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VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.V. Verband der Chemischen Industrie e.V., Mainzer Landstr. 55, 60329 Frankfurt Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) Öffentliche Anhörung, 5. Juni 2019 Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz Sehr geehrte Damen und Herren, wir danken Ihnen für die Möglichkeit, im Rahmen der Sachverständigenanhörung zum Regierungsentwurf ARUG II (Drucks. 19/9739) aus Sicht der betroffenen börsennotierten Unternehmen Stellung nehmen zu können. Der VCI hat im April 2019 zu dem Regierungsentwurf schriftlich Stellung genommen. 1 Danach begrüßen wir es, dass der Regierungsentwurf (RegE) vom 20. März 2019 den im Referentenentwurf (RefE) aus Oktober 2018 verfolgten Ansatz einer behutsamen Umsetzung der Richtlinienvorgaben (ARRL II EU 2017/828) in das deutsche, dualistische Aktienrechtssystem fortführt. Im Detail weist der Regierungsentwurf eine Vielzahl an Änderungen und Klarstellungen auf, die aus unserer Sicht für zusätzliche Rechtssicherheit sorgen und daher auch in der finalen Gesetzesfassung beibehalten werden sollten. 2 Gleichwohl besteht in einzelnen Bereichen noch weiterer Klarstellungs- oder Änderungsbedarf. Um Wiederholungen zu vermeiden, nehme ich auf die in unserem Positionspapier aus April 2019 erwähnten begrüßenswerten Änderungen sowie unsere Verbesserungsvorschläge Bezug ( Anlage). Die nachfolgenden Ausführungen fokussieren sich damit auf die aktuelle Diskussion um ein verbindliche(re)s Say on Pay (dazu unter II.) und den ebenfalls in Rede 1 Die Stellungnahme ist abrufbar unter www.vci.de > Themen > Recht & Steuern > Unternehmensrecht. 2 Siehe dazu auch Brouwer, GmbHR 2019, R120 ff.; Bungert/Wansleben, BB 2019, 1026; J. Schmidt, EuZW 2019, 261. An den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Platz der Republik 1 11011 Berlin Telefon: +49 69 2556-1435 Telefax: +49 69 2556-1618 E-Mail: [email protected] 03.06.2019

VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.V. · E-Mail: [email protected] 03.06.2019 . 2 stehenden Schwellenwert bei den sog. Related Party Transactions (dazu unter III.). Vorangestellt finden

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VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.V.

Verband der Chemischen Industrie e.V., Mainzer Landstr. 55, 60329 Frankfurt

Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der

zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

Öffentliche Anhörung, 5. Juni 2019

Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir danken Ihnen für die Möglichkeit, im Rahmen der Sachverständigenanhörung zum

Regierungsentwurf ARUG II (Drucks. 19/9739) aus Sicht der betroffenen

börsennotierten Unternehmen Stellung nehmen zu können.

Der VCI hat im April 2019 zu dem Regierungsentwurf schriftlich Stellung genommen.1

Danach begrüßen wir es, dass der Regierungsentwurf (RegE) vom 20. März 2019 den

im Referentenentwurf (RefE) aus Oktober 2018 verfolgten Ansatz einer behutsamen

Umsetzung der Richtlinienvorgaben (ARRL II – EU 2017/828) in das deutsche,

dualistische Aktienrechtssystem fortführt.

Im Detail weist der Regierungsentwurf eine Vielzahl an Änderungen und Klarstellungen

auf, die aus unserer Sicht für zusätzliche Rechtssicherheit sorgen und daher auch in

der finalen Gesetzesfassung beibehalten werden sollten.2 Gleichwohl besteht in

einzelnen Bereichen noch weiterer Klarstellungs- oder Änderungsbedarf. Um

Wiederholungen zu vermeiden, nehme ich auf die in unserem Positionspapier aus April

2019 erwähnten begrüßenswerten Änderungen sowie unsere

Verbesserungsvorschläge Bezug (Anlage).

Die nachfolgenden Ausführungen fokussieren sich damit auf die aktuelle Diskussion

um ein verbindliche(re)s Say on Pay (dazu unter II.) und den ebenfalls in Rede

1 Die Stellungnahme ist abrufbar unter www.vci.de > Themen > Recht & Steuern > Unternehmensrecht. 2 Siehe dazu auch Brouwer, GmbHR 2019, R120 ff.; Bungert/Wansleben, BB 2019, 1026; J. Schmidt,

EuZW 2019, 261.

An den

Rechtsausschuss des

Deutschen Bundestags

Platz der Republik 1

11011 Berlin Telefon: +49 69 2556-1435

Telefax: +49 69 2556-1618

E-Mail: [email protected]

03.06.2019

2

stehenden Schwellenwert bei den sog. Related Party Transactions (dazu unter III.).

Vorangestellt finden Sie eine Zusammenfassung unserer Empfehlungen verbunden mit

einer stichpunktartigen Übersicht über unsere konkreten Änderungsvorschläge, wobei

für die Erläuterungen im Detail – wie eingangs erwähnt – auf unsere VCI-Position aus

April 2019 verwiesen wird.

I. Zusammenfassung: Empfehlungen und einzelne Änderungsvorschläge

1. Der im RegE ARUG II verfolgte Ansatz einer behutsamen Umsetzung der ARRL

II in unser deutsches Aktien- und Konzernrecht sollte fortgesetzt werden.

2. Grundsätzliches zum Say on Pay: Von einer weiteren Verlagerung der

Vergütungskompetenz vom Aufsichtsrat auf die Aktionäre (Hauptversammlung –

HV) sollte abgesehen werden. Sie würde zu mehr Einflussgewinn auf Seiten der

institutionellen Anleger und der vom wirtschaftlichen Risiko losgelösten

Stimmrechtsberater führen. Die maßgeblichen Entscheider sind dabei nicht in

gleicher Weise wie der Aufsichtsrat an das langfristige Unternehmensinteresse

gebunden. Durch eine generelle Schwächung der Aufsichtsräte würde auch die

Mitbestimmung getroffen. Darüber hinaus fehlt es für eine zusätzliche

Kompetenzverschiebung an einem Regelungsbedürfnis, da der Aufsichtsrat

kaum ein negatives (beratendes) Aktionärsvotum ignorieren wird. Schließlich

sollten die Signalwirkungen des neuen, jährlichen HV-Votums über den

Vergütungsbericht abgewartet werden, durch den die Angemessenheit der

Vorstandsvergütung einer zusätzlichen Aktionärskontrolle unterzogen wird.

Soweit in der politischen Debatte darüber nachgedacht wird, das Votum der

Aktionäre „zumindest für den Fall der Herabsetzung der vom Aufsichtsrat

vorgeschlagenen Vergütung verbindlich auszugestalten“3, sehen wir anlässlich

der gerade überarbeiteten Vergütungsregelungen des Deutschen Corporate

Governance Kodex 2019 und insbesondere der Empfehlung zur Festlegung

konkreter Ziel- und Maximal-Vergütungen ebenfalls kein Regelungsbedürfnis.

Es ist zudem zu bezweifeln, dass eine Gesetzeslösung gefunden werden

könnte, die eine angemessene Balance zwischen mehr Aktionärsmitsprache

einerseits und Vermeidung zu großer Kompetenzverluste des mitbestimmten

Aufsichtsrats andererseits wahrt und dabei zugleich die notwendige

Rechtssicherheit für die Gesellschaft und ihre Vorstände verspricht.

3 Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. Mai 2019, abrufbar unter:

https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/staerkung-der-aktionaersrechte-durch-neue-kultur-der-

mitsprache (zuletzt abgerufen am 28.05.2019).

3

Schon die am Bundesrat im Jahr 2013 gescheiterte „VorstKoG“4-Regelung hat

gezeigt, wie komplex und mit welchen Rechtsunsicherheiten eine zusätzliche

Kompetenzverschiebung für die Beteiligten verbunden wäre. Trüge die HV

bspw. die vom Aufsichtsrat vorgeschlagene Maximalvergütung nicht mit, würde

dies die Frage aufwerfen, ob sie ihre Vorstellungen im Wege eines Initiativ- oder

Gegenantragsrechts an die Stelle des Aufsichtsrats setzen dürfte. In der Folge

müsste einem Vorstand im Fall der Verschlechterung der zuvor anvisierten

Vergütungsposition ein Sonderkündigungsrecht in Anlehnung an § 87 Abs. 2

Satz 4 AktG zugestanden werden. Und es müsste weiter klargestellt werden,

dass dem Aufsichtsrat durch mögliche Nachteile für die Gesellschaft, die mit

einer von der HV initiierten Herabsenkung verbunden sind, keine

Haftungsrisiken entstehen (vgl. §§ 93 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. 116 Satz 1 AktG).

Zahlreiche weitere Fragen würden sich stellen, die den Vorlageintervall, den

Bestandsschutz für Altverträge sowie die Anfechtbarkeit der jeweiligen HV-

Beschlüsse betreffen – um hier nur einige zu nennen.

Eine weitere über die Richtlinienvorgaben hinausgehende Verschärfung des Say

on Pay in Form eines neuen HV-Votums über die Höhe bzw. die Herabsenkung

der Maximalvergütung lehnen wir daher ab.

3. Grundsätzliches zu Related Party Transactions: Die Umsetzung der RPT-

Regelungen im RegE ARUG II ist insgesamt gelungen und sollte nicht verschärft

werden. Dies gilt insbesondere für die gewählte Eingriffsschwelle von 2,5

Prozent der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft,

die bewusst vor dem Hintergrund des hohen Schutzniveaus unseres

bestehenden Konzernrechts gewählt wurde.

Sofern die Schwellenhöhe mit Blick auf einen möglichen Reformbedarf unseres

Konzernrechts hinterfragt wird, kann eine Debatte über die Herabsenkung des

RPT-Schwellenwerts nicht isoliert von einer grundlegenden Reform des

deutschen Konzernrechts und Minderheitenschutzes geführt werden. Eine

isolierte Schwellenabsenkung empfiehlt sich daher nicht.

Sieht der Gesetzgeber gleichwohl Korrekturbedarf, so ist – äußerst hilfsweise –

an eine Branchenlösung zu denken, die eine niedrigere Eingriffsschwelle für die

Banken- und Versicherungsbranche aufgrund ihrer regelmäßig hohen

Bilanzsummen vorsieht, es im Übrigen für Unternehmen der Realwirtschaft aber

bei der im RegE ARUG II vorgeschlagenen 2,5-Prozentschwelle belässt.

4 Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer

aktienrechtlicher Vorschriften vom 26.06.2013, Drucks. 17/14214.

4

4. Einzelpunkte zum Themenkomplex „Say on Pay“:

Die Pflicht zur Bekanntmachung der vollständigen Unterlagen in den Fällen

der Beschlussfassung über das Vergütungssystem des Vorstands und des

Aufsichtsrats sowie über den Vergütungsbericht nach § 124 Abs. 2 Satz 3

AktG-RegE sollte durch die Möglichkeit vereinfacht werden, die Unterlagen

alternativ über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen.5

Um denkbare Kompetenzstreitigkeiten im Vorfeld zu lösen, sollte in § 162

Abs. 3 AktG-RegE ausdrücklich die Befugnis des Aufsichtsrats festgelegt

werden, auf freiwilliger Basis einen Prüfauftrag auch zur inhaltlichen Prüfung

des Vergütungsberichts erteilen zu können (vergleichbar der Regelung des

§ 111 Abs. 2 Satz 4 AktG).

