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© Drägerwerk AG & Co. KGaA 1 Krebserregende Stoffe sind die ›Zeitbomben‹ unter den Gefahrstoffen am Arbeitsplatz. Viele Substanzen entfalten erst Jahre nach der Exposition ihre tödliche Wirkung. Ein immer noch häufig unterschätztes Risiko für die Arbeit- nehmer – und eine enorme Herausforderung für den Arbeitsschutz. Dabei lassen sich berufsbedingte Krebserkrankungen durch Überwachungs- und Schutzmaßnahmen vermeiden. 10 wissenswerte Fakten über karzinogene Stoffe am Arbeitsplatz

10 wissenswerte Fakten über karzinogene Stoffe am Arbeitsplatz · 2017-05-15 · Drägerwerk AG & Co. KGaA 3 10 FAKTEN BER KARNGENE STFFE AM ARBETSPLAT Ca. 3 bis 6% aller Krebsfälle

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Page 1: 10 wissenswerte Fakten über karzinogene Stoffe am Arbeitsplatz · 2017-05-15 · Drägerwerk AG & Co. KGaA 3 10 FAKTEN BER KARNGENE STFFE AM ARBETSPLAT Ca. 3 bis 6% aller Krebsfälle

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Krebserregende Stoffe sind die ›Zeitbomben‹ unter den Gefahrstoffen am Arbeitsplatz. Viele Substanzen entfalten erst Jahre nach der Exposition ihre tödliche Wirkung. Ein immer noch häufig unterschätztes Risiko für die Arbeit-nehmer – und eine enorme Herausforderung für den Arbeitsschutz. Dabei lassen sich berufsbedingte Krebserkrankungen durch Überwachungs- und Schutzmaßnahmen vermeiden.

10 wissenswerte Fakten

über karzinogene Stoffe

am Arbeitsplatz

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10 FAKTEN ÜBER KARZINOGENE STOFFE AM ARBEITSPLATZ

Krebs ist ein großes Gesundheitsrisiko bei der Arbeit.Berufsbedingte Krebserkrankungen treten doppelt so häufig auf wie Arbeitsunfälle.

Jährlich gibt es weltweit 666.000 Todesfälle durch arbeitsplatzbedingten Krebs.1

1.

2. Plastik ist eine tödliche Gefahr.Vinylchlorid galt jahrelang als unbedenklich. Diese Verbindung aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Chlor ist ein Rohstoff der PVC-Herstellung. 1974 wurden unter den Arbeitern eines PVC-Werks in Louisville, Kentucky (USA), sieben schwere Fälle von sehr selte-nem Leberkrebs entdeckt. Fünf der Betroffenem waren zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben, nachdem sie 20 Jahren lang am Ar-beitsplatz Kontakt mit Vinylchlorid gehabt hatten.2

Nur dank der hartnäckigen Recherche einiger Wissenschaftler und des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) wurde der Zusammenhang zwischen Krebs und Vinylchlorid un-tersucht und öffentlich gemacht. Die Behörden reagierten dann schnell: Noch im selben Jahr legte die Occupational Health and Sa-fety Administration (OSHA) einen Grenzwert für Vinylchlorid fest, der 500-mal strenger war als bisher. Durch Vinylchlorid verursachte Lebertumore sind seither in den USA nicht mehr aufgetreten.

Karzinogene wirken als Zellgifte.Grundsätzlich werden Karzinogene als Stoffe definiert, die Krebs auslösen können oder die Entstehung von Krebs fördern kann. Sie können durch Einatmen der Umgebungsluft, über die Nahrung aber auch über die Haut in den Körper gelangen.Karzinogene können das Risiko von Krebs erhöhen: Dafür verän-dern sie den Zellstoffwechsel oder schädigen körpereigene Stoffe wie Proteine, Ribonucleinsäuren und vor allem Desoxyribonuclein-säuren (DNA). Normale biologische Vorgänge innerhalb der Zelle werden dadurch gestört. Es entstehen genetische Veränderungen und die Gene in den Krebszellen sind oft umprogrammiert. So ge-raten die Zellen schließlich außer Kontrolle und vermehren sich un-geordnet und viel schneller als andere Zellen. Aggressiv dringen sie in umliegendes Gewebe ein und zerstören es.Ob und in welchem Ausmaß ein Karzinogen tatsächlich eine Krebs-erkrankung bei einem Menschen verursacht, hängt stark von indi-viduellen Bedingungen ab. Auch erbliche Faktoren spielen dabei eine Rolle.

