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Ausgabe 1 Juni 2013 Kupfer, Kohle und Konflikte Ressourcen und Ressourcenabbau in Asien

130607 Perspectives Asien 1

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  • Ausgabe 1Juni 2013

    Kupfer, Kohle und KonflikteRessourcen und Ressourcenabbau in Asien

  • Inhalt

    2 Vorwort

    Afghanistan 4 Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan

    Renard Sexton 9 Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan? Ein Interview mit Mussa Mahmoodi

    Neelab Hakim 13 Zahlen und Fakten zur Kupfermine Aynak

    Samim Hoshmand

    Pakistan / Indien 15 Krieg um Wasser? Der Indus-Wasservertrag von 1960

    Britta Petersen 16 Lasst den Vertrag, wie er ist! Ein pakistanischer Blick auf den Indus-Wasservertrag

    Feisal H. Naqvi 19 Wir brauchen mehr Kooperation! Ein indischer Blick auf den Indus-Wasservertrag

    Ramaswamy R. Iyer 22 Rohstoffe und Rebellen Die Naxaliten und der Ressourcenkonflikt in Indien

    Andrea Falkenhagen

    China 24 Ressourcenstrme zwischen Asien und Europa 27 Chinesische Auslandsinvestitionen auf weltweitem Vormarsch

    Wang Zhile 31 Eine kritische Betrachtung chinesischer Direktinvestitionen Ein Kommentar

    Yu Xiaogang 35 Grn oder schwarz? Wie der Kohlebergbau die Innere Mongolei und das Grasland Hulunbeier verndert

    Jost Wbbeke

    Thailand / Myanmar 42 Myanmars natrlicher Reichtum Fluch oder Segen?

    David Allan und Rainer Einzenberger 47 Auslandsinvestitionen und Konflikte in Myanmars Bergbausektor Der Fall der Kupfermine von Monywa

    Nwet Kay Khine 51 Zur Entwicklung und Elektrifizierung Myanmars Lektionen aus Thailand

    Chuenchom Sangarasri Graecen

    Kambodscha 55 Wir werden ihnen Fortschritt bringen in Zeiten der Globalisierung! Die Haltung der Regierung und der Druck auf die Ressourcen der indigenen Gemeinschaften in Kambodscha

    Maia Diokno

    Diese Ausgabe von Perspectives Asia ist in enger Zusammenarbeit mit den Bros der Heinrich-Bll-Stiftung in Asien erschienen

    Titelbild Chinesische Arbeiter in Fengjie (Stadtbezirk Chongqing) tragen Kohle zu Schleppzgen fr die Belieferung von Kraftwerken. Bob Sacha / Corbis

    Heinrich-Bll-StiftungDie Heinrich-Bll-Stiftung ist eine politische Stiftung und steht der Partei Bndnis 90 /Die Grnen nahe. Sie hat ihren Hauptsitz in Berlin und unterhlt derzeit 30 Bros weltweit. Die Arbeit der Stiftung in Asien konzentriert sich auf die Frderung von Zivilgesellschaft und Demokratie, auf soziale Teilhabe fr alle und auf Gerechtigkeit. Gemeinsam mit ihren vielen Partnerinnen und Partnern setzt sich die Stiftung fr die Vermeidung und friedliche Beilegung von Konflikten ein; darber hinaus sucht sie nach Wegen aus der Umweltzerstrung und dem Raubbau globaler Ressourcen. Um diese Ziele zu erreichen, bemht sich die Stiftung um die intensive Vermittlung von Wissen und Verstndnis zwischen den Akteurinnen und Akteuren in Europa und Asien; dazu gehrt auch die Frderung internatio naler Dialoge, denn sie sind die Voraussetzung fr konstruktives Handeln.

    KABuL

    ISLAMABAD

    NEu-DELHI

    BANGKoKPHNoM PENH

    PEKING

  • urbanen Ballungszentren, hngt das Leben der Menschen wesentlich vom direkten Zu- gang zu Land und sauberem Wasser ab. Bergbau und intensive Plantagenwirtschaft aber fhren zur Verknappung von Wasser und Bden, sie belasten die Umwelt und verursachen damit immer wieder Konflikte zwischen der lokalen Bevlkerung und den privaten oder staatlichen Unternehmen, die diese Projekte durchfhren.

    Von solchen Konflikten um Kohleab-bau und Kupferminen berichten Autoren aus Afghanistan, Indien und Myanmar in diesem Heft. Die Artikel aus der Inneren Mongolei in China und aus Kambodscha verdeutlichen dabei, wie insbesondere die traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensstile indigener Bevlkerungsgrup-pen unter der ausufernden Ausbeutung von Rohstoffen leiden.

    Auch um die Nutzung knapper Wasser-ressourcen kommt es immer hufiger zu Disputen, oft sogar zu grenzberschreiten-den Auseinandersetzungen. Beitrge von Autoren aus Indien und Pakistan illustrieren den mglichen Umgang mit solchen ber-nationalen Konflikten.

    Gerade fr die rmsten Lnder bieten reiche Rohstoffvorkommen aber auch eine Chance auf Entwicklung und einen mg-lichen Weg aus Armut und Abhngigkeit von internationalen Gebern. Die Beitrge aus Afghanistan, Thailand und Myanmar beleuchten die Hoffnungen, die sich an eine wirtschaftliche Nutzung natrlicher Ressourcen knpfen, zeigen aber auch die Risiken und Fehlentwicklungen.

    Autoren aus China veranschaulichen, wie versucht wird, den dramatischen Umweltauswirkungen entgegenzuwirken, und analysieren die Bemhungen um ein

    Regelwerk fr die Entwicklung der heimi-schen Rohstoffwirtschaft sowie fr Auslands- investitionen im Rohstoffsektor.

    Die Beitrge dieser ersten Ausgabe von Perspectives Politische Analysen und Kommentare aus Asien illustrieren am Bei-spiel einiger asiatischer Lnder schlaglicht-artig die komplexen Zusammenhnge und Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Rohstoffprojekten. Deutlich wird dabei, dass sich die Probleme, die mit der wach-senden Ausbeutung von Rohstoffen ein-hergehen, wiederholen, so unterschiedlich der wirtschaftliche und politische Kontext jeweils sein mag: Fehlende Risiko- und Fol-genabschtzung, mangelnde Transparenz und fehlende Beteiligung der Betroffenen an den Planungsprozessen, vor allem aber die unzureichende Steuerung und berwa-chung durch Regierungen und unabhngige Institutionen verschrfen bestehende Kon-flikte und drngen bereits marginalisierte Bevlkerungsgruppen weiter ins wirtschaft-liche Abseits.

    Mit dieser Ausgabe wollen wir auf die drn-genden Probleme aufmerksam machen, mit denen Investoren, Regierungen und die lokale Bevlkerung im Zusammenhang mit groen Bergbau- und Agrarprojekten in Asien konfrontiert sind, und einen Einblick in die Debatten der Region vermitteln. Wir hoffen, damit den Blick fr die Risiken zu schrfen, zu einer vertieften Diskussion ber Gesetzgebung, Planung und Durchfhrung groer Rohstoffprojekte beizutragen und ein Nachdenken ber die Grenzen unseres rohstoffbasierten Wirtschaftens anzustoen.

    Perspectives Asien wird zweimal jhr-lich in englischer und deutscher Sprache erscheinen. Mit diesem Format wollen wir knftig einem deutschen und europischen Publikum asiatische Perspektiven aufzeigen, Analysen zu globalen Trends liefern sowie vertiefte Einblicke in die Entwicklungen in Asien geben.

    Katrin AltmeyerLeiterin Referat Asien

    Der globale Bedarf an fossilen Energie- trgern, Metallen, Mineralien, Holz und Agrarprodukten hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu verdoppelt. Der internatio-nale Handel mit diesen Rohstoffen stieg im gleichen Zeitraum sogar um 150 Prozent an. Eine der Ursachen fr dieses dramati-sche Wachstum ist der Aufstieg der groen Schwellenlnder in Asien.

    Nach wie vor wird ein groer Teil der in Asien ausgebeuteten Ressourcen zur Ver-sorgung der internationalen Mrkte und zur Herstellung von Konsumgtern in den Fabriken Chinas, Indiens und Sdostasiens fr den Export auch in die Industrielnder aufgewendet. Insbesondere China, Indien und Indonesien verfgen aber nicht nur ber erhebliche Rohstoffvorkommen auf ihren Territorien, sondern sie verbrauchen selbst immer mehr Energie und natrliche Ressourcen fr den Ausbau von Infrastruk-tur und den Konsum durch ihre wachsende Bevlkerung. Aus diesem Grund ist z. B. auch China 2011 zum zweitgrten Impor-teur von Rohstoffen weltweit (nach den USA) aufgestiegen.

    Die steigende Nachfrage in Asien hat betrchtliche Auswirkungen auf die globa-len Rohstoffmrkte, den Welthandel und die internationale Wirtschafts- und Sicherheits-politik. Am unmittelbarsten aber spren die Menschen in den Ursprungslndern die Folgen des wachsenden Bedarfs.

    Obwohl sich eine neue Mittelschicht in Asien an dem ressourcenintensiven Lebens-stil der Industrielnder orientiert, hat das Gros der asiatischen Bevlkerung nur be- grenzten Zugang zu den Erzeugnissen und Gewinnen aus der Rohstoffwirtschaft seiner Lnder. Gerade dort, wo Kohle, Erze und Mineralien gefrdert werden, auerhalb der

    Vorwort

    2 Vorwort 3Vorwort

  • Renard Sexton ist Experte fr internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Konflikt, natrliche Ressourcen und internationale Entwicklung. Er hat in mehr als 20 Lndern auf fnf Kontinenten gelebt und gearbeitet. Sexton war sowohl fr die Vereinten Nationen als auch fr verschiedene Nicht-regierungsorganisationen ttig. Er hat u. a. fr den Blog der New York Times FiveThirtyEight und The Guardian publiziert. Derzeit promoviert er an der New York University mit den Forschungsschwerpunkten zivile Konflikte, natrliche Ressourcen und politische Methodologie.

    Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in AfghanistanRenard Sexton

    logischen Anstrengungen im Hinblick auf die Entwicklung der natrlichen Ressour-cen scheitern mssen, wenn die zugrunde liegende Politik nicht angemessen darauf ausgerichtet ist.

    Man kann die wichtigsten natrlichen Ressourcen Afghanistans in vier Hauptka-tegorien unterteilen: Wasser, Land, Mine-ralien und erneuerbare Energiequellen. Diese Kategorien berlappen sich; viele Ressourcen hngen wechselseitig vonei-nander ab. Ein erheblicher Teil des Werts von Anbauland in Afghanistan wird zum Beispiel durch die Menge und die Verlss-lichkeit der Bewsserung bestimmt. Fr die Zwecke dieser bersicht ist die oben genannte Unterteilung dennoch sinnvoll.

    Wasser

    Ohne Zugang zum Meer, ist Afghanistan bei der Wasserversorgung auf Strme und Flsse angewiesen. Es gibt fnf groe Fluss-becken im Land, von denen sich jedes aus Quellwasser aus den Bergen speist. In jedem Frhjahr flutet Schmelzwasser die Flussbet-ten des Landes, die whrend des gesamten Winters praktisch ausgetrocknet waren. Afghanistan ist ein groer Exporteur von Flusswasser: Die mchtigen Strme Hel-mand, Harirod, Kunar und Panj flieen in die Nachbarlnder Iran, Pakistan, Tadschi-kistan und Turkmenistan und liefern diesen Lndern wertvolle Zuflsse fr die Bews-serung. Da Frischwasser in der Region knapp ist, haben sich diese Lnder wegen der geplanten Strkung der afghanischen Wasserinfrastruktur insbesondere durch Staudmme besorgt gezeigt, weil sie eine Reduktion des Flusswassers befrchten.

    Ein Beispiel fr diese Problematik ist das Salma-Staudammprojekt in der westlichen Provinz Herat. 2004 gab die afghanische Regierung Plne bekannt, den am Fluss Harirod gelegenen Staudamm zu sanieren, und zwar mit finanzieller und technischer Untersttzung der indischen Regierung. Die iranische Regierung wandte sich ent-schieden gegen diese Absichten, weil sie befrchtete, dass der verminderte Fluss des Harirod die landwirtschaftliche Produktion flussabwrts im Iran und Turkmenistan unumkehrbar schdigen wrde. Zwischen 2007 und 2011 brachte ein erbitterter Kon-flikt ber den Standort des Staudamms und dessen Umgebung das Projekt an den Rand des Scheiterns, aber vereinte US-amerika-nische und afghanische Militroperationen schlugen die lokalen Aufstnde schlielich nieder. Unabhngig voneinander gaben indische, afghanische und amerikanische Geheimdienstquellen an, dass der Iran bei diesem Konflikt eine Rolle gespielt habe.1

    Land

    Afghanistans agrarisch nutzbares Land ist sehr begrenzt ungefhr 12 Prozent der Gesamtflche , und entsprechend ist gutes Ackerland von beachtlichem Wert. Ein hoher Anteil des Landes, schtzungsweise 46 Prozent, ist als Weideland klassifiziert, was im Normalfall sprlich begrnte Berg-rcken und entwaldete Hgel einschliet. Sowohl nomadische wie sesshafte Gemein-schaften brauchen dieses Weideland fr die Viehzucht, die die Grundlage afghanischer Nahrungsmittelsicherheit ist.