5. Einzelpunkte zum Themenkomplex „Related Party Transactions“

Für die Beurteilung des Vorliegens der Besorgnis eines Interessenkonflikts

im Rahmen der §§ 111b Abs. 2, 107 Abs. 3 Satz 6 AktG-RegE sollte dem

Aufsichtsrat die Einschätzungsprärogative zukommen.

In der Gesetzesbegründung sollte klargestellt werden, dass eine Beteiligung

einer der Muttergesellschaft nahestehenden Person an einer

Tochtergesellschaft im Sinne des § 111a Abs. 3 Nr. 1 3. Alt. AktG-RegE erst

ab dem unmittelbaren oder mittelbaren Halten von 20 Prozent der

Stimmrechte dieser nahestehenden Person an der Tochtergesellschaft

gegeben ist.

Des Weiteren sollte die Bereichsausnahme des § 111a Abs. 3 Nr. 1 3. Alt.

AktG-RegE nach ihrem Sinn und Zweck (erst recht) auf die Fälle ausgeweitet

werden, bei denen die Gesellschaft nur eine Beteiligung unter 50 Prozent an

der Beteiligungsgesellschaft hält. Denn je niedriger die Beteiligung ist, desto

geringer ist das Interesse der (Mutter-)Gesellschaft, ein für sie nachteiliges

Geschäft mit der Beteiligungsgesellschaft vorzunehmen, an der außer ihr

noch Dritte beteiligt sind, die durch das Geschäft mittelbar profitieren

würden.6 (Für Einzelheiten siehe unten S. 26 f.)

§ 111c Abs. 3 AktG-RegE sollte für den Bereich außerhalb des Insiderrechts

um einen gesellschaftsrechtlichen Befreiungsgrund von der Offenlegung

sensibler Informationen nach dem Vorbild des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1

AktG ergänzt werden.

5 Vgl. insoweit auch Ziffer 5. der Stellungnahme des Bundesrats vom 17.05.2019, Drucks. 156/19. Die

Bundesregierung hat dagegen angekündigt, nur auf den hilsweisen Vorschlag hinzuwirken, der den Fall

der Satzungsänderung betrifft (S. 10 f. der Gegenäußerung der Bundesregierung vom 29.05.2019,

Drucks. 19/10507). 6 Vgl. Müller, ZGR 2019, 97, 112 f.

5

In der Gesetzesbegründung sollte klargestellt werden, dass die

Zustimmungskompetenz nach § 111b AktG-RegE bei der börsennotierten

KGaA gemäß § 164 Satz 1 2. Halbs. HGB i.V.m. § 278 Abs. 2 AktG einem

fakultativen Gesellschaftsorgan übertragen werden kann. Für den Fall, dass

die Satzung das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre nach § 164

Satz 1 2. Halbs. HGB ersatzlos gestrichen hat, folgt aus einer

richtlinienkonformen Anwendung des § 164 Satz 1 HGB eine

Auffangzuständigkeit des Aufsichtsrats der KGaA für die

Zustimmungsentscheidung.7

Um den Gesellschaften mehr Zeit für die Einrichtung ihrer internen Prozesse

zu geben, sollte auch für die Umsetzung der RPT-Regelungen nach §§ 111a

bis 111c AktG-RegE in § 26 EGAktG-RegE eine Übergangsfrist eingeführt

werden.

6. Einzelpunkte zum Themenkomplex „Know your Shareholder“

Mit der Bundesregierung sollte – entgegen der Erwägung des Bundesrats –,8

kein gesetzlicher Schwellenwert für die Aktionärsidentifikation eingeführt

werden. Depotbezogene Schwellenwerte könnten dazu führen, dass durch

bewusstes Splitting der Bestände das Identifikationsrecht der Emittenten

unterlaufen wird. Da die Emittenten die Kosten für die Aktionärsidentifikation

tragen müssen, ist eine unverhältnismäßige Belastung der Intermediäre nicht

zu besorgen.

Der Bestätigungsanspruch des Aktionärs gegen den Emittenten über seine

Stimmabgabe nach § 129 Abs. 5 Satz 1 AktG-RegE sollte entfallen, wenn

ihm die Informationen bereits zur Verfügung stehen (siehe dazu die

Ausnahme in Art. 3c Abs. 2 UAbs. 2 Satz 1 ARLL II).

§ 67f Abs. 1 Satz 1 AktG-RegE weist die Kosten für die rechtskonforme

Verarbeitung personenbezogener Daten der Aktionäre durch die

Intermediäre nach § 67e AktG-RegE der Gesellschaft zu. Dies ist u. E. nicht

interessensgerecht, weshalb § 67e RegE aus § 67f Abs. 1 Satz 1 AktG-RegE

gestrichen werden sollte.

Die Kostenregelung des § 67f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG-RegE privilegiert nur

den Hinweg der Weitergabe von Informationen der Gesellschaft vom im

Aktienregister eingetragenen Intermediär (Nominees) hin zum wahren

Aktionär. Der Rückweg nach § 67c AktG-RegE, also die Weitergabe von

Informationen an die Gesellschaft, die der im Register eingetragene

Intermediär vom wahren Aktionär erhalten hat, ist dagegen nicht

kostenprivilegiert. Da sich die Interessenlage bzgl. der Wegrichtung der

7 Siehe dazu ausführlich Backhaus/Brouwer, AG 2019, 287. 8 Vgl. Ziffer 1. der Stellungnahme des Bundesrats vom 17.05.2019, Drucks. 156/19, sowie die

ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung vom 29.05.2019, S. 7 f. Drucks. 19/10507.

6

Informationsweitergabe nicht unterscheidet, sollte auch § 67c AktG-RegE in

§ 67f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG-RegE mit aufgenommen werden.9

II. Zur Mitsprache der Aktionäre über die Vergütung des Vorstands

In der politischen Diskussion ist die Frage erneut entflammt, wieviel Mitsprache die

Aktionäre bei der Vergütung der Vorstände erhalten sollten.

Der RegE sieht entsprechend der ARRL II vor, dass das Vergütungssystem bei jeder

wesentlichen Änderung, mindestens aber alle vier Jahre, zwingend der HV vorgelegt

werden muss (§ 124a Abs.1 Satz 1 AktG-RegE). Der HV-Beschluss selbst ist dagegen

nach dem RegE als beratender Beschluss ausgestaltet. Er begründet weder Rechte

noch Pflichten noch ist er anfechtbar (§ 120a Abs. 1 Sätze 2 und 3 AktG-RegE). Diese

Option lässt Art. 3 Abs. 3 Satz 1 ARRL II ausdrücklich zu.

Nach den Reden zur ersten Lesung im Bundestag10 ist die Unverbindlichkeit des HV-

Votums zum Teil kritisiert worden. Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, der FDP,

von Bündnis 90/Die Grünen sowie der AfD sprechen sich für mehr Verbindlichkeit aus,

während die SPD und die Fraktion Die Linke die Zuständigkeit für die Entscheidung

über die Vorstandsvergütung beim Aufsichtsrat belassen wollen.

1. Vorbemerkung: Recht und Gesellschaftspolitik

Die gesellschaftspolitische Debatte um die Angemessenheit der Vergütung von

Vorständen börsennotierter Unternehmen genießt seit VorstOG11 und VorstAG12

ungebrochene Aufmerksamkeit in der interessierten Öffentlichkeit. Die regelmäßig

wiederkehrenden Reformbestrebungen sind zugleich Beleg dafür, dass sich der

eigentliche Wunsch nach gesellschaftlich akzeptable(re)n Vorstandsgehältern mit

gesetzlichen Mitteln kaum wird realisieren lassen. Der Kern des Problems ist schlicht

und wird auch in Zukunft fortbestehen: Niemand kann mit der notwendigen

Allgemeingültigkeit die Angemessenheit von Top-Manager-Bezügen bestimmen13 –

9 Für weitere Empfehlungen zur angemessenen Verteilung der Kostentragung unter den Beteiligten

sowie für Kostenanreize für eine elektronische Kommunikation verweisen wir auf S. 9 ff. der

Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur

Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 26.04.2019, abrufbar unter:

https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/positionspapiere/190426%20Position%20Aktieninstit

ut%20ARUG%20II%20RegE.pdf (zuletzt abgerufen am 28.05.2019). 10 Plenarprotokoll vom 9. Mai 2019, Drucks. 19/98, S. 11902 ff. und 11946 ff. 11 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz –

VorstOG) vom 03.08.2005, BGBl. I 2005, S. 2267. 12 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.07.2009, BGBl. I 2009, S. 2509. 13 Vgl. Heisse, BB 24/2013, „Die Erste Seite“: „Der Versuch, angemessene Vorstandsgehälter gesetzlich

zu erzwingen, scheitert, solange niemand die Höhe definieren kann“; siehe auch Hommelhoff, BB 13/2013,

„Die Erste Seite“: „Es gibt kein iustum pretium, keine ‚gerechte Gegenleistung‘ im Recht“.

7

auch nicht der Staat, will er nicht die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie

etwa durch fixe oder relative14 Gehaltsobergrenzen aushöhlen.

Zur Steigerung der Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft in der Bevölkerung soll das

gesellschaftliche Problem nun in struktureller Weise durch einen Eingriff in das

Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft gelöst werden, indem die

Entscheidungszuständigkeit über das Vergütungssystem und ggf. auch über die

Individualvergütung den Aktionären übertragen wird.

Bei genauerer Betrachtung bestehen jedoch Zweifel, ob durch mehr Mitsprache der

Aktionäre die gesellschaftliche Gehälterfrage gelöst oder – umgekehrt – gar weiter

vertieft wird. Dazu mögen folgende Überlegungen dienen:

2. Zum Begriff der „Aktionärsdemokratie“

Im Zusammenhang mit dem Say on Pay wird zum Teil mehr Aktionärsdemokratie

gefordert, die durch ein verbindliches Entscheidungsrecht der Aktionäre bei der

Vorstandsvergütung hergestellt werden soll.

Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Hauptversammlung Teil eines

austarierten Kompetenzgefüges ist, in dem ihr als eines von drei Organen (neben dem

Aufsichtsrat und dem Vorstand) klar umrissene und aufeinander abgestimmte

Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugewiesen sind. Insbesondere ist die

Hauptversammlung nach der aktiengesetzlichen Binnenstruktur nicht etwa das

„Souverän“ der Aktiengesellschaft, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen (so etwa

im Fall des in der Praxis allerdings unbedeutenden Ersetzungsrechts nach § 111 Abs.

4 Satz 3 AktG) – die Letztentscheidung über das Handeln des Aufsichtsrats und/oder

des Vorstands zusteht.

Die Zuweisung der Vergütungskompetenz ist bewusst dem sachnäheren und zudem

haftungsverantwortlichen Aufsichtsrat zugewiesen (vgl. §§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 Sätze

1 und 3, 87 Abs. 1 AktG). Demgegenüber ist die Hauptversammlung kein geeignetes

Forum für eine differenzierte Auseinandersetzung mit einzelnen

Vergütungskomponenten. Der Aufsichtsrat erfüllt zudem eine wichtige Filterfunktion,

indem er die unterschiedlichen in der Hauptversammlung vertretenen Interessen in

einen angemessenen Ausgleich zu bringen hat.

