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1 Dr. Zeuner, Lehrbereich Deutsch als Fremdsprache Seminar II Lehrwerkanalyse und –kritik 1. Seminar – Einführung ins Thema Welche Elemente fachdidaktischer/ methodischer Konzeptionen spiegeln sich in einem Lehrwerk wider? (Quelle: Kast; Neuner 1994, S. 8)

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Dr. Zeuner, Lehrbereich Deutsch als Fremdsprache Seminar II Lehrwerkanalyse und –kritik 1. Seminar – Einführung ins Thema

Welche Elemente fachdidaktischer/ methodischer Konzeptionen spiegeln sich in einem Lehrwerk wider?

(Quelle: Kast; Neuner 1994, S. 8)

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Welche fachübergreifenden und fachspezifischen Faktoren gibt es im Bedingungsgefüge von Lehrwerkgestaltung und Lehrwerkforschung?

(Quelle: Kast; Neuner 1994, S. 13) Welche Fragestellungen sind für die Lehrwerkforschung denkbar? (vgl. folgende Seite)

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(Quelle: Kast; Neuner 1994, S. 15)

Lutz Götze: Fünf Lehrwerkgenerationen

1. Generation (50er Jahre)

• Gleichsetzung von Sprache und Grammatik • Regelwissen und nicht Kommunikationsfähigkeit • geschriebene Sprache im Mittelpunkt • Fortführung herkömmlicher Unterrichtsverfahren • Bsp.: Schulz/Griesbach: Deutsche Sprachlehre für Ausländer

2. Generation (60er Jahre) • linguistischer Strukturalismus (Sprache = Struktur) und behavioristische Lehrverfahren

(Reiz-Reaktion) audio-linguale / audio-visuelle Lehrmethode • rigide Einsprachigkeit • keine grammatischen regeln - Beherrschen von Kommunikationsmustern als Ziel (pattern

drill) • gesprochene Sprache (besser: „was man dafür hielt“) im Mittelpunkt: für den Unterricht

konstruierte Gespräche • Bsp.: „Vorwärts“

3. Generation (70er Jahre) • „pragmatische Wende“: soziolinguistischer Ansatz - sprachliches Handeln als Teil

sozialen Handelns • Sprachhandeln in unterschiedlichen Kommunikationssituationen wird geübt;

Sprachreflexion anstelle der traditionellen Grammatik • häufig wurde Sprachhandeln auf das Einüben von Sprechakten fragen/antworten; bitten/

die Bitte erfüllen) reduziert („Sprechakttheorie“ [Searle 1969] als linguistische Grundlage in der BRD); in der DDR Versuch, die Sprechakttheorie weiterzuentwickeln: Funktional-kommunikative Sprachbeschreibung (Schmidt u.a., 1981)

• von allen Funktionen natürlicher Sprache wurde nur noch die kommunikative angesprochen - Sprache verkümmerte zum Informationsträger

• Überakzentuierung der gesprochenen Sprache • Bsp.: „Deutsch aktiv“

4. Generation (80er Jahre) • Entwicklung adressatenspezifischer Lehrwerke • Lehrwerke, die aus der Fremdperspektive heraus die ethnozentrische Sicht überwinden

wollen - interkulturelle Lehrwerke; Bsp.: „Sichtwechsel“; „Sprachbrücke“

5. Generation (90er Jahre) • in Abgrenzung zu Lehrwerken der 3. Generation Entwicklung aller vier Grundfertigkeiten,

v.a. aber auch Lesen und Schreiben ; • Betonung kognitiver Lehrverfahren („mentalistische Wende“) • Übungen zur Sprachreflexion; interaktive Übungen • Bsp.: „Die Suche“ (Texte von Hans Magnus Enzensberger)

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(Quelle: Neuner/Kast [Hrsg.]: Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht; Langenscheidt 1994, S. 29 - 30) Begriffe

Lehrwerkforschung

Wissenschaftliche Lehrwerkforschung versucht, Fragestellungen zu formulieren und zu beantworten, die für die Analyse fremdsprachlicher Lehrwerke Bedeutung haben. Sie konzentriert sich auf die Analyse der Grundlagen, der Faktoren und des Bedingungsgefüges der Entstehung und Entwicklung von Lehrwerken. Schwerpunkte waren z.B.: − Untersuchungen zur Grammatik/ zur Landeskunde/ zum Visuellen Einsatz/

zur Aussprache; − Lehrbuch und Unterricht − Einfluß von Lehrmaterialien auf den Lehrprozeß − Analyse fachsprachlicher Lehrwerke.

Lehrwerkkritik

Lehrwerkkritik fragt nach der Eignung eines Lehrwerkes für eine bestimmte Lerngruppe, die bestimmte Zielsetzungen verfolgt und unter bestimmten Lernbedingungen unterrichtet wird. Aufgabe der Lehrwerkkritik ist es also, ein valides Raster von Beurteilungskriterien zu entwickeln, die Beurteilung eines Lehrwerkes nach den festgelegten Kriterien vorzunehmen und Empfehlungen zum Einsatz des Lehrwerks unter den vorgegebenen zielgruppenspezifischen Bedingungen zu erarbeiten (Vorzüge/ Schwächen). Dabei liegt ein vergleichendes Verfahren, d.h. die vergleichende Bewertung von Lehrwerken, die für eine bestimmte Zielgruppe vorliegen, nahe.