    Whrend Streit um Ackerland sich im Rahmen hlt, ist der Kampf um die besten Weidepltze besonders intensiv. Wenn die Schneedecke im Frhjahr nach und nach verschwindet, treiben sesshafte Gemein-schaften ebenso wie nomadische Hirten ihr Vieh zu den neu auftauchenden Weiden. In manchen Fllen provozieren politische, wirtschaftliche und ethnische Differenzen Konflikte, die bis zu bewaffneten Auseinan-dersetzungen eskalieren knnen.

    Das markanteste Beispiel eines sol-chen Konflikts gab es zwischen den sess-haften Gemeinschaften der Hazara und den paschtunischen Nomaden (Kuchi), die jedes Frhjahr aus der Ebene mit ihren Schafen und Ziegen in die Berge kommen, um Weideland fr sie zu finden. Die politi-schen Verwicklungen sind erheblich, wobei geschichtliche Krnkungen bis ins spte

    19. Jahrhundert zurckreichen und heutige politische Abenteurer versuchen, daraus politisches Kapital zu schlagen. Seit 2004 sind Dutzende von Milizangehrigen, Zivi-listen und anderen Akteuren in Hazarajat in wiederkehrenden Kmpfen um den Zugang zu Weideland gettet worden.2

    In den stdtischen Regionen ist Land zu einer wichtigen Ressource in Afghanistans schnell wachsenden Zentren geworden, besonders in Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif und Lashkar Gah. In vorstdtischen Regionen steigt Land an neu gebauten Asphaltstraen normalerweise rapide im Wert und ruft manchmal kleinere Konflikte um die Kontrolle hervor.

    Bergbau und Frderung

    Afghanistans Bergbausektor hat in den internationalen Medien starke Beachtung gefunden, wobei sich die Aufmerksamkeit vor allem auf gro angelegte industrielle Frderprojekte richtete. Hohe Investitio-nen durch staatliche Gesellschaften wie pri-vate Firmen aus China und Indien haben die Schlagzeilen ber die Frderindustrie beherrscht, insbesondere die Kupfermine in der Nhe des Dorfes Mez Aynak, das Eisen-erzlager in den Bergen von Hajigak und die l- und Gasfelder am nrdlichen Amu Darya.3 Der Bergbausektor ist jedoch nicht auf groe industrielle Anlagen beschrnkt. Der Kleinbergbau von Edelsteinen4, Chro-mit, Kohle, Zement und anderen Rohstoffen ist ber ganz Afghanistan verteilt.

    Unabhngig von der Gre gibt es im Bergbausektor ein komplexes Geflecht von politischen Verwicklungen, Patronagenetz-werken und ureigenen auslndischen und Eliteinteressen. Es kann diejenigen sehr teuer zu stehen kommen, die in diese eta-blierten politischen und konomischen Arrangements eingreifen: Es gab zahlreiche Konflikte, die von Erpressung im Mafia-Stil bis zum offenen Krieg zwischen rivalisie-renden Befehlshabern reichten. Beamte der Zentralregierung und der Provinzregierun-gen mischen oft bereitwillig in diesem Spiel mit, vermengen ffentliche und private Interessen nach Belieben und nutzen staat-liche Ressourcen, um sich privat zu berei-chern und abzusichern.

    Von auen wird der Bergbausektor als vielversprechendster Faktor angesehen, um als primre Einkommensquelle fr den afghanischen Staat die schnell zurckge-hende internationale Hilfe auszugleichen.

    Das Erste, was einem in Afghanistan auffllt, ist das beeindruckende Panorama gewaltiger Berge. Wenn man durch das Land reist, fllt es schwer, nicht in Bewunderung zu verfal-len angesichts schneebedeckter Gipfel, von Flssen durchzogener tiefer Schluchten und weitlufiger Weideflchen, kontrastiert mit baumlosen, felsigen Landschaften, die man sich eher auf dem Mond vorstellen knnte.

    Afghanistans natrliche Gegebenhei-ten und deren Segnungen sind kompliziert. Einerseits ist das Land kaum fr Landwirt-schaft geeignet, andererseits aber knnen mineralische Bodenschtze, das Wasser-kraftpotential und verbotene, aber hoch- begehrte Frchte sehr lukrativ sein. Die mei- sten Afghanen sttzen sich auf diese natrli-chen Bedingungen des Landes fr ihr ber-leben. Wichtige Lebensgrundlagen sind Weizen- und Reisanbau, Viehzucht und der Anbau von Obst und Nssen. Da der Krieg das Land drei Jahrzehnte lang fest im Griff hatte, spielt die Kultivierung von Mohn fr Opium und von Cannabis eine zunehmende Rolle. Die von den USA gefhrte Besetzung des Landes durch die NATO geht dem Ende entgegen und Afghanistan tritt in eine neue Phase ein jetzt wird es auf die Entwicklung des Landes einen kaum zu berschtzenden Einfluss haben, wie zuknftig mit den natr-lichen Ressourcen umgegangen wird.

    Viele internationale Akteure und die afghanischen Eliten haben die natrlichen Ressourcen insbesondere den industri-ellen Bergbau und fossile Brennstoffe als Schlssel fr eine wohlhabende Zukunft des Landes propagiert. Wenn es einerseits in der Tat ein groes Potenzial fr wirt-schaftlichen und sozialen Fortschritt gibt, haben die Erfahrungen der Vergangenheit andererseits doch gezeigt, dass alle techno-

    4 Afghanistan Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan 5Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan Afghanistan

  • Hauptprobleme

    Der Sektor der natrlichen Ressourcen in Afghanistan ist in vieler Hinsicht problema-tisch. Ich konzentriere mich auf zwei beson-ders knifflige Probleme, mit einem Ausblick auf die bergangsphase 2013 bis 2014 und die Mglichkeit relevanter politischer Ver-nderungen.

    Erstens bedeutet das Fehlen jeglicher wirklicher Steuerung bei der Handhabung der Ressourcen, dass Landwirtschaft, Klein-bergbau, Holzernte und andere Aktivitten normalerweise sehr ineffizient sind. In einem Land, wo es nur begrenzte Ressour-cen fr eine verarmte Bevlkerung gibt, ist Verschwendung besonders kostspielig und schmerzhaft. In vielen Fllen ist sie ein Resultat der weit verbreiteten Unsicher-heit der wirtschaftlichen, politischen und Sicherheitsbedingungen und des unmit-telbaren berlebensdrucks. Es ist schwer, kluge mittel- oder langfristige Entschei-dungen bezglich der Handhabung der natrlichen Ressourcen zu treffen, wenn kurzfristige Prioritten immer die Ober-hand behalten. Auerdem ist der ffentliche Apparat, ob es sich nun um offizielle Staats- oder informelle Steuerungsstrukturen han-delt, oft sehr begrenzt, was bedeutet, dass es nur selten eine Balance zwischen individu-ellen Interessen und denen einer breiteren ffentlichkeit gibt.

    Das zweite Hauptproblem betrifft die Art und Weise, in der sich die internationale Gemeinschaft whrend der von der NATO gefhrten Besetzung und der Rekonstruk- tionsperiode auf dem Sektor der natrli-chen Ressourcen engagiert hat. Die meis-ten Interventionen, ob durch internationale Hilfsorganisationen, bilaterale Geber oder NGOs, haben sich auf Verbesserungen im technischen und gesetzlichen Bereich und im Ingenieurwesen konzentriert und die politische Seite im Normalfall nicht einbezo-gen. In vielen Fllen wurde von den interna-tionalen Akteuren so argumentiert, dass sie nicht das Mandat oder nicht das Fachwissen htten, in den Gladiatorenring zu steigen, den die afghanische Politik darstellt. Trotz-dem haben diese technokratischen Inter- ventionen oft genug grundlegende politi-sche Implikationen gehabt.

    Ein aussagekrftiges Beispiel ist das Projekt einer geplanten Strae fr den Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus einer lndlichen Gegend in einen Ort, in dem wchentlich ein Markt stattfindet.

    Internationale Geber haben Tausende sol-cher Projekte finanziert und dabei argumen-tiert, sie lgen im ffentlichen Interesse und es handele sich um eine eindeutig nicht poli-tische Intervention. Trotzdem haben Fragen wie diese ein erhebliches politisches und wirtschaftliches Gewicht: welche Baufirma eines rtlichen Honoratioren den Bauauftrag erhlt, welche Drfer an die Straenverbin-dung angeschlossen werden, welche Gter produziert werden und mit welchen anderen sie auf dem Markt konkurrieren werden. Um einen noch hheren Einsatz geht es, wenn wir von der Frage des Standorts eines lnd-lichen Marktes bergehen zu der Frage, wer den Versorgungsauftrag mit Zement fr den Bau einer greren Mine bekommt; oder wenn es um den Verlauf der Leitungen von einem geplanten Kohlekraftwerk aus geht.

    Dass Interventionen im Ressourcen-sektor politische Implikationen haben, ist zunchst noch kein Anlass zum Alarm. Wenn das Ganze aber schlecht gemanagt wird, kann dies zu politischer Verbitterung und in der Folge zu Konflikten fhren, wie etwa denen zwischen Hazaras und Kuchis, die in der Lapislazuliproduktion miteinan-der rivalisieren, oder dem Fall der aufstndi-schen Kommandeure am Salma-Staudamm. Es gibt auf diesem Gebiet noch zahlreiche andere Probleme, wie etwa unrealistische Gewinnerwartungen im industriellen Berg- bau und kontinuierliche Einmischungen seitens internationaler geopolitischer Ak- teure besonders der Nachbarlnder Afgha-nistans zusammen mit fortgesetzten Kon-flikten auf lokaler Ebene, bei denen es um Ressourcen in der Grenordnung groer Bergbauprojekte geht.

    Ausblick

    Die wichtigste knftige Frage auf dem Sek-tor der natrlichen Ressourcen wird hchst-wahrscheinlich die sein, ob Afghanistans bevorstehende politische Befriedung Ein-knfte aus Ressourcen, einen Ausgleich der Interessen und eine vernnftige Rege-lung der Eigentumsrechte mit sich bringen wird. Um es konkreter zu machen: Der Zen-tralstaat und die regionalen Machthaber mssen verlssliche und glaubhafte gegen-seitige Verpflichtungen eingehen, um die Ressourcen zu entwickeln mit besonderer Betonung des Bergbaus.

    Die Zentralregierung verfgt nicht ber die Kapazitten, um im Alleingang in die lndlichen Gebiete zu gehen und dort mit

    dem Ressourcenabbau zu beginnen, weil der erhebliche politische Einfluss und die militrische Schlagkraft der rtlichen Machthaber und Kommandeure das nicht zulassen. Umgekehrt verfgen die regio-nalen politischen Fhrer nicht ber die technischen Mglichkeiten und das Kapital, um Bergbau im groen Stil zu starten. Also haben beide Seiten Interesse an einer politi-schen Einigung, die einen Vorteilsausgleich (wenigstens zwischen den Eliten) sicher-stellt, mit einem wirksamen Vetorecht auf beiden Seiten.

    Weil eine solche Einigung ber die Teilung der Gewinne grundlegend politi-scher Natur ist, muss sie in der politischen Sphre verhandelt werden, nicht im Kontext agnostischer technokratischer Diskussio-nen ber die Vertragssprache und die geeig-netsten Bergbaumethoden. Der wirksamste Weg, wie der industrielle Bergbau den Frie-densprozess und die allmhliche Entwick-lung Afghanistans untersttzen kann, ist der, den grundlegend politischen Charakter dieses Prozesses anzuerkennen und ange-messen zu behandeln.

    Erreicht werden kann das nur in einem Typus von Gesprchen, wie sie hnlich auch zwischen der Zentralregierung und aufstn-dischen Gruppen wie Herz-b Islami und den Taliban gefhrt werden. Als Folge poli-tischer Vorleistungen wie Regierungsposten, die Durchsetzung politischer Prferenzen und das Versprechen der Nichteinmischung knnten Gegner der Regierung in den neuen bergangsstaat integriert werden. Auf dem Feld der natrlichen Ressourcen wrden regionale Machthaber einer Zustndigkeit und einer Teilung der Einknfte zustim-men, die die faktische Verteilung der Macht im Land wiederspiegelt und bei den Betei-ligten auf beiden Seiten das Interesse an einem stabilen Staat schaffen und strken.

