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Konradsblatt 8 · 2017 Wissen vermitteln und Zeugnis geben Von Michael Winter Nach Heidelberg kommt der Erzbischof immer mal wieder. Aber bei denjenigen, die an der dortigen PH Theologie auf Lehr- amt an Grundschulen, Werkreal- schulen, Realschulen oder Son- derschulen studieren, war er noch nie. Pia Müller von der Fach- schaft Theologie an der PH scheut sich deshalb nicht, den Besuch von Erzbischof Stephan Burger als „historisches Ereig- nis“ zu bezeichnen. „Wir fragen, der Bischof antwortet“ – unter diesem Titel hatte die Fachschaft die Veranstaltung beworben. Mit Erfolg. Knapp 150 Studie- rende drängen sich im Raum 206 des Gebäudes 519 im Neuenhei- mer Feld, das zum Institut für Phi- losophie und Theologie an der PH Heidelberg gehört. Und die The- men für das Gespräch, die imVor- feld von der Fachschaft gesam- melt und gebündelt wurden, sind ebenso wichtig wie gewichtig. So liegt es beispielsweise auf der Hand, dass gerade Religions- lehrerinnen und Religionslehrer immer wieder mit Kritik an be- stimmten kirchlichen Positionen konfrontiert sind. Beispiel: Zöli- bat. Kann diese Regelung über- haupt Zukunft haben?, wird der Erzbischof gefragt. „Es ist die Lebensform Jesu“, sagt Stephan Burger. Und diese Lebensform sei ebenso wie die christliche Ehe nur auf der Grundlage einer persönlichen Beziehung zu Jesus lebbar. „Als zölibatär Lebender muss ich mein Ja, das ich gesagt habe, jeden Tag neu bejahen und mir bewusst machen, dass ich mich existenziell an Jesus gebun- den habe.“ Und der Priestermangel? Ge- genfrage Burgers: „Hängt der Priestermangel nur am Zölibat oder nicht auch an der Gesamt- entwicklung der Kirche?“ Man- cherorts sei das gemeindliche Le- ben am Wegbrechen. Dass der Zölibat mit Schwierigkeiten ver- bunden sein kann, stellt der Erz- bischof nicht in Abrede. „Aber Jesus hat nicht gesagt, dass wir ein glückliches Leben haben, wenn wir an ihn glauben“, sagt er. „Dafür haben wir als Glau- bende ein intensives Leben, ge- meinsam unterwegs mit anderen, bereichert und bereichernd.“ Religinslehrer sind auch „Zeuginnen und Zeugen“ Wer zum Studium der Katho- lischen Theologie an einer der Pädagogischen Hochschulen im Land zugelassen wird, bekommt auch ein kirchliches Begleit- schreiben zugestellt, in dem auch Aspekte der persönlichen Le- bensführung angesprochen wer- den. Sprich: Im Blick auf die spä- tere Erteilung der „Missio cano- nica“, der offiziellen Beauftra- gung für den Religionsunterricht, wird eine Lebensführung ange- mahnt, die sich an bestimmten kirchlichen Prinzipien orientiert. Das wird von den Studierenden nicht selten als befremdliche Ein- mischung der Kirche in persön- liche Angelegenheiten empfun- den. „Was hat der Familienstand mit unserer Rolle als Religions- Erzbischof Stephan Burger im Gespräch mit Theologie-Studierenden an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg lehrer zu tun?“, wird der Erzbi- schof gefragt. Stephan Burger greift den Be- griff der „Missio canonica“ auf. Die „missio“ entgegenzunehmen sei gleichbedeutend mit dem Entschluss, sich senden zu lassen, mit der Bereitschaft, „für je- manden dessen Botschaft in die Welt zu tragen“. Insbesondere bei denjenigen, die mit der Ver- kündigung beauftragt seien, ha- be dies nach dem Anspruch der Kirche auch Konsequenzen für die Lebensführung. „Da erwar- ten wir Vorbildcharakter“, so Stephan Burger. Aber geht es im Religionsunter- richt überhaupt um Verkündi- gung? Kann und soll der Reli- gionslehrer überhaupt Zeuge sein „in einer Zeit, in der sich im- mer weniger Menschen für unser Zeugnis interessieren“? Für Erz- bischof Burger steht außer Frage, dass Religionslehrer „nicht nur Wissen verbreiten“, sondern auch und gerade Zeuginnen und Zeu- gen sein sollen für die Botschaft Jesu. „Dieses Zeugnis ist heute aktueller denn je“, unterstreicht er. „Entscheidend ist, dass die Kinder und Jugendlichen ihren Lehrer als jemanden erfahren, der für diese Botschaft brennt.“ Für Erzbischof Burger ist die- se Grundhaltung umso wichtiger, angesichts der stärker werden- den Präsenz anderer Religionen und Weltanschauungen in der Gesellschaft. Die „Tendenz zur Abschottung“ sieht er nicht zu- letzt darin begründet, „dass wir um unser Eigenes nicht mehr wissen“, wie er betont. „Da be- schwört man dann irgendwie ein christliches Abendland und weiß nicht gleichzeitig gar nicht mehr, was christlich ist.“ Konfessionelle Unterschiede sollen benannt werden Ähnlich argumentiert der Erz- bischof auch im Blick auf die Frage, ob in der gegenwärtigen Situation nicht ein ökumenisch gestalteter Religionsunterricht nicht sinnvoller wäre als die Trennung der evangelischen und katholischen Schülerinnen und Schüler. „Das eine schließt das andere nicht aus“, lautet die Ant- wort Stephan Burgers, der sich ebenfalls eine Verstärkung der überkonfessionellen Zusammen- arbeit wünscht. „Aber mir per- sönlich ist auch wichtig, dass konfessionelle Unterschiede be- nannt werden können“, unter- streicht er. Eine knappe Stunde ist für das Gespräch angesetzt. Die Zeit ver- geht viel zu schnell. Schnell noch ein Gruppenfoto mit der Fach- schaft und den Dozenten. Dann muss Stephan Burger weiter zum nächsten Termin. Immerhin: Er wird vermutlich noch lange im Amt sein. Gut möglich, dass er wieder kommt. An gewichtigen Themen mangelt es nicht. Bei einem Besuch des Fachbe- reichs Theologie an der Päda- gogischen Hochschule (PH) Heidelberg stellte sich Erz- bischof Stephan Burger eine Stunde lang den Fragen der Studierenden. Es war ein intensives Gespräch mit ge- wichtigen Themen. Gruppenbild mit Erzbischof. Stephan Burger zusammen mit den Dozenten Professor Herbert Stettberger (links), Professor Katja Boehme (zweite von links), Akademische Oberrätin Regine Oberle (ganz rechts), Pia Müller (dritte von links) und weiteren Mitgliedern der Fachschaft. 10 Erzbistum Foto: Winter KBL08#0010_Muster_Erzbistum 13.02.17 12:58 Seite 2