3.

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10 FAKTEN ÜBER KARZINOGENE STOFFE AM ARBEITSPLATZ

Ca. 3 bis 6% aller Krebsfälle entstehen durch Substanzen am

Arbeitsplatz4,5

Europa: Mehr als 100.000 Menschen sterben jedes Jahr durch arbeitsplatz-

bedingten Krebs6

Aufgrund dieser langen Latenzzeit erklärt es sich auch, dass obwohl in den USA seit mehreren Jahrzehnten Asbest nicht mehr einge-setzt werden darf, erst ab 2042 keine neuen Fälle an berufsbeding-tem Asbestkrebs mehr zu erwarten sind.3

Karzinogene Einflüsse bergen ein lebenslanges Risiko.

Die Exposition gegenüber karzinogenen Stoffen muss nicht in jedem Fall Krebs auslösen. Tatsache ist aber, dass selbst gerin-ge Mengen einen schädigenden Effekt haben – auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Ausbruch der Krankheit kommt, deutlich geringer ist. Theoretisch reicht beispielsweise schon eine einzige Asbestfaser, um ein Mesotheliom auszulösen.Das Risiko, durch den Kontakt mit einem Karzinogen Krebs zu be-kommen, bleibt auf Lebenszeit bestehen, da sich manche Zellschä-digungen erst Jahre nach dem Kontakt auswirken. Für den Einzel-nen hängt das Risiko, an Krebs zu erkranken, von vielen Faktoren ab. Dazu zählen die Art, auf welche Weise man dem Karzinogen ausgesetzt ist, Länge und Intensität des Kontakts sowie eventuelle genetische Vorbelastungen.

Ein zentraler Risikofaktor ist die Expositionsdauer.Bei karzinogenen Gefahrstoffen am Arbeitsplatz ist die Expositi-onszeit entscheidend, also der Zeitraum, in dem Arbeiter einem solchen Stoff ausgesetzt sind. Die meisten Karzinogene entfalten ihre Krebswirkung nicht während einer Kurzzeit-Exposition. Wäh-rend dieser Zeit stehen erst toxische Wirkungen im Vordergrund: So kann es beim Einatmen von Chrom (IV)-Verbindungen akut zu Übelkeit, aber auch ätzenden Wirkungen auf Haut und Schleim-häute kommen. Langfristig verursachen diese Substanzen jedoch auch Krebs.Am vorangegangenen Beispiel wird deutlich, dass für das Entstehen von Krebs meist die Langzeitexposition ausschlaggebend ist. Waren beispielsweise Arbeiter längere Zeit Asbest ausgesetzt, so kann ein besonders aggressiver Krebs entstehen: Das Mesotheliom. In der Praxis ist es so, dass sich die tödlichen Fasern über einen langen Zeitraum in der Lunge und im Körper ansammeln. Durchschnittlich vergehen 20 Jahre, aber es kann auch bis zu 40 Jahre dauern, be-vor die Asbestfasern einen Krebsausbruch verursachen.

Eine Maus ist kein Mensch – und umgekehrt.Der Nachweis der krebserregenden Eigenschaft einer Substanz ist oft sehr schwierig. Tests, bei denen man Menschen einer potentiell schädlichen Substanz aussetzt, um die Krebsgefahr abzuschätzen, sind ethisch nicht vertretbar. Darum müssen Wissenschaftler ande-re Quellen nutzen – zum Beispiel Tierversuche.