    Aus normativer Sicht mag ein solches Geschacher widerlich sein: Menschen-rechtsverletzer, Kriegsverbrecher und die Propagandisten extremistischer Politik wrden wieder willkommen geheien im Scho offizieller Regierungspolitik. Fr manche widerspricht dies vollkommen einem Jahrzehnt mhsamer Arbeit fr die Rechte der Frauen, fr vorlufige rechtliche Mechanismen, fr Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Eine nchterne Ana-lyse der Verhltnisse vor Ort in Afghanistan zeigt jedoch, dass diese Errungenschaften ohne praktikable politische Regelungen, die wenigstens den Ansatz von Sicherheit und Frieden garantieren, schnell verlorengehen

    Fhrende afghanische Militrs, Warlords, Mafiosi und korrupte Regierungsbeamte haben das Potenzial der frdernden Indus-trien erkannt und versuchen, fr sich selbst ein Stck vom Kuchen zu ergattern. Es liegt auf der Hand, dass dies zu einer grundle-genden Politisierung des Bergbaus gefhrt hat. Diese Entwicklung ist jedoch bisher von den wichtigsten internationalen Akteu-ren nicht hinreichend erkannt worden, oder aber es wurde nicht angemessen darauf reagiert. Es ist wichtig, die Bemhungen um pragmatische politische Regelungen fr Afghanistan mit der Reformagenda fr den Bergbausektor zu verbinden.

    Erneuerbare Ressourcen

    Der Groteil der internationalen Aufmerk-samkeit richtete sich auf die mineralische Seite der internationalen Industrien, aber Afghanistan verfgt auch ber erhebliche nichtmineralische natrliche Ressourcen. Vor allem Hartholz, Opium, Cannabis und eine im Entstehen begriffene, exportorien-tierte kommerzielle Landwirtschaft sind wichtige Teile der afghanischen Ressour-cenbasis. Die Opiumproduktion ist bei dem Bemhen der International Security Assis-tance Force (ISAF) und der UN in den Blick-punkt gerckt, Afghanistans groen Beitrag zum weltweiten Heroinhandel zu reduzie-ren. Doch bei den hohen Preisen und der ausgebauten Liefer- und Verwertungskette ist die Opiumproduktion fr viele Men-schen in Afghanistan einfach zu lukrativ, um sie aufzugeben. Angefangen bei den armen Bauern ber Schmuggler, politische Akteure und internationale Kartelle, bietet die illegale Pflanze einen zwar gefhrlichen, aber eintrglichen Lebensunterhalt der etwa 50 Prozent des gesamten afghanischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht.

    Von der Provinz Kunar im Osten und der weiter sdlich gelegenen Region Loya Paltiya operieren Schmuggelnetzwerke fr Hartholz, die zwar einen kleineren Umfang haben als der Opiumhandel, orga-nisatorisch aber ebenfalls Kartelle sind. Die Himalayazeder ist der wichtigste Hartholz-typ (jedoch nicht der einzige), der erst nach Westpakistan und dann ber Karachi auf den Weltmarkt geschmuggelt wird.5

    6 Afghanistan Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan 7Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan Afghanistan

  • Gemeinschaft eine wichtige Rolle, insbe-sondere dabei, verlssliche Informationen ber die Ressourcen und die relative poli-tische Strke der wichtigsten Beteiligten zu beschaffen und weiterzugeben, um die Tu-schung und um unzureichende Informati-onen zurckzudrngen, die beide Motoren des Brgerkriegs sind.

    Die bergangsphase ist fr Afghanis-tan ein besonders sensibler Abschnitt. Die ISAF-Lnder sind mit dem Abzug von Sol-daten, Frdergeldern und Experten schon weit fortgeschritten, und innerhalb wie auerhalb Afghanistans gibt es eine spr-bare Unsicherheit, was die Zukunft des Lan-des betrifft. Deshalb ist es wichtig, dass der begrenzte verbleibende Einfluss der interna-tionalen Gemeinschaft in Afghanistan dafr eingesetzt wird, die haltbarste und dauer-hafteste politische Einigung zu erzielen, die zu erreichen ist; und ein Schlsselelement einer solchen Vereinbarung wird die Ver-teilung und die Handhabung von Afghanis-tans zahlreichen natrlichen Ressourcen sein. Davon hngen die Perspektiven fr die Afghanen von heute und fr die knftigen afghanischen Generationen ab.

    Weiterfhrende Literatur

    Barfield, Thomas. 2010. Afghanistan: A cultural and political history. Prince- ton, NJ: Princeton University Press. Giustozzi, Antonio. 2009. Empires of mud: War and warlords of Afghani-stan. New York: Columbia University Press. Sexton, Renard. 2012. National ressources and conflict in Afghanistan: Seven case studies, major trends and implications for the transition. Afghanistan Watch, Kabul: Afghanistan. http: / / www.watchafghanistan.org / files / Natural_Resources_and_ Conflict_in_Afghanistan / Natural_ Resources_and_Conflict_in_ Afghanistan_Full_Report_English.pdf.

    wrden. Es scheint also ein praktikabler, wenn auch unglcklicher Handel zu sein, einige Fortschritte zu opfern, um nicht den Gesamtfortschritt zu gefhrden.

    Neben dem Bergbau erfordert auch der Wassersektor ernsthafte und grundlegende berlegungen. Die oberste Prioritt besteht darin, internationale Vereinbarungen und Vertrge zwischen Afghanistan und Iran, Afghanistan und Pakistan und Afghanistan und seinen zentralasiatischen Nachbarn auszuhandeln. Afghanistan hat als flussauf-wrts gelegener Anrainer aller seiner groen Wasserwege eine privilegierte Position, und das sollte finanzielle und andere Vorteile fr das afghanische Volk bringen. Kleine und groe Staudmme ermglichen es, Elektri-zitt zu produzieren und die Bewsserung besser zu steuern. Selbst schon die Andro-hung eines Staudammbaus sollte Afgha-nistans Nachbarn hinreichend berzeugen, um die Afghanen mit Ausgleichszahlungen fr entgangene Einnahmen und andere Vor-teile zu entschdigen, die ein Staudamm gebracht htte.

    Was das Land angeht stdtischer Bo- den ebenso wie Bauernland , so sind meis-tens politische berlegungen dafr ma-geblich, wie Entscheidungen getroffen und Regelungen vereinbart werden. Wichtig wre es, bestimmte Elemente der Vergabe von Rechtsansprchen auf Land und der Umverteilung in den Rahmen grerer politischer Vereinbarungen zu stellen. His-torische Konflikte zwischen ethnischen und politischen Gruppen haben dazu gefhrt, dass das Thema Boden ein unzureichend geregeltes ist das sehr viel Sprengkraft ent-hlt und im Normalfall von Politikern aus-geschlachtet wird, um kurzfristig Punkte zu sammeln. Fr die verhandelnden Par-teien wre es jedoch wichtig, im Interesse von Frieden und langfristiger Stabilitt die Reformen bei Weideland, bei stdtischem Boden und bei Ackerland so zu handhaben, dass es zu einer dauerhaften politischen Regelung kommt.

    Abschlieend lsst sich sagen, dass die Fragen, die mit den natrlichen Ressourcen Afghanistans zusammenhngen, grund-stzlich politischer Natur sind. Obwohl es wichtige technologische Anstze und Mg-lichkeiten zur Verbesserung gibt, werden die Probleme des Umgangs mit den natr-lichen Ressourcen nur durch politische Ver-handlungen gelst werden knnen, die in glaubwrdige gegenseitige Verpflichtungen zwischen den beteiligten Parteien mnden. In diesem Prozess spielt die internationale

    1 Mehr darber bei Renard Sexton 2012: Fallstudie 2.2 Ebd., Fallstudie 3.3 Ebd., Fallstudie 6.4 Ebd., Fallstudie 5. 5 Ebd., Fallstudie 7.

    Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan?Ein Interview mit Mussa Mahmoodi

    Neelab Hakim

    Infolge der Erkundung von Afghanistans reichhaltigen Bodenschtzen blhen einerseits die Hoffnungen, eine Quelle profitabler Einkommen entdeckt zu haben; andererseits wachsen aber auch die Befrchtungen vor mngelbehafteten Berg- bauvertrgen, die die Bedrfnisse der Gemeinschaften vor Ort nicht bercksichtigen, und vor einer Beschdigung des kulturellen Erbes durch die Frdersttten. Aktivisten der Zivilgesellschaft haben die Beteiligung der Brger am Prozess der Beurteilung und Autorisierung von Projekten in ihrer Nachbarschaft gefordert. Die Frage von Entschdigungen und Neuansiedlungen fr Familien, die infolge von Bergbauprojekten ihr Land verlieren, ist ausfhrlich diskutiert worden, aber bei der Durchfhrung mangelt es bisher vor allem an Transparenz. Neelab Hakim, Programmkoordinatorin der Heinrich-Bll-Stiftung in Afghanistan, hat mit Mussa Mahmoodi gesprochen, einem zivilgesellschaftlichen Aktivisten aus der Provinz Logar, in der er sich fr die Verbesserung der Transparenz von Bergbau- kontrakten und die Beteiligung der Brger vor Ort eingesetzt hat.

    Neelab Hakim: Es hat eine Menge Diskussionen ber die Entschdigung fr die Umsiedlung lokaler Gemeinschaften in der Provinz Logar gegeben. Wie sieht diese Entschdigung in der Realitt aus?

    Mussa Mahmoodi: Ich habe mit vielen Menschen in der Bergbaure-gion gesprochen. Sie haben mir erzhlt, dass sie bei der Entscheidung ber den Abschluss des Bergbauvertrags weder gehrt noch direkt ber die Entschdigung informiert worden seien. Sie haben erst aus den Medien erfahren, dass der Vertrag unterzeichnet worden sei und dass fr die Umsiedlung der Gemeinde von der Regierung Entschdi-gungen gezahlt wrden.

    In Wirklichkeit sind aber diese Entschdigungen bis heute nicht mehr als ein Versprechen der Regierung. Whrend die Medien ein freundliches Bild malen, sind die betroffenen Gemeinschaften nicht angemessen abgefunden worden. Nur etwa ein Drittel der Betroffenen hat fr sein Land und Eigentum etwas Geld erhalten, die geleisteten Abfindungssummen liegen aber weit unter dem aktuellen afghani-schen Marktwert und helfen den Menschen nicht. Auerdem waren einige der Geldempfnger Leute mit Macht und Einfluss in der Region, so dass man untersuchen muss, ob diese Zahlungen berhaupt gerechtfertigt waren.

    Meiner Meinung nach ist es nicht genug, wenn die Regierung nur den Geldwert von Eigentum und Land entschdigt. Der Blick muss weit ber die materiellen Folgen hinausgehen. Was ist mit den sozia-

    Mussa Mahmoodi ist ein zivil-gesellschaftlicher Aktivist aus der Provinz Logar in Afghanistan. Derzeit ist er Vorsitzender der Logar Civil Society Association, einer Dachorganisation mit zehn zivilgesellschaftlichen Mitglieds- organisationen. Er macht ein Fernstudium in Jura und Politik- wissenschaften an der Islamic University of Pakistan. Von 2003 bis 2012 war Mahmoodi Vorsitzender der Logar Youth Association.

    Seit 2009 arbeitet Neelab Hakim als Programmkoordinatorin der Heinrich-Bll-Stiftung Afghanistan in den Bereichen kologie und Public Relations. Seit 2012 ist Frau Hakim fr das kologie-Programm der Heinrich-Bll-Stiftung Afgha-nistan zustndig und kooperiert verstrkt mit dem Civil Society Monitoring Network zum Thema natrliche Ressourcen.

    8 Afghanistan Gefahrenzone: Die Politik der natrlichen Ressourcen in Afghanistan 9Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan? Afghanistan

  • len Aspekten und den Folgen fr die Umwelt beim Bergbau? Wie kn-nen die kompensiert werden?

    Die sozialen Auswirkungen der Umsiedlungen auf die rtliche Bevlkerung sind vielfltig. Die Menschen verlieren nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Verbundenheit mit der Region. Sie verlieren Weide-land fr ihre Tiere und ihre gesamten Lebensgrundlagen. Diese Men-schen haben seit Generationen in der Region gelebt. Ihre Vorfahren sind dort begraben worden. Das ist fr diese Menschen sehr wichtig.

    Die Auswirkungen des Bergbaus in Logar werden fr die Umwelt erheblich sein, wenn man es nicht von vornherein richtig angeht. Unsere Hauptsorge ist, dass die Produktionsabflle des Bergbaus den Fluss Logar verschmutzen werden, der mit dem Kabul verbunden ist und auch durch die Provinzen Laghman und Nangahar fliet. Im Fall eines verseuchten Logar wrden die negativen Folgen fr Gesundheit und Lebensgrundlagen auch viele andere Provinzen betreffen. Es knnte auch negative Effekte fr die beiden groen Dmme von Dar-onta und Sorobi und fr das Wasserkraftsystem in Logar geben.

    uern die Brger in Logar ihre Befrchtungen, und gibt es vor Ort funktionsfhige Ablufe, um auf diese Klagen zu reagieren?

