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15 JahRe PKK-VeRbOt Eine Verfolgungsbilanz Herausgegeben von: Azadî e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland YEK-KOM e.V., Föderation kurdischer Vereine in Deutschland

15 jahre PKK-Betätigungsverbot Eine Verfolgungsbilanz

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1993 (26. November): Bundesinnenminister Manfred Kanther(CDU) verhängt ein Betätigungsverbot für die PKK, die ERNK und andere kurdische Vereine und Organisationen.Begründung: die PKK verfolge mit Gewalt ihre Ziele, verletze strafgesetzliche Bestimmungen und gefährde die innereSicherheit, die öffentliche Ordnung sowie „andere erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“.1997: Kanther gerät wegen seiner harten Linie gegen die PKK in die Kritik von Verfassungsschützern. Mehrere Lan-desbehörden sprechen sich dafür aus, eine Aufhebung des Parteiverbots zu erwägen, „sollte Abdullah Öcalan amGewaltverzicht festhalten“. Als Wortführer der Kanther-Kri tiker gilt NRW-Verfassungsschutzchef Fritz-Achim Baumann.1998: Seit Januar wird die PKK-Führung in Deutschland von der Bundesanwaltschaft nicht mehr als „terroristische Vereinigung“ (§129 a Strafgesetzbuch) eingeschätzt, sondern als „kriminelle Vereinigung (§129 Strafgesetzbuch) herabgestuft.1999: Letzte große Welle von Aktionen in Folge der Entführung des damaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalanaus Kenia in die Türkei (15. Februar 1999), die durch eine internationale geheimdienstliche Zusammenarbeitermöglicht wurde.2000: Ein Parteikongress billigt Anfang des Jahres die Vorschläge von Abdullah Öcalan und beschließt eine Neu-strukturierung der PKK, die im Wege einer innerparteilichen Demokratisierung den neuen Kurs auch in derOrganisation selbst abbilden soll. In der Türkei wie auch in den europäischen Staaten bemüht sich die PKK seither um Anerkennung als politische Gesprächspartnerin.“ (aus: Verfassungsschutzbericht 2001)2001 (vor dem 11. September): In der Folge des Parteikongresses wird in der PKK und ihrem Umfeld eine ideologische Kampagne zur Neubewertung und –orientierung durchgeführt.2001 (nach dem 11. September): Die PKK wird auf Betreiben derUSA dem Spektrum der terroristischen Organisationenzugerechnet, vor allem um sich der Türkei als Bündnispart-ner im „Kampf gegen den Terror“ zu versichern. Die Auflö-sung von PKK und ERNK und die Neugründung von KADEK(April 2002) und KONGRA-GEL (November 2003) mit demo-kratischem Programm und Verzicht auf das Ziel eines eige-nen Staates ändert nichts daran. Der KONGRA-GEL wird2004 ebenfalls in die „EU-Terrorliste“ aufgenommen – aufBetreiben der Türkei und der USA.2006 (Januar): Die norwegische Regierung betrachtet diePKK als „legitime Organisation“ und die EU-Terrorlistesowie die Eintragung der PKK als nicht bindend.2008 (3. April): Der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte erklärt die Eintragung von PKK und KONGRA-GEL indie EU-Terrorliste für ungültig. Trotzdem wird sie von den

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15 Jahre PKK-VerbotEine Verfolgungsbilanz

Herausgegeben von:Azadî e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in DeutschlandYEK-KOM e.V., Föderation kurdischer Vereine in Deutschland

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Herausgegeben von Azadî e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland und YEK-KOM e.V., Föderation kurdischer Vereine in DeutschlandGraf-Adolf-Str. 70A, 40210 Düsseldorf

Unterstützt wird das Projekt von der Roten Hilfe – Bundesvorstand

Redaktion: Monika MorresLayout: Holger DeilkeTitelbild: Joachim Römer, (ohne Titel), Aquarell, 1997

Druckerei: TIAMAT druck GmbH

November 2008

2 15 Jahre PKK-Verbot – eine Verfolgungsbilanz

15 JAHRE PKK-BEtätigungsVERBOt

Eine Verfolgungsbilanz

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15 Jahre PKK-Verbot – eine Verfolgungsbilanz 3

Vorwort 4

1986 7

1987 8

1988 8

1989 8

1992 8

1993 9

1994 10

1995 13

1996 16

1997 18

1998 20

1999 21

2000 22

2001 22

2002 23

2003 23

2004 26

2005 30

2006 36

2007 41

2008 49

Verhaftet und Verurteilt 59

Auslieferungsersuchen der Türkei 61

Kontakte/Abkürzungen 63

Inhalt

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1993 (26. November): Bundesinnenminister Manfred Kanther(CDU) verhängt ein Betätigungsverbot für die PKK, dieERNK und andere kurdische Vereine und Organisationen.Begründung: die PKK verfolge mit Gewalt ihre Ziele, verletzestrafgesetzliche Bestimmungen und gefährde die innereSicherheit, die öffentliche Ordnung sowie „andere erhebli-che Belange der Bundesrepublik Deutschland“.1997: Kanther gerät wegen seiner harten Linie gegen diePKK in die Kritik von Verfassungsschützern. Mehrere Lan-desbehörden sprechen sich dafür aus, eine Aufhebung desParteiverbots zu erwägen, „sollte Abdullah Öcalan amGewaltverzicht festhalten“. Als Wortführer der Kanther-Kri-tiker gilt NRW-Verfassungsschutzchef Fritz-Achim Bau-mann.1998: Seit Januar wird die PKK-Führung in Deutschland vonder Bundesanwaltschaft nicht mehr als „terroristische Ver-einigung“ (§129 a Strafgesetzbuch) eingeschätzt, sondernals „kriminelle Vereinigung (§129 Strafgesetzbuch) herab-gestuft. 1999: Letzte große Welle von Aktionen in Folge der Entfüh-rung des damaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalanaus Kenia in die Türkei (15. Februar 1999), die durch eineinternationale geheimdienstliche Zusammenarbeitermöglicht wurde.2000: Ein Parteikongress billigt Anfang des Jahres die Vor-schläge von Abdullah Öcalan und beschließt eine Neu-strukturierung der PKK, die im Wege einer innerparteili-chen Demokratisierung den neuen Kurs auch in derOrganisation selbst abbilden soll. In der Türkei wie auch inden europäischen Staaten bemüht sich die PKK seither umAnerkennung als politische Gesprächspartnerin.“ (aus: Verfas-sungsschutzbericht 2001)2001 (vor dem 11. September): In der Folge des Parteikongresseswird in der PKK und ihrem Umfeld eine ideologische Kam-pagne zur Neubewertung und –orientierung durchge-führt.2001 (nach dem 11. September): Die PKK wird auf Betreiben derUSA dem Spektrum der terroristischen Organisationenzugerechnet, vor allem um sich der Türkei als Bündnispart-ner im „Kampf gegen den Terror“ zu versichern. Die Auflö-sung von PKK und ERNK und die Neugründung von KADEK(April 2002) und KONGRA-GEL (November 2003) mit demo-kratischem Programm und Verzicht auf das Ziel eines eige-nen Staates ändert nichts daran. Der KONGRA-GEL wird2004 ebenfalls in die „EU-Terrorliste“ aufgenommen – aufBetreiben der Türkei und der USA.2006 (Januar): Die norwegische Regierung betrachtet diePKK als „legitime Organisation“ und die EU-Terrorlistesowie die Eintragung der PKK als nicht bindend.2008 (3. April): Der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte erklärt die Eintragung von PKK und KONGRA-GEL indie EU-Terrorliste für ungültig. Trotzdem wird sie von den

meisten Mitgliedstaaten des Europarates aufrechterhalten.2008 (30. Mai): Unmittelbar vor dem USA-Besuch des türki-schen Außenministers Ali Babacan setzt Präsident GeorgeW. Bush die PKK und den Kongra Gel auf die Liste derwegen Drogenhandels zu verfolgenden Organisationen(„Kingpin Act“). Zuvor hat der „Hohe Antiterrorrat“ der Tür-kei beschlossen, dort und in den EU-Ländern eine umfas-sende Anti-PKK-Kampagne zu starten. Insbesondere solldie Öffentlichkeit mit der Behauptung in Stellunggebracht werden, die PKK sei in den Drogenhandel verwi-ckelt bzw. profitiere von diesem. Strafverfolgung in Deutschland:Die größte Zahl der Strafen (v.a. Geldstrafen) wurden inden letzten Jahren gegen Sympathisanten wegen Versto-ßes gegen §20 Vereinsgesetz in der Folge der im Juni 2001begonnenen Identitätskampagne „Auch ich bin PKKler“sowie wegen des Spendens und Spendensammelns ver-hängt. Grundlage für die Strafverfolgung von PKK-Kadern nachAufgabe des Terrorismus-Vorwurfs wurde das Konstruktder Mitgliedschaft oder Rädelsführerschaft in einer „krimi-nellen Vereinigung“ innerhalb der PKK (Straftaten nach§129 StGB), das sich auf „vier Säulen“ von sogenannten„Katalogtaten“ stützte:• Innerparteiliche Strafjustiz• „Heimatbüro“ (Passfälschung und Schleusung)• Spendengelderpressung• „aktionistische Aktivitäten“ (Hausbesetzungen, Brand-stiftungen, Körperverletzungen, Straßenblockaden)

Da auch diese Vorwürfe immer seltener erhoben werdenkonnten und in den letzten Jahren praktisch ganz wegge-fallen sind, haben Bundesanwaltschaft (BAW) und Ober-landesgerichte begonnen, den Finanzbereich der Organi-sation neu in den Straftatenkatalog aufzunehmen und ihnin den Fokus der künftigen strafrechtlichen Verfolgung zurücken. Dies offenbarte sich erstmals in dem §129-Verfah-ren gegen Halil D. vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle,das mit dessen Verurteilung zu einer 3-jährigen Freiheits-strafe am 11. Oktober 2006 zu Ende ging. Seitdem sind dieBehörden eifrig darum bemüht, bereits das bloße Bittenum Spenden bzw. das Spendensammeln von Vereinsmit-gliedern als „Aufforderung zu einer Straftat“ zu werten,weil mit diesem Geld eine verbotene „kriminelle Vereini-gung“ (§129 StGB) unterstützt werde. Damit kann so ziem-lich jede Tätigkeit und Unterstützungshandlung unterdem Damoklesschwert der Strafverfolgung stehen undkurdische Aktivitäten weiter in die Illegalität gedrängt wer-den. Eine solche willkürliche Verschiebung auch desRechtsrahmens ist im laufenden Jahr zu beobachten. Der-zeit sind einige kurdische Aktivisten hiervon betroffen. Siesind konfrontiert mit dem Vorwurf des Verdachts auf

Vorwort

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Unterstützung nach §129 StGB und stehen – ungewöhn-lich für derartige Verfahren – vor einem Landgericht. Eshandelt sich bei den Angeklagten nicht etwa umPKK/KONGRA-GEL-Gebietsverantwortliche, deren Verfah-ren in nahezu allen Fällen vor Staatsschutzsenaten vonOberlandesgerichten geführt werden. Sollte sich die Ober-staatsanwaltschaft Koblenz mit ihrem 129-Konstrukt beiden Richtern durchsetzen, wäre dies ein böses Signal füralle politisch engagierten Kurd(inn)en. Schließlich bedeu-tet eine Verurteilung nach §129 StGB im schlimmstenFalle eine Verurteilung zu Freiheits- oder zumindest zuhohen Geldstrafen. Eine solche Verschärfung zielt auf diekurdischen Strukturen, insbesondere aber darauf ab, dieMenschen einzuschüchtern, sie zu demotivieren unddavon abzuhalten, sich politisch in kurdischen Einrichtun-gen zu engagieren.

Aufgrund der Schwierigkeit der Geheimdienste, Infor-manten in die verbotenen Organisationen einzuschleusen,aus ihnen zu rekrutieren oder Gefangene zu Kronzeugenzu machen, waren und sind die wichtigsten Beweismittelzur Verfolgung nach §129 stets durch TKÜ (Telekommuni-kations-Überwachung) zustande gekommene Gesprächs-mitschnitte und -protokolle. Solche Maßnahmen könnenim Fall der PKK jedoch nur dann richterlich angeordnetwerden, wenn ein begründeter Verdacht auf eine der„Katalogtaten“ nach § 100a Strafprozessordnung (Strafta-ten gegen die öffentliche Ordnung nach den §§129 bis130) vorliegt. Verstöße gegen §20 Vereinsgesetz gehörenseit der Neufassung des Gesetzes vom 1. Januar 2008nicht mehr dazu. Das ist der Grund, warum die Oberstaats-anwaltschaft Koblenz bei den Betroffenen einen Anfangs-verdacht des §129 StGB konstruiert hat. Einer der Verteidi-ger bezeichnet dieses Vorgehen als „willkürlich imRechtssinn“. Er beantragt zudem die Vernichtung vonrechtswidrig angefertigten Gedächtnisprotokollen bei derÜberwachung von Gefangenenbesuchen und dieLöschung der ebenfalls zu Unrecht vorgenommenen Tele-fonaufzeichnungen. Es bleibt abzuwarten, welche Ent-scheidungen die Richter der 12. großen Strafkammer desLandgerichts fällen werden.

Ein weiterer Aspekt der Verfolgungspolitik hat in denletzten Jahren an Brisanz zugenommen. Im Windschattendes sog. Internationalen Anti-Terror-Kampfes versucht dieTürkei weiterhin, im Zuge von Auslieferungsverfahren diedeutschen Strafverfolgungsbehörden in ein gemeinsamesVorgehen einzubeziehen. Diese Ersuchen stellen einedurchaus ernste Bedrohung dar. Eine Systematik ist dabeinicht zu erkennen, doch handelt es sich in allen Fällen umprominente kurdische Politikerinnen und Politiker, aberauch Angehörige linker türkischer Organisationen, die inDeutschland pflichtschuldigst festgenommen werden, bis-her jedoch wegen des Fehlens gerichtsverwertbarenBeweismaterials in allen Fällen wieder freigelassen werdenmussten – ohne Entschädigung natürlich!

Das Einfallstor bildete die Auslieferung des wegen„öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat“ im November 2000vom OLG Düsseldorf zu vier Jahren Haft verurteilten türki-schen Islamisten Metin Kaplan. Dem Ersuchen der türki-schen Behörden wurde stattgegeben und Kaplan nach

einer Odyssee von Verwaltungsgerichtsprozessen an dieTürkei ausgeliefert, wo er kein rechtsstaatliches Verfahrenerwarten konnte und wie erwartet zu lebenslänglicherHaft verurteilt wurde. 2006 saß Kaplan weiterhin im F-Typ-Gefängnis von Tekirdağ ein. Am 15. Oktober 2008 bestä-tigte ein türkisches Berufungsgericht die Verurteilung zulebenslänglicher Haft.

Ein weiteres Einfallstor ist der gegenwärtig laufendeProzess vor dem OLG Stuttgart gegen angebliche Angehö-rige der türkischen Organisation DHKP-C. In ihm wird erst-mals versucht, Straftaten nach §129b (Mitgliedschaft in /Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Orga-nisation im Ausland), zu verfolgen. Demnach dienten lautStaatsanwaltschaft Aktivitäten in Deutschland wie dasSammeln von Spendengeldern, das Organisieren von Ver-anstaltungen, die Mitgliedschaft in Vereinen oder derBesitz und die angebliche Verbreitung einer in der Türkeilegalen Publikation dem Zweck, den bewaffneten Arm derDHKP-C in der Türkei zu unterstützen. Um diese Vorwürfezu erhärten, hat sich die Anklage eines türkisch-deutschenDoppelagenten bedient, der gegenüber einem gerichtlichbestellten psychiatrischen Gutachter geäußert hat, ihm seieiner der Angeklagten als böser Geist erschienen. Nichtnur diese Windigkeit ist unglaublich: Das Gericht hatte garden Leiter der DHKP-C bei der Istanbuler Antiterroreinheitals Zeuge geladen, was von der Verteidigung erst einmalverhindert werden konnte, weil gegen diese Person zweiKlagen wegen Folterverdachts anhängig sind.

Die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte werdensich nicht scheuen, solche Verfahren nach §129b auchgegen mutmaßliche PKK/KONGRA-GEL-Funktionäre einzu-leiten.

Zweifellos war nicht nur das vom damaligen Bundesin-nenminister Otto Schily verfügte Verbot der prokurdi-schen Zeitung „Özgür Politika“ vom September 2005 einmassiver Angriff auf die kurdischen Medien (am 18. Okto-ber musste es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsge-richts wieder aufgehoben werden), sondern weit mehrnoch das am 13. Juni 2008 verfügte Ausstrahlungsverbotdes in Dänemark ansässigen kurdischen TV-Senders ROJTV und der Produktionsfirma VIKO in Wuppertal. Die imJahre 2007 installierte sog. „Anti-PKK-Koordination“ zwi-schen den USA, der Türkei, Frankreich, Großbritannien undDeutschland dürfte für diese tiefgreifende Maßnahme ver-antwortlich gewesen sein.

Die letzten Jahre waren zudem geprägt von zahllosenAsylwiderrufsverfahren durch das Bundesamt für Flücht-linge und Migration, das konstant behauptet, die Men-schenrechtssituation in der Türkei habe erhebliche Fort-schritte gemacht und es sei verantwortbar, Kurdinnen undKurden wieder dorthin abzuschieben. Das Amt führtzudem in den Widerrufsbescheiden häufig die in Asylver-fahren genannten Fluchtgründe auf, deretwegen dieBetroffenen anerkannt worden sind. Allen politischen kur-dischen Gefangenen, die nach §129 verurteilt wurden, istder Asylstatus aberkannt worden. Sie stehen damit wiederam Null-Punkt einer Zukunft in Deutschland.

Wegen politischer Aktivitäten – und sei es nur die Mit-gliedschaft in einem kurdischen Verein, die Teilnahme an

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einer Demonstration oder der Besuch von Veranstaltun-gen – ist in den vergangenen Jahren einer Vielzahl vonKurdinnen und Kurden eine beantragte Einbürgerung ver-weigert worden.

Wir haben versucht, aus Anlass des 15. Jahrestages derVerbotspolitik eine Chronologie zu erstellen und müssenzugestehen, dass bei weitem nicht alle Festnahmen,Durchsuchungen oder Strafbefehle dokumentiert werdenkonnten. Vor dem Hintergrund der umfassenden Repres-sion wäre das auch unrealistisch. Dennoch: Uns war wich-tig, einen Eindruck zu vermitteln von den Auswirkungeneiner von allen Bundesregierungen befürworteten Krimi-nalisierung eines Teils der hier lebenden kurdischen Bevöl-kerung. Wir wollten auch deutlich machen, dass der seitJahrzehnten schwelende und bis heute ungelöste tür-

kisch-kurdische Konflikt sowohl eine innen- als auchaußenpolitische bzw. internationale Dimension hat. DieDokumentation soll die unrühmliche Rolle der Verantwort-lichen der deutschen Politik vor Augen führen, die mitihrem Vorgehen gegen die kurdische Freiheitsbewegungdie Verfolgungsstrategie der Türkei unterstützt undLösungsperspektiven zunichte macht. Die vielfachen Ver-suche der kurdischen Bewegung, mit friedenspolitischenVorschlägen den Status quo zu durchbrechen, sind bisherallesamt entweder ausgeschlagen oder ignoriert worden.

Dennoch: Die Kurdinnen und Kurden werden auch inZukunft ihren Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit fort-führen. Wir wollen sie auf diesem Weg gerne weiter beglei-ten und für die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbotsstreiten.

Monika Morres und Günther BöhmAzadî e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in DeutschlandOktober 2008

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Die Geschichte der Kriminalisierung von Kurdinnen undKurden in Deutschland beginnt nicht erst mit dem Erlassdes PKK-Betätigungsverbots im November 1993. Weil diekurdische Freiheitsbewegung seit ihrer Gründung im Jahre1978 und besonders seit Aufnahme des bewaffnetenKampfes 1984 gegen die brutale Unterdrückung der kurdi-schen Bevölkerung immer mehr Anklang und Unterstüt-zung findet, verstärkt die türkische Regierung ihre diplo-matischen Bemühungen, um eine Isolierung bzw.Zerschlagung der PKK zu erreichen. In ihrem Fokus stehthierbei Westeuropa, wohin zahlreiche Kurdinnen und Kur-den wegen politischer Verfolgung flüchten. Parallel hierzunehmen operative Aktivitäten des türkischen Geheim-dienstes zu. So inszeniert er Anschläge in Deutschland, umhierfür die PKK verantwortlich machen zu können, z.B. imHerbst 1986 gegen den türkischen Generalkonsul in Ham-burg. Ab diesem Zeitpunkt wird die PKK in systematischenKampagnen durch die Politik, durch Polizei und Medien zuden „gefährlichsten Terroristen Europas“ erklärt. Das istauch die Geburtsstunde der Kriminalisierung und desPlans, mithilfe des berüchtigten §129a Strafgesetzbuchgegen die Organisation und ihre Anhänger/innen vorzu-gehen. Ende Oktober bringt die Regierungskoalition einenGesetzentwurf zur „Bekämpfung des Terrorismus“ in denBundestag ein. Danach soll die Bundesanwaltschaft künf-tig auch zuständig sein für die Verfolgung von ausländi-schen „terroristischen Vereinigungen“, wenn sie inDeutschland Katalogstrafen des §129 a StGB begehen.Diese Gesetzesänderung tritt zum 1. Januar 1987 in Kraft.Es beginnt eine flächendeckende staatliche Verfolgungvon Kurdinnen und Kurden mit den Mitteln des Polizei-,des Straf- und Verwaltungsrechts. Wie der Rechtsanwaltund Verteidiger in den großen PKK- Verfahren, EberhardSchultz in seiner Broschüre „Zehn Jahre grenzüberschrei-

tende Kurdenverfolgung“, ausführt, sind allein in der Zeitvon 1980 bis 1989 insgesamt über 3 300 Ermittlungsver-fahren nach §129a StGB eingeleitet worden, von denenfast 10 000 verdächtige Personen betroffen waren. In der Illustrierte „Stern“ erschien in den 1990er Jahreneine Karikatur:In einem Kinderzimmer sitzt ein weinender Junge inmittenvon lauter zerstörten Möbeln und Spielsachen. Die Muttersteht in der Türe und schaut mit entsetztem Blick auf die-ses Chaos. Die Sprechblase über ihrem kleinen Sohn:„Mama, das waren die Kurden.“ Diese Darstellung traf sehr gut den Kern der weitreichen-den Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden inDeutschland.

28. FebruarHinter dem Mord an Olof Palme in Stockholm soll angeb-lich die PKK stecken.

AugustFaruk Bozkurt wird in Hamburg verhaftet und damit derPKK ein angeblicher versuchter Sprengstoffanschlag aufdas türkische Generalkonsulat angelastet.

OktoberGeneralbundesanwalt Kurt Rebmann führt Gespräche mithochrangigen Vertretern der Türkei (darunter dem Bot-schafter Iscen) über die Zusammenarbeit gegen den„internationalen Terrorismus“.

Ende OktoberDie Regierungskoalition bringt einen Gesetzentwurf zurBekämpfung des Terrorismus in den Bundestag ein.Danach soll die Bundesanwaltschaft künftig auch zustän-

Verbotschronologie

1986

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1987

dig sein für die Verfolgung von „terroristischen Vereinigun-gen“ aus dem Ausland, sofern sie in Deutschland Katalog-strafen des §129a StGB begehen, die „die Sicherheit … sei-

ner nichtdeutschen Vertragsstaaten […] zu beeinträchti-gen“ drohen.

1. JanuarNach Pilotverfahren gegen die srilankische LTTE („TamilTigers“) wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Verei-nigung“, begann nach entsprechenden Vorarbeiten vonVerfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Landeskrimi-nalämtern etc offiziell das Ermittlungsverfahren gegen diePKK. Es beginnt eine flächendeckende staatliche Verfol-gung der Kurden mit Hilfe des Straf-, Polizei- und Verwal-tungsrechts.

AugustWeil man im Rahmen des §129a-Ermittlungsverfahrensnach der Tochter von Dervis Savgat suchte, wird seine

Wohnung in Celle von Beamten des BKA durchsucht. Wäh-rend seines Heimaturlaubs wird er am 25. August 1988 mitseinem 13-jährigen Neffen festgenommen. Nach achtTagen wird sein Leichnam seiner Familie übergeben. Er sei„bei einer Auseinandersetzung mit der PKK“ erschossenworden, erklären die türkischen Sicherheitsbehörden. DieLeiche war grausam verstümmelt und mit Folterspurenübersät. Eine von der Familie veranlasste Obduktion erga-ben keinerlei Schussspuren. Der Gouverneur in einemInterview gegenüber der BBC: „Was wollt Ihr, es war dochsowie nur ein PKKler“ – offenbar eine Information an dieTürkei über die Hausdurchsuchung bei Dervis Savgat.

198822. JanuarBundesanwaltschaft erlässt Haftbefehl gegen mehrere mutmaßliche PKK-Führungskader.

1989SommerGeneralbundesanwalt Kay Nehm ruft vor Beginn des ers-ten großen §129a-Verfahrens gegen PKK-Abhänger dieOrganisation zum „Hauptfeind der inneren Sicherheit“ aus.

24. OktoberBeginn des bislang größten Prozesses wegen Terrorismus-Vorwurfs gegen PKK-Anhänger/innen in Deutschland (vordem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf).Zentraler Anklagepunkt ist die angebliche „terroristische

Vereinigung innerhalb der PKK“ nach §129a. Alle Ange-klagten werden Sonderbedingungen unterzogen. So müs-sen sie ihr Verfahren hinter einer bis zur Decke reichendenPlexiglaswand verfolgen – ohne direkten Kontakt mitihren Verteidigern. Diese Isolierung wird von der Verteidi-gung als „Kurdenkäfig“ bezeichnet und gilt fortan als Sym-bol für diesen Prozess. Er sei die „hygienisch einwandfreiemitteleuropäische Variante der berüchtigten Massen-schauprozesse türkischer Militärgerichte.“

199226. MärzWaffenlieferungsstopp aus der BRD in die Türkei (deutscheNewroz-Delegationen belegen Waffeneinsatz gegen dieZivilbevölkerung)

31. MärzBundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg trittzurück wegen illegaler Lieferung von 15 Leopard-I-Panzern Ende 1991.

1. August1. Internationales Kurdistan-Festival in Bochum

23. SeptemberBundesverteidigungsminister Volker Rühe kündigt Liefe-rung neuer Flugzeuge, Geschütze und Panzer an die Tür-kei an.

23. OktoberTürkei gibt zu, aus Deutschland gelieferte Panzer für diePKK-Bekämpfung genutzt zu haben (Fotos belegen durchSchützenpanzer zu Tode geschleifte Gefangene)

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26. MaiDebatte und Abstimmung über den Asylkompromiss, derde facto die Abschaffung des Rechts auf Asyl bedeutet.521 Abgeordnete stimmen für diese „Reform“, 132 dage-gen.

29. Mai Erste kurdische Großdemonstration in Bonn mit 100 000Teilnehmer/inne/n für die friedliche Lösung der Kurden-frage, mit Anhänger/inne/n fast aller nordkurdischer Orga-nisationen.

1. JuniDas neue Asylrecht tritt in Kraft. Fortan kann sich, wer auseinem Land anreist, in dem der Schutz vor politischer Ver-folgung ausreichend gewährleistet ist, nicht mehr auf denGrundgesetzartikel 16a berufen.

24. JuniProtestaktionen in europäischen Städten gegen türkischeVertretungen und Geschäfte, 14-stündige Besetzung desKonsulats in München; Schüsse aus der türkischen Bot-schaft in Bern auf Demonstrant/inn/en (1 Toter).

JuliBundeswehr-Generalinspekteur Naumann bezeichnetKampf des türkischen Staates gegen die PKK als „völliglegitim“.

22. OktoberTürkische Armeeeinheiten überfallen die kurdische StadtLice. Mindestens 30 Menschen werden getötet und mehrals 600 Häuser zerstört. In ganz Europa protestieren aufge-brachte Kurdinnen und Kurden gegen das Massaker undverüben Anschläge auf türkische Vertretungen undGeschäfte. In Wiesbaden kommt ein Mensch bei einemBrandanschlag ums Leben. Außenminister Kinkel reagiert:„Die PKK muss sofort verboten werden.“

9. NovemberLandesweite Razzien gegen die PKK in Frankreich

Mitte NovemberMehr als 20 000 Kurdinnen und Kurden demonstrieren inBonn gegen ein drohendes Verbot. Vergeblich appelliertdie kurdische Seite an die Bundesregierung, einen Beitragzu leisten zur Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts.

25. NovemberDer amtierende NRW-Innenminister Schnoor (SPD) prä-sentiert nach der Sitzung der Innenministerkonferenz derPresse die von Bundesinnenminister Kanther erlasseneVerbotsverfügung gegen die Betätigung der PKK.

26. NovemberPKK-BetätigungSverBot in DeutSchlanD (datiert vom 22.11.)gegen die PKK und 35 Vereine, Organisationen etc.: Bun-desinnenminister Manfred Kanther (CDU) verfügt das Ver-bot jeder Betätigung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)und der Nationalen Befreiungsorganisation (ERNK), dasVerbot und die Auflösung der Berxwedan Verlags GmbHund der kurdischen Nachrichtenagentur Kurd-Ha, der„Föderation der patriotischen Arbeiter- und Kulturvereineaus Kurdistan in der Bundesrepublik e.V. (FEYKA Kurdis-tan)“ sowie von 29 örtlichen kurdischen Vereinen inAachen, Berlin, Bielefeld, Bonn, Bremen, Bremerhaven,Celle, Dortmund, Duisburg, Düren, Frankfurt/Main, Frei-burg, Hagen, Hamburg, Hannover, Heilbronn, Ingolstadt,Kassel, Koblenz, Köln, Leverkusen, Mannheim, München,Nürnberg, Rendsburg, Saarbrücken, Siegen, Stuttgart undUlm und des „Kurdistan-Komitees e.V.“ in Köln. Begrün-dung: „Die Tätigkeit der PKK sowie ihrer TeilorganisationenERNK, Berxwedan Verlags GmbH und Kurd-Ha verstößtgegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährdetdie innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sons-tige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland.“Zur Erläuterung wird auf kurdische „Anschlagswellen“ inder Bundesrepublik im Jahr 1992 sowie im Juni und imNovember 1993 verwiesen. Als Verbotsgründe werden

1993

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weiter genannt „innerparteiliche gewaltsame Auseinan-dersetzungen“ in PKK-Strukturen in der BRD 1987 und1988. Im einzelnen heißt es dann u. a.: „Die PKK/ERNK rich-tet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung.[…] Die von Anhängern/Sympathisanten der PKK/ERNKbegangenen Straftaten in Deutschland und der Türkei mitdem Ziel, einen Teil des türkischen Staatsgebietes in einennoch zu gründenden kurdischen Staat zu überführen,erfüllen diese Voraussetzungen. Die Straftaten stören dasfriedliche Zusammenleben zwischen Kurden und Türkensowohl in der Türkei als auch in Deutschland.“ Zudem wür-den die kurdischen Aktionen in der BRD „das Verhältniszum türkischen Staat“ „erheblich“ „stören“, türkische Stel-len (ausdrücklich genannt wird u. a. die Ministerpräsiden-tin Tansu Ciller) hätten den Vorwurf erhoben, „die Bundes-regierung dulde PKK-Aktivitäten auf deutschem Bodenund kontrolliere sie nicht oder nur mangelhaft“. „Die politi-sche Agitation der PKK und ihr nahe stehender Organisa-tionen hat zwischenzeitlich ein außenpolitisch nicht mehrvertretbares Ausmaß erreicht. […] Diese Aktivitäten schä-digen bereits heute Deutschlands An sehen in der Türkeiund die bilateralen Beziehungen erheblich.“ „Eine weitereDuldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland würde diesedeutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und dasVertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wertgelegt wird, untergraben.“ (Alle Zitate aus der Verbotsverfügung).Praktisch zeitgleich mit den Verboten eröffnet die Bundes-anwaltschaft in Karlsruhe gegen eine unbekannte Zahlvon kurdischen Politiker/innen Ermittlungsverfahrenwegen Bildung bzw. Unterstützung einer „terroristischenVereinigung“.

Der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen: „DasPKK-Verbot muss als Ablenkungsmanöver von der direk-ten deutschen Verantwortung und Beteiligung an derKriegsführung der Türkei bewertet werden.“

27. NovemberDie türkische Tageszeitung „Hürriyet“ titelt „Danke schön,Herr Kohl!“ Sie berichtet, dass sich Kohl und die türkischeMinisterpräsidentin Tansu Ciller „mittels spezieller Kuriereauf dem Laufenden gehalten“ und aus konspirativen Grün-den „auf Telefongespräche verzichtet“ hätten.

30. NovemberZwei PKK-nahe Organisationen in Frankreich werden ver-boten.

10. DezemberIn der Türkei lässt die Regierung Ciller die Büros der pro-kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem überfallen undalle 210 Mitarbeiter/innen festnehmen.

21. Dezember25 Anwältinnen und Anwälte der kurdischen Vereine erklä-ren, dass Kanthers Verbot als „Dokument der juristischdürftig verbrämten Beihilfe zum Völkermord am Volk Kur-distans“ einzustufen sei, das „die Stimmen der Kurden ausder Türkei über die dortigen Zustände auch bei uns zumSchweigen bringen soll.“

1994JanuarEine kurdische Delegation in der BRD aus Mitgliedern der„Demokratie-Partei“ (DEP) und des Menschenrechtsver-eins IHD, darunter der stellvertr. DEP-Vorsitzende RemziKartal, der Bürgermeister der kurdischen Stadt Hakkari,Necdet Buldan, der IHD-Vorsitzende Ercan Kanar u. a., kriti-sieren das PKK-Verbot als „Ermunterung“ für den türki-schen Staat bei seiner „Unterdrückungs- und Gewaltpoli-tik“.

FrühjahrIn der Türkei verkündet Ministerpräsidentin Ciller, 1994werde man die PKK „auslöschen“. Im Vorfeld der für den27. März angesetzten Kommunalwahlen eskaliert der Ter-ror gegen die DEP-Partei. Während einer Parteisitzung inAnkara explodiert eine Bombe. Eine Person kommt umsLeben, 20 weitere Personen werden verletzt. Im März wirddie Immunität von sechs DEP-Abgeordneten im türki-schen Parlament aufgehoben. Die Abgeordneten (darun-ter Leyla Zana,Hatip Dicle, Orhan Dogan u.a.) wegen„Separatismus“ und Mitgliedschaft in bzw. Unterstützungeiner „bewaffneten Bande“ (gemeint PKK) verhaftet.

7. MärzAn diesem Tag endet der größte Prozess in der Geschichteder deutschen Strafjustiz in erster Instanz. Nach fast vier-einhalb Jahren Hauptverhandlung gegen ursprünglich 19angeklagte kurdische Aktivisten, denen Mitgliedschaft ineiner „terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK“(§129 StGB) vorgeworfen wurde, verkündet der Vorsit-zende Richter des 5. Staatsschutzsenats des OLG Düssel-dorf das Urteil gegen die vier verbliebenen Angeklagten.Zwei Kurden erhalten aufgrund von Aussagen eines Kron-zeugen eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes,zwei Freiheitsstrafen von sechs bzw. sieben Jahren mit derFolge, dass die Beiden nach Urteilsverkündung freigelas-sen wurden. Eigens für diese Verfahren wurde eine ehemalige Polizei-kaserne zu einer unterirdisch gelegenen und bombensi-cheren „Nebenstelle des OLG“ Düsseldorf umgebaut; Kos-tenaufwand für den Gerichtssaals: 8,5 Millionen DM. Seit Herbst 1988 waren die Richter des Staatsschutzsenatsausschließlich für den PKK-Prozess zuständig.

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20. MärzIn der BRD eskalieren zum kurdischen Nationalfest„Newroz“ die Konfrontationen der Polizei mit Kurd(inn)en.In fast allen Städten werden Veranstaltungen verboten,anreisende Busse auf der Autobahn von der Polizei ange-halten. Dabei kommt es zu heftigen Auseinandersetzun-gen bis hin zu Selbstanzündungen von Kurd(inn)en.Besonders eskalieren die Auseinandersetzungen in Augs-burg, wo CSU-Innenminister Günther Beckstein die Stadtabriegeln lässt und jeden Versuch der Kurd(inn)en, ihr Festzu feiern, brutal angreifen lässt. Ca. 500 Personalienfest-stellungen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren sinddie Folge, mindestens 17 Personen werden festgenom-men, viele sollen so rasch wie möglich abgeschoben wer-den. In Mannheim zünden sich zwei kurdische Frauen, Nil-gün Yildirim und Bedriye Tas, aus Protest gegen dieVerbote und die Verfolgung ihres Volkes an und sterben.Zur Verhinderung eines nachfolgenden Trauerzugs inMannheim zur Ehrung der Verstorbenen werden am 27.März bundesweit nach Presseberichte fast 32 000 Polizis-ten eingesetzt. Der Marsch mit ca. 10 000 Kurd(inn)en fin-det aber dennoch statt.

26. MärzDie BAW gibt die ersten Festnahmen im Rahmen ihresErmittlungsverfahrens gegen eine angeblich „terroristi-sche Vereinigung“ innerhalb der PKK (§129a StGB)bekannt: Zwei kurdische „Gebietsleiter“ im Raum Wiesba-den werden verhaftet.

27. MärzGründung von YEK-KOM (Föderation kurdischer Vereine inDeutschland). Die belgische Regierung erklärt, sie werdetrotz Drängens der Türkei kein PKK-Verbot verhängen.

AprilBeginn des Prozesses gegen Kurden, die im Juni 1993 dastürkische Konsulat in München besetzt hatten. Über Mün-chen wird der „Ausnahmezustand“ verhängt; 4000 Polizei-beamte sind im Einsatz. Es herrscht absolutes Demonstra-tionsverbot; an allen Zufahrtsstraßen nach Münchenwerden Kontrollen durchgeführt.

8. AprilWaffenlieferungen aus Deutschland an die Türkei werdenwegen des Vorwurfs eingestellt, dass deutsches Kriegsma-terial gegen Kurd(inn)en zum Einsatz komme.

12. AprilDas „Newroz-Koordinationsbüro“ in Frankfurt legt derÖffentlichkeit erneut Berichte über den Einsatz deutscherWaffen gegen die kurdische Bevölkerung vor.

26. AprilHeribert Prantl kommentiert in der Süddeutschen Zeitungim Zusammenhang mit „Abschiebevereinbarungen“ zwi-schen der Bundesregierung und Ankara u.a.: „[…] Es wäremehr als blauäugig zu glauben, ein Vertrag mit der Türkeikönne die abgeschobenen Kurden vor Folterungen schüt-

zen. Ein solcher Vertrag kann dem deutschen Staat nichteinmal als Feigenblatt dienen. Auch die Europäische Men-schenrechtskonvention, die von der Türkei unterzeichnetworden ist, hat sie nicht vom Terror gegen Kurden abge-halten. […]“

MaiIn Saarbrücken werden in einer Großrazzia gegen den kur-dischen Verein mehr als 50 Personen vorübergehend fest-genommen und ED-behandelt. Güler Yurtagul wird verhaf-tet und beschuldigt, führende Funktionärin in der„terroristischen Vereinigung“, der sog. ACM (EuropäischeFrontzentrale; Avrupa Cephe Merkezi) zu sein. Aufgrundihrer schweren Erkrankung wird sie im Frühjahr 1995 ausder Haft entlassen und das Verfahren wenige Monate spä-ter eingestellt.

4. MaiBundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel verkündet für dieBundesregierung die Wiederaufnahme der unterbroche-nen Waffenlieferungen an die Türkei. Trotz Vorliegens zahl-reicher Fotodokumente wird vertragswidriger Einsatz derWaffen von der Bundesregierung als „unbewiesen“ bestrit-ten.

18. Mai„Internationale Kurdistan-Konferenz“ in Brüssel: Kani Yil-maz erklärt für die ERNK-Europavertretung die Bereitschaftder PKK, „jeden von uns zu erwartenden Schritt für einepolitische Lösung zu unternehmen“. PKK-VorsitzenderÖcalan richtet eine Friedensbotschaft an die Konferenz.Nach einem IHD-Bericht soll die türkische Armee allein inden letzten zwei Wochen 138 kurdische Dörfer zerstörthaben, 35.000 Menschen seien auf der Flucht vor derArmee nach Südkurdistan (Irak).

16. JuniIn der Türkei wird die Demokratie-Partei (DEP) verboten;ihre sechs Abgeordneten im türkischen Parlament sind zudiesem Zeitpunkt bereits dreieinhalb Monate in Haft, 24ihrer Funktionäre in der kurzen Zeit ihrer legalen Existenzvon „unbekannten Tätern“ ermordet worden.

25. JuniIn Frankfurt demonstrieren ca. 100 000 Kurdinnen undKurden auf einer Großdemonstration „Für eine politischeund demokratische Lösung in Kurdistan“. Aufgerufen hat-ten ca. 80 kurdische und deutsche Gruppen, darunter zahl-reiche Kurdistan-Solidaritätsgruppen, medico, Pax Christi,Mitglieder von PDS, Grünen und Gewerkschaften u.v.a.

1. JuliIn Hannover wird der erst kurz zuvor in die BRD geflohenekurdische Jugendliche Halim Dener von einer Zivilstreife(SEK) nachts beim Kleben von Plakaten mit dem Aufdruckder ERNK von hinten erschossen. Die Polizeiversion: „Verse-hentlich“ habe sich ein Schuss gelöst, als der schon verhaf-tete kurdische Jugendliche zu fliehen versucht habe.

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9. Juli Etwa 30 000 zumeist kurdische Demonstranten beteiligensich an einem „Trauermarsch“ für den erschossenen HalimDener. Der Hannoveraner Oberbürgermeister HerbertSchmalstieg (SPD) drückt in einer Grußadresse sein tiefesBedauern über die Erschießung aus.

6. JuliDas Bayerische Oberste Landesgericht verhängt gegenBesetzer des türkischen Generalkonsulats in München imJuni 1993 Freiheitsstrafen. Neun Angeklagte werden zu jeviereinhalb Jahren Haft, einer zu zweieinhalb Jahren verur-teilt. Drei weitere Angeklagte erhalten je drei JahreJugendstrafe. Alle Strafen erfolgen wegen „gemeinschaftli-cher Geiselnahme“ in 21 Fällen.

19. – 21. JuliDer türkische Generalstabschef Güres ist zu Besuch in derBRD. Das DEP-Exilbüro meldet am ersten Tag des Besuchs,die türkische Armee habe am 18. Juli die kurdische StadtLice erneut in Brand gesteckt. Seit dem 1.1.1993 habe dieArmee 1274 kurdische Dörfer niedergebrannt, zerstört,entvölkert.

19. Juli Das Bundesverwaltungsgericht setzt die 1993 verhängtenVerbote Kanthers gegen 21 örtliche kurdische Vereine wie-der außer Kraft. Die Argumentation des Bundesinnenmi-nisters, diese Vereine seien „Teilorganisationen von FEYKAKurdistan“, sei nicht haltbar.

15. AugustEtwa 50 in deutschen Gefängnissen inhaftierte Kurdenbeginnen aus Protest gegen ihre Inhaftierung und die Kri-minalisierung von Kurden und Kurdinnen in Deutschland

einen mehrwöchigen Hungerstreik. Sie fordern eine politi-sche Lösung und die Freilassung aller kurdischen politi-schen Gefangenen.

18. AugustEine Fahrradtour von ca. 150 kurdischen Jugendlichen, dievon Bonn zur Tagung der UN-Menschenrechtskommissionin Genf führen soll, wird bereits bei der Abreise u. a. wegenTragens von Halim-Dener-T-Shirts von der Polizei mitSchlagstöcken und Tränengas angegriffen, viele Jugendli-che kommen verletzt ins Krankenhaus. 85 vorübergehendfestgenommene Personen werden ED-behandelt, darun-ter auch 22 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 13und 17 Jahren. Ein Teilnehmer: „Die Methoden der türki-schen Polizei sind in Deutschland angekommen.“ DieAktion wird später trotzdem fortgesetzt und kommt –trotz weiterer Angriffe – in Genf an, wo die Jugendlichenihre Dokumente der UNO übergeben dürfen.

2. SeptemberIn Heilbronn werden vier kurdische Jugendliche wegen„Autobahnblockaden“ im Zusammenhang mit dem kurdi-schen Newrozfest zu 8 bzw. 6 Monaten Haft auf Bewäh-rung verurteilt. Allein in Baden-Württemberg sollen wegendieser Vorwürfe ca. 40 Kurdinnen und Kurden inhaftiertsein, bundesweit über ca. 260.

12. SeptemberDer Kölner Polizeipräsident teilt dem Vertreter des kurdi-schen Agri-Verlags mit, dass gegen ihn wegen Verdachtsauf Verstoß gegen §90a StGB (Verunglimpfung der BRD)ermittelt werde. Grund: Der „Kurdistan-Report“, der vomVerlag vertrieben wird, beschuldige deutsche Stellen derBeihilfe zum „Völkermord in Kurdistan“.

24. SeptemberEin in Hannover geplantes kurdisches Kulturfestival wirdverboten. Es findet daraufhin in der niederländischenStadt Maastricht statt. Trotz erheblicher Schikanen durchdeutsche Behörden bei der Anreise nehmen über 100 000Kurdinnen und Kurden teil.

26. September – 3. OktoberKurdische Frauen führen einen langen Marsch „Gegen denschmutzigen Krieg in Kurdistan“ von Mannheim nachStraßburg zum Europaparlament durch. Auch dieserMarsch wird mehrfach von der deutschen Polizei angegrif-fen. Mehr als 300 Kurdinnen werden vorübergehend fest-genommen und ED-behandelt. Dennoch gelangen dieFrauen – per Bus – nach Straßburg, wo sie ihre Resolutiondem Europarat übergeben können.

28. SeptemberDas Europäische Parlament verurteilt das Verbot der DEPin der Türkei und friert die Beziehungen mit der türkischenRegierung wegen der zahlreichen Menschenrechtsver-stöße ein.

26. Oktober

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Der ERNK-Europasprecher Kani Yilmaz wird in London aufdem Weg zu einem Gespräch mit britischen Abgeordne-ten und Mitgliedern des Oberhauses über eine möglichepolitische Lösung des Kurdistankonflikts von der Polizeiverhaftet.

10. NovemberDer PKK-Vorsitzende Öcalan schreibt an Staats- und Regie-rungschefs von EU, OSZE, an UNO und NATO und fordertdiese auf, sich für eine politische Lösung der Kurdistan-Frage einzusetzen.

3. DezemberMinisterpräsidentin Tansu Ciller soll Bombenanschläge aufdie Büros der prokurdischen Tageszeitung „Özgür Ülke“angeordnet haben; ein Redaktionsmitglied stirbt, fünf wei-tere Mitarbeiter werden schwer verletzt.

8. DezemberDas Staatssicherheitsgericht in Ankara verurteilt die DEP-Abgeordneten Leyla Zana, Orhan Dogan, Ahmet Türk undSelim Sadak wegen „Bildung und Zugehörigkeit zu einerbewaffneten Gruppe“ zu 15 Jahre Haft, den AbgeordnetenSerhat Yurttas zu siebeneinhalb Jahren und die Abgeord-neten Sirri Sakik und Mahmut Alinak zu je dreieinhalb Jah-ren.

12. DezemberBundesweiter genereller Abschiebestopp von Kurd(inn)enals Reaktion auf die Verurteilung der DEP-Abgeordneten.

1995

Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine KleineAnfrage der PDS-Bundestagsfraktion kam es zwischenFebruar und April 1995 zu insgesamt 139 Brandanschlä-gen. Auf die Frage, welche Anschläge der PKK zuzurech-nen seien, heißt es ihn der Antwort: „Bei einer Vielzahl vonTaten – insbesondere bei Brandanschlägen auf türkischeReisebüros – ist anzunehmen, dass die PKK für dieAnschläge verantwortlich ist. Ansonsten finden sich nurvage Verdächtigungen, die auch andere Rückschlüsse aufeine Täterschaft zulassen. Später äußert sich BKA-SprecherHaiber zurückhaltender und erklärt, die Verwicklung derPKK in Anschläge seien lediglich Spekulationen.

16. FebruarIn Baden-Württemberg finden erneut bei 21 Vorstandsmit-gliedern kurdischer Vereine Razzien der Polizei statt. Vor-wurf: „Verdacht auf verbotene Propagandatätigkeit“zugunsten der PKK.

2. MärzBundesinnenminister Kanther verbietet das „Kurdistan-Informationsbüro“ in Köln. Vorwurf: das Büro sei Nach-folgeorganisation des 1993 verbotenen „Kurdistan-Komi-tees“ in Köln. In fünf Bundesländern werden in Zu sammenhang mit dem Verbot die Wohnungen von 9Vereinsmitgliedern durchsucht. Am gleichen Tag verbietetin Bayern CSU-Innenminister Beckstein erneut 5 kurdischeVereine bzw. deutsch-kurdische Vereine. Das Bundesver-waltungsgericht hatte den Vollzug der von Bundesinnen-minister Kanther gegen diese Vereine 1993 verhängtenVerbote erst vor wenigen Monaten ausgesetzt, nun verbie-tet sie der Landesinnenminister – mit leicht abgewandel-ter Begründung – erneut.

10. MärzBundesinnenminister Kanther und sein türkischer „Kol-lege“ Mentese tauschen einen Briefwechsel aus. Darin ver-sichert der türkische Innenminister, aus der BRD abge-schobene Kurdinnen und Kurden würden in der Türkeirechtsstaatlich einwandfrei behandelt. Der Bundesregie-rung dient dieser Briefwechsel seitdem als Vorwand für diebedenkenlose Abschiebung von Kurdinnen und Kurden,trotz aller Foltervorwürfe gegen türkische Polizei vonamnesty international, türkischen und kurdischen Menschenrechtsvereinen.

15. MärzAbschiebestopp wird nach türkischer Zusicherung derAuskunftserteilung vor Abschiebung über eine zu erwar-tende Strafverfolgung zurückgenommen.

15. MärzERNK eröffnet in Wien eine offizielle Vertretung.

29. März Rüstungshilfe für Türkei ausgesetzt wegen Benutzungdeutschen Kriegsgeräts bei türkischer Großoffensive inSüdkurdistan (Nordirak).

12. AprilIn Den Haag gründet sich das „Kurdische Exilparlament“.Zum Präsidenten des Parlaments wird Yasar Kaya (ehemalsDEP-Vorsitzender) gewählt. Dem Parlament gehören 65Mitglieder an, darunter ein armenischer und ein assyri-scher Abgeordneter.

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25. AprilDie ERNK eröffnet in Kopenhagen eine offizielle Vertretung.

4. MaiDer PKK-Vorsitzende Öcalan wendet sich erneut in einemAufruf an die deutsche Öffentlichkeit, fordert die Aufhe-bung des PKK-Verbots und Verhandlungen über eine poli-tische Lösung der kurdischen Frage und erklärt: „Wir wol-len nicht, dass es (in der BRD, d. Red.) zu Zwischenfällenkommt“.

8. MaiEin Sondereinsatzkommando der Polizei stürmt die Woh-nung von Esref G. in Berlin-Kreuzberg, riss Schubladen ausden Schränken und verwüstete die Zimmer. Seine Frauwird von einem Beamten in den Nacken geschlagen, sodass sie anschließend im Krankenhaus behandelt werdenmuss. Esref G. , seine Söhne Özgür und Orhan werden fest-genommen. Zeitgleich werden Familienangehörige von Esref G. in Kur-distan im Dorf Kasel, Kreis Varto, von türkischen Sicher-heitskräften verhaftet.

Die Wohnung von Atila G. in Rüsselsheim wird durch-sucht und er festgenommen wegen angeblicher Tätigkeitfür die PKK. Er hatte am 22. April zusammen mit andereneine Kulturveranstaltung in Kassel organisiert, an der etwa5000 Kurd(inn)en teilnahmen.

14. MaiBeamte von Sondereinsatzkommandos (SEK) und GSG-9stürmen eine Veranstaltung kurdischer Studierender inMainz und verhaften 111 Personen, von denen 70 bereitsam gleichen Abend, weitere 40 am nächsten Tag wiederfreigelassen werden. Eine Person bleibt in Haft, weil sieangeblich der „Europäischen Führungszentrale“ der PKKangehöre und für Anschläge verantwortlich sein soll.

19. MaiDie Innenministerkonferenz begrüßt den Briefwechselzwischen Kanther und Mentese, der die Abschiebung vonPersonen mit PKK-Bezug erleichtert. Ferner soll ermöglichtwerden, dass bereits vor der Abschiebung eine Kontakt-aufnahme zu türkischen Anwälten angeboten und/oderdie Rückkehr dortigen Organisationen angekündigt wer-den kann.

25. Mai Die ERNK eröffnet in Oslo ein offizielles Büro.

JuniDem Vater einer seit Dezember 1994 in Deutschlandwegen des §129a-Vorwurfs inhaftierten Kurdin gelingt dieFlucht nach Deutschland. Er wurde wegen seiner Tochtervon türkischen Sicherheitskräften bedroht und misshan-delt.

1. JuniDie ERNK eröffnet ein offizielles Büro in Helsinki. Der kurdische Agri-Verlag in Köln wird verboten undgeschlossen; 15 Tonnen kurdische Literatur werdenbeschlagnahmt.

8. JuniIm Rahmen eines Asylverfahrens führt das Verwaltungsge-richt Oldenburg in einem Urteil u. a. aus: „Nach überein-stimmender Erkenntnislage ist davon auszugehen, dassdie türkischen Sicherheitskräfte und der türkischeGeheimdienst in der Bundesrepublik Deutschland über einNetz von Mitarbeitern sowohl innerhalb als auch außer-halb ihrer diplomatischen Vertretungen verfügen, dieoppositionelle Aktivitäten beobachten und überwachen.Die türkischen Behörden verfolgen Aktivitäten kurdischerOrganisationen im In- und Ausland aufmerksam und leitendie gesammelten Informationen weiter. […] Az.: 11 A999/92

12. JuniDie letzten Abschiebestopps deutscher Bundesländer fürKurden laufen aus, am 13.6. wird noch ein 6-monatigerAbschiebestopp in Hessen wegen Menschenrechtsverlet-zungen verhängt

Mitte JuniUnter der Überschrift „Gemeinsam gegen die PKK – Bonnund Ankara vereinbaren engeres Zusammenarbeiten“berichten Medien von einem Treffen des Innen-Staatsse-kretärs Schelter mit Vertretern der türkischen Regierungund der Sicherheitsbehörden. Deutschland erklärt sichbereit, die Türkei bei der Modernisierung ihrer Polizei mitAus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie beim Austauschvon Straftäterdaten „ohne Verstöße gegen das Daten-schutzgesetz“ zu unterstützen. Die Türkei sagt den Einsatzunabhängiger Anwälte und Mediziner nach Ankunft vonAbgeschobenen zu sowie das „Nachschaurecht“ deutscherBehördenvertreter.

14 15 Jahre PKK-Verbot – eine Verfolgungsbilanz

Der Staat zielt auf die Köpfe,wir zielen auf Solidarität.

Die Rote Hilfe ist eine strömungsüber-greifende linke Solidaritätsorganisation.Unsere Unterstützung gilt all denjenigen,die aufgrund ihres politischen Engage-ments von staatlicher Repression be-troffen sind. Jeder Mitgliedsbeitrag, jedeSpende ist Ausdruck von Solidarität, hilftund ermutigt trotz Repression weiter zukämpfen. Solidarität muss auf vielenSchultern ruhen. Darum:Mitglied werden in der Roten Hilfe!

Solidarität ist eine Waffe!

Rote Hilfe e.V.

BundesgeschäftsstellePostfach 325537022 Göttingen

Spendenkonto:Kto-Nr.: 19 11 00 462 | BLZ: 440 100 46 | Postbank Dortmund

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17. JuniIn Bonn demonstrieren ca. 100 000 Kurdinnen und Kurden„Für eine politische Lösung in Kurdistan“.

4. JuliIn vielen Städten beginnen Hungerstreiks gegen das PKK-Verbot, gegen die deutschen Waffenlieferungen in die Tür-kei und für eine politische Lösung der kurdischen Frage.

13. – 16. JuliDeutsche und türkische Sicherheitsbehörden vereinbarennach einem Besuch des Staatssekretärs im Bundesinnen-ministerium, Dr. Kurt Schelter, in Ankara eine engereZusammenarbeit. U.a. will die BRD bei der „Modernisie-rung“ der türkischen Polizei durch „Aus- und Fortbildung“helfen.

26. Juli Kani Yilmaz, seit 1994 in Großbritannien inhaftierter PKK-Europasprecher, wird an Deutschland ausgeliefert.

27. Juli In Frankfurt wird der Hungerstreik an diesem Tag durcheinen brutalen Polizeiangriff gewaltsam beendet, die IGMedien in Frankfurt wirft der Polizei darauf „Methoden tür-kischen Militärs“ vor. Gegen die Teilnehmer/innen desHungerstreiks in Frankfurt werden in der Folge 300 Ermitt-lungsverfahren eingeleitet, einer der Teilnehmer wird einJahr später zu 3 Jahren Haft verurteilt, weil er eine „gefähr-liche und schwere Körperverletzung“ versucht habe – erhielt zum Zeitpunkt des Polizeiüberfalls ein Feuerzeug undden Gaskocher (für Tee!) der Hungerstreikenden in Hän-den. Auch in anderen Städten kommt es zu Polizeiangrif-fen auf die Hungerstreikenden. In Berlin stirbt die KurdinGülnaz Baghistani nach einem Polizeieinsatz gegen denHungerstreik. An einem Trauermarsch zu ihren Ehrenbeteiligen sich am 1. August ca. 10 000 Kurdinnen undKurden in Berlin.

AugustDer niedersächsische Verfassungsschutz verbreitet Mel-dungen, wonach alle deutschen Sicherheitsbehördengewarnt worden seien, es gebe Hinweise darauf, dass PKK-Mitglieder nun erstmals Schusswaffen gegen deutschePolizisten einsetzen wollten. Die PDS-Niedersachsen for-dert daraufhin die Entlassung des VS-Chefs von Nieder-sachsen. Wenig später distanzieren sich verschiedene Polizei- undVerfassungsschutzsprecher von diesen Behauptungen; esgebe solche Anhaltspunkte nicht.

SeptemberIn Neumünster werden kurdische Aktivisten von einerGruppe „Grauer Wölfe“ angegriffen. Der Kurde SeyfettinKalan wird dabei getötet, vier weitere werden Kurden ver-letzt.

Ende OktoberHeinrich Lummer trifft in Damaskus Abdullah Öcalan undbietet sich als Vermittler an. Im März 1996 leitet er einSchreiben der PKK an die türkische Regierung weiter.

10. NovemberEine für den 18. November in Köln geplante Demonstra-tion für eine politische Lösung in Kurdistan und gegen dieVerbote kurdischer Vereine wird verboten. Begründung:Die Anmelderin, die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke, sowiedie Veranstalter (u. a. BUKO, diverse AStEN, Antifa-Grup-pen, PDS NRW, Dritte Welt- und Kurdistan-Solidaritäts-gruppen) seien „Strohleute“ für die PKK.

15. NovemberDer Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein Hevalti in Bre-men wird von Innensenator Bortscheller (CDU) verboten.Begründung: Der Verein sei eine „ Volkstanzgruppe zur För-derung der PKK“.

21. NovemberDer bayerische Innenminister Günther Beckstein verbietetden „Kurdischen Elternverein“ in München. Bei der polizei-lichen Schließung des Vereins kommt es zu heftigen Pro-testen der anwesenden Kurdinnen und Kurden, die sichzeitweise in den Vereinsräumen verbarrikadieren. 16„Besetzer“ werden daraufhin verhaftet.

24. NovemberDie ERNK eröffnet ein offizielles Büro in Stockholm.

Anfang DezemberRechtsanwalt Feridun Yazar, Verteidiger der DEP-Abgeord-neten, erklärt anlässlich eines Deutschland-Besuchs:„Eigentlich hatte ich das so verstanden, dass die Zolluniondarauf hinwirken soll, dass die Türkei sich europäischenStandards annähert. Das Gegenteil ist aber vielmehr derFall: Deutschland nähert sich immer mehr der Türkei an.“

13. DezemberDas Europaparlament setzt die Zollunion mit der Türkei inKraft. Die grüne Abgeordnete Claudia Roth kritisiert dieEntscheidung als „Schwarzen Tag für die Demokratie“.Gleichzeitig mit dem Beschluss über die Zollunion appel-liert das EU-Parlament an die Konfliktparteien in der Türkeiund Kurdistan, eine politische Lösung der Kurdenfrageanzustreben.

14. DezemberDer PKK-Vorsitzende Öcalan verkündet einen neuen ein-seitigen Waffenstillstand.

24. DezemberBei den Wahlen zum türkischen Parlament scheitert dieHADEP trotz Stimmenanteilen von bis zu 51% in den kur-dischen Gebieten an der landesweiten 10%-Hürde.

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199613. JanuarEine Veranstaltung des AStA der Uni Hannover und desFrauenreferats beim AStA unter Mitwirkung des „FreienFrauenverbands Kurdistan“ (YAJK) über „Auswirkungendes Krieges und der Flucht auf das Leben von Frauen. Ver-gewaltigung und Folter als psychologische Kriegsführung.Frauenorganisierung in Kurdistan, den türkischen Metro-polen und Europa“, auf der u. a. die SPD-Landtagsabgeord-nete Hulle Hartwig, die Grüne Landtagsabgeordnete HeidiLippmann-Kasten und die PDS-BundestagsabgeordneteUlla Jelpke sprechen sollten, wird wegen unerträglicherPolizeipräsenz in den Veranstaltungsräumen kurz nachEröffnung abgebrochen.

19. JanuarDas EU-Parlament verabschiedet eine Entschließung „ZurLage in der Türkei und zum Waffenstillstandsangebot derPKK“. Darin protestiert das Parlament gegen Menschen-rechtsverletzungen und terroristische Taten in der Türkei,begrüßt den einseitigen Waffenstillstand der PKK und for-dert die türkische Regierung auf, auf dieses Angebot ein-zugehen, „Mittel und Wege zur Einleitung eines nationalenDialogs zu prüfen“ und die inhaftierten DEP-Abgeordne-ten sofort freizulassen.

20. JanuarEine kurdische Demonstration in Dortmund wird ausAnlass des 50. Jahrestages der Gründung der ersten kurdi-schen Republik Mahabad (Stadt in Ostkurdistan/Iran. Am22.1.1946 wurde die Republik Kurdistan ausgerufen. Siedauerte nur 1 Jahr. Der Präsident Qazi Mohammed wurdeam 31.3.1947 mit weiteren Gefolgsleuten auf dem Markt-platz von Mahabad erhängt) von der Polizei verboten. Esseien 60.000 Teilnehmer angekündigt, die Veranstaltungkönne also von der PKK „umfunktioniert“ werden, heißt esin der Begründung.

FebruarDer „Appell von Hannover“ wird veröffentlicht, in demunter Mitwirkung des Kurdistan-Informationszentrums inKöln zahlreiche deutsche Personen des öffentlichenLebens für einen Dialog und eine politische Lösung derKurdistan-Frage aufrufen sowie die Aufhebung der in derBRD verhängten Verbote gegen kurdische Vereine verlan-gen. In den folgenden Monaten steigt die Zahl der Unter-zeichner/innen auf über 500 Personen an.

11./12. FebruarDas Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskri-minalamt (BKA) verbreiten an die Presse Warnungen vorangeblich drohenden neuen „Gewalttaten“ der PKK gegendeutsche und türkische Einrichtungen in der BRD. In denMedien wird bundesweit ein Horrorszenarium entwickelt,wonach der PKK-Vorsitzende Öcalan angeblich mit neuenAnschlägen in Europa – insbesondere in Deutschland –gedroht habe, bei denen „Hunderte von Menschen

sterben“ könnten. Das Kurdistan-Informationszentrum inKöln nennt diese Propaganda eine „Täuschung der Öffent-lichkeit“.In Stuttgart kommt es im Zusammenhang mit einerangeblich geplanten und verbotenen Demonstration deskurdischen Jugendverbands zu einer breitflächigen „Kur-denjagd“ in der Stadt. Alle „kurdisch aussehende“ Perso-nen werden von Greifkommandos der Polizei (3000Beamte sind im Einsatz) überprüft, 98 Personen festge-nommen.

14. FebruarAnlässlich der Vorlage eines gemeinsamen Berichts vonBfV und BND, erklären auf Pressekonferenzen GBA KayNehm in Karlsruhe und der „Geheimdienstkoordinator“ imBundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, in Bonn, dass diePKK „die größte Gefahr“ für die innere Sicherheit Deutsch-lands darstelle. Auf Antrag des GBA sei das „20. mutmaßli-che PKK-Mitglied in U-Haft genommen“ worden. Darüberhinaus würde gegen „54 Beschuldigte Ermittlungsverfah-ren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft und Unter-stützung einer terroristischen Vereinigung“ geführt.

9. MärzBei einer Demonstration von etwa 1500 kurdischen unddeutschen Frauen in Bonn aus Anlass des InternationalenFrauentages kommt es zu schweren Auseinandersetzun-gen mit der Polizei.

12. März Eine für den 16. März angemeldete kurdische Großde-monstration in Dortmund wird verboten, u. a., weil sich dieDemonstration unter der Losung „Politische und demokra-tische Lösung in Kurdistan“ auf den einseitigen Waffenstill-stand der PKK positiv beziehe. Darin sei eine Steuerungdurch die PKK erkennbar. In der Folge kommt es zu einerpolizeilichen Abriegelung des Landes NRW: an allen grö-ßeren Straßen, Bahnhöfen, Grenzübergängen, Autobah-nen usw. werden einreisende Kurdinnen und Kurden fest-genommen, zurückgeschickt und an der Einreisegehindert. Dabei kommt es teilweise zu heftigen Aus-schreitungen von kurdischer Seite gegen die Polizei. In derFolge überschlägt sich die Presse gegen kurdische„Gewalttäter“ in der BRD, es kommt zu einer beispiellosenHetze. Außenminister Kinkel spricht von kurdischen „Mord-kommandos“, durch die er sich persönlich bedroht fühle.Der kurdische Dachverband YEK-KOM appelliert an diedeutschen Behörden, zu einem „Dialog“ zurückzukehren.Grüne, Flüchtlingsorganisationen, PDS, Gewerkschaften u.a. kritisieren die Eskalationspolitik in Dortmund und dasPKK-Verbot. CDU/CSU und FDP dagegen kündigen eineVerschärfung der Strafgesetze und der Abschiebungsrege-lungen gegen kurdische Straftäter und Verdächtige an.

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23./24. März Der 20. Strafverteidigertag in Essen verurteilt das „PKK-Ver-bot“. Die Bundesrepublik habe damit die „politische Ausei-nandersetzung mit dem kurdischen Unabhängigkeits-kampf zugunsten einer polizeilichen Unterdrückungaufgegeben.“ Das Verbot verstoße gegen Völkerrecht undnehme der kurdischen Bevölkerung in der BRD ihre„Grund- und Freiheitsrechte“.

2. AprilDie Kölner Boulevardzeitung „Express“ berichtet, die PKKbereite Attentate auf Bundeskanzler Helmut Kohl undAußenminister Klaus Kinkel vor. Von da an ist diese Mel-dung tagelang in allen Medien. Aus Ermittlungsakten wirdspäter bekannt, dass ein V-Mann der Polizei behauptethatte, die PKK habe für palästinensische Attentäter einehalbe Million Mark zur Verfügung gestellt. Im November meldet der „Spiegel“, dass derartige Mord-drohungen „heiße Luft“ gewesen seien: „[…] Auch Durch-suchungen förderten keinerlei Asservate … zutage. Unddie von dem Spitzel geschilderten ‚Verhaltensweisenhöherer PKK-Führungskader decken sich weitestgehendnicht mit den Erkenntnissen des Fachreferates ST 34(BKA).“

3. AprilBundesinnenminister Kanther teilt mit, dass er die Verbotevon 20 örtlichen kurdischen Vereinen nach dem Urteil desBundesverwaltungsgerichts „aus formalen Gründen“ auf-gehoben habe. Er halte die Vereine weiterhin für „verbots-bedürftig“. Betroffen seien kurdische Vereine in NRW, Ber-lin, Bremen, Hessen, Baden-Württemberg, Hamburg,Schleswig-Holstein, Saarland. Tatsächlich hat zu diesemZeitpunkt lediglich Bayern sofort nach der Aussetzung vonKanthers Verboten eigene Vereinsverbote verhängt.

4. AprilDer britische Sender BBC strahlt ein Interview mit demPKK-Vorsitzenden Öcalan aus, in dem er nach den inDeutschland in der Presse kursierenden angeblichen Dro-hungen der PKK gegen deutsche Politiker befragt wird.Öcalan nennt diese Drohungen frei erfunden. Gewaltak-tionen in Deutschland seien „sinnlos und naiv“ und wür-den von ihm abgelehnt.

10. AprilIn Stuttgart beginnt ein §129a-Prozess wegen angeblicherMitgliedschaft und/oder Unterstützung einer „terroristi-schen Vereinigung in der PKK“ – diesmal gegen drei kurdi-sche und einen türkischen Angeklagten.

26. AprilBaden-Württembergs SPD-Innenminister Birzele verbietetden Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein in Stuttgart.Dieser fördere und ermögliche in den von ihm gemietetenVereinsräumen und auf seinen Veranstaltungen systema-tisch die Fortsetzung der Tätigkeit der verbotenen PKK.

30. AprilDas Bundesverwaltungsgericht stellt fest, Kurd(inn)en ausder Türkei hätten keinen generellen Anspruch auf Asyl.

MaiIn mehreren deutschen Rundfunk- und Presseinterviewsbestreitet Öcalan Morddrohungen gegen deutsche Politi-ker, räumt Fehler der PKK in der Vergangenheit ein undversichert künftige Gewaltfreiheit der PKK in Deutschland.

8. MaiVor dem Landgericht Hannover beginnt der Prozess gegenden SEK-Beamten Klaus T. wegen der Tötung des kurdi-schen Jugendlichen Halim Dener vor knapp 2 Jahren inHannover. Das Verfahren platzt nach wenigen Verhand-lungstagen wegen schwerer Formfehler der Strafkammer.

13. Mai Der verantwortliche Redakteur der Zeitschrift „Biji - Infor-mationen aus Kurdistan und der BRD“ wird wegen 10 Ver-stößen gegen das „PKK-Verbot“ durch Abdruck von PKK-,ERNK- oder ARGK-Dokumenten verurteilt.

24. MaiZeitungen melden: Deutsche und französische Firmenwollen der Türkei 30 Kampfhelikopter vom Typ „Puma“ ver-kaufen. Die Verhandlungen stünden kurz vor demAbschluss.

27. MaiProf. Gottstein (IPPNW), Prof. U. Albrecht (Berlin), Prof. Dr.Norman Paech (Hamburg) und Hans Branscheidt (medicointernational) bringen von einem Besuch beim PKK-Vorsit-zenden einen Brief mit, in dem dieser auf den anhaltendenWaffenstillstand hinweist, sein Interesse an einer politi-schen Lösung des Kurdistan-Konflikts unterstreicht undPKK-Anhänger in der BRD auffordert, „die Rechtsordnungihrer demokratischen Gastländer zu befolgen“.

15. JuniIn Hamburg demonstrieren unter der Losung „Friedenjetzt“ mehrere zehntausend Kurdinnen und Kurden. DerInnensenator und der Regierende Bürgermeister sendenGrußbotschaften und bedanken sich für den friedlichenAblauf.

18. September Polizisten in Baden-Württemberg durchsuchen in Stutt-gart, Tübingen und Reutlingen Privatwohnungen undBüros. Betroffen sind Mitglieder des „Stuttgarter Komiteeszur Unterstützung der politischen Gefangenen“ und des„Kurdischen Kultur- und Sportvereins Tübingen“. Anlass istu. a. ein Flugblatt, in dem das Vorgehen der Polizei gegenKurdinnen und Kurden als „immer brutaler“ eingestuftwird. Das weckt nach Auffassung der Strafverfolgungsbe-hörden den Verdacht einer Straftat nach §90a („Verun-glimpfung der BRD“) und der Zuwiderhandlung gegen dasPKK-Verbot.

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19. September Das EU-Parlament verurteilt erneut die Menschenrechts-verletzungen in der Türkei, den Plan der Türkei, eine„Sicherheitszone“ in Südkurdistan (Nordirak) zu errichten,und fordert die Freilassung der inhaftierten kurdischenAbgeordneten der DEP. Die Türkei komme ihren Verpflich-tungen in Menschenrechtsfragen, die sie auch mit demVertrag über die Zollunion bekräftigt habe, nicht nach. AlleMittel für die Türkei aus dem MEDA-Programm werdengesperrt.

21. SeptemberIm Müngersdorfer Fußball-Stadion in Köln findet wiederein „Friedensfestival Kurdistan“ statt. BundesinnenministerKanther hatte in Briefen an den NRW-Innenminister biszuletzt vergeblich versucht, diesen zu einem Verbot zubewegen, weil das Festival „von der PKK gesteuert“ sei.Zwischen 60 000 und 70 000 Kurdinnen und Kurden neh-men an diesem Festival teil.

OktoberEs wird bekannt, dass die BRD zwei Fregatten an die Türkeiliefern wird. Die Bundesregierung finanziert dies miteinem Zuschuss in Höhe von 150 Millionen DM.

22. OktoberZwei kurdische Angeklagte in Stuttgart werden entlassen,gleichzeitig im gesamten Bundesgebiet über 100 Durch-suchungen durchgeführt. Vorwürfe sind u.a. Spendengel-derpressung, Fortsetzung einer verbotenen Vereinigungusw. Beweise: ein „Zeuge vom Hörensagen“ (Spitzel). DieFreilassung der beiden inhaftierten Kurden am gleichenTag war vom Gericht angeordnet worden, das zugleich das

§129a-Verfahren gegen sie einstellt. Begründung: DieBeweismittel stammten aus illegalen Lauschangriffen derPolizei gegen kurdische Vereinsräume.

Anfang NovemberRechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz veröffentlicht eineÜbersicht über §129a-Verfahren gegen Kurdinnen undKurden in der BRD. Danach sind zu der Zeit 3 kurdischePersonen aus früheren Prozessen rechtskräftig wegen Ver-stoßes gegen §129a in Haft. Gegen 24 weitere, die schoninhaftiert sind, werde ermittelt, davon ist gegen 15 Inhaf-tierte der Prozess eröffnet. Die BAW habe gegen 50 wei-tere Gesuchte fertige Haftbefehle.

Mitte NovemberDer Bundestag beschließt eine drastische Verschärfungder Abschiebungsbestimmungen. So sollen künftig Perso-nen beim bloßen Verdacht einer Straftat abgeschobenwerden können – eine gerichtliche Überprüfung der poli-zeilichen Beschuldigung ist danach nicht mehr erforder-lich.

13. DezemberDie Bundesregierung beantwortet zwei Anfragen der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS). Sowohl die Fragen nachrechtskräftigen Urteilen gegen angebliche „PKK-Anhän-ger“ wegen Rauschgifthandel (Drucksache 13/6580) wieauch wegen angeblicher „Spendengelderpressungen“(Drucksache 13/6579) kann die Bundesregierung nicht beant-worten, da sie darüber angeblich keine Statistik führe. Wasden Vorwurf des Drogenhandels betrifft, kann die Bundes-regierung nur bestätigen, dass türkische Stellen die PKKbeschuldigen.

199718. JanuarDie Polizei stürmt kurdische Vereinsräume in Kassel. 40Personen werden durchsucht, darunter Frauen, alte Leuteund Kinder. Ihr persönliches Geld wird unter dem Vor-wand, es handele sich um „Spendengeld für die PKK“,beschlagnahmt. Kinderbücher und Musikkassetten wer-den konfisziert und alle Anwesenden festgenommen.

21. Januar Ein Frankfurter Richter stellt in einem Verfahren gegenDrogenhändler in seiner mündlichen Urteilsbegründungfest, dass die frühere türkische Ministerpräsidentin TansuCiller tief in den Heroinhandel verstrickt sei. Die beidenangeklagten Drogenhändler verfügten über „exzellenteVerbindungen zur türkischen Regierung“. Die türkischeRegierung reagiert empört. Eine Anfrage der PDS-Abge-ordneten Ulla Jelpke nach „möglichen kriminellen Verstri-ckungen von türkischen Amtsträgerinnen und Amtsträ-gern und deren Verbindungen in die BundesrepublikDeutschland“, in der auch nach den Kenntnissen der Bun-desregierung über den „Susurluk“-Skandal und mögliche

Einreisen des Mafiosi und Killers, Abdullah Catli, in die BRDtrotz internationalen Haftbefehls gefragt wird, beantwor-tet die Bundesregierung ausweichend. (Drucksache 13/7183).

Seit Anfang des Jahres häufen sich Meldungen, dass indie Türkei abgeschobene Kurdinnen und Kurden dortspurlos verschwinden. Am 25. März antwortet die Bundes-regierung auf eine Anfrage der PDS-Abgeordneten UllaJelpke wegen Folterungen und „Verschwinden“ von in dieTürkei abgeschobenen Kurdinnen und Kurden. EinzelneVorwürfe seien ihr bekannt, aber zu weiteren Nachfor-schungen oder zu einer Änderung ihrer Politik sehe sie kei-nen Anlass. Die türkischen Beteuerungen einer „rechts-staatlich einwandfreien“ Behandlung abgeschobenerPersonen würden von Bonn nicht bezweifelt. (Drucksache13/7156 und 7157)

9. AprilDer Bundesgerichtshof bestätigt ein Urteil gegen der pres-serechtlich Verantwortlichen der Zeitschrift „Biji-Informa-tionen aus Kurdistan“ und hebt den Freispruch des Redak-teurs des „Kurdistan-Rundbriefs“ aus der 1. Instanz auf.

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Tenor beider Urteile: Die Veröffentlichung von Dokumen-ten von PKK und ERNK sei nach dem von Kanther verhäng-ten PKK-Verbot strafbar, die Pressefreiheit eingeschränkt.