Lehrwerkbegutachtung für die Praxis

Lehrwerkbegutachtung für die Praxis heißt, aus der Lehrer- und Lernerperspektive heraus zu entscheiden, ob oder in wieweit ein neues Lehrbuch für einen ganz bestimmten Kurs, also für den eigenen Unterricht, geeignet ist. Ein neues Lehrwerk gibt diese Eignung nicht auf einen Blick zu erkennen. Jedes didaktisch-methodische Konzept kristallisiert und konkretisiert sich aber in ganz bestimmten Aspekten der Lehrwerkplanung- und Gestaltung. Lehrwerkbegutachtung für die Praxis konzentriert sich auf diese Aspekte, um die Konzeption eines neuen Lehrwerks zu erfassen und seine Eignung für den Einsatz im eigenen Unterricht zu ermitteln. Quelle: Kast/Neuner /Hrsg./: Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. - Langenscheidt 1994, S. 14 - 17 und S. 111.)

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Quelle des folgenden Auszuges: Kast/Neuner (Hrsg.): Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. - Langenscheidt, 1994 (Reihe: Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis), S. 100 - 118 3. Lehrwerkbegutachtung und Lehrwerkkritik

3.1. Kriterienraster und Arbeitshilfen Um den subjektiven Vorgang der Beurteilung von Lehrwerken stärker zu objektivieren, um den Entscheidungsprozeß durchsichtiger und einsichtiger werden zu lassen, um Wege der Entscheidungsfindung aufzuzeigen, sind immer wieder Vorschläge gemacht worden, anhand welcher Kriterien Lehrwerke beurteilt werden könnten (Heuer/Müller/Schrey, 1973; Piepho, 1975; Reisener, 1978; Vielau, 1981; Koldijk, 1981; Bertoletti/Dalhet, 1984, um nur einige zu nennen). Für Deutsch als Fremdsprache liegt mit den beiden Bänden des Mannheimer Gutachtens die ausführlichste Lehrwerkkritik und das differenzierteste Kriterienraster zur Analyse von Lehrwerken vor (Engel u. a., 1977, 1979). Kriterienraster sind jedoch nicht problemlos. Sie werden schnell kanonisch, gaukeln Objektivität vor, sind statisch, erheben den Anspruch auf wissenschaftliche Autorität. Alle Kriterien bleiben jedoch relativ, ihre Gewichtung kann nur nach persönlichen Präferenzen vorgenommen werden unter Berücksichtigung der Situation vor Ort: der fachdidaktischen Kenntnisse der Kollegen, der Bedürfnisse der Lernenden, der Kompatibilität des neuen Lehrwerks mit anderen Unterrichtsmaterialien oder eingeführten Lehrwerken auf anderen Lernstufen usw. Kurz: Ein Raster sollte als Hilfestellung aufgefaßt werden, nicht als Korsett. Wir bieten deshalb drei Raster mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung der Kriterien. Bevor Sie die Kataloge auf ein oder mehrere Lehrwerke anwenden, überlegen Sie bitte zusammen mit Ihren Kollegen, ob Fragen gestrichen, verändert oder ergänzt werden müßten: Welche Fragen aus welchem Kriterienkatalog halten Sie und Ihre Kollegen für eine Entscheidungsfindung für relevant?

Hans-Jürgen Krumm

3.1.1. Stockholmer Kriterienkatalog

a) Aufbau des Lehrwerks

Es sollen unbedingt vorhanden sein: - Textteil, - Arbeitsteil/Arbeitsbuch, - Grammatikteil (im Textbuch oder besonderes Grammatikbuch), - Wörterverzeichnis (im Textbuch mit phonetischen Angaben, wo nötig), - Tonband/Kassette.

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Gibt es zusätzlich noch ...? - Lehrerhandbuch mit zusätzlichem Material wie Bilderserien, Spiele, Tests, Liedertexte

etc.

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- Bildmaterial (Folien, Dias), - zusätzliche Tonaufnahmen (authentische Texte, Lieder, ...), - Lösungen zu den Aufgaben, - Tests. -

b) Layout - Ist die äußere Aufmachung ansprechend? - Ist die Gestaltung der Lektionen und Lehrbuchseiten übersichtlich? - Ist die graphische Gestaltung (Fotos, Zeichnungen) motivierend? - Sind die Materialien gut verarbeitet und haltbar? - Sind Bild und Text pädagogisch aufeinander abgestimmt?

c) Übereinstimmung mit dem Lehrplan

- Entspricht die Konzeption des Lehrwerks den Anforderungen des Lehrplans (z. B. übergreifende Lernziele, kommunikative Lernziele)?

d) Inhalte-Landeskunde

Soweit entsprechende Texte und Informationen im Lehrwerk vorhanden sind, ist zu fragen, ob sie

- sachlich richtig sind, - altersgerecht sind, - ausgewogen sind, - problemorientiert sind, - unterhaltend sind, - abwechslungsreich gestaltet sind - und ob kulturkontrastive Aspekte berücksichtigt werden.

1. Die Menschen, die im Lehrwerk vorkommen

- Gibt es Personen, mit denen sich die Schüler identifizieren können? - Gibt es Personen, für die sich die Schüler interessieren könnten? - Tauchen männliche und weibliche Personen zu ungefähr gleichen Anteilen im

Lehrwerk auf? - Werden Rollenklischees (z.B. Frau nur als Hausfrau) vermieden?

2. Der Alltag im Lehrwerk

- Wird das Leben in der Stadt und auf dem Land vorgestellt? - Wird das Leben in Familie, Schule, bei der Arbeit und in der Freizeit thematisiert? - Tauchen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten auf? - Wird das Alltagsleben in allen deutschsprachigen Ländern behandelt?

