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150 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden

150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

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150 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden

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Inhalt

3

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Etwas für Wiesbaden zu tun hat eine lange Tradition . . . . . . . . . . . . . 5

Ein Blick zurück:

Die neue Hauptstadt für das neue Herzogtum Nassau . . . . . . . . . . . . . . 6

Wilhelm Zais und die erste Idee eines Vereins zur Verschönerung

der Stadt und Steigerung der Kur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

„Weltkurstadt Wiesbaden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Die Gründung des Kurvereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Die große Stunde des Kurvereins sekretärs:

Ferdinand Hey’l, Retter des Kurlebens in Wiesbaden . . . . . . . . . . . . . 32

Die Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Neuorientierung in den Jahren des

Umbruchs – der Kurverein zwischen 1918 und 1933 . . . . . . . . . . . . . 54

Der Kurverein im Nationalsozialismus –

Vereinigung mit dem Verschönerungsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Wiesbaden seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Kur- und Verkehrsverein – Freunde der Wiesbaden Stiftung:

Von der Tradition, etwas für Wiesbaden zu tun . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Vorwort

4

Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“,

der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“, auf eine 150jährige Tradition

zurückblicken, sich für Wiesbaden zu engagieren . Im Sommer 2013

feiert die „Wiesbaden Stiftung“ ihr 10jähriges Bestehen . Grund genug

beide Institutionen im Rahmen einer Festveranstaltung und einer Dop-

pelausstellung zu präsentieren . Die vorliegende Festschrift zum Jubiläum

des Kur- und Verkehrsvereins möchte dafür sorgen, dass aus der Flüch-

tigkeit einer Ausstellung, die nur vier Wochen gezeigt werden kann,

etwas Beständiges wird .

Ausführlicher, als es eine Ausstellung überhaupt leisten kann, hat der

stellvertretende Direktor des Stadtmuseums und gleichzeitig Vorstands-

mitglied der „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, Dr . Bernd Blisch, die

150jährige Geschichte des Vereins verwoben mit der Stadtgeschichte

Wiesbadens und in eine lesbare Form gebracht . Dabei war es für mich

interessant zu sehen, wie oft genug an entscheidenden Phasen der Ge-

schichte unserer Stadt der Kurverein und seine Mitglieder Verantwortung

für Wiesbaden und seine Bürgerinnen und Bürger übernahmen . Hier ver-

läuft auch das enge Band zwischen Kurverein/“Freunden der Wiesbaden

Stiftung“ und der Wiesbaden Stiftung selbst, die ja ähnliche Zielsetzun-

gen hat .

Wie immer bei solchen Projekten gilt es Dank zu sagen, all denen, die

an der Entstehung der Festschrift beteiligt waren, aber auch denen, die

durch Spenden und finanzielle Unterstützung die Realisierung der Fest-

schrift erst ermöglicht haben .

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht

Thomas Michel

Vorsitzender des Vereins „Freunde der Wiesbaden Stiftung“

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Etwas für Wiesbaden zu tun hat eine lange Tradition

5

„Mehrere achtbare hiesige Bürger, denen die Interessen unserer Stadt

nahegehen, haben den Beschluß gefaßt, einen „Curverein“ zu gründen,

der in Gemeinschaft mit dem segensreich wirkenden hiesigen Verschö-

nerungsverein sich die Aufgabe stellen wird, die Kurindustrie der Stadt

Wiesbaden nach den gebotenen Kräften zu fördern .“ Schon der Bericht

der „Mittelrheinischen Zeitung“ vom 15 . Dezember 1862, die erste Mit-

teilung über die Gründung eines Vereins, der mittlerweile auf eine 150

Jahre alte Tradition zurückblicken kann, betont, was sich wie ein roter

Faden durch die Geschichte des Vereins ziehen wird: das Interesse an

der Stadt, die Absicht, das Gemeinwesen nach Kräften zu unterstützen .

Seit seiner Gründung, eigentlich aber auch schon einige Jahrzehnte

zuvor, waren Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger von einem gesunden

Lokalpatriotismus erfüllt, der sie antrieb, sich in die Belange der Stadt

einzumischen, im Besonderen zur Verschönerung des Stadtbildes, was

im 19 . Jahrhundert vor allem der Verschönerung der Kuranlagen hieß .

Durch die enge Verzahnung von Verein und Stadt in den letzten 150

Jahren, auch die teilweise Personalunion von Vorstand und Stadtpolitik

und Kurdirektion, war und ist die Vereinsgeschichte immer auch Wies-

badener Stadtgeschichte . Mit dieser kleinen Schrift soll nun der Versuch

unternommen werden, Stadt- und Vereinsgeschichte darzustellen .

Begeben wir uns also auf eine Zeitreise durch die letzten 150 Jahre

Wiesbadens .

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Bevor wir auf die Ver-

einsgründung und die

Ereignisse, die zu dieser

geführt haben, eingehen,

scheint es sinnvoll, auf

die erste Hälfte des 19.

Jahrhunderts in Wiesba-

den zu blicken, entstand

doch ab 1806 der eigent-

liche Nährboden all des-

sen, was den Aufstieg der

Stadt zur Weltkurstadt

des späten 19. Jahrhun-

derts ermöglichen sollte.

Ein Blick zurück: Die neue Hauptstadt für das neue Herzogtum Nassau

6

Zweifellos ist die wichtigste Voraussetzung für den rasanten Aufstieg

und die zukünftige Entwicklung Wiesbadens in der Ent scheidung der

nassauischen Fürsten zu sehen, Wiesbaden zur Haupt- und Residenz-

stadt des 1806 neu entstandenen Herzogtums Nassau auszubauen . Aber

gleichzeitig wollte man weiterhin die Kur als zentralen Faktor gesell-

schaftlichen Lebens für die Residenzstadt erhalten .

Zais und Goetz geben der Stadt Gestalt

Der Architekt Christian Zais entwickelte im ersten Jahrzehnt des 19 .

Jahrhunderts vor allem ein Konzept für einen neuen Kurbezirk und ein

Gesellschaftshaus, die Aufgabe des Stadtplaners Florian Goetz war der-

weilen die Organisation des gesamten Bauwesens der Stadt, will sagen:

die benötigten neuen Straßen und Wohnviertel für die schnell wachsen-

de Bevölkerung der Stadt . Gefördert durch Herzog Friedrich August und

Ansicht von Wiesbaden

aus dem Jahr 1797

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versehen mit der Gunst des Staats-

ministers Ernst Freiherr Marschall

von Bieberstein, entstand – während

ringsum noch die napoleonischen

Kriege tobten und Nassaus Truppen

als Militäreinheiten der Rheinbund-

staaten an der Seite Napoleons u .a .

in Spanien zum Einsatz kamen – die

„Idee“ des neuen Wiesbadens samt

eines ebenso neuen Kurbereichs .

Begonnen mit der Erweiterung der

Stadt wurde im Süden, wo man über

die schon lange militärisch nutzlos

gewordene Stadtmauer und das so

genannte Mainzer Tor hinausgriff und

eine neue Platzanlage schuf, die nach

dem Namen des Herzogs „Friedrichs-

platz“ benannt wurde (den heutigen

Schillerplatz), gesäumt von herrschaft-

lichen Häusern, die zu Wohnungen

für Landesbeamte bestimmt waren . In

östlicher Richtung baute man in der

Folge die untere Friedrichstraße, die

man rasch abknicken ließ, um eine Ver-

bindung zum Herrengarten in nördli-

cher Richtung anzustreben .

Damit war die Grundidee der neuen Residenzstadt Wiesbaden ent-

wickelt: Nicht die enge Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen sollte

verändert werden, sondern man umgab diese lieber zunächst mit neuen,

breiten Straßen . (Die 1812 fertig gestellte Alleestraße, nach 1816 zu

Ehren des neuen Landesherrn in „Wilhelmstraße“ umbenannt, war be-

achtliche 36 m breit, wobei je 6 m auf die um 10 cm erhöht angelegten

Bürgersteige entfielen . Diese großzügig gestaltete Prachtstraße war im

Vergleich zu denen in der Altstadt nicht weniger als viermal so breit bzw .

doppelt so breit wie die Straßen, die des Weiteren angelegt werden

sollten .)

Entlang der neuen Straßen wurden nun Wohnhäuser, Badehotels und

Palais im modernen klassizistischen Stil errichtet, die dem von Frankfurt

oder Mainz kommenden Besucher der Stadt ein völlig verändertes Wies-

baden präsentierten . Um 1820 waren die konzeptionellen Arbeiten an

einer Ummantelung der Wiesbadener Altstadt abgeschlossen: Im Norden

der Alleestraße/Wilhelmstraße zweigte eine Straße (die spätere Taunus-

Das ehemaligen Erbprinzen-

palais – ein Beispiel des

Klassizismus in Wiesbaden

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straße) ab, die zusammen mit der

späteren Röderstraße und der

Schwalbacher Straße sowie der

Verlängerung der Friedrichstraße

nach Westen einen kompletten

Ring um die Altstadt zog . (Dieses

historische Fünfeck, das die Alt-

stadt umgibt, hat sich übrigens bis

heute erhalten und ist auf Stadt-

plänen leicht nachzuvollziehen .)

Die geschäftige Bautätigkeit in

Wiesbaden, die für die ersten Jah-

re des neuen Herzogtums typisch

ist, finden wir auch in einem Brief

Johann Wolfgang von Goethes an

seine Frau Christiane bezeugt, wenn er im Juni 1815 berichtet: „Gebaut

wird hier sehr viel, die Anlagen dazu sind höchst verständig und lobens-

würdig, die Linien wonach gebaut werden muß, wohl überlegt . Es gibt

Straßen, die der größten Stadt Ehre machen würden .“

Eine Stadt, ein bürgerliches Gemeinwesen, entsteht aber nicht nur

durch Gebäude und Straßen . Für die junge Residenzstadt war es von

großer Bedeutung, dass sich die Menschen der Stadt in oder trotz ihrer

sozialen Schichtung zu einer Gemeinschaft formten, die öffentliches

Leben erst ermöglicht . Die junge Residenzstadt war von einer großen

Dynamik geprägt, das kleine Landstädtchen des 18 . Jahrhunderts wuchs

rasch . Es entstanden neue gesellschaftliche Kreise und Zirkel, die Orte

des Austauschs und der Geselligkeit brauchten: Ein zentrales Beispiel

dafür ist die Wiesbadener Casino-Gesellschaft .

Ein Plan vom historischen

Fünfeck, um 1850

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Kultur und Geselligkeit und intellektueller Gedankenaus-tausch – die Wiesbadener Casino-Gesellschaft

Die Wiesbadener Casino-Gesellschaft zählt zu den ältesten bürgerli-

chen Vereinigungen der Stadt Wiesbaden, denn ihre Wurzeln lassen sich

bis in die nassauische Zeit zu Beginn des 19 . Jahrhunderts zurückverfol-

gen . Am 22 . März 1816 erteilte Friedrich August, Herzog von Nassau, die

Genehmigung zur Errichtung einer Gesellschaft, deren Zweck die Durch-

führung geselliger, wissenschaftlicher und kultureller Veranstaltungen

sein sollte und auch heute noch ist . Dabei soll aber auch nicht die Tradi-

tion der Lesegesellschaften vergessen werden, auf die sich auch die Wies-

badener Casino-Gesellschaft berufen kann .

Neben kulturellen und geselligen Veranstaltungen gab es im Wiesba-

dener Casino immer auch den intellektuellen Austausch und die Diskus-

sion über die Geschicke der Stadt und des Landes . Die halb öffentliche,

halb private Gesellschaft ermöglichte damit ihren Mitgliedern, was Politik

und Staat – vor allem im frühen 19 . Jahrhundert – oft genug verwehrten .

Im März 2006 konnte mit einem festlichen Empfang im Rathaus der

Stadt Wiesbaden das 190jährige Bestehen gefeiert werden . Die Wiesba-

dener Casino-Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das gesell-

schaftliche und kulturelle Leben in der Stadt Wiesbaden zu pflegen .Dazu

gehört vor allem der Unterhalt des im Stil des strengen Historismus errich-

teten Gebäudes, das von 1872–1874 vom Architekten Wilhelm Bogler

im Auftrag der Wiesbadener Casino-Gesellschaft erbaut wurde . Mit

seiner dreigeschossigen Fassade und der hochwertigen künstlerischen

Innenausstattung zählt das Gebäude zu den schönsten Repräsentations-

bauten der Stadt und steht heute unter Denkmalschutz .

Immer zählte und zählt die Wiesbadener Casino-Gesellschaft zu den

engen Partnern sowohl von Kur- und Verkehrsverein als auch der noch

jungen Wiesbaden Stiftung .

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Ein Kurhaus für die junge Residenzstadt

In diese Ummantelung der Altstadt eingeschlossen waren der bisherige

Kur- und Badebereich im nördlichen Stadtgebiet, dem so genannten

Quellenviertel . Abseits der als unschön empfundenen Altstadt, alles All-

tägliche und Banale hinter sich lassend, sollte sich die Gesellschaft zur

Kur vielmehr in einem abgeschlossenen

Bereich treffen, der es einerseits ermög-

lichte, Unterhaltung und Konversation

zu führen, es aber auch dem Kranken

erlaubte, in der Erhabenheit von Natur

und Architektur Ruhe und Erholung zu

finden .

Eine solche Planung ließ sich für

Christian Zais nur außerhalb der Stadt

realisieren . So schlug er folgerichtig den

Bau eines Gesellschaftshauses im Osten

der Stadt – sozusagen auf der grünen

Wiese – vor, das durch eine, wie er sich

ausdrückte, „bedeckte Colonade und Ar-

cade“ mit der Stadt verbunden werden

könne . Die Grundsteinlegung fand 1808 statt; zwei Jahre später war der

Bau bereits vollendet .

Der Mittelbau des rund 110 m langen Gesellschaftshauses erhielt sei-

ne Auszeichnung durch einen sechssäuligen ionischen Portikus, hinter

dem der große Haupt- und Mittelsaal lag, der über ein Vestibül mit den

Garderoben verbunden war . Gefasst wurde der große Saal durch zwei

Flügelbauten für die Speisesäle und weitere Zimmer . Rechts und links des

Portikuses verbanden Kolonnaden von jeweils zwölf dorischen Säulen

den Bau mit Eckpavillons, in denen Verkaufsstände aufgebaut waren .

Vor allem aber mit der Ausgestaltung des großen Saales gelang Zais

ein Kunstwerk, das nicht unwesentlich zu Wiesbadens Ruf als einem ele-

ganten Treffpunkt beitragen sollte: 28 Säulen aus Lahnmarmor in korin-

thischem Stil trugen eine Attika als Galerie . (Skulpturen italienischer

Künstler, darunter auch Schüler von Canova, die von Napoleon seinerzeit

für Familienmitglieder in Auftrag gegeben worden waren, konnten in

späteren Jahren relativ günstig erworben werden .)

Das alte Kurhaus, um 1830

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Am 31 . Mai 1810 begann in den neuen Räumen des Kurhauses das

Glücksspiel, das in den Jahren der Revolutionskriege immer mehr

außer Kontrolle der staatlichen Aufsicht geraten war – man spielte,

wann und wo sich Spiellustige zusammenfanden -, nun jedoch wieder

in die Hände des Staates gelegt wurde: Am 1 . Juli 1810 öffnete sich

der Hauptsaal für die Kurgäste zum ersten Mal .

Der große Saal des alten

Kurhauses, um 1840

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Ein Kurpark wird angelegt

Die Pracht des Gesellschaftshauses erfuhr dann sogar noch eine Steige-

rung, indem seitens der Regierung der Auftrag erteilt wurde, an der der

Stadt abgewandten Seite einen Garten im englischen Stil anzulegen,

deren gestaltete Landschaft einen Übergang zu den nahen Taunushü-

geln bieten sollte . Im Zentrum des Kurparks bildete man durch die Stau-

ung eines Taunusbaches einen großer Weiher, der, bei allen Verände-

rungen, die der Park im Laufe der letzten 200 Jahre erfahren hat, auch

heute noch sozusagen das Herzstück der Anlage darstellt .

„Der Park (…) ist so labend und frisch, als Durstige wie wir ihn nur wün-

schen können . Ganz überquellend von Blumendüften, Nachtigallenge-

sängen und kühlen Schatten . Da schlängelt sich der Weg längs einem

meistenteils unsichtbaren, hinter dichten Bäumen und Gebüschen mur-

melnden Bache wohl eine halbe Stunde weit“, lobte Ludwig Börne den

Garten . Auch Johann Wolfgang von Goethe hatte übrigens bei seinem

Wiesbadenaufenthalt die Atmosphäre des Kurparks hervorgehoben:

„Die Rosen blühen vollkommen, die Nachtigallen singen, wie man nur

Der Wiesbadener Kurpark

in einer frühen Ansicht,

um 1830

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wünscht“ . Worum beide Dichter in ihrem Lob auf den Nachtigallen-

gesang wahrscheinlich nicht wussten, waren die Anstrengungen, die die

Stadt unternommen hatte, um einen solchen Eindruck zu erwecken . Im

gleichen Jahr 1815 nämlich, als Goethe seine Bemerkungen nach Wei-

mar schrieb, hatte die Stadtregierung eigens zwei neue Verordnungen

erlassen, die zum einen das Fangen von Singvögeln unter hohe Strafe

stellte, zum anderen aber jeden Bürger verpflichtete, pro Halbjahr meh-

rere tote Spatzen abzuliefern .

Hotels- und Badehäuser der Extraklasse

Der Besuch Goethes, der 1814 zunächst im Badehaus „Zum Adler“,

dann aber im Badehaus „Zum Bären“ abgestiegen war und dort auch

die Saison 1815 verbrachte, machte den Verantwortlichen in der Sani-

täts- wie Bau- und Chausseekommission deutlich, was der aufstreben-

den Kurstadt noch fehlte: ein Badehaus der Extraklasse, um „Gäste von

hohem und höchstem Rang“ angemessen unterbringen zu können .

Dies sollte sich rasch ändern . Christian Zais hatte schon bei seinen

Überlegungen für ein neues Kurhaus Ideen entwickelt, an der Wilhelm-

straße gegenüber dem neuen Gesellschaftshaus und seinem vorgelager-

ten, durch Kolonnaden begrenzten Bowling Green eine neue Platzanlage

zu schaffen . Mit diesem Platz wollte Zais die Nahtstelle schaffen auf der

einen Seite zwischen dem neuen Kurzentrum mit Gesellschaftshaus und

Park und auf der anderen Seite dem alten Kur- und Badeviertel um den

Kochbrunnen: Streng axial auf das Kurhaus ausgerichtet, sollte der Platz

gerahmt werden von repräsentativen Gebäuden wie einem neuen Bade-

haus und einem Theater .

Nahezu zeitlich parallel mit der Errichtung des Kurhauses entstanden

an der neuen Platzanlage zunächst ein Wohnhaus, das sich Zais für die

eigene Familie baute, mit breit vorgelagerter Freitreppe und einem Gast-

haus, das rasch unter dem Namen „Nassauer Hof“ bekannt wurde . An

der Wilhelmstraße errichtete Zais in Eigenregie das Hotel und Badehaus

„Vier Jahreszeiten“ mit 150 Zimmern und eigenen Badeanlagen . Der

Bau verschlang die gleiche Summe Geldes, die zum Bau des Kur- und

Gesellschaftshauses ausgegeben worden war .

1825 wurde schließlich an der Nordseite des Platzes, quasi als Pen-

dant zu den „Vier Jahreszeiten“, mit dem Bau eines Theaters begonnen .

Das neue Haus, rund 1000 Personen Platz bietend, öffnete im Sommer

1827 mit Carl Maria von Webers „Jubelouvertüre“ und Gasparo Sponti-

nis Oper „Die Vestalin“ .

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Im Sommer 1827, also zum gleichen Zeitpunkt, konnten auch die

nördlichen Kolonnaden eingeweiht werden . Seit der Eröffnung des Kur-

hauses war immer wieder laut darüber nachgedacht worden, das Gesell-

schaftshaus durch einen gedeckten Gang mit der Wilhelmstraße bzw .

der Stadt zu verbinden .

Die Diskussionen verstärkten sich, nachdem das Hotel „Vier Jahreszei-

ten“ eingeweiht und der Grundsteinlegung für das herzogliche Theater

gelegt worden waren, wollten doch die Kurgäste

auch bei schlechtem Wetter trockenen Fußes vom

einen Gebäude zum anderen gelangen . Dieses

Manko wurde endlich mit der Anlage der nördli-

chen Kolonnaden beseitigt .

Das Gebäude – es wies 46 dorische Säulen

und zwei Eckpavillons auf – bot darüber hinaus 52

neuen Kramläden eine ästhetisch ansprechende

Unterkunft . Es sollte allerdings bis 1839 dauern,

dass auch südlich des Bowling Greens in Anleh-

nung an die nördliche Reihe ein zweiter Kolonna-

dengang angelegt werden konnte .