13. AprilAuf dem 21. Strafverteidigertag in Kassel verabschieden500 Anwältinnen und Anwälte bei wenigen Gegenstim-men eine Resolution, mit der die Aufhebung des PKK-Betä-tigungsverbots gefordert wird. Das Verbot habe zu „Hun-derten von Verfahren bei den Staatsschutzkammern derLandgerichte“ geführt sowie zu noch mehr Verfahrenwegen angeblicher „Nötigung“ (Straßenblockaden) usw. Eshabe sich „als Mittel der Eskalation mit der zwangsläufigenFolge immer weiterer polizeilicher Maßnahmen und Straf-verfolgung“ erwiesen und müsse aufgehoben werden.Nötig sei „Deeskalation und eine offene politische Ausei-nandersetzung auch unter Anerkennung der Menschen-rechte und des Selbstbestimmungsrechtes des kurdischenVolkes“.

17. – 20. AprilEine Delegation aus Vertretern von Pro Asyl, dem früherenNRW-Innenminister Schnoor (SPD), des LandeskirchenratsRheinland u. a. reist durch die Türkei. In ihrem veröffent-lichten Abschlussbericht stellen sie als Ergebnisse ihresBesuches u.a. fest: „Systematische Folter, vom Staatgedeckt“, „zunehmende Rechtsunsicherheit und Unbere-chenbarkeit durch die Aushöhlung und Zerstörung demo-kratischer Institutionen“, „Behinderung und Zerstörung derkurdischen Kultur und der kurdischen Sprache“ und eineakute „Rückkehrgefährdung abgeschobener Asylbewer-ber/innen aus Deutschland.“

26. April In Düsseldorf beteiligen sich etwa 65.000 Kurdinnen undKurden an einer Demonstration „Zeit für Frieden in Kurdis-tan“.

29. Mai Der zweite Anlauf beginnt im Prozess gegen den SEK-Beamten Klaus T. wegen Erschießung des kurdischenJugendlichen Halim Dener im Sommer 1995 in Hannoverbeim Plakate kleben. Das Verfahren endet am 27.6. mitdem Freispruch des SEKlers.

6. JuliIn München werden die Räume des „Vereins für interkultu-relle Zusammenarbeit - Mesopotamia“ von SEK und Bereit-schaftspolizei durchsucht. Vorwand ist ein geplanter Hun-gerstreik, in dem alewitische Vereine an das Massaker vonSivas erinnern wollen, bei dem 35 alewitische Intellektu-elle und Künstler 1993 von islamischen Fundamentalistenin der Türkei ermordet wurden. Die Münchner Polizei ver-mutet einen „Verstoß gegen das PKK-Verbot“.

8. AugustDas Bundesjustizministerium bestätigt in einer Rechtsaus-kunft in einem Asylverfahren vor dem VerwaltungsgerichtGießen einen beständigen Datenaustausch zwischen

deutschen und türkischen Justizbehörden, Polizei undGeheimdiensten. Grundlage sind mehrere Abkommen, sodas „Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe inStrafsachen“ aus 1959 plus Zusatzprotokolle, das „Europäi-sche Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus“von 1997. Danach werden den türkischen Stellen regelmä-ßig alle Strafnachrichten übersandt sowie auf Ersuchenauch Daten zu nicht rechtskräftig abgeschlossenen Ermitt-lungsverfahren.

19. AugustAbdullah Öcalan sagt in einem ZDF-Interview bedin-gungslosen Gewaltverzicht der PKK in Deutschland zu.

20. August400 Polizeibeamte durchsuchen bundesweit 18 Wohnun-gen von Kurdinnen und Kurden und sechs Vereine. SechsPersonen werden festgenommen. Nach sieben weiterenwird gefahndet. Vorwurf: Spendengelderpressung. B eweis:2 verletzte Personen sowie 10 weitere Zeugen, die angeb-lich „wie Spitzenpolitiker rund um die Uhr“ geschützt wer-den müssten.

AugustDer „Friedenszug Musa Anter“, der am 26. August in Brüs-sel nach Diyarbakir aufbrechen sollte, um für ein Ende desKrieges und eine politische Lösung der Kurdenfrage zuwerben, kann nach türkischer diplomatischer Interventionnicht fahren. Bundesinnenminister Kanther weist kurz vorAbfahrt des Zuges den Bundesgrenzschutz an, nicht-deut-sche Mitreisende des Zuges an der Einfahrt zu hindern, dader Verdacht bestehe, sie würden auf dem Boden der BRDgegen Strafgesetze verstoßen wollen. Darauf kündigt dieBundesbahn den Vertrag über den Zug. Die Teilnehmermüssen mit Flugzeugen nach Istanbul fliegen, ihr Versuch,von dort mit dem Bus nach Diyarbakir zu gelangen, schei-tert kurz vor der Stadt an einer türkischen Militärsperre,die definitiv erklärt, bei Weiterfahrt werde geschossen.

3. September In PKK-Prozessen in der BRD zeichnen sich Möglichkeitenfür einen Kompromiss ab: Die Bundesanwaltschaft lässtden Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer terroristischenVereinigung (§129a StGB) fallen. Im Gegenzug gestehenAngeklagte eine Verantwortung innerhalb der PKK (nachEinschätzung der Zeitung „taz“ handelt es sich um einenindirekten Deal zwischen Öcalan und BAW, um nach vielenDeeskalationsschritten den Boden für die Aufhebung desPKK-Verbots zu bereiten).

7. SeptemberErneut beteiligen sich 70 000 Kurdinnen und Kurden imMüngersdorfer Stadion in Köln an einem kurdischen Kul-turfestival.

24. September Es wird bekannt, dass die Bundesregierung an die Türkei„Beobachtungs- und Aufklärungsgeräte zur mobilenGrenzüberwachung einschließlich Satellitentelefonen“ lie-

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fern will. Wert der Lieferung: 61,5 Mio. DM. Empfänger: derDistriktgouverneur von Diyarbakir. Die Bundesregierunghilft mit einer Bürgschaft. Die Grünen im Bundestag bean-tragen, die Genehmigung für die Lieferung zurückzuneh-men (Drucksache 13/8564).

13. OktoberIn Frankfurt endet der §129a-Prozess gegen drei kurdischeAngeklagte. Sie werden zu Haftstrafen von zweieinviertel,sechseinhalb und elf Jahren verurteilt wegen „Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung“. Damit werdensie für zahlreiche Taten in Hessen, bei denen es 1993 inWiesbaden einen Toten gab, politisch und strafrechtlichverantwortlich gemacht, obwohl das Verfahren wegen desWiesbadener Anschlags gegen kurdische Beschuldigteschon vor Jahren eingestellt worden war und das zustän-dige Gericht seinerzeit eine Steuerung des WiesbadenerBrandanschlags auf ein türkisches Vereinslokal durch diePKK für nicht erwiesen hielt.

19. OktoberAn diesem Tag erhält der kurdische Schriftsteller YasarKemal den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Beider Preisverleihung in Frankfurt greift der SchriftstellerGünter Grass die Kurden- und Flüchtlingspolitik der Bun-desregierung scharf an.

3. –26.NovemberMit einer Rundreise unter der Losung „Dialog statt Verbot“,durch Infoveranstaltungen und Besuche bei Landtagenversucht der kurdische Dachverband YEK-KOM auf eineAufhebung des PKK-Verbots hinzuwirken. In mehrerenStädten wird die Delegation freundlich empfangen, in Nie-dersachsen und vor allem in Bayern kommt es dagegen zuerheblichen Behinderungen bis hin zu direkten Verbotenvon Informationsständen und Kundgebungen. Am Endeübergeben die Teilnehmer/innen der Innenministerkonfe-renz in Schwerin ihre Forderungen. Diese lehnt eine Auf-hebung des PKK-Verbots ab. Im Zusammenhang mit derRundreise veröffentlichen grüne Politiker aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Berlineine „Norddeutsche Erklärung gegen das PKK-Verbot“.

9. Dezember Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin bestätigt das vonKanther verhängte Verbot des „Kurdistan-Komitees“ inKöln, weil sich das Komitee in die Strukturen der PKK ein-gefügt und innerhalb dieser Strukturen „arbeitsteilig“ mit-gewirkt habe und sich von den „Anschlagswellen“ von1993 nicht distanziert habe. Die Verteidigung kündigtRevision beim Bundesverfassungsgericht an.

13. JanuarGeneralbundesanwalt Kay Nehm: PKK wird nicht mehr als„terroristische“ (§129a), sondern als „kriminelle“ (§129) Ver-einigung eingestuft.

15. JanuarDas Europaparlament verabschiedet im Zusammenhangmit der kurdischen Fluchtwelle eine Resolution, die die ita-lienische Position in dieser Frage stützt und eine interna-tionale Konferenz zur Lösung des „Kurdenproblems“ vor-schlägt.

11. FebruarDas Oberlandesgericht Celle verurteilt Kani Yilmaz zu einersiebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe. Da der Vollzug derStrafe zugleich mit dem Urteil nach der halben Haftzeitbeendet werden soll („Halbstrafenregelung“), wird ergleich nach der Urteilsverkündung freigelassen.

AprilReise von NRW-Landtagsabgeordneten unter Leitung vonInnenminister Kniola in die Türkei, um sich über Lage derKurden und der Menschenrechte für bessere Beurteilungeiner „inländischen Fluchtalternative“ zu informieren, wirdvon türkischer Regierung abgesagt.

27. JuniDie türkische Regierung verweigert deutscher Delegationunter NRW-Bauminister Michael Vesper Transit durch Tür-

kei und Einreise in den Nordirak (Südkurdistan). Sie miss-billigt deren Aufenthalt in Diyarbakir wegen angeblicherSicherheitsbedenken (Reise war auf Einladung der Regio-nalregierung der autonomen kurdischen Gebiete zu dorti-gen NRW-geförderten Wiederaufbauprojekten geplant).

9. OktoberDer PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan verlässt Syrien nachDrohungen und Truppenaufmarsch der Türkei gegenSyrien. Am 12. November erreicht er Italien.

20. NovemberDeutschland verzichtet auf Ersuchen zur Auslieferung vonAbdullah Öcalan aus Italien trotz bestehendem Haftbefehl.Eine Woche später verkündet italienische und deutscheRegierung, Öcalan vor Gericht stellen zu lassen und eineeuropäische Initiative für friedliche politische Lösung derKurdenfrage einleiten zu wollen.

1998

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199915. FebruarÖcalan wird aus Nairobi/Kenia in die Türkei verschleppt. Esfolgen weltweit massive Proteste gegen die Entführungund die internationale Zusammenarbeit verschiedenerGeheimdienste.

17. Februar Demonstrationen, Protestaktionen, Besetzungen von tür-kischen, deutschen, griechischen und kenianischen Ein-richtungen (Konsulate, Parteibüros, Fremdenverkehrsbü-ros) finden auch in Deutschland statt – so u. a.Demonstration auf dem Gelände des israelischen General-konsulats in Berlin. Hierbei werden 4 Kurd(inn)en vonisraelischen Sicherheitskräften erschossen und 13 weitereteils lebensgefährlich verletzt. Die Schützen werden sofortnach Israel ausgeflogen und genießen diplomatischeImmunität, während die Opfer teilweise auch nach mehrals drei Jahren noch vor Gericht gebracht werden.Es kommt infolge der Aktionen zu massenhaften vorüber-gehenden Festnahmen und Verhaftungen.

25. FebruarLaut Generalbundesanwalt Kay Nehm gegenüber derFrankfurter Rundschau bestehen „keine ausreichendenAnhaltspunkte für zentral gesteuerte Straftaten durchPKK“ hinsichtlich der Protestaktionen wegen der Öcalan-Entführung.

21. JuliBundesaußenminister Joseph Fischer reist in der Türkei.Zur gleichen Zeit wird Cevat Soysal, seit 1995 anerkannterpolitischer Flüchtling in Deutschland, aus Moldawien indie Türkei verschleppt (am 25.2.2002 wird er dort zu 18Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt). Fischer erwähntdiesen Vorfall gegenüber seinen türkischen Gesprächs-partnern nicht.

2. AugustAbdullah Öcalan ruft die PKK zur Beendigung des bewaff-neten Kampfes und zum Rückzug der Guerilla vom türki-schen Territorium auf. PKK und ARGK beschließen das am5. und 6. August.

7. SeptemberDer Verfassungsschutz NRW verweist auf die „ernsthaftenBemühungen der PKK-Führung, vermutete Aktionen ein-zelner PKK-Anhänger zu unterbinden“.

10. DezemberDie Türkei erhält auf EU-Gipfel in Helsinki den Kandidaten-status für einen EU-Beitritt

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200131. MaiAuf einer Pressekonferenz in Berlin wird die Unterschrif-tenkampagne „Auch ich bin PKKler/in“ angekündigt, die inEuropa und der Türkei durchgeführt werden soll als Auf-takt zur zweiten Phase der PKK-Friedensoffensive, inDeutschland auch als zur Aufhebung des PKK-Verbots. BisJahresende werden ca. 120.000 Selbstanzeigen in Europagesammelt. Die in Deutschland unterschriebenen Be -kennt nisse werden Bundestags- und Landtagsabgeordne-ten sowie zuständigen Behörden überreicht mit demAppell, die friedenspolitischen Bemühungen der kurdi-schen Bewegung zu unterstützen, die Haltung zu ihr zuändern und in einen Dialog zur Lösung der Konflikte zutreten. Doch was in den kommenden Monaten (und nochJahren) folgt, ist eine neue Kriminalisierungswelle gegendie Unterzeichner/innen. Maßgeblich ist der Passus in der

Selbstbezichtigung, dass man das Verbot nicht weiterakzeptieren wolle. Massenhaft wurde wegen Verstoßesnach dem Vereinsgesetz ermittelt, angeklagt und verurteilt. Bis heute – 2008 – wird die 2001 geleisteteUnterschrift vielen Kurd(inn)en zum Verhängnis, z.B. bei Ein bürgerungsanträgen, Aufenthaltsverlängerungen, Nie-derlassungserlaubnissen etc. (Obligatorische) Nachfragenbei Verfassungsschutzämtern und entsprechende„Erkenntnisse“ führen dann zu ablehnenden Bescheiden.

29. OktoberFestnahme des kurdischen Politikers Şahin Engizek wegenmutmaßlicher Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereini-gung (§129). Seine Kontakte zu staatlichen und gesell-schaftlichen Institutionen und Personen seien nur dieErfüllung von PKK-Vorgaben für die neue Friedensstrate-gie, so die zentralen Vorwürfe der Anklagebehörde.

12. Januar3 Redaktionsbüros der bei Frankfurt/M. ansässigen prokur-dischen Zeitung „Özgür-Politika“ und die Wohnungen von3 Journalisten werden aufgrund eines Durchsuchungsbe-fehls vom 29. September 1999 polizeilich durchsucht. DieRazzien erfolgen wegen der (angeblich gegen das PKK-Verbot verstoßenden) Veröffentlichung von Öcalan- undPKK-Verlautbarungen. Analog hierzu richtet das türkischeJustizministerium eine Warnung an die Medien, Erklärun-gen von Öcalan zu verbreiten.

23. JanuarAuf dem außerordentlichen 7. PKK-Parteikongress wird der„demokratisch-politische Kampf als grundlegende Ausei-nandersetzungsform der neuen Parteistrategie“ beschlos-sen.

FrühjahrBundesregierung erklärt, dass eine Aufhebung des PKK-Verbots aus innenpolitischen Gründen nicht vor nächsterBundestagswahl stattfinden werde.

2. SeptemberDie hohe Beteiligung beim 8. Internationalen KurdischenKulturfestival in Köln widerlegt die Erwartungen aufSchwächung der PKK nach Öcalan-Gefangenschaft undbestätigt den Friedenskurs der PKK.

Oktober 1999 bis Oktober 2000Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. für Kurdinnen und Kurdenin Deutschland veröffentlicht eine Bilanz. Danach kam esim genannten Zeitraum zu: 11 Verhaftungen, 71 Festnah-men, 175 Razzien in Vereinen und Wohnungen, Gesamt-haftstrafen von 59 Jahren und 9 Monaten, Gesamtbewäh-rungsstrafen von 10 Jahren und 4 Monaten, 45 kurdischenpolitischen Gefangenen in Deutschland.

2000

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13. JanuarDer kurdische Politiker Ali S. wird in Mannheim verhaftetund in Untersuchungshaft genommen. Ihm wirft die Bun-desanwaltschaft vor, von April 2001 bis Februar 2002Funktionär der innerhalb der PKK bestehenden kriminel-len Vereinigung (§129 StGB) gewesen zu sein.JanuarDer Generalbundesanwalt (GBA) hat beim Oberlandesge-richt Koblenz Anklage erhoben gegen den „mutmaßlichenPKK-Funktionär” Bozan A. Der am 18. August 2002 auf demFlughafen Düsseldorf festgenommene 30-Jährige soll imJahre 1997 der PKK angehört und auf regionaler Ebene dieJugendorganisation YCK geleitet haben. Damit habe er die

„innerhalb der PKK-Führung bestehende kriminelle Verei-nigung” unterstützt. Zusammen „mit der ihm vorgesetztenRegionsverantwortlichen Dilek K.” habe er „als Reaktion aufden Einmarsch türkischer Militärkräfte in den Nordirak am14. Mai 1997” beschlossen, „mehrere Brandanschläge auftürkische Einrichtungen zu verüben”.

9. Januar Etwa 30 zivile und uniformierte Polizeibeamte durchsu-chen in Berlin ohne Vorlage eines Durchsuchungsbefehlsden Verein „Mala Kurd”. An der Aktion war auch ein tür-kisch stämmiger Zivilpolizist beteiligt. Hierbei wurden dieAusweise der Anwesenden kontrolliert, Ramazan Demir

20025. FebruarDie PKK teilt der Öffentlichkeit mit, dass alle Arbeiten unterdiesem Namen eingestellt werden, woraufhin die Bundes-anwaltschaft erklärt, dass dies keine Auswirkungen aufanhängige Strafverfahren gegen PKK-Funktionäre inDeutschland haben werde.

16. AprilEs wird die Gründung des „Kongresses für Freiheit undDemokratie in Kurdistan“ (KADEK) bekanntgegeben. Dasbayerische Innenministerium erklärt umgehend, dass Sat-zung und Führungspersonal von PKK und KADEK überein-stimme. Bundesinnenminister Otto Schily behauptet,KADEK sei Ersatzorganisation der PKK und weitet das Ver-bot aus.

22. AprilIn Kiel werden 6 Wohnungen von Kurden durchsucht.Ihnen wird angebliche Unterstützung der PKK vorgewor-fen. Die Polizei beschlagnahmt Bücher, Zeitungen und Bro-schüren. Einer der Betroffenen wurde zur ED-Behandlungauf eine Polizeistation mitgenommen. Nach seiner Weige-rung, den Unterstützungsvorwurf zu bestätigen, soll diePolizei ihm Angebote zu Spitzeltätigkeiten unterbreitethaben.

2. MaiDie PKK wird auf die EU-“Terrorliste“ gesetzt.

28. JuniEröffnung des ersten Prozesses im Zusammenhang mitder 2001 gestarteten Identitätskampagne „Auch ich binPKKler/in“ vor der Großen Strafkammer 22 des Landge-richts in Hamburg. Angeklagt ist Hamide S., die gemein-sam mit anderen kurdischen Frauen am 20.6.2001 einenOrdner mit mehreren hundert Selbsterklärungen der per-sönlichen Referentin der Hamburger Bürgerschaftspräsi-dentin übergeben hatte. Weil sie dort als Wortführerin auf-getreten sei, habe sie nach Auffassung der

Staatsanwaltschaft Hamburg dem PKK-Betätigungsverbotzuwider gehandelt und eine vorteilhafte Wirkung für diePKK hervorgerufen.

16. JuliDie Wohnung eines Mitglieds der AntifaschistischenAktion Lüneburg/Uelzen und der Kurdistan Solidarität Uel-zen wird durchsucht. Als Grund wurde ein Ermittlungsver-fahren wegen angeblichen Verstoßes gegen das Vereins-gesetz genannt. Die Polizei war auf der Suche nach einemTransparent, auf dem anlässlich einer Veranstaltung überdie Kriminalisierung der Kurden in Deutschland das Sym-bol der verbotenen kurdischen Befreiungsbewegungabgebildet gewesen sein soll. (Bemerkung: In der Tat warein solches Transparent im Veranstaltungsraum aufge-hängt – allerdings mit einem Querbalken versehen, aufdem vermerkt war, dass das Symbol dem PKK-Betäti-gungsverbot unterliegt. Und das ist nicht strafbar.)

14. OktoberDer kurdische Politiker Ali K. wird an der deutsch-tsche-chischen Grenze in Sachsen festgenommen und in Unter-suchungshaft verbracht. Der Generalbundesanwalt wirftihm Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung(§129) vor. Das zeigt, dass auch diese Bundesregierung dierepressive Politik gegen Kurdinnen und Kurden fortsetzenwill – unabhängig von dem im April eingeleiteten funda-mentalen politischen und strukturellen Veränderungspro-zess der PKK.

14. NovemberIn einer groß angelegten Durchsuchungsaktion hat derMünchener Staatsschutz den kurdischen Verein Med-Kul-turhaus sowie über 30 Privatwohnungen von Vereinsmit-gliedern durchsucht. Dabei wurde eine Vielzahl von Com-puter, Mobiltelefonen, Faxgeräten und Zeitschriftenbeschlagnahmt. An den Razzien waren nach Schätzungder Betroffenen mindestens 150 Beamte beteiligt.

2003

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und Eyup Bozan festgenommen und in der Nacht wiederfreigelassen. Außerdem wurde der Minibus des Vereinsbeschlagnahmt. Die Aktion dauerte ca. eine halbe Stunde.Der Vereinsvorsitzende, Ismail Parmaksiz sowie die Anwe-senden konnten sich den Grund der Durchsuchung nichterklären. „Das Vorgehen der Polizei wird unsere Arbeit inkeinem Fall aufhalten können. Wir verurteilen diese Poli-zeirazzia und protestieren dagegen. Unseren Protest wer-den wir an die zuständigen Stellen in offizieller Form wei-terleiten,” erklärte Parmaksiz.

28. Januar Der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Heinz Jürgen Schneiderwird wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz im Rah-men des Betätigungsverbots der und für die PKK vomLandgericht (LG) Hamburg zu einer Geldstrafe verurteilt.Schneider hatte gegen das Urteil Revision beim Bundesge-richtshof (BGH) eingelegt. Hintergrund des Verfahrens war,dass er im Juli 2001 eine Delegation von Kurdinnen undKurden zur Hamburger Justizbehörde begleitet hatte, diegesammelte Unterschriften zur Kampagne „Auch ich binPKKler/in“ dort übergeben wollte. Diese Begleitung werte-ten die Strafverfolgungsbehörden als einen Verstoß gegendas Vereinsgesetz.

1.Februar Der 50-jährige kurdische Politiker Hasan A. wird aufgrunddes Haftbefehls des Oberlandesgerichts (OLG) Celle aufdem Weg zu einer genehmigten Demonstration in Kölnverhaftet. Begründet wurde die Verhaftung mit Fluchtge-fahr. Der Generalbundesanwalt (GBA) wirft ihm vor, vonMai 2000 bis März 2001 die „PKK-Region Süd“ geleitet undanschließend die „PKK-Region Nord“ übernommen zuhaben. Sowohl gegen Hasan A. als auch gegen den am 14.Oktober 2002 verhafteten Politiker Ali K. hat der GBA lautPressemitteilung vom 7.2.2003 Anklage wegen Mitglied-schaft in einer „kriminellen“ Vereinigung (§129 StGB) erho-ben.

12. FebruarDas Bundesamt für die Anerkennung ausländischerFlüchtlinge hat gegen den in der JVA Celle wegen des Vor-wurfs nach §129 StGB in U-Haft befindlichen kurdischenPolitiker Ali K. ein Widerrufsverfahren gem. § 73 Asylver-fahrensgesetz eingeleitet. Die Behörde teilt mit, dass beiihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländerge-setzes zwar vorliegen würden. Der Widerruf erfolge, weil er„aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für dieSicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstelle (§ 51Abs. 3 Ausländergesetz)“.

4. MärzWährend einer Friedensdemonstration von BlumenthalerSchülern ist es laut Polizeiangaben zu einem kurzen Streitzwischen kurdischen und türkischen Schülern gekommen.Wie die Polizeiinspektion mitteilte, hätten Beamte einePKK-Fahne und ein PKK-Abzeichen sichergestellt, weil bei-des zu den verbotenen Emblemen gehöre.

MaiSeit Beginn des PKK/KADEK-Prozesses in Celle am 1.April2003 war der Angeklagte Hasan A. massiven Schikanen inder JVA Celle (Trift) ausgesetzt. Vor und nach jeder Ver-handlung musste er seine Kleidung wechseln. Die alltägli-che Knastsituation nutzen zwei Bedienstete der JVA aus,um Hasan A. besonders erniedrigend zu behandeln. Somusste er sich nackt ausziehen und eine Ganzkörper-durchsuchung wurde schikanös lange ausgedehnt. Am 20.Mai verweigerte sich der Kurde dieser erneuten Schikane.Daraufhin stießen ihn die beiden Beamten von einemStuhl, traten ihn und zogen ihn dann gewaltsam aus.Danach führten sie ihn nackt über einen Flur. Gegen dieseMisshandlungen protestierte der Gefangene und bezeich-nete sie als erniedrigend und menschenunwürdig. Am 21.Mai betrat Hasan A. den Gerichtssaal nur im Schlafanzug.Er gab zu den Vorgängen eine Erklärung ab und protes-tierte gegen seine unmenschliche Behandlung. Daraufhinverhängte das Gericht gegen ihn Disziplinarmaßnahmen,indem ihm für eine Woche die Teilnahme an Gemein-schaftsveranstaltungen untersagt wurde. Seit die Rechts-anwälte gegen die Misshandlung ihres Mandanten inter-venierten und auch der Vorsitzende Richter sich über dieVorgänge in der JVA informierte, hat sich die Situation ent-spannt.

30. JuliEngin S., der sich über einen längeren Zeitraum im Zeu-genschutzprogramm des Bundeskriminalamtes (BKA)befunden hat, hatte umfangreiche Aussagen zu den Struk-turen der PKK, zur Hilfsorganisation Heyva Sor a Kurdis-tanê (Kurdischer Roter Halbmond; HSK) und zu Personengemacht. In dem Verfahren gegen HSK sollte er als Kron-zeuge der Anklage fungieren und seine Aussage, diese seieine Unterorganisation der PKK, untermauern. Nachdemer in der Verhandlung am 24. Juli sehr widersprüchlicheAngaben gemacht hatte, zog er am 30. Juli seine Aussagenvollständig zurück und erklärte, von den Beamten des BKAunter Druck (Drohung, ihn in die Türkei abzuschieben)gesetzt worden zu sein. Man habe ihm vorformulierte Aus-sagen vorgelegt, die dann Seite für Seite von ihm unter-schrieben worden seien.

9. SeptemberDer kurdische Politiker Ali Z. ist vor dem HamburgischenObersten Landesgericht angeklagt wegen „Mitgliedschaftin einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB). Ihm wirdvorgeworfen, am 17. Februar 1999 Drahtzieher einerBesetzung der SPD-Landeszentrale in Hamburg gewesenzu sein. Die Bundesanwaltschaft (BAW) fordert drei Jahreund neun Monate; seine Verteidiger fordern Freispruch fürihren Mandanten. Am 17. Februar 1999 wurde der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan aus Kenia in die Türkei ver-schleppt.

6. OktoberIm Rahmen eines Verfahrens gegen den Kurdischen RotenHalbmond (Heyva Sor a Kurdistanê) vor dem Landgericht(LG) Koblenz, stand der einstige Kronzeuge der Anklage,

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Engin S., am 6. Oktobererneut vor Gericht. Erbetonte, bei seinen Aus-sagen in der Verhand-lung vom 30. Juli bleibenzu wollen. Das meiste,was er seinerzeit gegen-über dem Bundeskrimi-nalamt ausgesagt habe,sei nicht zutreffend undnur auf Druck erfolgt. DieKammer des LG

beschloss daraufhin, Engin S. ein umfassendes Aussage-verweigerungsrecht zuzugestehen und ihn als Zeugen indem Prozess zu entlassen.

9. Oktober Die vor dem türkischen Konsulat in Köln begonnene undvor dem Dom fortgeführte Sitzaktion, wurde ebenso vonVerboten begleitet wie der Hungerstreik und die Demons-trationen in den letzten Tagen. Auf das Rufen der Parole‚Biji Serok Apo’ reagierte die Polizei reflexartig. Die KölnerPolizei ließ die Veranstalter wissen, dass das Verbot derParole von der Kölner Staatsanwaltschaft beschlossen wor-den sei. Auf Nachfrage erklärte Oberstaatsanwalt Wolf, voneinem solchen Verbot nichts zu wissen. Er warte auf dieUnterlagen, die nach Abschluss der Aktionen möglicher-weise zu Verfahren führen könnten. […] Auf die Frage, werdas Verbot der Parole ‚Biji Serok Apo’ veranlasst habe,erklärte Herr Deilmann vom Kölner Staatsschutz, diesesVerbot sei erlassen worden, weil das türkische Konsulateine solche Forderung erhoben habe und sich die türki-schen Anwohner dadurch gestört fühlten. Außerdemäußerte er, dass es sich um eine Parole der in Deutschlandverbotenen PKK handele und deshalb nach § 20 des Ver-einsgesetzes geahndet werden müsse.

20. Oktober Vor dem OLG Celle endet der Prozess gegen die kurdi-schen Politiker Hasan A. und Ali K., die angeklagt waren,als Funktionäre für die PKK verantwortlich gewesen zu sein(§129 StGB). Hasan A. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3Jahren und 3 Monaten und Ali K. zu 2 Jahren und 9 Mona-ten verurteilt. Gegen das Urteil haben die beiden KurdenRevision eingelegt.

29. Oktober Vor dem Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart beginnt derProzess gegen den 37jährigen kurdischen Politiker Ali S.Die BAW wirft ihm vor, Mitglied innerhalb der PKK-Füh-rung bestehenden kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB)gewesen zu sein. Er soll von April 2001 bis Februar 2002die PKK-Region Berlin mit Leipzig und Dresden geleitethaben.

3. NovemberIm Rahmen einer Protestdemonstration in Bielefeld wegendes internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalanvom 9.Oktober 1998, sind gegen sechs Personen, die „Biji

Serok Apo“-Parolen gerufen hatten, Strafbefehle erlassenworden. Betroffen hiervon war u. a. Hemo Ö., der aufgrunddieses Vorwurfs festgenommen wurde. Als Beweise dien-ten Polizeivideos.

5. November Mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) wird die Revi-sion des Hamburger Rechtsanwalts Dr. Heinz JürgenSchneider als „unbegründet“ verworfen. Die Richter bestä-tigten damit die Argumentation des Landgerichts Ham-burg vom 28. Januar, wonach Schneider die kurdischeDelegation zur Übergabe von Selbstbezichtigungserklä-rungen „Auch ich bin PKKler/in“ an die Justizbehörde „auchals Privatmann“ begleitet habe. Damit habe er „unabhän-gig von einer möglichen anwaltlichen Beistandsfunktion,einen eigenen persönlichen Förderungsbeitrag zu Guns-ten […] der PKK erbracht.“ Schneider sieht durch die BGH-Entscheidung seine Grundrechte auf Meinungs- undBerufsfreiheit verletzt.

15. November In den Kandil-Bergen im Nordirak wird der VolkskongressKurdistans (KONGRA-GEL) gegründet und der Kongress fürFreiheit und Demokratie in Kurdistan, KADEK als aufgelösterklärt. 360 Delegierte wählten Zübeyir Aydar zum Vorsit-zenden des Volkskongresses; 41 Personen wurden in denExekutivrat berufen und Abdullah Öcalan zur Führungs-persönlichkeit ernannt. „Unser Ziel ist es, den bewaffnetenKampf einzustellen. Dafür aber muss die Türkei politischeSchritte unternehmen und uns eine legale politische Mög-lichkeit anbieten“, erklärte Aydar gegenüber der Zeitung„Le Monde“.

27. NovemberUnter dem Motto „Neubeginn 27. November – Fortset-zung mit KONGRA-GEL“ wird in Köln ein Fackelzug durch-geführt, an dem sich etwa 300 Kurd(inn)en beteiligen. Sierufen Parolen wie „Biji Serok Apo“ und tragen Plakate undBilder von Abdullah Öcalan. Im Vorfeld werden dieDemonstrant(inn)en von der Polizei kontrolliert und derenPersonalien festgestellt. Gegen dieses Vorgehen protestie-ren die Betroffenen und es kommt zu Spannungen. DieDemo-Teilnehmenden reagieren mit einem weiterenRufen der Parolen. Weil „Biji Serok Apo“ verboten sei, greiftdie Polizei ein, beschlagnahmt Plakate („Freiheit für Öca-lan, Frieden für Kurdistan“) und Bilder von Abdullah Öca-lan und filmt den Demo-Verlauf. Einige Teilnehmer, die sichgegen die Polizei zur Wehr gesetzt haben, werden festge-nommen. Hiergegen und gegen die Verbote protestierendie Demo-Teilnehmer und verlassen bis zur Freilassung derFestgenommenen den Versammlungsort nicht. Erstdanach wird die Aktion für beendet erklärt. (Am 27.November wurde die PKK gegründet; aus ihr hervor gingKADEK und KONGRA-GEL)

26. NovemberZum 10. Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots erscheintunter dem Titel „10 Jahre PKK-Verbot und kein Ende? – EinAnachronismus mit Folgen“ eine Broschüre. Herausgege-

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heyva Sor a Kurdistanê

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ben wird sie von der HUMANISTISCHEN UNION, YEK-KOMund AZADI mit Unterstützung des Bundesvorstands derROTEN HILFE. Autor/inn/en zu den verschiedenen Aspek-ten der Verbotspolitik sind die Rechtsanwälte RainerAhues, Dr. Heinz Jürgen Schneider, Michael Heim und derPublizist Dr. Rolf Gössner. Ferner nimmt Marei Pelzer, Mit-arbeiterin von Pro Asyl, Stellung zu den Änderungen imAsylrecht; Mark Holzberger beschreibt den Umgang desParlaments mit der Thematik und Duran Kalkan, Mitglieddes Präsidiums des „Kongresses für Freiheit und Demokra-tie in Kurdistan“ (KADEK), beantwortet Fragen von Azadîzur Haltung der deutschen Politik. Kalkan, Mitbegründerder PKK, wurde 1987 in Deutschland verhaftet, nach §129a StGB angeklagt und verurteilt.

3. Dezember Der kurdische Politiker Ali Z. wird vom HanseatischenOberlandesgericht zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahrenund 6 Monaten verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesenan, dass er als Funktionär und Mitglied in einer kriminellenVereinigung (§ 129 StGB) verantwortlich gewesen ist fürBesetzungsaktionen im Zusammenhang mit der Ver-schleppung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan imFebruar 1999. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.In einer ausführlichen Schlusserklärung hatte Ali Z. am 25.November zu den Vorwürfen, der Haltung der politischVerantwortlichen in Deutschland und den Hintergründendes kurdisch-türkischen Konflikts Stellung genommen.

11. auf den 12. DezemberAuf das Münchner Beratungs- und Informationszentrumfür Arbeitnehmer aus der Türkei und Kurdistan wird in derNacht ein Anschlag verübt. Unbekannte Täter zertrüm-mern die Fensterscheiben des Zentrums. Anstatt nach denTätern zu fahnden, nutzt die gerufene Polizei die Gelegen-heit für eine Razzia in den Räumen des erst kürzlich eröff-neten Vereins. Dabei werden unter anderem mehrereComputer beschlagnahmt. Einige Wochen zuvor warschon einmal eine Scheibe des Vereins eingeschlagen wor-den. Nach Aussagen des Hausbesitzers hatte ihn die Poli-zei mehrmals gedrängt, dem Verein zu kündigen. „Erstkommen anonyme Schläger und dann die Polizei. Daserinnert uns sehr an Zustände in der Türkei“, erklärte KemalGöktepe von der Föderation kurdischer Vereine inDeutschland, YEK-KOM. „Es gibt hier offensichtlich eingegen die kurdische Bewegung gerichtetes Zusammen-spiel dunkler Kräfte mit dem Staat.“

18. DezemberWegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“verurteilt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart den kur-dischen Politiker Ali S. zu einer Freiheitsstrafe von zweiJahren. Der Senat sieht es als erwiesen an, dass der 37-Jäh-rige von April 2001 bis Februar 2002 als Teil des PKK-Füh-rungskaders die PKK-Region Berlin geleitet hat. Ali S. waram 13. Januar 2003 von Beamten des Bundeskriminalam-tes in Mannheim verhaftet und in Untersuchungshaft inder JVA Stuttgart-Stammheim genommen worden.

200421. JanuarUnter starker Teilnahme vor allem von kurdischen Frauenhaben in Leipzig lebende Kurden in schwarzer Kleidungund schweigend mit einer Sitzaktion für die „Freiheit fürÖcalan“ demonstriert. Die von den Teilnehmer/innengezeigten Bilder von Öcalan werden von der Polizei verbo-ten, wogegen scharf protestiert wird: „Wir können das Ver-bot der Bilder nicht akzeptieren. Mit unserer Aktion woll-ten wir auf die Isolationshaft von Abdullah Öcalanaufmerksam machen. Wir verurteilen das Verhalten derPolizei.“

FebruarSeit dem 11. Juli 2003 findet vor der Staatsschutzkammerdes Landgerichts Koblenz der Prozess gegen zwei angeb-lich Verantwortliche für den Verein Heyva Sor a Kurdistanê(HSK) statt, den Kurdischen Roten Halbmond, wegen Ver-stoßes gegen das Vereinsgesetz. Dieser soll laut Anklageeine Teilorganisation der PKK sein. Die Tatvorwürfe datie-ren aus den Jahren 1997 bis zur bundesweiten Durchsu-chung der in Verbindung zum Verein stehenden Räumlich-keiten am 19. Januar 1999. Jahrelang wurde das Verfahrennicht betrieben. Ein Vorwurf wegen Weiterleitung der

Identitätskampagne

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Spenden für den Kurdischen Roten Halbmond an die PKKwurde schon vor Anklageerhebung fallen gelassen. Nunbestehen nach fünf Jahren Verfahrensuntätigkeit offen-sichtlich Schwierigkeiten, zu einem revisionssicherenUrteil zu kommen. Letzteres muss das Urteil unbedingtsein, denn noch im Jahre 2002 entschied der Bundesge-richtshof (BGH) positiv für einen Kurden, der für Heyva SorSpenden gesammelt hatte: diese Tätigkeit sei ihm nicht alsVerstoß gegen das Vereinsgesetz anzulasten.

9. FebruarMit der Begründung, sich an der Kampagne „Auch ich binPKK’ler“ beteiligt zu haben, wird in Heilbronn die Woh-nung von Emin C. und seines Bruders Basri durchsucht.Hierbei wurden Fotos von Guerillas und von Abdullah Öca-lan sowie handschriftliche Schriftstücke beschlagnahmt.Die Polizei fragte die Beiden, warum sie die Selbstbezichti-gung unterschrieben hätten. Schließlich handele es sichbei der PKK um eine terroristische Organisation. Der Aus-weis von Hasan T., der sich zum Zeitpunkt der Durchsu-chung als Gast in der Wohnung befunden hat, wurde vorü-bergehend beschlagnahmt.