101 3. Geographie und Wirtschaftsleben

- Enthält das Lehrwerk Karten und Fotos zur Darstellung von Geographie und Wirtschaft (Vielfalt der Landschaftstypen, Industrie etc.)?

4. Die Gesellschaft (politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse)

- Werden die verschiedenen politischen Systeme der deutschsprachigen Länder vor-gestellt?

- Werden die verschiedenen wirtschaftlichen Systeme und Lebensbedingungen in den deutschsprachigen Ländern behandelt?

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- Enthält das Lehrwerk aktuelle Bezuge, z. B. Fragen der Umwelt, der Arbeitswelt (Arbeitslosigkeit), der Computergesellschaft, der Handelsbeziehungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und dem Heimatland?

5. Kultur

- Werden Feste, Sitten und Gebräuche vorgestellt? - Wie weit werden Kunst, Musik, Theater, Film etc. einbezogen?. - Werden auch Jugend- und Alternativkultur angesprochen?

6. Literatur

- Werden im Lehrwerk auch literarische Texte (Gedichte, Kurzgeschichten etc.) vorgestellt?

7. Geschichte

- Werden auch wichtige geschichtliche Informationen vermittelt? (z.B. solche, die die Beziehungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und dem Heimatland beeinflußt haben)

8. Darstellung des eigenen Landes Bietet das Lehrwerk die Möglichkeit,

(a) die besonderen Beziehungen deutschsprachiger Länder zum eigenen Land zu verhandeln?

(b) über Verhältnisse im eigenen Land, z.B. Sitten und Bräuche, Wirtschaft, soziale Sicherung sich auf deutsch zu äußern?

e) Sprache

Orientiert sich das Lehrwerk an der Standardsprache?

- Bietet das Lehrwerk Beispiele für die sprachliche Vielfalt, z. B. Umgangssprache, Jugendsprache, Werbesprache, Fachsprache, literarische Sprache?

- Ist die Sprache im Lehrwerk der Situation angemessen, und ist ein Kontext gegeben? - Enthält das Lehrwerk eine Vielfalt an Textsorten (Dialoge, erzählende Texte,

Sach/Fachtexte, Zeitungstexte usw.)? - Enthält das Lehrwerk genügend Material zur Rezeption (Hören und Lesen) und

Produktion (Sprechen und Schreiben) von Sprache? 102

- Ist die Sprache authentisch oder wirkt sie künstlich (Lehrbuchsprache)? - Ist die Sprache für die jeweilige Lernstufe zu schwierig (zu viele neue Wörter,

komplexer Satzbau) oder zu leicht (langweilig)? - Sind zusammenhängende Lesetexte vorhanden (ausgewogenes Verhältnis zwischen

Lang- und Kurztexten)? - Werden wichtige Redesituationen in Dialogen vorgeführt? - Werden unterschiedliche Sprechfunktionen verdeutlicht? - Regen die Lehrbuchtexte zur kreativen Weiterarbeit an (Diskussion, eigene Texte

schreiben. Dramatisieren und Rollenspiele)? - Führen die Texte auch die emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache vor?

(Dazu gehört auch das Vorhandensein von Spielen, Liedern, Reimen, aber auch Ausdrücke für Freude, Wut, Angst etc.)

- Werden Wörter und Ausdrücke genügend erklärt? - Werden sprachliche Verwandtschaften zur Lernerleichterung ausgenutzt?

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- Werden kulturell-sprachliche Unterschiede berücksichtigt (z.B. Du-Sie-Konven-tionen)?

1. Aussprache und Intonation

- Werden Fragen der Aussprache und Intonation systematisch behandelt? - Werden die kontrastiv schwierigen Laute besonders berücksichtigt? - Werden Intonationshilfen (z.B. Farbe, Fettdruck, Pfeile) gegeben?

2. Tonbänder/Kassetten

- Klingen die Aufnahmen authentisch? - Werden auch Sprachvarianten vorgeführt (z.B. verschiedene Sprecher, eventuell

dialektale Färbung)? f) Grammatik

- Sind die Texte im Hinblick auf die Grammatik konstruiert? - Sind die Texte nach kommunikativen Gesichtspunkten ausgewählt? - Gibt es eine systematische Behandlung (Progression) der Grammatik im Laufe des

Lehrwerks? Wird auch die pragmatisch-kommunikative Grammatik berücksichtigt? - Ist die Progression flach oder steil? - Werden die grammatischen Probleme wiederholt und dabei vertieft („konzentrische

Progression")? - Gibt es im Lehrwerk eine systematische Grammatikübersicht (vor allem für die

Grundstufe)? - Verweist das Lehrwerk auf eine umfassendere grammatische Darstellung? - Werden die Strukturen im Deutschlehrwerk so beschrieben und analysiert wie im

Unterricht der Muttersprache? (Welche Grammatiktheorie, welches Grammatik-, modell liegt zugrunde?)

- Wird dabei eine grammatische Terminologie benutzt, die den Schülern schon bekannt ist?

- Werden die grammatischen Begriffe erklärt, wenn sie zum ersten Mal erwähnt werden?

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- Werden grammatische Regeln gegeben? Mit Beispielen und Vergleichen zur Mut-tersprache?

g) Übungen

1. Arbeitsanweisungen - Sind die Arbeitsanweisungen eindeutig? - In welcher Sprache sind die Arbeitsanweisungen formuliert? - Wie werden die Lernenden angesprochen (Du/Sie-Anrede, Ton)? - Geben die Arbeitsanweisungen Hinweise auf die (Sprech-)Situation (Regieanwei-

sungen)? 2. Fertigkeiten

- Werden alle Fertigkeiten in ausgewogenem Verhältnis geübt?