In der Vergütungsdebatte über eine Vertiefung der Kompetenzverschiebung zugunsten

der HV dürfen daher die folgenden Realitäten nicht ausgeblendet werden:

14 Vgl. II. 1. des Antrags der Fraktion Die Linke vom 21.02.2019, Drucks. 19/7979 („nicht mehr als das

Zwangzigfache eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten der untersten Lohn- und

Gehaltsgruppe“); für eine vom Aufsichtsrat vorzuschlagende relative Höchstgrenze siehe Art. 4 Nr. 2

SPD-Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen und zur Beschränkung

der steuerlichen Absetzbarkeit vom 21.02.2017, ebenso II. 2. c) des Antrags der Fraktion von Bündnis

90/Die Grünen vom 13.03.2019, Drucks. 19/8282.

8

Die Aktionärszusammensetzung und damit die Interessenlandschaft in der HV sind

stark diversifiziert. So treten neben unternehmerisch (langfristig) orientierten

Aktionären auch Aktionäre (nicht selten in großer Anzahl), die in erster Linie

Geldanleger sind und die Aktiengesellschaft als Kapitalsammelstelle verstehen.

Aktionäre sind nicht wie der Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse

verpflichtet, sondern dürfen – bis zur Grenze ihrer Treuepflichten – höchst eigene

Interessen (z. B. sehr kurzfristige Renditeziele) verfolgen.

Die Vorstellung vom nachhaltigen Aktionär, der soziale, ethische und

arbeitnehmerfreundliche Interessen verfolgt, stößt in einer von Pensions- und

Versicherungsfonds, von Hedgefonds, aktivistischen Aktionären und

Stimmrechtsberatern geprägten Realität an ihre Grenzen.

Im Ergebnis entscheiden häufig nur wenige institutionelle Anleger und

Stimmrechtsberater über den Ausgang der Abstimmungen börsennotierter

Unternehmen.

Gerade bei Gesellschaften ohne Groß- oder Ankeraktionär reichen in der Regel

schon kleine Aktienpakete aus, um überproportional Einfluss auf die

Abstimmungsergebnisse nehmen zu können. Besonders deutlich wird dies in

Fällen, in denen in der HV ad hoc über neue oder geänderte Anträge abgestimmt

werden soll. Da die Mehrzahl der Stimmen, auch von institutionellen Investoren,

bereits im Vorfeld zur HV abgegeben werden, können diese bei Antragsänderungen

nicht mehr berücksichtigt werden und haben folglich kein Gewicht bei der

Abstimmung über die Unternehmenspolitik.15

Mehr Aktionärsmitsprache bedeutet daher vor allem mehr Einfluss von

aktivistischen Anlegern und Stimmrechtsberatern.

Stimmrechtsberater gehen bei ihren Empfehlungen von ihren spezifischen (US

getriebenen) Vergütungsmodellen aus und empfehlen eine Ablehnung, wenn sie

diese nicht in den Vergütungssystemen wiederfinden. Sie üben dabei erheblichen

Einfluss aus, ohne als Aktionäre von den wirtschaftlichen Folgen ihrer

Einflussnahme betroffen zu sein. Zudem ist ihre Unabhängigkeit zweifelhaft, wenn

sich Stimmrechtsberater gleichzeitig in der Vergütungsberatung für Emittenten und

in der Stimmrechtsberatung für Investoren engagieren.

Kleinaktionären wird es dagegen kaum gelingen, Mehrheiten gegen professionelle

Anleger und Stimmrechtsberater zu organisieren.

Dadurch wird der mitbestimmte Aufsichtsrat in seiner Position gegenüber dem

Vorstand erheblich geschwächt. Der Zugewinn an mehr direkter Mitsprache würde

auch außerhalb der HV zu mehr Einflussnahme auf den Aufsichtsrat und den

15 Beispiel: Antrag auf Sonderprüfung in der HV 2019 der Bayer AG: unter 10 % Stimmbeteiligung (siehe

S. 2 unter Ziffer 6 der Übersicht über die Abstimmungsergebnisse, abrufbar unter:

https://www.bayer.de/de/hv-2019-abstimmungsergebnisse-de.pdfx, zuletzt abgerufen am 28.05.2019).

9

Vorstand führen, was eine weitere faktische Schwächung des mitbestimmten

Aufsichtsrats nach sich führen würde.

Die Kompetenzverlagerung auf die HV wird mittel-/langfristig die Frage nach der

Kontrolle der Aktionäre nach sich ziehen. Damit droht eine Kontrollspirale in Gang

gesetzt zu werden, die immer weiter weg von Privatautonomie und Marktwirtschaft

führt.

Die Konzeption des derzeitigen Aktienrechts fängt dies demgegenüber auf, indem sie

mit dem haftungsverantwortlichen Aufsichtsrat eine „repräsentative

Aktionärsdemokratie“ vorsieht – jedenfalls soweit die Anteilseignerseite betroffen ist.

Damit lassen sich sowohl Zufallsergebnisse als auch Einzelinteressen weniger großer

Aktionäre im Interesse der Gesellschaft und der Allgemeinheit der Aktionäre abfedern.

Daran sollte festgehalten werden.

3. Kein Regelungsbedürfnis für ein verbindliches Say on Pay

Soll die Kompetenzfrage nicht zur reinen Symbolpolitik werden, ist weiter danach zu

fragen, ob überhaupt ein tatsächliches Bedürfnis für ein Systemwechsel besteht. Aus

unserer Sicht ist das nicht der Fall:

Die Beispiele der vergangenen HV-Saisons unter Geltung der aktuellen (vollständig

freiwilligen) Fassung des § 120 Abs. 4 AktG belegen, dass ein negatives HV-Votum

den Aufsichtsrat ohnehin zur Überarbeitung des Vergütungssystems zwingt.16

Durch die Vorgaben der ARRL II wird der Aufsichtsrat künftig gesetzlich verpflichtet

sein, im Fall der Missbilligung ein überprüftes Vergütungssystem in der nächsten

ordentlichen HV zum Beschluss vorzulegen (§ 120a Abs. 3 AktG-RegE). Was

derzeit also schon freiwillig erfolgt, wird künftig zur gesetzlichen Pflicht.

Das AktG sieht eine Soll-Pflicht für den Aufsichtsrat vor, im Fall einer

Verschlechterung der Lage der Gesellschaft die Vorstandsbezüge auf ein

angemessenes Maß herabzusetzen (§ 87 Abs. 2 S. 1 AktG; vgl. darüber hinaus

§ 87a Abs. 1 Nr. 5 AktG-RegE).

Für die Banken- und Versicherungsbranche bestehen zudem gesetzliche

Sonderregeln, die in bestimmten Fällen Vergütungsobergrenzen und Claw-Back-

Pflichten vorsehen.17

16 Vgl. FAZ vom 03.06.2017. S. 28 sowie FAZ vom 06.08.2018 (zur drohenden Verweigerung der

Aufsichtsratsentlastung im Fall SAP, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/sap-neue-

verguetungsregelung-soll-aktionaere-beruhigen-15480737.html?service=printPreview; zuletzt abgerufen

am 03.06.2019). 17 Vgl. § 25a Abs. 5 KWG. Vergütungsobergrenzen („nicht mehr angemessen“) oder Clawback-Pflichten

bestehen im Banken- und Versicherungssektor (vgl. § 18 Abs. 5 InstitutsVergV; §§ 10 Abs. 2 Nr. 3

FMStFG i.V.m. 5 Avbs. 2 Nr. 4a FmStFV). Die Eingriffe dort werden mit dem besonderen systemischen

10

Zudem sieht die ARRL II einen neuen verbindlichen Vergütungsbericht vor, der u. a.

eine Erläuterung darüber verlangt, wie sich die Vorstandsvergütung im Vergleich

zur Ertragsentwicklung der Gesellschaft und der Durchschnittsvergütung der

Beschäftigten des Unternehmens verändert hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 AktG-RegE).

Dadurch wird die Angemessenheit der Vorstandsvergütung unter zusätzlichen

Erklärungsdruck gestellt.

Schließlich enthält der in diesen Tagen überarbeitete Deutsche Corporate

Governance Kodex 2019 eine Neufassung des Abschnitts zur Vorstandsvergütung,

in dem unter G. das Konzept der Ziel- und Maximalvergütung eingeführt wird. Das

vorgesehene Konzept berücksichtigt bereits die bekannten Elemente des ARUG II

und folgt einem Top-Down-Ansatz. Die Ziel-Gesamtvergütung umfasst alle

Vergütungselemente und ist der Betrag, der bei hundertprozentiger Zielerreichung

gewährt wird. Die Ziel-Gesamtvergütung wird durch eine Maximalvergütung (Cap)

ergänzt.18 Dabei sollen Ziel- und Maximalvergütung im Vergleich zur Vergütung der

Führungskräfte und der Belegschaft insgesamt vermittelbar sein und auch der

Öffentlichkeit erklärt werden können.

Es empfiehlt sich daher, die Wirkungen aus dem Zusammenspiel von

unverbindlichem Say on Pay nach dem RegE ARUG II mit den neuen

Kodexempfehlungen abzuwarten.

4. Steuerliche Regelungsmodelle

Keine Alternative zur Steuerung der Vorstandsvergütung stellen auch die – nach wie

vor im Raum stehenden – Überlegungen dar, die steuerliche Abzugsfähigkeit von

Vorstandsgehältern zu beschränken.19 Denn die Steuersanktion wäre nicht nur

verfassungsrechtlich bedenklich (Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip20), sondern

würde auch ihr Lenkungsziel verfehlen. Denn es ist nicht damit zu rechnen, dass die

eingeschränkte Abzugsfähigkeit zu niedrigeren Vergütungen führt. Liegt die Bestellung

Risikopontenzial von Finanz- und Versicherungsinstituten für die Gesamtwirtschaft und die Allgemeinheit

in Form von staatlichen (steuerfinanzierten) Rekapitalisierungsmaßnahmen gerechtfertigt. 18 Vgl. G.2 DCGK in der Beschlussfassung vom 09.05.2019: „Auf Basis des Vergütungssystems soll der

Aufsichtsrat für jedes Vorstandsmitglied zunächst dessen konkrete Ziel- und Maximal-Gesamtvergütung

festlegen, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des

Vorstandsmitglieds sowie zur Lage des Unternehmens stehen und die übliche Vergütung nicht ohne

besondere Gründe übersteigen.“ 19 Vgl. Art. 1 SPD-Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen und zur

Beschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit vom 21.02.2017 sowie die Anträge der Fraktionen Die

Linke vom 21.02.2019 (Drucks. 19/7979) und von Bündnis 90/Die Grünen vom 13.03.2019 (Drucks.

19/8282); siehe dazu die Beschlussempfehlung des Bundestagsrechtsausschusses vom 10.04.2019,

Drucks. 19/9299. 20 Siehe dazu Hey/Hey, FR 2017, 309, 316 ff.

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eines Vorstands im Interesse der Gesellschaft, wird das Unternehmen im Zweifel auch

den zusätzlichen „Steuerpreis“ in Kauf nehmen.

5. Fazit

Die „angemessene“ Höhe von Vorstandsgehältern ist eine marktwirtschaftliche Frage,

die sich mit Mitteln des Rechts nicht lösen lässt.

Eine Verlagerung der Vergütungskompetenz auf die Aktionäre führt zu einem weiteren

Einflussgewinn auf Seiten der institutionellen Anleger und der vom wirtschaftlichen

Risiko losgelösten Stimmrechtsberater. Die maßgeblichen Entscheider sind indessen

nicht in gleicher Weise wie der Aufsichtsrat an das langfristige Unternehmensinteresse

gebunden. Der mitbestimmte Aufsichtsrat wird im Gegenzug in seiner Kontrollfunktion

gegenüber dem Vorstand geschwächt.