Aber auch diese haben ihre Schwachstellen. Denn es lässt sich daraus nicht immer eindeutig ableiten, ob eine Substanz auch für Menschen krebserregend ist oder nicht. Nagetiere zum Beispiel

Hohes Risiko für berufsbedingte Krebserkrankungen.

agieren auf chemische Substanzen oft vollkommen unterschiedlich als Menschen. 19 von 20 Testsubstanzen, die beim Menschen als ungefährlich gelten, rufen bei Nagern Krebs hervor.8 Andererseits verursacht der künstliche Süßstoff Saccharin beispielsweise bei männlichen Ratten Blasenkrebs, nicht aber bei weiblichen Ratten und auch nicht beim Menschen. Und wiederum werden von 19 be-kannten Karzinogenen, die bei Menschen Krebs erregen, nur sie-ben auch für die Nager gefährlich.9

6.

USA: jährlich bis zu ca. 90.000 Neuerkrankungen und ca. 30.000 arbeits-

bedingte Todesfälle7

5.

7.

4.

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10 FAKTEN ÜBER KARZINOGENE STOFFE AM ARBEITSPLATZ

Für die Bewertung eines Stoffes sollten daher mehrere Quel-len genutzt werden, neben den Tierexperimenten zum Beispiel auch Untersuchungen an Zelllinien sowie Fallberichte und Beob-achtungen aus der Praxis.

Großes Gefahrenpotenzial durch Chemikalien.Von Benzol bis zu Formaldehyd und Säurenebeln: Krebserre-gende Stoffe kommen in vielen Zweigen der chemischen Indus-trie vor. Der Schutz der Mitarbeiter vor Karzinogenen ist daher eine der zentralen Herausforderungen für den Arbeitsschutz.

WANN WIRD EINE SUBSTANZ ALS KREBS-ERREGEND EINGESTUFT?

Sobald schlüssige Beweise vorliegen, wird eine Sub-stanz als karzinogen gekennzeichnet. Als eindeutig krebserzeugend gelten jene Stoffe, die im Tierver-such zu Krebserkrankungen führen oder bei denen Krebserkrankungen am Menschen beobachtet wur-den. Als wahrscheinlich krebsverdächtig gelten jene Stoffe, die zum Beispiel im Tierversuch Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung aufweisen.

Lungenkrebs

Asbest, kristallines Siliziumdioxid, Abgase von Dieselmotoren, Arsen, Chrom, Nickel

8.

Graphic modified according to Siemiatycki, J, et al. Listing occupational carcinogens. Environmental Health Perspectives, Vol. 112, no. 15 (2004). p. 1447-1459

Magen- und Gallenkrebs

Trichlorethylen, Vinylchlorid

Blasenkrebs

Aromatische Amine

Hautkrebs

Mineralöle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

Nasenrachenraumkrebs

Formaldehyd

Kehlkopfkrebs

Säurenebel, Asbest

Mesotheliom

Asbest

Eierstockkrebs

Asbestos

Leukämie

Benzol, Formaldehyd

Non-Hodgkin-Lymphom

Trichlorethylen

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10 FAKTEN ÜBER KARZINOGENE STOFFE AM ARBEITSPLATZ

IARC*

Group 1: Krebserzeugend für den Menschen

Gruppe 2A: Wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen.

Gruppe 2B: Möglicherweise krebserzeugend für den Menschen

Gruppe 3: Nicht klassifizierbar hinsichtlich der Karzinogenität für den Menschen

Gruppe 4: Wahrscheinlich nicht krebserzeugend für den Menschen.

Klassifizierung hilfreich für die Einschätzung der Krebsgefahr.Asbest als mögliche Krebsgefahr am Arbeitsplatz kennt fast je-der. Aber was ist mit Trichlorethylen, Benzol oder den verschie-denen Chromverbindungen? Insgesamt 71 krebserregende Stoffe hat das Europäische Gewerkschaftsinstitut ETUI aufgelistet. Die-se machen 80% aller krebserregenden Stoffe aus, denen Men-schen am Arbeitsplatz ausgesetzt sein können. Für mindestens 50 Stoffe werden verbindliche Grenzwerte gefordert.11 Gemäß ihrem krebserzeugenden Potenzial teilt man die Karzinogene in verschiedene Klassen ein:

Mehr Wissen führt zu mehr Sicherheit.Alle Arten von berufsbezogenen Krebserkrankungen können ver-mieden werden. Um das Risiko für eine Krebserkrankung durch Arbeitsplatzbelastungen zu minimieren, sollten entsprechende Sub-stanzen möglichst gar nicht eingesetzt werden. Das ist nicht immer möglich, aber geeignete Maßnahmen können die Risiken für gefähr-dete Mitarbeiter wesentlich verringern. Dazu gehören beispielsweise die Schulung der Mitarbeiter und eine erhöhte Aufmerksamkeit für sichere Arbeitsabläufe.