    Die Heinrich-Bll-Stiftung in Kabul hat vor kurzem ein Programm zur Schrfung des Umweltbewusstseins in Logar aufgelegt, an dem Mitglieder des rtlichen Rats, Frauen und Jugendliche beteiligt sind. Sie koordinieren und sammeln jetzt die Klagen der ffentlichkeit bezglich der Folgen des Bergbaus in der Region und leiten sie an das Bergbauministerium, das Parlament und den afghanischen Prsiden-ten weiter. Das ist eine vielversprechende Initiative, weil den betrof-fenen Gemeinden schon Ausgleichszahlungen angeboten worden sind hoffentlich werden sie auch geleistet.

    Vorher gab es keinen wirklich gangbaren Weg fr die ffentlichkeit, ihre Sorgen und Befrchtungen zu uern. Natrlich konnte man Briefe schreiben, aber das erwies sich als ebenso zeitraubend wie ineffektiv.

    Welche positiven Auswirkungen des Bergbaus erwarten Sie langfristig fr die Gemeinden in Logar?

    Meiner Ansicht nach wird der wichtigste positive Effekt des Berg-baus in Logar in der Schaffung neuer Arbeitspltze fr die rtliche Bevlkerung bestehen. Der Bergbau birgt natrlich auch ein groes Potenzial fr Afghanistan auf dem Weg zur wirtschaftlichen Selb-stndigkeit. Die konomischen Chancen liegen auf der Hand, aber die Einknfte aus dem Bergbau mssen entsprechend in die Ent-wicklung der Infrastruktur in Afghanistan investiert werden, also Straen, Wasserversorgung, Elektrizittsnetze, Telekommunikation und Bahnverbindungen.

    Leider haben die Menschen hier bisher noch nicht so direkt vom Bergbau profitiert, um allzu optimistisch zu sein. Anfangs waren die Hoffnungen sehr gro, dass die Bewohner von Logar unmittelbar von den neuen Jobmglichkeiten profitieren wrden. Ein Parlamen-tarier hatte sogar ffentlich verkndet, dass wenigstens 70 Prozent der neu geschaffenen Arbeitspltze fr die Menschen aus Logar reserviert wrden. Dieses Versprechen ist bisher nicht eingelst wor-den. Da die Brger von Logar direkt von den Entwicklungen betrof-fen sind, msste ihnen ein fester Anteil zustehen, so dass sie unter den neuen Umstnden ihren Lebensstandard sichern und sogar ver-bessern knnten.

    Es gibt auch Beschwerden darber, dass der Konsultationsprozess fr den Kupferabbau bei Mez Aynak nicht transparent verlaufen sei, da die rtliche Bevlkerung zuvor nicht gefragt wurde. Solange sich die Regierung von solchem intransparenten Vorgehen nicht distanziert, werden die Menschen gegenber diesen Projekten skeptisch und misstrauisch bleiben.

    Die Bewohner von Logar frchten auch den potenziell negativen Einfluss, den Geheimdienste aus Afghanistans Nachbarlndern auf die Sicherheitslage in der Gegend der Bergbauprojekte haben knn-ten. Nach Berichten der Einheimischen war die Gegend um Logar vor dem Beginn des Bergbaus verhltnismig friedlich, whrend sie heute als eine der unsichersten Provinzen Afghanistans bewertet wird. Alle diese Aspekte tragen zu einer negativen Einstellung der Leute gegenber neuen Bergbauprojekten bei.

    Was sind die Begleiterscheinungen chinesischer Investitionen in Afghanistan?

    Diese Frage betrifft nicht allein die Afghanen Bergbaukontrakte mit der chinesischen Gesellschaft Metallurgical Corporation China (MCC) sind ja tatschlich in vielen Lndern abgeschlossen worden. Afghanis-tan schtzt und begrt Investitionen aus dem Ausland, auch chine-sische, aber die Menschen kritisieren die mangelnde Transparenz der Vertrge und die fehlende Rechenschaft gegenber der ffentlichkeit.

    Wenn Vertrge gemacht werden, die unklar bleiben oder sich als mangelhaft herausstellen, werden wir viele Probleme bekommen. Es gibt inzwischen zum Beispiel deutliche Hinweise darauf, dass im Ver-trag mit MCC nicht alle Ressourcen genannt wurden, so etwa Gold. Mit tiefer Sorge erfllt mich auch die Frage, was mit den historischen Orten geschehen wird, die bei Mez Aynak entdeckt worden sind und zu den wichtigsten Ausgrabungssttten Afghanistans gehren.

    Bei Aynak liegen alte buddhistische Sttten, berreste und Zeug-nisse der Rolle, die diese Gegend als Transitroute fr die Ausbrei-tung des Buddhismus nach Zentralasien und China vor 2000 Jahren gespielt hat. Aynak wurde schon in den 1960er Jahren als archologi-sche Sttte definiert, aber erst ab 2004 hat ein Team vom Afghanischen Institut fr Archologie das Terrain genauer sondiert. Wenigstens drei der Orte liegen innerhalb des Gebiets der geplanten Bergbauarbeiten oder unmittelbar angrenzend, und diese drei Sttten beherbergen immerhin sechs Klster und zahllose Artefakte. Deshalb machen wir uns groe Sorgen, dass die neuen chinesischen Investitionen einen Teil unseres kulturellen Erbes gefhrden knnten.

    Wie wird die Sicherheitslage in Mez Aynak durch den Ressourcenabbau berhrt?

    Wie ich schon sagte, wird der Krieg in Afghanistan meiner Einscht-zung nach durch die Geheimdienste Pakistans und des Irans ange-kurbelt, die Afghanistan nicht gern selbstndig und wirtschaftlich stabil sehen wrden. Es gibt klare Hinweise darauf, dass sie Afgha-nistans Scheitern in der Wiederaufbauphase wnschen. Leider ist der Punkt Bergbau ein Garant fr Konflikte, und das trifft jetzt auch fr die Provinz Bamyan zu. Bamyan gehrte bis vor zwei Jahren zu den sichereren Provinzen, aber seitdem der Abbau der Eisenerzlager am Hajigak-Pass begonnen hat, hat sich die Sicherheitslage verschlech-tert. Im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel mehrere Enthauptun-gen von Vertretern des Provinzrats, und hnliche Vorflle hat es auch in Logar gegeben, nachdem Mez Aynak mit seinem Ressourcenreich-tum in den Blickpunkt der Weltffentlichkeit gerckt war.

    10 Afghanistan Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan? 11Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan? Afghanistan

  • Panj

    Kunar

    Kabul

    Helmand

    Arghandab

    Harirod

    KunduzMazar-e Sharif

    Aynak KupfermineLOGAR

    TURKMENISTAN

    USBEKISTAN TADSCHIKISTAN

    PAKISTAN

    IRAN

    Hajigak EisenerzmineSalma Damm

    Kandahar

    AFGHANISTAN

    KABUL

    LOGAR

    Bevor der Ressourcenabbau begann, wurden da Einschtzungen der sozialen Folgen und der Folgen fr die Umwelt vorgenommen? Und wie wurde die rtliche Bevlkerung in diesen Prozess einbezogen?

    Tatschlich wurden weder die Brger von Logar noch irgendwelche zivilgesellschaftliche Gruppen an irgendwelchen Einschtzungen beteiligt, bevor der Vertrag unterzeichnet wurde. Selbst die Bezirks- und Provinzrte wurden ber den Vertrag nicht vorher informiert wir alle haben davon erst aus den Medien erfahren.

    2009 wurde eine kologische Einschtzung vorgenommen, die aber von der Nationalen Umweltschutzbehrde nicht akzeptiert wurde, weil es Differenzen um die geeigneten Manahmen zur Risi-kominderung und um den Managementplan gab.

    Ich arbeite seit 2004 als Aktivist der Zivilgesellschaft in Logar, aber erst vor kurzem wurde ich in die Afghanistans Extractive Industries Transparency Initiative eingefhrt, die eine effiziente und effektive Verwendung der Einknfte aus dem Ressourcenabbau ermglichen und frdern soll. Die Heinrich-Bll-Stiftung in Kabul bietet eine wich-tige Plattform, auf der sich zivilgesellschaftliche Gruppen treffen und regelmig Erfahrungen austauschen knnen. Dieses Aktivistennetz-werk stellt eine sehr positive Entwicklung dar zusammen sind wir hoffentlich in der Lage, unsere Reichweite zu vergrern und das Bewusstsein zu schrfen fr die Risiken, die mit dem Bergbau in unse-rem immer noch sehr fragilen Land verbunden sind.

    Die Provinz Logar, sdlich von Kabul gelegen, grenzt an die Provinzen Nangarhar, Paktia, Kabul, Wardak und Ghazni. Die Gesamtflche von 3 955 km2 besteht zu mehr als einem Drittel (37 Prozent) aus gebirgigem bzw. hgeligem Gelnde, 58 Prozent der Flche sind Ebenen. In Logar leben 322 704 Menschen in 44 209 Haushalten (durchschnittlich acht Personen pro Haushalt). Logar ist landwirtschaftlich geprgt, verfgt jedoch ber reiche Rohstoffvorkommen, z. B. Kupfer und Chromit. An Industrieanlagen gibt es in der Provinz lediglich eine Textilfabrik sowie die Kupfermine Aynak. Der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeug-nissen, Gewerbe und Dienstleistungen charakterisieren die Wirtschaft der Provinz. Die Verkehrsinfrastruktur in Logar ist gut entwickelt: 78 Prozent der Straen sind ganzjhrig befahrbar, 17 Prozent in einigen Jahreszeiten. Auf 5 Prozent der Flche der Provinz gibt es berhaupt keine Straen. Der Hauptverkehrsweg durch Logar verbindet Kabul und Zentralafghanistan mit der Grenzregion Quetta.1

    Das Kupferprojekt Aynak umfasst die Erschlieung einer Kupfermine in der Provinz Logar und den Transport des Raffinadekupfers zu Exportzwecken nach Torkham an der Grenze zu Pakistan.2

    Projektentwickler ist die MCC-JCL Aynak Minerals Company Ltd. (MJAM), ein Konsortium aus der China Metallurgical Group Corp. (70 Prozent des Kapitals) und der Jiangxi Copper Company Ltd. (25 Prozent). Die MJAM hlt die alleinigen Schrfrechte in Aynak.3

    Schtzungen zufolge werden die beiden grten Minen des Landes, die Kupfermine Aynak und die Eisenerzmine Hajigak, bis 2031 durchschnittliche 900 Mio. USD pro Jahr generieren.4

    Der Wert der Kupfermine Aynak wird auf 43 Mrd. USD geschtzt, der der Mine Hajigak auf 350 Mrd. USD.5 Kupfer enthlt zwar Gold, allerdings in so kleinen Mengen, dass die Goldgewinnung wenig ertragreich ist.

    ber Erlse in Hhe von 541 Mio. USD pro Jahr ab 2016 fr den afghanischen Staat hinaus knnte die Mine Aynak 5 000 Arbeitspltze fr Einheimische schaffen, sowohl im Bergbau als auch bei Bau und Instandhaltung von Eisenbahnlinien und Wasserversorgung.6

    Ahmad Samim Hoshmand arbeitet derzeit als Berater fr kologi- sche Fragen fr die Heinrich-Bll-Stiftung in Afghanistan. 2012 graduierte er an der Kabul Universitt im Bereich Environ- mental Protection and Disaster Management. Seit 2010 hat Herr Hoshmand in verschiedenen Regierungs- und Nichtregierungs- organisationen gearbeitet, darunter Afghanistan Investment Supporter Agency, Green Club Afghanistan und The Union of Afghanistan Youth.

    Zahlen und Fakten zur Kupfermine AynakSamim Hoshmand

    12 Afghanistan Ressourcenabbau als Gefahr fr die Sicherheitslage in Afghanistan? 13Zahlen und Fakten zur Kupfermine Aynak Afghanistan

  • Schtzungen zufolge wird der Gesamtwasserverbrauch des Projekts bei tglich 584 000 m3 in den ersten 16 Jahren liegen, danach bei 573 000 m3 tglich.7 Angemessenes Umweltmanagement ist unbedingt erforderlich, da sonst nicht nur Logar, sondern auch Kabul und die umliegenden Gebiete aufgrund fallender Grundwasserspiegel von Wasserknappheit bedroht sind.