Die Verschönerung von Kranzplatz und Kochbrunnen

In den zwanziger Jahren kam es aber auch am Kochbrunnen und dem

historischen Badeviertel zu Veränderungen und Erneuerungen . Die Wan-

nenbadkur, wie sie in Wiesbaden bislang vor allem praktiziert wurde,

war aufwändig, verlangte vom Gast mithin mehr Zeit (und obendrein

war sie kostenträchtiger) . Als im frühen 19 . Jahrhundert die bürgerli-

che Gesellschaftkur Mode zu werden begann, erwies es sich allerdings

notwendig, in der nassauischen Hauptstadt die Trinkkur fest zu etablie-

ren, denn Wiesbaden hatte nicht mehr nur mit den Taunusbädern der

Nachbarschaft, sondern auch mit den neuen Modebädern in Baden und

Böhmen in Konkurrenz zu treten . Dies zu ermöglichen war jedoch eng

an eine Veränderung der Rahmenbedingungen geknüpft . Zum einen wa-

ren Brunnenärzte von Nöten, die die physiologische Wirkung des Was-

sers und seine Indikationen wissenschaftlich beschrieben, es musste aber

auch sicher gestellt werden, dass sich das Wasser stets in jenem Zustand

befand, der den Kurgästen erlaubte, es direkt vor Ort zu trinken; hierfür

erwies sich eine Abdeckung der Quellen mithin als unerlässlich . Ferner-

hin mussten Plätze zum Flanieren in unmittelbarer Nähe der Quellen, die

die Möglichkeit boten, sich auch bei schlechtem Wetter im Freien aufzu-

Das alte Hoftheater an

der Wilhelmstraße

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halten, geschaffen werden . Zudem war es wünschenswert, sich um

ein höheres Angebot an Veranstaltungen zu bemühen, galt es doch dem

Bedürfnis der Kurgäste nach mehr „Amusement“ in ihrer freien Zeit

Rechnung zu tragen .

Es ist bemerkenswert, in welch kurzer Zeit sich alle diese „Verbes-

serungen“ in die Tat umsetzen ließen: Bis 1823 wurde der Kochbrun-

nen neu gefasst und vor Unrat geschützt, eine neue Akazienallee zum

Flanieren in Richtung Taunusstraße wurde ebenfalls

angelegt . In unmittelbarer Nähe des Kochbrunnens

errichtet man eine hölzerne Kolonnade, und täglich,

von 6-8 Uhr morgens, spielte der Stadtmusikus mit

seinen Gehilfen zur Unterhaltung des Publikums auf .

Die Entwicklung der Kurstadt Wiesbaden im Laufe des

19 . Jahrhunderts kann man vielleicht am besten an der

Entwicklung des Kochbrunnenplatzes ablesen, hatte

doch stets eine bemerkenswerte Wechselwirkung zwi-

schen der Stadt im Ganzen und ihrem historisch wohl

wichtigsten Platz bestanden .

Mit der Anlage des neuen Kurviertels am Rande der

Stadt und den Veränderungen am historischen Quel-

lenviertel durch die Einführung der Trinkkur waren damit städtischerseits

alle Voraussetzungen geschaffen, um die Kur- und Badestadt Wiesba-

den in ein neues Zeitalter zu führen: Das bescheidene Kurbad von eher

regionaler Bedeutung, als das Wiesbaden im 18 . Jahrhundert noch ohne

Zweifel gesehen werden muss, hatte sich bereits um 1825 zur klassizisti-

sches Badestadt gewandelt, die den Vergleich mit den übrigen Kurstäd-

ten Deutschlands wahrlich nicht mehr zu scheuen brauchte . Wiesbaden

hatte, wenn man insbesondere an die Gesamtanlage des Kurhauses und

seiner Umgebung denkt, vielmehr geradezu zum Muster eines eleganten

Badeortes mutiert, das zum Vorbild vieler anderer Badestädte wurde .

Die Kochbrunnenanlage

um 1820

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Modernes 5-Sterne- Hotel und Badehaus mit Tradition: „Der schwarze Bock“ am Kranzplatz

Als sich Wiesbaden zu Beginn des 19 . Jahrhunderts zu der erwähnten

modernen Badestadt entwickelte, konnte der damalige Besitzer Christian

Bauer, der als Postsekretär noch nebenbei eine Posthalterei und eine

Weinwirtschaft betrieb, bereits auf eine lange Tradition seines Hauses

zurückblicken . Eine schriftliche Überlieferung reicht bis 1486 zurück,

wahrscheinlich ist die Tradition des Badens und der „Wellness“ an diesem

Ort noch wesentlich älter, befanden sich doch in unmittelbarer Nachbar-

schaft bereits eine der römischen Thermenanlagen der Stadt .

Bereits seit 1736 firmiert das Haus als „Badehaus ersten Ranges in

der Stadt“ . Das heutige Hotel geht auf einen Bau aus dem ersten Jahr-

zehnt des 20 . Jahrhunderts zurück . Zu diesem Zeitpunkt fasste man

auch die Quellen, die auf dem Grund des Hotels zu Tage traten in der

„Drei Lilien Quelle“ zusammen, der Name erinnert dabei an das Wappen

Wiesbadens, in dem ebenfalls drei Lilien dargestellt sind . Noch heute

verfügt das Haus über eine eigene Thermalquelle, die 36 Grad heißes

Wasser liefert und den Wellness- und Badebereich des Hotels speist . An

Wiesbadens große Zeit, den Historismus des späten Kaiserreichs, erin-

nert im Innern des Hauses auch noch die Einrichtung des so genannten

„Ingelheimer Zimmers“, Raumvertäfelungen aus Italien, Nordfrankreich,

den Niederlanden und Norddeutschland, die Baron von Erlanger in sei-

ne Villa in Ingelheim hatte einbauen lassen und die nach seinem Tod ins

Hotel „Schwarzer Bock“ kamen, wo sie heute ein einmaliges historisches

Raumensemble darstellen . Zu dieser Zeit war das Haus im Besitz der Fa-

milie Schäfer, die es über 100 Jahre führen sollte . In dieser Zeit erlebte

das Haus die Besatzung nach 1918, Teilzerstörungen im Zweiten Welt-

krieg, Beschlagnahmung durch die Amerikaner, aber auch den Wieder-

aufstieg erneut zu einem „ersten Haus am Platz“ nach der Rückgabe an

Karl-Heinz Schäfer im Jahr 1951 .

Seit 1995, also seit 18 Jahren und damit auch schon wieder ein kleine

Tradition, steht es unter dem Management von Radisson Blu .

Kofferanhänger

Hotel Schwarzer Bock

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Mit Dampfschiff und Eisenbahn zur Kur

Zum Aufblühen der Kurstadt in der ersten Hälfte des 19 . Jahrhunderts

trug allerdings auch, ja vielleicht sogar vor allem die Verbesserung des

Verkehrswegenetzes sowie die frühe Anbindung der Rheinschifffahrt an

Wiesbaden und ganz allgemein das entstehende Eisenbahnnetz in Nas-

sau bei . Als entscheidender Schritt darf die Fertigstellung einer direkten

Straßenverbindung nach Frankfurt im Jahr 1813 gelten . (In den Jahren

nach den Befreiungskriegen kamen nämlich die meisten Kurgäste direkt

aus Frankfurt oder sie reisten, aus der Mitte Deutschlands kommend, zu-

mindest über Frankfurt weiter nach Wiesbaden .) Nur wenige Jahre später

sollte der Ausbau der Uferstraße entlang des Rheins bis Rüdesheim erfol-

gen, so dass von diesem Zeitpunkt an der 1803 dem Territorium Nassaus

eingegliederte Rheingau an Wiesbaden und darüber hinaus an Frankfurt

als „angeschlossen“ gelten kann . Diese Wegeverbindung lieferte, so darf

man mit Fug behaupten, die erste verkehrstechnische Voraussetzung für

die Rheinromantik und den beginnenden Rheintourismus .

Eine weitere Steigerung der Gästezahlen sollte Wiesbaden dann nach

der Anbindung an die Dampfschifffahrt auf dem Rhein erzielen . 1827

hatte die Kölner Dampfschifffahrtsgesellschaft den Verkehr zwischen

Köln und Mainz aufgenommen, und von diesem Zeitpunkt an stiegen

die Besuchszahlen von Engländern und Niederländern deutlich . Wollten

die Gäste jedoch weiter nach Wiesbaden reisen, bedeutete dies, dass sie

im Anschluss an die Schiffsreise vom hessischen Mainz aus den Rhein zu

überqueren hatten . So stellte es sich im Nachhinein als einen geschick-

ten Schachzug heraus, dass sich der nassauische Herzog Wilhelm im Jahr

1836 durch den Erwerb von Aktien direkt an der Gründung einer Düs-

seldorfer Dampfschifffahrtsgesellschaft beteiligte . Auf diese Weise hatte

Dampfschiff vor Schloss

Biebrich

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der Herzog nämlich einen Trumpf in der Hand und konnte darauf hinwir-

ken, dass die Schiffe nun direkt in Biebrich anlegten, was für die Kurgäste

den Vorteil bot, dass sie künftig also, ohne den Umweg über Mainz ein-

schlagen zu müssen, über die nach und nach zu einer Prachtallee aus-

gebaute Straßenverbindung Biebrich –Wiesbaden rasch in den Badeort

gelangen konnten . 1839, also nur wenige Jahre später, eröffnete außer-

dem auch noch die Niederländische Dampfschifffahrtsgesellschaft ihren

Dienst; für die Gäste bestand somit die Möglichkeit, von Mai bis Oktober

zwischen mehreren Terminen am Tag zu

wählen, wollten sie mit dem Schiff von

und nach Wiesbaden reisen .

Im Jahr darauf nahm zudem die Tau-

nuseisenbahn zwischen Frankfurt und

Wiesbaden ihren Betrieb auf . Diese war

übrigens die neunte Eisenbahnverbindung

in Deutschland überhaupt . Man kann

sehen, wie durch die frühe Anbindung

an das Schienennetz die Entwicklung

des Badeorts Wiesbaden einen besonde-

ren Schub erhielt: Hatte die Thurn und

Taxissche Postkutsche im Jahr 1839 noch

knapp 28 .000 Reisende befördert, so kam

die Eisenbahn 1841, also nur zwei Jahre

später, bereits auf rund 77 .000 Fahrgäste . Freilich, so muss man einräu-

men, war nur ein Bruchteil der Reisenden tatsächlich Kurgäste . Denn mit

der Eröffnung der Taunusbahn sprechen die Statistiken zwar von einem

Anstieg von rund 23 .000 Kurgästen bis 1839 auf rund 30 .000 ab dem

Jahre 1840; nicht erfasst sind in diesen Statistiken aber die vielen Tages-/

Nachmittagsgäste, denen die Fahrtdauer von Frankfurt nach Wiesbaden

in der Bahn von rund 1 ¼ Stunden die Gelegenheit zu einem Kurzbesuch

bot, wie er in den Zeiten der Postkutsche schlechterdings nicht vorstellbar

gewesen wäre .

Der Aufschwung, den die Kur- und Residenzstadt in den ersten Jahr-

zehnten des 19 . Jahrhunderts erfuhr, hielt auch bis zur Jahrhundertmitte

ungehindert an . Gäste aus aller Welt weilten mittlerweile in der Stadt zu

Besuch, wobei es Wiesbaden weiterhin gelang, mit den übrigen bedeu-

tenden deutschen Kurbädern des 19 . Jahrhunderts, wie z .B . Baden-Ba-

den, nicht nur Schritt zu halten, sondern sie oft genug zu überflügeln .

Ansicht von Wiesbaden,

um 1845, im Vordergrund

der neue Taunusbahnhof

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19

Seit 1840 in Blau und Orange – Die Nassauische Sparkasse

Das Wiesbaden des Jahres 1840 mit seinen rund 30 .000 Kurgästen war

längst nicht mehr die kleine beschauliche Landstadt: In den Hotels und

Gasthäusern wurde Geld ausgegeben, das Geschäftsleben florierte, in

der Spielbank rollte die Kugel und große Einsätze wechselten ihren Besit-

zer . Dennoch war nicht dies der Anlass zur Gründung einer Landes-Cre-

dit-Casse, als dessen Rechtsnachfolgerin sich die Nassauische Sparkasse

heute sieht, die Gründe für die Errichtung lagen vielmehr im Fehlen ei-

nes Bankinstituts im Herzogtum allgemein und in der Zehntablösungs-

frage . Die Landbevölkerung wollte und sollte sich eigenen Grund erwer-

ben, verfügte aber in der Regel nicht über die nötigen Summen, um dies

finanziell auch leisten zu können . Hier sprang nun die neue Credit-Casse

ein . Die Landesfarben blau und orange waren bei der Gründung über-

nommen worden und zeigten die enge Verbindung zu Herzog und Her-

zogtum .

Dem Institut waren neben der Aufgabe, die Zehntablösung zu finan-

zieren und abzuwickeln, die Verwaltung von Staatsgeldern, die Annah-

me von Depositen- und Spargeldern und die Gewährung von Hypo-

theken und Krediten im Rahmen der vorhandenen Mittel übertragen

worden .

Darüber hinaus war die Nassauische Sparkasse befugt, Banknoten,

sog . Landes-Credit-Casse-Scheine, auszugeben, wodurch auch im Her-

zogtum Nassau erstmals Papiergeld an die Stelle der Silbermünzen trat .

Die Nassauische Sparkasse (Naspa) in Wiesbaden ist mit einer Bilanz-

summe von 11,8 Milliarden Euro eine der größten Sparkassen Deutsch-

lands . Die Naspa beschäftigt rund 2 .075 Mitarbeiter; 50 junge Menschen

bildet sie jährlich zu Bankkaufleuten aus . Über ihre 1989 gegründete

Stiftung „Initiative und Leistung“ hat die Naspa mit 13,1 Millionen Euro

insbesondere Projekte aus Kunst, Kultur und Jugendförderung in ihrer

Region unterstützt .

Page 20: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

1843 erschienen in einem

Wiesbadener Verlag

„Patriotische Wünsche

eines Wiesbadeners für

das Gedeihen und Fort-

blühen dieses Kurortes“.

Hinter dem Aufsatz, der

für einiges Aufsehen

sorgte, steckte niemand

anderes als Dr. Wilhelm

Zais, der geschätzte Arzt

und gleichzeitig Besitzer

des Hauses „Vier Jahres-

zeiten“.

Wilhelm Zais und die erste Idee eines Vereins zur Verschönerung der Stadt und Steigerung der Kur

20

Der 1798 als ältester Sohn des berühmten Architekten Christian Zais

geborene Dr .Wilhelm Zais war nach Gymnasiumsbesuch in Mainz und

Studium in Tübingen und Bonn seit 1827 Medizinalakzessist für die

Stadt und das Amt Wiesbaden, seit 1840 sogar Medizinalrat . Das von

seinen Eltern ererbte Badehaus und Hotel „Vier Jahreszeiten“ hatte er

an einen Pächter übergeben, ab 1845 sollte er es dann aber in eigene

Verwaltung übernehmen . Dr . Zais war ein geachteter Bürger der Stadt,

er war Mitglied des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Ge-

schichtsforschung ebenso wie später Gründer des Nassauischen Kunst-

vereins . Gleichzeitig zählte er zu den führenden Köpfen der Liberalen in

der nassauischen Landeshauptstadt .

Es konnte also niemandem gleich sein, was Dr . Zais in seinen „Patrio-

tischen Wünschen“ anmerkte: Es war nicht mehr und nicht weniger als

die Aufforderung zur Gründung eines Vereins der Wiesbadener Bürger

zur Verschönerung ihrer Stadt, oder wie Zais es ausdrückte: „So erscheint

es durchaus nothwendig, das eine Gesellschaft sich organisiere, deren

Aufgabe darin besteht, sich mit den Mitteln und Wegen zu beschäftigen,

unserem Badeorte seine seit den letzten drei Jahrzehnten hauptsächlich

erlangte Celebrität zu erhalten, und eine gesicherte Stellung unter den

übrigen Bade- und Kurorten auf die Dauer zu verschaffen .“

Ein zukünftiger Verein, dessen Vorstand, wenn es nach Zais gegangen

wäre, sowohl aus Vertretern der Stadt wie des Kurpublikums bestehen

würde, sollte sich für eine Aufwertung der Kuranlagen (Springbrunnen

auf dem Bowling Green, eine Wandelhalle am Kochbrunnen), aber auch

für die Hebung von Industrie und Handwerk einsetzen . Hier träumte Zais

von einem „großen Industriesaal, einer permanenten Industrieausstel-

lung nicht nur für Nassau, sondern das ganze Rheingebiet und südliche

Deutschland“, der an die Kurhauskolonnade angebaut werden sollte –

also einer der ganz frühen Vorschläge für Wiesbaden, neben der Kur

auch das Messe- und Kongresswesen zu etablieren .

Im folgenden Jahr 1844 trat Dr . Zais mit einem „Plan zu einer zusam-

menhängenden Anlage von Wiesbadens Umgebung mit Bezeichung der

schönsten Aussichten, Spaziergänge und Parthien, zugleich ein Wegwei-

Dr. Wilhelm Zais

(1798-1861)

Page 21: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

21

ser für Fremde“ an die Öffentlichkeit: Die gesamte Umgebung, vor allem

die ansteigenden Hügel des Taunus sollten, wie es diese Broschüre auf-

weist, zukünftig zu einem großen Landschaftspark mit Fuß- und Fahrwe-

gen, Staffageelementen und Aussichtsebenen umgestaltet werden . Tat-

sächlich war bis in die 1830er Jahre allein die unmittelbarste Umgebung

des Kurparks erschlossen, insbesondere der Geisberg, dessen Ausflugslo-

kal Goethe zu den Schenkenliedern seines „Divan“ inspiriert haben soll,

und die so genannte „Schöne Aussicht“, ein Aussichtsplateau im Norden

der Stadt . Neben Geisberg und „Schöner Aussicht“ taucht bei Zais auch

zum ersten Mal für Wiesbaden die Idee auf, den Neroberg mit Staffa-

ge-Elementen zu gestalten .

Des weiteren schlug Zais vor, „geschichtliche Denksteine“ aufzustel-

len, also die Stadt und ihre Umgebung mit Denkmälern auszustatten, die

an bedeutende Ereignisse der Geschichte oder zentrale Persönlichkeiten

erinnern .

Wie noch zu zeigen sein wird, sollten alle diese Vorschläge früher

oder später von einem Kur- und Verschönerungsverein umgesetzt wer-

den . Doch zunächst einmal überrollten die politischen Ereignisse die

Ideen und Pläne .

Die Bürger machen Revolution

So wie die Julirevolution 1830 in Frankreich ihre oben beschriebenen

direkten Auswirkungen auch auf Wiesbaden hatte, so auch die Revolu-

tion von 1848: In unmittelbarer Folge der Februarrevolution in Frank-

reich setzten auch in Deutschland revolutionäre Erhebungen ein .

In Wiesbaden erlebte die Revolution ihren Höhepunkt, als sich am

4 . März nahezu 30 .000 Menschen vor dem Stadtschloss versammelten,

um für die „Forderungen der Nassauer“ zu demonstrieren . Herzog

Adolph, der sich in diesen Tagen in Berlin aufhielt, war eilends nach Wies-

baden zurückgekehrt, um durch sein öffentliches Versprechen vom Balkon

des Stadtschlosses die Forderungen seiner Untertanen zu erfüllen, die die

Radikalisierung der Massen verhindern sollte . Hierdurch wurden unter

anderem Volksbewaffnung, Pressefreiheit, Einberufung eines Parlaments

sowie Vereinigungs- bzw . Religionsfreiheit zugesichert . (Nach der Verkün-

digung der Pressefreiheit erschienen innerhalb weniger Wochen sage und

schreibe 13 politische Zeitungen, davon fünf allein in Wiesbaden .)

Diese politischen Ereignisse der späten 1840er Jahre brachten schließ-

lich auch für Dr . Zais und seine Idee eines Verschönerungsvereins für

Märzrevolution 1848 auf

dem Wiesbadener Schloss-

platz

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Wiesbaden das Aus: Dr . Wilhelm Zais, wie erwähnt, einer der führenden

Köpfe der liberalen Bewegung, war seit 1846 Mitglied der Landesdepu-

tiertenversammlung, also der Zweiten Kammer des Nassauischen Parla-

ments;1848 sollte er sogar für die Wahl zur Nationalversammlung in der

Frankfurter Paulskirche nominiert werden . Da blieb, neben dem Beruf,

nicht mehr viel Zeit für einen Verein . Die Ideen des Dr . Zais blieben je-

doch innerhalb der Stadt lebendig und sollten wenige Jahre später auf

fruchtbaren Boden fallen .