Vor allem aber fehlt es für eine Kompetenzverschiebung an einem Regelungsbedürfnis.

Denn der Aufsichtsrat wird kaum ein negatives (beratendes) Aktionärsvotum ignorieren.

Es sollten daher die neuen Erfahrungen mit den durch den RegE ARUG II umgesetzten

Vergütungsregeln der ARRL II abgewartet werden. Sowohl die Pflicht zur HV-Vorlage

und – bei negativem HV-Votum – die Pflicht zur Überprüfung und Wiedervorlage des

Vergütungssystems als auch die Wirkungen des neuen HV-Votums über den

Vergütungsbericht stellen – jeweils in Verbindung mit den Empfehlungen des

geänderten Deutschen Corporate Governance Kodex 2019 – zusätzliche Maßnahmen

zur Vermeidung von Gehaltsexzessen dar.

Für die weitere Diskussion gilt es dabei auch zu berücksichtigen, dass börsennotierte

Unternehmen in Deutschland bei der Gewinnung von Führungskräften einem

internationalen Wettbewerb der Vorstandsgehälter ausgesetzt sind. Rechtsfragen der

Vorstandsvergütung sind daher immer auch eine Standortfrage.

III. Keine Herabsenkung des Schwellenwerts bei Related Party

Transactions

1. Vorbemerkung

Wir begrüßen es, dass der RegE die RPT-Vorgaben nach der ARRL II unter

Berücksichtigung der schon bestehenden Schutzmechanismen des deutschen

Aktienrechts (siehe dazu ausführlich RegE [19/9739] S. 35) ohne tiefe Brüche mit dem

deutschen Corporate Governance-System umsetzt. Das gilt sowohl für die Zuweisung

der Zustimmungskompetenz an den Aufsichtsrat als auch für die gewählte

Zustimmungsschwelle von 2,5 Prozent der Summe aus dem Anlage- und

Umlaufvermögen der Gesellschaft.

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Rechtsvergleichend liegt der gewählte Schwellenwert im europäischen Mittelfeld21 und

entspricht zudem den Vorstellungen der EU-Kommission in ihrem Richtlinienentwurf

aus 2014, die einen Wert zwischen 1 und 5 Prozent des Unternehmensvermögens

vorsahen.

Die gewählte Wesentlichkeitsgrenze stellt weder eine Privilegierung von

Großunternehmen dar noch ist sie „totes Recht“, das nur in seltenen Einzelfällen zur

Anwendung kommt. Nach einer aktuellen empirischen Untersuchung zu deutschen

börsennotierten Gesellschaften handelt es sich bei der Grenze vielmehr um eine

„effektive Mindestumsetzung der Richtlinienvorgaben“, die „eine durchaus spürbare

und (…) effiziente Kontrolle von Geschäften mit nahestehenden Personen erreicht“.22

Deutlich niedrigere oder unterschiedliche Grenzwerte etwa differenziert nach

Unternehmen und natürlichen Personen würden die Regelungskomplexität und damit

den bürokratischen Mehraufwand bei den Unternehmen deutlich erhöhen.23 Dies gilt

insbesondere mit Blick auf den weiten Kreis der über die International Accounting

Standards (IAS) einbezogenen Related Parties, der auch nahe Familienangehörige von

Schlüsselpersonen wie Organmitgliedern umfasst – und damit den

Nachforschungsaufwand und die erforderlichen Monitoringprozesse in den

Gesellschaften deutlich verkomplizieren würde.24 Auch nach empirischen Befunden

besteht aufgrund der geringen Relevanz kein Bedürfnis für Sonderregeln etwa für

Geschäfte mit Organmitgliedern. Insoweit genügen die bestehenden Restriktionen des

Aktienrechts und die nachgelagerten Berichtspflichten.25

2. Deutsches Konzernrecht auf dem Prüfstand – keine isolierte Lösung

Vereinzelt wird die Umsetzung der ARRL II zum Anlass genommen, das deutsche

Konzernrecht insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Hinterfragt wird, ob „der

Regelungsansatz des hergebrachten deutschen Konzernrechts durch die neuartigen

europäischen und internationalen Regelungen überholt ist“.26

Aus Sicht der deutschen Unternehmen hat sich das deutsche Konzernrecht, das

zwischen dem Vertrags- (§§ 291 ff. AktG) und dem faktischen Konzern (§§ 311 ff.

AktG) differenziert, indessen bewährt. Vereinzelte Unwuchten, die etwa das

Spruchverfahren über die Ausgleichszahlung und Abfindung für außenstehende

Aktionäre betreffen (§§ 304 Abs. 3, 305 Abs. 5 AktG), lassen sich durch punktuelle

Nachbesserungen beheben. Folgende Vorschläge stehen bspw. schon seit längerem

im Raum:

21 Vgl. J. Schmidt, NZG 2018, 1201, 1209 f.; Lieder/Wernert, ZIP 2018, 2441, 2444. 22 Engert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 500; kritisch dagegen Tröger/Roth/Strenger, BB 2018, 2946, 2948 ff. 23 Ebenso Lieder/Wernert, ZIP 2019, 989, 992. 24 Vgl. Lutter, EuZW 2014, 687, 688, der von der Notwendigkeit eines „Related-Party-Beauftragten“

spricht; vgl. auch Müller, ZGR 2019, 97, 115. 25 Engert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 503. 26 Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. Mai 2019 (oben Fn. 3).

13

Verkürzung27 und Erstreckung des Spruchverfahrens auf Anteilsinhaber des

übernehmenden bzw. formwechselnden Rechtsträgers bei Verschmelzungen und

Formwechsel;28

Nachteilsausgleich gemäß § 15 UmwG auch durch Gewährung von Aktien;29

Erleichterungen für „Mini-Ausgliederungen“.30

Für das ARUG II-Verfahren ist indessen entscheidend, dass die gewählte

Eingriffsschwelle bewusst vor dem Hintergrund des hohen Schutzniveaus unseres

bestehenden Konzernrechts gewählt wurde. Eine Debatte über die Herabsenkung des

RPT-Schwellenwerts kann daher nicht isoliert von einer grundlegenden Reform des

deutschen Konzernrechts und Minderheitenschutzes geführt werden.

Mit Blick auf die herannahende Umsetzungsfrist sollte es daher (zunächst) bei dem

Schwellenwert in § 111b Abs. 1 AktG-RegE verbleiben.31

3. Hilfsweise Erwägung – Sonderschwelle für die Banken- und

Versicherungsbranche

Verfängt dies nicht und sieht der Gesetzgeber gleichwohl Korrekturbedarf, so ist –

hilfsweise – an eine Branchenlösung zu denken, die eine niedrigere Eingriffsschwelle

für die Banken- und Versicherungsbranche aufgrund ihrer regelmäßig besonders

hohen Bilanzsummen vorsieht, es im Übrigen für Unternehmen der Realwirtschaft aber

bei der im RegE ARUG II vorgeschlagenen 2,5-Prozentschwelle belässt. Denn eine

undifferenzierte Schwellenherabsenkung hätte vor allem in der Realwirtschaft den

Effekt, dass viele börsennotierte Unternehmen mit vergleichsweise kleinen

Bilanzsummen mit einem erheblichen Zuwachs an zustimmungs- und

veröffentlichungspflichtigen RPT zu rechnen hätten.

27 Vgl. dazu Entschließungsantrag der CDU/CSU und FDP vom 26.06.2013, Drucks. 17/14239, S. 4

Ziffer 6, sowie Beschluss 13 der Abteilung Wirtschaftsrecht des 72. Deutschen Juristentags e. V. Auch

der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode hat eine Evaluierung des Spruchverfahrens

angekündigt (Ziffer 6195). 28 Vgl. dazu S. 51 ff. DAI-Stellungnahme RegE ARUG II (oben Fn. 9). 29 Vgl. dazu den Regelungsvorschlag des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins,

NZG 2013, 694, 698 ff. 30 S. dazu den Regelungsvorschlag von Grunewald/Royla/J. Vetter, AG 2012, 324. 31 Ebenso Engert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 503: „Das bisher unangetastete Konzernrecht sollte doch –

wenn auch nach der Reform – erneut und insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden.“

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Mit freundlichen Grüßen

VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.V.

Recht und Steuern

Dr. Tobias Brouwer

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)

Bereichsleiter Recht und Steuern

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- Anlage -

Stellungnahme

zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten

Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

Einleitung

Wir begrüßen es, dass der Regierungsentwurf (RegE) vom 20. März 2019 den im

Referentenentwurf (RefE) aus Oktober 2018 verfolgten Ansatz einer behutsamen

Umsetzung der Richtlinienvorgaben (ARRL II – EU 2017/828) in das deutsche,

dualistische Aktienrechtssystem fortführt. Im Detail weist der Regierungsentwurf eine

Vielzahl an Änderungen und Klarstellungen auf, die aus unserer Sicht für zusätzliche

Rechtssicherheit sorgen und daher auch in der finalen Gesetzesfassung beibehalten

werden sollten. Gleichwohl besteht in einzelnen Bereichen noch weiterer Klarstellungs-

oder Änderungsbedarf.

Die aus unserer Sicht begrüßenswerten Änderungen des RegE wie auch unsere

Verbesserungsvorschläge werden nachfolgend anhand der jeweiligen

Regelungsbereiche des ARUG II erläutert.

Zum Themenkomplex „Know your Shareholder“

3.1. Änderungen/Klarstellungen im RegE, die wir unterstützen:

Die ARRL II unterscheidet bei ihren Vorgaben zur Identifizierung und Information der

Aktionäre nicht zwischen Inhaber- und Namensaktien. Auch der RefE sprach an

verschiedenen Stellen nur vom „Aktionär“ ohne dass klar war, wer damit gemeint ist –

der wahre Aktionär oder der im Aktienregister Eingetragene? In der Folge bestand aus

Sicht der Namensaktiengesellschaften die Sorge, dass zu dem System des

Aktienregisters ein weiteres, paralleles Identifikationsverfahren treten könnte, was die

bisherige Aktionärsverwaltung verkompliziert hätte. Der RegE greift das auf und

differenziert jetzt deutlicher zwischen Inhaber- und Namensaktiengesellschaften.

§ 67 Abs. 3 AktG-RegE: Für Änderungen des Aktionariats wird durch einen neuen

Satz 2 in § 67 Abs. 3 AktG-RegE klargestellt, dass aus der neuen

Identifikationsmitteilung der Intermediäre nach § 67d Abs. 4 AktG-RegE keine

Verpflichtung zur Aktionärseintragung (und Löschung) folgt.

Die in der Anlage angeführten Seitenzahlen des Regierungsentwurfs ARUG II beziehen sich auf die Fassung des Regierungsentwurfs, die auf der Internetseite des BMJV zugänglich ist (abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Aktionaersrechterichtlinie_II.html; zuletzt abgerufen am 28.05.2019).

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Namensaktiengesellschaften können somit an ihrer bisherigen Praxis des Abgleichs

des Aktienbestands mit den Systemen des Zentralverwahrers festhalten (RegE S.

63), was aus Sicht der Emittenten sehr zu begrüßen ist.