    Laut den aufgezeichneten Interviews hat die afghanische Regierung 300 000 Afghani (5 500 USD) fr den Kauf von 2 000 km2 Land gezahlt.8

    Das Bergbauministerium in Afghanistan wird insgesamt etwa 4,5 Mio. USD fr Umsiedlung und Entwicklungsprojekte (Bau von Straen, Schulen, Moscheen, Wasser-versorgung, Parks) fr die Bevlkerung in Aynak ausgeben. Das Projekt startete 2011 und ist auf mehrere Jahre ausgelegt.9

    Das allgemeine Budget fr die Erhaltung der archologischen Sttten liegt bei ca. 14 Mio. USD, davon trgt die Weltbank 6 Mio. USD, der Rest kommt aus dem Entwicklungsbudget des Bergbauministeriums.10

    In Aynak sind 2 000 Jahre alte buddhistische Siedlungen zu finden, die aus der Zeit stammen, als der Buddhismus ber Aynak nach Zentralasien und China verbreitet wurde. Die archologischen Sttten wurden bereits in den 1960er Jahren entdeckt, die ersten Grabungen durch ein Team des Afghanischen Instituts fr Archologie begannen allerdings erst 2004. Mindestends drei Sttten, einschlielich sechs Klster und zahlreiche Artefakte, wurden innerhalb oder in unmittelbarer Nhe des Bergbau- gebiets gefunden. Der Aynak-Vertrag enthlt keinerlei Bestimmungen hinsichtlich mglicher archologischer Funde und laut China Daily war dem Konsortium bei Vertragsunterzeichnung die archologische Bedeutung des Gebiets nicht bekannt.11

    Krieg um Wasser?Der Indus-Wasservertrag von 1960

    Britta Petersen

    Indien und Pakistan gelingt es trotz aller Feindschaft , seit mehr als 50 Jahren durch den Indus-Wasservertrag zumindest an dieser Front Frieden zu halten

    Islamabad. Der Ravi-Fluss, der auch als River of Lahore bekannt ist, liegt die meiste Zeit des Jahres trocken. Wenn man die Menschen in der zweitgrten Stadt Pakistans danach fragt, zucken sie resigniert mit den Schultern und sagen: Die Inder stehlen unser Wasser.

    Das ist wie jede einfache Erklrung nicht ganz falsch. Aber die Wirklichkeit ist um einiges komplizierter. Tatsache ist, dass Indien das Recht hat, das Wasser des Ravi zu nutzen und Pakistan dem sogar zugestimmt hat. 1960 wurde durch Vermittlung der Weltbank der sogenannte Indus-Wasservertrag (IWT) abgeschlossen, der bis heute trotz mancherlei Anfeindung Bestand hat.

    Nach der blutigen Teilung Britisch-Indiens 1947, der die Vertreibung von Millionen von Menschen vorausging, mussten der neue Staat Pakistan und Indien einen Weg finden, die sechs Flsse des Indus-Wassersystems, die durch beide Staaten laufen, untereinander aufzuteilen. Eine schwierige Aufgabe, da all diese Flsse im indischen Himalaya entsprin-gen und Indien daher theoretisch die Mglichkeit htte, Pakistan mehr oder weniger tro-ckenzulegen. Fr zwei verfeindete Nationen, die bereits drei Kriege miteinander gefhrt haben, ist dies kein kleines Problem. Spter kamen Atomwaffen hinzu und haben es nicht leichter gemacht.

    Doch der Indus-Wasservertrag hat eine klare Regelung gefunden: Pakistan erhielt das Nutzungsrecht fr die drei westlichen, besonders wasserreichen Flsse Indus, Jhelum und Chenab, whrend Indien es fr die stlich liegenden Flsse Ravi, Beas und Satluj bekam. Aufgrund der intensiven Wassernutzung durch Indien sind die durch pakista-nisches Gebiet fhrenden Unterlufe dieser Flsse seitdem trockengefallen. Pakistan bekam finanzielle Hilfe zugesprochen, ihnen mittels Umleitungen und Kanlen wieder Wasser zuzufhren. International wird der IWT daher als erfolgreiches Beispiel der Kon-fliktlsung betrachtet.

    Dennoch gert der Indus-Wasservertrag aus verschiedenen politischen Richtungen immer wieder unter Druck. Die aufstrebende Wirtschaftsnation Indien ist energiehung-rig, und verschiedene Groprojekte zur Nutzung der Wasserkraft sind Teil der indischen Energiestrategie. Sie werden von Pakistan misstrauisch beobachtet. Der Klimawandel hat die Wasserprobleme in Sdasien noch verschrft. Extreme Wetterbedingungen wie starke Fluten, Strme und langanhaltende Drren haben in den vergangenen Jahren messbar zugenommen. Populisten, vor allem in Pakistan, rufen daher immer fter nach einer Neuverhandlung des Vertrages.

    Wir fragten je einen Experten aus Indien und Pakistan nach seiner Sicht zum Indus-Wasservertrag. Die Antworten sind sich beruhigend hnlich: Der Vertrag ist eine gute Basis, aber weitere vertrauensbildende Manahmen sind in Zukunft ntig.

    1 Siehe: http: / /www.foodsecurityatlas.org / afg / country / provincial-Profile / Logar (aufgerufen am 4. April 2013) und http: / / www.unesco.org / new / en / kabul / about-this-office / singleview / news / archaeology_in_logar_province_ mes_aynak / (aufgerufen am 4. April 2013).

    2 Hidayat Hassan, Background Information Document The Environmental and Social Impact Assessment of the Aynak Copper Project, April 2012, S. 1 ff.

    3 Ebd.4 Aynak Bottomed, Global Witness, Oktober 2012.5 Ebd.6 Ebd.7 Environment and Social Impact Assessment of Aynak Copper Mine, Screening Report, 2009.8 Mine Magazine 10 (Januar 2011), S. 1719.9 Weitere Informationen zu den Kupfervorkommen um Aynak unter http: / / www.mom.gov.10 Mine Magazine 10 (Januar 2011), S. 1719.11 Copper Bottomed? Bolstering the Aynak Contract: Afghanistans First Major Mining Deal, Global Witness,

    November 2012.

    Britta Petersen ist seit 2010 Leiterin des Pakistan-Bros der Heinrich-Bll-Stiftung. Davor war sie Korrespondentin der Financial Times Deutschland fr Sdasien in Neu-Delhi. Als Grnderin der Initiative Freie Presse Afgha-nistan e.V. in Kabul gewann sie 2005 den Leipziger Preis fr die Freiheit und Zukunft der Medien und 2009 den Gisela-Bonn-Preis des Indian Council for Cultural Relations fr ihren Beitrag zur Frderung der deutsch-indischen Freundschaft.

    Archologen in der buddhistischen Ausgrabungssttte in Mez Aynak.

    14 Afghanistan Zahlen und Fakten zur Kupfermine Aynak 15Krieg um Wasser? Pakistan / Indien

    Jerome Starkey / flickr.com / 05.06.2013

  • Feisal H. Naqvi ist Rechtsexperte und als einer der Anwlte der pakistanischen Regierung an den Verhandlungen zum Indus-Was-servertrag beteiligt. Naqvi verfgt ber langjhrige Erfahrung als Rechtsberater der pakistanischen Regierung. Seit 1998 ist er verantwortlich fr Handels- und Verfassungsrechtsstreitigkeiten. 2009, 2010 und 2011 wurde er von Chambers & Partners als einer der fhrenden Prozess- und Firmenanwlte in Pakistan aus-gezeichnet. 2009 verpflichtete er sich als Anwalt fr den Obersten Gerichtshof in Pakistan.

    Lasst den Vertrag, wie er ist!Ein pakistanischer Blick auf den Indus-Wasservertrag

    Feisal H. Naqvi

    Dieser Sachverhalt zeigt vor allem eines ganz deutlich: Pakistan und Indien befinden sich schon seit ihrem Entstehen im Kon-fliktzustand und haben, wie die Geschichte des Subkontinents zeigt, seitdem nicht aufgehrt, miteinander zu rangeln. Wasser war von Anfang an ein natrlicher Gegen-stand dieser Rangeleien und entwickelte auerdem das Potenzial zu noch gre-ren Zwistigkeiten. Trotz dieser schlechten Vorzeichen haben Pakistan und Indien es geschafft, die etwas mehr als 50 Jahre seit der Unterzeichnung des Indus-Wasserver-trags (Indus Water Treaty) im Jahr 1960 rela-tiv friedlich zu gestalten.

    Der Grund fr diesen relativen Frieden im zurckliegenden halben Jahrhundert liegt darin, dass der Vertrag klugerweise Klarheit ber alles andere stellte. Um es genauer zu sagen: Der ursprngliche Entwurf fr den Kontrakt ging von einer gemeinsamen Kontrolle ber das gesamte Indusbecken aus. Dieser Vorschlag wurde jedoch verworfen, weil nicht nur Indien und Pakistan, sondern auch die bei den Verhandlungen vermittelnde Weltbank deutlich erkannten, dass jede Regelung, die auf fortgesetztes Einverstndnis setzte, zum Scheitern verurteilt war. Aus diesem Grund legt der Vertrag sehr deutlich fest, dass das Wasser der drei stlichen Flsse Indien gehrt und Indien damit verfahren kann, wie es will. Er legt auch fest, dass das Wasser der drei westlichen Flsse Pakistan gehrt und Indien es ohne Einschrnkungen flie-en lassen muss (mit jenen begrenzten und exakt definierten Ausnahmen, die im Ver-trag selbst niedergelegt sind).

    Doch wenn der Vertrag so gut funkti-oniert hat, warum gert er dann zuneh-mend unter Kritik? Die knappe Antwort auf

    diese Frage lautet, dass diejenigen, die den Vertrag kritisieren, dies entweder aus fehl-geleitetem Idealismus tun oder aber aus bewusstem Zynismus.

    In Pakistan knnen die Reihen der Ide-alisten noch genauer definiert werden. Auf der einen Seite finden wir jene unbeschwer-ten Optimisten, die davon berzeugt sind, dass es bessere Ergebnisse zeitigte, wrde der Vertrag durch ein Abkommen ber Kooperation ersetzt werden. Auf der ande-ren Seite gibt es immer noch einige Verbit-terte, die emprt darber sind, dass Pakistan die Rechte an der Hlfte seiner Flsse im Indusbecken abgetreten hat. Beide Grup-pen irren sich ganz gewaltig. Die Optimis-ten tun es, weil sie keine Vorstellung von den Leidenschaften haben, die die indisch-pakistanischen Beziehungen bestimmen, und von dem Ausma, in dem jeder Ansatz wissenschaftlicher Rationalitt durch Nati-onalismus fortgeschwemmt werden kann. Ihre Sicht der Dinge ist im Gegenteil das ide-ale Drehbuch fr den bekannten Weg in die Hlle, der mit guten Vorstzen gepflastert ist. Die Fanatiker dagegen irren ebenfalls, weil sie ignorieren, dass Pakistan mit dem Vertrag de facto ein gutes Geschft gemacht hat: Pakistan hat zwar nur die Kontrolle ber drei Flsse zugestanden bekommen, aber diese Flsse fhren 75 bis 80 Prozent des gesamten Wasserflusses im Indusbecken.

    Die einfache Schlussfolgerung in Hin-blick auf den Vertrag ist, dass wir ihn lassen sollten, wie er ist. Sicher hat es ein paar kleine Streitigkeiten ber seine Interpreta-tion gegeben, doch diese Streitigkeiten wer-den vertragsintern und nach den im Vertrag niedergelegten Regeln geklrt. Man sollte auerdem beachten, dass Wasserfragen zu den sehr wenigen Bereichen gehren,

    bei denen Indien verbindlichen und unab-hngigen Konfliktregelungsmechanismen zugestimmt hat. Wenn Pakistan die Gren-zen des Vertrags berschreiten oder seine Rechte erweitern mchte, welche Macht knnte Indien zwingen, seinen Wnschen zu folgen? Pakistan hat mit Sicherheit weder die wirtschaftliche noch die mili-trische Strke, um Indien seinen Willen aufzuzwingen. Warum also sollte Indien zustimmen, den Vertrag zu Pakistans Guns-ten zu ergnzen?