13. Februar Gegen 8.30 Uhr wird in Berlin die Wohnung des EhepaaresMehmet und Saniye E. von 9 Polizisten durchsucht. DieBetroffene erklärt, dass an der Durchsuchung auch einetürkischstämmige Polizistin beteiligt war, die besondersaggressiv vorgegangen sei und sie misshandelt habe. „Wirdurften nicht einmal unsere Kleider anziehen. Die Polizis-ten zeigten mir die Selbstbezichtigung ‚Auch ich binPKKler/in’ und wollten wissen, ob das meine Unterschriftsei. Das habe ich bestätigt. Fünf Stunden lang haben siedie Wohnung durchsucht, sogar den Kühlschrank.“

13. Februar Wegen seiner Teilnahme an der Identitätskampagne wirdin Hannover früh morgens um 6:00 Uhr die Wohnung vonSükrü A. durchsucht. Nach seinen Aussagen seien an derDurchsuchung 8 Zivilpolizisten beteiligt gewesen. Manhabe ihn zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf diePolizeiwache mitgenommen und vorübergehend seinenReisepass eingezogen. Bei der Durchsuchung seien Bildervon Abdullah Öcalan beschlagnahmt worden sowie eineERNK- und YCK-Fahne. Sükrü A. will gegen die Durchsu-chung juristisch vorgehen.

5. MärzWie wir berichteten, schlug der erste Versuch, SabahattinBekirogullari aus der JVA Butzbach in die Türkei abzuschie-ben, wegen schlechten Wetters fehl. Am 5. März, um 22.10Uhr, wird der Kurde vom Flughafen Frankfurt/M. nachIstanbul deportiert, dort festgenommen und ins Polizei-präsidium verbracht, wo er zwei Tage lang verhört wurde.Nur gegen Zahlung eines hohen Bestechungsgeldeskommt er auf freien Fuß. Wenig später erschien die Polizeibei Familienangehörigen und durchsuchte deren Woh-nung auf der Suche nach dem Kurden. Dieser war inDeutschland wegen der Teilnahme an der Besetzung des

kenianischen Reisebüros in Frankfurt im Februar 1999 zueiner Freiheitsstrafe von über 5 Jahren verurteilt wordenund hat diese Strafe vom April 2001 bis zu seiner Abschie-bung verbüßt.

20. April Vor dem OLG Düsseldorf wird der Prozess gegen den kur-dischen Politiker Şahin Engizek eröffnet. Die Anklage wirftihm vor, in den Jahren 2000/2001 als mutmaßlicher „PKK-Führungsfunktionär“ Mitglied in einer kriminellen Vereini-gung (§129 StGB) gewesen zu sein. So soll er u. a. im Rah-men aktionistischer Aktivitäten maßgeblich an derOrganisierung der Identitätskampagne „Auch ich binPKKler/in“ beteiligt gewesen sein, deren Zweck darin gele-gen habe, die „Massen“ in Bewegung zu halten. Zudemhielt der Generalbundesanwalt (GBA) in seiner Presseerklä-rung vom 1. 11. 2001 dem Angeklagten anlässlich seinerFestnahme vor, er habe „Kontakte zu staatlichen undgesellschaftlichen Institutionen sowie Verbindungen zuinteressierten Politikern, Journalisten und anderen Mei-nungsmultiplikatoren“ unterhalten, um diese für „die sogenannte kurdische Sache zu gewinnen“. Davon, dassŞahin Engizek in irgend eine Straftat verwickelt gewesensein soll oder Belege für ein kriminelles Verhalten vorlie-gen, ist in allen Ausführungen der Zeugen – auch durchNachfragen der Verteidigung – keine Rede.

2. MaiDer kurdische Politiker Hasan A. wird auf dem DüsseldorferHauptbahnhof festgenommen und einen Tag später demHaftrichter des Amtsgerichts Düsseldorf vorgeführt, derihm gegenüber den Haftbefehl eröffnet. Dem 33-Jährigenwird vorgeworfen, als mutmaßlicher Führungsfunktionärder PKK Mitglied in einer kriminellen Vereinigung (§129StGB) gewesen zu sein. Laut Bundesanwaltschaft (BAW)habe er von Juni 2001 bis März 2002 die „Region Mitte“ –u.a. Dortmund, Essen, Duisburg – geleitet. Im Juni 2003soll er dann die Leitung des „Sektors Nord“ – u.a. Hamburg,Bremen, Berlin – der (zu dieser Zeit bereits aufgelösten)PKK übernommen haben.

28. Mai Ein Großaufgebot der Polizei hat auf Anordnung der Berli-ner Staatsanwaltschaft die Räume eines kurdischen Ver-eins an der Skalitzer Straße in Kreuzberg durchsucht. DieAktion richtet sich nach Angaben eines Justizsprechersgegen drei Männer, die im Verdacht stünden, der Füh-rungsriege einer Jugendorganisation der verbotenen Par-tei PKK anzugehören. Zwei der Verdächtigen waren in denletzten Tagen bereits festgenommen und einem Haftrich-ter vorgeführt, nach dem Dritten fahnde die Polizei. Außerden Vereinsräumen durchsuchte die Polizei auch drei Woh-nungen.

25. MaiIn Unna wird der Kurde Vehbi A. aufgrund eines Haftbe-fehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof(BGH) von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) fest-und in U-haft genommen. Er wird der „Mitgliedschaft in

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einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129) und der „gefährli-chen Körperverletzung“ verdächtigt. Der 35-Jährige sollseit „Anfang 2004 als Leiter des PKK-Gebiets Bremen demFunktionärskörper der PKK angehört“ und sich „an der dortbestehenden kriminellen Vereinigung beteiligt haben“.Der GBA wirft ihm weiter vor, er habe am 10.2.2004 in Bre-men als Gebietsleiter eine „gewaltsame Bestrafungsaktionzum Nachteil eines ehemaligen, abtrünnigen PKK-Kaders“angeordnet.

28. MaiGleichzeitig werden die Wohnungen der Journalisten derZeitung „Özgür Politika“, Mustafa Timur und Oktay Yilmazsowie des ehemaligen Vorsitzenden des Vereins Mala Kurd(Kurdistan-Haus), Ismail Parmaksiz, als auch die Räume desVereins von der Polizei durchsucht. Zahlreiche Publikatio-nen, Archive der Zeitung, Bücher und Musikkassetten sindbei der Durchsuchung beschlagnahmt worden. Die Betrof-fenen haben den Polizeiüberfall so beschrieben: „Die Polizei hat gegen 10.00 Uhr unsere Wohnungen lautDurch suchungsbefehl des Staatsanwalts Jürgen Heinkedurchsucht. Der Grund dieser Maßnahme soll der Verstoßgegen das Vereinsgesetz gewesen sein.“ Die beiden Zei-tungsmitarbeiter haben das Verhalten der Polizei als Ver-letzung der Pressefreiheit und als Versuch verurteilt, diekurdische Stimme zu verbieten. Nach der Durchsuchungwurde Mustafa Timur festgenommen. Die Polizei werfeihm vor, er und Oktay Yilmaz hätten während einer legalenAktion im Dezember 2003 die Meinung eines Jugendli-chen der kurdischen Jugendorganisation (TECAK) veröf-fentlicht und diese damit unterstützt, was unter das PKK-Betätigungsverbot falle.

2. Juni Die Wohnung des in Wolfsburg lebenden kurdischenArbeitgebers Sehmus Y. wird durchsucht. Zu der Haus-durchsuchung und seiner 5-stündigen vorläufigen Fest-nahme erklärte Yasar: „Vorgestern früh um 6.30 Uhr klin-gelte es an meiner Haustür und ich war verwundert, weruns um diese Zeit besuchen wollte. Ich öffnete und vor mirstanden Zivilpolizisten, ein Dolmetscher und eine Damevon der Stadtverwaltung, die als Zeugin dienen sollte. Sieerklärten, dass sie eine Durchsuchungsgenehmigung hät-ten. Auf meine Frage, was gegen mich vorliege, hieß es, ichsei Funktionär der PKK und für Finanzen zuständig.“ DieseBehauptungen würden jedoch jeder Grundlage entbehren– so Yasar.

8. Juni„Ich bin damals unter Betäubung aus Deutschland in dieTürkei abgeschoben worden. Jetzt befürchte ich, dass mirdasselbe wieder passieren wird. Am 8. Juni soll erneut dieAbschiebung in die Türkei erfolgen.“ Der Kurde ÖzelÖzkan, der vor Jahren wegen seiner politischen Aktivitätenin der Türkei Asyl beantragt hatte und nach der Ablehnungin die Türkei abgeschoben wurde, befindet sich wieder inDeutschland.

29. JuniMit einer Geldstrafe von 2700,– Euro endet der Prozessgegen den Vorsitzenden der Föderation der kurdischenVereine in Deutschland (Yek-Kom), Mehmet Demir. DasVorstandsmitglied Ayten Kaplan wurde zu einer Geldstrafevon 1300,– Euro verurteilt. Gegen Beide war der Vorwurferhoben worden, als Föderationsverantwortliche gegendas Vereinsgesetz im Rahmen des Betätigungsverbots derPKK verstoßen zu haben, indem sie angeblich die Verbrei-tung der Unterschriftenkampagne „Auch ich bin PKKler/in“organisiert hätten.

30. JuniDer kurdische Politiker Şahin Engizek wird vom 5. Staats-schutzsenat des OLG Düsseldorf wegen „dauerhafterUnterstützung einer kriminellen Vereinigung“ (§129 StGB)zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten aufBewährung (3 Jahre) verurteilt. Nach Auffassung desGerichts soll er den Arbeitsbereich „Außenbeziehungen“der PKK geleitet haben, der zu einem zentralen Sektor derPKK gehöre. Eine Beteiligung an Straftaten habe dasGericht bei ihm nicht feststellen können. Bei der Strafzu-messung berücksichtigt wurde die 3-monatige U-Haft.

Juli Weil sie die Selbsterklärung „Auch ich bin PKKler/in“ unter-schrieben hatte, wird einer Kurdin von der Bezirksregie-rung Düsseldorf die Einbürgerung verweigert. Gegen die-sen Bescheid legte sie Widerspruch ein. Daraufhinentschied das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, dassder angefochtene Verwaltungsakt „rechtswidrig“ gewesensei und „die Klägerin in ihren Rechten verletzt“ habe. Siehabe glaubhaft darlegen können, dass sie sich „mit derPKK oder deren politischen Zielen“ nicht identifiziere. Des-halb bestehe in ihrem Fall ein Anspruch auf eine „Einbür-gerungszusicherung“. In seiner Entscheidungsbegründungführte das VG dennoch aus, dass die Klägerin mit ihrerUnterschrift „Bestrebungen unterstützt“ habe, „die gegendie freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet“seien. Wer für die PKK eintrete, dokumentiere „eine man-gelnde Identifizierung mit dem Wertesystem der deut-schen Verfassung“, weil es sich bei der von Abdullah Öca-lan im Jahre 1978 gegründeten Partei um eine auf„marxistisch-leninistischer Ideologie fußende Organisationhandele“.

8. Juli Am Morgen werden die Wohnungen von Şahin C. aus Bin-gen und Yakup G. aus Büdelsheim durchsucht. Im Falle derWohnungsdurchsuchung von Şahin C., an der Zivil- unduniformierte Polizisten beteiligt waren, sind Briefe undFotos beschlagnahmt worden. An den Händen gefesseltwird Şahin C. festgenommen. Im Falle der Durchsuchungbei der Familie von Yakup G. hatte am frühen Morgen des-sen 7-jährige Tochter den Polizisten, die ihre Waffen in derHand hielten, die Türe geöffnet. Trotz des Hinweises vonFrau G., dass ihr Mann nicht anwesend sei, wird die Durch-suchung durchgeführt. Auf Nachfrage, wer diese veran-lasst habe und aus welchem Grund, haben ihr die Polizis-

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ten gesagt, dass ihr Mann von der StaatsanwaltschaftKoblenz der Unterstützung der PKK beschuldigt werde.

14. JuliVor einiger Zeit hatte Sultan A. aus Vechta bei Oldenburgwegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (Beteiligung ander Kampagne „Auch ich bin PKKler/in“) eine Ladung zurPolizei erhalten. Dieser Aufforderung war sie nicht gefolgt.Am 14. Juli wird sie von Polizisten aus ihrer Wohnungabgeholt und zwecks ED-Behandlung zur Polizeibehördegebracht. Aussagen hat sie keine gemacht, aber ihreRechtsanwältin eingeschaltet. Sultan A. betont gegenüberder Zeitung „Özgür Politika“, dass sie es als ihr demokrati-sches Recht betrachte, eine solche Erklärung zu unter-schreiben.

AugustAli A., der im Jahre 2002 seine Einbürgerung beantragthatte, bietet laut Hamburgische Behörde für Inneres „nichtdie Gewähr, sich glaubhaft zur freiheitlich demokratischenGrundordnung zu bekennen“. Deshalb wurde sein Antragabgelehnt. Er war 1986 ins Bundesgebiet eingereist; einJahr später wurde er als Asylberechtigter anerkannt underhielt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Da in Ein-bürgerungsverfahren regelmäßig die Landesämter für Ver-fassungsschutz angefragt werden, hatte die HamburgerBehörde im Falle von Ali A. behauptet, dieser sei bis Endeder 1990er Jahre Anhänger der PKK und zeitweise im Vor-stand eines kurdischen Vereins gewesen, der „unter demEinfluss der PKK“ gestanden habe. Zudem sei er „auffällig“geworden, weil man ihn wegen seiner Teilnahme an einer„verbotenen Kurdendemonstration am 20.03.1996 in Poli-zeigewahrsam genommen“ habe.

Der von Kazim K. im Oktober 2001 gestellte Einbürge-rungsantrag wurde vom Bayerischen VerwaltungsgerichtAnsbach abgelehnt. Über die politischen Aktivitäten desKurden waren Auskünfte aus dem Zentralregister erfragtworden, die jedoch keine Eintragungen enthalten hätten.Eine Nachfrage bei der Kriminalpolizei einer bayerischenStadt habe dann ein Verfahren wegen „politisch motivier-ter Sachbeschädigung“ ergeben, das jedoch später einge-stellt worden sei. Durch eine Personenüberprüfung beimbayerischen Landesamt für Verfassungsschutz habe fest-gestellt werden können, dass Kazim K. an zahlreichen Ver-anstaltungen mit „eindeutigem Bezug zur TKP/ML und zurPKK“ teilgenommen habe und so „die Ziele und die Ver-breitung der Ideen der PKK fördere“. Er unterstütze damitdie „Bestrebungen einer extremistischen Organisation“.

Wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz hat dieOldenburger Staatsanwaltschaft bei der Staatsschutzkam-mer des Landgerichts Anklage gegen einen 32 Jahre altenKurden aus Cloppenburg erhoben. Ihm wird vorgeworfen,als „Führungsverantwortlicher“ für den Bereich Aurich Wer-bung für die verbotene Organisation KONGRA-GELgemacht und Spenden eingetrieben zu haben. Geldein-nahmen und Propagandamaterial sollen – laut Anklage-schrift – dazu gedient haben, die illegalen Strukturen desKONGRA-GEL aufrecht zu erhalten.

21. OktoberDas Finanzamt Lahr/Baden-Württemberg teilt dem „Meso-potamischen Anadoglu Kulturverein e.V.“ mit, dass er nichtmehr „steuerbegünstigten gemeinnützigen Zweckendient“. Dabei beruft sich die Behörde auf Informationendes Landesamtes für Verfassungsschutz, wonach am 14.Dezember 2003 in den Vereinsräumen „eine Führungsver-anstaltung des KADEK“ stattgefunden haben soll. Mit derÜberlassung der Räumlichkeiten an diese Organisation,die in Deutschland „wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit“verboten sei, habe der Verein „die verfassungsfeindlichenmilitanten Ziele des KADEK“ unterstützt. Weil sich der Ver-ein somit „nicht mehr im Rahmen der verfassungsmäßigenOrdnung“ halte, müsse ihm die Gemeinnützigkeit aber-kannt werden.

21. OktoberDer Vorsitzende der Deutsch-Kurdischen Gesellschaft inFriedrichshafen/Baden-Württemberg, Ismet Basbaydar,erhält einen Brief des Bürgermeisteramtes. Darin wird ihmmitgeteilt, dass der Sozialausschuss der Stadt am Vortagmehrheitlich beschlossen habe, dass den Vertretern derDeutsch-Kurdischen Gesellschaft e.V. für die nächsten zweiJahre kein Sitz mehr im Integrationsausschuss zugespro-chen werden könne. Begründet wird die Entscheidungdamit, dass sich „für die Legislaturperiode des Integrati-onsausschusses (2 Jahre), nur Migrationsgemeinschaften,die eine eigene konsularische Vertretung in Deutschlandhaben, um einen Sitz im Integrationsausschuss bewerbenkönnen.“ Und weil es „keine kurdische konsularische Ver-tretung in Deutschland gibt“, könne den Vertretern derDeutsch-Kurdischen Gesellschaft auch „kein Sitz […] zuge-sprochen werden.“

12. NovemberDer 27-jähriger mutmaßliche PKK/KONGRA-GEL-Funktio-när Taylan S. wird in Rüsselsheim verhaftet. Laut Pressemit-teilung des GBA vom 19. November 2004 werde der 27-Jährige „dringend verdächtigt, seit November 2003 demFunktionärskörper der Arbeiterpartei (PKK) angehört undsich als Mitglied an der dort bestehenden kriminellen Ver-einigung beteiligt zu haben.“ Taylan S. soll „von MitteNovember 2003 bis Juni 2004 verantwortlich für das PKK-Gebiet Darmstadt“ verantwortlich gewesen sein undanschließend das „PKK-Gebiet Mainz“ übernommenhaben.

NovemberWegen Unterstützung von Nachfolgeorganisationen derPKK ist ein 26-jähriger Kurde vom Landgericht Oldenburgzu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 20,– Euro verur-teilt worden. Er habe die Organisationen unterstützt undsomit gegen das Vereinsgesetz verstoßen.

14. DezemberDie Vereinsräume einschließlich Keller, Dachboden sowieGarage des „Kurdistan Solidaritätszentrums“ in Duisburgwerden durchsucht und drei Kurden, Abdulrahman A.,Necati L. und Nadir Y. festgenommen. Begründet wird die

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Razzia laut Durchsuchungsbeschluss des AmtsgerichtsEssen u. a. wegen des Verdachts der Spendengelderpres-sung. Es sei davon auszugehen, dass der BeschuldigteNadir Y. häufig die Räumlichkeiten des Vereins, „der Anlauf-stelle der PKK-Sympathisanten“, aufsuche. Nach Auffas-sung des Gerichts wäre eine weitere Sachaufklärung ohneDurchsuchungsanordnung „zumindest wesentlicherschwert“ worden. Necati L. und Nadir Y. befinden sichseit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft; Abdulrahmanist wegen „illegalen“ Aufenthalts in der BRD in die JVABüren verbracht worden.

14. Dezember Ohne richterlichen Beschluss haben 20 bis 25 Polizeibe-amte am Nachmittag die Räume des „MesopotamischenJugend- und Kulturhauses“ in Leverkusen durchsucht unddie Personalien aller Anwesenden aufgenommen. EinBeweissicherungsteam der Polizei hat zudem alle Räumekontrolliert und fotografiert. Gegenüber dem „Leverkuse-ner Stadt-Anzeiger“ erklärt Wilhelm Krabbe, Leiter desStaatsschutz-Kommissariats Köln, ein Durchsuchungsbe-fehl sei nicht nötig gewesen, weil die Razzia aufgrund §12Polizeigesetz stattgefunden habe. Danach dürfe die Polizeidie Identität von Personen feststellen, die sich an Ortenaufhalten, die die Annahme rechtfertigen, dass dort „Straf-taten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitetoder geplant“ würden. Der Kripo sei im November eineStraftat im Zusammenhang mit einer laufenden Spenden-aktion gemeldet worden.

14. DezemberEs findet eine Durchsuchung des „Mesopotamischen Kul-turvereins“ in Stuttgart sowie der Wohnung des Vorsitzen-den Ali G. statt. Sie erfolgen auf Antrag der Staatsanwalt-schaft vom 17. November 2004. Mithilfe dieser Maßnahmesollen Gegenstände sichergestellt werden, „die als Beweis-mittel im Zusammenhang mit einer Tätigkeit des Beschul-digten für den KONGRA-GEL bzw. die PKK bzw. den KADEKvon Bedeutung sein könnten“.

DezemberDas Landeskriminalamt Thüringen und der Verfassungs-schutz geben ein Flugblatt in türkischer Sprache heraus,das an alle ausländischen Vereine des Landes verteilt wirdund zur Denunziation aufruft: „KONGRA-GEL, Nachfolgervon PKK und KADEK, hat eine Spendenkampagne gestar-tet. Wie bekannt, ist KONGRA-GEL in Deutschland verbo-ten. Jede Art der Unterstützung wird als Unterstützungeiner illegalen Organisation bewertet und das ist lautGesetz strafbar.“

20053. Januar Das Regierungspräsidium Gießen gibt öffentlich bekannt,dass dem Kurden Selahaddin T., einem Vater von fünf Kin-dern, die deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogenworden sei. Hierbei beruft sich die Behörde auf ein ent-sprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vomNovember 2004. Der Hessische Verwaltungsgerichtshofbestätigte in seinem Urteil sowohl die Entscheidung desRegierungspräsidiums vom Juli 2003 als auch des Verwal-tungsgerichts (VG) Gießen vom 3. Mai. Begründet wirddies im Wesentlichen damit, dass Selahaddin T. „eine fal-sche Loyalitätserklärung abgegeben“ habe. Er sei „Mitgliedim Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein und in des-sen Vorstand tätig gewesen“. Der Verein wiederum sei „inder YEK-KOM organisiert“ und „der PKK zuzurechnen“. DerVerein müsse „als von der PKK beeinflusst und gesteuert“angesehen und dessen „Aktivitäten als PKK-Aktivitätenqualifiziert“ werden. Weil der Kurde an „Volksversammlun-gen des PKK-Gebiets Gießen sowie weiteren PKK-nahenAktivitäten teilgenommen“ habe, „sei die erfolgte Einbür-gerung rechtswidrig“ gewesen und „könne zurückgenom-men werden“, zumal er durch die Beibehaltung der türki-schen Staatsangehörigkeit nicht staatenlos würde.

22. Januar Dr. Remzi Kartal, ehemaliger Abgeordneter der pro-kurdi-schen Demokratie-Partei (DEP), wird auf der Bahnfahrtnach Nürnberg von der deutschen Polizei festgenommen.In Nürnberg wollte der kurdische Politiker an einer Kultur-veranstaltung teilnehmen. Die Festnahme erfolgte vordem Hintergrund eines Auslieferungsersuchens der Türkei,die behauptet, er sei Mitglied einer „terroristischen Vereini-gung“ und habe am Umbau der PKK mitgewirkt. Er wird inAuslieferungshaft genommen.

8. FebruarNur wenige Wochen nach der Festnahme von Dr. RemziKartal, wird Ismet A., langjähriges Mitglied des KurdischenNationalkongresses (KNK), in Berlin fest- und am folgen-den Tag in U-Haft genommen. Die BAW wirft ihm vor, vonJuni bis Dezember 2001 „dem Funktionärskörper derArbeiterpartei Kurdistans (PKK) angehört“ und sich als„Mitglied an der dort bestehenden kriminellen Vereini-gung beteiligt zu haben“ (§ 129 StGB). Er soll für die „PKK-Region Nord-West“ (Hamburg, Bremen, Kiel und Olden-burg) verantwortlich gewesen sein. Der Haftbefehl desErmittlungsrichters beim Bundesgerichtshof datiert vom13. April 2004. Ismet A. wurde 1996 in Griechenland alspolitischer Flüchtling anerkannt.

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4. MärzMehmet B., im Januar 2005 in Hannover festgenommen,wird an die Niederlande ausgeliefert. Die Behörden werfendem Kurden vor, als „international gesuchter Funktionärder kurdischen Arbeiterpartei PKK“ in den Niederlandentätig gewesen zu sein. Um ihn dort strafrechtlich verfolgenzu können, hatte die Staatsanwaltschaft Arnheim einenEuropäischen Haftbefehl beantragt.

8. März Die Wohnungen des Vorstandsvorsitzenden und weitererVorstandsmitglieder sowie die Räume des Kurdisch-Deut-schen Solidaritätsvereins in Magdeburg werden durch-sucht. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln gegen dieKurden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Sie sollen im Rahmen einer Spendenkampagne Gelder einge-sammelt und diese an die PKK bzw. an die von den Straf-verfolgungsbehörden behaupteten Nachfolgeorganisatio-nen abgegeben und so gegen das PKK-Verbot verstoßenhaben.

16. MärzDie „Leipziger Volkszeitung“ berichtet, dass die bayeri-schen Behörden die Kurdin Gönül K. für eine „indirekte Ter-ror-Helferin“ halten. Der seit ihren Kindertagen in Deutsch-land lebenden 34-Jährigen wurde eine dauerhafteAufenthaltserlaubnis verweigert. Die Behörden wollenstattdessen stets neu über ihr Verbleiben in Deutschlandentscheiden. Laut Verfassungsschutz soll sie an einer Reihevon Demonstrationen „im Umfeld der verbotenen Kurden-Partei PKK“ teilgenommen haben. Bayerns oberste Verwal-tungsrichter hatten jedoch zugunsten von Gönül K. ent-schieden: Eine bloße Teilnahme an Demonstrationenbedeute nicht schon eine Unterstützung der PKK. Der 1.Senat des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig urteilt

offensichtlich in dem Revisionsverfahren schärfer undbetonte die „latenten Gefahren der Vorfeldunterstützungdes Terrorismus“. Der Fall muss deshalb vom Verwaltungs-gerichtshof München neu aufgerollt werden. Es sei nichtgeklärt worden – so die Leipziger Richter – wer jeneDemos veranstaltet habe und wie gefährlich die Aufrufergewesen seien und ob die Kurdin wirklich teilgenommenhabe. Diese habe zwar ihre Unschuld beteuert, sich abermit keinem Wort von der PKK distanziert. Auch in diesemPunkt müsse das Münchener Gericht Klarheit schaffen.

6. AprilDie Räume des erst kürzlich neu gegründeten kurdischenKulturzentrums in Salzgitter sowie die Wohnung des Vor-sitzenden, Zahir Güleryüz, werden durchsucht. Die Polizeibeschlagnahmt Fotos von Newroz-Veranstaltungen sowiemehrere Aktenordner. Begründet wird die Durchsuchungdamit, dass im vorherigen Verein Exemplare der inDeutschland verbotenen Zeitschrift „Serxwebûn“ (Unab-hängigkeit) gefunden worden seien.

17. April Am Sonntag wollten sich die Mitglieder des Deutsch-Kur-dischen Freundschaftsvereins in Dresden zu dessen Jahres kongress treffen. Auf dieser jährlich stattfindendenVeranstaltung finden Vorstandswahlen statt, werdenBeschlüsse zum künftigen Arbeitsprogramm des Vereinsgefasst sowie über allgemeine Probleme und Themen dis-kutiert. Noch vor Beginn des Kongresses tauchen plötzlichPolizeikräfte auf und durchsuchen die Räumlichkeiten desKulturzentrums und nehmen alle anwesenden 25 Perso-nen zwecks ED-Behandlung vorläufig fest. Ein Kurde wirdverhaftetet, der sich seitdem in U-Haft befindet. Bei denFestnahmen geht die Polizei brutal vor. Alle Betroffenenmüssen sich auf den Boden legen; ihnen werden mit auf

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den Rücken verschränkten Armen Handfesseln angelegt.Der Protest des Vereinsvorsitzenden Tacim Bayramoglu,man möge die anwesenden Kinder nicht dieser Situationaussetzen, wird mit Schlägen beantwortet: „Als ich eingrei-fen wollte, haben sie mir ein paar Fausthiebe versetzt.Herzkranke wurden geschubst und drei Personen beson-ders brutal geschlagen.“

AprilIm Asylverfahren eines Kurden lehnt das Bundesamt fürMigration und Flüchtlinge (BA) die Durchführung einesweiteren Asylverfahrens ab und erklärt eine günstigereAsylentscheidung für ausgeschlossen. Der Betroffenehatte in seiner Anhörung im Jahre 2001 ausgeführt, alsHeranwachsender die PKK unterstützt zu haben, indem erNahrungsmittel in die Berge gebracht habe. In seinerablehnenden Begründung widmet sich das BA u. a. ineiner längeren Passage dem im Juli 2003 in der Türkei ver-abschiedeten „Gesetz zur Wiedereingliederung in dieGesellschaft“, auch Reuegesetz genannt, das „mit Blick aufdie PKK und ihre Nachfolgeorganisationen“ erlassen wor-den sei. Deshalb habe er bei Rückkehr in die Türkei nichtszu befürchten.

4. MaiLaut einem Grundsatzurteil des Oberverwaltungsgerichts(OVG) Münster sind Angehörige der kurdischen Minder-heit in der Türkei keiner an ihre Volkszugehörigkeitanknüpfenden Gruppenverfolgung ausgesetzt. Damitbestätigt das Gericht frühere Urteile, nach dem allein dieTatsache, der Volksgruppe der Kurden anzugehören, kei-nen Asylanspruch in Deutschland begründe. Nach Auffas-sung des OVG gebe es zwar weiterhin Folter in der Türkei,doch habe die Menschenrechtslage „wichtige Verbesse-rungen erfahren“.

9. MaiIm Neubau der Nebenstelle des Oberlandesgerichts (OLG)in Düsseldorf beginnt der Prozess gegen die beiden kurdi-schen Politiker Hasan A. und Vehbi A.Ihnen wird vorgeworfen, in dem Zeitraum 2001, 2003 bzw.2004 dem „Funktionärskörper“ der PKK angehört zu habenund als Leiter verschiedener „PKK-Regionen“ tätig gewe-sen zu sein. Vehbi A. wird vom Generalbundesanwalt(GBA) außerdem beschuldigt, die Bestrafung eines „ehe-maligen, abtrünnigen PKK-Kaders“ angeordnet zu haben.Hasan A. war am 2. Mai 2004 in Düsseldorf und Vehbi A.am 25. Mai 2004 in Unna festgenommen worden.

7. JuniNadir Y. wird vom Landgericht Dortmund wegen des Ver-stoßes gegen das Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafevon 2 Jahren ohne Bewährung verurteilt. Die Staatsanwalt-schaft hatte 2 Jahre und 6 Monate beantragt. Gegen dasUrteil wurde Revision eingelegt. Der 46-Jährige war am 14.Dezember 2004 in Duisburg festgenommen worden undbefindet sich seitdem in Haft.

16. Juni Der 28-jährige Taylan S. wird unmittelbar, nachdem ihndas Oberlandesgericht (OLG) Koblenz wegen „Mitglied-schaft in einer kriminellen Vereinigung“ (§129 StGB) zueiner Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilthat, aus der JVA in Koblenz in die „Gewahrsamseinrichtungfür Ausreisepflichtige“ nach Ingelheim verbracht. Am 23.Juni wird er zwecks Ausstellung von Ausreisedokumentenzwangsweise dem türkischen Konsulat vorgeführt. Er hatsich jedoch geweigert, die Papiere zu unterschreiben. Seitdem 17. Juni 2005 befindet sich Taylan S. im Hungerstreik.

JuliWegen seiner Vorstandstätigkeit für das KulturzentrumKurdistan in Ludwigsburg und Mannheim in der Zeit von1998 bis 2001, wurde einem irakischen Kurden vom Ober-verwaltungsgericht (OVG) Koblenz eine Einbürgerung ver-wehrt. Die Ablehnung begründete das Gericht damit, dassdas Kulturzentrum eine Agitationsplattform für die verbo-tene PKK und deren Nachfolgeorganisationen bilde. DerKurde habe für den Verein außerdem Mahnwachen,Demonstrationen und Hungerstreiks organisiert und aufdiese Weise die Organisationen unterstützt. Eine Revisiongegen dieses Urteil hat das OVG nicht zugelassen. Die Aus-länderbehörde hatte den Antrag des Kurden auf Einbürge-rung vor fünf Jahren abgelehnt und vom Verwaltungsge-richt Neustadt a.d.W. Recht bekommen.

Dem kurdischen Politiker Halit Y., der am 15. März 2004 ausder Haft entlassen und dessen Reststrafe zu einer 4-jähri-gen Bewährungszeit ausgesetzt wurde, war der Aufent-haltsstatus aberkannt worden. Die von ihm daraufhin neubeantragte Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs. 3 Auf-enthG wurde vom Oberbürgermeister der Stadt H. abge-lehnt. Halit Y. war im Juli 2001 verhaftet und ein Jahr spä-ter wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung(§129) in Verbindung mit einem früheren Verfahren nach§129a zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monatenverurteilt worden.

JuliDer vor acht Jahren mit seiner Familie in die Türkei abge-schobene Kurde Ahmet Karakus erhielt nach seiner kürz-lich erneuten Flucht in die Bundesrepublik einen Bescheiddes Regierungspräsidiums Karlsruhe: Darin wird er aufge-fordert, die damals angefallenen Abschiebekosten von4393,16 Euro – davon 4039,93 Euro für die Begleitung derAbgeschobenen von Stuttgart nach Izmir durch zwei BGS-Beamte – zu zahlen. Die Abschiebung der 9-köpfigenFamilie sorgte seinerzeit in der Öffentlichkeit für Aufsehen:Die Beamten hatten gegen den Willen der Familie in derWohnung der Kurden gefundene politische Dokumentean die türkische Polizei übergeben. Das führte dazu, dassder Familienvater vom Staatssicherheitsgericht Izmirwegen Unterstützung der verbotenen PKK zu 3 Jahrenund 9 Monaten Haft verurteilt worden war, von denen ermehr als 2 Jahre in der Türkei absitzen musste. Karakus istwährend der Verhöre gefoltert worden und hatte in derHaftzeit schwere gesundheitliche Schäden erlitten.

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AugustDer Kurde B.P. ist angeklagt, im Juli 2003 in einem kurdi-schen Verein Busfahrkarten zu einer Demonstration mitfolgendem Text verkauft zu haben: „Wir als kurdisches Volkrufen die internationale und humanistische Öffentlichkeit,die Freunde der Kurden und 10 000 in den kurdischen Ber-gen befindliche Guerillas des KADEK, die Teil einer demo-kratischen und friedlichen Lösung sind, auf, uns und dieKampagne für eine Generalamnestie für alle politischenGefangenen, die zu Tausenden in den türkischen Gefäng-nissen sitzen, zu unterstützen. Dieser wichtige Schritt dientdem gesellschaftlichen Frieden und einer friedlichenLösung. An dieser Demonstration sollten alle patrioti-schen, revolutionären und demokratischen Freunde teil-nehmen.“ Laut Anklage soll es hierbei zu Einschüchterun-gen gekommen sein, als zwei Personen sich geweigerthätten, Tickets zu kaufen. Außerdem ist dem Kurden vor-geworfen worden, in einem bestimmten Zeitraum imJahre 2003 eine Reihe Exemplare der Zeitschriften„Serxwebûn“, „Sterka Ciwan“ sowie „Jina Serbilind“ ver-kauft zu haben.

17. AugustWie der Generalbundesanwalt (GBA) in einer Presseerklä-rung mitteilt, hat er Anklage erhoben gegen den 40-jähri-gen kurdischen Politiker Ismet A., dem Mitgliedschaft ineiner „kriminellen Vereinigung“ (§129 StGB) vorgeworfenwird. So soll er seit 2001 bis zum Mai 2004 als Mitglied des„Funktionärskörpers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“bzw. des Freiheits- und Demokratiekongresses (KADEK)bzw. des „Volkskongresses Kurdistans (KONGRA-GEL)“ ver-schiedene Gebiete in Deutschland verantwortlich geleitethaben. Konkrete Strafvorwürfe sind der GBA-Mitteilungansonsten nicht zu entnehmen. Es kann vermutet werden,dass es sich in diesem Fall um ein klassisches §129-Verfah-ren handeln dürfte, in dem die Mitgliedschaft in einer alskriminell eingestuften Organisation für eine Anklage nach§129 ausreicht. Der Prozess wird vor dem Staatsschutzse-nat des Oberlandesgerichts Stuttgart stattfinden.

17. August Gegen Hasan A. wird vor dem OLG Frankfurt/M. verhan-delt. Laut Mitteilung der Bundesanwaltschaft erhebt dieseAnklage gegen einen weiteren Kurden. Hasan A. wird Mit-gliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB)vorgeworfen. Die BAW beschuldigt ihn, als Führungsfunk-tionär der PKK von 1999 bis 2001 der „Nationalen Befrei-ungsfront Kurdistans“ (ERNK) und der im Mai 2000 umbe-nannten „Kurdischen Demokratischen Volksunion“ (YDK)angehört zu haben. Sein Verfahren wird vor dem Staats-schutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/M.stattfinden. Der 48-Jährige wurde am 4. Februar 2005 aufdem Flughafen in Frankfurt/M. festgenommen und befin-det sich seither in Untersuchungshaft.

5. SeptemberDer Feier von Mitarbeiter/innen und Gästen am 28. Augustzum Start in den 11. Jahrgang der Zeitung „Özgür Politika“folgte ein böses Erwachen. Denn nur wenige Tage später

ließ Bundesinnenminister Otto Schily neben zwei islami-schen Vereinen, mehrere kurdische Institutionen verbie-ten. Darunter die in Neu-Isenburg bei Frankfurt/ M. ansäs-sige E. Xani Presse- und Verlags GmbH, in der seit über 10Jahren die prokurdische Zeitung „Özgür Politika“ („FreiePolitik“) erscheint. Neben den Verlags- und Firmenräumen,wurden auch die Wohnungen aller angestellten, der freienund zahlreicher ehemaliger Mitarbeiter/innen durchsucht.Zeitgleich führten die Polizeibeamten eine Razzia in denRäumlichkeiten der Nachrichten-Agentur MHA (Mezopo-tamia Haber Ajansi) in Neu-Isenburg durch, die Schilyebenfalls verbieten ließ. Sämtliche Arbeitsmittel und -Unterlagen wurden beschlagnahmt sowie das Vermögendes E. Xani Presseverlags zugunsten des Bundes eingezo-gen. Schily rechtfertigte das Verbot der einzigen in Europaerscheinenden kurdischen Tageszeitung mit deren angeb-licher Eingebundenheit „in die Gesamtorganisation derPKK“.

SeptemberDas Amt für Ausländerwesen einer norddeutschen Stadtteilt einem Kurden, der einen Antrag auf Einbürgerunggestellt hatte, Ende August mit, dass er „im Moment nichteingebürgert werden“ könne, weil bei ihm aufgrund vor-gelegter Unterlagen des Landesamtes für Verfassungs-schutz „Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche oderextremistische Betätigung“ vorliege. Danach sei er „Funk-tionär der YEK-KOM“, hinter der der „Volkskongress Kurdis-tans“ (KONGRA-GEL) stehe. Und dieser sei „im April 2004vom Rat der Europäischen Union als terroristische Organi-sation auf die sogenannte EU-Terrorliste gesetzt“ worden.Außerdem sei er vor einigen Jahren zum Vorsitzendeneines „PKK-nahen“ Kulturzentrums gewählt worden.