10 Erzbistum Wissen vermitteln und Zeugnis geben · 2019-02-25 · Konradsblatt 8 · 2017 Wissen vermitteln und Zeugnis geben Von Michael Winter Nach Heidelberg kommt der Erzbischof

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Page 1: 10 Erzbistum Wissen vermitteln und Zeugnis geben · 2019-02-25 · Konradsblatt 8 · 2017 Wissen vermitteln und Zeugnis geben Von Michael Winter Nach Heidelberg kommt der Erzbischof

Konradsblatt 8 · 2017

Wissen vermitteln und Zeugnis geben

Von Michael Winter

Nach Heidelberg kommt derErzbischof immer mal wieder.Aber bei denjenigen, die an derdortigen PH Theologie auf Lehr-amt an Grundschulen, Werkreal-schulen, Realschulen oder Son-derschulen studieren, war er nochnie. Pia Müller von der Fach-schaft Theologie an der PHscheut sich deshalb nicht, denBesuch von Erzbischof StephanBurger als „historisches Ereig-nis“ zu bezeichnen. „Wir fragen,der Bischof antwortet“ – unterdiesem Titel hatte die Fachschaftdie Veranstaltung beworben.

Mit Erfolg. Knapp 150 Studie-rende drängen sich im Raum 206des Gebäudes 519 im Neuenhei-mer Feld, das zum Institut für Phi-losophie und Theologie an der PHHeidelberg gehört. Und die The-men für das Gespräch, die imVor-feld von der Fachschaft gesam-melt und gebündelt wurden, sindebenso wichtig wie gewichtig.

So liegt es beispielsweise aufder Hand, dass gerade Religions-lehrerinnen und Religionslehrerimmer wieder mit Kritik an be-stimmten kirchlichen Positionenkonfrontiert sind. Beispiel: Zöli-bat. Kann diese Regelung über-haupt Zukunft haben?, wird derErzbischof gefragt. „Es ist die Lebensform Jesu“, sagt StephanBurger. Und diese Lebensformsei ebenso wie die christliche Ehe nur auf der Grundlage einerpersönlichen Beziehung zu Jesuslebbar. „Als zölibatär Lebendermuss ich mein Ja, das ich gesagthabe, jeden Tag neu bejahen undmir bewusst machen, dass ichmich existenziell an Jesus gebun-den habe.“

