wird durch eine Kon-stante K beschrieben. Die gekoppelten Schrödinger-Gleichungen der Wellenfunktionen Ψi lauten

∂Ψ1

∂ t= − i

h(U1Ψ1 +KΨ2) ,

∂Ψ2

∂ t= − i

h(U2Ψ2 +KΨ1) .

Wenn auf beiden Seiten der Tunnelbarriere das glei-che Material benutzt wird, dann gilt zusätzlich U1 =U2. Wenn ein elektrisches Feld (DC Potenzial V )über die Tunnelbarriere angelegt wird, dann ist U1−U2 = qV , und bei der Wahl des Energienullpunkts inder Mitte zwischen U1,2 erhält man:

∂Ψ1

∂ t= − i

h

(qV2

Ψ1 +KΨ2

),

∂Ψ2

∂ t= − i

h

(−qV

2Ψ2 +KΨ1

).

Mit den Ansätzen

Ψi =√

ni eiϕi ,

wobei ni = |Ψi|2 die Dichte der Elektronen in i = 1,2darstellt und ϕi die jeweilige Phase der Wellenfunk-tion ist, erhält man nach der Trennung in Real- und

Imagninärteil, resp. in Absolutbetrag (Teilchendich-te) und Phase:

∂n1

∂ t=

2Kh√

n1n2 sin(ϕ2−ϕ1)

= −∂n2

∂ t, und

∂ϕ1,2

∂ t=

Kh

√n2

n1cos(ϕ2−ϕ1)∓

qV2h

.

Der Stom durch die Tunnelbarriere ist also

IT = q∂n1

∂ t·V1 =

2Kqh√

n1n2 sinδ ·V1 ,

wobei V1 das Volumen des SL i = 1 ist, und die De-finition δ := ϕ2 − ϕ1 eingeführt wurde. Die exter-ne Stromquelle liefert Elektronen nach, es gibt keineAufladung eines SL.

Aus der Differentialgleichung für die Phasen folgtaußerdem

∂δ

∂ t=

qVh

,

und da die Ladungsträger Elektronenpaare sind, q =2e, gilt

δ =2eV

ht +δ0 .

Daher ergibt sich an den Kontakten ein oszillierenderSuprastrom (AC Josephson Effekt) mit der Kreisfre-quenz

ωJ =2eV

h.

Eine Gleichspannung von V = 1 µV erzeugt so ei-ne Frequenz von 483,6 MHz. (Umgekehrt kann einelektrisches Wechselfeld einen Gleichstrom durchden Kontakt verursachen.)

Befindet sich ein Josephson-Kontakt in einem Ma-gnetfeld, so tritt ein Phasenfaktor auf, der durch dasVektorpotenzial ~A (~∇×~A = ~B) bestimmt ist:

Ψ(~r)→Ψ(~r) · eiqh∫

d~r~A(~r) .

205

Page 15: 10 Bioelektrische Quellen - TU Dortmund › suter › ... · phase an Nervenzellen. reduzierter Amplitude möglich und es gilt ein höhe-rer Schwellenwert. 10.1.4 Erregungsleitung

10 Bioelektrische Quellen

10.3.7 SQUID

Befinden sich zwei parallel geschaltete Josephson-Kontakte in einem Magnetfeld (DC-SQUID), danntritt an den beiden Kontakten ein Gesamtstromauf, der mit dem Fluss, der den Kreis aus beidenJosephson-Kontakten durchdringt, oszilliert.

Abbildung 10.22: SQUID.

Die Phasenänderungen längs der beiden Wege ist

∆1 = δ1 +2eh

∫Weg1

d~r~A ,

∆2 = δ2 +2eh

∫Weg2

d~r~A .

Diese müssen gleich sein, und der Phasenunter-schied ist proportional zum magnetischem Fluss Φ

durch die Schleife:

δ2−δ1 =2eh

∮C

d~r~A

=2eh

∫ ∫F(C)

d~f ~∇×~A

=2eh

∫ ∫F(C)

d~f ~B

=2eh

Φ .

Der gesamte Strom durch beide Josephson-Kontakteist gegeben durch die Summe der Ströme durch dieeinzelnen Kontakte:

IS = I0

sin(

δ0 +eh

Φ

)+ sin

(δ0−

eh

Φ

)= I0 sinδ0 cos

(eΦ

h

).

δ0 ist die (unbekannte) intrinsische Phasendifferenzüber dem einzelnen Josephson-Kontakt und Φ ist der

magnetische Fluss durch den Ring. Der Tunnelstromerreicht ein Maximum wenn eΦ/h ein ganzzahligesVielfaches von π ist. Aus der Periode des Tunnel-stroms läßt sich also der magnetische Fluss Φ unddamit auch die Stärke des Magnetfeldes bestimmen.

Abbildung 10.23: Strom durch ein SQUID als Funk-tion des Magnetfeldes.Kittel [12]

Bei den medizinischen Anwendungen ist vor al-lem die Messung sehr schwacher Felder, respektiveFeldänderungen interessant. Dist wird am Besten er-reicht, wenn man das externe Feld durch ein kontrol-liertes Gegenfeld kompensiert und dabei den Strommisst, den man anlegen muss, um auf dem Arbeits-punkt zu bleiben.

206