Die Behörde einer süddeutschen Stadt hat einem Kurdendie Einbürgerung wieder entzogen, weil er im Rahmen derIdentitätskampagne „Auch ich bin PKK/ler“ im Jahre 2001die Selbstbezichtigungserklärung unterschrieben und weiler in der Vergangenheit Plakate für eine in der Türkei ver-botene linke Organisation geklebt haben soll. Diese politi-sche Betätigung sei laut Behörde „geeignet, die Beziehun-gen der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei nachhaltigzu beeinträchtigen“ und gefährde deren „auswärtigenBelange“. Es liege „nicht im Interesse der BundesrepublikDeutschland“, die deutsche Staatsangehörigkeit „an Perso-nen zu verleihen, die die innere oder die äußere Sicher-heit“ der BRD „oder eines deutschen Landes gefährden.“Ein Einbürgerungshindernis liege vor, „wenn sich der Ein-bürgerungsbewerber in politisch-extremistischen Organi-sationen betätigt“. Gegen den Bescheid der Behörde hatder Verteidiger des Mandanten einstweiligen Rechtsschutzbeantragt.

18. OktoberHalil D. wird aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungs-richters beim Bundesgerichtshof (BGH) vom 20. Septem-ber durch BKA-Beamte am Hauptbahnhof in Darmstadt

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festgenommen. Laut Bundesanwaltschaft (BAW) wird ihmzur Last gelegt, „seit Januar 2000 unter dem Decknamen‚Sefkan’ als Verantwortlicher des ‚Wirtschafts- und Finanz-büros’ der ‚Nationalen Befreiungsfront Kurdistans’, ERNK,ab Mai 2000 der ‚Kurdischen Demokratischen Volksunion’,YDK, ab Juni 2004 der ‚Demokratischen Vereinigung derKurden’, CDK, tätig gewesen zu sein.“ Er sei dringend ver-dächtig, sich als „Rädelsführer“ der PKK, in der BRD einge-stuft als kriminelle Vereinigung, beteiligt zu haben. Die indem vorgenannten Finanzbüro eingesetzten „Führungska-der“ würden – so die BAW – „sämtliche Finanzabläufe“ kon-trollieren und über die Verwendung der „zur Verfügungstehenden Gelder“ entscheiden. Somit sei die Tätigkeit des„führenden Funktionärskörpers“ in diesem Bereich „vonexistentieller Bedeutung“.

OktoberEinem Kurden, dem wegen angeblich „erschlichener“ Ein-bürgerung (er hatte seine Beteiligung an der sog. Identitätskampagne nichtangegeben, weil er dieser keine Bedeutung für das Einbürgerungsverfahren beige-messen hatte, Azadi) die deutsche Staatsangehörigkeit wiederentzogen wurde, soll nunmehr nach Auffassung derzuständigen Ausländerbehörde auch sein früherer Statusals anerkannter Flüchtling aberkannt werden. Sie weigertsich derzeit, ihm den entsprechenden Flüchtlingsausweiszurückzugeben und verlangt, er solle sich in der Türkeiwieder einbürgern lassen (!) und sodann einen türkischenPass vorlegen. Seinen Arbeitsplatz hat der Betroffenedurch die Ausbürgerung verloren.

15. NovemberVor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart beginnt derProzess gegen den kurdischen Politiker Ismet A. Ihm wirftdie Anklage vor, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung(§129 StGB) gewesen zu sein und als „mutmaßlicher Füh-rungsfunktionär der PKK-KONGRA-GEL“ von Juli 2001 mitUnterbrechungen bis Mai 2004 diverse Regionen der BRDgeleitet zu haben. Der Beschuldigte befindet sich seit dem8. Februar 2005 in Untersuchungshaft. An diesem Tag warer aufgrund des Haftbefehls des Bundesgerichtshofes(BGH) vom 13. April 2004 in Berlin verhaftet worden.

NovemberEmin B. erhält eine Mitteilung des Bundesamtes für Migra-tion und Flüchtlinge, in der es u. a. heißt: „Die Situation inIhrem Herkunftsland hat sich zwischenzeitlich geändert.Vor dem Hintergrund der in der Türkei durchgeführtenReformen und der im Jahre 2005 veränderten Lage findeteine politische Verfolgung zum heutigen Zeitpunkt nichtmehr statt.“ Daher werde beabsichtigt, „Ihre Anerkennungals Asylberechtigter zu widerrufen und festzustellen, dassauch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 Aufent-haltsgesetz (AufenthG) vorliegt.“

NovemberAuch der Antrag des Kurden I. auf Einbürgerung war vonden Behörden und dem zuständigen Verwaltungsgerichtwegen politischer Betätigung abgelehnt worden. EineBeschwerde gegen diese Entscheidung wurde durch dasOberverwaltungsgericht (OVG) NRW zurückgewiesen. DieGerichte vertreten die Auffassung, dass Gründe zur Ableh-

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nung einer Einbürgerung auch „Unterstützungshandlun-gen“ seien, welche „im asylrechtlichen Sinne unterhalb derSchwelle des Terrorismusvorbehalts und auch unterhalbderjenigen einer exponierten exilpolitischen Betätigungliegen.“ Hierzu zählt in diesem Fall zum einen die Beteili-gung des Kurden an einer 10 Jahre zurückliegenden, vomörtlichen kurdischen Verein organisierten Demonstration„als Unterstützungshandlung für die PKK“, weil dieser „voneiner teilweisen eindeutig der PKK zuzuordnenden Vor-standschaft geführt“ worden sei. Außerdem habe der Klä-ger ein Transparent getragen, „auf dem die Türkei als Mör-derstaat bezeichnet war“. Als Träger dieses Transparentessei er in der Heilbronner Zeitung „identifizierbar abgebil-det“ gewesen und auf dieser Grundlage vom Verwaltungs-gericht Stuttgart als Asylberechtigter anerkannt worden.

Auch die kurdischen Eheleute B. und C.A. werden durchdas OVG NRW negativ beschieden. Danach dürfe „einöffentliches Interesse an der Einbürgerung schon dannermessensgerecht verneint werden“, wenn sich ein Ein -bürgerungsbewerber auch „in weniger herausgehobenerWeise für die Ziele einer verfassungsfeindlichen Organisa-tion einsetzt oder sie auch nur durch Finanzierung oderTeilnahme an Veranstaltungen unterstützt.“ Eine „Unter-stützungshandlung“ durch Unterzeichnung der Identitäts-kampagne alleine erfülle „grundsätzlich den Ausschluss-tatbestand“ und lasse einen Einbürgerungsanspruchentfallen. Es sei denn, „der Ausländer macht im Einzelfallglaubhaft, dass er sich von der Unterstützung derartigerBestrebungen abgewandt hat.“ Das OVG teilte die Auffas-sung des zuständigen Verwaltungsgerichts, wonach zur„Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebun-gen der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen keineneuerlichen terroristischen Aktivitäten dieser Organisatio-nen“ hätten ermittelt werden müssen.

20. DezemberDer kurdische Politiker Ismet A. wird vom Oberlandesge-richt (OLG) Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und6 Monaten auf Bewährung verurteilt und der Haftbefehlaufgehoben. Ihm war vorgeworfen worden, als Mitglied ineiner „kriminellen“ Vereinigung (§129 StGB) im Zeitraumvon Juni bis Dezember 2001 die PKK-Region „Nordwest“geleitet zu haben, was vom Angeklagten im Laufe des Pro-zesses eingeräumt wurde. Ismet A. ist in Griechenland alsasylberechtigt anerkannt. Der Politiker war am 8. Februar2005 von Beamten des Landeskriminalamtes in Berlin fest-genommen worden.

7. DezemberIm Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Vor sit-zenden des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins inErfurt, Mehmet S.Ü., werden auf Anordnung des Amts -gerichts Erfurt/Thüringen dessen Privatwohnung und dieVereinsräume durchsucht. Begründet wurde die polizeiliche Maßnahme mit dem „Verdacht, dass sich derBeschuldigte am Sammeln von Spenden für die mit einemBetätigungsverbot belegte PKK bzw. deren Nach folgeor-ganisationen beteiligt” habe. Außerdem werde er verdäch-

tigt, „für das Anbringen von Fahnen der o.g. Organisatio-nen sowie von Bildnissen Öcalans und von kurdischenFreiheitskämpfern in den Räumlichkeiten des Kurdisch -Deutschen Freundschaftsvereins Erfurt e.V.” verantwortlichzu sein. Auch soll der Vereinsvorsitzende in diesen Räum-lichkeiten „Propagandamaterial der PKK/KONGRA-GEL“ausgelegt haben.

13. DezemberAuf Anordnung des Amtsgerichts Bamberg werden dieRäumlichkeiten des „Internationalen Kulturzentrums“ e.V.in Aschaffenburg als auch die Privatwohnung des Vereins-vorsitzenden, Salih A., durchsucht und zahlreiche Gegen-stände beschlagnahmt. Nach Auffassung des Gerichtshabe der Verdacht bestanden, „dass der Beschuldigte inseiner Eigenschaft als 1. Vorsitzender des Vereines Propa-gandamaterial, insbesondere die Zeitschriften Serxwebûnder verbotenen PKK bzw. ihrer NachfolgeorganisationenKADEK und KONGRA GEL zur Verbreitung im Inland bereithält, um dadurch den organisatorischen Zusammenhaltder vorgenannten verbotenen Vereinigungen zu unter-stützen.“ Zudem soll er „Spenden für die genannten Orga-nisationen“ gesammelt haben.

Polizeikräfte haben auf Anordnung des AmtsgerichtsFrankfurt/M. die Räumlichkeiten des Vereins „KurdistanBeratungs- und Informationszentrum Darmstadt e.V.“durchsucht und hierbei erheblichen Sachschaden ange-richtet. Außerdem fanden Razzien in den Privatwohnun-gen zweier Vereinsverantwortlicher statt, denen vorge-worfen wird, „Spendengelder für die verbotene PKK bzw.deren Nachfolgeorganisationen KONGRA-GEL zu akquirie-ren und Propagandamaterial zu verbreiten.“ Es wurdenBücher, Plakate, Computer, Zeitschriften und Vereinsunter-lagen sichergestellt.

DezemberVom Amt für Ausländer- und Einbürgerungswesen einernordrhein-westfälischen Kleinstadt erhielt die kurdischeJugendliche Deniz K. die Ablehnung ihrer im Oktober2001 beantragten Einbürgerung. In ihrer Begründunglegte die Behörde dar, dass die Antragstellerin zwar eineLoyalitätserklärung unterschrieben habe, während derBearbeitung des Antrags aber bekannt geworden sei, dasssie „sich im Jahre 2003 als (ausschließlich für Jugendarbeitzuständiges) Vorstandsmitglied des kurdisch-türkisch-deutschen Freundschaftsvereins e.V. in S.“ betätigt habe,der „nach hiesigen Erkenntnissen der YEK-KOM“ angehöre.Hierbei handele es sich – nach Auffassung der Behörde –„um einen Dachverband von kurdischen Vereinen und istnach seinem Selbstverständnis der legale politische Armder Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der Freiheits- undDemokratiekongress Kurdistans (KADEK) sowie des Volks-kongress Kurdistan (KONGRAGEL).“

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2006Anfang Januar Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erklärt im Streitum die Nutzung möglicher Foltergeständnisse in Strafver-fahren Anfang Januar gegenüber Bild am Sonntag u.a.:„Wir werden auch in Zukunft jeden Hinweis nutzen, denwir bekommen können. […] Wenn wir für Informationenanderer Nachrichtendienste eine Garantie übernehmenmüssen, dass sie unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzi-pien zu Stande gekommen sind, können wir den Betriebeinstellen.“ Der FDP-Innenexperte Max Stadler hingegenforderte ein „uneingeschränktes“ Folterverbot. Petra Pau,Fraktionsvize der Linksfraktion warf Schäuble eine „immergrößer werdende Distanz zum Grundgesetz“ vor und dergrüne Abgeordnete Volker Beck erklärte, dass menschen-rechtswidrige Behandlung und Folter eindeutig abgelehntwerden müssen, was auch „in der Kooperation mit ande-ren Ländern immer deutlich“ zu sein habe.

Januar Im Hinblick auf die Menschenrechts-Bilanz 2005 gibt derEuropäische Gerichtshof keine positive Einschätzung zurMenschenrechtssituation in der Türkei. Erika Steinbach,Sprecherin für Menschenrechte in der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion erklärte hierzu am 24. Januar u.a.: „Besorgniserregend ist die Verteilung der Gerichtsurteile nach Län-dern: die Türkei führt die Liste der Urteile gegen Länderwegen Menschenrechtsverletzungen an. So wurdengegen die Türkei insbesondere Urteile wegen eines unfai-ren Verfahrens gegen den inhaftierten KurdenführerAbdullah Öcalan sowie wegen Verstößen gegen das Fol-terverbot, das Recht auf Leben sowie das Recht auf Mei-nungsfreiheit gefällt. Momentan sind noch 9600 Verfahrengegen die Türkei anhängig. […]

13. JanuarZum ersten Mal wegen Mitgliedschaft in einer ausländi-schen als terroristisch eingestuften Organisation (§ 129bStGB) wurde ein Iraker zu einer Freiheitsstrafe von siebenJahren verurteilt. Das Oberlandesgericht (OLG) Münchensieht es als erwiesen an, dass er als Mitglied der Organisa-tion Ansar al-Islam sog. Gotteskrieger angeworben, Land-leute nach Europa geschleust und Geld beschafft habe.Laut Angaben der Frankfurter Rundschau vom 13. Januarwerden bisher 63 Ermittlungsverfahren nach dem seitAugust 2002 geltenden §129b bei der Bundesanwalt-schaft (BAW) geführt.

16. Januar Die prokurdische Zeitung „Özgür Politika“, die der dama-lige Bundesinnenminister Otto Schily am 5. 9. 2005 verbie-ten ließ, erscheint unter dem (neuen) Namen Yeni (Neue)Özgür Politika. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mitEntscheidung vom 18.10.2005 die erlassene Verbotsverfü-gung aufgehoben. Das beschlagnahmte Vermögen sowiealle beschlagnahmten Arbeitsmaterialien von Verlag undRedaktion mussten wieder zurückgegeben werden.

17. Januar„Die EU hat diese Organisation auf ihre Terrorliste aufge-nommen. Aber für uns ist das nicht akzeptabel,“ äußertedie Sprecherin des norwegischen Außenministeriums,Anne Lene Dale Sandsten, gegenüber der kurdischenNachrichtenagentur ANF. Das Außenamt verfolge die Ent-wicklungen in der kurdischen Frage sehr genau und stehein Kontakt mit verschiedenen kurdischen Gruppen. Dienorwegische Regierung bewerte die PKK oder den KON-GRA-GEL keineswegs als terroristisch. „Um sich eine Mei-nung über diese Organisationen bilden zu können, müssen wir zu einem direkten Meinungsaustausch zusam-menfinden. Erst dann können wir ein Urteil fällen.“ In einervon 20 norwegischen Persönlichkeiten initiierten Petitionwird die EU aufgefordert, die PKK von der „Terrorliste“ zunehmen. Zudem hatte sich das Komitee der Freunde deskurdischen Volkes wegen finanzieller Unterstützung desKONGRA-GEL selbst angezeigt.

19. Januar Am 23. September 2005 war ein Brand in einem Hambur-ger Geschäft ausgebrochen. Der Besitzer hatte umgehenddie PKK als Verursacherin beschuldigt. Nach umfangrei-chen Ermittlungen durch das Landeskriminalamt, infor-miert die Pressestelle der Polizei die Öffentlichkeit darüber,dass die Behauptung des Ladeneigentümers widerlegtworden sei. Nicht die PKK habe sein Geschäft angezündet,sondern vielmehr er selbst gemeinsam mit Komplizen, diewegen des Verdachts der schweren Brandstiftung und Ver-sicherungsbetrug in Haft genommen wurden.

21. Januar Wegen des Verdachts angeblicher Verstöße gegen das Ver-einsgesetz (Spendensammeln für PKK/KONGRA-GEL), wer-den durch ein polizeiliches Großaufgebot kurdische Vereine, private Wohnungen von Vorstands- oder Vereins-mitgliedern und Geschäftsräume in Osnabrück und Biele-feld durchsucht. Es kommt zu einigen Festnahmen sowieumfangreichen Beschlagnahmungen von Vereinsunterla-gen, Zeitschriften oder sonstigen – auch privaten – Doku-menten und Materialien. Tahir K. berichtet, dass er undweitere Personen, die sich an diesem Tag auf einer Fahrtnach Bielefeld befanden, an einer Ampel durch Polizeifahr-zeuge der Weg versperrt worden sei, sie aus seinem Autogezerrt und zu Boden geworfen wurden. Man habe ihneneinen Sack über den Kopf gezogen, sie in Handschellengelegt und ins Polizeipräsidium verbracht, wo sie ED-behandelt und nach mehreren Stunden wieder freigelas-sen worden seien.

3. FebruarNach einer Verfahrensdauer von 9 Monaten endet der Pro-zess gegen die kurdischen Politiker Hasan A. und Vehbi A.Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verurteilte siewegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung(§129) zu Freiheitsstrafen von 2 Jahren und 9 Monaten

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bzw. 2 Jahren und 4 Monaten. Der Haftbefehl von Vehbi A.wurde nach Urteilsverkündung aufgehoben. In persönli-chen Erklärungen hatten die Angeklagten eingeräumt, alsFunktionäre des KONGRA-GEL politisch verantwortlichtätig gewesen zu sein, weil sich dieser „die Demokratisie-rung von Staat und Gesellschaft zum Ziel“ gesetzt habe„gegen Nationalismus und religiösen Fanatismus“.

28. Februar Auf Anordnung des Amtsgerichts Halle-Saalekreis werdendie Wohnung von Abdulmenav G., dessen Geschäftsräumeund Pkw sowie die Räume des Mesopotamien Kulturhau-ses e.V. in Halle durchsucht. Laut Durchsuchungsbeschlusswerde der Kurde verdächtigt, „regelmäßig Zeitschriften derverbotenen PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen amErscheinungsort abzuholen und weiter zu verteilen sowiein die Sammlung von Spendengeldern für die PKK einge-bunden zu sein.“ Abdulmenav G. wurde vorübergehendfestgenommen und ED-behandelt.

Anfang März In seinem Anfang März veröffentlichten vorläufigenBericht bezeichnet das Anti-Folter-Komitee des Europara-tes (CPT) die Bedingungen in deutschen Abschiebege-fängnissen als „völlig inakzeptabel“. Vor allem verstoßendie Verhältnisse in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg(Holstenglacis) gegen internationale Standards. Die dorti-gen Zellen seien „schmutzig und heruntergekommen“, dieGefangenen seien 23 Stunden eingeschlossen und hättenfast nichts, „mit dem sie sich beschäftigen“ können.

3. MärzDie Bundesanwaltschaft (BAW) erhebt Anklage gegen denkurdischen Politiker Halil D. Sie legt ihm zur Last, als hoherFunktionär der PKK von 2000 bis zu seiner Festnahme am18.10.2005 für den Bereich „Wirtschafts- und Finanzbüro“verantwortlich gewesen zu sein. Dieser Sektor sei „für denBestand und die Tätigkeit des führenden Funktionärskör-pers von existenzieller Bedeutung“. Der Prozess wird vordem OLG Celle stattfinden.

1. AprilUm auf die eskalierende Situation in Kurdistan aufmerk-sam zu machen, demonstrieren etwa 400 Kurden in Bre-men und veranstalteten in der Innenstadt ein kurzes fried-liches Sit-in. Gegen den Veranstalter und drei Demo-Teilnehmer erstattete die Polizei dennoch Anzeige wegendes Verstoßes gegen das Vereinsgesetz, weil sie „verboteneParolen skandiert“ und „Öcalan-Bildnisse mitgeführt“ hät-ten. Außerdem sei es bei Personalienüberprüfung zu„Widerstandshandlungen“ gekommen, bei denen „einBeamter eine Bissverletzung“ erlitten habe.

Seit Ende MärzNach der Tötung von 14 Guerillakämpfern durch die türki-sche Armee, die bei ihrer Operation Giftgas eingesetzthatte, kam es bei Trauerfeiern in Diyarbakir zu Angriffenvon Polizei- und Sicherheitskräften. Bei Auseinanderset-zungen zwischen der kurdischen Bevölkerung und türki-

schen Sicherheitskräften in verschiedenen Städten sindannähernd 500 Menschen verletzt worden. Allein in Diyar-bakir wurden von 566 festgenommenen Personen 354verhaftet, davon 82 Kinder.

2. AprilHiergegen demonstrieren Kurdinnen und Kurden weltweit– so auch in München. Bei einer Kundgebung kommt es zu. Wie das Münchener Bündnis gegen Krieg und Rassismusmitteilt, hätten ohne Vorwarnung „schwarz uniformierteUSK-Sonderkommandos“ die Veranstaltung gestürmt undhierbei „mehrere Teilnehmer zu Boden geworfen“ undhierbei „Frauen an den Haaren“ gerissen. Zuvor hatte derStaatsschutz die Entfernung der „Bilder von 14 durch einenGiftgaseinsatz der Armee ermordeten Freiheitskämpfern“gefordert. Einige Betroffene erstatteten Anzeige gegen diePolizei.

3. April Die „mutmaßliche PKK-Funktionärin“ Gülay A. wird vonBKA-Beamten in Berlin festgenommen. Sie soll laut BAWals „professioneller Kader der PKK im Juli 1995 die Leitungder Region Westfalen übernommen und eine führendeRolle innerhalb der jeweils bis Mitte 1996 bestehendenterroristischen Vereinigung“ gehabt haben.

7. AprilHasan A., der gemeinsam mit Vehbi A. am 3. 2. 2006 nach§129 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war,wird nach Strafverbüßung aus der Haft entlassen.

MaiEinen Monat nach einer genehmigten Kundgebung vordem türkischen Generalkonsulat in Hürth bei Köln, erhältder Anmelder eine Vorladung zur Polizei, weil er angeblichnicht eingeschritten sei bei Verstößen gegen das Vereins-gesetz. Dazu habe das Mitführen von Kennzeichen verbo-tener Organisationen, die Benutzung von „PKK-Symbolen,Parolen und Schriftzügen“ und insbesondere „das Ausru-fen der Parole Biji Serok Apo“ gehört.

24. Mai Amnesty International wirft in seinem Jahresbericht 2005zahlreichen Regierungen vor, im „Krieg gegen den Terror“juristische Grundprinzipien fallen zu lassen: „Gewalt züch-tet Gegengewalt und trägt nur dazu bei, die Spirale desTerrorismus weiter zu schrauben“, sagte GeneralsekretärinBarbara Lochbihler bei der Vorstellung des Berichts. DieBundesregierung dürfe nicht zum „Profiteur von Folter“werden und deutsche Sicherheitsdienste müssten sich imAusland von Gefangenenfolter distanzieren.

2. Juni Vor dem OLG Celle wird das Hauptverfahren gegen denkurdischen Journalisten Halil D. eröffnet. Die BAW wirftihm „Rädelsführerschaft in der PKK/KONGRA-GEL“ vor. Als„hauptamtlicher Kader“ sei er vor allem für den Wirt-schafts- und Finanzbereich der Organisation verantwort-lich gewesen.

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12. Juni Der 51jährige Kurde Hasan A. wird von Österreich an diedeutschen Behörden überstellt und dem Ermittlungsrich-ter beim Bundesgerichtshof vorgeführt. Er wird von derBundesanwaltschaft verdächtigt, von Mai 1993 bis April1994 für die PKK-Region Nordwest dem „Funktionärskör-per der PKK“ angehört zu haben und sich „als Mitglied ander damals bestehenden terroristischen Vereinigung(§129a) beteiligt zu haben.“

JuliAzadî werden etliche Ausweisungsandrohungen bekannt,weil Kurdinnen und Kurden entweder in YEK-KOM ange-schlossenen kurdischen Vereinen als Mitglieder oder imVorstand aktiv waren, eine im Jahre 2001 durchgeführteSelbsterklärung „Auch ich bin PKKler“ unterschrieben oderweil sie an „zahlreichen Veranstaltungen, Demonstratio-nen und Kundgebungen mit PKK-Bezug“ teilgenommenhaben. Die Ausländerbehörden behaupten durchgängig,dass YEK-KOM „eng mit der PKK verbunden“ sei, die Ver-eine das „Rekrutierungsumfeld“ darstellten und „zu einerStärkung dessen latenten Gefährdungspotentials“ beitrü-gen. Somit müssten Aktive als „Gefährder der innerenSicherheit“ eingestuft und ausgewiesen werden.

6. Juli Die BAW erhebt Anklage gegen den mutmaßlichen Funk-tionär der PKK, Hasan K., der am 12. Juni von Österreichnach Deutschland überstellt worden war. Das Verfahrenwird vor dem Staatsschutzsenat des OLG Frankfurt/M.geführt werden. Die BAW wirft ihm Mitgliedschaft in einer„terroristischen“ Vereinigung (§129a) vor, für die er1993/94 verantwortlich tätig gewesen sein soll.

13. JuliHalil D., dessen Hauptverfahren am 2. Juni vor dem OLGCelle eröffnet wurde, gibt in der Verhandlung vom 13. Julieine Prozesserklärung ab. Er kritisiert u. a. das Verhaltendes deutschen Staates gegenüber „etwa 150 000 Men-schen“, die sich der „kurdischen Bewegungverbunden fühlen“ und deren Einstu-fung als kriminelle Vereinigung„eine erniedrigende Situation fürdie gesamte kurdische Gesell-schaft“ darstelle. Es sei diffa-mierend und beleidigend, mitDefinitionen wie „Terrorismus“charakterisiert zu werden, wasaber „zweifellos auch imZusammenhang mit deninternationalen Interessens-verflechtungen – wie seiner-zeit in Südafrika und heute inPalästina, in der Baskenfrageund im Nordirland-Konflikt“stehe. Die gegen ihn gerichte-ten Beschuldigungen, „die aufder Grundlage von Verallge-meinerungen und subjektiven

Einschätzungen gestützt sind“, weise er „entschiedenzurück“. (ausführlich Azadî-infodienst Nr. 44/45)

26. JuliDer Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dieTürkei wegen Verstoßes gegen die Pressefreiheit verurteilt.Der Chefredakteur der Zeitung Özgür Bakis war im Jahre2000 wegen der Veröffentlichung eines Artikels und desBriefes eines PKK-Mitglieds im Zusammenhang mit demProzess gegen Abdullah Öcalan zu 13 Monaten Haft verur-teilt worden, der Herausgeber zu mehreren Geldbußen.Die Türkei wird angewiesen, 12 000 Euro Schmerzensgeldzu zahlen.

8. August Beamte des BKA nehmen den kurdischen Politiker Muzaf-fer A. in Mannheim fest. Die BAW wirft ihm vor, seit Juli2005 als hauptamtlicher Kader der PKK bzw. des KONGRA-GEL das südliche Bundesgebiet verantwortlich geleitet zuhaben. Er sei als mutmaßlicher „Rädelsführer“ im „Funktio-närskörper“ der in der BRD als „kriminell“ eingestuften Ver-einigung PKK beteiligt gewesen (§129). Muzaffer A., dersich seit Jahrzehnten politisch, aber auch journalistisch inzahlreichen Beiträgen, Analysen und Kommentaren füreinen Dialog und eine friedliche Lösung des kurdisch-tür-kischen Konflikts einsetzt, war wegen seines Engagementsüber 20 Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert.

9. August Der kurdische Journalist Riza Erdogan wird in Duisburgfestgenommen. Wegen seines publizistischen Einsatzes fürdie kurdische Frage musste er 1994 aus der Türkei flüch-ten. In Deutschland beantragte er Asyl und erhielt eineAnerkennung als politischer Flüchtling. Die BAW beschul-digt ihn der „Rädelsführerschaft“ in einer „kriminellen Ver-einigung“ (§ 129). Er sei „von mindestens August 2004 bisMärz 2006“ als Verantwortlicher des „PKK-Sektors Mitte“tätig gewesen.

17. August Wie der türkische Nachrichten-sender NTV verbreitet, will dieTürkei ihre Zusammenarbeitmit den USA und Irak gegendie kurdische PKK-Guerilla ver-bessern. Zu diesem Zweckwerde ein Regierungskoordi-nator für deren Bekämpfungernannt werden, der eng mitWashington und Bagdadzusammenarbeiten solle. Vor -aussichtlich werde ein Militär-angehöriger diesen Postenbesetzen.

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18. AugustAuf einer Pressekonferenz der Föderation kurdischer Ver-eine in Deutschland, YEK-KOM, nimmt deren VorsitzenderStellung zu der sich ausweitenden Kriminalisierung kurdi-scher Vereine und deren Mitglieder. Er führt u.a. aus: „Kur-den, die in ihrer Heimat verhaftet und gefoltert und derenKultur, Sprache und Existenz verboten und verleugnetwerden, sind leider auch in Deutschland, wo sie einesichere Zuflucht zu finden glaubten, einer antidemokrati-scher Behandlung ausgesetzt.“ Er forderte die unverzügli-che Freilassung der beiden Festgenommenen MuzafferAyata und Riza Erdogan sowie die Einstellung aller Verfah-ren gegen Mitglieder der der YEK-KOM zugehörigen Ver-eine. Er kündigt für den 21. August die Schließung vonüber 60 Vereinen auf unbestimmte Zeit an. An der Presse-konferenz teilgenommen haben Rechtsanwalt BernhardPrack von Pro Asyl Essen, Rechtsanwalt Klemens Roß, derDIDF-Vorsitzende Hüseyin Avgan sowie die EU-Parlamen-tarierin Feleknas Uca von der PDS/Linkspartei.

25. August Am Ende einer Demonstration in Berlin aus Protest gegendie Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden, an deretwa 300 Personen teilnehmen, werden einige Demons-trierende von der Polizei angegriffen. Hierbei wird eineKurdin durch Schläge auf Kopf und Schultern so stark ver-letzt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden muss.Weil sie in der Türkei schwer gefoltert wurde, war die Kur-din nach Deutschland geflüchtet.

13. SeptemberDie Absicht der Türkei, gemeinsam mit den USA und demIrak gegen die PKK vorzugehen, ist hinsichtlich des Perso-nals abgeschlossen. Für die Türkei wird als Koordinator Dr.Halit Edip Baser, Ex-General und heutiger Vorsitzender des„Europäisch-asiatischen Zentrums für strategische For-schung“ (ASAM), dem wichtigsten Think-Tank des türki-schen Militärs, benannt. Die irakische Regierung beruftGeneral Amir Amet Hassun und die USA nominiert denehemaligen NATO-Oberkommandierenden, Ex-GeneralJoseph Ralston. Anlässlich seines Besuches in Ankara am13. September, wird ihm eine Liste mit den Namen von150 Personen, deren Auslieferung die Türkei wünscht,überreicht. Damit will die Türkei einer Meldung des TV-Senders CNN Türk zufolge die Ernsthaftigkeit der USA tes-ten, mit dem neu eingerichteten Koordinationsmechanis-mus tatsächlich gegen die PKK vorzugehen.

27. SeptemberIn einer Pressemitteilung des EU-Gerichtshofes in Luxem-burg wird auf ein Rechtsgutachten der GeneralanwältinJuliane Kokott hingewiesen, die zu dem Schluss kommt,dass eine eingereichte Klage gegen die am 2. Mai 2002erfolgte Aufnahme der PKK in die EU-Liste terroristischerVereinigungen vom „Gericht erster Instanz“ nicht hätteabgewiesen werden dürfen. Das Gericht habe bei der Prü-fung der Zulässigkeit der Klage einen Rechtsfehler began-gen. Es hätte berücksichtigen müssen, dass die „PKK ihrerNatur nach über kein formales Statut“ hätte verfügen kön-

nen, sondern „ihr Kongress lediglich die Einstellung derunter ihrem Namen ausgeübten Tätigkeiten beschlossenhabe, die Organisation selbst aber möglicherweise unterdem Namen KADEK fortbestehe“. Die PKK müsse somit„berechtigt sein, gegen den entsprechenden Eintrag aufder Liste vorzugehen.“

September Der für „Ausländerextremismus“ zuständige Abteilungslei-ter des baden-württembergischen Verfassungsschutzesorakelt, es seien „Signale zu sehen, dass es auch zu gewalt-tätigen Aktionen kommen könnte“ im Zusammenhangmit der Verhaftung von zwei mutmaßlichen PKK-Funktio-nären Anfang August. Tatsächlich aber fanden bundesweit zahlreiche Kundge-bungen und Protestaktionen mit absolut friedlichem Ver-lauf statt.

28. SeptemberUnter dem Titel „50 Jahre KPD-Verbot /13 Jahre PKK-Ver-bot“ findet im kurdischen Verein Navenda Kurd e.V. in Ber-lin eine Veranstaltung von YEK-KOM und der Ortsgruppeder Roten Hilfe statt. Über die Hintergründe und Folgender Verbote diskutieren u. a. der „Zeitzeuge für die Umset-zung des KPD-Verbots, Jupp Mallmann, und MehmetDemir, der Vorsitzende von YEK-KOM. Thematisiert werdenauch Chancen der Aufhebung beider Verbote.

1. OktoberDer militärische Führer der PKK, Murat Karayilan, hat aufeiner Pressekonferenz im Nordirak einen einseitigen Waf-fenstillstand verkündet. Allerdings würden sich die Kämp-ferinnen und Kämpfer weiterhin verteidigen, sollten sievon der türkischen Armee und den Sicherheitskräftenangegriffen werden. Einen dauerhaften Frieden werde esnur geben, wenn die Türkei eine demokratische Lösungder Kurdenfrage anbiete.

5. OktoberVor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. beginnt der Pro-zess gegen Hasan K., dem vorgeworfen wird, 1993/94 alsmutmaßliches Mitglied einer „terroristischen Vereinigung“(§ 129a Strafgesetzbuch) eine PKK-Region verantwortlichgeleitet zu haben. (1996 hat der damalige Vorsitzende derPKK, Abdullah Öcalan, erklärt, in Deutschland künftig aufdie Anwendung von Gewalt zu verzichten. Daraufhin hatder Generalbundesanwalt zwar die Organisation auf eine„kriminelle“ Vereinigung – (§129 StGB) – „zurückgestuft“,doch werden Kurden, die vor diesem Zeitpunkt tatsächlichoder vermeintlich Funktionäre der PKK gewesen sind, auchheute nach §129a angeklagt.)

11. Oktober Nach 17 Verhandlungstagen endet der Prozess gegen denkurdischen Journalisten Halil D. vor dem Oberlandesge-richt Celle. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren ver-urteilt. Die Anklage hatte ihm „Rädelsführerschaft in einerkriminellen Vereinigung“ (§ 129 StB) vorgeworfen. In die-ser soll er für den Bereich „Finanzen“ verantwortlich gewe-

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sen sein. Halil D. hatte während des Prozesses mehrfachdie rückwärtsgewandte Bewertungspraxis der Behördenund Gerichte kritisiert und umfassend die Veränderungender Politik und Organisationsformen der kurdischen Bewe-gung dargelegt. An die staatlichen Stellen der Bundesre-publik appellierte er, den kurdischen Institutionen miteinem auf Dialog ausgerichteten Verständnis zu begeg-nen.

15./17. Oktober Seit der Ausrufung des Waffenstillstands durch die Guerillazum 1. Oktober sind laut Angaben der Volksverteidigungs-kräfte (HPG) 34 Militäroperationen der türkischen Armeedurchgeführt worden. Außerdem sei es zu 19 Gefechtengekommen, bei denen 9 türkische Soldaten und 6 Gue-rilla-Angehörige ums Leben gekommen sind.

17. Oktober Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, den Pro-zess gegen den Ex-Bundesinnenminister Manfred Kantherneu aufzurollen. Die BAW hatte eine Teilaufhebung desUrteils des Landgerichts Wiesbaden vom April 2005wegen gravierender Mängel beantragt. Dieses hatte Kant-her wegen Untreue zu anderthalb Jahren Haft auf Bewäh-rung und 25 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Dem Urteilzufolge war er für den Transfer von rund 20,8 MillionenMark Schwarzgeld in die Schweiz und später nach Liech-tenstein verantwortlich. Er habe „nach eigenem Gutdün-ken“ über die Gelder verfügt. So seien von ihm 1995 rund1,75 Millionen Euro an die CDU Frankfurt ausgezahlt wor-den. Wir erinnern uns: Dieser Minister war für den Erlassdes Betätigungsverbots der PKK von November 1993 ver-antwortlich.

23. OktoberLänderübergreifend finden Durchsuchungen wegenErmittlungen „gegen 24 Aktivisten der PKK“ statt. Allein imGroßraum Mainz/Koblenz werden 20 Objekte durchsucht,in Hessen 7 und Sachsen-Anhalt eines. Es sei laut Polizei-präsidium Mainz darum gegangen, Organisationsstruktu-ren und Aufgabenverteilungen auszuleuchten. Zudemhabe der Verdacht „des Sammelns von Spenden sowie desVerkaufs und der Lagerung von Propagandamaterial“bestanden.

10. NovemberFür Hasan A. öffnen sich die Gefängnistore. Er war vomOLG Celle am 20. Oktober 2003 wegen Mitgliedschaft ineiner „kriminellen“ Vereinigung (§129 StGB) zu einer Haft-strafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. DasUrteil war in einem Revisionsverfahren später auf eine Frei-heitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten reduziert worden.Die Freilassung des Politikers ist mit der Auflage verbun-den, sich 3 Jahre weder politisch zu betätigen, noch einenkurdischen Verein aufzusuchen oder ehemalige Partei-freunde zu kontaktieren.

NovemberDer vorgelegte rund 700 Seiten umfassende zweite „Peri-odische Sicherheitsbericht der Bundesregierung“ kommtim Kapitel „Extremismus und politische Kriminalität aus-ländischer Gruppen in Deutschland“ zu dem Schluss, dassdie PKK nach wie vor „über die Fähigkeit“ verfüge, „ausdem Stand heraus Aktionen von erheblicher Militanz zuorganisieren“, was sich an den Protesten 1999 gezeigthabe. Deshalb bleibe die PKK „auch in Zukunft ein poten-zieller Faktor im Bereich der politisch motivierten Gewalt.“

22. bzw. 26. November In einer ausführlichen gemeinsamen Erklärung von Azadîund YEK-KOM wird auf den Anachronismus des seit 13Jahren bestehenden PKK-Betätigungsverbots hingewiesenund ein Ende der Kriminalisierung, die Einstellung alleranhängigen Strafverfahren wegen politischer Betätigungsowie die Freilassung aller politischen Gefangenen gefor-dert.

11. DezemberBei einem Treffen von US-Koordinator Joseph Ralston undseines türkischen „Kollegen“ Edip Baser im US-amerikani-schen Militärstützpunkt Vaihingen bei Stuttgart wird einZeitplan für den „Anti-PKK-Kampf“ erstellt. Hierbei soll eszu einer Vereinbarung über den Ablauf des gemeinsamenVorgehens (z.B. eines Aufrufs an PKK-Mitglieder zur Kapitu-lation, der Unterbindung von Tätigkeiten im Irak undanderen Ländern, des Austrocknens der Finanzierungs-quellen der Organisation sowie der Ergreifung von hoch-rangigen Führungsmitgliedern der PKK und ihrer Ausliefe-rung an die Türkei) gekommen sein.

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200710. JanuarMit einem massiven Polizeiaufgebot werden in den frühenMorgenstunden in Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Würt-temberg und im Saarland 25 Wohnungen bzw. Geschäfts-räume und kurdische Vereine durchsucht und hierbeiComputer, Telefone, Bustickets, Bargeld, Vereinsunterlagenund Zeitungen beschlagnahmt. Laut Durchsuchungsbe-schluss würde gegen einige Kurden wegen des Verstoßesgegen das Vereinsrecht ermittelt. Sie hätten durch ihreAktivitäten dazu beigetragen, die Strukturen der PKK auf-recht zu erhalten. Im Zuge dieser Polizeiaktion wurdeAhmet C. in einer Stuttgarter Privatwohnung festgenom-men und später verhaftet wegen des Verdachts, sich fürPKK/KONGRA-GEL politisch betätigt zu haben.