Eine Revolution dürfte der Kur ja wohl kaum zuträglich sein: Zu sehr

unterscheiden sich die revolutionäre, auf Veränderung zielende Aktion

von dem in erster Linie Ruhe und Entspannung versprechenden Kurbe-

such . So sprechen die Zahlen der Kurgäste in den Jahren 1848 und 1849

für sich: Wiesen die Kurlisten in den Jahren vor der Revolution knapp

15 .000 Fremde pro Saison auf, so sank deren Zahl in den Revolutionsjah-

ren um über die Hälfte . Erst im Jahr 1851 erreichte sie mit 14 .000 Kur-

gästen wieder nahezu den Stand der Jahre vor der Revolution .

Page 23: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Waren es die Veränderun-

gen im Stadtbild, die für

diesen klangvollen Namen

sorgten, oder war es nicht

umgekehrt eher der klang-

volle Name, der nach Ver-

änderungen bzw. Verbes-

serungen im Stadtbild

verlangte?

„Weltkurstadt Wiesbaden“

Denn nahezu gleichzeitig kommt es zu Beginn der 1850er Jahre, in je-

nem Zeitraum also, in dem Wiesbaden mit seinem neu-kreierten Titel

„Weltkurstadt“ beworben wird – ein Titel, den die Stadt unangefoch-

ten bis zum Ersten Weltkrieg führte –, zu zahlreichen Bau- und Umbau-

maßnahmen sowohl im alten wie auch im neuen Kurviertel . Im Zusam-

menhang mit neuen Pachtverträgen für Kurhaus und Spielbank wird das

Kurhaus erweitert und zahlreiche Säle erfahren eine Neugestaltung im

klassizistischen Stil .

Das Glücksspiel erhält dadurch insofern eine neue Qualität, als fortan

„großes“ und „kleines“ Spiel deutlicher voneinander getrennt sind . Mit

einem Mal wird sogleich ablesbar, welcher gesellschaftlichen Schicht die

Spieler angehören: Im hinteren Spielsaal dient der „Kommune“-Tisch

den kleineren Einsätzen, im Roten Saal hingegen wird um Taler gespielt .

Und im Weißen Saal, im Volk witzigerweise als „Klein-Californien“ titu-

liert, liegt die Goldwährung auf den Spieltischen .

In diesen Jahren ließ man auch den Kurpark umgestalten . Der war

eine ambitionierte Aufgabe des Gartenarchitekten Carl Friedrich Thele-

mann, der bis zur Berufung in den nassauischen Dienst als Obergärtner

Wilhelmstraße und Theater-

platz (heute Kaiser-Friedrich-

Platz), um 1863

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am Botanischen Garten von St . Petersburg gewirkt hatte, in dessen Ver-

antwortungsbereich die Erweiterung des Kurparks parallel zur Wilhelm-

straße lag, die Kuranlagen am so genannten „Warmen Damm“ . Es wird

nun vor allem Wasser zum Einsatz gebracht: Im Kurpark springt die große

Fontäne zum ersten Mal 1856 auf; auf dem Bowling Green, dem der

Stadt zugewandten Platz vor dem Kurhaus, der in einen Blumengarten

umgewandelt wurde, schuf man im gleichen Jahr zwei Wasserbecken mit

Kaskaden . Und es erregte das große Erstaunen der Gäste, dass sich diese

sogar durch eine integrierte Gasbeleuchtung in der Dunkelheit beleuch-

ten ließen! War die Anlage von Brunnen auf dem Bowling Green nicht

eine der Forderungen von Dr . Zais gewesen?

Zeitgleich errichtete man im alten Kurviertel eine neue Trink- und

Wandelhalle . Zahlreiche Kurgäste, Deutsche wie Ausländer, hätten sich,

wie überliefert wird, beim Herzog ob des Fehlens einer stabilen Trink-

halle am Kochbrunnen beschwert . Dies schickte sich mitnichten für die

„Weltkurstadt“ . Also baute man – quasi quer durch das alte Kurviertel –

vom Kochbrunnen zur Taunusstraße und von dort weiter bis zum Kureck

an der Wilhelmstraße eine hohe Wandelhalle, deren filigrane hölzerne

Dachkonstruktion auf gusseisernen Säulen ruhte: ein Gebilde von hoher

„Leichtigkeit und Zierlichkeit“, das rasch zur besonderen Sehenswürdig-

keit Wiesbadens aufsteigen sollte . Eine weitere Forderung von Dr . Zais

war erfüllt worden .

Mit der Errichtung eines Monopteros als Aussichtspunkt auf dem

Neroberg und – nur wenige Meter von diesem entfernt – dem Bau der

Russischen Kirche wurde nun der Neroberg quasi als „Hausberg“ für die

Wiesbadener erschlossen . Die Gestaltung der Umgebung Wiesbadens zu

einem großen Landschaftsparkt – die dritte Idee des Dr . Zais, die reali-

siert wurde . Ab 1851 sollte der Neroberg zu dem wichtigen Naherho-

lungsgebiet ausgebaut werden .

Blick auf Bowling Green

und Kurhaus, um 1863

Page 25: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Die Gründung des Kurvereins

25

Am 15 . Dezember 1862 konnte man schließlich in der Mittelrheinischen

Zeitung folgende Mitteilung lesen: „Mehrere achtbare hiesige Bürger,

denen die Interessen unserer Stadt nahegehen, haben den Beschluß

gefaßt, einen „Curverein“ zu gründen, der in Gemeinschaft mit dem

segensreich wirkenden hiesigen Verschönerungsverein sich die Aufgabe

stellen wird, die Kurindustrie der Stadt Wiesbaden nach den gebotenen

Kräften zu fördern . Trotzdem wir hier eine ansehnliche Masse von Ver-

einen aller Art besitzen, ist das Bestehen eines Curvereins, wenn er von

sachkundigen Männern geleitet wird, eine dringende Notwendigkeit für

unsere Stadt . Wir hoffen, daß er sich nach seiner Gründung der allge-

meinen Teilnahme erfreuen wird .“

Die Gründungsversammlung fand im „Badhaus zum Bären“ statt, je-

nem Haus, dass seit 1814 und 1815 durch die Übernachtung Goethes

im „Bären“ von so großer Bedeutung für die Stadt geworden war . Dort

sollte auch das Büro des neuen Vereins angesiedelt werden . Vorsitzen-

der wurde der seit 1856 in Wiesbaden tätige Augenarzt Dr . Alexander

Pagenstecher, Vizepräsident wurde der Weinhändler Krell . Für die Finan-

zen war der Badewirt Freytag verantwortlich und für den Schriftverkehr

Kaufmann Fehr und Rechtspraktikant Mähl . Vorsteher des Büros wurde

der Schauspieler und Schriftsteller Ferdinand Hey’l . Auch Hey’l, geboren

1830 in Koblenz und in der Zwischenzeit auf zahlreichen deutschen Büh-

nen tätig, lebte erst seit 1856 in Wiesbaden .

Es ist interessant zu sehen, dass es gerade nicht Mitglieder alteinge-

sessene Familien waren, die sich zu diesem neuen Kurverein zusammen-

fanden, sondern Personen, die erst vor wenigen Jahren neu in die Stadt

gekommen waren . So unterschiedlich sich deren Berufe lesen: Gemein-

sam war ihnen allen ein Interesse an der Hebung der Kur . Der Medizi-

ner verlangte nach zahlungskräftigen Kurgästen, die sich nicht nur dem

Amüsement ergaben, sondern auch Genesung suchten, der Badewirt

wollte viele Übernachtungsgäste beherbergen und hatte Interesse an

Gästen, die das ganze Jahr über in Wiesbaden Station machen wollten .

Und selbst dem Schauspieler musste an einem großen und interessierten

Publikum gelegen sein, das seine Vorstellung besuchte .

Alexander Pagenstecher, der

erste Vorsitzende des Kurver-

eins

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26

Eine der ersten Aufgaben

des neuen Vereins war es,

gemeinsam mit dem bereits

kurz zuvor gegründeten

Verschönerungsverein einen

„Wiesbadener Fremdenfüh-

rer“ aufzulegen . Der Erfolg

sprach für sich . Bis 1867

waren bereits 5000 Exem-

plare verkauft . Bald sollten

Auflagen in allen gängigen

Sprachen erscheinen . Für In-

halt und Redaktion der Bro-

schüre zeichnete Ferdinand

Hey’l verantwortlich . Der

Vorsitzende, Dr . Pagenste-

cher, verfasste parallel dazu

das Heft „Wiesbaden als Winterkurort und Winteraufenthalt“, das eben-

falls in den ersten beiden Jahren bereits 3000 Abnehmer fand . Es war

eines der erklärten Ziele in der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts in

Wiesbaden, nicht nur des Kurvereins, die Badestadt, die bislang, wie die

meisten anderen Badestädte in Deutschland und Europa auch, die Stadt

der Sommerkur war, für die Winterkur zu rüsten, das heißt: den Gästen

das ganze Jahr über die Möglichkeit eines angenehmen Aufenthalts zu

bieten .

Ab Sommer 1867 gab der Verein darüber hinaus auch noch eine

„Cur- und Fremdenliste“ heraus . Dies geschah dann bereits unter ver-

änderten politischen Umständen, denn ab 1866 regierte nicht mehr ein

nassauischer Herzog über Stadt und Land, sondern man war preußisch

geworden .

Ferdinand Hey‘l, der erste

Sekretär des Kurvereins, hier

im Gespräch mit Siegfried

Wagner

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Wollt nur, und ihr könnt es – die lange Tradition der Wiesbadener Volksbank

„Wollt nur, und ihr könnt es!“ Die Aufforderung von Hermann Schulze-

Delitzsch nahm sich auch ein Kreis Wiesbadener Handwerker und

Gewerbetreibender im Jahr 1860 zu Herzen . Aus eigener Kraft wollte

man der wachsenden Konkurrenz der neu errichteten kapitalkräftigen

Fabriken begegnen . Zwei Jahre vor der Gründung des Kurvereins nah-

men auch hier Bürger ihr Anliegen selbst in die Hand .

Dass sich aus einer ersten vertraulichen Besprechung am 22 . Juni

1860 und der anschließenden Gründung eines Vorschussvereins die

Erfolgsgeschichte der Wiesbadener Volksbank entwickeln sollte, ahnte

wahrscheinlich keiner der damals Beteiligten .

1863 wurden die Genossenschaft Wiesbadener Bank e .G .m .b .H . und

die spätere Volksbank (Wiesbaden-) Biebrich gegründet . 1865 folgte die

Gründung der Vereinsbank Wiesbaden . Diese drei Banken bestanden bis

zu ihren Fusionen eigenständig nebeneinander . Die Wiesbadener Bank

und die Vereinsbank Wiesbaden fusionierten 1969 zur Wiesbadener Ver-

einsbank . 1973 schloss sich die Volksbank Wiesbaden-Biebrich mit der

Wiesbadener Vereinsbank zur Wiesbadener Volksbank zusammen .

Im Geschäftsjahr 2012 wies sie eine Bilanzsumme von 3,517 Mrd .

Euro aus und verfügte über Kundeneinlagen von 2,783 Mrd . Euro .

Sie unterhält 35 Geschäftsstellen und beschäftigt 591 Mitarbeiter .

Die Bank hat 65 .365 Mitglieder, die gleichzeitig ihre Eigentümer sind .

Heute gehört die Wiesbadener Volksbank zu den größten, mitglieder-

stärksten und erfolgreichsten Genossenschaftsbanken in Deutschland .

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Der Krieg von 1866

Der im Sommer 1866 ausgebrochene Krieg, der bekanntlich mit dem

Sieg der Preußen endete, sollte zur Annexion des Herzogtums sowie zur

Absetzung der regierenden nassauischen Familie führen . Am 15 . Juli hat-

te sich Herzog Adolph zu seinen Truppen nach Süddeutschland begeben

und war von dort direkt ins Exil gegangen; bereits drei Tage später, am

18 . Juli, besetzten die preußischen Truppen die Stadt . Anfang September

schließlich verabschiedete das preußische Abgeordnetenhaus ein Gesetz,

das die Annexion Nassaus bestimmte; einen Monat später feierte man

schon die offizielle Besitzergreifung durch Preußen mit einer Veranstal-

tung auf dem Schillerplatz .

Die nassauische Hauptstadt zählte bei der Übernahme durch Preu-

ßen rund 26 .000 Einwohner; nach offizieller Schätzung lag die Zahl der

jährlichen Gäste mittlerweile bei rund 35 .000, wobei man von rund

7 .000 „eigentlichen Badegästen“ ausgehen kann, also solchen Perso-

nen, die eine Linderung ihrer Leiden durch die heilenden Bäder suchten,

und rund 28 .000 „ausgesprochenen Vergnügungsfremden“, denen die

Gesellschaftskur Linderung vom „ennui“, der Langeweile, zu schaffen

versprach .

In den sechzig Jahren der herzoglich-nassauischen Zeit hatte Wiesba-

den einen Aufschwung erlebt, wie man ihn am Anfang des Jahrhunderts

kaum für möglich gehalten hätte . Die Stadt war, sicher auch dank seiner

Funktion als Hauptstadt eines deutschen Mittelstaats, zu einem der füh-

renden Bäder Deutschlands geworden, das für beide Gruppen, den Kran-

ken wie den Zerstreuung Suchenden, genug bieten konnte: Medizini-

sche Angebote bediente die wachsende Zahl an Ärzten, die sich auch der

Alternativmedizin öffnete . Noch in der nassauischen Zeit hatten in der

„Stadt der heißen Quellen“ allein drei Kaltwasserheilanstalten eröffnet .

Der Unterhaltung dienten Theateraufführungen und Kurhausbälle,

die Spielbank und ein Lesekabinett mit 120 Zeitungen, ein Museum;

aber auch zahlreiche Geschäfte mit Angeboten auf europäischem Ni-

veau zogen ein kapitalkräftiges Publikum an . „Glänzende Equipagen,

nette Droschken, hochbeladene Omnibusse rollen die Straßen auf und

ab, schmucke Reiter und Reiterinnen galoppieren vorbei . Mannigfaltige

Sprachen und Dialekte berühren unser Ohr .“ So beschreibt ein Reisebe-

richt des Jahres 1858 das Leben, das den Bürgern wie den Gästen auf

den Straßen Wiesbadens entgegen sprang .

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Die Preußen kommen

Durch die preußische Annexi-

on wurde Wiesbaden Sitz des

Präsidenten eines Regierungsbe-

zirks in der Provinz Hessen-Nas-

sau – die Provinzhauptstadt war

Kassel -, will sagen: Wiesbaden

war mit einem Federstrich keine

Landeshauptstadt mehr, aber es

blieb immerhin noch der Verwal-

tungsmittelpunkt eines Gebie-

tes, das nicht kleiner war als das

frühere Herzogtum .

Die Haltung der Bevölkerung

gegenüber den neuen „Herren“

war zunächst durchaus ambiva-

lent . Teile des städtischen Bür-

gertums und der Unternehmer

begrüßten die preußische Über-

nahme: 44 führende Industrielle,

Großkaufleute und liberale Abgeordnete überreichten dem preußischen

Zivilkommissar Gustav von Diest sogar eine Petition, in der sie sich aus-

drücklich für einen Anschluss Nassaus an Preußen aussprachen . Freilich

gab es aber auch liberale Vertreter Nassaus, die eher befürchteten, dass

sie unter Bismarck ihre Position ebenso schwierig vertreten vermöchten,

wie dies bisher unter Herzog Adolph der Fall gewesen war . Die größte

Skepsis fand sich, wie nicht anders zu erwarten, insbesondere in den

konservativen und Hofkreisen, aber auch in allen denjenigen Zirkeln, die

mit dem Kurwesen in Verbindung standen . Bei ihnen nämlich war die

Angst am größten, die Entwicklung der Kurstadt könnte unter dem

preußischen Adler jäh gestoppt werden . Denn diese hing stark am finan-

ziellen Tropf der Spielbank, und in Preußen gab es ein generelles Verbot

des Glückspiels .

Die offizielle Übernahme

Nassaus durch Preußen im

Jahr 1866

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Eines der schönsten Casinos Europas und der finanzielle Nerv des nassauischen Wiesbaden – die Spielbank und das Glückspiel

Das Casino Wiesbaden gehört zu den schönsten Spielbanken Europas

und zog und zieht seit über 200 Jahren die verschiedensten Menschen

in seinen Bann, gekrönte Häupter ebenso wie Künstler, Literaten, Musi-

ker und Bohémiens . Um welche Summen es bereits in nassauischer Zeit

ging, macht eine Episode des Jahres 1857 deutlich: Gegen Zahlung einer

Abfindung von 1 .000 .000 Gulden war eine „Gesellschaft zum Betriebe

der Kuretablissements in den Badeorten Wiesbaden und Ems“ gegrün-

det, die sich zum einen mit einer viertel Million Gulden an der Kurhau-

saktiengesellschaft beteiligte, zum anderen aber auch Zuschüsse für das

Theater und das Hospital zahlte .

Zu Beginn der 1860er Jahre hatte man die Spielsaison überdies bis in

den Winter hinein ausgedehnt . Bis 1866 sollen auf diese Weise Spiel-

bankmittel in Höhe von rund 550 .000 Gulden aufgewendet worden

Am Spieltisch des

Wiesbadener Casinos,

um 1850

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sein . Geld floss mithin reichlich, wurde aber, was die Finanzen der Stadt

angeht, vermehrt zu einem unentbehrlichen Aktivposten . Vergnügungen

unterschiedlichster Art wechselten einander ab – Bälle, Soireen, Konzer-

te, Theater – und vieles wurde letztlich nur ermöglicht durch die Einnah-

men der Spielbank .

Man schrieb das Jahr 1866, als das Buch erschien, das wie kein an-

deres die Atmosphäre der Spieler am grünen Tisch beschreiben sollte:

„Der Spieler“ von Fjodor Dostojewski . Eingebettet in eine gelegentlich

grotesk-komische Geschichte um eine Gruppe von Menschen, die, kurz

vor dem finanziellen Ruin stehend, im fiktiven Kurort „Roulettenburg“

auf den Geldsegen einer erlösenden Erbschaft wartet, finden sich prä-

zise Beschreibungen der Spielsucht – wie sie Dostojewski ja aus eigener

Erfahrung kannte: Hatte doch der Schriftsteller während seines Wiesba-

den-Aufenthaltes im Jahr zuvor nicht weniger als dreitausend Goldrubel

verloren! Von seinem Verleger war ein neuer Kredit nur unter der Be-

dingung zu erlangen, dass er bald einen neuen Roman vorlegen werde .

Auch wenn sich bis heute die Städte Baden-Baden, Bad Homburg und

Wiesbaden einander den Rang streitig zu machen versuchen, wer von

ihnen als fiktive Stadt „Roulettenburg“ in die Literatur eingegangen sei,

so sprechen die Beschreibung der Baulichkeiten und „Verhältnisse“ der

Stadt weit eher für das Wiesbaden der späten nassauischen Zeit als, so-

gar im doppelten Sinne, „Spielort“ des Romans .

Wenige Jahre später, für die Dauer der preußischen Epoche in Wies-

baden, musste die Spielbank schließen, wurde aber 1949, Wiesbaden

war mittlerweile Hauptstadt des Bundeslandes Hessen, im Foyer des The-

aters wieder eröffnet . Anfang der 50er Jahre zog man wieder ins Kur-

haus, 1984 in den ehemaligen Weinsalon, der seitdem als Casino dient .

Wichtig für die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener war das Jahr 1986:

In diesem Jahr fiel das Residenzverbot, das Besuchs- und Spielverbot für

die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, das seit 1771 galt, wurde aufge-

hoben .

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Die große Stunde des Kurvereins-sekretärs: Ferdinand Hey’l, Retter des Kurlebens in Wiesbaden

32

In der Denkschrift „Wiesbaden und seine Cur-Interessen“, veröffentlicht

im Herbst 1866 vom damaligen Sekretär des „Cur-Vereins“, Ferdinand

Hey’l, finden wir eine kritische Bestandsaufnahme des Ist-Zustands und

der Angst der Wiesbadener „…, daß ein drohender Schlag über unserem

Haupte schwebt, daß eine Hauptquelle unserer Mittel zur Hebung unse-

res Badeortes dem Versiegen nahe ist …“ Gleichzeitig wollte er aber den

neuen Machthabern einen Weg aus der Misere weisen: Durch Einbehal-

tung der Spielbankgewinne wäre es möglich, innerhalb von zehn Jahren

„die Summe von etwa einer Million anzusammeln, um, durch deren

Zinsen unterstützt, Wiesbaden in seinem gegenwärtigen Stande zu er-

halten“ .

Der Kurverein in Person des Ferdinand Hey’l hatte 1867 Gelegenheit,

dem preußischen König Wilhelm I . die Denkschrift persönlich zu über-

reichen und tatsächlich kam es ein Jahr später zu einem Vertrag zwi-

schen der bereits erwähnten Wiesbadener Betreiber-Gesellschaft und

der preußischen Regierung, laut dem das Spiel noch bis zum 31 .12 .1872

erlaubt sein sollte . Vom Reinertrag erhielt die Gesellschaft einen Betrag

von 200 .000 Gulden, der darüber hinausgehende Ertrag sollte zur Hälfte

einem Kurfonds überstellt werden, der ausschließlich zur Förderung der

Interessen der Badeorte Wiesbaden und Ems verwendet werden durfte .