§ 67a AktG-RegE: Die jetzt vorgenommene Differenzierung zwischen Inhaber- und

Namensaktiengesellschaften bei der Pflicht der Gesellschaft zur Übermittlung von

Informationen über „Unternehmensereignisse“ ist richtig. § 67a Abs. 1 AktG-RegE

enthält nunmehr die Grundregel, dass börsennotierte Inhaberaktiengesellschaften

den Intermediären (Nr. 1) und Namensaktiengesellschaften den im „Aktienregister

Eingetragenen“ (Nr. 2) die erforderlichen Informationen übermitteln müssen (RegE

S. 66). Damit wird vermieden, dass es bei Namensaktiengesellschaften zu

Mehrfachmitteilungen sowohl an die Registeraktionäre als auch die Intermediäre

kommt (RegE S. 66). Zugleich wird in § 67f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG-RegE

folgerichtig klargestellt, dass für die Namensaktiengesellschaft keine Kosten für die

Informationsweitergabe von im Register eingetragenen Intermediären an den

„wahren“ Aktionär entstehen. (Zu unserem Änderungsvorschlag bezüglich der

Definition von „Unternehmensereignissen“ siehe unter 2.2.)

§ 123 Abs. 4 AktG-E: Die Differenzierung zwischen Inhaberaktien und Namensaktien

wird auch beim sogenannten Record Date aufrechterhalten. Insoweit war beim RefE

die Frage aufgekommen, ob durch die zunächst vorgesehene Streichung des

ausdrücklich auf Inhaberaktiengesellschaften bezogenen § 123 Abs. 4 S. 1 AktG-

RefE die Regelungen zum Bestandsstichtag (Record Date) auch für

Namensaktiengesellschaften gelten sollten – was mit Blick auf den unveränderten

Abs. 5 nicht gewollt sein konnte. Nunmehr bleibt es beim alten Regelungsansatz,

der in Absatz 4 ausdrücklich die Inhaberaktiengesellschaften und in Absatz 5 die

Namensaktiengesellschaften adressiert.

§ 125 AktG-E: Für die Pflicht der Gesellschaft zur Mitteilung der Einberufung der

Hauptversammlung verweist § 67a Abs. 1 Satz 2 AktG-RegE auf § 125 AktG, der

jetzt ebenfalls – richtigerweise – zwischen Inhaber- (Abs. 1) und

Namensaktiengesellschaften (Abs. 2) unterscheidet. Nach Absatz 2 müssen

Inhaberaktiengesellschaften eine Mitteilung nur noch gegenüber den im

Aktienregister Eingetragenen und solchen Akteuren machen, die der Gesellschaft

bekannt sind.

§ 129 Abs. 5 AktG-E: Zu begrüßen ist die gesetzliche Klarstellung, dass der Anspruch

gegen die Gesellschaft auf Bestätigung der abgegebenen Stimmen nicht – wie im

RefE vorgesehen – dem „Aktionär“, sondern dem „Abstimmenden“ zusteht. Dadurch

wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es den Gesellschaften oftmals nicht

möglich ist, für die Bestätigung den einzelnen Aktionär zu identifizieren (z. B. im Fall

einer verdeckten Stimmrechtsausübung, s. RegE

S. 112). (Für eine weitere Klarstellung siehe unter 2.3.)

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3.2. Änderungsvorschlag – Eigene Definition von Unternehmensereignissen

(§ 67a Abs. 1 AktG-RegE)

Für den in § 67a Abs. 1 AktG-RegE verwendeten Begriff der „Unternehmensereignisse“

verweist Abs. 6 auf die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 (DVO). Nach Art. 1

Nr. 3 DVO wird Unternehmensereignis definiert als „eine vom Emittenten oder einem

Dritten initiierte Maßnahme, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte

beinhaltet und die zugrunde liegende Aktie beeinflussen kann, z. B. die

Gewinnausschüttung oder eine Hauptversammlung.“

Die DVO-Definition ist aus unserer Sicht wenig konkret. Soweit sie als Beispiel die

Hauptversammlung erwähnt, ist sie zudem irreführend bzw. steht sogar im

Widerspruch zu § 67a Abs. 1 Satz 2 AktG-RegE, wonach Informationen über die

Hauptversammlung gerade nicht als Unternehmensereignisse im Sinne des § 67a Abs.

1 Satz 1 AktG-RegE gelten, sondern getrennt von der Informationspflicht nach § 67a

AktG-RegE in § 125 AktG-RegE gesondert geregelt werden.

Wir regen daher an, für die Informationspflichten der Gesellschaft nach § 67a Abs. 1

Satz 1 AktG-E den Regelungsvorschlag aus dem RefE wiederzubeleben, wonach sich

die Informationspflicht auf „Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und

Zeichnungsrechte sowie über Wahlrechte bei Dividenden“ bezieht. Insoweit

weisen wir darauf hin, dass der RegE z. B. bei der Definition des Intermediärs

ebenfalls – zu Recht – in § 67a Abs. 4 AktG-RegE eine eigene verständliche

Definition enthält, statt auf die Definition in Art. 1 Nr. 4 DVO zu verweisen.

3.3. Änderungsvorschlag – Bestätigung über die Stimmabgabe (§ 129 Abs. 5

Satz 1 AktG-RegE)

Im Sinne einer Eins-zu-Eins-Umsetzung der ARRL II regen wir an, die in Art. 3c Abs. 2

Unterabs. 2 Satz 1 ARRL II enthaltene Ausnahme von der Bestätigungspflicht der

Gesellschaft auch in das deutsche Umsetzungsgesetz zu übernehmen. Danach steht

dem Aktionär gegen den Emittenten ein Bestätigungsanspruch zu, „es sei denn, diese

Informationen stehen ihm bereits zur Verfügung.“ Ähnlich heißt es auch in Art. 9 Abs. 5

Unterabs. 2 DVO „sofern die Informationen nicht bereits vorliegen“.

Die Ausnahme trägt zur Bürokratieentlastung auf Seiten der Unternehmen bei und ist

zudem offen für technologische Entwicklungen, etwa Systeme, die dem Aktionär in

Echtzeit Informationen über seine Stimmabgabe bereitstellen.

Da der Bestätigungsanspruch des Aktionärs bzw. des Abstimmenden bei Vorliegen der

Ausnahme entfällt, muss die bereits zur Verfügung stehende Information selbst nicht

den Formanforderungen nach Art. 7 Abs. 2 DVO entsprechen, was gegebenenfalls

einen zusätzlichen Anreiz für die Unternehmen bieten könnte, Aktionäre bzw.

Abstimmende in Echtzeit über ihre Stimmabgabe zu informieren.

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§ 129 Abs. 5 Satz 1 AktG-RegE sollte daher wie folgt ergänzt werden:

(5) Der Abstimmende kann von der Gesellschaft innerhalb eines Monats nach dem

Tag der Hauptversammlung eine Bestätigung darüber verlangen, ob und wie seine

Stimme gezählt wurde, es sei denn, diese Informationen stehen ihm bereits zur

Verfügung.

Zum Themenkomplex „Say on Pay“

3.4. Vorbemerkung

Der RegE hält daran fest, den bei jeder wesentlichen Änderung, mindestens jedoch

alle vier Jahre zwingend einzuholenden Hauptversammlungsbeschluss über das

Vergütungssystem des Vorstands beratend auszugestalten (§ 120a Abs. 1 Satz 2

AktG-RegE). Diese beratende Ausgestaltungsform sollte beibehalten werden.

Ein verbindliches Say on Pay, wie er zuletzt von der FDP-Bundestagsfraktion unter

Verweis auf einen gemeinsamen Vorschlag mit der CDU/CSU aus der 17. Wahlperiode

gefordert wurde (Antrag vom 12.03.2019, Drucks. 19/8269), ist u. E. nicht erforderlich.

Die Einführung eines verbindlichen Hauptversammlungsvotums wäre eng verknüpft mit

der weiteren Forderung nach einer Anfechtungsmöglichkeit des HV-Beschlusses. Denn

soll das letzte Wort über das Vergütungssystem des Vorstands den Aktionären

zustehen, müsste deren Entscheidung wohl auch einer Überprüfung insbesondere

durch die Aktionärsminderheit offenstehen. Damit würde aber ein neues Feld für

missbräuchliche Aktionärsklagen mit erheblichem Erpressungspotenzial eröffnet. Denn

für die Unternehmen wie auch für die Vorstände würde die Anfechtung von Say on

Pay-Beschlüssen eine erhebliche Rechtsunsicherheit bezüglich der

Vorstandsvergütungen bedeuten. Das würde sich negativ auf den Wettbewerb um die

besten Leitungspersonen und damit auf den Unternehmensstandort Deutschland

auswirken.

Unabhängig von den zahlreichen weiteren Gründen, die gegen ein verbindliches HV-

Votum sprechen (siehe dazu statt vieler Bungert/Wansleben, DB 2017, 1190, 1191),

fehlt es für eine Kompetenzverschiebung vor allem an einem Regelungsbedürfnis.

Denn der Aufsichtsrat wird kaum ein negatives (beratendes) Aktionärsvotum ignorieren.

Es sollten daher zumindest die nächsten Erfahrungen mit einem beratenden Say on

Pay abgewartet werden. Sollte es entgegen aller Erwartungen dennoch Fälle geben,

bei denen der Aufsichtsrat ein klares Aktionärsvotum ignoriert, kann jederzeit durch

eine gesetzlich Verschärfung nachjustiert werden.

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3.5. Änderungen/Klarstellungen im RegE, die wir unterstützen:

§ 120a Abs. 1 Satz 4 AktG-E: Die Klarstellung, dass auch ein „bestätigender

Beschluss“ über ein bestehendes Vergütungssystem zulässig ist, ist zu begrüßen.

Der Aufsichtsrat kann daher auch das geltende Vergütungssystem zur erneuten

Abstimmung stellen (RegE S. 107).

§ 120a Abs. 3 AktG-RegE: Im Fall der Nichtbilligung muss das überprüfte

Vergütungssystem nunmehr „spätestens“ in der darauffolgenden „ordentlichen“ HV

vorgelegt werden (§ 120a Abs. 3 AktG-RegE). Auch das ist zu begrüßen, denn

dadurch wird vermieden, dass außerordentliche HVs mit themenfremden Inhalten

belastet werden (RegE S. 107).

§ 120a Abs. 4 Satz 2 AktG-RegE: Richtig ist weiter, dass nunmehr auch die

Anfechtbarkeit des HV-Beschlusses über die Billigung des Vergütungsberichts

ausgeschlossen ist. Denn ähnlich wie bei einem Entlastungsbeschluss, sind an die

Anfechtung des Billigungsbeschlusses keine rechtsverbindlichen Rechtsfolgen

geknüpft. Eine Anfechtbarkeit des Billigungsbeschlusses über den

Vergütungsbericht hat daher keinerlei Mehrwert. Sie würde aber neue Einfallstore

für Aktionärsklagen eröffnen und damit den Ressourcen- und Kostenaufwand der

Gesellschaften zulasten aller Aktionäre erhöhen.

§ 124 Abs. 3 AktG-RegE: Anders als bisher liegt das alleinige Vorlagerecht für das

Vergütungssystem des Vorstands nunmehr beim Aufsichtsrat. Das ist konsequent.

Denn nach dem neuen Konzept des § 87a Abs. 1 Satz 1 und § 120a Abs. 1 Satz 1

AktG-RegE liegt auch die Zuständigkeit für die Erarbeitung und Vorlage einer

Vergütungspolitik allein beim Aufsichtsrat.

