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Journal fiir praktische Chemie N. F. Band 141, Heft 1-2 14. 8eptember 1934 100 Jahre Journal fiir praktische Chemie Otto Linn6 Erdmann wurde im Jahre 1827 zum Pro- fessor der technischen Chemie an der Universitat Leipzig emannt. In den Jahren 1828-1833 gab Erdmann teils allein, teiIs zusammen mit F.W.Schweigger-Seidel und Rich. F. Marchand das ,,Journal fur technische und okonomische Chemie" heraus. Dieses wandelte er im Jahre 1834 in das ,,Journal fur praktische Chemie" urn, das somit jetzt auf eine hundertjdwige Erscheinenszeit zuriickblicken kann. Durch den Titel deutete E r d m a n n an, dd das ,,Journal(' Berichte uber praktische, also iiber im Labo- ratorium oder in der Technik ausgefiihrteArbeiten bringen sollte, Das war yon grof3er Bedeutung in einer Zeit, da in Deutschland noch in weitem Umfang die naturphilosophi- schen Lehren von Hegel und Schelling herrschten, also eine Zeit, von der Liebig schreibt: ,,Auch ich habe diese an Worten und Ideen so reiche, an wahrem Wissen und ge- diegenen Studien so arme Periode durchlebt; sie hat mich um zwei kostbare Jahre meines Lebens gebracht." In der ersten Periode des ,,JournalsLc, die die Bande 1 bis 108 (1834-1569) umfdt, und in der zeitweise Prof. R. F. Marchand-HaUe, jahrzehntelang Prof. G. Werther- Konigsberg, als Mitherausgeber zeichneten, wurden neben Originalaufsatzen deutscher Forscher zahlreiche Uberset- zungen und Referate abgedruckt. Die Arbeiten der Che- miker aUer Lander sind so vollstandig wiedergegeben, dai3 das ,,Journal" zu jener Zeit eine ahnliche Stellung einnahm wie gegenwartig das ,,Zentralblatt". Nachdem Erdmann im Jahre 1569 gestorben war, uber- n a b Hermann Kolbe die Schriftleitung' des ,,Journals." Kolbe hatte sich als hervorragender Forscher auf dem Journal f. prakt. Chemie [Z] Bd. 141. 1

100 Jahre Journal für praktische Chemie

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Journal fiir praktische Chemie N. F. Band 141, Heft 1-2 14. 8eptember 1934

100 Jahre Journal fiir praktische Chemie Otto Linn6 Erdmann wurde im Jahre 1827 zum Pro-

fessor der technischen Chemie an der Universitat Leipzig emannt. In den Jahren 1828-1833 gab Erdmann teils allein, teiIs zusammen mit F.W.Schweigger-Seidel und Rich. F. Marchand das ,,Journal fur technische und okonomische Chemie" heraus. Dieses wandelte er im Jahre 1834 in das ,,Journal fur praktische Chemie" urn, das somit jetzt auf eine hundertjdwige Erscheinenszeit zuriickblicken kann.

Durch den Titel deutete E r d m a n n an, d d das ,,Journal(' Berichte uber praktische, also iiber im Labo- ratorium oder in der Technik ausgefiihrte Arbeiten bringen sollte, Das war yon grof3er Bedeutung in einer Zeit, da in Deutschland noch in weitem Umfang die naturphilosophi- schen Lehren von Hegel und Schelling herrschten, also eine Zeit, von der Liebig schreibt: ,,Auch ich habe diese an Worten und Ideen so reiche, an wahrem Wissen und ge- diegenen Studien so arme Periode durchlebt; sie hat mich um zwei kostbare Jahre meines Lebens gebracht."

In der ersten Periode des ,,JournalsLc, die die Bande 1 bis 108 (1834-1569) umfdt, und in der zeitweise Prof. R. F. Marchand-HaUe, jahrzehntelang Prof. G. Werther- Konigsberg, als Mitherausgeber zeichneten, wurden neben Originalaufsatzen deutscher Forscher zahlreiche Uberset- zungen und Referate abgedruckt. Die Arbeiten der Che- miker aUer Lander sind so vollstandig wiedergegeben, dai3 das ,,Journal" zu jener Zeit eine ahnliche Stellung einnahm wie gegenwartig das ,,Zentralblatt".