In den Nachverhandlungen mit der Stadt Wiesbaden wurde übrigens

auch noch die Übernahme der Kuranlagen mit Kurhaus, Kolonnaden

u .a . durch die Stadt vereinbart .

Als schließlich der Dezember 1872 gekommen war und der Croupier

um 23 .15 zum letzten Mal sein „rien ne va plus“ ausrief, war es mit der

glanzvollen Zeit der Wiesbadener Spielbank – zumindest auf lange Zeit

– vorbei . Der Unterhalt des Kurbetriebes war jedoch für die Zukunft ge-

sichert: Bei der Übergabe der Kuranlagen an die Stadt waren dieser zu-

gleich auch 1 .400 .000 Gulden Kurfonds überwiesen worden (verbunden

mit der Zusicherung, die Stadt werde jährlich einen Zuschuss zur Verbes-

serung der Kureinrichtungen erhalten) .

Welch große Stücke man von preußischer Seite auf den Kurverein

hielt, wird daran deutlich, dass die Königliche Regierung in Berlin dem

Das Ferdinand Hey‘l –

Denkmal im Wiesbadener

Kurpark

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Kurverein Schriften zur Begutachtung überließ, die sich von verschiede-

nen Seiten über die Kur äußerten, eine neue Fassung des Kochbrunnens

vorschlugen oder die Errichtung einer großen geschlossenen Trinkhalle

oder eines Wintergartens an eben jenem Brunnen forderten . Dass man

diese Aufgaben dem Verein übertrug, macht die Wertschätzung deut-

lich, die man in Berlin für die junge Einrichtung hegte .

Bereits 1870 war schließlich ein

städtisches Kurbüro gegründet wor-

den, das die Übernahme der Kurein-

richtungen durch die Stadt Wiesba-

den vorbereiten sollte . Vorstand des

Büros wurde Ferdinand Hey’l, dem

drei Gehilfen beigegeben wurden .

Am 1 . Januar 1873, mit offiziel-

ler Übernahme der Einrichtungen

durch die Stadt, wurde Hey’l ihr

erster Kurdirektor (was er bis zu

seinem Tode bleiben sollte), unter-

stützt vom zweiten Bürgermeister

Coulin und dem Stadtverordneten

Fehr . Über die nächsten Jahrzehn-

te sollte es zu einer engen Zusam-

menarbeit von Stadt und Kurverein

kommen, vor allem begründet durch die Personalunion von Ferdinand

Hey’l als Kurdirektor und Vorstandsmitglied des Kurvereins – eine Ent-

wicklung, die sich segensreich auf die Stadt auswirkte .

Wiesbaden wächst, und mit ihm der Kurbetrieb

Die Übernahme durch Preußen erwies sich für das Wachstum der

Stadt mitnichten als ein Hindernis: Hatte die Stadt 1865 noch 26 .000

Einwohner, so zählte sie im Jahr der Reichsgründung (1871) bereits

36 .000 . Neu war seit den 60er Jahren – und auch dies wurde in der

preußischen Ära eher intensiviert als unterdrückt –, dass man im Zuge

eines Generalplans große Flächen, vor allem die Hänge rings um Wies-

baden, für den Bau von Landhäusern und Villen vorsah . So legte Thele-

mann, der bereits erwähnte Gartenbaudirektor, 1862 einen Generalplan

vor, in dem sich die westlichen und nördlichen Hänge wie ein großer

gestalteter Landschaftspark um Wiesbaden ziehen . Da feste Vorschriften

erlassen worden waren, wie die Abgrenzungen der einzelnen Häuser ge-

staltet sein sollten: immer nur durch einen Zaun, nie durch eine Mauer,

Kaiser Wilhelm I. bei einem

Empfang in Wiesbaden.

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wollte man dem Besucher Wiesbadens den Eindruck von Weitläufigkeit

vermitteln . Die Villen sollten viel eher den Eindruck von „Staffage-Archi-

tekur“ in einem riesigen Parks erwecken, als dass sie selbst als dominie-

rende Elemente empfunden würden .

Wieder werden wir an die Ideen des Dr . Zais von 1843 erinnert, der

einen Ausbau der Umgebung Wiesbadens zum großen Landschaftsgar-

ten gefordert hatte . Der Kurverein unterstützte diesen Ausbau mit der

Anlage von Kur- und Wanderwegen durch den Kurpark und stadtnahen

Wald .

Attraktionen für die Weltkurstadt

Der Ruhm der Kurstadt bedeutete freilich auch, dass man nicht nachlas-

sen durfte in dem Bemühen, das Angebot für die Kurgäste dauernd auf

dem neuesten Stand zu halten . Also jagte eine Neuerung die nächste . So

erhielt Wiesbaden im Jahr 1875, nur zehn Jahre nach Berlin und als elfte

Stadt im Reich überhaupt, eine Pferdestraßenbahn, die die Fahrgäste

von den Bahnhöfen am südlichen Ende der Wilhelmstraße, diese entlang

Spaziergang nach Sonnen-

berg, kolorierter Stich,

um 1840

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und am Kurhaus vorbei durch die Taunusstraße bis ins Nerotal fuhr . Ein

weiteres Beispiel für den Modernisierungswillen der Stadt ist die frühe

Einführung der Elektrizität . Nachdem Edison 1879 die erste alltagstaug-

liche Glühbirne erfunden hatte, dauerte es nur rund zwei Jahre, bis sie

bereits in Wiesbaden zur Anwendung gelangte . Zunächst rüstete man

den Konzertplatz hinter dem Kurhaus von Gaslicht auf elektrisches Licht

um, 1882, ein Jahr später, erstrahlte dann auch der Kursaal im Glanz der

Glühbirnen .

Bereits 1874 hatte man damit begonnen,

den Kurpark für Gartenfeste zu nutzen, die bald

legendär wurden . Freilich war dies alles nicht

mehr kostenlos zu leisten . Seit 1873 forderte

Wiesbaden eine Kurtaxe von seinen Gästen oder

Eintritt für das Betreten der Kuranlagen .

Zu den Attraktionen der Kur zählten aber vor

allem namentlich die gesellschaftlichen Ereignis-

se – und zu solch einem Ereignis ersten Ranges,

sowohl für die Wiesbadener als auch für die

Kurgäste, entwickelte sich die Einweihung des

Niederwalddenkmals im Jahr 1883 .

Die Einweihung des Niederwalddenkmals

Der 28 . September 1883 sei in der an glanzvollen Tagen reichen Geschich-

te Wiesbadens „einer der allerglänzendsten“, heißt es in einer zeitgenös-

sischen Quelle: Kaiser Wilhelm I ., 22 Bundesfürsten oder deren Vertreter,

die Bürgermeister der freien Hansestädte, Reichs- und Staatsminister, die

Feldherrn des deutsch-französischen Krieges, hohe Reichs- und Staatsmi-

nister versammelten sich in Wiesbaden, von wo sie sich nach Rüdesheim

begaben, um an der Einweihung des Niederwalddenkmals teilzunehmen .

Nach der Rückkehr fuhren die hohen Personen unter dem Jubel der

Einwohner und Fremden durch „die pomphaft mit Ehrenpforten, Fahnen

und Wappen, Blumen und Girlanden geschmückte Stadt“ zum Stadt-

schloss zurück, wo ein Galaessen gegeben wurde . Am Abend fand sich

der Platz vor dem Kurhaus durch ein Feuerwerk erleuchtet, das die Na-

men der anwesenden deutschen Fürsten in farbigem Licht in die Nacht-

luft schrieb . Aber die Krönung des Ganzen sollte eine aus unzähligen

Gasflammen erstrahlende Siegesgöttin auf einem Viergespann sein, die

im Giebel des Kurhauses aufleuchtete .

Kochbrunnen – Brunnen

und Wandelhalle, um 1860

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Damit war ein Projekt zum Abschluss gekommen, das über ein Jahr-

zehnt Wiesbaden und das Deutsche Reich beschäftigt hatte . Bereits kurz

nach der Wiedererrichtung des Kaiserreiches im Versailler Spiegelsaal am

18 . Januar 1871 hatte der Wiesbadener Kurdirektor Ferdinand Hey’l ein

Denkmal vorgeschlagen, das an den Einigungskrieg und das neue Kai-

sertum erinnern sollte . Zugleich machte er einen Vorschlag, an welcher

Stelle man das neue Denkmal errichten sollte, nämlich auf dem histori-

schen Niederwald oberhalb Rüdesheims . Im Grunde ging es Hey’l hier-

bei, trotz aller deutschpatriotischen Begeisterung, die wir ihm nicht ab-

sprechen wollen, vor allem um die Frage, wie man, um den Wegfall des

Kasinos zu kompensieren, die Weltkurstadt mit Attraktionen, eben auch

in der näheren und weiteren Umgebung, versehen konnte . Und was lag

da näher, als eine Aufwertung des Rheingaus, jener Gegend westlich

von Wiesbaden, die schon seit dem frühen 19 . Jahrhundert im Zuge der

Rhein- und Burgenromantik zahlreiche Fremde in die Gegend gelockt

hatte?

Hey’ls Vorschlag wurde von vielen mit großer Begeisterung aufge-

nommen; insbesondere der Wiesbadener Regierungspräsident Botho

Graf zu Eulenburg kümmerte sich mit großem Engagement um die wei-

tere Planung und Organisation des Denkmalbaus: Zunächst holte er die

Zustimmung Kaiser Wilhelm I . und des Reichskanzlers Otto von Bism-

arck für das Projekt ein . Danach gründete er ein Komitee in Berlin, das

sich vor allem aus Mitgliedern des Reichstages zusammensetzte, wobei

er dem geschäftsführenden Ausschuss des Komitees selbst vorsaß . 1877

wurde die Grundsteinlegung für das von Johannes Schilling entworfene

Denkmal in Anwesenheit des Kaisers mit einem großen Fest begangen .

Diese Feier sollte freilich durch jene im September 1883 in den Schatten

gestellt werden . – Was die Fürsten am Abend bei ihrer festlichen Rück-

kunft allerdings noch nicht wissen konnten, war, dass sie nur knapp ei-

nem Attentat entkommen waren; denn Anarchisten hatten versucht, die

Festgesellschaft in die Luft zu sprengen – vergeblich, waren doch Zünd-

schnur und Dynamit durch starken Regen am Vortag nass geworden!

Ferdinand Hey’l wurde aufgrund seiner Verdienste um das National-

denkmal zum Ehrenbürger von Rüdesheim ernannt . Neben Hey’l, der

rund 25 Jahre die Geschicke der Kur in Wiesbaden lenken konnte, muss

aber auch Oberbürgermeister von Ibell genannt werden, der ebenfalls

30 Jahre die Politik der Stadt mit großer Geste führte, nicht zu vergessen

Kaiser Wilhelm II ., der seit seiner Thronbesteigung 1888 die ehemalige

nassauische Residenzstadt in besonderem Maße wertschätzte .

Entwurf für das

Niederwalddenkmal

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Die Ära Ibell (1883-1913)

Carl von Ibell, von Hause aus Jurist, darf fraglos die überragende politi-

schen Gestalt im Wiesbaden der Kaiserzeit gelten, leitete er doch – zu-

nächst seit 1883 als Bürgermeister, drei Jahre später „durch allerhöchs-

ten kaiserlichen Erlass“ als Oberbürgermeister bis 1913, also 30 Jahre

lang – die Geschicke der Stadt . Ibell war nicht nur ein souveräner Leiter

der Verwaltung, sondern auch ein geachteter Repräsentant der Kurstadt,

dem ästhetische Fragen nicht weniger am Herzen lagen, als dass er sich

für technische Neuerungen interessierte: mithin der rechte Mann, um

bei der Entwicklung der Infrastruktur der Stadt, die in seiner Amtszeit

mit über 100 .000 Einwohnern im Jahr 1905 in die Reihe der deutschen

Großstädte aufgenommen werden sollte, auf der Höhe der Zeit, Ent-

scheidungen zu treffen . Zumal Carl von Ibell die Gunst Kaiser Wilhelms

II . genoss, der nach dem Tod seines Großvaters und Vaters im Jahr 1888

den Thron bestiegen hatte, war man in der Stadt gern bereit, im Ober-

bürgermeister diejenige Persönlichkeit zu sehen, die Wiesbaden „herrli-

chen Zeiten“ entgegen führen werde . Freilich hatte er mit seiner Politik,

rückblickend betrachtet, sicher zu einseitig auf den Geldfluss aus den Ta-

schen von Kapitalrentnern und die Einkünfte

aus dem Kurbetrieb gesetzt, während er ei-

ner Industrie- und Gewerbeansiedlung eine

deutliche Absage erteilt hatte . (Diese Wei-

chenstellung in, modern gesprochen, Rich-

tung Dienstleistung, musste sich allerdings

während der Krise der Kur im und nach dem

Ersten Weltkrieg bitter rächen .)

Wilhelm II. und Wiesbaden

In kaum einer anderen deutschen Stadt

dürfte – erstaunlicherweise auch heute noch

– so viel und positiv über den letzten deut-

schen Kaiser gesprochen werden wie gerade in Wiesbaden; indessen

wäre zu ergänzen, dass wohl nirgends sonst in Deutschland, vielleicht

Berlin ausgenommen, Kaiser Wilhelm II . einen derartigen Einfluss auf

die Geschicke eines Gemeinwesens genommen hat, und zwar direkt als

auch indirekt .

Der 1859 als ältester Sohn des Kronprinzen Friedrich und der eng-

lischen Prinzessin Viktoria Geborene und 1888 als Wilhelm II . auf den

Kaiser Wilhelm bei der

Einweihung des Kaiser-

Friedrich-Denkmals, 1897

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Thron Gekommene setzte rasch die Tradition der alljährlichen Besuche

der Weltkurstadt Kaiser Wilhelms I ., des Großvaters, fort . (Der Vater

Wilhelms, Friedrich III ., der als 99-Tage-Kaiser in die Geschichte einging,

war freilich zu früh gestorben, als dass er eine eigene Tradition hätte

begründen können, hatte jedoch schon als Kronprinz häufig die Stadt

mit seiner Anwesenheit geehrt .) Anders als bei seinen Vorfahren ist bei

Wilhelm II . jedoch eine direkte Einflussnahme auf wichtige öffentliche

Baumaßnahmen der Stadt zu konstatieren, etwa beim Bau des Theaters

1892 bis1894, des Bahnhofs 1906 oder des Kurhauses 1904 bis 1907 .

Heute erinnert ein Salon im Kurhaus, der den Namen des Monarchen

trägt, an die enge Beziehung zwischen dem letzten deutschen Kaiser

und der Weltkurstadt Wiesbaden .

Es waren nicht nur die Gunst der Hohenzollern gegenüber der Ba-

destadt, sondern gleichermaßen auch eine geschickte Steuerpolitik so-

wie eine ausgeklügelte, weltweite Werbemaschinerie, die über einen

langen Zeitraum besondere Anziehungskraft auf die deutschen Eliten in

Militär, Wirtschaft, Kunst und Politik auszuüben vermochten . Vor allem

auf Pensionäre und Rentiers, also auf denjenigen Personenkreis, der sich

aus seinen Kapitalerträgen einen guten Lebensabend leisten konnte,

wirkte die Stadt geradezu wie ein Magnet . Kommerzienräte und Fabrik-

direktoren ebenso wie pensionierte Generäle oder Adlige besaßen im

Wiesbaden des ausgehenden Kaiserreichs eine Villa oder repräsentier-

ten zumindest in einer herrschaftlichen Stadtwohnung . Wiesbaden ent-

wickelte sich, neben Görlitz, Naumburg und Bonn, zur bedeutendsten

jener vier Städte Preußens, die sich im späten Kaiserreich den Titel eines

„Pensionopolis“ an die Brust heften konnten .

Um die Jahrhundertwende sollen, wie die Statistik belegt, etwa 300

Goldmarkmillionäre in der Stadt gelebt haben . Vergleicht man allerdings

die Kaufkraft der Goldmark mit der heutigen Währung, so kann man

von füglich rund 3 .000 Familien ausgehen, die einem „Euro-Millionär“

entsprächen!

Nerotal und Neroberg

Die von Jahr zu Jahr ansteigende Zahl der „Neu“-Wiesbadener erforder-

te nicht nur neue Naherholungsgebiete, es waren gleichermaßen auch

„massentaugliche“ Orte von Nöten . Der Kurpark und die Anlagen am

Kochbrunnen hatten nur durch die Einführung einer Taxe, die zu entrich-

ten war, wollte man dort flanieren, ihren „exklusiven“ Charakter bewah-

ren können . Aber auch diejenigen, die in den Hinterhäusern oder Wohn-

Oberbürgermeister

von Ibell – Gemälde von

Wilhelm Trübner, 1907

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blocks am Ring wohnten, suchten verständlicherweise nach Orten der

Naherholung . Mit dem Aufkommen der modernen Massengesellschaft

verschoben sich die Bedürfnisse der Entspannung suchenden Menschen

in Richtung Rummel und Unterhaltung .

Der Neroberg, der, wie schon erwähnt, in Nassauer Zeit mit der An-

lage eines Monopteros und vor allem der Grabkapelle für die russische

Großfürstin Elisabeth sich nach und nach zum Ausflugsziel der Bürger

entwickelt hatte, erhielt in den 80er-Jahren

seine im Grunde bis heute gültige Gestaltung

als „Hausberg“ der Wiesbadener . 1881 wurde

dort mit dem Bau des Neroberg-Hotels begon-

nen, das durch seine großen Terrassen für die

Außenbewirtung von sich reden machte . In

seinen Glanzzeiten, den letzten zehn Jahren

vor dem Ersten Weltkrieg, soll das Haus nicht

weniger als 40 .000 Porzellanteile im Betrieb

gehabt haben . Im Jahre 1888 konnten clevere

Investoren mit einer neuen Attraktivität auf-

warten, denn sie waren auf den Gedanken

gekommen, die Strecke nach oben auf dem

Schienenweg zu ermöglichen: die übrigens bis

heute funktionierende Nerobergbahn, deren

Technik nie verändert zu werden brauchte . Die

mit Wasserballast betriebene Bahn, deren Wagen in ihrer Konstruktion

der Steigung angepasst sind, führt auf einer Länge von 438,5 m in nur

wenigen Minuten auf den Berg hinauf und hat dabei die gleichmäßige

Steigung von etwa 25 Prozent zu überwinden .

1897/98 wurde darüber hinaus, quasi als Anbindung der Stadt an die

Talstation der Nerobergbahn, das als Landschaftspark gestaltete Nerotal

angelegt, jetzt freilich, um den „Ansturm der Massen“ zu genügen, mit

breiteren Wegen, als sie im Kurpark zu finden waren .

Theaterneubau und Kaiserfestspiele

Für die mehr auf Repräsentation gerichtete Art der Zerstreuung waren

Kurhaus und Theater zuständig . Freilich bot das alte nassauische Hofthe-

ater nicht mehr den Rahmen für die gehobenen Ansprüche, die Kaiser

Wilhelms II . an ein solches Haus zu stellen geruhte . Die Frage war nun

bald nicht mehr, ob man ein neues Theater benötige – sondern nur:

Wann und wo soll die Grundsteinlegung stattfinden? Hier war es der

Kaiser höchstpersönlich, der die Entscheidung traf (und damit sogar

Blick ins Nerotal, 1912

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einen bereits gefassten Gemeinderatsbeschluss aufhebend), das neue

Theater solle an die südliche Kolonnade angebaut werden . Der Auftrag

ging an die in Theaterbauten höchst erfahrenen Architekten Ferdinand

Fellner und Hermann Helmer .

Die feierliche Eröffnung des Hauses, am 16 . Oktober 1894, verwan-

delte die ganze Stadt im Grunde in eine einzige große Bühne, die für

den Kaiser als ihren „Hauptdarsteller“ hergerichtet worden war: Als die-

ser am Morgen des Oktobertages in Wiesbaden mit der Bahn anreiste,

wohnte er auf seinem Weg zum Stadtschloss zunächst der Enthüllung

eines seinem Großvater, Wilhelm I ., gewidmeten Denkmals bei . Ihm zu

Ehren fand er die Wilhelmstraße bei seiner Ankunft mit Ehrenbogen,

Tannengrün und Fahnenschmuck dekoriert . Am Abend betrat Kaiser

Wilhelm das Theater, durch einen für den Herrscher reservierten Ein-

gang, und beim Betreten der Loge wurde er mit Fanfarenstößen sowie

dem Abspielen der Kaiserhymne begrüßt . Dann konnte das eigentliche

Programm beginnen . Noch am Abend musste ihre Majestät trotz aller

Begeisterung die Stadt wieder verlassen, war ihm doch ein Empfang so

ganz nach seinem Geschmack geboten worden!