    Ein genauerer Blick auf die Streitigkei-ten, die im Rahmen des Vertrages entstan-den sind, zeigt ebenfalls keinen Anlass dafr, ihn zu revidieren oder zu berprfen. Der einzige Disput im Rahmen des Kontrak-tes, der bisher entschieden werden musste, war derjenige ber die Baglihar-Talsperre.1 Ungeachtet dessen, welche Gefhle die Entscheidung bei Pakistan ausgelst hat, ist der Fall nun entschieden und der Dis-put beendet. Man kann ber das Urteil der neutralen Experten debattieren, bis zu welchem Ausma Indien die Wasserspiegel absenken darf, und das wird jetzt vor einem siebenkpfigem Schiedsgericht verhandelt. Was auch immer Pakistan oder Indien ber diese Frage denken: Fakt ist, dass das fr spter im Jahr erwartete Urteil des Stn-digen Schiedshofes in Den Haag in Bezug auf das Kishanganga-Projekt2 die Sache so oder so endgltig entscheiden wird. Auch alle anderen Streitfragen sind ausnahmslos Einzelflle, die in eine endgltige Lsung mnden werden. Der andere Teil des Kis-hanganga-Disputs betrifft zum Beispiel die Frage einer Abzweigung, die anderswo so einfach nicht auftreten kann. hnlich wird auch eine Entscheidung ber Wular Barrage3 eine schwelende Wunde in den

    Zan, zar, zameen. Gem der Tradition des Punjab sind diese drei Frauen, Gold und Land die drei wichtigsten Motive fr Zwietracht und Streit. Diese Aufzhlung ist jedoch nicht komplett, da sie nicht das Wasser erwhnt. Und in den Ebenen des indisch-pakistanischen Subkontinents bedeutet Wasser, wie auch anderswo, Leben.

    Ganze Lnder kmpfen ebenso um Wasser wie einzelne Menschen, und der Grund dafr ist, dass Wasser wenigstens unter dem konsumtiven Aspekt eine Nullsummenressource ist: Entweder du nutzt es oder ich tue es. Die Kmpfe, die 1947 mit der Teilung des ehemaligen Bri-tisch-Indien in Indien und Pakistan ein-hergingen, sind bestens bekannt: Mehr als eine Million Menschen starben, und zehn Millionen verloren ihre Heimat. Weniger bekannt ist, dass die Briten grundlegend dabei versagten, langfristige Regelungen jeglicher Art fr die Wasserversorgung nach der Teilung zu treffen. Direkte Folge dessen war, dass Indien die Bereitstellung von Wasser fr Pakistan am 1. April 1948 drosselte und sofort der Krisenzustand auf dem Subkontinent verhngt wurde.

    Kurzfristig wurde die Krise einge-dmmt. Langfristig aber machte sie Paki-stan klar, dass nicht nur das knftige Wachstum des Landes entscheidend von der kontinuierlichen Wasserversorgung abhing, sondern dass diese weitere Versor-gung ihrerseits von den Stimmungen und Launen Indiens bestimmt war. Die durch diese Sachlage entstandene Spannung war so deutlich sprbar, dass David Lillienthal, als er 1951 den Subkontinent besuchte, das Wasserproblem als eine der zu lsenden Schlsselfragen definierte, wenn in der Region Frieden einkehren sollte.

    16 Pakistan / Indien Lasst den Vertrag, wie er ist! 17Lasst den Vertrag, wie er ist! Pakistan / Indien

  • TIBET

    Jhelum

    Chenab

    Beas

    NEU-DELHI

    Indus

    Ravi

    Satluj

    ISLAMABAD

    Lahore

    Srinagar

    Karachi

    CHINA

    INDIEN

    PAKISTAN

    AFGHANISTAN

    ARAB I S C H E S

    MEER

    Indisch

    e Grenzzieh

    ung

    Chinesische Grenzziehung

    Landesgrenzen

    Provinzgrenzen

    Line of Control

    Diese Karte wurde frdie hbs erstellt.Sie basiert nicht

    auf Angaben des Autors.

    Indus

    JAMMU

    UND

    KASHMIR

    JAMMU

    UND

    KASHMIR

    Der Indus-Wasservertrag wird international als ein Beispiel erfolgreicher Konfliktlsung zwischen zwei Lndern angesehen, die andernfalls in ihrem wechselseitigen Anta- gonismus verharrt htten. Diese positive Einschtzung des Vertrages wird im Groen und Ganzen sowohl in Indien wie auch in Pakistan geteilt, doch in beiden Lndern gibt es ein gewisses Ma an Unzufrieden-heit, welche die Wasserverteilung laut Ver-trag betrifft. Auerdem war die praktische

    Handhabung des Vertrages durch eine ganze Reihe von Differenzen charakterisiert. Sollen wir ihn nun als Erfolg oder als Fehl-schlag bewerten?

    Der Vertrag hat den Streit um die Ver-teilung des Wassers beigelegt, und er hat es geschafft, vier Kriege zu berleben. In diesem Sinn muss er als Erfolg betrachtet werden. Das Flusssystem in zwei Segmente zu zerlegen war vielleicht nicht die beste Lsung; besser wre es fr beide Lnder gewesen, gemeinsam fr das gesamte Sys-tem eine integrative und ganzheitliche Lsung zu finden. Bedenkt man aber die Umstnde der Teilung und das schwierige Verhltnis zwischen den zwei neu gebilde-ten Staaten, wre der Glaube naiv gewesen, eine solche gemeinsame, integrative und kooperative Problemlsung htte funkti-onieren knnen. Wenn die beste Lsung auer Reichweite liegt, muss man nach der zweitbesten suchen dafr steht der Ver-trag. Dieser Vertrag ist grundstzlich eine bereinkunft auf der Grundlage der Teilung, nicht ein grandioses Instrument zwischen-staatlicher Kooperation. 1947 wurde das Land geteilt, und 1960 folgten die Gewsser.

    Technische Differenzen bei einzelnen Projekten

    Die Verteilung des Wassers wurde geregelt, aber es gab immer Differenzen hinsichtlich bestimmter Punkte bei der Planung und Ausfhrung indischer Projekte an den west-lichen Flssen. Der Vertrag rumt Indien eine begrenzte Nutzung des Wassers dieser Flsse ein, aber diese Nutzung unterliegt ziemlich stringenten technischen Rege-lungen und Vertragsklauseln, um Pakis-

    Ramaswamy R. Iyer arbeitete als Sekretr fr Wasserressourcen in der indischen Regierung. In dieser Funktion war er 1987 wesentlicher Initiator fr Indiens erste nationale Wasserpolitik. Darber hinaus war er intensiv in die Verhandlungen ber Wasser- themen mit Indiens Nachbarln-dern Pakistan und Bangladesch involviert. Zurzeit ist er im Lenkungsausschuss fr Wasser und in der Arbeitsgruppe fr Was-serpolitik sowie als Vorsitzender der Gruppe fr den Entwurf eines nationalen Rahmengesetzes fr Wasser ttig.

    indisch-pakistanischen Beziehungen sein, aber in Hinblick auf die im Vertrag festge-legten Rechte wird das nicht viel ndern.

    Das soll nicht heien, dass es in Bezug auf Fragen der Wasserversorgung keinen Spielraum fr vertrauensbildende Ma-nahmen gebe. Ganz im Gegenteil kann man klar feststellen, dass es dafr Mglichkeiten genug gibt. Indien und Pakistan knnten sich zum Beispiel ohne Weiteres zu einer knftigen Zusammenarbeit bei allen Proble-men im Zusammenhang mit Ablagerungen entschlieen und ein Konzept entwickeln, wie man diese durch verbesserte Umwelt-schutzmanahmen im Oberlauf der Flsse verringern knnte. Es ist jedoch uerst wichtig, dass alle solche Diskussionen ber Zusammenarbeit auf der Grundlage des Ver-trages und im Bemhen um die Ergnzung den Vertrag nicht ersetzen knnen.

    Es gibt die alte Redewendung: Das Bessere ist der Feind des Guten. Alle, die den Vertrag verbessern wollen, sollten sich zunchst bewusst werden, dass sie mit Pro-blemen befasst sind, die auf beiden Seiten der Grenze extrem starke Emotionen her-vorrufen. Sowohl Indien als auch Pakistan haben in den letzten fnf Jahrzehnten von dem Vertrag bestens profitiert, weil durch ihn die Gefahr eines Krieges um Wasser ausgeschlossen wurde. Vielleicht kommt irgendwann der Zeitpunkt, zu dem die ausdrcklichen Schutzmanahmen des Vertrages und die Politik des Gute Zune machen gute Nachbarn, die darin enthal-ten sind, durch einen eher kooperativen Ansatz ersetzt werden knnen. Doch dieser Zeitpunkt ist gewiss nicht heute.

    1 Zu Einzelheiten siehe www.en.wikipedia.org / wiki / Baglihar_Dam (A.d..).

    2 Siehe www.en.wikipedia.org / wiki / Kishanganga_Hydroelectric_Plant (A.d..).

    3 Wular ist ein See in Jammu und Kashmir. Das so genannte Tulbul-Projekt sorgt seit 1987 immer wieder fr Provokationen in den indisch-pakistanischen Be- ziehungen. Durch das Projekt wird der Wasserabfluss vom Wular-See in den Jhelum-Fluss, der nach Pakis-tan weiterfliet, kontrolliert. Die pakistanische Seite wirft Indien vor, dass der Wasserzufluss in den Jhelum durch das Projekt erheblich beeintrchtigt wird.

    18 Pakistan / Indien Lasst den Vertrag, wie er ist! 19Wir brauchen mehr Kooperation! Pakistan / Indien

    Wir brauchen mehr Kooperation!Ein indischer Blick auf den Indus-Wasservertrag

    Ramaswamy R. Iyer

  • sche Vorhaben bei den westlichen Flssen und deren Konformitt mit den Bestim-mungen des Vertrages umstritten waren, hat in Pakistan niemand Wasser als eines der Schlsselprobleme zwischen dem eigenen Land und Indien bezeichnet. Seit Anfang 2010 hat Pakistan jedoch die Wasserfrage als eine der wichtigsten zwischen den bei-den Lndern aufgebaut, in der Tat als eine Kernfrage, die so bedeutend wie Kasch-mir oder sogar noch bedeutender sei. Was hat das Land dazu bewogen? Man kann nur mutmaen. Es mag ein machtvoller Mobi-lisierungsfaktor sein, die allgemeine Auf-merksamkeit auf die Wasserfrage zu lenken und die ffentlichkeit damit insgesamt hin-ter die Regierung und / oder die Armee zu bringen. Vielleicht hofft die Regierung Paki-stans darauf, die Aufmerksamkeit von den schwerwiegenden Disputen um die Vertei-lung des Wassers zwischen den Provinzen im eigenen Land abzulenken. Das Wasser als neues Schlsselproblem aufzustellen, kann auch eine Gegenbewegung sein zu dem Gewicht, das Indien auf das Problem Terrorismus legt.

    Weit verbreitet scheint die Ansicht zu sein, dass bei einer gegenwrtigen oder bevorstehenden Wasserknappheit in Paki-stan Indien eine wichtige Rolle spielt. Das knnte fr das indisch-pakistanische Ver-hltnis ernsthafte Folgen haben, selbst auf der privaten Ebene.

    Zu einigen pakistanischen Befrchtungen

    Lassen wir beliebte pakistanische Fehldeu-tungen mal beiseite und kmmern uns um diejenigen Befrchtungen, die bei informel-len Treffen besonnener und wohlinformierter Angehriger der pakistanischen Zivilgesell-schaft und des akademischen Bereichs geu-ert werden, auch von Personen, die gute Beziehungen zu Indien wnschen.

    1.Verbreitete Einschtzungen oder Fehlein-schtzungen der Wasserverteilung durch Indien scheinen unfreiwillige Besttigung dadurch zu erfahren, dass pakistanische Wis-senschaftler von einem potenziellen Rck-gang der Strmung der westlichen Flsse berichten. Man geht tendenziell davon aus, dass es der Anrainer am Oberlauf ist, der fr diese Abschwchung verantwortlich ist. Die einzig vernnftige Antwort darauf kann nur sein, eine gemeinsame Untersuchung

    durch Experten aus beiden Lndern dar-ber durchzufhren, ob die Strmung bei den westlichen Flssen tatschlich schwcher geworden ist, und wenn ja, welche Faktoren dafr verantwortlich sind.

    2.Andere verbreitete berzeugungen in Pakistan lauten so: dass der Indus-Wasser-vertrag niemals eine groe Anzahl gre-rer indischer Projekte an den westlichen Flssen vorgesehen htte; dass das, was als minimales Zugestndnis gedacht war, von indischer Seite ber Gebhr strapaziert wrde und dass deswegen jedes indische Vorhaben an den westlichen Flssen eine Vertragsverletzung darstelle. Diese Anschul-digungen beruhen auf einer falschen Lek-tre des Vertrages, der ganz klar grere indische Projekte bei den westlichen Fls-sen zulsst, wie die umfangreichen Anhnge des Vertrages bezeugen. Solange Indien sich an die stringenten restriktiven Bedingungen des Vertrages hlt, kann von einer berstra-pazierung oder gar Verletzung des Vertrages keine Rede sein.