16. JanuarDas Oberlandesgericht Frankfurt/M. verurteilt Hasan K. zueiner Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. NachAuffassung des Gerichts sei er 1993/94 für die seinerzeitnoch als „terroristisch“ eingestufte PKK als Funktionär tätiggewesen, was Hasan K. von Beginn des Prozesses anbestritten hatte. Seine Verteidigerin kritisierte, dass auchdieses Urteil im Zusammenhang stehe mit den vielenanderen zuvor. Es seien keine neuen Beweise aufgenom-men, „sondern durch gebetsmühlenhaftes Verlesen alterUrteile Fakten geschaffen“ worden, die „zum großen Teilauf Aussagen fragwürdiger Kronzeugen basieren“. Sie kriti-sierte, dass das Gericht „keinerlei Zweifel an derartigenAussagen“ gehegt habe.

17. Januar Einer der Betroffenen der Wohnungsdurchsuchungen,Abdullah M., schildert gegenüber der Zeitung „Özgür Poli-tika“ die mehrmaligen Versuche des Verfassungsschutzes,ihn als Spitzel und somit für eine Zusammenarbeit zugewinnen. Diese Ansinnen habe er entschieden zurückge-wiesen. Deshalb – so vermute er – sei die Durchsuchungein Racheakt. „Die Repression gegen Kurden geht weiter.Man kann uns aber zu dieser schmutzigen Politik nichtzwingen,“ sagte Abdullah M.

19. Januar Vor dem Hintergrund der Durchsuchungen appelliert dasPax-Christi-Mitglied Pater Jungheim in einem Brief an Bun-desinnenminister Wolfgang Schäuble, „dass auch unsereRegierung die einseitigen Schritte der PKK und aller Sym-pathisanten wahrnimmt als ein ernst zu nehmendes Zeug-nis ihres Wandels und ihrer Veränderung“. Der PKK müsseauch hier eine „demokratische Plattform“ gegeben wer-den.

25./26. JanuarIn Istanbul findet unter Vorsitz der Sprecherin der US-Bot-schaft, Kathy Schalow, ein „Runder Tisch“ statt zum Kampfgegen die PKK und den internationalen Terrorismus, andem Juristen, Staatsanwälte sowie Angehörige der Sicher-

heits- und Geheimdienste aus der Türkei, den USA, Hol-land, Frankreich und Großbritannien teilnahmen. Die USAund das türkische Justizministerium haben interaktiveArbeitsgruppen und die Durchführung von Veranstaltun-gen beschlossen. Zentrale Themen sollen in den kommen-den Monaten die verschiedenen Dimensionen des Kamp-fes gegen Geldwäsche, Finanzierung des Terrorismus, diePKK sowie die internationale Zusammenarbeit in der straf-rechtlichen Verfolgung sein.

29. JanuarAm frühen Morgen werden in Bremen die Wohnungenvon Bisar H. und Osman A. wegen angeblicher Verstößegegen das Vereinsgesetz durchsucht. Die Polizei beschlag-nahmte Bücher, Kalender, Musikkassetten sowie eineKopie des Films „Berîtan“. Osman A. musste zur ED-Behandlung auf die Polizeiwache. Am gleichen Tag erfolgte eine Durchsuchung der Woh-nung von Dervis D. in Hannover. Auch hier nimmt die Poli-zei Bücher, Handys und den Computer mit; eine ED-Behandlung erfolgt ebenfalls.

5./6. FebruarBei Razzien in Frankreich wird gegen 14 von 15 PersonenHaftbefehl wegen der angeblichen „Finanzierung von Ter-rorismus, organisiertem Verbrechen und Geldwäsche“erlassen. Die am 5. Februar auf Antrag Frankreichs in Bel-gien festgenommene kurdische Politikerin Canan Kurtyil-maz wurde am 16. Februar ausgeliefert, nach einem Haft-prüfungstermin jedoch wieder freigelassen. Nach einemweiteren Haftprüfungstermin wurden acht der AnfangFebruar in Paris festgenommenen 14 Kurden wieder auffreien Fuß gesetzt, darunter die Politiker Riza Altun undNedim Seven.

24. FebruarAus Protest gegen die Kriminalisierung veranstaltet dieFöderation der kurdischen Vereine in Deutschland, YEK-KOM, in Düsseldorf eine Demonstration unter dem Motto„Kurden fordern Gerechtigkeit“, an der sich über 1000Menschen beteiligen.

7. MärzIn Berlin wird der 57-jährige Muharrem A. festgenommen.Die BAW verdächtigt ihn, 1994/95 als Verantwortlicher der„PKK-Region Süd“ tätig gewesen zu sein und sich als Mit-glied der seinerzeit bestehenden „terroristischen“ Vereini-gung (§129a StGB) beteiligt zu haben.

19. März Am Abend wird in Hamburg die kurdische PolitikerinSakine Cansiz festgenommen. Grundlage ist ein internatio-naler Haftbefehl, ausgestellt vom Staatssicherheitsgerichtin Malatya, mit dem die Auslieferung der Kurdin an die Tür-kei wegen des Verdachts der „Zugehörigkeit zu einer terro-ristischen Organisation“ beantragt wird.

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21. März Ausgerechnet an diesem für Kurdinnen und Kurden sobedeutsamen Tag, dem Neujahrsfest Newroz, wird der Pro-zess gegen den kurdischen Politiker und Journalisten RizaErdogan wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer„kriminellen“ Vereinigung (§129 StGB) vor dem Oberlan-desgericht in Düsseldorf eröffnet. Die Anklage wirft ihmvor, dass seine Aktivitäten als „Rädelsführer“ der Aufrecht-erhaltung und dem Ausbau der Parteistrukturen sowie derDurchsetzung ihrer Ziele gedient hätten. Zum Auftakt gibtRiza Erdogan eine Prozesserklärung ab, in der er u.a. sagte,dass „sowohl die kurdische Gesellschaft als auch die kurdi-sche Bewegung in den letzten fünf bis sechs Jahren ernst-hafte Erschütterungen und Veränderungen“ erlebt habe.Es sei „der Übergang zu einem Aufbau vollzogen“ worden,„der die demokratischen Rechte und individuellen Freihei-ten respektiert und unterstützt.“ Doch sähen sich die Kur-den in Deutschland aufgrund der Verbote „schwerwiegen-den Erschwernissen ausgesetzt“, weshalb sie „ernsteProbleme“ hätten, „sich zu artikulieren“.

AprilIn einer Anfrage an die Bundesregierung „zur politischenLösung des türkisch-kurdischen Konflikts“ will die Links-fraktion u. a. wissen, ob vor dem Hintergrund des einseitigerklärten Waffenstillstands der PKK eine Aufhebung derPKK als „terroristische“ Vereinigung“ (in der EU-Terrorliste)erwogen werde, um die Friedensbemühungen zu unter-stützen. Antwort: „Die Klassifizierung der PKK beruht aufeiner einstimmigen Entscheidung der zuständigen EU-Gremien. […] In der Sache besteht zu einer solchen Aufhe-bung keine Veranlassung: die PKK verfügt, unbeschadetihrer wiederholten Waffenstillstandserklärungen, über dieFähigkeit zu terroristischen Aktionen und die Entschlos-senheit, sich dieser Mittel zu bedienen.“

AprilDie Mitgliedschaft im Vorstand eines Deutsch-KurdischenFreundschaftsvereins wurde dem Kurden M.V. zum Ver-hängnis. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat ihm diebeantragte Einbürgerung verweigert, weil er aufgrunddieser Aktivitäten „die Sicherheit der BundesrepublikDeutschland“ gefährde. Außerdem habe er an Veranstal-tungen teilgenommen, auf Kundgebungen gesprochenoder sich an Demonstrationen beteiligt. All dies mache ihn„zum Kreis der Anhänger, die es der PKK ermöglichthaben, entgegen dem vereinsrechtlichen Verbot aus demUntergrund heraus zu operieren und ihre illegalen, dieSicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchti-genden und ihre auswärtigen Belange gefährdendenTätigkeiten fortzusetzen“. Deshalb könne beim Bewerbernicht von einer „Loyalität gegenüber dem deutschenStaat“ ausgegangen werden. Des weiteren verweist dieStadt darauf, das die PKK auf der EU-Terrorliste stehe. Sieendet mit der Drohung, es solle „die Einbürgerung vonPKK-Aktivisten selbst dann verhindert werden“, wenn „ent-sprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen wer-den“ könnten.

16. AprilDie Kurdin Aysel A. reicht Beschwerde beim EuropäischenGerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Sie hattesich im Jahre 2001 an der Selbstbezichtigungskampagne„Auch ich bin PKKler/in“ beteiligt und mit anderen Perso-nen gesammelte Unterschriften der Staatsanwaltschaftübergeben. Deshalb wurde sie später wegen Verstoßesgegen das Vereinsgesetz zu einer Geldstrafe von 1 200 €verurteilt. Gegen dieses Urteil legte sie Revision beim Bun-desgerichtshof ein, der diese als unbegründet verwarf.Auch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgerichtwurde zurückgewiesen. Da somit alle gerichtlichen Instan-zen in der BRD durchlaufen waren, konnte sich Aysel A. anden Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wenden. Inder Beschwerde wird insbesondere gerügt, dass die ange-griffenen Entscheidungen der nationalen Gerichte gegenArtikel 10 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechts-konvention in Verbindung mit Art. 7n Abs. 1 Satz 1 (freieMeinungsäußerung) verstoßen.

17. AprilNur einen Tag, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkelgemeinsam mit dem türkischen MinisterpräsidentenTayyip Erdogan die Industriemesse in Hannover eröffnetund die positiven deutsch-türkischen Wirtschaftsbezie-hungen gelobt hat, werden in Köln die Räume des kurdi-schen Vereins „Mala Kurda“ sowie 40 Wohnungen von Ver-einsmitgliedern durchsucht und zahlreiche Gegenständebeschlagnahmt. Die Polizeiaktion soll laut Durchsuchungs-beschluss des Amtsgerichts im Zusammenhang mitErmittlungen wegen des Verstoßes gegen das Vereinsge-setz stehen, was konkret bedeutet: „Gelder für die in derBundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsver-bot belegten Organisationen PKK und KONGRA-GEL zusammeln bzw. gesammelt zu haben.“ Die Durchsuchun-gen sollen dazu dienen, „Unterlagen über Spender, Spen-denbeträge, Verwendung der Spenden, Quittungen undsonstiger Finanzunterlagen“ als auch Belege „über die Ver-bindung des Vereins zu PKK und KONGRA-GEL“ aufzufin-den. Außerdem ist in dem Beschluss der Hinweis und dieBehauptung zu lesen, dass „die derzeit noch nicht miteinem Betätigungsverbot belegte Organisation YEK-KOM“direkt in den Kongra-Gel „eingebunden“ sei.

18. AprilIn den frühen Morgenstunden folgt die nächste Durchsu-chungsaktion. Über 160 Polizisten durchsuchen in Nürn-berg, Ingolstadt und Regensburg 35 kurdische Wohnun-gen, Büros und Vereinsräume und beschlagnahmtenMobiltelefone, 12 Computer sowie über 100 Publikatio-nen. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Mittelfrankenhabe sich diese Aktion gegen 32 Beschuldigte gerichtet,denen Verstöße gegen das Vereinsgesetz und somit Unter-stützung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisation KON-GRA-GEL vorgeworfen werde.

20. April Das Amtsgericht München verurteilt den Journalisten Dr.Nikolaus Brauns zu einer Geldstrafe von 2100€. Die

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Anklage hatte ihm versuchte Strafvereitelung in Tateinheitmit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowiegefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Brauns hattegemeinsam mit deutschen, kurdischen und türkischenFreundinnen und Freunden am 1. April 2006 in Müncheneine Kundgebung unter dem Motto „Diyarbakir und Mün-chen – Schulter an Schulter“ organisiert. Mit dieser Aktionsollte auf die Massaker der türkischen Armee sowie diedeutsche Unterstützung der antikurdischen Politik auf-merksam gemacht werden. Im Zuge der Kundgebung kames zu Provokationen der Polizei. Grund waren Plakate mitden Bildern von mit Giftgas ermordeten kurdischen Frei-heitskämpfern. Weil sich hinter den abgebildeten Leichenrote Sterne befanden, war der Staatsschutz der Auffas-sung, hierbei handele es sich um verbotene Symbole, wes-halb die Plakate zu entfernen seien. Dann überranntenrund 20 USK-Beamte ohne Vorwarnung die Kundgebung.Brauns wurde vorgeworfen, er hätte mit dem Megaphonabsichtlich einen Polizeihauptkommissar in die Ohrengebrüllt, was dieser als Körperverletzung strafverfolgt wis-sen wollte. Von diesem Vorwurf ist der Journalist aber frei-gesprochen worden.

25. April Die Richter des 1. Strafsenats des Hanseatischen Oberlan-desgerichts heben den Haftbefehl gegen die kurdischePolitikerin Sakine Cansiz , die am 19. März festgenommenworden war, wieder auf. Eine Auslieferung an die Türkeiwird abgelehnt, u. a., weil die von den türkischen Justizbe-hörden vorgelegten Unterlagen nicht einmal den „Min-destanforderungen“ entsprochen haben.

MaiWeil er angeblich die „Sicherheit der Bundesrepublikgefährdet“ habe, sollte einem Kurden, der bereits seit 27Jahren in der BRD lebt, die beantragte Einbürgerung ver-weigert werden. Was war geschehen? M.V. war eine Zeitlang im Vorstand eines Deutsch-Kurdischen Freund-schaftsvereins, von dem die Einbürgerungsbehördebehauptet, diese habe „die PKK/ERNK unterstützt“ und die„innere Sicherheit“ gefährdet. Außerdem habe der Antrag-steller an Demonstrationen teilgenommen, was ihn „zumKreis der Anhänger, die es der PKK ermöglicht haben, ent-gegen dem vereinsrechtlichen Verbot aus dem Unter-grund heraus zu operieren und ihre illegalen, die Sicher-heit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigendenund ihre auswärtigen Belange gefährdenden Tätigkeitenfortzusetzen“. Deshalb könne nicht von seiner „Loyalitätgegenüber dem deutschen Staat“ ausgegangen werden.Schließlich weist die Behörde noch darauf hin, dass „Ein-bürgerungen von PKK-Aktivisten selbst dann verhindertwerden“ müssten, wenn „entsprechende Bestrebungennicht sicher nachgewiesen werden“ könnten. (Mai)

24. Mai Der Prozess gegen den kurdischen Politiker MuzafferAyata, der am 8. August 2006 in Mannheim verhaftet wor-den war, wird vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M.eröffnet. Ihm wird angebliche „Rädelsführerschaft in einer

kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) vorgeworfen, weil er2005/2006 für den „Sektor Süd“ der PKK bzw. des KON-GRA-GEL verantwortlich tätig gewesen sein soll. Er habelaut Bundesanwaltschaft (BAW) Anweisungen an nachge-ordnete Funktionäre erteilt sowie „organisatorische, finan-zielle und propagandistische Angelegenheiten“ koordi-niert. Muzaffer Ayata war aufgrund seiner politischenAktivitäten bereits über 20 Jahre in verschiedenen Gefäng-nissen der Türkei inhaftiert.

13. JuniLaut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) soll das BKA ineinem internen Lagebericht zu dem Schluss gekommensein, dass der als beendet erklärte Waffenstillstand der PKKvom Oktober 2006 auch Konsequenzen für Deutschlandhabe. Danach sei die Stimmung der PKK-Anhänger gereiztund Anschläge könnten nicht ausgeschlossen werden. Fürden Fall einer militärischen Intervention der türkischenArmee im Nordirak müsse in der Türkei mit einer Eskala-tion durch terroristische Aktivitäten gerechnet werden,was auch Rückwirkungen auf das Verhalten der PKK inDeutschland haben würde.

JuniNach Angaben der kurdischen Nachrichtenagentur ANFhat der Generalstab der türkischen Armee für die kurdi-sche Region den Ausnahmezustand (OHAL) ausgerufen.Die so genannten „Sicherheitsgebiete“ umfassen Sirnak,Hakkari und Siirt. Zwischen dem 9. Juni und 9. Septemberwerden für dieses Gebiet erhöhte Sicherheitsmaßnahmenund Betretungsverbote gelten. Der türkische General-stabschef Yasar Büyükanit fordert eine groß angelegteMilitäroffensive gegen PKK-Basen im Nordirak.

28. Juni Die EU-Terrorliste wird aktualisiert und PKK wie KONGRA-GEL erneut als „terroristisch“ bzw. „kriminell“ eingestufteOrganisationen aufgenommen.

30. Juni Auf einer Wahlveranstaltung in Erzurum wirft der Chef derultrarechten Partei der Nationalistischen Bewegung(MHP), Devlet Bahceli, dem türkischen Ministerpräsiden-ten Erdogan vor, auf Druck der EU die Todesstrafe abge-schafft zu haben. Während seiner Rede zog er ein Seilunter dem Pult hervor, warf es in die Menschenmenge undrief: „Hier ist der Strick, Herr Ministerpräsident! Hängt Öca-lan doch auf, wenn ihr es könnt.“ An die EU gerichtet: „DieEU kann sich ihre Kopenhagener Kriterien an den Hut ste-cken und nach Hause gehen.“

2. JuliDas OLG Düsseldorf verurteilt Riza Erdogan zu einer Frei-heitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten wegen „Rädelsfüh-rerschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung. Er sei in dieStrukturen der PKK eingebunden gewesen und dadurchmitverantwortlich zu machen. Außerdem rechtfertigeallein die Mitgliedschaft in PKK/KONGRA-GEL eine Anklagenach §129 StGB.

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5. Juli Etwa 190 Polizeibeamte durchsuchen Privatwohnungenund Geschäftsräume „mutmaßlicher Anhänger der verbo-tenen Organisation KONGRA-GEL“ in Bayern, Baden-Würt-temberg und Nordrhein-Westfalen und beschlagnahmenHandys, Bücher, Kassetten, PCs und andere Unterlagen.Allein im Großraum München sind 23 Objekte betroffen.Begründet werden die Übergriffe mit der Behauptung, eswerde am Aufbau einer PKK-nahen Jugendorganisationgearbeitet. Unter den mindestens 22 Festgenommenenbefindet sich auch der aus Dersim stammende 69jährigekurdische Schriftsteller Haydar Isik, gegen den das Amts-gericht München Haftbefehl wegen angeblicher Unter-stützung der PKK erlassen hatte.

8. JuliGegen die jüngste Repressionswelle protestieren in Mün-chen auf einer Kundgebung der Kurdisch-DeutscheFreundschaftsverein, DIDF, die GEW, Marxistische Initiative,Libertad, die DKP und die LINKSPARTEI. In einem gemein-samen Flugblatt wird Deutschland aufgefordert, nicht wei-ter Teilhaber im schmutzigen Krieg des türkischen Staatesgegen die Kurden zu sein. Brigitte Wolf (Linkspartei) for-dert in einem Redebeitrag die Aufhebung des PKK-Verbotssowie die sofortige Freilassung von Haydar Isik.

10. Juli Hasan K. wird aus der JVA Darmstadt entlassen und kannnach Frankreich ausreisen, wo er als politischer Flüchtlinganerkannt ist. Der Politiker war am 12. Juni 2006 vonÖsterreich an die BRD überstellt worden und am 16.Januar vom OLG Frankfurt/M. zu einer Haftstrafe von 2Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. Ihm war vorge-worfen worden, Mitglied in einer terroristischen Vereini-gung (§129a) gewesen zu sein. Als PKK-Führungsfunktio-när sei er von Mai 1993 bis April 1994 für die RegionNordwest verantwortlich gewesen.

10. Juli Auch Ahmet C. wird aus der Haft entlassen. Das Landge-richt Stuttgart hatte ihn wegen Verstoßes gegen das Ver-einsgesetz (Betätigung für PKK/KONGRA-GEL; Spenden-sammeln) zu einer Haftstrafe von 8 Monaten auf 3 JahreBewährung zuzügl. einer Geldstrafe von 1.500 € verurteilt.Ahmet C. war im Zuge einer länderübergreifenden Polizei-razzia am 10. Januar 2007 verhaftet worden.

17. Juli Haydar Isik wird nach einer Beschwerde seines Verteidigerswieder aus der Haft entlassen, verbunden mit Meldeaufla-gen. Die wichtigste ist, dass Herr Isik mit einer Reihe vonangeblich konspirativen Personen keinen Kontakt aufneh-men darf. Unter anderem wird auch er selbst auf derNamensliste genannt ! Es handelt sich mehrheitlich umPersonen, die seinen Verein „Dersim-Gesellschaft für Wie-deraufbau“ auch finanziell unterstützen. „Ich kann dieAktion der Strafverfolger gegen Herrn Isik nicht ganz ernstnehmen – zu abwegig sind manche Vorwürfe. Die deut-sche Politik und die deutschen Strafverfolger sollten

Außenmaß bewahren“ erklärte Rechtsanwalt HartmutWächtler und ergänzte, dass man auf diese Weise „einerLösung keinen Schritt“ näher komme. Im August dannwurden sämtliche Auflagen zurückgenommen.

18. Juli Laut Frankfurter Rundschau sind die ausländischen Direkt-investitionen der türkischen Wirtschaft von knapp übereine Milliarde Dollar im Jahre 2002 in diesem Jahr auf fast30 Milliarden geklettert. Fast 3000 deutsche Unternehmensind dort tätig, davon kamen im vergangenen Jahr allein500 nach Anatolien. Das bilaterale Handelsvolumen zwi-schen der Türkei und Deutschland erreichte 2006 mit 23,5Milliarden Euro einen neuen Rekord.

26. Juli Am Morgen stürmen und durchsuchen Sondereinsatz-kommandos des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) inden Kreisen Gießen und Marburg die Privatwohnungenvon vier Mitgliedern des Mezopotamischen Kulturvereins,darunter die des Vereinsvorsitzenden Ali Aktas. Sie werdenfestgenommen und am selben Tag wieder freigelassen.Angeordnet hat diese Polizeiaktion das Amtsgericht Frank-furt/M. mit der Begründung, gegen die Beschuldigtenbestehe der Verdacht, „dass sie die Tötung des Polizeibe-amten Klaus B. planen und diesen hierfür an einen nichtnäher bekannten Ort locken wollen“. Es handele sich um„eine Art Abstrafungsaktion aufgrund eines dienstlichenHandelns des Polizeibeamten in den 90er Jahren“. (Hintergrund des „dienstlichen Handelns“: Am 29. Juni1994 wurde der kurdische Jugendliche Halim Dener vonzwei Zivilpolizisten beim Kleben von Plakaten der verbote-nen ERNK überrascht und durch einen Schuss in denRücken getötet. Der Polizist, der geschossen hatte, war imJuni 1997 vom Landgericht Hannover vom Verdacht der„fahrlässigen Tötung“ freigesprochen worden.) Ali Aktaswies die Vorwürfe scharf zurück und warf den Strafverfol-gungsbehörden „Staatsterrorismus“ vor. Eine solcheBehandlung könne nicht akzeptiert werden. Der GießenerAnwalt Bernhard Gerth sprach von einem „relativ mysteriö-sen und undurchsichtigen Vorgang“. Er vermute, dass denBehörden lediglich der anonyme Hinweis einer „denunzia-torischen Quelle“ vorliege. Die Gießener Linksparteierklärte, die Umstände des Polizeiübergriffs ließen „eherauf eine politische Aktion als auf kriminalistische Arbeit“schließen.

AugustDas Finanzamt III der Stadt Frankfurt/M. hat AnfangAugust entschieden, dem Mesopotamischen Kulturzen-trum e.V. die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Begründetwird die Maßnahme u. a. damit, dass dem Amt bekanntge-worden sei, dass es „personelle und ideelle Verflechtun-gen“ zwischen dem Verein und der „Organisation YEK-KOM“ gebe, „welche durch ihre Verbindungen zumVolkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL), ehemals PKK“ alsverfassungsfeindlich einzustufen“ sei. Sie verweist weiterdarauf hin, dass sich das PKK-Betätigungsverbot auch aufden KONGRA-GEL erstrecke. Deshalb halte sich der Verein

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„durch die inhaltlichen und personellen Verflechtungenmit der YEK-KOM im Rahmen seiner tatsächlichenGeschäftsführung nicht an die verfassungsmäßige Ord-nung der BRD“. Das wiederum schließe eine steuerlicheBegünstigung aus. Gegen diese Entscheidung wurdeWiderspruch eingelegt, der jedoch zurückgewiesen wurdemit der Begründung, YEK-KOM habe dazu aufgerufen, dieStimme zu erheben „für eine politische Lösung der kurdi-schen Frage, die Freiheit von Abdullah Öcalan und allerpolitischen Gefangenen“. Daher seien politische Mei-nungsäußerungen „beabsichtigt“. Sie träten „nicht nurzufällig“ auf.

1. AugustDie Bundesregierung antwortet auf eine Kleine Anfrageder LINKSPARTEI zu den Folgen der „Terrorismusbekämp-fung auf das Asyl- und Aufenthaltsrecht“ u. a., dass in denJahren 2005 und 2006 ‚„insgesamt 48 Personen kein Asyloder keinen Flüchtlingsschutz erhalten“ haben, weil sieverdächtigt wurden, „Mitglieder oder Unterstützer terroris-tischer Gruppierungen im Ausland“ zu sein. Im gleichenZeitraum seien in „41 Verfahren der Asyl- bzw. Flüchtlings-status widerrufen“ worden. Aus den Antworten geht fer-ner hervor, dass das Bundesamt für Migration und Flücht-linge eng in die „Terrorismusbekämpfung“ eingebundenund an zehn Arbeitsgruppen auf Länder- und Bundes-ebene beteiligt“ sei. Die Bundesregierung führt weiter aus,dass zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Juni 2007in 2 379 Fällen Informationen aus Asylverfahren an dasBundesamt für Verfassungsschutz weitergegeben wurden.Bei ca. 19 000 Personen seien Daten von Ausländern anden Bundesnachrichtendienst zur Prüfung von Versagens-gründen für Visa und Aufenthaltstitel weitergeleitet wor-den. (BT-Drucksache Nr. 16/6087)

1. SeptemberAm Antikriegstag, findet in Gelsenkirchen das 15. Interna-tionale Kurdische Kultur-Festival statt, das wieder vonzehntausenden von Menschen aus allen Teilen Europasund der Türkei besucht wurde. Wie Mehmet Demir, Vorsit-zender der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland(YEK-KOM), in seiner Begrüßungsrede u. a. ausführte, seienetwa 40 Busse mit Festivalteilnehmenden von der deut-schen Polizei an den Grenzen von Holland, Dänemark,Frankreich und Luxemburg an der Weiterreise gehindertworden. Er rief die europäischen Staaten und insbeson-dere die Bundesrepublik auf, ihre Repressionspolitik gegendie Kurden einzustellen. Redner waren der Schriftstellerund Lektor Hywel Williams aus Wales, Francie Brolly, Mit-glied von Sinn Féin aus Nordirland, der Rechtsanwalt JoeyMoses aus Südafrika, Jordi perales Gimenez vom Büro derRepublikanischen Linken Kataloniens, Vidar Birkeland vonder Arbeiterpartei Norwegens sowie die stellvertretendeVorsitzende der LINKSPARTEI, Katina Schubert.

SeptemberDas Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerruftzwei Kurden die Asylanerkennung. Im Falle von Vasfi T.wird dargelegt, dass „seit 2004 die bewaffneten Auseinan-dersetzungen zwischen PKK/KADEK, jetzt KHK/KONGRA-GEL und den Sicherheitskräften in einigen der mehrheit-lich von Kurden bewohnten Provinzen“ wieder zugenom-men hätten, doch bliebe die Zivilbevölkerung „hiervonweitgehend unberührt“. „Seit Jahren“ würden auch „keineDorfschützer mehr rekrutiert“ und „keine Dörfer mehrgeräumt“. Außerdem seien „zahlreiche Reformen“ erfolgt.So könne „mit hinreichender Sicherheit“ ausgeschlossenwerden, dass dem Kurden im Rückkehrfall „asylrelevanteVerfolgungsmaßnahmen drohten“, zumal, weil in der Tür-kei die „Null-Toleranzgrenze gegenüber der Anwendungvon Folter“ gelte. Im Falle von Osman M. droht das Bun-

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desamt: „Für Personen, die die militante staatsfeindlicheOrganisation wie die damalige PKK unterstützt haben oderhaben sollen, besteht bei Rückkehr aufgrund der zwi-schenzeitlich in der Türkei eingetretenen substanziellenVerbesserungen in Bezug auf die Menschenrechte i.d.R.keine beachtliche Wahrscheinlichkeit menschenrechtswid-riger Behandlung oder Folter.“

4. SeptemberDie unabhängige Zeitung „Bir Gün“ meldet unter Berufungauf eine Zählung der Menschenrechtsabteilung der türki-schen Regierung, dass es im ersten Halbjahr 96 Beschwer-den wegen Folter oder Misshandlungen gegeben habe. ImJahre 2006 habe man insgesamt 137 Fälle registriert. NachAngaben von Menschenrechtlern in der Türkei würdentrotz verkündeter „Null-Toleranz“-Politik weiterhin Folterund Misshandlungen toleriert.

11. September Die Bundesanwaltschaft (BAW) kündigt an, gegen Muhar-rem A. Anklage nach § 129a StGB vor dem Staatsschutzse-nat des Kammergerichts Berlin zu erheben. Sie wirft dem58-Jährigen, der am 7. März in Berlin verhaftet wurde, vor,im Zeitraum 1994/95 als hauptamtlicher Kader der seiner-zeit noch als „terroristisch“ eingestuften PKK für die„Region Bayern“ verantwortlich gewesen zu sein.

19. September Auf einer Podiumsdiskussion erklärt der Soziologe TobiasSchwarz von der Hans-Böckler-Stiftung, dass sich nachSchäubles „Antiterrorpaket“ der Druck auf Menschen ohnedeutschen Pass erheblich erhöht habe. Andrea Würdiger,Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwältinnen-und Anwältevereins, führte aus, dass der Ausweisungs-grund „Billigen und Bewerben terroristischer Handlungen“in der Praxis schwer zu bestimmten sei. Nach ihren Beob-achtungen seien seit 2005 Ausweisungen „ganz verstärkt“mit der Terrorbekämpfung begründet worden. Es werdeeinem „politischen Populismus“ gehuldigt. Alle Veranstal-tungsteilnehmer/innen forderten, dass Migranten, diemindestens fünf Jahre in Deutschland lebten, absolutenAusweisungsschutz erhalten müssten.

5. OktoberDer Befehlshaber der Landstreitkräfte, Ilker Basbug, ver-kündet auf einer Pressekonferenz in Diyarbakir, dass manmit ganzjährigen Operationen die PKK in Bedrängnisgebracht habe. Dieser Druck werde auch im Herbst undWinter fortgesetzt – solange die PKK über bewaffneteKräfte verfüge.Zu den Versuchen, die kurdische Bewegung zu eliminierenund die kurdische Bevölkerung in der Türkei durch einestaatlich tolerierte nationalistische und rassistische Hetzein die Enge zu treiben, erklärte das Präsidium des Exekutiv-rats der Vereinigten Gemeinschaften Kurdistans (KCK) am22. Oktober u. a., man habe zum 1. Oktober 2006 einenWaffenstillstand ausgerufen und gehofft, damit dieVoraussetzung für eine demokratische Lösung der Kon-flikte geschaffen zu haben. Doch habe die Regierung diese

Möglichkeit nicht genutzt und statt dessen die Armee ihreoperativen Angriffe verstärkt. Die anhaltenden Gefechteseien das Resultat einer Verleugnungsmentalität und –politik.

17. OktoberMit einer Mehrheit von 507 Stimmen haben die Abgeord-neten des türkischen Parlaments der Regierung für dieDauer eines Jahres eine Blankovollmacht erteilt, jederzeitohne weitere Konsultationen des Parlaments der Armeeden Marschbefehl für Operationen gegen die PKK-Guerillaim Nordirak zu geben. 19 Abgeordnete der DTP stimmtensichtbar dagegen. Der irakische Ministerpräsident Al Malikierklärte, man sei entschlossen, der Existenz der PKK im Irakein Ende zu bereiten. Entsprechende Anweisungen seiender kurdischen Regionalregierung gegeben worden.

30. Oktober Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden türkisch-kur-dischen Konflikts, sprach der Deutschlandfunk mit demgrünen Europaabgeordnete Cem Özdemir. Befragt nachden Vorwürfen des türkischen Ministerpräsidenten TayyipErdogan, Europa gehe nicht hart genug gegen die PKK vor,meinte Özdemir, es gebe zwar offiziell ein PKK-Verbot, defacto sei dieses aber „löchrig wie ein Schweizer Käse“. Sei-ner Meinung nach dürften die Nachfolgeorganisationen„tun und lassen, was sie wollen“ und würden als „Kultur-zentren verharmlost“. Auf die Frage, ob PKK-Führungsmit-glieder an die Türkei ausgeliefert werden sollten, meinteer, dass man sie „ja nicht ausliefern“ müsse, weil die Türkei„noch eine Menge tun“ müsse, „um den Zustand ihrerGefängnisse zu verbessern“. Doch könnte man „die Leuteja hier festnehmen“. Es gebe – so der Grüne – „die PKK“ aufder einen und die „Grauen Wölfe“ auf der einen Seite, „dieder PKK in nichts nachstehen“. Beide sollten nicht denken,dass „Deutschland ein Ruheraum“ für sie sein könne.

31. Oktober Der Prozess gegen Muharrem A. wird vor dem Staats-schutzsenat des Berliner Kammergerichts eröffnet, demdie Bundesanwaltschaft vorwirft, von Februar 1994 bisApril 1995 als Funktionär der zu diesem Zeit noch als „ter-roristisch“ eingestuften PKK für die Region Bayern verant-wortlich gewesen zu sein.

Oktober Azadî befragt in einem Interview den Vorsitzenden desKONGRA-GEL, Zübeyir Adar, zu den Vorwürfen der deut-schen Strafverfolgungsbehörden gegen kurdische Politi-ker, die wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Verei-nigung (§ 129 StGB) vor deutschen Gerichten angeklagtsind und verurteilt werden. Unverändert seit vielen Jahrenwird die kurdische Bewegung der Spendengelderpres-sung und Schleusung von Personen (Funktionären oder imKrieg Verwundeten) nach Deutschland sowie der Existenzeines internen Strafsystems beschuldigt. Zubeyir Aydarbestreitet diese Vorwürfe und verweist auf die weitrei-chenden Veränderungen in Struktur und Politik der Bewe-gung: „Wenn behauptet wird, unsere Struktur sei heute

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dieselbe wie 2000, so steht dahinter entweder einebestimmte Absicht oder aber zumindest ein Ignorieren derRealitäten.“ (Das Interview ist nachzulesen im Azadî-infodienst Nr. 59).

NovemberDer Verfassungsschutz (VS) des Landes Nordrhein-Westfa-len hat mehrfach versucht, die Mitarbeiterin von zwei inDüsseldorf ansässigen kurdischen Hilfsprojekten über ihreFunktion und Arbeit auszufragen und sie für eine Mitarbeitmit dem VS zu gewinnen. Aysan C. hat dieses Ansinnenabgewiesen und es stattdessen öffentlich gemacht, u. a. ineinem Interview in der November-Ausgabe des Azadî-infos.

NovemberZum 14. Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots haben dieFöderation kurdischer Vereine in Deutschland, YEK-KOM,und der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden inDeutschland, AZADÎ, eine Eingabe an den Petitionsaus-schuss des Bundestages gerichtet. Mit der Petition wirddas Parlament aufgerufen, für die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots initiativ zu werden und den Bundes-minister des Innern zu entsprechenden Schritten aufzufor-dern.

5. November US-Präsident George W. Bush sagt anlässlich eines Besu-ches von Ministerpräsident Tayyip Erdogan in Washingtondiesem zu, Geheimdienstinformationen über die kurdi-schen PKK-Guerilla-Stellungen in den Kandil-Bergen desNordirak zu liefern. Bereits Wochen zuvor überflogen US-Spionageflugzeuge die Region.

17. November Gegen die angekündigte Invasion der türkischen Armeegegen mutmaßliche Stellungen der PKK-Guerilla in denBergen Irakisch-Kurdistans demonstrieren Kurdinnen undKurden in vielen Städten, u. a. in Nürnberg unter demMotto „Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Frieden ist derWeg – Frieden gemeinsam schmieden“. Hierbei werden sieunterstützt von kurdischen, türkischen und deutschenGruppen und Initiativen, von der Linkspartei, Antifas undSchülerinnen und Schülern. Die Demonstrierenden woll-ten auch den Versuchen von türkischen Rechten (GraueWölfe), verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinan-der aufzuhetzen, eine Absage erteilen.

16. November Der türkische Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcin-kaya hat beim Verfassungsgericht in Ankara das Verbot derprokurdischen Partei der demokratischen Gesellschaft(DTP) wegen Unterstützung einer „terroristischen Vereini-gung“ beantragt. Ministerpräsident Tayyip Erdogan hattedie Partei mehrmals dazu aufgefordert, sich eindeutig vonder PKK zu distanzieren, was diese ablehnte.

7. DezemberDie türkischsprachige Tageszeitung Milliyet berichtet, dassdas türkische Justizministerium die Auslieferung des seitAugust 2006 in deutscher Haft befindlichen kurdischenPolitikers Muzaffer Ayata beantragt hat. Das Ministeriumberuft sich hierbei auf eine von der Oberstaatsanwalt-schaft Diyarbakir erstellte Akte und begründet ihr Ersu-chen damit, dass der Kurde – der bereits wegen seinerpolitischen Aktivitäten 20 Jahre in türkischen Gefängnis-sen verbringen musste – angeblich für die Finanzen derPKK in Europa zuständig sei und angeblich 500 kurdischeFirmen koordiniert hätte.

8. Dezember Unter dem Titel „Quo vadis, Türkei – Die kurdische Fragezwischen Krieg und politischer Lösung“ findet in Hamburgeine vom Verband der Studierenden aus Kurdistan veran-staltete Podiumsdiskussion statt. Der Abgeordnete derLinksfraktion, Prof. Dr. Norman Paech nimmt u. a. zu denAuswirkungen des PKK-Betätigungsverbots in Deutsch-land Stellung und fordert ein Ende der Kriminalisierung. Erempfiehlt den politisch Verantwortlichen, sich am Beispielder Schweiz zu orientieren, wo die kurdischen Organisatio-nen, ihre Repräsentanten und Anhänger offen für ihre poli-tischen Vorstellungen werben und arbeiten können. Fer-ner kritisiert er die Aufnahme der PKK und die aus ihrhervorgegangenen Organisationen in die EU-Terrorliste. Erfordert eine Streichung.