Und der Priestermangel? Ge-

genfrage Burgers: „Hängt derPriestermangel nur am Zölibatoder nicht auch an der Gesamt-entwicklung der Kirche?“ Man-cherorts sei das gemeindliche Le-ben am Wegbrechen. Dass derZölibat mit Schwierigkeiten ver-bunden sein kann, stellt der Erz-bischof nicht in Abrede. „AberJesus hat nicht gesagt, dass wirein glückliches Leben haben,wenn wir an ihn glauben“, sagter. „Dafür haben wir als Glau-bende ein intensives Leben, ge-meinsam unterwegs mit anderen,bereichert und bereichernd.“

Religinslehrer sind auch „Zeuginnen und Zeugen“

Wer zum Studium der Katho -lischen Theologie an einer derPädagogischen Hochschulen imLand zugelassen wird, bekommtauch ein kirchliches Begleit-schreiben zugestellt, in dem auchAspekte der persönlichen Le-bensführung angesprochen wer-den. Sprich: Im Blick auf die spä-tere Erteilung der „Missio cano-nica“, der offiziellen Beauftra-gung für den Religionsunterricht,wird eine Lebensführung ange-mahnt, die sich an bestimmtenkirchlichen Prinzipien orientiert.Das wird von den Studierendennicht selten als befremdliche Ein-mischung der Kirche in persön -liche Angelegenheiten empfun-den. „Was hat der Familienstandmit unserer Rolle als Religions-

Erzbischof Stephan Burger im Gespräch mit Theologie-Studierenden an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

lehrer zu tun?“, wird der Erzbi-schof gefragt.

Stephan Burger greift den Be-griff der „Missio canonica“ auf.Die „missio“ entgegenzunehmensei gleichbedeutend mit demEntschluss, sich senden zu lassen,mit der Bereitschaft, „für je -manden dessen Botschaft in dieWelt zu tragen“. Insbesonderebei denjenigen, die mit der Ver-kündigung beauftragt seien, ha-be dies nach dem Anspruch derKirche auch Konsequenzen fürdie Lebensführung. „Da erwar-ten wir Vorbildcharakter“, soStephan Burger.

Aber geht es im Religionsunter-richt überhaupt um Verkündi-gung? Kann und soll der Reli-gionslehrer überhaupt Zeuge sein„in einer Zeit, in der sich im-mer weniger Menschen für unserZeugnis interessieren“? Für Erz-bischof Burger steht außer Frage,dass Religionslehrer „nicht nurWissen verbreiten“, sondern auchund gerade Zeuginnen und Zeu-gen sein sollen für die BotschaftJesu. „Dieses Zeugnis ist heuteaktueller denn je“, unterstreichter. „Entscheidend ist, dass dieKinder und Jugendlichen ihrenLehrer als jemanden erfahren, derfür diese Botschaft brennt.“

Für Erzbischof Burger ist die-se Grundhaltung umso wichtiger,angesichts der stärker werden-den Präsenz anderer Religionenund Weltanschauungen in derGesellschaft. Die „Tendenz zur

Abschottung“ sieht er nicht zu-letzt darin begründet, „dass wirum unser Eigenes nicht mehrwissen“, wie er betont. „Da be-schwört man dann irgendwie einchristliches Abendland und weißnicht gleichzeitig gar nicht mehr,was christlich ist.“

Konfessionelle Unterschiedesollen benannt werden

Ähnlich argumentiert der Erz-bischof auch im Blick auf die Frage, ob in der gegenwärtigenSituation nicht ein ökumenischgestalteter Religionsunterrichtnicht sinnvoller wäre als dieTrennung der evangelischen undkatholischen Schülerinnen undSchüler. „Das eine schließt dasandere nicht aus“, lautet die Ant-wort Stephan Burgers, der sichebenfalls eine Verstärkung derüberkonfessionellen Zusammen-arbeit wünscht. „Aber mir per-sönlich ist auch wichtig, dasskonfessionelle Unterschiede be-nannt werden können“, unter-streicht er.

Eine knappe Stunde ist für dasGespräch angesetzt. Die Zeit ver-geht viel zu schnell. Schnell nochein Gruppenfoto mit der Fach-schaft und den Dozenten. Dannmuss Stephan Burger weiter zumnächsten Termin. Immerhin: Erwird vermutlich noch lange imAmt sein. Gut möglich, dass erwieder kommt. An gewichtigenThemen mangelt es nicht.

Bei einem Besuch des Fachbe-reichs Theologie an der Päda-gogischen Hochschule (PH)Heidelberg stellte sich Erz -bischof Stephan Burger eineStunde lang den Fragen derStudierenden. Es war einintensives Gespräch mit ge -wichtigen Themen.

Gruppenbild mitErzbischof. StephanBurger zusammenmit den DozentenProfessor HerbertStettberger (links),Professor KatjaBoehme (zweite vonlinks), Akade mischeOberrätin RegineOberle (ganz rechts),Pia Müller (dritte vonlinks) und weiterenMitgliedern derFachschaft.

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