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3. Übungstypen

- Welche Übungstypen kommen vor? - Sind die Übungen systematisch aufgebaut und ermöglichen sie eine schrittweise

Einübung nach dem Muster 1. Verstehen (Hören - Lesen)? 2. Reproduzieren (Sprechen - Schreiben)? 3. Sprechen und Schreiben in vorgegebenen Rollen und Situationen? 4. freie Äußerungen (mündlich und schriftlich)?

4. Übungsformen

- Variieren die Übungsformen? - Werden kreative Übungen betont, z.B. altersgerechte Sp^elubungen? - Fördern die Übungen die Zusammenarbeit der Schüler? Gibt es Partnerübungen und

Übungen, die für (Klein-)Gruppen geeignet sind? - Fördern die Übungen selbständiges Arbeiten und Lernen?

5. Zusammenhang

- Besteht ein sprachlicher und thematischer Zusammenhang zwischen Textteil, Grammatik und Übungsteil?

6. Differenzierung

- Gibt es genügend und verschiedenartige Übungen, um eine Differenzierung innerhalb heterogener Gruppen zu ermöglichen?

7. Wiederholung

- Gibt es systematische Wiederholungen? - Gibt es ein ausreichendes Angebot an Übungen?

h) Die Perspektive der Schüler

Abschließend sollte gefragt werden, wie das Lehrmaterial von den Schülern aufgefaßt wird. 104 Stellen Sie sich aus der Sicht der Schüler folgende Fragen:

- Werde ich überfordert durch insgesamt zu schwierige Inhalte, Sprache oder Aufgabenstellungen?

- Sind die Anforderungen insgesamt zu gering (keine Herausforderung, Langeweile) im Hinblick auf Inhalt, Sprache oder Aufgabenstellungen?

- Bieten die Inhalte, Textsorten, Übungen genügend Abwechslung? - Geben die Inhalte Möglichkeiten und Anstöße zu eigenständiger Weiterarbeit? - Habe ich die Möglichkeit, meine eigenen Gedanken und Erfahrungen einzubeziehen,

die eigene Perspektive zur Sprache zu bringen? Kann dies den Lernprozeß beeinflussen (z. B. im Hinblick auf Auswahl von Themen, Texten)?

- Sind für mich Lernziele und Lernfortschritte erkennbar? - Kann ich eigenständig Stoff nachholen und ohne direkte Hilfe durch den Lehrer

Lücken auffüllen? - Bin ich am Lernprozeß beteiligt?

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Hermann Funk 3.1.2. Arbeitsfragen zur Lehrwerkanalyse

1. Welche Materialteile gehören zum Lehrwerk? 2. Welche Materialteile sind verbindlich? Welche sind Zusatzmaterialien? 3. Welche wären unter den gegebenen Bedingungen einsetzbar (Schülermaterial/ 4. Lehrermaterial) ? 5. Wie paßt die Aufteilung des Materials zur eigenen Kursorganisation?

• Themen 1. Welche Themen werden in den Lehrwerkkapiteln berücksichtigt? Kann man

Auswahlkriterien feststellen? 2. Sind im Lehrmaterial Bezüge zum Land/zur Situation der Lernenden angelegt? 3. Haben die gewählten Themen einen Bezug zur Alltagserfahrung Ihrer Lernenden? 4. Werden gesellschaftliche und soziale Realitäten von Zielkultur und Ausgangskultur

einbezogen? 5. Welche Themen, die für Ihre Lernenden wichtig/motivierend wären, fehlen? 6. Ist eine thematische Progression feststellbar (d. h., werden Themen auf einem

fortgeschrittenen sprachlichen Niveau wieder aufgegriffen)? • Situationen

7. Sind die gewählten Situationen, Sprachhandlungen und Kommunikationsräume alltagssprachlich angemessen?

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8. Sind sie realistisch gewählt in bezug auf gegenwärtige und zukünftige Sprach-bedürfnisse der Lernenden?

9. Sind einzelne Situationen verbunden/verzweigt/offen angelegt/ohne Aufwand variierbar oder meistens in sich geschlossen?

• Rollenkonzeption

10. Ermöglichen Themen und Situationen den Lernenden „als sie selbst" sprachlich zu agieren und Stellung zu beziehen, oder befinden sie sich ausschließlich in der Rolle des „native Speakers" der fremden Sprache?

11. Werden Anlässe zum Rollenspiel angeboten/vorbereitet? 12. Enthält oder problematisiert das Lehrwerk Rollenklischees, z. B. in bezug auf die

Rolle der Frau in Beruf und Gesellschaft? • Textsorten

13. Enthält das Lehrwerk authentische Texte (hier: Texte, die nicht zum Zweck des Sprachunterrichts geschrieben wurden)? Welchen Charakter haben diese Texte (rein illustrativ/fakultativ, Arbeitstexte)?

A Beschreibung

B Inhaltskonzeption

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14. Ab wann wird mit authentischen Texten gearbeitet (von Anfang an/3. Lehrwerkband)? 15. Werden literarische Texte verwendet? Welche Textsorten? Ab wann? 16. Werden Verstehenshilfen, vorentlastende und verstehensüberprüfende Übungen mit

dem Text verbunden? 17. Ist das selbständige Erschließen von Texten durch die Lernenden explizites

Übungsziel? • Gestaltung

18. Ist die Gestaltung von Lehrbuchseiten optisch ansprechend, übersichtlich und abwechslungsreich ?

19. Ist die Nummerierung der Kapitel übersichtlich? Findet man leicht, was man sucht? 20. Bieten Zeichnungen und Fotos Sprechanlässe und Verstehenshilfen in Bezug auf

Texte?