    3.Ein dritter Punkt der Besorgnis ist die kumulative Wirkung der groen Zahl von Projekten an den westlichen Flssen. Indien knnte darauf antworten, dass, wenn jedes einzelne der Projekte vertragsgem ist, es so etwas wie eine kumulative Wirkung einer groen Anzahl von Projekten nicht geben kann. Die pakistanischen Befrch-tungen in dieser Frage knnen aber nicht einfach so beiseitegewischt werden. Viele Menschen in Indien waren ber die kumu-lative Wirkung einer groen Zahl von Was-serkraftprojekten am Ganges besorgt, und es sind deswegen Untersuchungen in Auf-trag gegeben worden. Was fr den Ganges gilt, gilt auch fr das Indus-System. Dieses Problem muss sorgfltig behandelt werden. Auch hier wre eine gemeinsame Untersu-chung von Experten aus beiden Lndern wnschenswert.

    4.In den letzten Jahren hat es Appelle fr ein ganzheitliches, integratives Management des gesamten Systems gegeben, fr das gemeinsame Management von Wasserein-zugsgebieten etc. Das sind Gedanken, die man keineswegs verwerfen sollte, aber ein vollkommen anderer, ganzheitlicher Vertrag muss auf bessere Zeiten warten. Heutige Fragen wie die Einschtzung der

    Umweltfolgen, verminderter oder umwelt-gerechter Strmungen usw. gelten fr das Indus-System genauso wie fr andere Sys-teme, und die Forderungen sollten nicht beiseitegewischt werden, nur weil der Indus-Wasservertrag sie nicht vorhersah. Vermutlich werden fr alle Wasserkraft-projekte, die bei den westlichen Flssen geplant sind, Umweltfolgeeinschtzungen vorgenommen. Umweltfolgen machen vor Grenzen nicht halt; ein Projekt auf der indi-schen Seite kann Auswirkungen jenseits der Grenze haben, und ein Projekt auf pakista-nischer Seite zum Beispiel das von Pakis-tan geplante Projekt Neelum Jhelum kann Auswirkungen auf der indischen Seite der Grenze haben.

    Fazit: Der Indus-Wasser-vertrag im Zeitalter des Klimawandels

    Der weltweite Klimawandel und seine mg-lichen Folgen fr die Wasserverfgbarkeit im Flusssystem des Indus sind lebenswichtige Fragen, und hier mssen die beiden Lnder sofort damit anfangen, zusammenzuar-beiten. Es gab bereits ein gewisses Ma der Zusammenarbeit bei den internationalen Verhandlungen zum Klimawandel, aber sie muss ber die Einzelfrage der Reduktion von Emissionen weit hinausgehen. Und das kann nicht im Umkreis und im Zusammenhang mit dem Indus-Wasservertrag geschehen, sondern muss separat behandelt werden.

    Zusammenfassend lsst sich sagen: Fr die Differenzen, die bei der Umsetzung des Vertrages auftraten, lassen sich gemein-same Lsungen finden, was aber wegen der instabilen politischen Beziehungen zwi-schen beiden Lndern mit Schwierigkeiten verbunden ist. Zwischen der Verbesserung dieser Beziehungen und der einvernehmli-chen Umsetzung des Vertrages besteht ein Zusammenhang, und eines begnstigt das andere. Die neu auftretenden Probleme, die 1960 nicht vorhersehbar waren insbeson-dere der Klimawandel und seine Auswirkun-gen auf die Wasserressourcen verlangen nach einer Zusammenarbeit beider Lnder, die ber den Vertrag hinausgeht.

    tans Interessen zu schtzen. Demnach ist der Vertrag gegenber indischen Vorha-ben insbesondere Groprojekten bei den westlichen Flssen permissiv und restriktiv zugleich. Die beiden Lnder streben deshalb in entgegengesetzte Richtungen. Dies fhrt innerhalb der Indus-Kommission zu einem bestndigen Tauziehen. Als Anwohner des Unterlaufs im Indus-System neigt Pakistan dazu, argwhnisch jeden indischen Ver-such zum Aufbau anderer Strukturen bei den westlichen Flssen zu beobachten, der Indien in die Lage versetzen knnte, ent-weder den Wasserfluss zu reduzieren oder gestautes Wasser freizusetzen und berflu-tungen zu verursachen. Pakistans Einwnde haben deshalb zum einen mit dem Wasser und zum anderen mit der eigenen Sicher-heit zu tun. Indien vertritt die Position, dass die Sicherheitsbedenken von falschen Vor-aussetzungen ausgehen, weil Indien Pakis-tan nicht berfluten kann, ohne sich zuerst selbst zu berschwemmen, dass auerdem die eigene Kapazitt, den Wasserzufluss fr Pakistan zu reduzieren, reichlich begrenzt ist und dass schlielich die Erfahrungen des vergangenen halben Jahrhunderts zu derar-tigen Befrchtungen keinen Anlass geben.

    Eine wichtige politische Dimension dieser Differenzen liegt darin begrndet, dass die Projekte in Jammu und Kaschmir angesiedelt beziehungsweise fr dort vor-gesehen sind. Pakistan ist natrlich kaum begeistert von dem Gedanken, indische Projekte auf einem Territorium zu unter-sttzen, das aus seiner eigenen Sicht nach wie vor umstritten ist.

    Was tun?

    Die Auerkraftsetzung des Vertrages, wie sie von einigen Seiten gefordert wird, verdient keine ernsthafte Diskussion. Sollte man ihn also neu verhandeln, wie es in beiden Ln-dern hufig gefordert wird? Man kann sich schwer ein Ergebnis vorstellen, das vom Standpunkt beider Lnder besser als das bereits vorliegende wre. Leider ist Wasser-verteilung ein Nullsummenspiel: Man kann seinen eigenen Anteil nicht vergrern, ohne den der anderen Seite zu verringern. Deshalb wre es vielleicht das Beste, die Dinge zu lassen, wie sie sind, und darauf zu hoffen, dass, bei verbesserten politischen Beziehungen, in Zukunft bei der Handha-bung des Vertrages ein einsichtigerer und konstruktiverer Geist am Werk ist. Bis vor wenigen Jahren, auch als bestimmte indi-

    20 Pakistan / Indien Wir brauchen mehr Kooperation! 21Wir brauchen mehr Kooperation! Pakistan / Indien

  • Andrea Falkenhagen ist Medienanalystin und Analystin fr Auenpolitik in Washington D.C. Sie graduierte an der Elliott School of International Affairs der George Washington University mit einem Master in Global Communication. Ihr regionaler Studienschwerpunkt war Sdasien. Darber hinaus hat sie als Journalistin fr unterschiedliche US-Zeitungen publiziert.

    Rohstoffe und RebellenDie Naxaliten und der Ressourcenkonflikt in Indien

    Andrea Falkenhagen

    Konflikts und zu dessen Finanzierung bei-getragen. Eisenerz, Kohle und andere Roh-stoffe sind in Teilen Indiens Konflikttrger geworden. Darber hinaus sind die betrof-fenen Stmme extrem arm, und die jngste Industrialisierung hat nicht zur Linderung der Armut beigetragen. Im Gegenteil: Die Probleme wurden durch Verschmutzung verschrft, insbesondere durch die Wasser-verschmutzung, die dazu gefhrt hat, dass die Einheimischen ihre Wasserressourcen nicht lnger nutzen knnen. Die dadurch erzwungene Umsiedlung von Drfern hat den Unmut der lokalen Bevlkerung eben-falls vertieft, so dass der Ruf der Aufstndi-schen nach militanter Aktion zunehmend auf fruchtbaren Boden fllt.2 Die mangel-hafte Umsetzung nationaler Forstgesetze ermglicht es den lokalen Forstbeamten, Volksgruppen, die auf die Wlder fr ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, zu drangsalieren, zum Beispiel durch Vertrei-bung und durch Strafanzeigen wegen unbe-fugten Holzsammelns.3

    Obgleich die Missstnde dazu beige-tragen haben, Untersttzung fr die Auf-stndischen zu mobilisieren, so rcken die Maoisten in jngster Zeit zunehmend vom Kampf gegen die Ausbeutung der Armen ab und werden selbst zu Plnderern. Wh-rend sie einerseits vorgeben, die Bergbau-unternehmen zu bekmpfen, erpressen sie andererseits Bestechungs- und Schutz-gelder von genau diesen Unternehmen. Daraufhin haben einige der Firmen para-militrische Gruppen als Sicherheitskrfte angeheuert. Die Rebellen stehlen auch Sprengstoff, etwa RDX, aus den Bergwer-ken, teils zum Eigengebrauch, teils zum Verkauf in ganz Sdasien, was Gewinne in Millionenhhe generiert.

    Jede Lsung des Naxalitenkonflikts muss daher die Rolle der natrlichen Ressour-cen und des Bergbaus in der Gewaltspi-rale beachten. Auch die indische Bergbau-, Umwelt- und Entwicklungspolitik sind wichtige Instrumente der Strategie zur inneren Stabilisierung. Der frhere Minis-ter fr Umwelt und Forstwirtschaft (MoEF) Jairam Ramesh erstellte den umstrittenen Go / No-Go-Plan, der aus Umweltschutz- erwgungen auf fast 35 Prozent der Fl-che der indischen Kohlegebiete Eingriffe untersagte. Im Zuge dieser Politik stoppte die Regierung mehrere grere Bergbau-projekte. Der Go / No-Go-Plan, hufig als eine willkrliche politische Manahme kritisiert, wurde 2011 von Jayanthi Natara-jan, der neuen Ministerin fr Umwelt und Forstwirtschaft, ad acta gelegt. Derzeit wird der Plan jedoch berarbeitet, was zu einer objektiveren Klassifizierung von geschtz-ten und nichtgeschtzten Gebieten fh-ren knnte. Geschtzte Gebiete sind dabei definiert als ursprngliche Wlder, die bewahrt werden mssen, da jede Form des Bergbaus irreversible Schden anrichten wrde. Der vom MoEF berufene Ausschuss zur Formulierung objektiver Parameter fr die Ermittlung von Schutzgebieten4 verf-fentlichte im Januar 2013 einen Bericht, in dem es heit, das Ministerium werde die endgltige Liste und Karten der Schutzge-biete in jedem Staat / Territorium der Union erstellen und die Staaten und Territorien gem Umweltgesetz von 1986 benachrich-tigen.5 Idealerweise werden diese Gebiete juristische Personen, damit der Bergbau dort eingeschrnkt wird und ihre kologi-sche Erhaltung gewhrleistet ist. Die oben genannte politische Manahme knnte, falls umgesetzt, einen wesentlichen Fort-schritt darstellen, nicht nur fr die Umwelt, sondern auch in den Naxalitengebieten, um dort das Vertrauen der Bevlkerung in den Rechtsstaat zu strken.

    Kritiker argumentieren, eine Ausset-zung der Schrfrechte werde lediglich dazu fhren, dass die Entwicklung diejenigen Gebiete nicht erreicht, die sie am drin-gendsten bentigen. Damit, so heit es, wrde die Unterentwicklung rohstoffreicher Gebiete, die auch potenziell rebellengefhr-det sind, weitergefhrt. Gegen dieses Argu-ment spricht die Tatsache, dass der Bergbau erwiesenermaen nur wenig zu einer diver-sifizierten wirtschaftlichen Entwicklung in rohstoffreichen Gebieten beitrgt.

    Das jngste Gesetz zur Regulierung und Entwicklung von Bergbau und Rohstoffen,

    die Mines and Minerals (Regulation and Development) Bill 2011, stellt einen Meilen-stein in diesem Bereich dar. Das Gesetz, das im September 2011 vom Unionskabinett ver-abschiedet wurde, will Manahmen gegen illegalen Abbau strken und die Korruption im Bergbau bekmpfen. Gleichzeitig sollen die Bergbauunternehmen die betroffene lokale Bevlkerung an den Gewinnen betei-ligen: 26 Prozent im Falle von Kohlebergwer-ken und ein den Tantiemen entsprechender Betrag in den anderen Rohstoffindustrien. Darber hinaus fordert das Gesetz die Grn-dung von regionalen Rohstoffstiftungen, die die Verwendung der Gewinne aus dem Berg-bau in der lokalen Entwicklung berwachen. Die Nutzung dieser Gelder bleibt angesichts von Problemen mit Transparenz und Regie-rungsfhrung in manchen Bereichen jedoch fragwrdig. Transparente Mechanismen mssen geschaffen werden, die sicherstellen, dass die Gelder tatsachlich den Menschen zugutekommen, die vom Bergbau betroffen sind. Aufgrund der Komplexitt des Berg-baus ist es schwierig, die richtigen Gemein-den zu ermitteln. Auch geben die Gruppen, die sich fr die Rechte der Volksgruppen ein-setzen, zu bedenken, dass es fr Vertreibung keine finanzielle Entschdigung geben kann und dass strenge Waldwirtschaftsgesetze dafr sorgen mssen, dass die Waldbewoh-ner niemals vertrieben werden.