9. DezemberEine in Berlin geplante Demonstration von Kurdinnen undKurden gegen die Militäroperationen der türkischenArmee und die antikurdische Hetze in der Türkei wird nichtgenehmigt. Lediglich eine Kundgebung ohne Fackelzugund Fahnen mit dem Bild von Abdullah Öcalan lässt diePolizei zu. Das Demo-Verbot war mit der Gefahr von Über-griffen der MHP-nahen Grauen Wölfe begründet worden.Das Sicherheitsargument sei lediglich vorgeschoben,erklärte daraufhin das Kurdistan-Solidaritätskomitee undverzichtete unter diesen Bedingungen auf eine Aktion.

10. Dezember Auf Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung, wieviele Auslieferungsanträge der Türkei ihr vorliege, antwor-tet diese, dass in diesem Jahr „26 Auslieferungsersuchender türkischen Regierung eingegangen“ seien. Es seijedoch „statistisch nicht erfasst“, über welchen Aufent-haltsstatus die Personen verfügten, deren Auslieferung dieTürkei beantragt habe.

13. DezemberMeldungen der prokurdischen Tageszeitung Yeni ÖzgürPolitika zufolge, wurden am frühen Morgen in Leipzig dieWohnungen von vier Kurden durchsucht. Unter ihnenbefand sich auch Aziz Celik, der Vorsitzende des dortigenkurdischen Kulturhauses. Neben den Bustickets für dieDemonstration am 15. 12. in Düsseldorf, beschlagnahmtedie Polizei sein Handy, SIM-Karten, Computer, Quittungs-unterlagen, Notizbücher, Ausgaben der Zeitschrift Serxwe-

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bûn sowie Kalender. Laut Aussagen von Celik sind auchBilder und Bücher von Abdullah Öcalan von den Polizistenfotografiert worden. Der Kurde musste sich einer ED-Behandlung unterziehen.

15. DezemberZehntausende Kurdinnen und Kurden haben in Düsseldorfan einer Demonstration und Kundgebung unter demMotto „Êdî bes e – es reicht: Schluss mit Krieg und Vernich-tung“ teilgenommen und ein Ende der Militäroperationender türkischen Armee sowie Freiheit für Abdullah Öcalangefordert. Die Veranstalterin, YEK-KOM, forderte in einerErklärung die Türkei auf, auf die Kurden zuzugehen und„gemeinsam einen Friedensplan zu entwickeln.“ Es gebeein Leben „jenseits von Krieg und Vernichtung“. Mit dieserDemonstration wolle man dafür „werben“ und „kämpfen“.Wegen verbotener Fahnen kam es im Verlauf der Demons-tration zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei undkurdischen Jugendlichen, wobei Pfefferspray und berit-tene Kräfte eingesetzt wurden. Mehrere Jugendliche wur-den vorübergehend festgenommen.Auf der Schlusskundgebung sprach auch der DTP-Vorsit-zende Nurettin Demirtas. Nach seiner Rückkehr vonDeutschland nach Ankara, wurde er am 18. Dezember vontürkischen Sicherheitskräften verhaftet.

15. Dezember Bei einem Treffen zwischen der DTP-Abgeordneten Seba-hat Tuncel mit dem Sinn Féin-Vorsitzenden Garry Adams inBelfast, hat dieser seine Bereitschaft zum Ausdruckgebracht, an der friedlichen Lösung der kurdischen Fragemitzuwirken. Hierzu werde man die Beziehungen zwi-schen DTP und der nordirischen Partei vertiefen.

16. Dezember Wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung(GKKE) unter Berufung auf regierungsamtliche Statistikenberichtet, haben deutsche Firmen ihr internationales Waf-fengeschäft deutlich ausgebaut. Die Rüstungsexporte stie-gen 2006 um 24 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. DieseSteigerung sei mit der Zunahme von Sammelausfuhren zuerklären, bei denen deutsche Produzenten mit EU- oderNATO-Partner kooperieren. Dies berge die Gefahr, dassdeutsche Waffen weiter exportiert würden – auch in Kri-senregionen und arme Länder. An erster Stelle bei denRüstungsexporten aus Deutschland an Länder mitschlechter Menschenrechtssituation steht der Statistikzufolge die Türkei. Ihr Wert betrug 311,7 Millionen Euro.

18. Dezember Der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon ruft den 18.Dezember zum „Tag der Migranten“ aus. Mehr als je zuvorleben Menschen außerhalb ihres Geburtslandes. Etwa 200Millionen Migranten hielten sich 2007 als Flüchtlinge, Ver-triebene, Verschleppte oder als Arbeitskräfte im Auslandauf. Ban Ki Moon forderte zu mehr Verständnis für undzum Schutz vor Diskriminierung von Zuwanderern auf.

19. Dezember„Die baskische Jugend wird dem nicht gleichgültig zuse-hen, sondern reicht den Brüdern und Schwestern in Kur-distan solidarisch die Hand“, erklärten baskische Jugendli-che, die sich im Baskenland an einer spontanenKundgebung gegen die türkische Invasion in Südkurdis-tan/Nordirak beteiligten. Das Netz „Kamaradak“ (Genos-sen) wies darauf hin, dass der „türkische Staat zum wieder-holten Male die UNO-Resolutionen des Völkerrechtsverletzt“ habe und „zu einer neuen imperialistischenAggression mit Hilfe der Vereinigten Staaten übergegan-gen“ sei.

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200816. JanuarAhmed B. wird aufgrund eines Haftbefehls von InterpolAnkara an der deutsch-schweizerischen Grenze fest- undin Auslieferungshaft genommen. Nur zwei Tage später, am18. Januar, konnte er das Gefängnis wieder verlassen. DasOberlandesgericht (OLG) ordnete die sofortige Freilassungdes Betroffenen insbesondere deshalb an, weil das Fest-nahmeersuchen der Türkei vom 6. März 2007 „nicht denformellen Voraussetzungen“ des Europäischen Ausliefe-rungsabkommens und des Europäischen Übereinkom-mens zur Bekämpfung des Terrorismus. In dem Haftbefehlsei lediglich die „Funktion des Verfolgten beschrieben“ undvon den türkischen Behörden die „Vermutung“ einer Mit-wirkung an „von der PKK begangenen terroristischenHandlungen“ geäußert worden. Dies reiche für den Erlasseiner Haftanordnung nicht aus. Die Generalstaatsanwalt-schaft Karlsruhe war da wohl anderer Meinung: Sie hatteden Auslieferungshaftbefehl beantragt.

21. Januar Die baden-württembergische Firma KabelBW hat denEmpfang des kurdischen Senders ROJ TV gestoppt. Ein Fir-mensprecher erklärte, dass dieser Maßnahme keine juristi-sche Entscheidung zugrunde liege; vielmehr habe manvon „bestimmten Stellen“ eine entsprechende „Direktive“erhalten.

23. Januar Der kurdische Politiker Muharrem A. wird von den Richterndes Staatsschutzsenats des Kammergerichts Berlin nach §129a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9Monaten verurteilt und anschließend aus der Haft entlas-sen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Muharrem A.als Regionsleiter der PKK 1994/95 tätig gewesen ist. DerBetroffene war am 7. März 2007 in Berlin festgenommenworden.

31. Januar Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg findeteine Anhörung über die Frage statt, ob es rechtmäßig ist,dass die kurdischen Organisationen PKK und KONGRA-GELin der EU-Terrorliste geführt werden. Der Vorsitzende vonKONGRA-GEL, Zübeyir Aydar, hatte gegen die ListungBeschwerde eingereicht.

8. FebruarAnlässlich des Besuchs des türkischen MinisterpräsidentenTayyip Erdogan in Deutschland, erklärt er, er habe mit Bun-deskanzlerin Merkel u. a. auch über das Vorgehen gegendie PKK gesprochen. Eine Woche zuvor hatte sich Bundes-innenminister Wolfgang Schäuble zu Gesprächen in derTürkei aufgehalten, wo er eine Unterstützung der Türkei im„Antiterrorkampf“ zugesagt habe – u.a. auch hinsichtlichder Auslieferung von in Deutschland lebenden PKK-Mit-gliedern und –Sympathisanten.

9. FebruarPolizeikräfte durchsuchen den kurdischen Verein Mala Gelin Hannover und nehmen 14 Personen fest, darunter denVereinsvorsitzenden Cafer Alp. Außerdem wurden einComputer, mehrere Fotos und Dokumente beschlag-nahmt. Nach Angaben der Polizei sei der Razzia eine län-gere Observation der Festgenommenen im Zusammen-hang mit Ermittlungen wegen PKK-Betätigungvorausgegangen.

10. FebruarÜber 400 Kurden demonstrieren in Hannover gegen dieVereinsrazzia. Wie die Zeitung „Özgür Politika“ meldet, wur-den seit Januar des vergangenen Jahres razzien gegen insgesamt 135kurdische einrichtungen und Privatwohnungen in Deutschland durch-geführt, wobei Dutzende Personen festgenommen worden waren.

11. Februar Bis auf Ibrahim G. sind 13 der Festgenommenen wiederauf freiem Fuß. Nach Berichten der HAZ und Angaben derStaatsanwaltschaft Lüneburg soll der Festnahme des Kur-den ein konkreter Hinweis auf eine Versammlung desKONGRA-GEL zugrunde gelegen haben. Laut Oberstaats-anwalt Manfred Warnecke bestehe der Verdacht, dass dieVersammlung der „Abrechnung der Jahressteuerkampa-gne der Region Hannover“ gedient haben sollte. Weil derBeschuldigte, der für dieses Gebiet verantwortlich sei, kei-nen festen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er wegenFluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen worden.Bei ihm seien neben einem höheren Geldbetrag auchSpendenbescheinigungen gefunden worden. Die Staats-anwaltschaft glaube, dass es sich bei dem Festgenomme-nen um ein führendes Mitglied von KONGRA-GEL handele.Deshalb würde gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einerkriminellen Vereinigung ermittelt. Gegen die anderen wie-der auf freien Fuß gesetzten Kurden seien Verfahrenwegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz anhängig. NachAnsicht des Anwalts eines Kurden werde durch derartigeRazzien das Problem der Ausgrenzung verstärkt.

12. Februar„Das Ermittlungsverfahren wegen Verabredung zum Mordwird eingestellt“ – so lautet die Mitteilung der Staatsan-waltschaft beim Landgericht Frankfurt/M., die die KurdenAbdurrahman D., Ekrem E., Mehmet C. und Ali Aktas erhal-ten. Zur Erinnerung: Am frühen Morgen des 26. Juli 2007stürmten und durchsuchten Sondereinsatzkommandosdes hessischen Landeskriminalamtes (LKA) die Privatwoh-nungen von vier Mitgliedern des Mezopotamischen Kul-turvereins in Gießen, darunter die des VereinsvorsitzendenAli Aktas. Alle wurden festgenommen und am gleichenTag wieder freigelassen. Die vom Amtsgericht Frankfurt/M.angeordnete Polizeiaktion wurde damit begründet, dassgegen die Beschuldigten der Verdacht bestünde, „dass siedie Tötung des Polizeibeamten Klaus B. planen und diesenhierfür an einen nicht näher bekannten Ort locken wollen“.

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Hierbei handele es sich „um eine Art Abstrafungsaktionaufgrund eines dienstlichen Handelns des Polizeibeamtenin den 90er Jahren“. Es sei zu vermuten, dass bei derDurchsuchung „Notizen über den Aufenthaltsort desOpfers, Lichtbilder, Skizzen bzgl. seines Wohnsitzes undsonstige Unterlagen“ aufgefunden werden könnten. Die-sen Beschuldigungen zugrunde liegt ein Vorgang, der sicham 29. Juni 1994 in Hannover ereignete. Der kurdischeJugendliche Halim Dener wurde an diesem Abend vonzwei Zivilpolizisten beim Kleben von Plakaten der verbote-nen ERNK überrascht und durch einen Schuss in denRücken getötet. Der Polizist, der den Jugendlichenerschossen hatte, war im Juni 1997 vom Landgericht Han-nover vom Verdacht der „fahrlässigen Tötung“ freigespro-chen worden. Die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwalt-schaft, Doris Müller-Scheu, verstieg sich zu der Äußerung,dass die Durchsuchungen „die Sache aufgedeckt“ wordensei und die Verdächtigen „gewarnt“ seien, Pläne gegen denangeblich bedrohten Polizisten weiter zu verfolgen. DerGießener Anwalt Bernhard Gerth sprach von einem „relativmysteriösen und undurchsichtigen Vorgang“ und vermu-tete, dass die Behörden anonymen Hinweisen einer„denunziatorischen Quelle“ nachgegangen seien.

Laut Gießener Anzeiger vom 26. Juni hat sich der Polizei-einsatz vom Juli 2007 als „Schlag ins Wasser“ entpuppt.Nicht nur, dass die Ermittlungen eingestellt worden seien;vielmehr habe das Amtsgericht Gießen auch verfügt, dassdas Land Hessen für die entstandenen Sachschäden aufzu-kommen habe.

22. Februar Ridwan C., der am 12. Juli 2007 in Berlin verhaftet wurde,ist zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monatenverurteilt worden. Gegen das Urteil hat die VerteidigungRevision eingelegt.

27. Februar Das Ehepaar A. hatte im Jahre 2000 einen Antrag auf Ein-bürgerung gestellt und 2004 zurückgezogen, nachdemihnen in einer Anhörung erklärt worden war, dass siewegen ihrer Aktivitäten für die PKK die Voraussetzungennicht erfüllen würden. Doch auch der nächste Versuch –2006 – scheiterte. Das Ordnungsamt einer nordrhein-westfälischen Stadt teilte dem kurdischen Ehepaar mit,dass „allein die Tatsache, dass diese Aktivitäten (für diePKK) länger zurückliegen“ nicht genüge, „um eine Abwen-dung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungenglaubhaft zu machen.“ Vielmehr müssten die Beiden„schriftlich darlegen, dass und warum sie ihre innere Ein-stellung gewandelt“ hätten. „Detailliert“ sei zu erläutern,„welche Umstände Ihre Abwendung von der extremisti-schen Organisation bzw. deren Aktivitäten bewirkt“haben. Die Begründung müsse „anhand der konkretenAnhaltspunkte nachvollziehbar sein“, so dass „zukünftigUnterstützungshandlungen im o.g. Sinne mit hinreichen-der Gewissheit ausgeschlossen werden“ könnten.

27. Februar Obwohl sich der Vereinsvorsitzende bereiterklärt hat, dieVereinstüre zu öffnen, dringen etwa 100 Polizeikräftegewaltsam in das Zentrum für kurdische Kultur und Spra-che e.V. in Kassel ein und durchsuchen alle Räumlichkei-ten. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Frank-furt/M., der die Anordnung mit Ermittlungen wegenangeblicher Aktivitäten der „PKK-NachfolgeorganisationKONGRA-GEL“ und deren Unterstützung begründet,datiert vom 4. Februar 2008. Sieben Personen werden fest-genommen, sechs am späten Abend nach ED-Behandlungwieder freigelassen; ein Kurde, Hemo Ö., befindet sich wei-terhin in Haft. Er wird beschuldigt, im Raum Kassel „Spen-densammlungen und sonstige Aktivitäten zu koordinie-ren“ und zu diesem Zweck „Treffen im Zentrum fürkurdische Kultur und Sprache abzuhalten“. Im Zuge derDurchsuchung wurden zahlreiche Bücher, Zeitschriften,PC, Handys, Ordner und Vereinsunterlagen beschlag-nahmt.

28. Februar Rund 1500 Menschen – Mitglieder kurdischer, türkischerdeutscher und antifaschistischer Vereinigungen –demonstrieren in Berlin gegen den Einmarsch der türki-schen Armee in den Nordirak. Die europäischen Länderwerden aufgefordert, sich mit politischen und wirtschaftli-chen Druckmitteln für die Beendigung des völkerrechts-widrigen Überfalls einzusetzen. Vor dem angemeldetenOrt der Abschlusskundgebung – die türkische Botschaft –sperren Polizisten die Straße ab, weil die Demonstrieren-den in Sprechchören „Erdogan – Mörder“ rufen. Der Spre-cher des Kurdistan-Solidaritätskomitees, Nick Brauns,rechtfertigt über Lautsprecher diese Parole wegen derpolitischen Mitverantwortlichkeit Erdogans für das Mor-den der türkischen Armee in Kurdistan. Die Polizei nimmtihn deshalb wegen „Beleidigung“ des türkischen Minister-präsidenten fest. Das Komitee zeigt sich zuversichtlich,dass eine Anklage wegen Beleidigung ebenso scheiternwird wie ähnliche Verfahren wegen der Parole „Rumsfeld –Massenmörder“ während der Invasion der USA auf denIrak.

MärzIn seinem Urteil bewertet das Verwaltungsgericht (VG)Hannover den Asylwiderruf des Bundesamtes für Migra-tion und Flüchtlinge gegen einen Kurden als rechtswidrigund hebt diesen wieder auf. Das Gericht bezieht sich aufden Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25. Oktober2007, wonach sich zwar die Menschenrechtslage in derTürkei verbessert habe, gleichwohl aber nicht davon aus-gegangen werden könne, dass der Reformprozess „bereitsweit genug fortgeschritten“ sei, „um eine menschenrechts-widrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicher-heitsorgane mit hinreichender Sicherheit ausschließen zukönnen.“ Der Mentalitätswandel sei noch nicht von allenTeilen der „Polizei, Verwaltung und Justiz vollständigerfasst.“ Trotz „aller“ Maßnahmen der Regierung gegen Fol-ter und Misshandlungen im Rahmen ihrer Null-Toleranz-Politik und eines weiteren Rückgangs von bekannt gewor-

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denen Fällen“, müsste die Strafverfolgung von Folterernimmer noch als „unbefriedigend“ bezeichnet werden.Außerdem würden „derzeit“ die türkischen Gerichte „inpolitischen Strafverfahren auf der Grundlage von erfolter-ten Geständnissen verurteilen.“ Es gebe auch „keine zuver-lässigen Erkenntnisse“, „in welchem Umfang es zu inoffi-ziellen Festnahmen durch Sicherheitskräfte in Zivil mitanschließender Misshandlung und Folter komme.“ Deshalb gehe das Gericht „derzeit“ davon aus, „dass voneiner verfestigten und nachhaltigen Veränderung derMenschenrechtssituation in der Türkei […] nicht gespro-chen“ werden könne. (Aktenzeichen: 1 A 2918/07). Außer-dem verwiesen die Richter auf ein ähnliches Urteil des VGOldenburg vom 4. Oktober 2007. Dies verwies insbeson-dere darauf, „dass die Auseinandersetzungen zwischen derPKK und den türkischen Sicherheitskräften seit Juni 2004wieder aufgeflammt“ seien und ein „Anstieg von Übergrif-fen der Sicherheitskräfte erneut zu verzeichnen“ sei. Auchwegen der „Verschärfung des Antiterrorgesetzes vom 29.Juni 2006 als Reaktion auf die Zunahme der Spannungenim Südosten der Türkei“ könne nicht davon ausgegangenwerden, „dass der durch eigene (exil-)politische Aktivitätenaufgefallene Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei Verfol-gungsmaßnahmen nicht mehr ausgesetzt“ sein würde.(Aktenzeichen: 5 A 4386/06).

10. März Nachdem Hemo Ö. im Zuge einer Razzia am 27. Februar imKasseler Zentrum für kurdische Kultur und Sprache inUntersuchungshaft genommen wurde und nach einemHaftprüfungstermin zwei Tage später das Gefängnis wie-der verlassen konnte, ist er in Bielefeld erneut festgenom-men worden. Wie zuvor liegt der neuerlichen Festnahmeeine Anordnung des Amtsgerichts Frankfurt/M. zugrunde,nach der Hemo Ö. beschuldigt wird, für die „PKK-Nach-folgeorganisation Kongra-Gel“ tätig zu sein und diesedurch „Spendensammlungen und sonstige Aktivitäten zukoordinieren“ und zu unterstützen. Der Kurde wurde am 7.Juli 2008 zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verur-teilt, der Vorwurf des §129 StGB fallen gelassen und derHaftbefehl aufgehoben.

25. März Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in einem Urteilden Asyl-Widerrufsbescheid des Bundesamtes gegen eineKurdin aufgehoben. Danach habe im Jahre 2007 „im Ver-gleich zum Vorjahr erneut ein Anstieg um 40 Prozent dergemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung festge-stellt“ werden müssen. Aufgrund der „intensivierten militä-rischen Auseinandersetzungen zwischen den türkischenStreitkräften und Guerillaverbänden der PKK“ sei der„Druck der Straße auf die türkische Regierung, massivgegen die PKK vorzugehen, immer größer geworden.“ Esbestehe eine „besonders starke nationalistische Stim-mung“, die „zahlreiche Übergriffe gegen Kurden und meh-rere Büros der prokurdischen Partei DTP“ zur Folge habe.Außerdem drohe durch den „Einmarsch der türkischenArmee in den Nordirak im Februar 2008 eine Destabilisie-rung der gesamten Region.“ (Aktenzeichen: A 11 K 17/08)

13. März Die Büroräume derInformationsstelleKurdistan (ISKU) inHamburg sowie einePrivatwohnung inBerlin werden durchsucht. Laut Beschluss des Amts -gerichts vom 7. Dezember 2007 werde auf der Internet-seite der ISKU „positiv“ über die „kurdische Freiheitsbewe-gung“ berichtet und das Programm und Statut vonKONGRA-GEL ungekürzt veröffentlicht mit dem Ziel, „dieZahl seiner Anhänger zu vergrößern“. Außerdem könnesich „der Leser“ in eine Unterschriftenliste unter den Aufruf„Kurden fordern Gerechtigkeit – PKK von der Terrorlistestreichen“ eintragen. Dies rechtfertigt nach Auffassung desAmtsrichters Dr. Szebrowski ein Ermittlungsverfahrengegen „unbekannte Verantwortliche“ wegen des „Ver-dachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz“. Auch indiesem Gerichtsbeschluss findet sich die unhaltbareBehauptung, PKK/KADEK und KONGRA-GEL seien „iden-tisch“ und „lediglich umbenannt“ worden, weshalb auchKONGRA-GEL unter das PKK-Betätigungsverbot falle. Auchdie Wohnung des Vorstandsmitglieds Hasret A. vom kurdi-schen Verein Mala Gel in Hannover wurde wegen des Ver-dachts der PKK-Betätigung durchsucht.

13. März Auf der Fahrt von Koblenz nach Linz/Rh., stoppen mas-kierte Polizeikräfte das Fahrzeug, in dem Cenep Y., Aziz K.und Turabi K. sitzen. Die Fensterscheiben werden zerschla-gen, die Kurden aus dem Wagen gezerrt und auf denBoden geworfen. Hierbei erleidet Cenep Y. eine Platz-wunde unterhalb des Auges, so dass er einige Tage imHaftkrankenhaus behandelt werden muss. Nach seiner„Entlassung“ wird er in eine Einzelzelle der JVA verlegt, woer Hochsicherheitsbedingungen unterliegt. So hat er täg-lich nur eine halbe Stunde Hofgang alleine und inbestimmten Fällen werden ihm Hand- und Fußfesselnangelegt. Laut Durchsuchungsantrag der Staatsanwalt-schaft Koblenz und Beschluss des Amtsgerichtes Koblenzvom 12. März wird der Kurde verdächtigt, hauptamtlicherKader der PKK in einer kriminellen Vereinigung (§ 129StGB) zu sein. Er soll sich „als Mitglied an der in Deutsch-land bestehenden kriminellen Vereinigung im führendenFunktionskörper der Organisation PKK“ seit 2007 „alsGebietsverantwortlicher für das Gebiet Bonn“ betätigthaben. Der Zweck und die Tätigkeit der kriminellen Verei-nigung sei – laut Amtsgericht – „auf die Begehung vonStraftaten gerichtet“ und diene „der Aufrechterhaltungund dem Ausbau der Parteistrukturen sowie der Durchset-zung ihrer Ziele“. Zur „mitgliedschaftlichen Betätigung“von Funktionären der Organisation gehöre ferner, trotzdes 1993 ausgesprochenen Betätigungsverbots, „Dritte zuveranlassen oder darin zu fördern, ihrerseits gegen dasVerbot zu verstoßen.“ Dies betreffe insbesondere denArbeitsbereich „Finanzen“. So sei Cenep Y. in diesem Rahmen nicht nur für die alljährlichen Spendenkampagneverantwortlich, sondern „mit der Regelung sämtlicherorganisatorischer, finanzieller und propagandistischer

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Angelegenheit“ betreut gewesen. Er habe sich bei derUmsetzung dieser Aufgaben der beiden „Raumverantwort-lichen“ Aziz K. und Turabi K. „bedient“. Beide sind deshalbmit dem Vorwurf der „Unterstützung der kriminellen Verei-nigung“ konfrontiert und befinden sich ebenfalls in Unter-suchungshaft in rheinland-pfälzischen Gefängnissen.

13. März Die Wohnung, der Keller und Pkw von Hasan K. in Koblenzwerden durchsucht und eine Reihe von Gegenständenbeschlagnahmt. Laut Beschluss des Amtsgerichts Koblenzvom 12. März wird gegen ihn wegen des „Anfangsver-dachts eines Vergehens nach dem Vereinsgesetz“ ermit-telt. Seit Oktober 2007 soll er umfangreiche „Tätigkeiten fürdie PKK“ entfaltet haben, insbesondere hinsichtlich derSpendenaktionen. Als Stadtteilverantwortlicher habe er„aufgrund seiner kulturellen und verwandtschaftlichenVerwurzelung innerhalb der örtlichen kurdischen Bevölke-rung über vertiefte Einblicke in die finanziellen Verhält-nisse von Privatpersonen und Geschäfte“ verfügt. Hasan K.befindet sich auf freiem Fuß.

19. MärzUnter dem Titel „Auslieferung trotz Flüchtlings- oder Asyla-nerkennung?“ untersuchte der Strafrechtsprofessor OttoLagodny im Auftrag von Amnesty International die bun-desdeutsche Rechtslage. Der Jurist hält die Tatsache, dassdeutsche Gerichte selbst abgeschlossene Asylverfahrenüberprüfen, für einen Verstoß gegen europäisches Recht.Strafgerichte und Bundesjustizministerium sind bei ihrerEntscheidung, ob einem türkischen Auslieferungsantragstattgegeben wird, nicht an Beschlüsse der Verwaltungs-gerichte oder –behörden gebunden. Türkische Behördennutzen die Rechtslücke, wonach es auf europäischerEbene keine einheitliche Regelung gibt, nach der ein aner-kannter Flüchtling trotzdem weiterhin vom Verfolgerstaatper Interpol-Haftbefehl gesucht werden kann. Julia Duch-row von Amnesty International hält die Amtshilfe hinsicht-lich der türkischen Auslieferungsersuchen für fragwürdigund rechtswidrig.

26. MärzAuf Anordnung des Amtsgerichts Koblenz wird der kurdi-sche Politiker Mehmet C. verhaftet. Er wird der „Mitglied-schaft in einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) ver-dächtigt und beschuldigt , „ununterbrochen fortlaufendseit Mai 2005“ für mehrere „Gebiete der PKK“ als „haupt-amtlicher Kader“ verantwortlich gewesen zu sein. Um„Aufschluss über Art und Umfang der Betätigung desBeschuldigten für die PKK“ zu erhalten, findet auf Antragder Staatsanwaltschaft Koblenz auch eine Durchsuchungseiner Wohnung statt.

27. März Als mutmaßlichen „PKK-Führungsfunktionär“ hat die Bun-desanwaltschaft in Berlin den 34-jährigen Kurden Vakuf M.durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) festneh-men lassen. Er soll unter dem Decknamen „Dersim“ von„Juli 2004 bis Juni 2007“ verschiedene „PKK-Gebiete“

Nürnberg, Mainz, Darmstadt und Berlin geleitet haben. Erwird der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigungbeschuldigt (§ 129 StGB) und befindet sich seit seiner Fest-nahme in Untersuchungshaft.

10. AprilMuzaffer Ayata wird vom OLG Frankfurt/M. zu einer Frei-heitsstrafe von 3 Jahren und sechs Monaten verurteilt.Gegen das Urteil wird Revision eingelegt. In einem über70-seitigen Schlusswort geht der Politiker insbesondereauf die Haltung der deutschen Politik gegenüber den Pro-blemen der Kurden ein. (s. Azadî-infodienst Nr. 65, April 2008)Muzaffer A.’s Verteidiger hatten für ihren Mandanten Frei-spruch und Aufhebung des Haftbefehls gefordert.Einen Monat zuvor, am 18. März war dem Politiker Muzaf-fer A. der Gerichtsbeschluss des OLG vom 13.3. zur Auslie-ferungshaft verlesen worden. Wie AZADÎ im Dezemberberichtet hatte, fordert die Türkei die Auslieferung des Poli-tikers. Das türkische Auslieferungsersuchen datiert vom10. Dezember 2007. Bereits drei Tage zuvor meldete dieTageszeitung Milliyet, das türkische Justizministeriumberufe sich auf eine von der Oberstaatsanwaltschaft Diyar-bakir erstellte Akte und begründe das Auslieferungsersu-chen mit der Behauptung, dass Muzaffer A. für die Finan-zen der PKK in Europa sowie für den bewaffneten Kampfder „Separatisten“ gegen die Armee, die Polizei und dieBevölkerung verantwortlich gewesen sein soll. Die Behör-den behaupten außerdem, dass er bis zum Jahre 2000 als„Gefängnisbeauftragter“ der PKK tätig gewesen sei. Gegenden Kurden, der im August 2006 in Mannheim festgenom-men worden war, wurde seit dem 24. Mai 2007 wegen desVorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereini-gung (§ 129 StGB) verhandelt. [Muzaffer A., der im März1980 – wenige Monate später erfolgte der Militärputsch -in der Türkei „im Rahmen der Organisationstätigkeitenfestgenommen“ worden ist, wurde zur Todesstrafe verur-teilt, die später in eine lebenslange Haft umgewandeltwurde. Im September 2000 wurde er aus dem Gefängnisin Bursa entlassen und ist im Mai 2001 aus der Türkei insAusland ausgereist. In Deutschland war er u. a. von 2003bis 2004 als Ansprechpartner für die in der Türkei inzwi-schen verbotene prokurdische Parteien HADEP/DEHAP –Nachfolgerin der auch vom Verbot bedrohten DTP – undsetzte sich vor allem auch publizistisch für die friedlicheLösung des türkisch-kurdischen Konflikts ein].

10. AprilIn den frühen Morgenstunden werden die Räumlichkeitendes kurdischen Vereins BIRATI e.V. in Bremen sowie dieWohnungen von neun Mitgliedern durchsucht, darunterdie des ehemaligen und derzeitigen Vereinsvorsitzenden.Die Betroffenen müssen sich einer ED-Behandlung unter-ziehen. Im Zuge der Durchsuchungen sind Vereinsunterla-gen, Zeitschriften, Bücher, Notizblöcke, Computer undHandys beschlagnahmt worden. Die StaatsanwaltschaftBremen wirft den kurdischen Vereinsaktivisten die Bildungeiner kriminellen Vereinigung (§129 Strafgesetzbuch) vor– ein Novum in der strafrechtlichen Verfolgung von Kur-den und ihren Einrichtungen. Bislang wurden Spenden,

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das Spendensammeln und andere Aktivitäten als Verstößegegen das Vereinsgesetz strafrechtlich geahndet. Begrün-det wird dies in der Regel mit der Behauptung, dass alleVereine, die der Föderation kurdischer Vereine (YEK-KOM)angehören, den „legalen Arm“ von PKK/KONGRA-GEL bil-den und mit deren Ziele sympathisieren würden. Währendzahlreiche derartiger Verfahren mit Geldstrafe oder einerEinstellung enden, müsste bei einer Anklage nach § 129StGB mit empfindlicheren Strafen gerechnet werden.

12. April Unter dem Motto „Stoppt die Kriminalisierung der Kurdenund kurdischer Vereine“ war für den in Bremen eine Kund-gebung angemeldet worden. Das Amt für Veranstaltun-gen, öffentliche Ordnung und Gesundheitsschutz ver-fügte, dass keine Symbole und Fahnen vonPKK/ERNK/ARGK (angemerkt sei, dass zumindest ERNKund ARGK überhaupt nicht mehr existieren, Azadî) gezeigtnoch PKK-Parolen gerufen werden dürfen. Außerdemwerde nicht gestattet, dass „das Bild Abdullah Öcalans beidieser Versammlung“ gezeigt wird. Der verantwortlicheVersammlungsleiter wurde dazu verpflichtet, „Personen,die Kennzeichen, Fahnen und Symbole der verbotenenPKK, von KADEK und KONGRA-GEL zeigen und Parolen derPKK skandieren oder das Bild Abdullah Öcalans verwen-den“, von der Kundgebung „auszuschließen“.

AprilDie Stadt Kassel teilte Methi M., seiner Frau und ihren fünfKindern mit, dass die Absicht bestehe, der Familie den Auf-enthaltstitel nach der Bleiberechtsregelung zu versagen.Diese Entscheidung wird damit begründet, dass das Lan-desamt für Verfassungsschutz Hessen der Ausländerbe-hörde im Zuge des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens„geeignete Erkenntnisse im Bezug auf Herrn M. mitgeteilt“habe. Es müssten „Personen von der Bleiberechtsregelungausgeschlossen“ werden, „die Bezüge zu Extremismusoder Terrorismus“ hätten. In einer Sicherheitsbefragunghabe Methi M. zwar seine zeitweise Vorstandstätigkeit ineinem „von der PKK/KONGRA-GEL gesteuerten“ kurdi-schen Verein eingeräumt, doch hinsichtlich der Dauer

seien seine Angaben „unvollständig“ gewesen. Außerdemgebe es „Anhaltspunkte dafür“, dass es sich bei dem Betrof-fenen „nach wie vor um einen patriotischen Kurden“ han-dele, „der zumindest mit den Zielen der PKK/KONGRA-GELsympathisiert.“ Hierfür sollen nun alle Familienmitgliederhaften, was laut Behörde dem Grundsatz entspreche, „dassminderjährige Kinder das aufenthaltsrechtliche Schicksalder Eltern teilen“ müssen. Aufgrund der „häuslichenGemeinschaft und der engen Bindungen in einer Familie“sei ein „negativer Einfluss von Straftätern auf Ehefrau undKinder nicht auszuschließen“.

4. MaiZwei wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kri-minellen Vereinigung (§ 129 StGB) in U-Haft befindlichenkurdischen Gefangenen in Rheinland-Pfalz, wird die Aus-händigung der prokurdischen Tageszeitung Yeni ÖzgürPolitika verweigert, weil diese angeblich verboten sei.Nach der Beschwerde eines Verteidigers, wonach es sichbei der Zeitung mitnichten um eine verbotene Publikationhandelt, musste das Amtsgericht Koblenz mit Beschlussvom 4. Mai die Anordnung der Staatsanwaltschaft Koblenzaufheben. Den Beschuldigten seien „die bei der Habebefindlichen Ausgaben sowie die laufenden Ausgaben derTageszeitung Yeni Özgür Politika auszuhändigen.“ DieseGerichtsentscheidung ist für alle Inhaftierten nun verbind-lich. Das Amtsgericht hatte sich in seinem ersten Beschlusszum Verbot der Aushändigung auf die längst rechtskräftigaufgehobene Verbotsverfügung gegen die „E. Xani-Presse-agentur“ gestützt.Zur Erinnerung: Einen ersten Versuch, die Zeitung zu ver-bieten, erfolgte im Januar 2000, als Beamte des hessischenLKA mehrere Büros der Zeitung in Berlin, Düsseldorf undNeu-Isenburg nach „PKK-nahen“ Dokumenten durchsuch-ten. Die Durchsuchungen erstreckten sich auch auf Woh-nungen von mehreren Mitarbeiter/innen. Zufall? Zum Zeit-punkt der Polizeiaktionen kam in Ankara die türkischeRegierungskoalition zu einer Sondersitzung über das wei-tere Schicksal des zum Tode verurteilten PKK-VorsitzendenAbdullah Öcalan zusammen.Den zweiten Versuch startete der damalige Bundesinnen-

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minister Otto Schily. Es war Wahlkampfzeit und Bundes-kanzler Schröder bemühte sich intensiv um türkischstäm-mige Wähler/innen. Anfang September 2005 wurden dieVerlags- und Firmenräume von Özgür Politika bzw. der E.Xani Presse- und Verlags GmbH durchsucht, sämtlicheArbeitsmaterialien sowie das Firmen- bzw. Vereinsvermö-gen beschlagnahmt. Schily ließ die Redaktion schließenund die Herausgabe der Zeitung verbieten. Diesem Vor -gehen vorausgegangen waren monatelange antikurdischeHetzkampagnen in türkischen Zeitungen, in denenDeutschland vorgeworfen wurde, nicht konsequentgenug gegen „terroristische Organisationen“ vorzugehen.Nach Schilys Repressionsmaßnahmen folgte prompt gro-ßes Lob vonseiten des damaligen türkischen Außenminis-ters Abdullah Gül. Als genüge das nicht, besuchte KanzlerSchröder kaum zwei Wochen nach dem Zeitungsverbotden in Frankfurt ansässigen Konzern des finanzschwerenVerlegers Aydin Dogan, in dessen Verlag auch das nationa-listische Massenblatt Hürriyet erscheint, das seitenlangüber diesen Besuch berichtete. Zeitgleich bemühte sichder türkische Staat intensiv darum, Druck auf die dänischeRegierung auszuüben, um die Schließung des kurdischenFernsehsenders ROJ TV zu erreichen. Dem Verbotsansin-nen von Schily machte das Bundesverwaltungsgericht inLeipzig mit seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2005einen Strich durch die Rechnung. Es hob das erlassene Ver-bot auf. Sämtliche beschlagnahmte Gegenstände musstenebenso wie das eingezogene Vermögen zurückgegebenwerden.

7. Mai In den frühen Morgenstunden werden die Studioräumeder in Wuppertal ansässigen Firma VIKO, die für das kurdi-sche ROJ TV Fernsehsendungen produziert, durchsucht.Von diesen Polizeimaßnahmen betroffen sind auch die Privatwohnungen der Mitarbeiter/innen und teilweiseehemaligen Angestellten von VIKO. Zweck der Durch -suchungen, die auf ein vom Bundesinnenministerium ein-geleiteten Ermittlungsverfahren zurückzuführen sind, solledie Beschlagnahme von „verbotsrelevantem Beweismate-rial“ sein. VIKO wird vorgeworfen, mithilfe ihrer Produkti-ons- und Sendetechnik „von Deutschland aus die PKK, dieseit 1993 verboten ist, zu unterstützen.“ ROJ TV sendet seitdem 1. März 2004 auf der Frequenz von MesopotamiaBroadcast, der seit 1993 eine dänische Sendelizenz für denKulturkanal Mesopotamia TV (METV) hat.