1. Welchen Stellenwert hat das Erlernen von Strukturen und Verbalisierungsmustern im Lehrwerk (Anteil der Grammatikseiten und -Übungen an einem Lehrwerkkapitel)?

2. Gibt das Material Hilfen zur eigenständigen Erschließung einer Regel durch die Lernenden?

3. Werden Strukturen nur einmal oder öfter systematisch aufgegriffen („zyklisch wiederholt")?

4. Wird das Verstehen einer Regel visuell unterstützt? Auf welche Weise? 5. Gibt es in dem Material zusammenfassende Übersichten und andere Hilfen für die

Lernenden (muttersprachliche Hinweise)? 106

6. Wird in den Aufbaubänden zwischen eher verstehensrelevanten und produktiv zu beherrschenden Strukturen unterschieden?

7. Welche Terminologie wird verwendet (lateinische Schulgrammatik/ Dependenzgrammatik/ Mischterminologie) ?

8. Wie verhält sich diese Terminologie zu der den Schülern bereits bekannten Terminologie aus dem Muttersprachunterricht (deckungsgleich/stark abweichend)?

9. Wird den Lernenden durch Texte und Übungen Einsicht in die kommunikative Funktion (Pragmatik) und Bedeutung einer Struktur ermöglicht?

1. Wird eine Unterscheidung zwischen Lernwortschatz und passivem Wortschatz getroffen? Ist sie für die Lernenden erkennbar?

2. Welche der folgenden Informationen enthält das Wortschatzverzeichnis/Glossar: Belegstelle, Übersetzung, Beispielsatz, Artikelangabe, Pluralform, •Wortakzent (Betonung)?

3. Werden den Lernenden systematische Hilfen zur eigenständigen Wortschatzarbeit gegeben?

4. Wird zu einem aktiven Gebrauch des Wörterbuchs angeleitet? 5. Bietet die thematische Verteilung der Kapitel Möglichkeiten der Erweiterung,

Systematisierung und Wiederholung von Wortfeldern?

C Grammatik

D Wortschatz

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1. Sind differenzierende Übungsformen für schneller und langsamer Lernende im Schülermaterial (oder im Lehrerhandbuch) angelegt/kenntlich gemacht?

2. Ist die Abfolge von Kapiteln, Kapitelteilen, Texten und Übungen variabel oder unabänderlich?

3. Sind die Übungen in sich geschlossen oder offen angelegt (d. h., ermöglichen sie eine Weiterarbeit nach vorgegebenen Mustern)?

4. Wie ist das Verhältnis vorkommunikativen Übungen (d. h. sprachlichen Aktivitäten „mit Sitz im Leben" - etwa „nach dem Weg fragen") und instrumentellen Übungen (mit „Werkzeugcharakter", z.B. Grammatikübungen?

5. Werden Anregungen zu über das Lehrwerk hinausgehenden Projekten und Eigeninitiativen gegeben?

6. Enthält das Lehrmaterial systematische Übungen zur Entwicklung der fremd-sprachlichen Lesefähigkeit?

7. Wie hoch ist der Anteil von vorwiegend reproduktiven Übungen zur sprachlichen Form?

8. Enthält das Material Übungen, die nur teilweise steuern und zum freieren Umgang mit Sprache überleiten?

9. Gibt es Übungen, die einen spielerisch-kreativen Umgang mit. Sprache ermöglichen? 10. Wie sind die Übungen verbunden? Gibt es Übungsketten mit ansteigender

Schwierigkeit/Teilübungen zu einem übergeordneten Lernziel (z.B. Informa-tionsentnahme - Vorbereitung einer freien Äußerung - Anregung zu freier Äußerung)?

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1. Welche Angebote enthält das Material (Software)? Welche Technik ist dazu erforderlich (Hardware)?

2. Sind die Medienangebote neben dem Lehrbuch fakultativ, d. h. unter Umständen weglaßbar, oder integriert in das Unterrichtskonzept?

3. Sind die Informationen auf den verschiedenen Mediensystemen redundant (absolut identisch), aufeinander bezogen (Beispiel: Begleittext im Buch und Foto auf Folie zu einem Hörtext auf der Kassette) oder völlig separat zu behandeln?

4. Ist die technische Qualität (Ton und Bild) in der gegebenen Unterrichtssituation (evtl. Großgruppe) ausreichend?

5. Wird vorwiegend von einem rezeptiven oder von einem aktiven Mediengebrauch (Anschauen/Anhören - Nachmachen oder Notizen, Informationsentnahme, selbständige Arbeit mit dem Kassettenrecorder, Produzieren von Hörtexten u. a.) ausgegangen?

enthalten die Lehrerhinweise 1. Aussagen zur didaktischen und methodischen Konzeption des Lehrwerks? 2. einen übersichtlichen, praktikablen und abwechslungsreichen Unterrichtsfahrplan?

E Methodik/Übungsformen

F Medienkonzeption

G Lehrerhinweise

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3. Hinweise auf alternative Vorgehensweisen? 4. Übungsvorschläge für schnellere und langsamere Lernende? 5. landeskundliche Hintergrundinformationen? 6. Zusatztexte für den Unterricht? 7. Informationen über die Erprobung des Materials vor dessen Veröffentlichung?