Nachdem Erdmann im Jahre 1569 gestorben war, uber- n a b Hermann Kolbe die Schriftleitung' des ,,Journals." Kolbe hatte sich als hervorragender Forscher auf dem

Journal f. prakt. Chemie [Z] Bd. 141. 1

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Gebiet der Begrundung der Konstitution der organischen Verbindungen enviesen; im Jahre 1865 war er als Professor der Chemie an die Universittit Leipzig berufen worden und hatte hier ein fur lange Zeit mustergiiltiges Unterrichts- und Forschungslaboratorium erbaut. Die Arbeiten seiner zahl- reichen Schiiler aus dem In- und Ausland bildeten den Grund- stock des Publikationsstoffes der ,,Neuen Folge" des ,,Jour- nals fur pralitische Chemie", die vom Jahrei870 an herauskam. Viele jener Mitarbeiter haben, auch nachdem sie sich selb- standig gemacht hatten, das ,,Journal" regelmd3ig fur die Bekanntgabe ihrer Untersuchungen benutzt.

Mit der ,,Neuen Folge" horte der Abdruck von Referaten und Wbersetzungen auf. Dagegen benutzte K o 1 b e das ,,Journal" zur Veroffentlichung seiner polemischen Aufsatze, in denen er sich mit der damals zur Herrschaft gelangenden Strukturchemie und ihrenverfechtern: A. Kekuld, J. %'is- licenus, A. v. Baeyer u. a. m. auseinandersetzte. Zwar hatte Kolbe selbst das meiste dazu getan, um die Radikale der chemischen Stoffe durch die von ihm neu belebte Ra- dikaltheorie in immer kleinere Bestandteiie aufzulosen, mamte aber den daraus sich notwendig ergebenden Schritt des Zu- ruckgehens auf die Elementaratome nicht mit. Entsprechend seiner impulsiven Natur sind diese Kritiken vielfach reichlich scharf ausgefallen; und als nun gar J. H. van't Hoff seine ,,Chemie im Raume" herausgab, kannte Kolbes Emporung uber diesen vermeintlichen Ruckfall in die durch die Ex- perimentalchemie glucklich iiberwundene Naturphilosophie keine Grenzen. Aber alle jene, z. T. noch jetzt sehr lesens- werten Aufsatze waren nur diktiert von der Sorge um seine geliebte Wissenschaft, die Chemie.

Dieser hat denn auch das ,,Journal" eifrig gedient. Von Forschern, die in dieser Zeitschrift regelmaig publizierten, seien hier nur genannt : C.W. B lo m s t rand, E. C ars t an j en, A. Claus, E. Drechsel , R. Fresenius, A. Geuther , F. Goppelsroder , P. Griess, P. Jannasch , S. M. J* . orgen- sen , W. Ostwald, S. Reformatzki, A. S. Saytzeff, F. Stohmann, J.Thoxnsen, J .Troger, A. Weddige.

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Bei den Herausgeberarbeiten wurde K o 1 b e seit I 879 durch seinen Schuler Ernst v. Meyer unterstutzt, der nach Kolbes Tod im Jahre 1884 die Redaktion d e i n iibernahm. Emst v. Meyer pflegte sorgsam die Beziehungen zu den schon genannten Mitarbeitern, von denen allerdings die- jenigen dem ,,Journal" untreu wurden, die eigenezeitschriften g-cndeten (,,Zeitschrift fur analytische Chemie" durch R. Fresenius, ,,Zeitschrift fur physikaliiche Chemie", von W. Ostwald begrundet). An deren Stelle traten als Autoren des ,,Journals" zahlreiche jungere Forscher, von denen hier nur genannt seien: E.Beckmann, J.Bredt, P. Claessen, Th. Curt ius , A. Darapsky, K. Elbs, J. Bertram, 0. Fischer, Fr. Foerster, Guldberg u.Waage, P.Klason, N. Mentschutkin, A. Michael, M. Nencki , H. Os t , C. Willgerodt.