Bezüglich der Aufsichtsratsvergütung und des Vergütungsberichts ist es dagegen

beim gemeinsamen Vorlagerecht von Aufsichtsrat und Vorstand verblieben (RegE

S. 109). Für den Vergütungsbericht ist das zutreffend, da dieser nach § 162 Abs. 1

Satz 1 AktG-RegE von Vorstand und Aufsichtsrat erstellt wird. Für den Vorschlag

und die Vorlage der konkreten Vergütung und des Vergütungssystems für den

Aufsichtsrat nach § 113 AktG-RegE liegt es u. E. indessen näher, das Vorlagerecht

ebenfalls allein dem Aufsichtsrat zuzuordnen. Denn hierbei handelt es sich um eine

eigene Angelegenheit des Aufsichtsrats, was ebenfalls dadurch zum Ausdruck

kommen sollte, dass nur diesen kraft inneren Sachzusammenhangs die

entsprechende Vorlagepflicht trifft.

3.6. Änderungsvorschlag – Bekanntmachung von Unterlagen (§ 124 Abs. 2

Satz 3 AktG-RegE)

Die Bekanntmachung von Vorschlägen zur Beschlussfassung nach § 124 Abs. 2 Satz 3

AktG-RegE wurde angepasst und umfasst jetzt auch das Vergütungssystem von

Vorstand und Aufsichtsrat sowie den Vergütungsbericht, die jeweils die vollständigen

Unterlagen enthalten muss (RegE S. 108). Nach der Regierungsbegründung bedeutet

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das, „dass die Bekanntmachung das vollständige Vergütungssystem der

Vorstandsmitglieder, den vollständigen (…) Vergütungsbericht und die vollständige

Vergütungsfestsetzung des Aufsichtsrats, die das Vergütungssystem des Aufsichtsrats

miteinschließt, samt aller etwa in Bezug genommener Dokumente zu enthalten hat“

(RegE S. 108). Die Notwendigkeit der Regelungsanpassung wird damit begründet,

dass die Publizitätsvorschriften der §§ 113 Abs. 3 Satz 6, 120a Abs. 2 und 4 Satz 2

AktG-RegE nur die Phase nach der Hauptversammlung abdecken (RegE S. 109).

Für die Emittenten bedeutet die Pflicht zur Bekanntmachung aller Unterlagen im

Bundesanzeiger (§§ 124 Abs. 1 Satz 2 i.V.m 121 Abs. 4 i.V.m. 25 AktG) einen

zusätzlichen Kostenaufwand. Dieser ließe sich reduzieren, wenn auch ein Verweis auf

die hinterlegten Unterlagen auf der Internetseite der Gesellschaft ausreichen würde,

sofern dies freilich nicht den Text einer Satzungsänderung bei der satzungsmäßigen

Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung betrifft. Insoweit sollte in der

Gesetzesbegründung allerdings richtiggestellt werden, dass auch nach dem derzeitigen

Regelungsvorschlag des § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG-RegE nur der Wortlaut der

vorgeschlagenen Satzungsänderung und nicht der „Wortlaut der Satzung“ (sic, RegE

S. 108) bekanntgemacht werden muss.

Soweit nun der Grund für die Pflicht zur Bekanntmachung der vollständigen Unterlagen

in der fehlenden Pflicht zur Vorabpublizität gesehen wird, lässt sich diese „Lücke“ durch

eine pflichtbefreiende Option zur Veröffentlichung der vollständigen Unterlagen auf der

Internetseite des Unternehmens nach den Vorbildern des § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG

und § 120a Abs. 2 AktG-RegE schließen. Ein Publizitätsdefizit würde damit nicht mehr

vorliegen.

§ 124 Abs. 2 Satz 3 AktG-RegE sollte daher um einen Ausnahmesatz nach dem

Vorbild des § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG ergänzt werden.

3.7. Änderungsvorschlag – Abschlusskompetenz des Aufsichtsrats zur Prüfung

des Vergütungsberichts (§ 162 Abs. 3 AktG-RegE)

Nach § 162 Abs. 3 AktG-RegE ist der Vergütungsbericht von einem Abschlussprüfer zu

prüfen. Vorgeschrieben ist – was zu begrüßen ist – nur eine formelle, nicht aber eine

inhaltliche Prüfung durch den Abschlussprüfer (vgl. Art. 9b Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2

ARRL II; RegE S. 131). In der Praxis mag gleichwohl auf Seiten des Aufsichtsrats der

Wunsch bestehen, den Vergütungsbericht (auf freiwilliger Basis) auch inhaltlich prüfen

zu lassen.

Damit stellt sich die Frage, ob dem Aufsichtsrat die Befugnis zusteht, einen

entsprechenden Prüfauftrag zu erteilen. Da nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AktG-RegE

sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand für die Erstellung des

Vergütungsberichts zuständig sind, ließe sich argumentieren, dass beide auch

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gleichberechtigt die Kompetenz haben, einen erweiterten Prüfauftrag zu erteilen. Es

könnte jedoch ebenso gut argumentiert werden, dass mangels einer besonderen

Regelung zugunsten des Aufsichtsrats die Abschlusskompetenz allein dem Vorstand

obliegt. Es bliebe dann zwar noch der Rückgriff auf die allgemeinen Befugnisse des

Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG, die u. a. die Beauftragung von

Sachverständigen vorsehen. Jedoch steht § 111 Abs. 2 AktG im engen

Zusammenhang mit der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands. Bei der

Erstellung des Vergütungsberichts handelt es sich aber gerade nicht um eine

Überwachungsaufgabe, sondern um eine gemeinsame Geschäftsführungsaufgabe von

Vorstand und Aufsichtsrat.

Diese Überlegungen zeigen, dass es nicht auszuschließen ist, dass es in der Praxis zu

Fragen der Abschlusskompetenz kommen kann, die idealerweise durch den

Gesetzgeber gelöst werden sollten.

In Anlehnung an § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG sollte daher in § 162 Abs. 3 AktG-

RegE klargestellt werden, dass der Aufsichtsrat eine externe inhaltliche

Überprüfung des Vergütungsberichts beauftragen kann.

Zum Themenkomplex „Related Party Transactions“

3.8. Vorbemerkung

Wir begrüßen es, dass auch der RegE die RPT-Vorgaben nach der ARRL II unter

Berücksichtigung der zahlreichen schon bestehenden Schutzmechanismen des

deutschen Aktienrechts (siehe dazu RegE S. 36) sanft und ohne Brüche mit unserem

Corporate Governance-System umsetzt. Das gilt sowohl für die Zuweisung der

Zustimmungskompetenz an den Aufsichtsrat als auch für die gewählte relativ hohe

Zustimmungsschwelle von 2,5 Prozent der Summe aus dem Anlage- und

Umlaufvermögen der Gesellschaft und die vorgesehenen Ausnahmen von der

Zustimmungspflicht.

Rechtsvergleichend liegt der gewählte Schwellenwert im europäischen Mittelfeld (vgl.

J. Schmidt, NZG 2018, 1201, 1209 f.; Lieder/Wernert, ZIP 2018, 2441, 2444) und

entspricht zudem den Vorstellungen der EU-Kommission in ihrem Richtlinienentwurf

aus 2014, die einen Wert zwischen 1 und 5 Prozent des Unternehmensvermögens

vorsahen. Die gewählte Wesentlichkeitsgrenze stellt weder eine Privilegierung von

Großunternehmen dar noch ist sie totes Recht, das nur in seltenen Einzelfällen zur

Anwendung kommt. Nach einer aktuellen empirischen Untersuchung zu deutschen

börsennotierten Gesellschaften handelt es sich bei der Grenze vielmehr um eine

„effektive Mindestumsetzung der Richtlinienvorgaben“, die „eine durchaus spürbare

und (…) effiziente Kontrolle von Geschäften mit nahestehenden Personen erreicht“

(Egert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 500).

22

Deutlich niedrigere oder unterschiedliche Grenzwerte etwa differenziert nach

Unternehmen und natürlichen Personen würden demgegenüber die

Regelungskomplexität und damit den bürokratischen Mehraufwand bei den

Unternehmen deutlich erhöhen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den weiten Kreis

der über die International Accounting Standards (IAS) einbezogenen Related Parties,

der auch nahe Familienangehörige von Schlüsselpersonen wie Organmitgliedern

umfasst – und damit den Nachforschungsaufwand und die erforderlichen

Monitoringprozesse in den Gesellschaften deutlich verkomplizieren würde (vgl. Lutter,

EuZW 2014, 687, 688, der von der Notwendigkeit eines „Related-Party-Beauftragten“

spricht). Auch nach empirischen Befunden besteht aufgrund der geringen Relevanz

kein Bedürfnis für Sonderregeln etwa für Geschäfte mit Organmitgliedern. Insoweit

genügen die bestehenden Restriktionen des Aktienrechts und die nachgelagerten

Berichtspflichten (s. Egert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 503).

Trotz der relativ hohen Wertgrenze bedeuten die neuen Zustimmungs- und

Veröffentlichungspflichten bei RPT erhebliche Anpassungen der Governance-Systeme

und neue Haftungsrisiken für die Unternehmen. Für das Gesetzgebungsverfahren

regen wir daher weitere Änderungen an, die z. B. den Schutz von Betriebs- und

Geschäftsgeheimnissen und eine Mindestübergangsfrist betreffen.

3.9. Änderungen/Klarstellungen im RegE, die wir unterstützen:

§ 111a AktG-RegE (zustimmungspflichtige Geschäfte):

Zu begrüßen ist die Klarstellung in der Begründung, dass unwesentliche

Änderungen von Geschäften nicht erneut zustimmungspflichtig sind (RegE S.

89). Insbesondere in Konzernkonstellationen werden bspw. Service Agreements

regelmäßig angepasst, weil etwa Leistungen entfallen oder hinzukommen oder

schlicht die Vergütung angepasst wird. Dabei handelt es sich für die

(Minderheits-)Aktionäre und sonstigen Marktteilnehmer regelmäßig um wenig

interessante oder gar uninteressante Informationen. Der mit einer erneuten

Zustimmungs- und Veröffentlichungspflicht verbundene Aufwand würde daher

außer Verhältnis zum Nutzen für die (Minderheits-)Aktionäre und sonstigen

Marktteilnehmer stehen.

§ 111a Abs. 2 AktG-RegE: Richtig ist die Klarstellung in der Begründung (RegE S.

91), dass auch konzerninterne Geschäfte zu marktüblichen Bedingungen und im

ordentlichen Geschäftsgang abgeschlossen werden können, also mithin

ausnahmefähig im Sinne des § 111a Abs. 2 AktG-RegE sind. Dies entspricht

dem Schutzzweck der ARRL II. Danach verlangt Art. 9c Abs. 2 Satz 2 ARRL II,

dass das Geschäft „angemessen und vernünftig“ ist, was sich ohne Weiteres

auch bei konzerninternen Geschäften nachweisen lässt.

§ 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG-RegE: Die neue Ausnahme für Geschäfte mit in der EU

börsennotierten Tochtergesellschaften ist konsequent, da diese dem

besonderen Schutzregime der RPT-Regelungen nach der ARRL II bzw. den

23

jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetzen unterliegen (zur Empirie siehe

Egert/Florstedt, ZIP 2019, 493, 502).

§ 111b AktG-RegE (Zustimmungsverfahren):

§ 111b Abs. 1 AktG-RegE: Die Umstellung des maßgeblichen Zeitraums für die

Aggregation von Geschäften für die Zustimmungs- und

Veröffentlichungspflichten von den letzten zwölf Monaten auf das laufende

Geschäftsjahr ist sehr zu begrüßen, da damit ein Gleichlauf mit den

Rechnungslegungspflichten ermöglicht wird (RegE S. 95; zur

Mitgliedstaatenoption s. Art. 9c Abs. 8 ARRL II).