• Einige Nachbemerkungen zur Arbeit mit Fragenkatalogen m der Lehrerausbildung und im Fortbildungsveranstaltungen 3.1.2.1. Die Zwangsläufigkeit des Defizitbefundes Fragenkataloge zur Analyse und Begutachtung von Lehrwerken gehören zum Stan-dardrepertoire in der Lehreraus- und -fortbildung. Dementsprechend zahlreich sind die Fragenkataloge, die von einzelnen Fachdidaktikern vorgelegt wurden (Piepho, 1976; Engel, 1981; Neuner, 1979; Stockholmer Kriterienkatalog 3.1.1., um nur einige zu nennen). Der Bedarf zur Analyse von Lehrwerken entstand in Wissenschaft und Praxis in den letzten 30 Jahren jeweils als Folge methodischer Innovation (zur theoretischen Begründung: Heuer/Müller, 1973 und 1975; das Mannheimer Gutachten ist ebenfalls ein Beispiel dafür) oder gesellschaftlicher Veränderungen (s. Mainzer Gutachten, 1980, als Reaktion auf die Arbeitsmigration). Dies muß erwähnt werden, da auf diese Weise der Defizitbefund als Ergebnis der Lehrwerkanalyse vorprogrammiert ist. Daß in der Regel die Entwicklung allein der Basisteile eines Grundlehrwerks etwa 3—5 Jahre dauert und die Zeit, bis es wahrgenommen und verbreitet ist, 108 noch einmal die gleiche Zeit in Anspruch nimmt, macht die „Trägheit" des Mediums, seine begrenzte, zeitversetzte Fähigkeit, auf didaktische Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren, deutlich. Für die Praxis der Lehrwerkanalyse und -begutachtung bedeutet das: Ein defizitäres Ergebnis der Lehrwerkanalyse ist weder überraschend noch entmutigend, sondern ein Hinweis auf die persönliche fachliche Weiterentwicklung der „Analytiker" bzw. für den fachdidaktischen Fortschritt insgesamt. Der Defizitbefund in einer praxisbezogenen Lehrwerkbegutachtung ist also ein positives und wünschenswertes Ergebnis. Alarmierend wäre eher ein gegenteiliger Befund. In der Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand bei den Lehrwerken wird ein Fortschritt erkennbar. In ihr sind die eigentlichen Themen von Lehrerfortbildung bestimmbar. 3.1.2.2. Vom Sinn und Unsinn der Kriterienkataloge Jede Analyse braucht Kriterien. In ihrer Zusammenstellung in Form einer Liste werden sie übersichtlich und damit anwendbar. In dieser Form gewährleisten sie eine relative Vergleichbarkeit der Ergebnisse ihrer Anwendung auf unterschiedliche Werke. Objektivität und Reliabilität sind damit aber keineswegs zwangsläufig verbunden. An dieser Stelle ist jeweils zuerst nach dem Zweck einer Analyse oder Begutachtung zu fragen. Auch dieser Zweck bestimmt letztlich das Ergebnis. Der erste Begriff, die Analyse, ist wohl eher mit einer wissenschaftlichen Untersuchung von Lehrwerken auf der (ausgesprochenen oder unausgesprochenen) Grundlage einer bestimmten Methode verbunden, der zweite Begriff, die Begutachtung, bezeichnet ein Verfahren mit dem möglichen Ziel, sich für die Einführung eines der untersuchten Produkte im Unterricht zu entscheiden. Beide Varianten der Untersuchung bedingen unterschiedliche Kriterienkataloge, Analyseverfahren und Ergebnisse

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(vgl. Neuner, Kap. 1.1.). In der Praxis geht es notwendigerweise eher um die Begutachtung und weniger um eine „folgenlose" wissenschaftliche Analyse. Ein Grundproblem der Form des Fragenkatalogs ist seine scheinbare Objektivität. Er scheint auf Anhieb eine gemeinsame Ausgangsbasis zu bieten, die in einer Fortbildungsveranstaltung als schriftliche Grundlage von Gruppenarbeiten dienen kann. Verkannt wird dabei oft, daß einzelne Fragen praktisch die Zusammenfassung unausgesprochener mehr oder weniger komplexer didaktischer Prämissen und Positionen sind, die den Anwendern möglicherweise gar nicht bekannt sind und die eventuell auf Widerspruch stoßen wurden. Dazu zwei Beispiele aus dem vorstehenden Katalog:

E 8 Enthält das Material Übungen, die nur teilweise steuern und zum freieren Umgang mit Sprache überleiten? E 9 Gibt es Übungen, die einen spielerisch-kreativen Umgang mit Sprache... ermöglichen?