Mit diesem Ritual sollte das Muster für seine künftigen „Kaiser“-

Besuche vorgegeben sein . Schon Wilhelm I . hatte die Stadt im Laufe

seiner Herrschaft immerhin 18 Mal besucht; doch sein Enkel Wilhelm II .

brachte es auf sage und schreibe 25 Aufenthalte . Die Besuche Wilhelms I .

hatten gewöhnlich länger als die seines Nachfolgers gedauert, waren

aber weniger „inszeniert“, was erklärt, dass sie in den Medien der da-

maligen Zeit weniger präsent gewesen waren . Kaiser Wilhelm II . wusste

es jedoch so einzurichten, dass selbst Aufenthalte von nur wenigen

Stunden – wie jener am 16 . Oktober 1894 – dermaßen mit Programm

angefüllt waren und obendrein so „prächtig“ begangen wurden, dass

sie, ganz wie beabsichtigt, sich dem kollektiven Gedächtnis der Stadt

und ihrer Menschen zwangsläufig einprägen mussten . Die Aufenthalte

des Kaisers, und waren sie noch so kurz, wurden durch Broschüren und

Zeitungen sogleich zum Medienereignis: Ankunft am Bahnhof, Einzug

über die festlich geschmückte Innenstadt, Auftritte am Tag bei Denk-

malenthüllungen oder Einweihung von neuen Gebäuden . Besuche von

ebenfalls in Wiesbaden weilenden befreundeten Monarchen, Teilnahme

bei Truppenübungen; am Abend Anwesenheit bei Theateraufführungen

oder bei Veranstaltungen im Kurhaus . Jeder Aufenthalt war also gespickt

voller Programm .

Eine Steigerung – soweit dies überhaupt noch möglich war – konnten

die Kaiserbesuche allenfalls durch die Einführung der „Kaiserfestspiele“

im Jahr 1896 erfahren, die bis 1914 abgehalten wurden (und deren Tra-

dition heute in den Internationalen Maifestspielen fortlebt) .

Theater und Foyer in

historischer Ansicht

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Neuerungen im Quellenviertel

Wie bereits in der nassauischen Periode, so lässt sich ebenfalls für die

preußische Zeit die Veränderung, die Wiesbaden genommen hat, wohl

am besten an der Entwicklung des alten Quellenviertels ablesen: Auf

dem Weg zur „Weltkurstadt“ war in der herzoglichen Zeit eine gussei-

serne offene Wandelhalle errichtet worden, die in späteren Jahren bis

an die Taunusstraße und Wilhelmstraße verlängert worden war . Damals

weilten in Wiesbaden im Jahr rund 26 .000 Gäste zur Kur . Aber diese

Zahlen sollten sich im Kaiserreich enorm steigern: Waren es 1880 bereits

über 70 .000, so zehn Jahre später mehr als 100 .000 Kurgäste! Dieser

Masse an Besuchern, und nicht zuletzt deren gesellschaftlichem Hinter-

grund, konnte die Anlage des Kochbrunnens und des Kranzplatzes nicht

mehr genügen . Eine Chance für eine Veränderung ergab sich schließ-

lich, als zum einen durch den Bau der neuen Krankenanstalten im Jahr

1879 das historische Hospital am Kochbrunnen überflüssig geworden

war, zum anderen der Ankauf weiterer Flächen aus Privatbesitz durch die

Stadt in den 1880er-Jahren eine großzügigere Gestaltung des Kochbrun-

nenplatzes ermöglichte . So ersetzte man ab 1887 die bisherige Wandel-

halle durch eine winkelförmige Anlage, bestehend aus Hallen und Pavil-

lons mit großen Fensterflächen in gusseisernen Rahmen und steinernen

Bogenstellungen im Stil der italienischen Hochrenaissance, wie sie der

Formensprache des strengen Historismus entsprach . Über Verbindungs-

hallen und einen Inhalaltionsbau gelangte man zu einem Mittelpavillon,

dem bestimmenden Teil der gesamten Anlage, an den sich nach Süden

hin die 43 Meter lange Trinkhalle anschloss: ein über sieben Meter brei-

ter und neun Meter hoher Saal, dessen große Fenster eine heitere At-

mosphäre verbreiten sollten . Von dort gelangte man weiter zum Koch-

Kranzplatz mit Grandhotels

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brunnentempel, in dem „Brunnenmädchen“ den Kurgästen das frische

Heilwasser reichten . Die dazu gehörige Gartenanlage war ein Werk des

Frankfurter Gartengestalters Heinrich Siesmayer, der durch die Gestal-

tung des Frankfurter Palmengartens Berühmtheit erlangt hatte .

Wieder war eine der frühen Forderungen des Dr . Zais, aber schließlich

auch des Kurvereins, realisiert worden . Der Kochbrunnen und seine Um-

gebung waren nun auch für die Winterkur gerüstet . Mit diesen Neue-

rungen hatte man schließlich auch die Grundlagen

für eine Aufwertung des gesamten Gebiets gelegt .

Die alten Badehäuser und Herbergen verschwan-

den nach und nach, um Grandhotels Platz zu ma-

chen .

Bis 1910 hatten Kranzplatz und Kochbrunnen-

platz, das alte Kurviertel, eine totale Veränderung

erfahren: Nichts sollte mehr an das eher einfache

Badeleben der früheren Jahrhunderte erinnern;

selbst die Architektur der nassauischen Epoche, der

Klassizismus, der die Stadt doch so stark bestimmt

hatte, war verschwunden: Ein ganzes Viertel hatte

also in wenigen Jahren sein Gesicht völlig verändert .

Der Bau des neuen Kurhauses

Der Bau des neuen Kurhauses fiel genau in jene Jahre, in denen Wiesba-

den seinen Höhepunkt als Weltkurstadt erlebte . Eigentlich war darüber

schon seit den 1880er Jahren diskutiert worden, denn es gab mehrfache

Gründe, sich über ein neues Gesellschaftshaus Gedanken zu machen .

Das alte Kurhaus, zu einer Zeit gebaut, als Wiesbaden im Jahr rund

10 .000 Kurgäste zählte, hatte um 1900 135 .000 Kurgäste aufzuneh-

men . Zudem war es ohne Heizung gebaut worden, hatte es doch ledig-

lich der Sommerkur gedient, so dass Öfen nicht notwendig gewesen

waren . Nachdem die Stadt die Winterkur etabliert hatte und damit Wer-

bung machte, man habe hier das „ganze Jahr Saison“, waren allerdings

auch die Zahlen der Winterkurgäste angestiegen: von 12 .000 im Jahr

der Reichsgründung 1871 auf rund 60 .000 in den Jahren nach der Jahr-

hundertwende . Hinzu kam ein natürlicher Verschleiß der Einrichtung,

auch war der Sanitärbereich in die Jahre gekommen – kurz: einer „Welt-

kurstadt“ kaum noch angemessen .

1903 erhielt der renommierte Münchner Architekt Friedrich von Thiersch

den Auftrag zu einer Realisierung des Neubaus, und zwar sollte er an

Die Wandelhalle am

Kochbrunnen, um 1900

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der Stelle des bisherigen Kurhauses er-

richtet werden . Thiersch legte noch im

gleichen Jahr dem Kaiser in Berlin seine

Pläne vor, die die grundsätzliche Billi-

gung Wilhelm II . fanden .

Da es jedoch in der Stadt zu heftigen Diskussionen gekommen war,

ob man das alte, traditionsreiche Gesellschaftshaus überhaupt abreißen

dürfe: das Haus, in dem Goethe diniert und gedichtet,

Dostojewski sein Geld verloren und Brahms seine drit-

te, die „Wiesbadener“ Symphonie dirigiert hatte, war

Thiersch von Seiten des preußischen Kultusministeriums

zur Auflage gemacht worden, den alten Kursaal – unter

Verwendung der originalen Säulen und Wand- und De-

ckenelementen – in einem der neuen Säle zu zitieren . Er

tat dies durch die Gestaltung des kleinen Konzertsaals im

klassizistischen Saal, wobei die Marmorsäulen des alten

Saals geschickt wiederverwandt wurden .

Um die Jahre zwischen dem Abriss des alten Kurhau-

ses 1904 und der Einweihung des neuen Baus 1907 zu

überbrücken, hatte man das ehemalige Palais der Her-

zogin Pauline (erbaut 1841-1845), das in unmittelbarer

Nachbarschaft des Kurhauses zum „Kurhausprovisorium“

umfunktioniert .

Durch den Neubau des Kurhauses – er war mit einer Bausumme von

drei Millionen Mark veranschlagt und sollte schließlich 5,5 Millionen

Mark kosten – war zweifellos ein Meisterwerk des Historismus entstan-

den, dessen Fassade sehr schnell das Symbol der Stadt wurde (und es

bis heute geblieben ist) . Die Einweihung war – Kaiser Wilhelm erklärte

den Bau zum „schönsten Kurhaus der Welt“ – für die Stadt und die Kur

ein erneuter Triumpf . Protest kam nur von medizinischer Seite: Dr . Emil

Pfeifer, der bedeutende Internist und Kinderarzt, klagte im „Rheinischen

Kurier“ des Jahres 1906: „Dass das neue Kurhaus in seinem ganzen Zu-

schnitte auf nichts weiteres hinausläuft als auf ein großes Restaurant ist

in vielfachen Zuschriften neuerdings erörtert worden . Dass aber für öf-

fentliche Kurzwecke, d .h . für die Wiesbaden aufsuchenden Kranken, so

gar nichts vorgesehen ist in all den projektierten Neugestaltungen, muss

füglich befremden .“ Die (berechtigte) Kritik sollte auf fruchtbaren Boden

fallen . Ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs – es war das Jahr mit

den meisten Kurgästen:192 .108! – wurde schließlich das Kaiser-Fried-

rich-Bad eröffnet, eine Thermenanlage, die, was das Saunieren und Ba-

den anging, wahrlich keine Wünsche offen ließ .

Kurhaus - Innenansicht

Gelber Salon, um 1907

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Sekt – das Getränk für die Welt und die Weltkulturstadt Henkell & Co. Sektkellerei KG

Schon im 19 . Jahrhundert waren im Wiesbadener Kurhaus Sekt und

Champagner in Strömen geflossen . Von besonderer Bedeutung für die

Beziehung von Wiesbaden zum Sekt wurde aber das erste Jahrzehnt des

20 . Jahrhunderts . Die Säle des 1907

eröffneten neuen Kurhauses boten

nun den perfekten Rahmen für rau-

schende Bälle und glanzvolle Konzer-

te und die 1909 nach Wiesbaden in

ihr „Sektschloss“ an der Biebricher

Allee übersiedelte Firma Henkell &

Co . wurde der Lieferant für das pas-

sende Getränk zu diesen Veranstal-

tungen: Henkell Trocken .

Die Firma selbst blickte zu diesem

Zeitpunkt bereits auf eine längere

Tradition zurück, hatte Adam Hen-

kell doch bereit 1832 in Mainz eine

Weinhandlung gegründet, aus der

ein Vierteljahrhundert später eine „Champagnerfabrik hervorging . 1935

entwickelt Henkell & Co übrigens den Pikkolo und ließ sich diese Marke

eintragen . Ab 1936 war der „Schwarze Herr“ im Stil eines Scheren-

schnitts viele Jahre das Erkennungszeichen von Henkell Trocken .

Im Jahr 2012 erzielte Henkell &

Co . einen Umsatz von 677 .6 Millionen

Euro, davon 326 .6 Millionen Euro

in Deutschland und 351 .0 Millionen

Euro im Ausland . Das Unternehmen

beschäftigte zu diesem Zeitpunkt

2 .040 Mitarbeiter, davon 547 im

Inland und 1 .493 im Ausland .

Biebricher Höhe mit

Henkells Sektschloss

Henkell-Pikkolo-Werbung

aus der Feder von Kurver-

einsmitglied Fred Overbeck

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Die Weltkurstadt im späten Kaiserreich

Die im späten Kaiserreich in ganz Deutschland verbreitete illustrierte Zei-

tung „Berliner Leben“ veröffentlichte in einer ihrer Ausgaben des Jahres

1902 die Abbildung eines Fensters des an der Wilhelmstraße gelegenen

Hotels „du Parc & Bristol“ . Seit 1896 kannte man dort den Brauch, dass

fürstliche Gäste mit einem Diamantstift

ihr Autogramm auf jenes besagte Fenster

schreiben durften: Neben den Unterschrif-

ten des deutschen Kaisers und der Kai-

serin waren die Namen des letzten russi-

schen Zarenpaares, des dänischen Königs

Christian IX ., der insgesamt 24 Mal zur

Kur nach Wiesbaden reiste, und des grie-

chischen Königs Georg sowie zahlreicher

weiterer deutscher Monarchen zu ent-

ziffern . Wäre es tatsächlich um Vollstän-

digkeit gegangen, so hätte man auch die

Namen des italienischen Königspaares

oder des belgischen Königs finden müs-

sen (nebst den Unterschriften zahlreicher

weiterer gekrönter oder gefürsteter Perso-

nen) .

Wiesbaden war um die Jahrhundertwende in der Tat zu dem geworden,

was es seit den Zeiten als nassauisches Kurbad auf allen Werbeschriften

ein wenig großtuerisch behauptet hatte: eine Weltkurstadt . Nur noch

wenige einzelne Gebäude sollten weiter an die Zeit der herzoglichen Re-

sidenzstadt erinnern; die klassizistische Stadt hatte sich in eine des His-

torismus verwandelt und war zur „Repräsentationskulisse der Eliten des

Kaiserreiches“ geworden, wie es Karl Korn, der berühmte Journalist und

FAZ-Gründer und -herausgeber, einmal treffend genannt hat .

Die Großstadt mit über 100 .000 Einwohnern, zu der sich das beschei-

dene nassauische Städtchen entwickelt hatte, musste sich naturgemäß

mit den Problemen einer solchen konfrontiert sehen: Sollte sich Wiesba-

den von dem Konzept einer „Kur- und Fremdenstadt“ lösen und durch

Industrialisierung den anderen Großstädten nacheifern? Diese Fragen

wurden auch in Wiesbaden am Vorabend des Ersten Weltkriegs immer

heftiger diskutiert . Die Antwort darauf lieferten schneller als erwartet

die weltgeschichtlichen Ereignisse, wenn sie auch für die Stadt und ihre

Bewohner schmerzhaft ausfallen sollte .

Wilhelmstraße

in preußischer Zeit

Page 46: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

46

Was den Kurverein betraf, so zeigte sich auch, wie sehr man von der

Doppelfunktion des Ferdinand Hey’l als städtischem Kurdirektor und als

Vorstandsmitglied des Kurvereins profitieren konnte . In dem Moment, in

dem allerdings, nach dem Tode Hey’ls, diese Verbindung gekappt war und

starke Persönlichkeiten wie Oberbürgermeister von Ibell auf städtischer

Seite die Politik gestalteten, trat der Kurverein stärker als gewünscht in

den Schatten des Rathauses . Freilich waren allerdings auch zahlreiche der

Forderungen der ersten Jahre umgesetzt und erfüllt worden .

Die festlich gschmückte

Wilhelmstraße zum Kaiser-

besuch im Mai 1897

Page 47: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

47

Der Erste Weltkrieg

Mit Ausbruch des Weltkriegs im Sommer 1914 sollte sich quasi über

Nacht das Leben in der Stadt ändern, denn aufgrund der Kriegserklä-

rung an Russland am 1 . August wurden die zahlreichen ausländischen

Gäste der Stadt zu „feindlichen Ausländern“, die Deutschland zu verlas-

sen hatten . Allen mit der Kur und dem Hotelbetrieb vertrauten Perso-

nen wie auch der städtischen Verwaltung war rasch klar, dass dies den

Kollaps des Fremdenverkehrs und damit der Weltkurstadt schlechthin

bedeuten musste . Die zuständige Generalität in Mainz blieb zunächst

unerbittlich . Nicht nur die ausländischen Gäste, deren Heimatländer mit

Deutschland Krieg führten, sondern auch die Einwohner bislang neut-

raler Mächte mussten abreisen . Erst nachdem der seit 1913 amtierende

Oberbürgermeister Karl Glässing ein „Arbeitslosenelend“ prophezeite,

„wie es die Stadt noch nicht gesehen hat“, gab es insofern ein Einlen-

ken, als „unverdächtigen Angehörigen des neutralen Auslands der Auf-

enthalt“ nun doch gestattet wurde .

Die düstere Prophezeiung Glässings sollte sich freilich mittelfristig

erfüllen, wenn auch in den ersten Jahren des Krieges der Rückgang an

Kurgästen durch eine steigende Zahl Verwundeter kompensiert wurde,

die in den Wiesbadener Hotels und Kureinrichtungen, die man nach und

nach als Lazarette ausgewiesen hatte, Genesung von Verletzungen und

Erholung vom Fronteinsatz suchten . Freilich: Diese Gäste waren nicht

mehr die wohlhabenden Mitglieder der gehobenen Gesellschaftskreise,

die hier für Wochen und Monate die Gesellschaftskur pflegten, sondern

es handelte sich um Soldaten aus allen Schichten der Bevölkerung, die

oft genug bar finanzieller Mittel waren und darauf hoffen mussten, bei

dem einen oder anderen Wohltätigkeitskonzert Freikarten zu erhalten .

Wiesbaden erwies sich in keiner Weise weder auf den Krieg noch auf

das, was er für die Stadt auslöste, vorbereitet . Einseitig hatte man viel zu

lange auf die Kur gesetzt, weder Landwirtschaft noch Industrie hatten

nachhaltige Förderungen erfahren . Als der Winter von 1916 auf 1917

eine Ernährungskrise brachte, sah sich die Stadt zu ungewöhnlichen

Maßnahmen gezwungen: Die Stadtgärtnerei musste Gemüse ziehen, die

noch freien Flächen des 1908 neu angelegten Südfriedhofs wurden nun

für den Kartoffelanbau genutzt . Dennoch verschlechterte sich die Ernäh-

rungslage in Wiesbaden merklich, so dass es bei Essens- und Lebensmit-

telausgaben immer häufiger zu Tätlichkeiten kam .

Page 48: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Als nach Beendigung des

Ersten Weltkriegs Mitte

Dezember 1918 französi-

scher Truppen in die Stadt

einrückten, sollte dies für

Wiesbaden eine fast 12

Jahre andauernde Besat-

zung bedeuten.

Die Weimarer Republik

48

Französische Besatzer und Separatisten

Insbesondere in den ersten Jahren war der Besatzungszustand für die

Stadt und ihre Einwohner eine schwere Belastung . Der Straßenverkehr

wurde auf von morgens 6 Uhr bis abends 8 Uhr beschränkt, der Fern-

sprechverkehr ruhte zunächst vollkommen . Auch erschwerte die Zoll-

grenze zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet den Postversand

von und nach Wiesbaden erheblich, so dass schließlich auch die Versor-

gung mit Lebensmitteln mangelhaft wurde .

Vor allem aber waren es Anordnungen wie die, „den Herren Offi-

zieren und den französischen Besatzungstruppen auf der Straße auszu-

weichen und ihnen genügend Platz zu machen“, die die Bevölkerung

verständlicherweise gegen die neuen Herren aufbringen musste und so

das Verhältnis zwischen Wiesbadenern und Besatzungssoldaten unnötig

belastete . Immer wieder wurden in den ersten Jahren der jungen Repu-

blik der Polizeibehörde zwar Beleidigungen, Schlägereien und andere

Übergriffe gemeldet, wenn auch Zusammenstöße größeren Ausmaßes

gottlob ausblieben . Entspannen sollte sich das Verhältnis zu den Besat-

zern jedoch erst durch die Aufgabe des passiven Widerstands nach

Französische Besatzung

in Wiesbaden, 1919

Page 49: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

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Beendigung des Ruhrkampfes und der Aufhebung der Zoll grenze im Jahre

1924 . Aber bereits die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung nach der

Inflation von 1923 hatte einer positiveren Einstellung gegenüber den Be-

satzern Vorschub geleistet .

Zu allen diesen Schwierigkeiten kam zudem die Gefahr der Abtren-

nung der Rheinlande, will sagen: der besetzten linksrheinischen Gebie-

te vom Deutschen Reich . Geführt von einem ehemaligen Staatsanwalt,

Dr . Adam Dorten, rief eine Gruppe von Separatisten am 2 . Juni 1919

die „Rheinische Republik“ aus . Regierungssitz des neuen Staates sollte

Wiesbaden werden . Von französischer Seite fand die Gruppe zwar Un-

terstützung, doch die Einwohner Wiesbadens stellten diesen Absichten

erbitterten Widerstand entgegen . Auch ließen sich keine weiteren rheini-

schen Städte als Partner dieser Bestrebungen finden, so dass die Separa-

tisten rasch wieder zurückrudern mussten .