Hilfreich ist auch die Klarstellung in der Begründung, dass von der Gesellschaft nur

Geschäfte mit derselben nahestehenden Person zu aggregieren sind (RegE S.

95).

§§ 111b Abs. 2, 107 Abs. 3 AktG-RegE: Das zweistufige Zustimmungsverfahren

wurde deutlich vereinfacht. Der RegE sieht nunmehr auf Ebene des

Gesamtaufsichtsrats ein umfassendes Stimmverbot sowohl für

Aufsichtsratsmitglieder, die an dem Geschäft als nahestehende Personen

beteiligt sind, als auch für solche Aufsichtsräte vor, bei denen „nur“ die

Besorgnis eines Interessenskonflikts besteht (§ 111b Abs. 2 AktG-RegE). Im

Gegenzug kann die Zustimmungsentscheidung jetzt auf einen beschließenden

Ausschuss nach den Vorgaben des § 107 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AktG-RegE

übertragen werden (§ 111b Abs. 1 a.E. AktG-RegE), bei dem auch lediglich

konfliktbehaftete Ausschussmitglieder ohne Beteiligung am Geschäft mit

abstimmen dürfen, sofern sie in der Unterzahl sind

(§ 107 Abs. 3 Satz 6 AktG-RegE; zum Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen

eines Interessenkonflikts siehe aber unseren Änderungsvorschlag unter 4.3.).

Die Möglichkeit, ein ablehnendes Ausschussvotum durch eine anderslautende

Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers zu ersetzen, ist weggefallen (vgl. noch

§ 111c Abs. 1 AktG-RefE).

§ 111c AktG-RegE (Veröffentlichungspflicht):

§ 111c Abs. 3 AktG-E: Die zunächst in § 48a WpHG-RefE verortete Pflicht zur

Veröffentlichung von Geschäften mit nahestehenden Personen ist in das AktG

verschoben worden und findet sich nun im § 111c AktG-RegE. Begrüßenswert

ist die Klarstellung, dass zum Schutz sensibler Informationen die

Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 und 5 MAR auch in den übrigen Fällen des

§ 111c AktG-E sinngemäß anwendbar ist, unabhängig vom Vorliegen einer

Insiderinformation (RegE S. 99). Darüber hinaus sollte jedoch ein allgemeiner

Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorgesehen werden (s. dazu

unter 4.5.).

§ 111c Abs. 4 AktG-E: Die im RefE vorgesehene Gruppenaggregation von

Geschäften von Tochtergesellschaften ist entfallen. Nunmehr ist im Sinne des

24

Art. 9c Abs. 7 Satz 1 ARRL II klargestellt, dass nur Geschäfte der jeweiligen

Tochter mit derselben nahestehenden Person der Muttergesellschaft für die

Veröffentlichungspflicht zu aggregieren sind.

3.10. Änderungsvorschlag – Beurteilung von Interessenskonflikten

(§§ 111b Abs. 2, 107 Abs. 3 Satz 6 AktG-RegE)

Für die Beurteilung, ob die Besorgnis eines Interessenkonflikts im Rahmen der §§ 107

Abs. 3 Satz 6, 111b Abs. 2 AktG-RegE besteht, soll es auf eine objektive, gerichtlich

voll überprüfbare Betrachtung und nicht auf die Einschätzung des Aufsichtsrats

ankommen (RegE S. 86).

Das halten wir mit Blick auf die Haftungsrisiken der betroffenen Organmitglieder für

überzogen. Es ist auch in der Sache nicht gerecht, da es sich bei der Frage, ob im

konkreten Fall die Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht oder nicht, stets um eine

wertende Beurteilung handelt. Diese muss im konkreten Fall der Aufsichtsrat

vornehmen, weshalb ihm auch die Einschätzungsprärogative zustehen sollte. Denn es

gehört zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen, dass auch Gerichte bei Wertungsfragen

Beurteilungsspielräume berücksichtigen müssen. Ansonsten laufen die betroffenen

Organmitglieder Gefahr, auch bei noch so angestrengter und begründeter

Entscheidung nur deshalb ins Haftungsrisiko zu laufen, weil das Gericht eine andere,

wenngleich ebenso vertretbare Beurteilung vornimmt wie der Aufsichtsrat (siehe auch

Heldt, AG 2018, 905, 918).

§ 107 Abs. 3 Satz 6 AktG-RegE sollte daher wie folgt angepasst werden:

(3) … Er muss mehrheitlich aus Mitgliedern zusammengesetzt sein, bei denen nach

Einschätzung des Aufsichtsrats keine Besorgnis eines Interessenkonfliktes

aufgrund ihrer Beziehungen zu einer nahestehenden Person besteht.

§ 111b Abs. 2 AktG-RegE sollte ebenfalls entsprechend geändert werden:

(2) Bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats nach Absatz 1 können diejenigen

Mitglieder des Aufsichtsrats ihr Stimmrecht nicht ausüben, die an dem Geschäft als

nahestehende Personen beteiligt sind oder bei denen nach Einschätzung des

Aufsichtsrats die Besorgnis eines Interessenkonfliktes aufgrund ihrer Beziehungen

zu der nahestehenden Person besteht.

25

3.11. Änderungsvorschlag – Zur relevanten Beteiligungshöhe bei der Mutter-

Tochterausnahme nach § 111a Abs. 3 Nr. 1 3. Alt. AktG-RegE

Nach der Konzernausnahme der dritten Variante des § 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG-RegE

sind solche Geschäfte von der Zustimmungspflicht ausgenommen, die die

Muttergesellschaft mit Tochterunternehmen tätigt, „an denen keine andere der

Gesellschaft nahestehende Person beteiligt ist“. Dabei handelt es sich um eine in der

Praxis äußerst relevante Fallvariante, da sie – im Gegensatz zu der ersten und zweiten

Variante – auch Konzernsachverhalte mit außenstehenden Anteilseignern, wie dies

häufig bei Joint-Venture-Gestaltungen der Fall ist, in den Ausnametatbestand mit

einbezieht.

Unklar ist jedoch, welche Form der Beteiligung an der Tochtergesellschaft zur Sperrung

der Ausnahme führt. Die Regierungsbegründung enthält insoweit nur den –

zutreffenden – Hinweis, dass die Ausnahme „auch für die Fälle (gilt), in denen ein 100-

prozentiges Tochterunternehmen unmittelbar oder mittelbar als weitere nahestehende

Person an einem Tochterunternehmen beteiligt ist“ (RegE S. 92). Dies betrifft indes nur

die Feststellung, dass 100-prozentige Beteiligungsgesellschaften der Mutter nicht als

„nahestehende Personen“ im Sinne der Ausnahmereglung anzusehen sind. Der Grund

hierfür ist, dass das Vermögen letztlich im Konsolidierungskreis der Muttergesellschaft

verbleibt und es daher an einer RPT-spezifischen Gefahr für die

Minderheitsgesellschafter der Muttergesellschaft fehlt (siehe dazu Müller, ZGR 2019,

97, 113).

Für die Fälle, bei denen die an der Tochtergesellschaft beteiligte nahestehende Person

jedoch keine 100-prozentige Konzerngesellschaft ist, bleibt die Frage relevant, ab

welcher Höhe die „Beteiligung“ bestehen muss, damit sie zu einer Sperrung der

Ausnahme von der Zustimmungspflicht führt. Dem reinen Wortlaut nach genügt bereits

eine geringfügige Beteiligung. Ist bspw. der herrschende Aktionär oder ein

Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft mit nur einer Aktie an dem

Tochterunternehmen beteiligt, bleibt dem Wortlaut nach die Tür zur Ausnahme

verschlossen.

Mit Blick auf den Schutzzweck der RPT-Regelung wäre eine solch enge Auslegung

jedoch überzogen. Vielmehr ist auch hier eine Schwelle anzulegen, ab der die

nahestehende Person von einer Vermögensverlagerung der Muttergesellschaft auf die

Tochtergesellschaft spürbar profitieren würde, also ein Anreiz besteht, gegen die

Interessen der Minderheitsgesellschafter der Muttergesellschaft zu agieren. Es ist

daher konsequent, die Wertung aus IAS 28 auch für die Beteiligungsfrage nach § 111a

Abs. 3 Nr. 1 AktG-RegE heranzuziehen. Danach ist von einer relevanten Beteiligung

dann auszugehen, wenn die betroffene Person unmittelbar oder mittelbar 20 Prozent

der Stimmrechte an der (Tochter-)Gesellschaft hält (vgl. allgemein RegE S. 90). Liegt

der Wert darunter, ist dagegen (widerlegbar) zu vermuten, dass die bestehende

Beteiligung an der Tochtergesellschaft nicht ausreicht, um für die betreffende Person

nachteilhafte Anreize zu Lasten der Minderheitsgesellschafter der Muttergesellschaft zu

26

setzen. In der Folge besteht auch kein Anlass, in diesen Fällen eine

Zustimmungspflicht nach § 111b AktG-RegE vorzuschreiben.

Da sich die ARRL II zu der Beteiligungsfrage in Art. 9c Abs. 6 lit. a) nicht näher äußert,

besteht u. E. auch aus unionsrechtlicher Sicht ausreichend Spielraum für eine

dahingehende teleologische Auslegung/Richtlinienumsetzung.

Wir regen daher an, in der Gesetzesbegründung zu § 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG-E

klarzustellen, dass eine (die Ausnahme sperrende) Beteiligung einer der

Muttergesellschaft nahestehenden Person an einer Tochtergesellschaft erst ab

dem unmittelbaren oder mittelbaren Halten von 20 Prozent der Stimmrechte

dieser nahestehenden Person an der Tochtergesellschaft gegeben ist.

3.12. NEU: Erweiterung der RPT-Ausnahme des § 111a Abs. 3 Nr. 1 3. Alt. AktG-

RegE auf Beteiligungen unterhalb von 50 Prozent

Die Bereichsausnahme der 3. Alternative des § 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG-RegE gilt –

über den Verweis der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 nach IFRS 10 Anhang A

Konzernabschlüsse – nur für Tochtergesellschaften nach Maßgabe der internationalen

Rechnungslegungsstandards. Erfasst sind somit nur von einer Muttergesellschaft

beherrschte Gesellschaften, wovon insbesondere ab einer Beteilugungshöhe von mehr

als 50 Prozent auszugehen ist.

Umgekehrt erfasst die Bereichsausnahme solche Beteiligungsgesellschaften nicht, an

denen die Gesellschaft weniger als 50 Prozent der Unternehmensanteile bzw.

Stimmrechte hält. D. h., in diesen Fällen finden die Zustimmungs- und

Veröffentlichungspflichten volle Anwendung, mag an der Beteiligungsgesellschaft auch

keine andere der Gesellschaft nahestehende Person beteiligt sein.

Sinkt die Beteiligung weiter unter die 20-Prozent-Grenze, gilt die

Beteiligungsgesellschaft nach der in § 111a Abs. 1 AktG-RegE Bezug genommenen

IAS 28-Definition (widerleglich) nicht mehr als nahestehend mit der Folge, dass

Geschäfte zwischen der Gesellschaft und der „Weniger-20-Prozent-

Beteiligungsgesellschaft“ nicht unter das RPT-Regime fallen, mag an der

Beteiligungsgesellschaft auch eine der Gesellschaft nahestehende Person beteiligt

sein.