Doch verbindliche Grenzwerte sind nur ein Aspekt von besserem Arbeits- und Gesundheitsschutz – entsprechende Gefahrstoffe können trotzdem noch eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. Neben der Expositionsminimierung ist daher eine entsprechende Schutz- und Sicherheitsausrüstung wichtig. Außerdem sollten alle Beschäftigen, die mit kanzerogenen Stoffen umgehen, geschult und arbeitsmedizinisch betreut werden.

Berufsbedingte Krebserkrankungen sind schon seit 1755 bekannt

1755: Hodenkrebs wird als

Berufskrebs von Schorn-steinfegern erkannt

1895: Identifikation von 2-Naphthylamin als Ursache des Blasenkrebses

bei Arbeitern in Farbstofffabriken

1974: Vinylchlorid wird als Ursache

von Lebertumoren in der Kunststoffindustrie aufgedeckt

2011: Formaldehyd wird als krebs-

erregend eingestuft

Gefahr BenzolEG-Nummer: 200-753-7

* International Agency for Research on Cancer der WHO

10.9.

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10 FAKTEN ÜBER KARZINOGENE STOFFE AM ARBEITSPLATZ

1 Nenonen N., Hämäläinen P., Takala J., et al. (2014) Global estimates of occupational accidents and fatal work-related diseases in 2014, Singapore, Workplace Safety & Health Institute. http://goo.gl/UlZorD

2. Mundt, KA, Dell, LD, Austin, RP et al. Historical cohort study of 10,109 men in the North American vinyl chloride industry, 1942–72: update of cancer mortality to 31 December 1995. Occup Environ Med. 2000; 57: 774–781

3. Price B, Ware A. Time trend of mesothelioma incidence in the United States and projection of future cases: an update based on SEER data for 1973 through 2005. Crit Rev Toxicol. 2009;39(7):576-88

4. Straif K. The burden of occupational cancer. Occupational and Environmental Medicine. 2008;65(12):787-788

5. Driscoll T, Takala J, Steenland K, et al. 2005. Review of estimates of the global burden of injury and illness due to occu-pational exposures. Am J Ind Med 48:491-502

6. Figures of the European Trade Institute (ETUI) at https://www.etui.org/Topics/Health-Safety/Occupational-cancers (Accessed: October 31, 2016)

7. Centers for Disease Control and Prevention. U.S. Cancer Incidence Statistics: an Interactive Atlas. https://nccd.cdc.gov/DCPC_INCA/. (Accessed October 29, 2016)

8. Ennever FK, Noonan TJ, Rosenkranz HS. The predictivity of animal bioassays and short-term genotoxicity tests for carcinogenicity and non-carcinogenicity to humans. Mutagenesis. 1987 Mar;2(2):73-78

9. Salsburg, D. The Lifetime Feeding Study in Mice and Rats - An Examination of Its Validity as a Bioassay for Human Carcinogens. Fundamental & Applied Toxicology 1983;3:63-67

10. National Cancer Institute: What have studies shown about a possible association between specific artificial sweete-ners and cancer? At https://www.cancer.gov/about-cancer/causes-prevention/risk/diet/artificial-sweeteners-fact-sheet#q2 (Accessed: October 31, 2016)

11. Wriedt H. Carcinogens that should be subject to binding limits on workers’ exposure. 2016. At http://www.etui.org/Publications2/Reports/Carcinogens-that-should-be-subject-to-binding-limits-on-workers-exposure (Accessed: October 31, 2016)

For an extensive list of potentially carcinogenic substances that includes IARC, ACGIH and OSHA classifications, go to: https://www.ehs.uci.edu/programs/sop_library/CARCIN.pdf

QUELLEN:

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www.draeger.com

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