Erneut mit Unterstützung durch die französische Besatzungsmacht

rief die separatistische Gruppe im Oktober 1923 eine „Rheinische Re-

publik“ aus . Wichtige öffentliche Gebäude – Rathaus, Landeshaus und

Regierungspräsidium – wurden von den „Separatisten“ besetzt . Die

Wiesbadener Polizei wurde entwaffnet, Oberbürgermeister Travers und

zahlreiche Beamte wurden ausgewiesen . Sogar wichtige Industriebetrie-

be waren betroffen: Französische Soldaten besetzten u .a . die Firma Kalle,

beschlagnahmten Material und verhafteten sogar den Direktor .

Wie schon 1919 stellte sich die Bevölkerung erneut mit aktiver Ge-

genwehr und den passiven Widerstandsmitteln Streik und Demonstra-

tion gegen diese Versuche, und es gelang auf diese Weise, eine vom

Deutschen Reich losgelöste „Rheinische Republik“ zu verhindern .

Nahezu zeitgleich fanden in Wiesbaden aber auch Aktivitäten statt,

die die beiden Staaten Deutschland und Frankreich wieder enger an-

einander binden sollten und den Versuch unternahmen, bestehende

Feindschaften abzubauen . Hierzu zählen sicher die Treffen des Reichs-

außenministers Walther Rathenau mit dem französischen Industriellen

und Politiker Louis Loucheur, die ab Sommer 1921 stattfanden und mit

dem im Oktober des gleichen Jahres unterzeichneten „Wiesbadener Ab-

kommen“ abschlossen . Es ging dabei vor allem um Sachlieferungen des

Deutschen Reichs an Frankreich zur Tilgung der Reparationsschulden .

Wenn auch dem Abkommen, das in weiten Teilen konservativer Kreise

als weiteres Bespiel einer „Erfüllungspolitik“ der damaligen Regierung

gegenüber den Siegermächten disqualifiziert wurde, der erwartete Er-

folg schließlich versagt bleiben sollte: Dem Reichsaußenminister war es

immerhin gelungen, den Deutschen „die Tür zur Welt zu öffnen und sie

wieder als Verhandlungspartner ins Gespräch zu bringen“ .

Page 50: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

50

Kulturelle Blüte

Waren die Zeiten unter wirtschaftlichem und politischem Aspekt auch

schwierig, Wiesbaden sollte zeitgleich eine ungeheure kulturelle Blüte

erleben . Lange Jahre hatte „Kunst“ in Wiesbaden von der Anwesenheit

des Kaisers zwar finanziell profitiert (Bau des neuen Theaters, Gründung

der Kaiserfestspiele, Bau eines neuen Museums), dabei künstlerisch al-

lerdings eine Stagnation erlebt: Auf der Bühne des Hoftheaters waren

Aufführungen in prächtigster Ausstattung und mit besten Sängern und

Schauspielern zu erleben, aber die zeitgenössische Kunst des ausgehen-

den 19 . und beginnenden 20 . Jahrhunderts – etwa die Stücke Ibsens

und Strindbergs – fanden freilich keinen Weg auf die Staatsbühne . Der-

artige „moderne“ Stücke konnte man sich im kaiserlichen Wiesbaden

allenfalls auf der einen oder anderen Privatbühne der Stadt ansehen .

Ein künstlerischer Aufbruch sollte erst eintreten, als aus dem ehemali-

gen Hoftheater mit dem Ende des Kaiserreichs ein preußisches Staatsthe-

ater wurde, das seit 1920 von dem Intendanten Carl Hagemann geleitet

wurde . Dessen Bedeutung besteht darin, dass er sich, beeinflusst von

Max Reinhardt und, für die Oper, von Hans Gregor, in seinen Inszenie-

rungen vom Theaterrealismus abwandte und die bekannte „Illusions-

bühne“ durch seine „Idealbühne“ ersetzte; seinen Vorstellungen gemäß

strebte er, auch was die Beleuchtung anging, besonders aber in der De-

koration , nach Vereinfachung und Stilisierung . Von 1924 bis 1927 stand

ihm Otto Klemperer als Dirigent des Opernorchesters zur Seite . Mit ihm

und dem Bühnenbildner Paul Dülberg, selbst u .a . Lehrer am Bauhaus,

gelangen mustergültige Inszenierungen, die den Ruf des Hauses als Ort

modernen Theaters in ganz Deutschland festigten .

Ungewollte Hilfe erwuchs Hagemann durch einen Theaterbrand,

der im März 1923 nach einer Rienzi-Aufführung ausbrach und inner-

halb kurzer Zeit den Bühnenraum, die meisten Kulissen und Werkstätten

zerstörte . Trotz der Notzeiten der Inflation konnte das Haus jedoch im

gleichen Jahr wieder spielen und eröffnete im Dezember mit „Lohen-

grin“ . Dadurch, dass die Kulissen und Kostüme der Kaiserzeit ein Raub

der Flammen geworden waren, gab es für das Theater unter Hagemann

kein Zurück mehr, wenn auch gelegentlich konservative Besucher sich

die „prächtigen“ Aufführungen, wie sie unter Kaiser Wilhelm II . stattge-

funden hatten, wieder auf die Bühne wünschten .

Theater Wiesbaden –

hier feierten Hagemann

und Klemperer ihre

großen Erfolge

Page 51: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

51

1927 kam es zu einem Intendantenwechsel: Auf Carl Hagemann folgte

der zuvor am Kasseler Theater tätige Musikologe Paul Bekker, ein profi-

lierter Vertreter der zeitgenössischen Oper . Unter ihm kam es 1928 zur

Wiederbelebung der ehemaligen Kaiserfestspiele, die nun unter dem

Namen „Maifestspiele“ firmierten . Aber nicht nur der Name war neu .

Auch das Programm sollte mit nichts mehr an die Festspiele des Kaiser-

reichs erinnern . Es waren nun zeitgenössisches Musiktheater und Schau-

spiel, Uraufführungen und Erstaufführungen zu erleben, wenngleich das

Bühnenbild, im Vergleich zur Ära Hagemann interessanterweise wieder

traditionellere Züge trug .

Parallel zum Opernhaus und seinem Orchester existierte außerdem

das städtische Orchester, das seine Konzerte im Kurhaus aufführte . Hier

war seit 1912 Carl Schuricht zunächst als erster Dirigent, später als Ge-

neralmusikdirektor tätig . Auch er sah das Ende des Kaiserreichs als Be-

freiung für die Kunst und veranstaltete aus Anlass des 10 . Todestag von

Gustav Mahler das erste deutsche Mahlerfest (!) in Wiesbaden .

Der bildenden Kunst bot sich in dem 1915 eröffneten Museum eine

reiche Entfaltungsmöglichkeit . Dank der Sammlung des Kunstmäzens

Heinrich Kirchhoff – er hatte generöser Weise seine Bilder dem Museum

zur Präsentation überlassen – waren die zeitgenössischen Strömungen

vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit gut vertreten . Der Nassau-

ische Kunstverein, bis 1900 Träger der Gemäldegalerie und auch nach

1915 noch im Museum mit Ausstellungen präsent, zeigte ebenfalls vor

allem die Kunst der Moderne, die in Wiesbaden ein engagiertes Publi-

kum fand . Es nimmt also nicht wunder, dass die Kunsthändlerin Galka

Scheyer, die für Alexej von Jawlensky eine Ausstellung in Wiesbaden or-

ganisert hatte, dem Maler in die Schweiz schreiben konnte: „Fabelhafter

Erfolg!!! … Hier haben alle einen Jawlenskyfimmel … Geld wie Heu“,

was ihn sicher mit bewogen hat, 1921 nach Wiesbaden zu übersiedeln .

Ein Zitat aus einer 1929 erschienenen Kulturzeitschrift mag als ein-

drucksvoller Beleg dafür dienen, welche kulturelle Aufbruchsstimmung

im Wiesbaden der 20er Jahre herrschte: „Ist hier die geträumte Siedlung

für deutsche Kunst und Künstler? Sie kann hier werden, eher als in Salz-

burg oder Weimar . Denn hier ist Menschenansammlung aus allen Län-

dern und Erdteilen, hier sind Festspiele noch heute … Wenn irgendein

Punkt in Deutschland, in Europa, in der Welt bestimmt ist, die auseinan-

dergefallenen Völker Europas neu zum Verkehr zu vereinigen: dann die-

se paradiesische Stadt .“

Page 52: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

52

Englische Besatzung

Am 30 . Dezember 1925 wurde die besetzte Stadt von den Franzosen an

die Engländer übergeben, die nun mit 6 .000 Mann in Wiesbaden Quar-

tier bezogen . Wiesbaden war von nun an das Hauptquartier der briti-

schen Rheinarmee und Sitz der Rheinlandkommission, bevor diese 1929

schließlich nach Koblenz verlegt wurde .

Im Gegensatz zur Zeit der französischen Besatzung verliefen die

Jahre der englischen Besatzung – sie dauerte bis 1930 – überaus ruhig

und ohne, dass größere Zwischenfälle zu verzeichnen gewesen wären .

Die Stadt hatte mit dem Besatzungswechsel tatsächlich große Hoffnun-

gen auf eine Beruhigung der Situation, aber auch auf wirtschaftlichen

Aufschwung verbunden . Bereits nachdem erste Gerüchte über die Ver-

legung der interalliierten Rheinlandkommission nach Wiesbaden auf-

kamen, richtete der Magistrat eine dringende Bitte an den Reichsaußen-

minister, sich für die englische Besetzung Wiesbadens einzusetzen,

„da diese die Kur nicht behindern …“ .

Denn aufgrund der politischen Umstände hatte sich der Kurbetrieb,

der ja durch den Krieg ins Stocken geraten war, auch nach dessen Been-

digung nicht erholen können . Zwar waren die Gästezahlen in den Jahren

ab 1921 wieder angestiegen, hatten aber nie mehr die der Vorkriegsjah-

re erreichen können . Auch muss man konstatieren, dass in den Zeiten

der Inflation mit einem Mal ein durchaus anderes Publikum als früher in

der Weltkurstadt anzutreffen war . Carl Hagemann konstatierte: „Schon

im Laufe der letzten Kriegsjahre hatte man über das schlechte Publikum

geklagt, das den Kochbrunnen belagerte und den Ruf des Weltbades als

Kurort internationaler Geselligkeit ernstlich zu gefährden drohte . Jetzt,

nach Kriegsende, nahm die Zahl der fragwürdigen Elemente wieder zu .

Wie andere große Badeorte wurde auch Wiesbaden zum Tummelplatz

für Neureiche und Schiebertypen aller Art, die nach oben drängten, zu

Hause aber nicht recht vorankamen und deshalb nach einer Stadt von

mehr neutralem Charakter suchten, wo sie mit Hilfe ihres Geldes und ih-

rer Unverfrorenheit im Auftreten die ersehnte Rolle spielen konnten .“

Denn aufgrund verschiedenster Probleme in der Stadt war Wiesba-

den 1923 zu einer der „billigsten“ deutschen Großstädte geworden und

mithin plötzlich für Ausländer sehr attraktiv . Für die Wirtschaftstreiben-

den der Stadt musste jedoch der Gewinn entsprechend gering ausfal-

len . Es ist durchaus nicht übertrieben, wenn man von einem Ausverkauf

der Stadt spricht . Rund 20 Hotels, darunter der Nassauer Hof und das

Palasthotel, gingen in ausländischen Besitz über . Besonders hemmend

Page 53: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

53

wirkte sich der bis zum September 1924 bestehende Passzwang und die

Zollgrenze aus . So konnte sich erst nach deren Aufhebung der Fremden-

verkehr langsam wieder erholen . Die strukturelle Zusammensetzung der

Klientel hatte sich erneut modifiziert: Statt finanzkräftiger Ausländer,

wie vor dem Krieg, kamen nunmehr viele deutsche Besucher, die oft nur

kurze Zeit blieben, so dass sie von der Kurtaxe nicht erfasst wurden .

Mit unterschiedlichen Angeboten versuchten Stadt und Kurverwal-

tung in der Folgezeit weitere Gäste nach Wiesbaden zu locken . Es wur-

den verstärkt Kongresse und Tagungen an die Stadt gebunden, ja, es

lässt sich vielleicht behaupten, dass es bereits die Weimarer Jahre wa-

ren, in denen der Wandel von der Kur- zur Kongressstadt seinen Anfang

nahm . Aber auch neue und verbesserte Attraktionen wie neue Tennisan-

lagen, ein Golfplatz, ein Flugplatz u .s .w . sollten die Attraktivität Wies-

badens als Urlaubs- und Erholungsort für ein zahlungskräftiges Pub-

likum steigern . Im September 1924 hatte man mit den so genannten

„Herbstwochen“ noch einmal versucht, an die alten Zeiten anzuknüp-

fen: Geboten wurden neben einem Wassersportfest und Tennisturnier

auch Modenschauen und ein Tanzturnier, sogar ein Automobilturnier mit

Schönheitskonkurrenz und einen Blumenkorso . Doch jeder klar Denken-

de musste erkennen, dass die goldenen Zeiten Wiesbadens als Welt-

kurstadt endgültig vorbei waren .

Page 54: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

So, wie sich die Stadt

nach dem Untergang

der Gesellschaftskur im

Ersten Weltkrieg neu

orientieren musste, so

musste auch der Kurver-

ein nach 1918 neue

Wege suchen, überlegen,

worin seine Aufgaben

in der gewandelten Welt

bestehen könnten.

Neuorientierung in den Jahren des Umbruchs – der Kurverein zwischen 1918 und 1933

54

War es im späten Kaiserreich noch die Frage, wie man gegenüber der

städtischen Kurpolitik an Einfluss gewinnen könnte, so galt es in den

Jahren der Weimarer Republik, als die Kur komplett zusammenzubre-

chen drohte, grundsätzlich neue Wege für die Kur und den Verein zu

finden .

Nachdem das Vereinsleben im Krieg und den Jahren der Inflation und

Besatzung nahezu zum Erliegen gekommen war, wollte man mit einem

Neustart beginnen . Am 23 . Juni 1925 gründete sich der Verein als „Neuer

Kurverein Wiesbaden“ quasi noch einmal . Ein neuer Name führt aber

nicht automatisch zu einer Erneuerung des Vereins: Dies bekam denn

auch bald der „Neue Kurverein Wiesbaden“ zu spüren . Sollte es doch

auch jetzt noch weitere fünf Jahre dau-

ern, bis nach dem Abzug der Besatzung-

struppen Ende Juni 1930 der Kur- und

Bäderbetrieb mit neuen Werbemaßnah-

men revitalisiert werden konnte . Großen

Anteil daran hatte Kurvereinsmitglied

Fred Overbeck, einer der bedeutenden

Graphiker seiner Zeit, der mit dem Mot-

to „Uralte Heilkraft – ewigjunge Schön-

heit“ die Kur zu neuer Blüte bringen

wollte .

Abzug der Besatzungstruppen

Am 30 . Juni 1930 räumten die Besatzungsmächte das gesamte Rhein-

land . In Anwesenheit von Reichspräsident von Hindenburg und Reichs-

kanzler Brüning wurde auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz die

Befreiung der Rheinlande mit einem Festakt begangen . Doch auch in

Wiesbaden fanden festliche Feiern statt . Diese sollten auf Wunsch der

Stadtverordnetenversammlung jedoch in bescheidenem Rahmen abgehal-

ten werden . Immerhin illuminierte man das Rathaus und die Umgebung

des Schlossplatzes, auch die Wilhelmstraße wurde festlich geschmückt,

Die neue Werbung für

Wiesbaden durch Fred

Overbeck – Uralte Heilkraft,

ewig junge Schönheit

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55

und das Kurhaus nahm spezielle Veranstaltungen in sein Programm auf .

Höhepunkt war fraglos die Darbietung des Festspiels „Deutschlands

Strom“, das aus der Feder des Reichskunstwarts Edwin Redslob stammte,

und auf dem Festplatz „Unter den Eichen“ zur Aufführung gelangte

Wieder verband die Stadt mit dem Abzug der Besatzer große Hoffnun-

gen auf die Erholung der Kur . Doch hatte mit dem „Schwarzen Freitag“,

dem 25 . Oktober 1929, erneut eine Krise der Weltwirtschaft begonnen,

die diese Hoffnungen schnell zu Nichte ma-

chen sollte . Ein so prekäres Konstrukt wie ein

Kurbetrieb hatte darunter besonders stark zu

leiden und erwies erneut seine außenordentli-

che Krisenanfälligkeit: Die Zahl der Kurgäste

nahm stark ab und betrug 1933 kaum noch

93 .000 (eine Zahl, die übrigens noch geringer

war als im bis dahin schlechtesten Nachkriegs-

jahr 1924) .

Durch Grünanlagen vom Bahnhof bis nach Sonnenberg – die Reisinger- und Herbert-Anlagen

Zu Beginn der 30er Jahre wurde in Wiesbaden ein Plan realisiert, der,

auch wenn er im ersten Augenblick fremd erscheinen mag, seine Wur-

zeln bereits in der Stadt des 19 . Jahrhunderts hatte: Im Sommer 1932

feierte man gegenüber dem Hauptbahnhof die Einweihung die Reisin-

ger-Brunnen-Anlagen . Diese waren eine Stiftung des Deutsch-Amerika-

ners Hugo Reisinger, der schon 1914 gestorben war und der Stadt einen

Teil seines Vermögens vermacht hatte . Mit dem Geld sollte eine Garten-

anlage finanziert werden, die einer alten Idee einen neuen Akzent geben

sollte .

Die alten Bahnhöfe Wiesbadens hatten am Ende der Wilhelmstra-

ße gelegen . Wer also aus Frankfurt mit der „Taunusbahn“ nach Wies-

baden fuhr, dem wurde suggeriert, er fahre direkt in den Taunus . Tat-

sächlich sah er sich, hatte er in Wiesbaden den Bahnhof verlassen, einer

Allee gegenüber, die zum ersten Kurpark, dem „Warmen Damm“, und

schließlich zum eigentlichen Kurpark und von dort in Richtung Sonnen-

berg tatsächlich zu den Taunushügeln um Wiesbaden führte . Seitdem

aber der neue Bahnhof 1906 ein ganzes Stück südlicher erbaut worden

war, fehlte eine Grünanlage, um dieser alten Idee – von der Bahn durchs

Grüne zum Taunus – weiterhin gerecht werden zu können . Mit der neu-

en Reisinger-Anlage wollte man nun diesen Anspruch einlösen: Wer (ab

Die Reisinger- und Herbert-

Anlagen, um 1938

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56

1932) aus dem Bahnhof kommt, erblickt ein breites Wiesental mit den

dahinter verblauenden Taunusbergen . Im Grunde atmet diese Anlage

den Geist englischer Parkanlagen . Am Rand der Anlage stößt der Be-

sucher jedoch auf ein Bassin mit Wasserspielen und einer Quellnymphe

(des Künstlers Arnold Hensler), daneben findet er aber auch gestutzte

Rabatten mit Sitznischen, wie sie eher aus dem klassischen französischen

Park bekannt sind, jedoch auch als typisches Element eines Kurparks gel-

ten können .

Damit war ein Anfang gesetzt, die alte Idee des 19 . Jahrhunderts

wieder aufzugreifen . Als schließlich ein weiterer Mäzen, der Apothe-

ker Adam Herbert, Geld zur Verfügung stellte, um die Reisinger-Anlage

in Richtung Innenstadt zu verlängern, war durchaus eine Besonderheit

entstanden: Mitten in einer Großstadt, die, nach den Eingemeindungen

der 20er Jahre rund 160 .000 Einwohner zählte, hatte man eine große

Grünachse gestaltet, die bis heute die Stadt durchzieht und das Flair der

alten Weltkurstadt noch einmal aufleben zu lassen versuchte – just zu je-

nem Zeitpunkt, als immer deutlicher wurde, dass es mit der Zeit der Kur

vorbei war (und die Stadt sich eigentlich den Anforderungen und Proble-

men einer modernen Großstadt zu stellen hatte) .

Page 57: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Wenn wir nun zur Be-

handlung Wiesbadens

unter der nationalsozialis-

tischen Herrschaft fort-

schreiten, so gilt es, nicht

die Augen vor der Tatsa-

che zu verschließen, dass

die nationalsozialistische

Partei, schneller als im üb-

rigen Reichsgebiet, hier

Zulauf fand.

Der Kurverein im Nationalsozialismus – Vereinigung mit dem Verschönerungs-verein

57

Bereits aus den Reichstagswahlen von 1930 konnte die nationalsozialis-

tische Partei mit knapp 27 000 Wählern als stärkste Partei hervorgehen .