14. Mai Auf der Suche nach Beweismitteln in einem Ermittlungs-verfahren gegen Ahmet E., haben Beamte des Landeskri-minalamtes (LKA) Sachsen-Anhalt die Räumlichkeiten desMesopotamien-Kulturhauses in Halle sowie die Wohnungvon Filiz T. in Berlin durchsucht. Zu Festnahmen ist es beidieser polizeilichen Aktion nicht gekommen. LautBeschluss des Amtsgerichts Halle vom 21. April 2008, dasdie Durchsuchung des kurdischen Vereins angeordnet hat,wird der Beschuldigte verdächtigt, „mindestens seit Juni2007 als Gebietsverantwortlicher für die nachgeordnetenRäume Magdeburg, Halle, Leipzig, Zwickau und Dresden“

Spendengelder für die „ehemalige PKK und ihre Nach-folgeorganisationen und die Verteilung von Publikationeneingetrieben“ zu haben. Hierbei sei er von den „jeweiliggesondert verfolgten Raumverantwortlichen“ unterstütztworden. Als „Mitglied einer kriminellen Vereinigung inner-halb der PKK“ habe sich Ahmet E. durch seine Handlungenstrafbar nach § 129 StGB gemacht.Von den Durchsuchungen habe man sich laut Gerichtsbe-schluss erhofft, insbesondere „Abrechnungsunterlagen,Spendenquittungen, Propagandamaterial, Telefonabrech-nungen, elektronische Speichermedien (CD, DVD, USB-sticks etc.) und sonstige Unterlagen, die Aufschluss gebenüber die Tätigkeit des Beschuldigten für die PKK und ihreNachfolgeorganisationen sowie Telefone und Computer“zu finden. […]

25. Mai Die Kurdische Nachrichtenagentur FIRAT News meldet,dass auf einer Sitzung des „Hohen Antiterrorrates“ der Tür-kei beschlossen worden sei, in der Türkei und in den EU-Ländern – insbesondere in Deutschland – eine umfas-sende Kampagne gegen die PKK starten zu wollen. So seieinerseits geplant, in der Türkei die Familien von PKK-Kämpfer/innen aufzusuchen, damit diese auf ihre Töchterund Söhne einwirken, die Guerilla zu verlassen. Bedienenwolle man sich bei der Kampagne auch der PKK-Abtrünni-gen und -Kronzeugen. Die Lobby- und Öffentlichkeits -offensive in den EU-Staaten soll über Nichtregierungs -organisationen, Botschaften und anderweitige Außen-vertretungen erfolgen. Auf Plakaten, Konferenzen, in Arti-keln, über Radio und Fernsehen soll die Öffentlichkeit inAnti-PKK-Stellung gebracht werden – vor allem mit derBehauptung, die Organisation sei in den Drogenhandelverwickelt bzw. profitiere von diesem.

30. Mai US-Präsident George W. Bush verfügt, die PKK bzw. denKONGRA-GEL auf Grundlage des „Foreign Narcotics King-pin Designation Act“ auf die US-Liste der Organisationen,die Drogenhandel betreiben, setzen zu lassen – gemein-sam mit der kalabrischen N’drangheta, der sizilianischenCosa Nostra und mexikanischen Drogenbaronen !

5. JuniAuf einer Pressekonferenz anlässlich eines informellenArbeitsbesuchs in Washington, erklärt der türkischeAußenminister Ali Babacan u. a., dass man gemeinsamgegen die PKK kämpfen und militärische Operationen inenger Kooperation mit den im Irak stationierten US-Streit-kräften durchführe und fortsetzen wolle. US-Außenminis-terin Condolezza Rice sagte, dass die PKK eine Feindin desIrak, der USA und der gesamten Region sei. Deshalb müssedie Zusammenarbeit mit der Türkei konzentriert werden.

5. Juni Aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts wirdAyfer K. aus der Auslieferungshaft in München entlassen.Wie in zahlreichen anderen Fällen mit der Begründung, dievon den türkischen Behörden vorgelegten Unterlagen im

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Hinblick auf die angestrebte Auslieferung entsprächen inkeiner Weise den europäischen Rechtsstandards. Die ehe-malige Dolmetscherin von Abdullah Öcalan während sei-nes Aufenthaltes in Italien und Griechenland 1998/99, waram 2. März an der deutsch-österreichischen Grenze festge-nommen worden.

13. Juni Laut Verfügung, gerichtet an die Verantwortlichen der inDänemark ansässigen Firmen Mesopotamia Broadcast A/SMETV und ROJ TV sowie VIKO in Wuppertal, lässt derInnenminister letztere als „Teilorganisation von ROJ TV“ am19. Juni schließen. Mesopotamia Broadcast A/S darf sich„im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes nicht mehrdurch den Fernsehsender ROJ TV A/S betätigen“. Es wirdbehauptet, die Tätigkeit des Fernsehsenders laufe Strafge-setzen zuwider und richte sich „gegen den Gedanken derVölkerverständigung“. Zudem wird behauptet, der TV-Sen-der betätige sich für die in Deutschland seit 1993 verbo-tene PKK „(heute KONGRA-GEL)“ und sei somit deren„Sprachrohr, um ihre Anhängerschaft in Europa mit Nach-richten zu versorgen.“ Des weiteren trage ROJ TV zur „Auf-rechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts derOrganisation“ bei.

Die erheblichen Interessen der BRDDas Verbot wird mit der Behauptung gerechtfertigt, derkurdische Sender beeinträchtige und gefährde „das friedli-che Zusammenleben von Deutschen und Ausländern undverschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, dieöffentliche Sicherheit und Ordnung und sonstige erhebli-che Interessen der Bundesrepublik Deutschland.“ Weiterwird polemisiert, dass durch die Sendungen „Gewaltan-wendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange“hervorgerufen werde und Vereinigungen „innerhalb undaußerhalb des Bundesgebietes“ unterstützt würden, die„Anschläge gegen Personen und Sachen veranlassen,befürworten und androhen.“ Ferner ist laut Verfügung die Bildung von Ersatzorganisa-tionen der TV-Produktionsfirma VIKO verboten; vorhande-nes Vermögen wird zugunsten des Bundes beschlagnahmtund eingezogen. Untersagt wird die Verwendung vonKennzeichen der „Mesopotamia Broadcast A/S“, von „RojTV A/S“ und der „VIKO Fernsehproduktion GmbH“.

Wer verstößt hier gegen die Völkerverständigung?Mit diesem Verbot erweist sich Bundesinnenminister Wolf-gang Schäuble als der verlängerte Arm und willfährigeVollstrecker der türkischen Regierung, der schon seit Jah-ren die kurdischen Medien ein Dorn im Auge sind. Hat sichbislang die dänische Regierung geweigert, dem türki-schen Druck auf Entzug der Lizenz von ROJ TV nachzuge-ben, demonstriert Deutschland wieder einmal, dass es imkurdisch-türkischen Konflikt auf der Seite der Unterdrückersteht. So erinnern einige Passagen der Verfügung an dasvom damaligen Innenminister Manfred Kanther (CDU)erlassene Betätigungsverbot der PKK von 1993. Auchdamals war u. a. die Rede davon, die kurdische Befreiungs-bewegung gefährde die Interessen Deutschlands und

richte sich gegen die Völkerverständigung. Auf Kantherfolgte Otto Schily (SPD), der im September 2005 mitnahezu der gleichen Begründung die in Deutschlanderscheinende Tageszeitung Özgür Politika und die Nach-richtenagentur MHA verbieten ließ. Allerdings hob dasBundesverwaltungsgericht diese Verbote wieder auf. Nunist Wolfgang Schäuble (CDU) an der Reihe und auch ermuss sich als antikurdischer Hardliner beweisen. Den kur-dischen Institutionen vorzuwerfen, ihre Arbeit richte sichgegen den Gedanken der Völkerverständigung, kann nurals dreist bezeichnet werden. Wie das Friedensforschungsinstituts SIPRI in seinemAnfang Juni veröffentlichten Jahrbuch feststellte, nimmtDeutschland den sechsten Platz der weltweiten Militäraus-gaben (23,7 Milliarden Euro) ein und die Türkei gehörtneben Griechenland und Südafrika zu den wichtigstenAbnehmern deutscher Waffen. Mit hoher Wahrscheinlich-keit kommt ein Teil von ihnen in den Militäroperation dertürkischen Armee gegen die kurdische Freiheitsbewegungund Zivilbevölkerung zum Einsatz. Auch macht dasbeängstigend wachsende militärische EngagementDeutschlands im Ausland deutlich, dass die Bundeswehrals „Armee im Einsatz“ überall in die Lage versetzt werdensoll, auch mit gewaltsamen Mitteln Druck zur Durchset-zung imperialer Interessen auszuüben. Dieser „neue deut-sche Militarismus“, die steigenden Rüstungsausgaben und-exporte vor allem in Krisengebiete erhöhen das Kriegsri-siko weltweit, verschlingen Ressourcen und verhindernpolitische Lösungen. Eine solche gegen die Menschen unddas Leben gerichtete Politik zerstört eine friedliche Ver-ständigung der Völker und nicht die Sendungen des kurdi-schen Fernsehsenders ROJ TV !Anwälte und Gerichte werden jetzt klären müssen, ob diejüngsten Verbotsmaßnahmen rechtmäßig waren.

„Direktive“ gegen ROJ TV bereits im JanuarEs sei daran erinnert, dass schon im Januar dieses Jahresdie Firma KabelBW mit Sitz in Baden-Württemberg denEmpfang von ROJ TV gestoppt hat. Ein Firmensprecherhatte seinerzeit erklärt, dass diesem Schritt keine juristi-sche Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Vielmehrhabe man von „bestimmten Stellen“ eine entsprechende„Direktive“ erhalten.

Linksfraktion: Vermitteln statt verbieten„Mit diesem Verbot gießt die Bundesregierung Öl ins Feuerdes türkisch-kurdischen Konflikts”, erklärt die innenpoliti-sche Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, in ihrerPressemitteilung vom 24. Juni. Die Bundesregierung sollestatt dessen versuchen, in diesem Konflikt „vermittelndeinzugreifen”. „Einen kurdischen Sender zu verbieten, wäh-rend türkische Medien ganz selbstverständlich ihre Nach-richten verbreiten dürfen, ist damit nicht vereinbar”, soJelpke.

KCK zum Verbot von ROJ TV: Feindliche Haltung gegen Kurden beendenProtest und Solidarität nötigMit einer scharfen Erklärung hat der KCK-Exekutivrat aufdas Verbot des kurdischen Senders reagiert. „Das kurdische

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Volk wird das System von Assimilation und Versklavung,das ihm aufgedrängt werden soll, niemals akzeptieren undsich nicht dem Staatsterror und der Politik der Gewalt beu-gen.” Die deutsche Regierung wird dazu aufgerufen, vonihrer „feindlichen Politik gegen das kurdische Volk undseine Befreiungsbewegung” abzusehen. „Alle Kurden soll-ten wissen, dass der deutsche Staat sich mit der Vernich-tungs- und Verleugnungspolitik des türkischen Staatesidentifiziert und die feindliche Linie gegen das kurdischeVolk zu einer grundsätzlichen politischen Haltung gewor-den ist. Die westlichen Kräfte – allen voran Deutschland –behindern eine friedliche demokratische Lösung der kur-dischen Frage. […] Wir rufen den deutschen Staat und dieRegierung Merkel dazu auf, von der feindlichen Politikabzusehen.” Demokratische Kräfte und alle Kurden in Deutschland wer-den dazu aufgefordert, gegen das Verbot zu protestierenund sich zu solidarisieren.

9. JuliOffenbar auf Eigeninitiative eines Gebietskommandeursder kurdischen Guerilla werden am Berg Ararat drei deut-sche Bergsteiger entführt. Von der deutschen Regierungwird ein Ende der Kriminalisierung von Kurdinnen undKurden und die Aufhebung des Verbots des kurdischenTV-Senders ROJ gefordert. Auf Einwirken der Menschen-rechtsorganisationen IHD und Mazlum Der, des Friedens-rats der Türkei sowie der DTP, werden die Deutschen am21. Juli wieder freigelassen.

21. JuliHüseyin A. wird von Beamten des BKA in Detmold festge-nommen. Von der BAW wird er verdächtigt, als „professio-neller Kader der PKK“ tätig gewesen zu sein. Er soll vonMärz bis Juni 2007 den „PKK-Sektor“ Süd geleitet undanschließend bis Juni 2008 als „Deutschlandvertreter“ fun-giert haben. Deshalb sei ihm „Rädelsführerschaft“ in einer„kriminellen Vereinigung“ (§ 129) vorzuwerfen.

3. AugustDer kurdische Politiker Abdurrahman A. wird aus demAbschiebegefängnis Rotenburg entlassen. Er war am 6.Mai festgenommen worden, nachdem die deutschenBehörden sein Asylgesuch als unglaubwürdig abgewiesenhatten, obwohl er Beweise vorlegte, dass er in der Türkeigesucht wird. Nach einem 29 Tage währenden Hunger-streik und der erneuten Vorlage von Dokumenten alsBeleg für seine politische Verfolgung, wurde entschieden,ihn bis zum Abschluss seines Asylverfahrens nicht abzu-schieben. Daraufhin wurde er am 3. August aus der Haftentlassen.

8. August Am frühen Morgen wird in München die Wohnung vonMurat Ö. durchsucht und er vorübergehend festgenom-men. Der Durchsuchungsbefehl datiert vom 23. Juli undwird damit begründet, dass es sich bei dem Betroffenenum den Münchener Verantwortlichen der kurdischenJugendorganisation Komalen Ciwan handele. Beschlag-

nahmt werden Bilder Abdullah Öcalans, persönliche Fotos,der Computer, das Telefon sowie Dokumente der FirmaMD-Lotus GmbH, dessen Besitzer Murat Ö. ist. Wie ergegenüber der Zeitung Yeni Özgür Politika erklärte, gebees seit dem 25. Mai 2007 gegen ihn eine behördlicheÜberwachungsanordnung.

In ihrer Ausgabe vom 8. August hat sich die „Berliner Mor-genpost“ auf das Kurdistan-Solidaritätskomitee Berlin undseine Aktivist(inn)en „eingeschossen“, gegen die LINKE-Abgeordnete Ulla Jelpke und ihren Mitarbeiter, NickBrauns. Zuspieler ist hierbei der CSU-Abgeordnete vonGuttenberg, der seine Aufmerksamkeit auf die LINKSPAR-TEI gerichtet hat. Morgenpost-Autor Thorsten Jungholdtbefragt Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg undstimmt einleitend darauf ein, was der Abgeordnete in vie-len „prall gefüllten Ordnern“ gesammelt habe: „Anträgeder Linken-Fraktionen aus dem Bundestag und dem Euro-paparlament, Artikel aus der Partei nahe stehenden Zei-tungen und ausländischen Publikationen.“ Warum? Erwolle „die Kontakte der Linken zu ausländischen Terror-gruppen wie der PKK oder der FARC publik machen“. DerJournalist glaubt zu wissen, dass das Kurdistan-Solidari-tätskomitee „als Unterstützerorganisation der von derEuropäischen Union als Terrorgruppe eingeordneten PKKin zahlreichen Verfassungsschutzberichten erwähnt“werde.

Auf die Frage von Jungholdt, warum sich der Adlige so„intensiv um die Beobachtung der Linken“ bemühe, ant-wortete er, es offenbare sich „das völlig ungeklärte Verhält-nis von Teilen dieser Partei zu politisch motivierter Gewaltund Terrorismus“. Die Führungsriege würde ausländischeTerrorgruppen verharmlosen, was letztlich mit der „histori-schen Bande, die bis in die SED-Strukturen zurückreichen“zu erklären sei. Außerdem fühle man sich „mit dem ZielSystemwechsel verbunden“, was für ihn „eine klare Kampf-ansage an unsere freiheitlich-demokratische Grundord-nung“ bedeute. Die Linke mache sich teilweise „Anliegenvon Terroristen zu eigen“, weshalb man die Partei „ wiederflächendeckend“ beobachten müsse. Für ihn stelle dieLINKE „keine verfassungsrechtlich unbedenkliche Partei“dar.

In einem Brief an die Morgenpost-Redaktion wehrt sich NickBrauns gegen Behauptungen des Autors und fordert, „dieseFehlinformationen umgehend zu berichtigen“:In „keinem einzigen“ Verfassungsschutzbericht werde dasSolidaritätskomitee erwähnt. Vielmehr sei dieses „imHerbst 2007 von einer Vielzahl demokratischer und linkerOrganisationen und Einzelpersonen gegründet“ worden.Auch sei das Komitee „keine Unterstützerorganisation derPKK“. Laut Gründungsplattform setze sich die Gruppe „fürdas Selbstbestimmungsrecht der Kurdinnen und Kurdenein“, wozu auch das „völkerrechtlich verbürgte Recht derVölker“ gehöre, „sich ihre eigenen Repräsentanten zusuchen“. Aus diesem Grunde fordere das Komitee die „Auf-hebung des PKK-Verbots in Deutschland“ sowie die „Frei-lassung von Abdullah Öcalan als anerkanntem politischenRepräsentanten eines Großteils der Kurdinnen und Kur-

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den.“ Man sei „nicht bereit, eine solche Diffamierung unse-rer demokratischen Informations- und Menschenrechtsak-tivitäten hinzunehmen und behalten uns entsprechenderechtliche Schritte vor.“

25. August Vor dem Landgericht Koblenz beginnt die Hauptverhand-lung gegen den kurdischen Aktivisten Mehmet C., der am26. März festgenommen wurde und sich seitdem in Unter-suchungshaft befindet. Er wird der „Mitgliedschaft in einerkriminellen Vereinigung“ (§129) beschuldigt und sei „unun-terbrochen fortlaufend seit Mai 2005“ als „hauptamtlicherKader“ tätig gewesen. Ungewöhnlich an diesem Verfahrenist, dass es vor einem Landgericht stattfindet. In den meis-ten uns bekannten Fällen werden §129-Prozesse vorStaatsschutzsenaten von Oberlandesgerichten geführt undals Anklägerin fungiert die Bundesanwaltschaft. In diesemFall – wie in einigen ähnlich gelagerten – tritt die Staatsan-waltschaft Koblenz als Strafverfolgungsbehörde auf.

26. August In dem Verfahren gegen Ridwan C., der im Februar zu einerFreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt wor-den war, hat der Bundesgerichtshof die von der Verteidi-gung eingelegte Revision gegen das Urteil abgewiesen.Der Kurde, der im Juli 2007 in Berlin verhaftet wurde,befindet sich nunmehr in Strafhaft.

26. August Im Rahmen der „Êdî bes e” (Es reicht!)-Kampagne findeteine Fahrraddemonstration durch die Innenstadt vonStuttgart statt. Der Korso wurde organisiert vom örtlichenkurdischen Kulturverein Mesopotamien sowie von kur-disch-deutschen Freundschaftsverein Esslingen. Nach demEnde der Fahrradaktion verfolgt die Polizei drei Teilnehmerund nimmt sie fest. Gegen sie soll ein Ermittlungsverfah-ren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitetworden sein. Die Sprecherin der Demonstration, SylviaTolu, verurteilt das Vorgehen und wirft der Polizei vor,gegen türkische Rassisten nichts zu unternehmen, wenndiese durch die Stadt marschieren, gegen Kurden aberaggressiv zu handeln.

26. August Der kurdische Verein Birati e.V. und die Karawane für die Rechte derFlüchtlinge veranstalten gemeinsam in Bremen einen Info-stand zum Verbot des kurdischen Fernsehsenders ROJ TVund gegen die deutsche Abschiebepolitik. Mit zahlreichenPlakaten sollte auf das von Bundesinnenminister WolfgangSchäuble am 13. Juni erlassene Betätigungsverbot hinge-wiesen werden. Im Zuge dieser Aktion, mit der die Öffent-lichkeit auf diese erneute Repressionsmaßnahme gegenkurdische Medien aufmerksam gemacht werden sollte,wurden dann die Plakate von der Polizei beschlagnahmt.In der ministeriellen Verfügung ist unter den 11 Verbots-gründen in Punkt 6 be stimmt, dass Kennzeichen von ROJTV und der Fernsehproduktionsfirma VIKO öffentlich „ineiner Versammlung oder in Schriften, Ton- und Bildträgern,Abbildungen oder Darstellungen“ nicht verbreitet bzw.

verwendet werden dürfen. Die Informationsveranstaltungwurde trotz der Beschlagnahmungen fortgesetzt.

Vor dem 6. SeptemberKurz vor dem 16. Internationalen Kurdischen Kulturfesti-val, das unter dem Motto „Freiheit für Abdullah Öcalan –Frieden in Kurdistan“ in Gelsenkirchen stattfinden soll,erhält die Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland(YEK-KOM) als Veranstalterin täglich zahlreiche beleidi-gende Anrufe. Die Anrufer drohen insbesondere damit,Anschläge auf das Festival zu planen und gegen die Besu-cher/innen vorzugehen. Seit einigen Monaten überschla-gen sich türkische Zeitungen darin, gegen YEK-KOM alsOrganisation zu hetzen und deren Verantwortliche per-sönlich zu diffamieren. Es wird nicht davor zurückge-schreckt, deren Namen immer wieder in die öffentlicheAufmerksamkeit zu rücken und sie als Terroristen und Mör-der zu beschimpfen, die es zu bekämpfen gelte.

In seinem Jahresbericht 2007 hatte der Verfassungs-schutz erstmals den seinerzeitigen YEK-KOM-Vor sitzendenmit vollem Namen erwähnt, Redepassagen veröffentlichtund in einen Kontext gesetzt, der seine Nähe zur PKK/zumKONGRA-GEL beweisen soll. Selbstverständlich wird diedeutsche Repressionspolitik gegen die kurdische Bewe-gung und einen Teil der kurdischen Bevölkerung vom tür-kischen Geheimdienst begrüßt und für seine Interesseninstrumentalisiert, z. B. mit Hilfe der Medien.

6. September Nach Polizeiangaben nahmen 35 000 Kurdinnen und Kur-den aus allen Teilen Europas am Kulturfestival in Gelsenkir-chen teil. Redner/innen waren u. a. Emine Ayna, Fraktions-vorsitzende der Partei für eine demokratische Gesellschaft(DTP), der Vorsitzende der LINKSPARTEI, Lothar Bisky. Ausden Kandil-Bergen im Nordirak telefonisch zugeschaltetwar Murat Karayilan, der die Festivalteilnehmer/innengrüßte. Die Veranstalterin YEK-KOM, ging von bis zu 80 000Besucher/innen aus, die störungsfrei und laut Polizei „ohnenennenswerte Gesetzesverstöße“ das diesjährige Kultur -ereignis feiern konnten.

10. SeptemberPolizeikräfte durchsuchen die Wohnung einschließlich desKellers von Kenan K. in Rotenburg. Laut Durchsuchungs-befehl des Amtsgerichts Lüneburg wird der Kurde ver-dächtigt, durch seine Aktivitäten die PKK bzw. den KON-GRA-GEL unterstützt zu haben. Außer einigen Exemplarender – verbotenen – Zeitschrift Serxwebûn wurde nichtsbeschlagnahmt, weil offenbar auch nichts zu beschlagnah-men da war. Kenan K. wird weder festgenommen nocheiner ED-Behandlung unterzogen.

22. September Vor dem Landgericht (LG) Koblenz werden die Verfahrengegen die kurdischen Aktivisten Aziz K., Turabi K. undCenep Y. eröffnet. Letzterer wird der Mitgliedschaft in einerkriminellen Vereinigung (§129) beschuldigt. Bei den bei-den anderen beharrt die Anklagebehörde und die Kam-mer des LG darauf, sie dem Verdacht der Unterstützung

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nach §129 auszusetzen. Die Verteidiger sind hingegen derAuffassung, dass ihnen – wenn überhaupt – höchstens einVerstoß gegen das Vereinsgesetz vorgeworfen werdenkönne. Sie fordern, den §129-Vorwurf fallen zu lassen.

1. OktoberLaut Pressemitteilung des Generalbundesanwalts, wird der„mutmaßliche PKK-Führungsfunktionär“ Aslan Y. vonBeamten der Bundespolizeiinspektion Flensburg festge-nommen und am nächsten Tag dem Haftrichter des Amts-gerichts Rendsburg zwecks Anordnung zur U-Haft „vorge-führt“. Der Kurde soll von „Januar 1993 bis Mitte 1994“ fürdie PKK-Region Süd verantwortlich gewesen sein undBefehl gegeben haben „zur Durchführung von Anschlags-wellen“ gegen türkische Einrichtungen, „bei denen auchein Mensch zu Tode kam“. Der Festgenommene sei Mit-glied im „PKK-Führungskörper“ der in Deutschland damalsals terroristisch eingestuften Vereinigung“ gewesen und

werde somit nach §129a StGB beschuldigt. Mit weiterenErmittlungen werde das BKA beauftragt.

15. Oktober bis 8. NovemberUm auf die Haftbedingungen und jüngsten Misshandlun-gen des früheren PKK-Vorsitzenden bis hin zu Todesdro-hungen sowie die eskalierende politische Entwicklung inder Türkei aufmerksam zu machen, findet auf dem Neu-markt in Köln eine Dauermahnwache unter dem Motto„Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan“ statt.Die Chance auf eine friedliche Lösung des türkisch-kurdi-schen Konflikts scheint im Augenblick ferner denn je, weildie Verantwortlichen in der Türkei auf Gewalt setzt und dietürkische Armee seit Monaten grenzüberschreitende Mili-täroperationen gegen die kurdische Guerilla in Nordirakdurchführt.

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hüseyin acar 21. Juli 2008 in Detmold (§129)hasan aDir 1. Febr. 2003 in Köln (§129);

entlassen: 10.11.2006ali aKtaŞ 7. August 1984 (§129a; entlassen: 1999)gürsel aKDenİZ März 1998 (vermutl. 2000 entlassen)İsmet aKurt 8. Februar 2005 in Berlin (§ 129; entlassen:

27.12.2005)Muharrem aral 7. März 2007 in Berlin (§129a; entlassen:

23.1.2008)vursal arİS vermutlich 1998hasan aY 2. Mai 2004 in Düsseldorf (§129; entlassen:

7.4.2006)Muzaffer aYata 8. August 2006 in Mannheim (§ 129) ; mit

Auslieferungsersuchen der TürkeiSait aYtaŞ April 2000; entlassen: September 2000vehbi aZaK 25. Mai 2004 in Unna (§129; entlassen:

3.2.2006)Sadik BaYDaŞ im Jahre 2000 in Hamburg (Verstoß

Vereinsgesetz; )Sebahattin BeKiroĞullari Februar 1999 in Frankfurt/M.

(Besetzung/Geiselnahme; verurteilt zu 5Jahren u. 6 Monaten; aus der Haft abge-schoben in die Türkei am 5.3.2004)

hilmi BeYaZ 1999; im Jahre 2000 verurteilt wg. VerstoßVereinsgesetz; entlassen: 2000

nuray BeYaZittuncel März 2007 in Hamburg (entlassen:5.9.2007)

aygül BiDav 19. September 1995 in Frankfurt/M.(§129a; entlassen. Mai 1999: Rückkehr indie Türkei im Rahmen der „Friedens-gruppe“; Festnahme und Verurteilung inder Türkei)

naile Bİlan März 2007 in Hamburg (entlassen:5.9.2007)

Mehmet BoZan 19. Januar 2005 in Hannover (§129; ausge-liefert an die Niederlande; hiergegen Ver-fassungsbeschwerde; aus U-Haft in Hollandentlassen, Sept./Okt. 2005)

hasan BoZKaYa 5. Oktober 1999 in Berlin (§129; entlassen:12.1.2001)

Sebahattin Bulut 22. August 2000 in Dresden (Verstoß VereinsG; haftverschont)

Kemal caBaDaK 1. Juli 1999 in Wuppertal (entlassen:22.9.2005)

abdullah ÇelİK 4. Oktober 2001 in Hannover (keine weite-ren Details)

ahmet ÇelİK 10. Januar 2007 in Stuttgart (Vereinsgesetz;entlassen: 10.7.2007)

Mehmet ÇelİK 30. August 2001 in Berlin (§129; entlassen:8.11.2001)

Mehmet ÇelİK 25. Juni 2001 in Seligenstadt (§129, entlas-sen: 23.4.2002)

ridvan ÇelİK 12. Juli 2007 in Berlin (Verstoß Vereinsge-setz); gegen Urteil Revision eingelegt

Perihan Çinar 10. Februar 2000 in Berlin (§129; entlassen:2001/2002?)

Mehmet ÇoBan 26. März 2008 (§129)Fahri ÇolaK 17. April 2005 in Dresden (Vereinsgesetz;

entlassen: Ende 2005)Yusuf DaĞlaYan 1995; (Autobahnblockade 1994); 1995/97

wg. verschiedener anderer Straf -tatenvorwürfe (entlassen: 13.10.2000)

halil DalKiliÇ 18. Oktober 2005 in Darmstadt (§129; ent-lassen: 14. Oktober 2008)

ali ekrem DeMir 15.4.1999 in Berlin (Besetzg.Konsulat Leip-zig; entlassen: 16.10.2000)

verhaftet und verurteilt

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Kadir DİlSİZ 5. September 2005 anlässl. Razzia beiÖzgür Politika (abgeschoben in die Türkeiam 5.12.2005)

Seydi DoĞan 8. Dezember 1998 (§ 129a)Fedrettin DoĞanaY März 2007 in Hamburg (entlassen:

5.9.2007)nihat DurMuŞ verurteilt nach §129 StGB im Juli 2000; Ent-

lassungstermin unbekannt.Şahin engİZeK 29. Oktober 2001 in Köln (§129; Haftbefehl

aufgehoben am 25.1.2002)riza erDoĞan 9. August 2006 in Duisburg; (§ 129; entlas-

sen: 20.12.2007)tahir ergÜl 28. April 1997 (§129a; entlassen am

13.11.2001)Kazim ergÜn 30. Mai 2001 in Untermaßfeld/Thüringen

(§129; entlassen und in die Niederlandeabgeschoben: 22.4.2002)

Mehmet gÖBel unbekannt; entlassen im August 2000ibrahim gÖnDaŞ 9. Februar 2008 in Hannover (§129; Haftbe-

fehl aufgehoben: Nach Urteil am10.3.2008)

vahdettin gÜl 25. Mai 2000 (Konsulatsbesetzung Düssel-dorf Februar 1999

hasan hayri gÜler unbekannt (§129a; entlassen: 14. 2. 2003)abuzer gÜneŞ 26. Oktober 1998 (Verstoß Vereinsgesetz;

entlassen: Januar 2000)Senol gÜngÖr unbekannt; (§129a; entlassen: Juni 1999)Zeynep haSar 2. Dezember 1999 in Duisburg (§129/a;

entlassen. Januar 2001)Sait haSSo 30. März 2000 dt.-niederländ. Grenze

(§129; entlassen: 15.2.2002; in Beugehaftgenommen wg. Aussageverweigerung am28.5.2002; entlassen: 25.6.2002)

Salih heKiMoĞlu 14. Mai 2002 in Berlin (§129 Entlassungs-termin unbekannt)

haydar iŞiK 5. Juli 2007 in München (Verstoß Vereins-gesetz; entlassen: 17. 7. 2007)

Fethiye KahraMan 15. Februar 2001 in Essen (§129a; entlas-sen: 15.4.2003)

Semsettin Kara 2. August 2000; (§129; entlassen:25.6.2001)

ali KarataŞ keine näheren InformationenYakup Kartal keine näheren Informationenhasan Kartal 12. Juni 2006 ausgeliefert von Österreich

an Deutschland; (§129a: 1993/94; entlas-sen: 10.7.2007 nach Frankreich)

ibrahim KaYa 26. März 2002 in Saarlouis (§129; entlassen:18.8.2003)

turabi KeDİK 12. März 2008 bei Linz/Rhein (§129)halat KeSBİr 23. März 2000 in Mannheim; (§129a

v.1995; entlassen: 20.12.2002)Mahsum KiliÇ 1998 (Vereinsgesetz; entlassen: 20.2.2001)Mehmet Kinaci 8. März 1999 (§129a; entlassen: 2001)ali Kiran 14. Oktober 2002 an dt.-tschech. Grenze

(§129; entlassen: 1.9.2004)aziz KÜreK 12. März 2008 bei Linz/Rhein (§129)ahmet Kurt 21.oder 22. August 2000 (Vereinsgesetz;

Entlassungstermin unbekannt)Mustafa Kurt Sommer 1999 (entlassen im Herbst 2000)

Salman Kurtulan 1999; keine Details bekanntnecati laÇİn 14. Dezember 2004 in Essen (u.a. §249; ent-

lassen: 2005)vakuf MinKara 27. März 2008 in Berlin (§129)aydin ÖZgÜr 11. April 2008 in Leipzig (§129; entlassen:

Ende Mai 2008)hemo ÖnDer 27. Februar 2008 in Kassel (Vereinsgesetz;

§129 später fallengelassen; entlassen: 7.Juli 2008)

abdullah Öcalan 6. Oktober 1999 in Paris; Auslieferungshaftnach Deutschland wg. Aktion am israel.Generalkonsulat in Berlin; am 23. Januar2001 entlassen.

cemal oKÇuoĞlu 1998; entlassen: August 2000abdullah oMran 1998 (Vereinsgesetz; Urteil: 23.9.1999; ent-

lassen: Anfang April 2002)Sinan Önen 1999; (entlassen: August 2000)ali ÖZel 17. April 2002 in Köln (Vereinsgesetz; Ver-

stoß Bewährung; entlassen: 26. Juli 2002)hasan ÖZDoĞan 2001/2Bünyamin Şahin März 2007 (Brandstiftung; entlassen:

5. September 2007)ali Yüksel Şahin 1998 (§129a; Entlassungstermin nicht

bekannt)Mustafa Şahin 1998 (§129a; Urteil: 3 Jahre, 6 Monate; Ent-

lassungstermin nicht bekannt)Saban Şahin keine Details bekanntMurat Sait 1998Mahfuz Savuran 1998taylan SarigÜl 12. November 2004 in Rüsselsheim (§129;

entlassen: 8. Juli 2005)ali Seven 13. Januar 2003 in Mannheim (§129; ent-

lassen: Anfang Juni 2004)Menderes Sever 1999 (Besetzung Konsulat Düsseldorf; ent-

lassen am 21. März 2002) Mehmet tanBoĞa 29. August 2000 in Köln (§129; 4. Juni:

Beugehaft wg. Aussageverweigerung imVerfahren gegen H. Yildirim; entlassen: 25.September 2002; 23. September 2004 inAthen in Auslieferungshaft an Deutschland;24. Januar 2005 an BRD ausgeliefert; März2005 Anhörung; entlassen am 12. Oktober2005; Ausreise nach Griechenland)

ebubekir tarhan 1997/1998 ahmet teKİn Januar 1999 (Konsulatsbesetzung Leipzig;

entlassen: 20. April 2000)Mustafa teMİrcİ April 2000 (Autobahnblockade 1996)vezir tÜrKMen 4. Februar 1999 (§129; entlassen: März

2001)halit YilDiriM zweite Verhaftung: 9. Juli 2001 in Bochum

(§129; entlassen: 15. März 2004)abdülhadin YilDiZ 1998/99 Vereinsgesetz nadir YilDiZ 14. Dezember 2004 (Vereinsgesetz; entlas-

sen: 19. April 2006)hamza YİĞİt (Vereinsgesetz; entlassen: 5. Juni 2004)nebi Yol 4. Februar 1999 (§129; Haftbefehl aufgeho-

ben am 23. Mai 2000)Mustafa Yorganci 10. August 1998 (Vereinsgesetz; entlas-

sen etwa Mai 2000)

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cenep Yeter 12. März 2008 bei Linz/Rheinl. (§129)raif ucal Anfang März 1999 (§129; Entlassungster-

min nicht bekannt)Müslüm uÇar 1998 (entlassen: 12. Oktober 2002)alper uZun 6. April 2004; entlassen am 3. August 2005ali ZoroĞlu 6. Dezember 2002 (§129; entlassen: 6. Juni

2005)

auslieferungsersuchen der türkeiName verhaftet aus der Haft entlassenAyfer KAYA 2. März 2008 5. Juni 2008 Remzi KARTAL 24. Januar 2005 1. März 2005 Ahmet BAYIK 14. Januar 2008 18. Januar 2008 Sakine CANSIZ 19. März 2007 25. April 2007Mehmet TASKALI 30. August 2006 12. Januar 2007 Sirac ÖZGÜÇ 14. September 2006 13. Dezember 2006 Şükrü KILINC 9. September 2006 18. Oktober 2006Derviş ORHAN September 2006 September 2006Muzaffer AYATA Auslieferungsersuchen der TR vom 10. Dezember 2007 (M.A. befindet sich derzeit wg.

§129-Verfahren in Haft, Auslieferungsverfahren noch nicht abgeschlossen (Stand: August 2008)

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15 Jahre PKK-Verbot – eine Verfolgungsbilanz 63

Kontakte /abkürzungenKontakte:

Azadî e.VRechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in DeutschlandGraf-Adolf-Str. 70a – 40210 DüsseldorfTel. 0211-830 29 08E-Mail: [email protected]://www.nadir.org/azadi/

Yek-Kom e.V.Föderation kurdischer Vereine in DeutschlandGraf-Adolf-Str. 70a – 40210 DüsseldorfTel. 0211-17 11 451 – Fax: 0211-17 11 453E-Mail: [email protected]://www.yekkom.com; yek-kom.com

ISKU e.V., Informationsstelle KurdistanSchanzenstr. 117-20357 HamburgTel./Fax: 040-4210 28 45E-Mail: [email protected]://www.isku/org

Internationale Initiative „Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan“Postfach 10 05 11 – 50445 KölnTel. 0221-130 15 59 – Fax: 0221 – 790 76 10 30E-Mail: [email protected]://www.freedom-for-ocalan.com

Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“Postfach 900 265 – 51112 Köln Tel. 02203 – 126 76 – Fax: 06086-243E-Mail: [email protected]://www.dialogkreis.de

Rote Hilfe – BundesvorstandPostfach 3255-37022 GöttingenTel. 0551-770 80 08E-Mail: [email protected]

Internationale Liga für Menschenrechte e.V.Haus der Demokratie und MenschenrechteGreifswalder Str. 4 – 10405 BerlinTel. 030-396 21 22 – Fax: 030-396 21 47E-Mail: [email protected]://www.ilmr.de

Kurdistan-SolidaritätskomiteeE-Mail: [email protected]

Abkürzungen:

PKK(Partîya Karkêren Kurdîstan, Arbeiterpartei Kurdistans)Gegründet 1978.15. August 1984 beginnt der bewaffnete Freiheitskampfdurch die HRK, die im Oktober 1986 in ARGK (Artesa Rizga-riya Gele Kurdistan, Volksbefreiungsarmee Kurdistans)umbenannt wird. Am 2. August 1999 wird der Rückzug der Guerilla von türkischem Territorium erklärt. Seitdem befin-det sie sich in den Bergen des Nordirak. Auf ihrem 8. Parteikongress im April 2002 erklärt die PKKihre und die Auflösung der ARGK. Zur Selbstverteidigung entsteht die HPG (Volksverteidi-gungskräfte) und mit neuer Struktur und ausschließlichpolitischer Zielsetzung wird der

KADEK(Kongress für Freiheit und Demokratie in Kurdistan)gegründet.

KONGRA-GELVolkskongress Kurdistans, Hervorgegangen aus KADEKund gegründet im November 2003 in Verbindung mit derKKK (Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan), umbe-nannt im Mai 2007 in KCK (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans)

ERNKNationale Befreiungsfront Kurdistans, gegründet März1985; ausschließlich politische Arbeit auf europäischerEbene.Nach deren Auflösung wurde YDK (Demokratische Kurdische Union) gegründet und imJuni 2004 in CDK (Demokratische Vereinigung der Kurden) umbenannt.

FEYKAFöderation der patriotischen Arbeiter- und Kultur -vereinigungen aus Kurdistan in der BundesrepublikDeutschland (verboten im November 1993)

IHDTürkischer Menschenrechtsverein

BAW / GBA / BKABundesanwaltschaft / Generalbundesanwalt / Bundeskri-minalamt

LG / OLG / BGHLandgericht / Oberlandesgericht / Bundesgerichtshof

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