E 8 setzt voraus, daß die Anwender den Steuerungsgrad von Übungen unterscheiden können und beinhaltet die Prämisse, daß Übungen, die zum freieren Umgang mit Sprache überleiten - sicher die schwierigste Übungskategorie - in Lehrwerken vertreten sein sollten. 109 E 9 enthält die didaktische Prämisse, daß spielerisch-kreative Übungen in .Lehrwerken wünschenswert sind. Die Beantwortung der Frage setzt einmal mehr voraus, daß man solche Übungen schon gesehen bzw. durchgeführt hat. Die beiden Beispiele zeigen: Eine unvorbereitete und unreflektierte Anwendung eines auch noch so durchdachten vorgegebenen Fragenkatalogs kann nicht nur unproduktiv, sie kann sogar kontraproduktiv sein. Lehrer arbeiten dann vielleicht mit einer solchen Liste, ohne im Einzelfall über die Kriterien einer Beurteilung zu verfügen. Gruppenberichte über die Lehrwerke werden dann oft nichtssagend und allgemein. Da der Sinn einer Frage auf diese Weise oft nicht verstanden wird, führt der Katalog eher zur Verunsicherung gegenüber Innovationen statt zur Urteilssicherheit. Der Sinn der Lehrwerkbegutachtung ist damit verfehlt. 3.1.2.3. Anregungen zur praktischen Arbeit mit Kriterienkatalogen in Fortbildungsveranstaltungen Aus diesen Überlegungen folgt, daß der Inhalt des Katalogs nicht nur als Mittel, sondern zunächst als Ziel in einer Fortbildungsveranstaltung aufgefaßt werden sollte. Prinzipiell sollten Kataloge offen und damit veränderbar und erweiterbar für andere in einer Sitzung erarbeitete Kriterien sein. Bei der Vorbereitung einer Fortbildungsveranstaltung ist zunächst der Kriterienkatalog, den man verwenden will, genau zu untersuchen: - Wo muß er zielgruppenentsprechend verändert werden? - Welche Fragen/Elemente müssen durch Beispiele belegt und vorab diskutiert werden? Erstes Ziel ist also die Vermittlung der Notwendigkeit der Fragestellung. Für die Frage E 9 bedeutet dies zum Beispiel: Die Kursteilnehmer müssen eine spielerische Übung mit einer anderen Übung zum gleichen Thema vergleichen und den Unterschied auf der Grundlage von Beispielen diskutieren. Erst dann kann die Frage sinnvoll als Kriterium verwendet werden.

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Wenn man nach diesem Prinzip vorgeht, ist es sinnvoll, sich in einer Reihe kürzerer Vorbereitungsveranstaltungen jeweils einen oder zwei Fragenkomplexe auf diese Weise vorzunehmen und den (veränderten bzw. erweiterten) Fragenkatalog jeweils als erstes Ergebnis einer Fortbildungsveranstaltung zu begreifen. Damit wird der Fragenkatalog zum Instrument und Ziel der Fortbildung zugleich. Er wird nicht vorgegeben, sondern erarbeitet. Erst dann wäre eine längere Veranstaltung sinnvoll, in der der Katalog als Instrument angewendet wird. Für diese eigentliche Lehrwerkbegutachtung bieten sich zwei Formen arbeitsteiligen Vorgehens an:

1. Jede Gruppe beschäftigt sich mit einem einzelnen Lehrwerk und stellt anschließend das Lehrwerk dem Plenum vor.

2. Jede Gruppe beschäftigt sich mit einem Fragenkomplex in bezug auf alle Lehrwerke. 110 Das erste Vorgehen garantiert eine intensivere Beschäftigung mit dem Lehrwerk; das zweite Verfahren eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Bei letzterem benötigt man allerdings mehrere Exemplare der untersuchten Lehrwerke. Wenn die zur Verfügung stehende Zeit oder der Kenntnisstand der Gruppe eine umfassende Analyse und Begutachtung in der beschriebenen Form nicht zuläßt, so kann auch ein kürzeres Verfahren gewählt werden, um einen ersten Eindruck zu bekommen und eine vergleichende Lehrwerkdiskussion zu eröffnen:

- Jede Gruppe erhält die Aufgabe, 3 Seiten/Übungssequenzen eines Lehrwerks vor-zustellen: Eine Seite, die man als besonders positiv, eine Seite, die man als besonders negativ und eine Seite, die die Gruppe als besonders typisch für das Lehrwerk einschätzt.

Ein flexiblerer, offenerer Umgang mit Kriterienkatalogen macht diese jedenfalls erst zu einem Instrument von Innovation durch Fortbildung und beugt einer oberflächlichen Beschäftigung mit Lehrwerken vor, bei der nur nach dem „Abhakprinzip" verfahren wird (vgl. auch Kap. 3.1.6.). Gerhard Neuner 3.1.3. Lehrwerkbegutachtung für die Praxis: die Lehrstoff-, Lehrer- und Lernerperspektive In den Vorbemerkungen zum Sammelband Lehrwerkanalyse hat Bernd Käst ausgeführt, daß es viele Motive für die Ablösung eines eingeführten Lehrwerks durch ein neues geben kann:

- jahrelang mit dem gleichen Lehrwerk arbeiten, kann Lustlosigkeit auslösen: Man möchte mal wieder frischen Wind in den Klassenzimmern und einen Motivationsschub;

- die fachdidaktische Diskussion geht weiter, sie findet irgendwann ihren Niederschlag in Unterrichtsmaterialien und Lehrwerken; ein zehn Jahre altes oder gar noch älteres Lehrwerk kann nicht den aktuellen fachdidaktischen Diskussionsstand widerspiegeln;

- Veränderungen im Lehrpersonal, jüngere Kolleginnen und Kollegen, ein neuer Sprachabteilungsleiter - auch das kann den Wunsch aulkommen lassen, das alte durch ein neues Lehrwerk zu ersetzen;

- Veränderungen in der politischen Landschaft, zu denken wäre an Europa 1992, damit veränderte Zielsetzungen auf Seiten der Lernenden können zu Überlegungen führen,

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das eingeführte Lehrwerk durch ein aktuelleres, diesen Veränderungen gerechter werdendes zu ersetzen (Käst/Sturm, 1990,., S. 3).