Nach einem Wahlkampfauftritt Adolf Hitlers am 28 . Juli 1932 in Wiesba-

den – der „Führer“ landete auf der zum Flughafen umgebauten ehema-

ligen Pferderennbahn in Erbenheim – erhielt die Partei bei der wenige

Tage später stattfinden Wahl vom 31 . Juli 1932 mit rund 42 500 Stim-

men den mit Abstand meisten Zulauf und lag somit prozentual erneut

deutlich über Reichsdurchschnitt . Als Erklärung für dieses Wahlverhalten

haben die Historiker zwei Erklärungen anzubieten (die sich nicht unbe-

dingt ausschließen dürften): Zu den Besatzungsmächten war das Ver-

hältnis der Bürger, beschönigend formuliert, ein eher gespanntes . Bei

vielen Wählern dürfte jedoch die soziale Situation der Stadt, die durch

den Niedergang der Kurindustrie in eine schier unlösbare Finanzkrise ge-

raten war, der entscheidende Faktor für ihre Entscheidung gewesen sein .

(Wiesbaden sollte 1934 wegen seiner schlechten Finanzlage, der hohen

Arbeitslosenquote und der großen Zahl von Fürsorgeempfängern zur

„Notstandsgemeinde“ erklärt werden .)

Das Bild Wiesbadens als einer „Stadt des ewigen Sonntags“, wie es

in der Erinnerung aus der Kaiserzeit in den Köpfen vieler Menschen noch

vorhanden war, passte im Grunde sehr gut zu der Vorstellung, die die

Nationalsozialisten propagierten . Die Idee der „KdF“-Bewegung ließ sich

wunderbar mit der alten Kurstadt verbinden . Wo noch 20 Jahre zuvor

die Reichen der Welt ein elitäres Dasein genossen, sollten bald, nach

der Vorstellung der Nationalsozialisten, Volksgenossinnen und Volksge-

nossen aller Schichten flanieren, um sich vom grauen Alltag zu erholen .

Tatsächlich ging der Plan zumindest vordergründig auf: Die Zahl der Kur-

gäste stieg von gut 90 .000 im Jahr 1933 auf 150 .000 in den Jahren vor

dem Zweiten Weltkrieg .

Nach der Gleichschaltung der Vereine in den Jahren 1935/36 führte

Kurt Pfeil, wie es in früheren Chroniken des Kurvereins heißt „in ver-

ständnisvoller und loyaler Art zum Wohle der Stadt . Zweimal in den

zwölf Jahren der nationalsozialistischen Diktatur änderte der Kurverein

seinen Namen . Zum einen im Jahr 1935, als aus dem „Neuen Kurver-

ein Wiesbaden“ der „Wiesbadener Kurverein“ wurde und zum anderen

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1936 als man schließlich als „Kur- und Verkehrsverein“ firmierte . 1938

übernahm man schließlich noch die Aufgabe des aufgelösten Verschöne-

rungsvereins .

In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre fanden auch der Neubau der

Rotunde an der Brunnenkolonnade und die Verlegung einer Kochbrun-

nenleitung dorthin statt . Man wollte endlich in der Nähe des Kurhauses

und bei den zum Flanieren einladenden Kolonnaden einen Ausschank

für Heilwasser etablieren .

Auf Initiative des Vereins wurde auch eine Postbuslinie hinauf zur

Platte eingerichtet . Das Wirtschaftsgebäude des Jagdschloss Platte wur-

de zu einem beliebten Ausflugstreff ausgebaut und im Sommer auch als

Hotelbetrieb genutzt . Durchgeführt wurden diese Fahrten von den Blau-

en Kurautobussen .

Bereits seit den 20er Jahren hatte sich der Verein auch am Bau einiger

Schutzhütten in den Wäldern um Wiesbaden beteiligt . Den Anfang bildete

1926 die Weygandt-Hütte im Rabengrund, gefolgt von der Schwenk-

Herr mann-Hütte 1928 und der Hoffmann-Hütte am Neroberg 1931 .

1936 wurde die Alfred-Schulte-Hütte im Dambachtal erbaut, 1938, ein

Jahr vor Kriegsausbruch, die Wilhelm-von-Opel-Hütte im Teufelsgraben .

Werbebroschüre für die

Blauen Kurautobusse

Page 59: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Mit dem Einmarsch ame-

rikanischer Truppen in die

Stadt in den Mittagsstun-

den des 28. März sollte für

Wiesbaden der Zweite

Weltkrieg sein Ende fin-

den. Dieser ging ohne

Kampfhandlungen oder

Zwischenfälle von statten,

hatten sich doch Wehr-

macht und Polizei zuvor

kurzerhand abgesetzt.

Wiesbaden seit 1945

59

Wie bei so vielen anderen Städten in Deutschland auch, blieb Wiesba-

den noch kurz vor Kriegsende die ganze Wucht des totalen Krieges nicht

erspart, als nämlich in der Nacht vom 2 . zum 3 . Februar 1945 Teile der

Innenstadt, darunter zahlreiche Schulen, Krankenanstalten und Verwal-

tungsgebäude und mehrere tausend Wohnungen Opfer eines Luftan-

griffs wurden . Aber auch das Herz der Stadt, das Kurviertel war in Teilen

zerstört, der große Saal des Kurhauses lag in Trümmern .

Freilich, verglichen mit den übrigen Städten des Rhein-Main-Gebiets

– Frankfurt oder Mainz, die zu 70 bzw . 80 % zerstört waren – beliefen

sich die Schäden in der Innenstadt auf „nur“ 25% . Aufgrund der rela-

tiv geringen Bombenschäden erschien Wiesbaden der amerikanischen

Besatzungsmacht als „weitgehend unzerstörte Stadt“ und damit lebens-

fähig genug, die Hauptstadt eines neuen Landes, des aus Teilen der frü-

heren Provinz Hessen-Nassau und des ehemaligen Volksstaats Hessen,

gebildeten „Groß-Hessen“ zu werden .

Die für Wiesbaden vorteilhafte Behandlung durch die Entscheidung

der Besatzer ließ bald das Gerücht aufkommen, die Stadt sei bewusst

von den Amerikanern verschont worden, da diese ihr späteres Haupt-

quartier hierhin verlegen wollte: „Wiesbaden tun sie schonen, denn hier

woll’n sie wohnen“, hieß es im Volksmund . Doch haben gerade Arbei-

ten der jüngsten Zeit nachgewiesen, dass die Rettung der Stadt eher

schlechtem Wetter als dem Mitleid der Alliierten zu verdanken war .

Die besondere Situation Wiesbadens machte im Rhein-Main-Gebiet

rasch die Runde, so dass eine Binnenwanderung entstand, wie sie kaum

eine andere deutsche Großstadt erlebte . Innerhalb eines knappen Jahres

erhöhte sich die Einwohnerzahl von 125 .000 zu Kriegsende auf rund

200 .000, was einem Anstieg um 60 % entsprach . Allerdings muss die

Bevölkerung der drei rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile Kastel, Kost-

heim und Amöneburg mitgerechnet werden, die, da die Amerikaner und

Franzosen den Rhein als Grenze der Besatzungsgebiete festlegten, der

neuen hessischen Landeshauptstadt zugeschlagen wurden .

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Heinrich Glücklich und der Kurverein nach 1945

Nach Neugründung mit dem Namen „Kurverein Wiesbaden“ unter

dem Vorsitz des Stadtrats und späteren Ehrenbürgers Heinrich Glück-

lich fand am 9 . Dezember 1947 die erste Mitgliederversammlung statt .

Durch die völlig veränderte Lage nach dem verlorenen Krieg und seinen

Auswirkungen auf Wiesbaden – den teilzerstörten Kuranlagen und den

durch die Amerikaner besetzten Hotels und Badehäusern – erkannte

man schon damals im Kurverein recht bald, dass Wiesbaden als reine

Kurstadt keine Zukunft haben könne, dass man die Weichen für einen

Strukturwandel zu einer Kur-, Kongress- und Tagungsstadt stellen müsse .

Gleichzeitig sollten in diesem Zusammenhang rauchlose Industriezweige

und Wirtschaftsbetriebe, u . a . auch Verlage, für eine Ansiedlung in Wies-

baden interessiert werden, um dadurch eine allgemein bessere finan-

zielle Lage zu schaffen .

Zu diesem Themenkomplex gehörte ein Versuch der Amerikaner im

Sommer 1945, dem zwar zunächst Erfolg beschieden war, langfristig

aber dennoch leider als gescheitert angesehen werden muss: Als das

Wiesbaden um1950,

mit dem zerstörten Hotel

Vier Jahreszeiten

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im April 1945 von den Amerikanern besetzte Leipzig aufgrund der Be-

stimmungen der Konferenz von Jalta zum 1 . Juli 1945 an die russischen

Besatzer übergeben werden sollte, war einigen Verlegern seitens der

amerikanischen Militärbehörde das Angebot unterbreitet worden, ihre

Verlage im Westen zu eröffnen – und zwar in Wiesbaden .

Unter diesen befanden sich der Verlag Georg Thieme (Naturwiss .,

Medizin), der Brockhaus-Verlag, der Insel-Verlag und die Dieterich’sche

Verlagsbuchhandlung (Weltliteratur, Sammlung Dieterich) . Von den Mu-

sikverlagen war unter anderen der renommierte Verlag „Breitkopf und

Härtel“ angesprochen worden . Das Angebot an die Verlage erging am

30 . Mai; die Umsiedlung erfolgte am 12 . Juni – den Verlegern blieb also

nur sehr wenig Zeit für ihre Entscheidung .

Es konnte den Verlagen in Wiesbaden ein ehemaliges Badehaus, der

„Pariser Hof“, als Quartier zugewiesen werden . Über Nacht quasi war

Wiesbaden zur bedeutenden Verlagsstadt geworden . Da sich im gleichen

Haus außerdem Max Niedermayer mit seinem neuen Limes-Verlag ansie-

delte, der mit Gottfried Benn einen der wichtigsten Autoren der Nach-

kriegsliteratur im Programm hatte, wurden die „Spiegelgasse“ und der

„Pariser Hof“ bald zum zentralen Ort der westdeutschen Verlagsland-

schaft .

Fast alle der genannten namhaften Verlage sind nach einiger Zeit

weiter gewandert; wie jeder weiß: Frankfurt, nicht Wiesbaden, wurde

die Stadt der Literatur in Westdeutschland .

Anfang der 50er Jahre nahm der nun als „Kur- und Verkehrsverein

e .V .“ firmierende Verein entscheidenden Einfluss auf den Wiederauf-

bau des Hessischen Staatstheaters und der Theaterkolonnade sowie den

Aufbau und die Gestaltung des ausgebrannten Großen Konzertsaales

im Kurhaus . Der Verein entwickelte darüber hinaus Pläne und Initiativen

für den Wiederaufbau bzw . die Renovierung der Brunnenkolonnade und

deren Verglasung und leistete aktive Mitarbeit bei Wiederaufnahme der

Internationalen Maifestspiele ab dem Jahr 1950 .

Für das Theater sollte der Verein auch noch einmal in den frühen

60er Jahren bedeutsam werden: 1962 konnte Dr . Claus Helmut Dreese

als Intendant des Hessischen Staatstheaters gewonnen werden . In seiner

neuen Eigenschaft bat man ihn, vor dem erweiterten Vorstand des Kur-

und Verkehrsvereins über seine Pläne als neuer Chef des Theaters zu be-

richten . Bei dieser Gelegenheit regte der Kurvereinsvorstand die Gründer

einer Gesellschaft zur Förderung des Staatstheaters an . Hieraus entstand

dann schließlich bis zum Herbst 1962 die „Gesellschaft der Freunde des

Hessischen Staatstheaters Wiesbaden“ .

Maifestspiele – Plakatent-

wurf für die Festspiele 1965

Page 62: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

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Wiedereinführung der Spielbank

Am meisten schmerzte die Wiesbadener, vor allem die Kur- und Stadt-

verwaltung, die Umwandlung des teilzerstörten Kurhauses zum „Eagle

Club“, der für die Unterhaltung der Soldaten sorgen sollte . Für alle die-

jenigen, die an die alten Zeiten der Weltkurstadt anknüpfen wollten,

war das Gesellschaftshaus das Herz des Kurbetriebs . Zwar erlaubten die

Amerikaner 1949 die Öffnung des Hauses für ein Konzert zu Ehren des

Bundespräsidenten Theodor Heuss, der Wiesbaden einen Besuch abstat-

tete, doch sollte es noch bis 1954 dauern, bis es komplett an die Stadt

zurückgegeben wurde .

Zu dieser Zeit rollte bereits seit fünf Jahren wieder die Roulettekugel .

Bei der Überlegung, wie man als Stadt und Land Einnahmen generie-

ren könne, war man bald auf die Idee gekommen, das Glückspiel erneut

einzuführen . Schließ lich lebte man nicht mehr in Preußen, in dem ein

Glückspielverbot bestanden hatte, sondern im noch jungen Bundesland

Hessen . Deshalb bestand eigentlich kein Grund mehr, warum man nicht

wieder an die alte Tradition einer Spielbank anknüpfen sollte: Kurzer-

hand wurde das unzerstörte Foyer des Theaters zum Kasino umfunktio-

niert . Mit der Übernahme des Kurhauses durch die Stadt zog die Spiel-

bank dann in dessen ehemaligen Weinsalon um .

Gleich bei der Wiedereinführung des Glücksspiels kam es zu Diskus-

sionen, wozu man das Geld, das die Stadt künftig einnehmen werde, zu

verwenden sei . Im Grunde bestanden zwei Lager, deren Auffassungen

kaum miteinander in Einklang zu bringen waren: Die eine Gruppe suchte

den Weg zurück zur Kurstadt und stellte Überlegungen an, wie man

die Wiesbadener Tradition, die sich im 19 . Jahrhundert ja so vorzüglich

bewährt hatte, in einem zeitgemäßen Gewand fortsetzen könne . Die

andere sah Wiesbaden als moderne Großstadt, deren Badetradition eine

zukunftsorientiere Entwicklung eher behindere als fördere . Ja, man kann

sagen: Viele der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen ab

1945 lassen sich diesem grundsätzlichen Richtungsstreit zuordnen .

Zunächst schien es so, dass sich die Vertreter der Kurtradition durch-

setzen würden . Zu Beginn der 50er-Jahre schrieb Oberbürgermeister

Redlhammer in einem Rückblick auf seine Amtszeit: „Nicht außer Acht

gelassen werden durfte die gute alte Tradition Wiesbadens als Kurstadt

… Die Ausweitung der wirtschaftlichen Leistungskraft durfte also nie-

mals durch Heranziehung von Gewerben bewerkstelligt werden, die

Lärm, Rauch und Staub verursachen“, und nahm damit eine Position ein,

die auch Oberbürgermeister von Ibell schon Ende des 19 . Jahrhunderts

Casino-Revue von 1950

mit Titelbild – Spieltische

im Foyer des Theaters

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so hätte formulieren können . So war bereits im Sommer 1948 am Koch-

brunnen wieder die Trinkkur eröffnet worden; da die Wandelhalle nur

geringe Schäden davongetragen hatte, begann man dort bald damit,

wieder Kurkonzerte zu veranstalten .

Der Kurverein als Verschönerungsverein – neue Bänke für die Stadt Wiesbaden

Da der Kurverein, wie bereits erwähnt, in den 30er Jahren die Aufgaben

des aufgelösten Verschönerungsvereins übernommen hatte, hatte er sich

nach dem Krieg nun auf einmal verstärkt um die zerstörten oder teilzer-

störten Schutzhütten zu kümmern, sich daneben aber auch um zerstörte

oder gestohlene Bänke zu kümmern . An der Leichtweißhöhle wurde zu

diesem Zweck eine Spezialwerkstatt als Schreinerei eingerichtet, in der in

den nächsten Jahren hart gearbeitet wurde . Es entstanden dort rustikale

Sitzbänke für die Kur-, Wander- und Rundwege des Stadtwaldes . Bis

zum 30 . November 1953 konnten immerhin die Hälfte der fehlenden

Bänke (ursprünglich einmal 800 Stück) ersetzt werden . Daneben erneu-

erte der Verein die Alfred-Schulte-Hütte, die Wilhelm-von-Opel-Hüt-

te und die Karl-Scheuermann-Hütte und reparierte oder renovierte die

Weygandt-Hütte, die Wilhelm-Bogler-Hütte, die Karl-Hensel-Hütte, die

Paulinen-Hütte, die Hoffmann-Hütte am Neroberg und die Hütte an der

Trauereiche .

Gleich wichtig war in diesem Zusammenhang die Markierung und

Ausschilderung der zwölf Kur- und zahlreichen Rundwanderwege .

Hierfür wurde vom Verein auch ein eigener Führer zu den Wanderwe-

gen herausgegeben .

Ebenfalls in die frühen 50er Jahre fällt die Herausgabe eines „Kur-

und Fremdenblattes“ durch den Kur- und Verkehrsverein . Seit Anfang

der 30er Jahre hatte die Stadt Wiesbaden das so genannte Wiesbadener

Badeblatt herausgegeben, das später als „Der Wiesbadener Kurgast“

von privater Seite weiterhin gedruckt wurde, bis sein Erscheinen in den

Kriegsjahren eingestellt worden war . Aus Anlass der Einweihung des

Großen Kurhaussaals erschien nun die neue Zeitung des Kurvereins zum

ersten Mal mit einer Festausgabe zu Weihnachten 1951, ab dem April

1952 dann in monatlicher Folge . Bis 1957 erschien die Zeitschrift, die

schließlich 1958 durch das Erscheinen der Zeitschrift „Wiesbadener Le-

ben“ ersetzt wurde . Freilich ist auch diese Zeitschrift heute schon lange

wieder Vergangenheit .

Wiesbadener Leben, eine

jahrzehntelange Erfolgsge-

schichte

Page 64: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

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Von der Kur- zur Kongressstadt

Der endgültige Übergang von der Kur- zur Kongressstadt lässt sich viel-

leicht am sinnreichsten an der Eröffnung der Rhein-Main-Halle im Jahr

1957 festmachen . Auf halbem Weg zwischen Bahnhof und Kurhaus,

am südlichen Ende der Wilhelmstraße, entstand eine Halle für mehrere

tausend Besucher . Damit trug man der Tatsache Rechnung, dass zwar

rund 250 .000 Gäste in den späten 50er-Jahren nach Wiesbaden kamen,

davon aber nur noch 3,2 Prozent als Kurgäste im eigentlichen Sinne

bezeichnet werden konnten . Wer stattdessen anreiste, das waren Kon-

gress- und Messegäste . Auch auf diesem Gebiet besaß Wiesbaden eine

lange Tradition, hatte doch der überhaupt erste Kongress für innere

Medizin bereits im Jahre 1882 im Kurhaus getagt . Und seitdem treffen

sich die Internisten dort Jahr für Jahr . Es war abzusehen, dass für diese

mehrere tausend Teilnehmer zählenden Tagungen das Kurhaus aber län-

gerfristig nicht ausreichen würde . Auch gehörte zu einer Großstadt wie

Wiesbaden eigentlich ein Veranstaltungsort für Großspektakel der Un-

terhaltungsindustrie, wo große Shows für das Fernsehens (Hans-Joachim

Kulenkampff, Lou van Burg) aufgenommen werden konnten .

Der Kurverein hatte, wie bereits erwähnt, schon bald nach Kriegsende

diese Entwicklung erkannt und den Bau einer Kongresshalle stets wohl-

wollend begleitet . 1959 wurde von Seiten des Kur- und Verkehrsvereins

die Organisation der Kongresshelfer geschaffen, die bis in die 70er Jahre

hinein wirkte . Die Idee, den Kongress- und Tagungsteilnehmern, die An-

sprechpartner bei Fragen zu Wiesbaden suchten, ehrenamtliche Kon-

gresshelfer zur Seite zu stellen, hat sich stets großen Zuspruchs erfreut .

Auch für die Anlage eines großzügigen Turnierplatzes zur Austragung

internationaler Reit-, Spring- und Fahrturniere im Biebricher Schlosspark

setzte sich der Wiesbadener Kur- und Verkehrsverein bald nach dem

Ende des Zweiten Weltkriegs ein, stand doch der bisherige Turnierplatz

„Unter den Eichen“ nicht mehr zur Verfügung . Seine Realisierung fand

der Plan schließlich unter der besonderen Förderung durch Dr . Ing . Wil-

helm Dyckerhoff, den späteren Ehrenbürger Wiesbadens .

Die neue Rhein-Main-Halle

Das neue Wiesbaden, vom

Dach des Statstischen Bun-

desamtes fotografiert

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Mäzenatentum hat in Wiesbaden einen Namen: Dyckerhoff

Am 4 . Juni 1864 gründete Wilhelm Gustav Dyckerhoff gemeinsam mit

seinen Söhnen Rudolf und Gustav die „Portland-Cement-Fabrik Dycker-

hoff & Söhne“ in Amöneburg . Zwanzig Jahre später erhielt das Unter-

nehmen einen der größten Aufträge jener

Zeit: Dyckerhoff lieferte 8 .000 Holzfässer Ze-

ment für das Fundament der Freiheitsstatue .

1909 wurden von Dyckerhoff erstmals

Drehöfen in der Zementproduktion eingesetzt .