Nach Sinn und Zweck der Bereichsausnahme sollte diese jedoch (erst recht) auf die

Fälle erweitert werden, bei denen die Gesellschaft nur eine Beteiligung zwischen 20

und 50 Prozent an der Beteiligungsgesellschaft hält. Denn die Gefahrenlage für die

Minderheitsgesellschafter der Muttergesellschaft ist bei einer niedrigeren

Beteiligungsquote geringer als bei einer Beteiligung ab 50 Prozent. Denn je niedriger

27

die Beteiligung ist, desto geringer ist das Interesse der (Mutter-)Gesellschaft, ein für sie

nachteiliges Geschäft mit der Beteiligungsgesellschaft vorzunehmen, an der außer ihr

noch Dritte beteiligt sind, die durch das Geschäft mittelbar profitieren würden.32

Nach Sinn und Zweck der Bereichsausnahme des § 111a Abs. 3 Nr. 1 3. Alt.

AktG-RegE sollte diese (erst recht) auf die Fälle erweitert werden, bei denen die

Gesellschaft nur eine Beteiligung zwischen 20 und 50 Prozent an der

Beteiligungsgesellschaft hält.

3.13. Änderungsvorschlag – Schutz sensibler Informationen (§ 111c Abs. 3 AktG-

RegE)

§ 111c Abs. 3 Satz 3 AktG-RegE sieht die sinngemäße Anwendung der

Selbstbefreiungsregeln des Art. 17 Abs. 4 und 5 MAR vor und ermöglicht damit den

Aufschub der Veröffentlichung auch in solchen Fällen, bei denen der Abschluss des

zustimmungspflichtigen Geschäfts keine Insiderinformation darstellt. Das ist zwar

grundsätzlich zu begrüßen, bedeutet aber auch, dass Betriebs- und

Geschäftsgeheimnisse im Sinne der § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 17 UWG (bzw. §§ 23, 2

Geschäftsgeheimnisgesetz-E) sowie sonstige sensible Unternehmensinformationen nur

unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 MAR zurückgehalten werden können.

Da es sich jedoch bei der – nunmehr richtigerweise im AktG verorteten – RPT-

Veröffentlichungspflicht um eine gesellschaftsrechtliche und keine rein

kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht handelt, erweist sich der Verweis auf die

Aufschubregeln der MAR als zu eng.

So verlangt § 111c Abs. 2 Satz 3 AktG-RegE insbesondere die Veröffentlichung aller

wesentlichen Informationen, die zur Bewertung des Geschäfts erforderlich sind. Erfasst

sind somit auch Informationen, die nicht notwendigerweise als Insiderinformation

einzustufen sind, aber gleichwohl dem Selbstbefreiungsregime der MAR unterstellt

werden. Dies bedeutet u. a., dass die Selbstbefreiung nur dann zulässig ist, wenn etwa

sichergestellt ist, dass die Geheimhaltung gewährleistet ist (Geheimhaltungs-

Compliance, vgl. Klöhn/Klöhn, 1. Aufl. 2018, MAR Art. 17 Rn. 266-268). Umgekehrt ist

fraglich, ob der Nichtoffenlegung bereits dann der Boden entzogen ist, wenn die

Vertraulichkeit (z. B. aufgrund bloßer Gerüchte) nicht mehr gewährleistet ist, wie es Art.

17 Abs. 7 MAR vorsieht. Vor allem aber handelt es sich bei dem MAR-Aufschub nur um

eine zeitlich begrenzte Befreiung, die von dem Emittenten entsprechende

Dokumentationspflichten während der Aufschubphase verlangt.

Dies zeigt, dass für den Bereich außerhalb des Insiderrechts die bewehrten

gesellschaftsrechtlichen Befreiungsmöglichkeiten, wie sie etwa § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr.

32 Vgl. Müller, ZGR 2019, 97, 112 f.

28

1 AktG (und auch der neue § 162 Abs. 6 Satz 1 AktG-RegE) vorsieht, Anwendung

finden sollten. Die ARRL II lässt dies ohne Weiteres zu. So hießt es in Erwägungsgrund

45 Satz 1: „Durch diese Transparenzanforderungen soll Gesellschaften (…) nicht

vorgeschrieben werden, bestimmte einzelne Informationen der Öffentlichkeit

gegenüber offenzulegen, deren Offenlegung ihrer Geschäftsposition oder, wenn sie

keine Unternehmen mit gewerblicher Zwecksetzung sind, den Interessen ihrer

Mitglieder oder Begünstigten schwer schaden würde.“

Unternehmen sollten daher die Möglichkeit haben, bestimmte Informationen, die bspw.

besondere Wettbewerbsrelevanz haben oder sensible Betriebs- und

Geschäftsgeheimnisse betreffen, nicht offenzulegen, wenn „nach vernünftiger

kaufmännischer Beurteilung“ anzunehmen ist, dass deren Veröffentlichung geeignet ist,

der Gesellschaft oder dessen Tochtergesellschaften zu schaden. Eine solche

Ausnahmeregelung würde die Ziele der RPT-Regelungen nach der ARRL II nicht

beeinträchtigen, da es zum einen nur um die Zurückhaltung bestimmter Informationen,

nicht aber um die Nichtoffenlegung des Geschäfts als solchem geht. Zum anderen

bleiben die internen Zustimmungsverfahren hiervon unberührt, da es nur um die

Information nach außen, nicht aber um den Genehmigungsprozess innerhalb der

Gesellschaft geht.

§ 111c Abs. 3 AktG-RegE sollte daher für den Bereich außerhalb des

Insiderrechts um einen gesellschaftsrechtlichen Befreiungsgrund von der

Offenlegung sensibler Informationen nach dem Vorbild des § 131 Abs. 3 Satz 1

Nr. 1 AktG ergänzt werden.

3.14. Änderungsvorschlag – Zustimmungskompetenz bei der KGaA

Nach der Regierungsbegründung (S. 89) ist unter Rückgriff auf § 278 Abs. 3 AktG auch

in der börsennotierten KGaA der Aufsichtsrat der KGaA für die

Zustimmungsentscheidung bei wesentlichen Geschäften mit nahestehenden Personen

zuständig. Richtigerweise ist das in § 111b AktG‑RegE festgelegte

Kompetenzverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat jedoch nicht unter § 278 Abs.

3 AktG, sondern unter das in § 278 Abs. 2 AktG geregelte Rechtsverhältnis zu

subsumieren. Das ergibt sich aus der Einordnung des Zustimmungsrechts nach § 111b

AktG‑RegE als Instrument der (Mit-) Geschäftsführung sowie aus der

Regelungssystematik des § 278 AktG.

In der Folge sind auf die Zustimmungsentscheidung bei Geschäften mit

nahestehenden Personen in der KGaA die Vorschriften des HGB über die

Kommanditgesellschaft anzuwenden, was zur Anwendung des 164 Satz 1 Halbs. 2

HGB führt. Danach sind grundsätzlich die Kommanditaktionäre für die

Zustimmungsentscheidung nach § 111b AktG‑RegE zuständig, was Art. 9c Abs. 4 Alt.

29

1 ARRL II entspricht, es sei denn, die Satzung überträgt die Zustimmungsentscheidung

auf ein fakultatives Gesellschaftsorgan wie bspw. einem Beirat oder

Gesellschafterausschuss (was Art. 9c Abs. 4 Alt. 2 ARRL II entspricht) oder räumt

dieses dem Aufsichtsrat der KGaA ein (was der 3. Alt. des Art. 9c Abs. 4 ARRL

entspricht). § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB hält somit ausreichende unionsrechtskonforme

Lösungen für die börsennotierte KGaA bereit.

Nur für den Fall, dass die Satzung das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre

nach § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB ersatzlos gestrichen hat, folgt aus einer

richtlinienkonformen Anwendung der §§ 164 Satz 1 HGB, 278 Abs. 3 AktG eine

Auffangzuständigkeit des Aufsichtsrats der KGaA für die Zustimmungsentscheidung

nach § 111b AktG‑RegE. Diese kann dem Aufsichtsrat allerdings jederzeit durch die

satzungsmäßige Zuweisung der Zustimmungskompetenz an ein anderes fakultatives

Organ entzogen werden. Einer besonderen gesetzlichen Regelung bedarf es hierfür

nicht (siehe zum Ganzen ausführlich Backhaus/Brouwer, AG 2019, 287).

In der Gesetzesbegründung sollte daher klargestellt werden, dass die

Zustimmungskompetenz nach § 111b AktG-RegE bei der börsennotierten KGaA

gemäß §§ 164 Satz 1 2. Halbsatz HGB i.V.m 278 Abs. 2 AktG auch einem

fakultativen Gesellschaftsorgan übertragen werden kann. Für den Fall, dass die

Satzung das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre nach § 164 Satz 1

Halbs. 2 HGB ersatzlos gestrichen hat bzw. streichen sollte, folgt aus einer

richtlinienkonformen Anwendung des § 164 Satz 1 HGB eine

Auffangzuständigkeit des Aufsichtsrats der KGaA für die

Zustimmungsentscheidung. Für die zustimmungspflichtigen Geschäfte, das

Zustimmungsverfahren und die Veröffentlichungspflicht bleibt es „im Übrigen“

bei der Anwendung der §§ 111a bis 111c AktG-RegE.

3.15. Änderungsvorschlag – Übergangsfrist für die RPT-Regelungen

Anders als für viele Bestimmungen des ARUG II enthält § 26 EGAktG-RegE für die

neuen RPT-Regelungen nach den §§ 111a bis 111c AktG-RegE keine Übergangsfrist.

Der Umsetzungsaufwand für die Unternehmen in diesem Bereich ist indes nicht

unerheblich.

So müssen die Governance-Systeme angepasst und die Monitoringprozesse

ausgebaut werden, um die zustimmungspflichtigen Geschäfte zu erfassen und

insbesondere die Veröffentlichungspflichten nach § 111c AktG-RegE erfüllen zu

können. Letzteres umfasst auch Geschäfte von Tochtergesellschaften (§ 111c Abs. 4

AktG-RegE). Dabei wird u. a. zu prüfen und zu kategorisieren sein, welche

Fallgestaltungen im Konzern unter die Ausnahmen des § 111a Abs. 2 und 3 AktG-

RegE fallen.

30

Nach § 111a Abs. 2 Satz 2 AktG-RegE müssen Unternehmen zudem ein internes

Verfahren einrichten, um regelmäßig bewerten zu können, ob bei wesentlichen

Geschäften die Voraussetzungen der Marktüblichkeit gegeben ist.

Darüber hinaus werden Unternehmen einen RPT-Ausschuss nach § 107 Abs. 3 Sätze

4 bis 6 AktG-RegE einrichten wollen. Auch hier stellen sich organisatorische Fragen

(ständiger oder Ad-hoc-Ausschuss; Bestellung von Ersatzmitgliedern etc.), die im

Gesamtaufsichtsrat abgestimmt werden müssen.

Die Beispiele zeigen, dass eine Geltung der RPT-Regeln unmittelbar nach Inkrafttreten

des ARUG II voraussichtlich im Herbst 2019 zu einer erheblichen Herausforderung

wird.

Um den Unternehmen mehr Zeit für die Umstellung ihrer internen Prozesse zu

geben, sollte daher zumindest eine Schonfrist von fünf Kalendermonaten

gegeben werden, wobei der Monat des Inkrafttretens des ARUG II nicht mitzählt

(vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 EGAktG-RegE).

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