37 Jahre lang hatte Ernst v. Meyer das ,,Journal" be- treut, d s am 11. April 1916 der Tod seinem Wirken ein Ziel setzte. Auf den Rat von Th. Curtius, ds einem der be- deutendsten Mitarbeiter des ,,Journals" wurde nunmehr ein Redaktionsausschufi gebildet. Diesem gehorten urspriinglich J. Bredt , Th. Curtius t, A. Darapsky , K. Elbs t, 0. Fischer t, Fr. Foerster t und B. Rassow an. An die Stelle der infolge Ablebens Ausgeschiedenen traten spater P. Pfeiffer und H. Meerwein in das Kollegium. Die Ge- schafte der Redaktion besorgte urspriinglich A. D arapsky, und seit dem Jahre 1921 B. Rassow.

Schon die Zusammensetzung des Ausschusses zeigt, dafi im ,,Journal" zwar die experinientelle organishe Chemie den Hauptteil des Publikationsstoffes bildet, daB aber auch Auf- satze aus dem Gebiete der anorganischen, physikalischen und technischen Chemie und besonders aus den zugehorigen Grenzgebieten gem aufgenommen werden. Nach wie vor haben wir die Freude, dai3 zahlreiche hervorragende Forsder Deutschlands und des Auslandes das ,,JournaI" bei der Ver- offentlichung der Ergebnisse ihrer eigenen und ihrer Schuler Arbeiten in erster Linie beriicksiktigen. An Publikationsstoff hat es nie gefehlt. So mancher Autor hat wochenlang warten

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miissen, bis sein Aufsatz abgedruckt werden konnte. Dieser Zustand hat sich aber neuerdmgs gebessert, seitdem infolge der Klagen uber den zu groi3en Umfang und die zu hohen Preise der deutschen naturwissenschdtlichen und medi- zinischen Literatur die Herausgeber verpflichtet wurden, auf grofltmogliche Knappheit des Textes der einzelnen Auf- satze zu dringen. Das bringt zwar fur die Herausgeber und Autoren viele und meist unerfieuliche Arbeit mit sich. Aber der Erfolg hat das Vorgehen der in diesem Falle maf3geben- den Instanzen durchaus gerechtfertigt. Die Knappheit des Textes, der sich die Forscher bei der Niederschrift ihrer Er- gebnisse befleif3igen mussen, kommt nicht nur der Be- schleunigung der Publikation, sondern auch der Lesbarkeit der Aufsatze zugute.

Das ,,Journal fur praktische Chemie" hat sich 100 Jahre hindurch als ein unentbehrliches Glied der deutschen chemischen Literatur bewahrt. Wir Chemiker schulden der Verlagsbuchhandlung Johann Ambrosius Bart h lebhaften Dank dafur, daB sie das ,,Journal" so sorgfdtig betreut und auch in schweren Zeiten durchgehalten hat. 1st es doch bei der Fulle und dem Umfang der praktischen Arbeiten, die in den Laboratorien geleistet werden, unbedingt notwendig, da8 neben .,Liebigs Annalen" eine zweite selbstiindige Zeit- schrift existiert. Das ,,Journal" tragt aber auch wesentlich dazu bei, die Weltgeltung der deutschen chemischen Lite- ratur zu stutzen. Zahlreiche auslandische Forscher rechnen es sich zur Ehre an, im ,,Journal" in deutscher Sprache zu publizieren.

Moge das ,,Journal" in dem zweiten Jahrhundert seines Erscheinens seine Stellung nicht nur behaupten, sondern kraftig weiter wachsen, bliihen und gedeihen !

J. BREDT, A.DARAPSKY, H. MEERWEIN, P. PFEIFFER, B. RASSOW