Innovativ zeigte sich das Unternehmen auch

1931 durch die Einführung des Qualitätspro-

dukts „Dyckerhoff Weiss“ . Als erster Baustoff-

hersteller lieferte Dyckerhoff den Zement ab

dem Jahre 1949 in Silowagen . 1959 folgte

dann der Einstieg in das Transportbetonge-

schäft .

Durch Expansionen etablierte sich das Un-

ternehmen zunehmend im Ausland . So stieg

Dyckerhoff beispielsweise 1973 in den luxemburgischen Markt ein . Seit

der Namensänderung zur Dyckerhoff AG 1985 ereigneten sich außer-

dem 1988 der Einstieg in den nordamerikanischen Markt und 1994 der

Einstieg in den russischen Markt . Die Ausweitung der Geschäfte erfolgt

1996 auch in den polnischen Markt, 1997 in den tschechischen Markt

und im Jahr 2000 in den ukrainischen Markt .

Klare Ziele, nachhaltige Unternehmensführung und technologisches

Know-how kennzeichnen Dyckerhoff . Das Unternehmen gehört heute

unter dem Dach der italienischen Buzzi Unicem Gruppe zu den führen-

den Marken in der Baustoffbranche .

Von Anfang an gehörte die Unternehmerfamilie Dyckerhoff zu den

großen Förderern Wiesbadener, Biebricher und Amöneburger Einrichtun-

gen und Vereine . Im Zusammenhang mit dem Kur- und Verkehrsverein

im 20 . Jahrhundert ist vor allem die Person von Dr . Ing . Wilhelm Dycker-

hoff zu nennen: Sein Einsatz für das Pfingstreitturnier in Biebrich sei hier

ebenso genannt wie sein Engagement für das kleine Freilichtmuseum am

Römertor, dessen Kopien von römischen Funden er zur Verfügung stellte .

1914 konnte Dyckerhoff

sein 50-jähriges Bestehen

feiern

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Die Verlegung der Kur

Es war nicht weiter verwunderlich, dass Ende der 60er-Jahre auch das

Kurwesen immer mehr zur Disposition gestellt wurde . Zumindest die

Stadtverwaltung zeigte sich davon überzeugt, dass Wiesbaden als Groß-

stadt gegenüber den reinen Kurstädten nicht konkurrenzfähig bleiben

konnte und, was die Gesellschaftskur im Allge-

meinen betraf, sofern sie überhaupt noch Be-

stand haben konnte, war mit dem gesellschaftli-

chen und kulturellen Leben der Stadt kaum noch

zu punkten . Während die Kurbetriebe zwar wei-

terhin das Image der Internationalen Kur- und

Kongressstadt pflegten, machte das städtische

Wirtschaftsdezernat gleichzeitig die Ansiedlung

von Industrie zu ihrem erklärten Ziel .

Außerdem wurde nun seitens der Verwaltung

nicht nur die Trennung in die Sparten Fremden -

verkehr, Kongresswesen und Kurbetrieb gefor-

dert, sondern es sollte letzterer zu einem „klini-

schen Kurbetrieb“ ausgebaut werden . Schließ-

lich habe die Kur in den ersten Jahrzehnten nach

Gründung der Bundesrepublik einen entscheidenden Wandel erfahren .

Denn mittlerweile stand der gesundheitliche Aspekt ganz im Vorder-

grund . Die Rehabilitation eines Kranken erforderte in erster Linie medi-

zinische Versorgung und außerdem Ruhe – nicht das hektische Treiben

einer Großstadt . Inzwischen bestand die Mehrzahl der Genesung Su-

chenden aus sozialversicherten Kassenpatienten (und nicht mehr, wie

früher, aus reichen Ausländern und privaten Kurgästen) . Für diese fehlte

es aber an passenden Sanatorien .So reifte immer stärker die Idee einer

Verlegung des gesamten gesundheitlichen Bereichs weg aus der Innen-

stadt an den Stadtrand .

Die Eröffnung der „Deutschen Klinik für Diagnostik“ im Jahr 1970

läutete die neue Ära des Kurgebiets Aukammtal . Fünf Jahre später war

zudem das in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Thermalbad be-

triebsbereit, das aus dem Wasser des Kochbrunnens und der Schützen-

hofquelle gespeist wird . Dieses aus der Innenstadt über ein eigenes

Leitungssystem ins Aukammtal geleitete Wasser versorgt außerdem die

zahlreich anderen der dort nach und nach entstandenen Sanatorien und

Kliniken .

Reklame für das neue

Thermalbad im Aukammtal

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Die Veränderung der Kur verändert auch den Verein

Diese Veränderungen sollten natürlich auch für den Kur- und Verkehrs-

verein zu Veränderungen führen: War noch in der Gründungsphase des

Vereins das Kurwesen in besonderem Maße durch den privaten Verein

gefördert worden, so konnten wir seit den Jahren eines eigenen städ-

tischen Kurbetriebs eine personelle Verzahnung feststellen, entweder

weil der Kurdirektor in Personalunion auch den Verein führte (oder vice

versa), oder, weil durch gemeinsame Arbeits- und Gesprächsrunden be-

wusst eine enge Verbindung gesucht wurde . In dem Augenblick aber, in

dem sich die Kur verändern sollte, in dem Augenblick, in dem die Kur

einen anderen Stellenwert innerhalb der Stadt erlangte, musste dies na-

türlich auch massiven Einfluss auf die Arbeit des Vereins nehmen . Aus

dem Verein als „Think-Tank“ für die Idee der Kur wurde mehr und mehr

ein Verein unter vielen Vereinen Wiesbadens, freilich, in Erinnerung an

den Verschönerungsverein, ein Verein, der sich weiterhin um das Stadt-

bild Wiesbadens kümmerte, allerdings kaum noch in die engeren Belan-

ge des nun „klinischen Kurbetriebs“ eingeschaltet wurde .

Der Verein unterstützte die Bemühungen in Sonnenberg, den Berg-

fried der Burg neu zu gestalten und mit einer Überdachung zu versehen:

er unterstützte die Anlage eines Naturlehrpfads auf dem Neroberg; im

„Jahr der Behinderten“ 1980 setzte er sich für einen Rundweg um Wies-

baden für Menschen mit Behinderungen ein

Kranzplatz und Kochbrunnen im 20. Jahrhundert

Betrachtet man rückblickend die Entwicklung, die der Kochbrunnen- und

der Kranzplatz im 20 . Jahrhundert erfahren hat, so lässt sich die Verän-

derung des Kurbetriebs in Wiesbaden deutlich ablesen . Wie wir bereits

gesehen haben, hatte sich in den letzten Jahren des Kaiserreichs das alte

Kurviertel zu einem Ort mit der höchsten Dichte an Grand-Hotels welt-

weit entwickelt, in dem die mondäne Welt des frühen 20 . Jahrhunderts

flanierte – um zu sehen und gesehen zu werden .

Bereits durch die Auswirkungen, die der Erste Weltkrieg mit sich

brachte, sollte sich der Platz als Ort der Kommunikation verändern, vor

allem aber als in den Jahren der Weimarer Republik aufgrund von Besat-

zung, Inflation und ausbleibenden reichen Kurgästen zahlreiche Hotels

sich zur Schließung gezwungen sahen, war ein Umbau in Bürohäuser

oder Wohnungen angesagt . Zwar wurde, wie bereits erwähnt, nach dem

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Zweiten Weltkrieg der Kurbetrieb in der nur leicht beschädigten Trinkhal-

le am Kochbrunnen wieder aufgenommen, doch spätestens mit der Ver-

legung des Kurzentrums ins Aukammatal, also an den Rand der Stadt,

musste jedem Besucher deutlich werden, dass es mit den großen Zeiten

der Wiesbadener Kur im Zentrum der Stadt vorbei war . Sinnfälligsten

Ausdruck fand dieser Strukturwandel in dem nahezu kompletten Abriss

der Trink- und Wandelhallen aus der Zeit des späten 19 . Jahrhunderts .

In unmittelbarer Nähe befand sich das Pa-

lasthotel, das, nachdem es im Zweiten Welt-

krieg als Lazarett genutzt worden war, von den

Amerikanern beschlagnahmt und nach Frei-

gabe zum Verwaltungssitz der Stadt gemacht

wurde . 1975 entschloss man sich, die Immo-

bilie einem massiven Eingriff zu unterziehen:

Die großzügigen Fremdenzimmer des einstigen

Grandhotels sollten nun in kleine Apartments

umgewandelt werden, um als Ersatzwohnun-

gen für ein angrenzendes Sanierungsgebiet zu

dienen – sozialer Wohnungsbau hinter präch-

tigen Fassaden . Was für andere Städte eher als

unvorstellbar gegolten hätte, hier in Wiesba-

den war dergleichen keineswegs unüblich .

Doch letztlich erst zu Beginn des neuen Jahrhunderts wurde die Ge-

samtanlage aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt, als sich die Hessische

Landesregierung nämlich entschloss, das zum Spekulationsobjekt herun-

tergekommene ehemalige Grandhotel „Rose“ zur Staatskanzlei des Mi-

nisterpräsidenten umzubauen .

Bisher hatten die hessischen Ministerpräsidenten eher bescheiden

„residiert“ und waren deshalb schon seit Jahren auf der Suche nach ei-

nem geeigneten Objekt, das in gleichem Maße als Büro tauglich zu sein

hatte, wie auch beim Empfang der Gäste des Landes einen möglichst

„repräsentablen“ Rahmen abzugeben vermochte .

Mit dem Einzug der hohen Politik, im wahrsten Sinne des Wortes, hat

der Platz also eine enorme Aufwertung erfahren und verändert seither

weiterhin sein Gesicht: ehemals das alte Kurviertel, jetzt das politische

„Machtzentrum“ des Bundeslandes Hessen . (Man darf auf die weitere

Entwicklung gespannt sein .)

Kofferaufkleber für das

Grandhotel Rose

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Stadt des Historismus

Als in den 20er-Jahren das Grandhotel „Alleesaal“ an eine Großbank

verkauft wurde, ließ diese vor dem Einzug den reichen Stuck, wie ihn

der Wilhelminismus liebte, kurzerhand abschlagen . Der Bank, die in ihrer

Erscheinung natürlich seriös wirken wollte, schien das Image der „Neuen

Sachlichkeit“ offenbar vertrauenserweckender zu sein als der, wie man

es nun empfand, „bombastische“ Neobarock . Auch durch den Zweiten

Weltkrieg, noch stärker vielleicht sogar durch die Architekten und Stadt-

planer der 50er- bis 70er-Jahre – Ernst May ist in Wiesbaden dabei sicher

nur prominentestes Beispiel für diese distanzierte, ja ablehnende Haltung

– wurden ebenfalls zahlreiche Gebäude des 19 . Jahrhunderts rücksichts-

los abgerissen oder beim Umbau ihres Schmuckes beraubt .

Umso bemerkenswerter ist eine Entwicklung, die zu Beginn des 21 .

Jahrhunderts einsetzte: die Um- bzw . Aufwertung des Historismus als

Baustils des 19 . Jahrhunderts . 2005 stand das 150jährige Jubiläum der

Russischen Kirche auf dem Neroberg – sie ist ein grandioses Beispiel des

so genannten Romantischen Historismus – im Zentrum stadtweiter kultu-

reller Aktivitäten; 2006 war es die 200 . Wiederkehr der Gründung des

Herzogtums Nassau, die zur Beschäftigung sowohl mit der Geschichte

als auch der Architektur dieser Periode in Wiesbaden anregte . Dass das

Jahr 2007 schließlich zum „Jahr des Historismus“ ausgerufen wurde,

war vor allem das Verdienst des ehemaligen Landeskonservators in Hes-

sen und langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmal-

schutz, Gottfried Kiesow . In einem Maße, wie es noch zwanzig Jahre

zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre, interessierten sich auf einmal die

Bürgerinnen und Bürger der Stadt für die unterschiedlichen Ausformun-

gen der historistischen Epoche des 19 . Jahrhunderts .

Ein wenig stolz darf bei dieser Entwicklung auch der Kurverein sein:

Im Interesse des Geschichtsbewusstseins hatte der Verein 1965 bereits

begonnen, Hinweistafeln an historischen Gebäuden anzubringen . Es ent-

standen Gedenktafeln am Schloss, dem Erbprinzenpalais (heute: Indust-

rie- und Handelskammer), der St . Bonifatiuskirche und der Marktkirche .

Die Initiative wurde von der Stadt Wiesbaden schließlich aufgegriffen

und weitergeführt . Mittlerweile finden sich weit über 100 Tafeln an den

unterschiedlichsten historischen Gebäuden und helfen, den Bürgerin-

nen und Bürgern, aber auch den Touristen in der Stadt, etwas von der

Schönheit und Einzigartigkeit Wiesbadens zu vermitteln .

Um auf die Verbindung von Russischer Kirche und Stadt, russischen

Kurgästen und der „Weltkurstadt“ Wiesbaden aufmerksam zu machen,

2007 – Jahr des Historismus,

und der Kurverein feierte mit

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veranstaltete der Kurverein einige Jahre lang auf dem Neroberg, im

Schatten der Russischen Kirche, einen Russischen Künstlermarkt . Seine

Erlöse ebenso wie die, die durch Stadtführungen – u .a . auf den Spuren

des Historismus – erzielt wurden, dienten wiederum der laufenden Ar-

beit des Vereins .

Geschenk an die Stadt zum 120-jährigen Bestehen – das römische Freilichtmuseum

Zur Verschönerung des Stadtbildes und zur Anregung der Beschäftigung

mit der Geschichte der Stadt sollte auch ein Geschenk dienen, das der

Verein der Öffentlichkeit zur Feier seines 120-jährigen Jubiläums vor-

stellte: In unmittelbarer Nähe zur Heidenmauer, dem größten Überrest

aus römischer Zeit in der Stadt und in Nachbarschaft zum Fundort eines

Mithras-Heiligtums in Wiesbaden, wurde eine Kopie des Heddernhei-

mer Mithrassteins aufgestellt, einem der bedeutendsten Fundstücke der

Sammlung Nassauischer Altertümer . Das Ganze war möglich geworden

durch die großzügige Unterstützung von Ehrenbürger Dr . Ing . Wilhelm

Dyckerhoff . Im Laufe der Jahre gesellten sich zahlreiche weitere Kopien

von Funden aus dem römischen Wiesbaden . Mittlerweile firmiert der

Platz am Fuß der Römerbrücke als kleines römisches Freilichtmuseum,

das vor allem hilft, Schulklassen etwas von Wiesbadens großer Badetra-

dition zu vermitteln und den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit

gibt, Objekte zu bestaunen, die man – aufgrund des Fehlens eines Stadt-

museums in der hessischen Landeshauptstadt – nur aus Büchern oder

aus anderen Städten kennt .

Die Tradition der Verschönerung des Stadtbildes durch Kunstwerke

ist von Seiten des Kurvereins bis in die jüngsten Tage fortgesetzt wor-

den: Erst vor wenigen Jahren fand die Skulptur „Sizilianische Marktfrau“

des Wiesbadener Künstlers Prof . Wolf Spemann in der Glässing-Passage,

einer Querstraße zur Wilhelmstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft zur

Industrie- und Handelskammer ihren endgültigen Standort .

Auch diesen frühchristlichen

Grabstein des Quallaquit

findet man im römischen

Freilichmuseum

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71

Eine kleine Erfolgsgeschichte: Der Wiesbaden Brief

Eine Besonderheit, die es in die-

ser Art sonst nirgendwo gibt,

und die sich längst zu einer

Erfolgsgeschichte entwickelt

hat, wurde vom Kur- und Ver-

kehrsverein schon vor über 30

Jahren angestoßen: Jahr für

Jahr um die Weihnachtszeit und

zwischen den Jahren geht der

„Wiesbadener Brief“ um den

ganzen Erdball . Eine gedruckte

Chronologie der großen und

kleinen Stadtereignisse im Jah-

reslauf .

Die Empfänger sind über

alle Erdteile verstreut, leben in

Brasilien, Australien, Argen-

tinien, Nordamerika oder im

Nahen Osten . Menschen mit

unterschiedlichsten Motivatio-

nen und Erfahrungen, die eine

Gemeinsamkeit haben: Wiesba-

den-Vergangenheit . Vor Jahren

und Jahrzehnten ausgewandert,

weggezogen und in entlege-

ne Weltgegenden verschlagen

durch Zufall oder schicksalhafte

Fügung, lässt sie die alte Hei-

matstadt Wiesbaden nicht los:

Bewahrte Erinnerungen an die

ferne Stadt in Deutschland, in

der sie einst lebten, arbeiteten,

und der sie die ideelle Treue ge-

halten haben bis auf den heuti-

gen Tag

Der Wiesbaden Brief, für Wiesbadener in der ganzen Welt

Page 72: 150 Jahre Kur- und Verkehrsverein Wiesbaden 150 J... · Vorwort 4 Im Dezember 20012 konnten die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“, der ehemalige „Kur- und Verkehrsverein“,

Als vor zehn Jahren die

Wiesbaden Stiftung ge-

gründet wurde, war viel-

leicht am Anfang nur den

Gründern klar, welches

Potential hinter dieser

Idee steckte.

Kur- und Verkehrsverein – Freunde der Wiesbaden Stiftung: Von der Tradition, etwas für Wiesbaden zu tun

72

Sehr bald wurde die Wiesbaden Stiftung für die moderne Landeshaupt-

stadt Wiesbaden des 21 . Jahrhunderts das, was der „Kur- und Verschö-

nerungsverein“ für die nassauische Residenz und die preußische „Welt-

kurstadt“ waren: Die zentrale Kraftquelle für bürgerliches Engagement

in der und für die Stadt .

So blieb es nicht aus, dass nach einigen Jahren die Idee aufkam, bei-

des zu verbinden, die junge und dynamische Wiesbaden Stiftung und

den altehrwürdigen, auf langen Traditionen beruhenden Kur- und Ver-

kehrsverein . Im Jahr 2011 entschloss man sich, dies durch einen Namens-

wechsel deutlich werden zu lassen . Aus dem Kur-und Verkehrsverein

wurde der Verein „Freunde der Wiesbaden Stiftung“ . Mit eigenen Pro-

jekten: Verschönerung der Kuranlage „Warmer Damm“, Vortragsreihen

zur Stadtgeschichte, Führungen und Festen knüpft man an die Projekte

und Traditionen des Kur- und Verkehrsvereins an, ist aber gleichzeitig,

auch durch die Personalunion von Vorstandsmitgliedern der Wiesbaden

Stiftung auch bei den „Freunden der Wiesbaden Stiftung“ eng mit der

Arbeit und den Zielen der Stiftung verbunden . Darüber hinaus geben

die „Freunde der Wiesbaden Stiftung“ all denen die Möglichkeit, an

der Arbeit der Stiftung beteiligt zu sein (durch den regulären Jahresbei-

trag oder eine Premiummitgliedschaft), die sich vielleicht noch scheuen,

durch einen größeren Geldbetrag sofort Zustifter zu werden .

150 Jahre Wiesbadener Stadtgeschichte haben wir durchschritten,

150 Jahre Vereinsgeschichte kennengelernt, die oft genug eng mit der

Historie der Stadt verwoben war . Glanzvolle Zeiten hat der Verein da-

bei erlebt, den Aufstieg der jungen Badestadt zur „Weltkurstadt“, aber

auch traurige und schmerzvolle: den Niedergang der Gesellschaftskur

im 20 . Jahrhundert und damit auch Jahre der Krise für die Stadt, aus

denen die Stadt aber gestärkt als moderne, junge Großstadt und Haupt-

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stadt eines Bundeslandes Hessen hervorgegangen ist .

Oft genug waren es gerade auch Vertreter des Kur- und

Verkehrsvereins, allen voran die legendäre Gestalt seines

ersten Sekretärs und Geschäftsführers Ferdinand Hey’l,

die die Entwicklung der Stadt nicht nur begleiteten, son-

dern aktiv gestalteten .

Wünschen wir es dem Verein „Freunde der Wiesba-

den Stiftung“, dass er für das 21 . Jahrhundert das sein

möge, was der Kurverein für das 19 . und 20 . Jahrhun-

dert war, denn: Etwas für Wiesbaden zu tun hat eine

lange Tradition .

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Freunde der Wiesbaden Stiftungc/o IHK Wiesbaden

Wilhelmstraße 24-2665183 Wiesbaden

Impressum

150 Jahre Kur- und Verkehrsverein

Herausgeber:

Freunde der Wiesbaden Stiftung e .V .

Texte und Redaktion:

Dr . Bernd Blisch, Stadtmuseum Wiesbaden

(Die Kapitel zur allgemeinen Geschichte Wiesbadens

im 19 . und 20 . Jahrhundert sind angelehnt an die

Texte aus dem Buch „Kleine Stadtgeschichte

Wiesbadens“ des Autors .)

Gestaltung

Agentur SloGA, www .sloga .de

Abbildungen:

Alle Abbildungen: Stadtmuseum Wiesbaden

www.die-wiesbaden-stiftung.de