    Die gestrkten Bergbau- und Umwelt-gesetze sind kein Ersatz fr Recht und Ordnung. In den Drfern und Bergbauge-bieten muss Sicherheit herrschen, damit die Waffen- und Geldstrme fr die Rebellen unterbunden werden und Entwicklungs-programme Fu fassen knnen. Aber auch Sicherheit allein wird den Naxalitenkonflikt nicht beilegen. Nur wenn die Ursachen der Entrechtung der Menschen beseitigt wer-den die hufig mit Umwelt- und Berg-baufolgen zusammenhngen wird die Regierung in der Lage sein, eine nachhaltige Lsung des Problems zu finden.

    Der Bergbauboom in den rohstoffreichen Bundesstaaten Indiens hat den jahrzehn-tealten Kampf zwischen dem Staat und den maoistischen Rebellen neu befeuert. Law and Order sollte jedoch nicht die einzige Strategie der indischen Regierung sein, um der Herausforderung, die die Aufstndi-schen fr die innere Sicherheit darstellen, zu begegnen. Vielmehr muss der indische Staat ber Bergbau- und Umweltgesetze die Schden und negativen Auswirkungen des Bergbaus in den Gebieten der Volks-gruppen und der Angehrigen der niederen Kasten eindmmen, da die Rebellen dort ihre Basis finden.

    Die Naxaliten, eine militante kommu-nistische Gruppe, die 1967 im Zuge einer Rebellion entstanden ist, wurden lange Zeit von der indischen Zentralregierung ignoriert. Nachdem jedoch die Angriffe in den letzten Jahren einen neuen Hhepunkt erreicht haben, nimmt die Regierung die Gruppe etwas ernster. Schtzungen zufolge sind maoistische Rebellen in 15 bis 20 Pro-zent des Landes aktiv, insbesondere in dem sogenannten roten Korridor, der sich von Westbengalen nach Karnataka zieht.

    Die maoistische Gruppe zeichnet fr Angriffe auf Zivilisten und Polizeibeamte verantwortlich. Die Aufstndischen stel-len darber hinaus eine Gefahr fr die boomende Wirtschaft Indiens dar, da die Angriffe auf Bergwerke und Eisenbahnen den Zugang zu Eisenerz-, Kohle-, Bauxit- und Manganvorkommen behindern, deren Wert auf fast 80 Mrd. USD geschtzt wird.1 Auch wenn die Rohstoffe und die wach-sende Bergbauindustrie nicht die direkten Auslser des Konflikts sind, so treiben die damit verbundenen Umweltbelastungen die Gewalt an und haben zum Ausbruch des

    1 Bibhudatta Pradhan und Santosh Kuma, Pillai to End Maoist Grip on $80 Billion Investments, Bloomberg Business Week, 17.9.2010.

    2 Jason Miklian, The Purification Hunt: The Salwa Judum Counterinsurgency in Chhattisgarh, India, Dialectical Anthropology, vol. 33 (2009), 455.

    3 Asian Centre for Human Rights, The Adivasis of Chhattisgarh: Victims of the Naxalite Movement and Salwa Judum Campaign, Mrz 2006.

    4 Committee to Formulate Objective Parameters for Identification of Inviolate Areas.

    5 Report of the Committee to Formulate Objective Parameters for Identification of Inviolate Forest Areas, Ministry of Environment and Forests, Government of India, Juli 2012: http: / / moef.nic.in / assets / report_inviolate_forest_area_24012013.pdf.

    22 Pakistan / Indien Rohstoffe und Rebellen 23Rohstoffe und Rebellen Pakistan / Indien

  • Ressourcenstrme zwischen Asien und Europa

    solchen Analyse zeigt sowohl die direkten Ressourcenflsse zwischen Asien und Europa als auch die indirekten Ressourcenstrme in Form

    von sogenannten Vorleistungen, also die Rohstoffe, die entlang der Wertschpfungskette zur Herstellung eines Produkts notwendig waren. Zu den Vorleistungen zhlen sowohl Rohstoffe, die in die fr den Export notwendige Infrastruktur flieen (z. B. Baustoffe fr Straen, Schienen oder Hfen), als auch Rohstoffe wie z. B. Metalle und seltene Erden, die in den Exportprodukten wie elektronische Gerte verarbeitet werden. Die Pfeile verdeutlichen diese kombinierten direkten und indirekten Handelsflsse in den vier wichtigsten Ressourcengruppen: Mineralien (z. B. Sand, Schotter), Metalle (z. B. Eisen, Aluminium, Seltene Erden), Biomasse (z. B. Weizen, Palml, Holz) und fossile Ener-gietrger. Es wird deutlich, dass Europa in allen Rohstoffgruppen von Importen aus Asien abhngig ist. Allein im Bereich der Mineralien der Gruppe mit den grten Handelsvo-

    lumina gerechnet in Masse betrgt das Verhltnis Importe zu Exporte 3:1, wobei hier Baumineralien dominieren, die als indirekte Vorleistungen in den asiatischen Exportsektoren

    eingesetzt werden. Die groen Importe an fossilen Energietr-gern stammen zum berwiegenden Teil aus dem Nahen Osten und Russland. China spielt eine Hauptrolle im europisch-asiatischen Ressourcenhandel, wird aber von Staaten wie Indien (z. B. bei Mineralien) oder Indonesien (z. B. bei Metallerzen) zunehmend eingeholt. Interessant ist der Vergleich der direkten und indirekten Exporte von Asien nach Europa und den in Asien insgesamt entnommenen Materialien. Hier zeigt sich, dass der grte Teil dieser Rohstoffe fr den Konsum in Asien selbst verwendet wird. Parallel zur Zunahme der Rohstoffausbeutung, die sich in Asien in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt hat, nimmt aber auch der direkte und indirekte Export von Asien nach Europa zu.

    Chinas Rohstoffimporte

    Die Grafik rechts zeigt die Ursprnge der Ressourcen, die direkt und indirekt (ber Vorleistungen) in den Importen Chi-nas enthalten sind. Dabei fllt auf, dass der Groteil der Rohstoffimporte nach China etwa 1,5 Mrd. Tonnen seinen Ursprung in Asien selbst hat, und zwar in fast allen Rohstoffgruppen. Ausnahme sind die Metallerze, die China vor allem aus Lateinamerika bezieht, das mit gro-em Abstand auf Asien Chinas zweit- wichtigster Rohstofflieferant ist. An drit-ter und vierter Stelle folgen die Importe aus Nordamerika und Ozeanien. Trotz der wachsenden Importe vor allem von Mineralien, Metallen und Holz aus Afrika fllt die Menge der aus Afrika bezogenen Rohstoffe in der Summe noch wenig ins Gewicht. Bei dieser Grafik ist zu bedenken, dass sie keine Aussage darber trifft, wohin diese importierten Ressourcen gegebenen-falls in Form von verarbeiteten Produkten wie elektronischen Gerten weiterreisen.

    Asien ist Nettoexporteur von Ressourcen nach Europa

    Die obere Abbildung veranschaulicht die direkten und indirekten Ressourcenstrme zwischen Asien (einschlielich Naher Osten und Russland) und Europa. Sie wurde auf Basis eines sogenannten Input-Output-Modells erstellt, das Daten ber die Entnahme von Rohstoffen mit Daten ber den Einsatz von Rohstoffen in den unterschiedlichen Sektoren und ber den Handel zwischen den Sektoren kombiniert. Das Resultat einer

    1 000 75

    335 5050

    1700 530

    Alle Angaben in Mio. Tonnen

    ASIENBiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    147060210250950

    EUROPABiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    1255

    1010

    100

    AFRIKABiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    24020409090

    OZEANIENBiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    2451525

    16540

    LATEINAMERIKABiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    5454015

    330160

    NORDAMERIKABiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    255202025190

    385 95385

    GESAMTER RESSOURCENIMPORTCHINABiomasseFossile EnergietrgerMetallerzeMineralien

    2 880160320870

    1 530

    von Asien nach Europa von Europa nach Asien

    Mineralien

    24 China Ressourcenstrme zwischen Asien und Europa 25Ressourcenstrme zwischen Asien und Europa China

    Alle Angaben in Mio. Tonnen

    Konzeption und Datenerhebung: Stephan Lutter und Stefan Giljum, Sustainable Europe Research Institute (SERI).

  • 17060

    20055

    5050

    160

    500260

    65

    CHINA

    INDIEN

    INDONESIEN

    MALAYSIA

    THAILAND

    SDKOREAJAPAN

    Wang Zhile ist Leiter des regierungsnahen Think Tanks Beijing New Century Academic and Transnational Corporations (NATC), welcher der Chinese Academy of International Trade and Economic Cooperation und dem Ministerium fr Handel angegliedert ist. Er publizierte eine Reihe von Forschungs- papieren und Artikeln ber Globalisierung, strategisches Management, nachhaltige Ent- wicklung und Corporate Social Responsibility multinationaler Unternehmen in China.

    Chinesische Auslandsinvestitionen auf weltweitem VormarschWang Zhile

    Durch Chinas wachsende Exportwirt-schaft in den 1990er Jahren nderte sich dies jedoch. Ein wichtiger Meilenstein der Auenwirtschaftsentwicklung war die Ein-fhrung der Going-out-Strategie, die im Oktober 2000 mit den Vorschlgen zum 10. Fnfjahresplan ber die Festlegung der volkswirtschaftlichen und gesellschaft-lichen Entwicklungsziele offiziell ver-abschiedet wurde. Die Strategie schliet unterschiedliche Arten von Auslandsinves-titionen ein. Dazu zhlen zum einen markt-orientierte Auslandsinvestitionen, welche durch die Frderung der relativen Strke von Unternehmen im Ausland, speziell im Bereich Fertigungsindustrie, insbesondere den Export ankurbeln sollen.

    Darber hinaus sind rohstofforientierte Auslandsinvestitionen wichtiger Bestandteil der chinesischen Wirtschaftsstrategie. Das heit, chinesische Unternehmen werden dazu motiviert, verstrkt Kooperationen im Ausland einzugehen. Mit den Investitionen sollen solche Rohstoffe erschlossen werden, die in China Mangelware sind. Neben den markt- und rohstofforientierten Auslands- investitionen sind auch die technologieba-sierten Investitionen von Bedeutung. Dabei investieren chinesische Unternehmen in Forschung und Entwicklung im Ausland, um fortschrittliche Innovationen und Technolo-gien fr die eigene Industrie zu gewinnen.

    Magebliche Vernderungen fr die chi-nesische Auenwirtschaft brachte im Rah-men der Going-out-Strategie schlielich der WTO-Beitritt 2001, wodurch die Volksre-publik noch strker in die globale Wirtschaft eingebunden wurde. Auf diese Weise haben chinesische Unternehmen ihr Investitions-volumen im Ausland in den letzten Jahren massiv ausbauen knnen. Zwischen 2002

    Im Zuge der schnellen Wirtschaftsent- wicklung der vergangenen Jahre und des immer greren Ressourcenbedarfs reprsentieren auslndische Direktinvesti- tionen einen wesentlichen Bestandteil der Performanz chinesischer Unternehmen und werden von der Regierung entspre-chend gefrdert. Gerade im Rahmen der Erschlieung neuer Energie- und Roh-stoffquellen ist die sogenannte Going-out-Strategie ein wichtiges Instrument fr Investitionen chinesischer Firmen im Ausland.

    Die Going-out-Strategie als Teil der wirtschaftlichen Globalisierung

    Die Einfhrung der Reform- und ffnungs-politik im Jahre 1978 ermglichte es der VR China, auf den Zug der sogenannten dritten Welle der wirtschaftlichen Globalisierung aufzuspringen.1 Neben der Ausweitung des Auenhandels, der Erschlieung fortschritt-licher Technologien und der Nutzung aus-lndischer Finanzmittel wurden zustzlich neue Formen der internationalen Zusam-menarbeit etabliert. Chinas Wirtschafts-wachstum war dadurch zunehmend an die Entwicklung des internationalen Marktes und die Integration in die Weltwirtschaft gebunden. In den ersten 20 Jahren der ff-nungspolitik hatte die Volksrepublik selbst noch auslndische Finanzmittel ins Land geholt, um den im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung aufgetretenen double gap2 bei Ersparnissen und Devisen auszuglei-chen. Gleichzeitig wurden Auslandsinvestiti-onen eingeschrnkt, um zu vermeiden, dass sich dieser double gap weiter vergrert.

    Ressourcenstrme im asiatischen Raum

    Die Ressourcenstrme innerhalb Asiens haben in den letzten Jahren massiv zuge-nommen. Die Grafik oben zeigt die Gr-enordnung von direktem und indirektem Ressourcenhandel einzelner Lnder im regionalen Vergleich. China exportiert beispielsweise groe Mengen (insgesamt 500 Millionen Tonnen) an Rohstoffen nach Japan, wovon mehr als die Hlfte (300 Millionen Tonnen) auf Mineralien entfallen, whrend Indien 26 Millionen Tonnen Metalle aus Indonesien impor-tiert. Japan als ressourcenarmes Land mit groen Industrien wie der Papier-