Daß Lehrwerke in ein Bedingungsgefüge übergreifender gesellschaftlicher, kultureller und institutioneller Vorgaben eingebettet sind und durch bestimmte didaktischmethodische Leitvorstellungen einer Epoche geprägt sind, ist in den Beiträgen des ersten Kapitels näher ausgeführt worden. Neue Lehrwerke entstehen insbesondere 111 dann, wenn sich markante Bezugspunkte in diesem Bedingungsgefüge verändern - wenn etwa übergreifende gesellschaftlich-politische Veränderungen zu einer veränderten Sicht der deutschsprachigen Länder führt, wodurch .es z. B. zu einer anderen Auswahl und Bewertung der (landeskundlichen) Themen und Inhalte kommt – oder wenn neue Erkenntnisse der fachlichen Bezugswissenschaften (insbesondere der Linguistik) oder der Lerntheorie verarbeitet werden. Ein neues Lehrwerk, das der Kursleiter in die Hand bekommt und das er auf seine Verwendbarkeit für den eigenen Unterricht hin beurteilen soll, gibt seine didaktisch-methodische Konzeption nicht „auf einen Blick" zu erkennen. Die Lehrbuchautoren beschreiben ihre fachdidaktische Konzeption selten so klar, daß man aus ihr unmittelbar auf die Einsetzbarkeit des Lehrwerks schließen kann. Auch helfen im fachwissenschaftlichen Jargon formulierte Hinweise - etwa auf die Verarbeitung bestimmter linguistischer Theorien oder lerntheoretischer Schulen - nur in begrenztem Maß bei der Beantwortung der Frage, ob sich das neue Lehrwerk im eigenen Kurs bewähren wird. Jedes didaktisch-methodische Konzept - seien es die Grammatik-Übersetzungs-Methode, die audiovisuelle Methode, der kommunikative Ansatz oder andere Konzepte (vgl. Neuner/Hunfeld, 1993) - kristallisiert und konkretisiert sich aber in ganz bestimmten Aspekten der Lehrwerkplanung und -gestaltung. Es lohnt sich deshalb, sich auf diese Aspekte zu konzentrieren, wenn man die Konzeption eines neuen Lehrwerks erfassen und seine Eignung für den Einsatz im eigenen Unterricht ermitteln will. Lehrmethoden sind gekennzeichnet durch ein

In Lehrwerken erkennt man das didaktisch-methodische Konzept besonders gut an

• didaktisches Konzept (was gelehrt werden soll) - Lehrziele - Lehrinhalte (Auswahl und Abstufung) • methodisches Konzept (wie gelehrt werden soll) - Unterrichtsprinzipien - Unterrichtsgliederung - Unterrichtsformen - Medieneinsatz - Unterrichtsorganisation

• Inhaltsverzeichnis - Schwerpunktsetzung - Progression - Verschränkung der Lehrstoffe • Lektionsschema - (zentrale) Texte - Grammatikdarstellung - Übungen, Übungssequenzen; Aufgaben • Vorhandensein von Lehrwerkteilen/ Medien - Arbeitsbuch - audiovisuelle Medien - Lehrerhandbuch

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- Glossare - andere Lehrwerkteile

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Es gibt Aufschluß über das Planungskonzept eines Lehrwerks. Jedes didaktisch-methodische Konzept legt ganz bestimmte Zielsetzungen fest, betont ganz bestimmte Lehrstoffe (z. B. Grammatik), kombiniert sie in einer charakteristischen Weise (Fertigkeiten, Inhalte, Situationen, Sprachsysteme usw.) und legt die Lehrstoffprogression fest. Alle diese Aspekte lassen sich an der Gestaltung des Inhaltsverzeichnisses gut ablesen.

In jedem didaktisch-methodischen Konzept ist auch eine ganz bestimmte Abfolge und Ausgestaltung der Lehrphasen und -schritte festgelegt. Daraus ergibt sich ein ganz bestimmtes Lektionsschema (Aufteilung einer Lektion in Abschnitte). In einem Lehrbuch, das z.B. nach der Grammatik-Übersetzungs-Methode gestaltet ist, beginnt jede Lektion mit der Darstellung der Grammatikelemente und -regeln; ein Lehrbuch, das nach der audiovisuellen Methode konzipiert ist, bietet als Lektionseinstieg einen Dialog, der in einen bildlich dargestellten Situationskontext eingebettet ist (vgl. Neuner/Hunfeld, 1993). • Die Lektionstexte Tauchen in einem Lehrwerk als Texte vor allem Dialoge auf (audiovisuelle Methode), signalisiert dies eine Schwerpunktsetzung im Bereich der primären Fertigkeiten (Hören, Sprechen); die Verwendung authentischer Texte aus dem Alltag verweist auf eine am pragmatischen Sprachgebrauch orientierte Zielsetzung (kommunikatives Konzept); beschreibende Texte (oft Einzelsätze) mit deutlichem Schwerpunkt auf einem Grammatikphänomen (sog. synthetische Texte) lassen auf ein an der Grammatik ausgerichtetes Konzept schließen. • Die Grammatikdarstellung Das jeweilige Grammatikpensum kann z.B. als Regelwerk (in der Zielsprache oder in der Muttersprache: Grammatik-Übersetzungs-Methode) oder als Sammlung von Beispielsätzen (audiolinguale Methode) formuliert sein. Es kann (durch Verwendung visueller Hilfen bzw. durch Farben) in der Form einer Signalgrammatik gestaltet sein. Es kann sprachliche Formen unter funktionalen Aspekten bündeln (kommunikatives Konzept). • Die Aufgaben- und Übungsgestaltung Besonders aufschlußreich ist eine genauere Betrachtung des Aufgaben- und Übungsapparates, da übergreifende Zielsetzungen und Übungsformen eng miteinander korrespondieren (vgl. Neuner/Krüger/Grewer, 1981). So bevorzugt die Grammatik-Übersetzungs-Methode Übungsformen, in denen Sätze nach einer bestimmten Grammatikregel gebildet werden müssen, stark gesteuerte Übungsformen (z.B. Umformungsübungen) und Übersetzungsübungen (von der Zielsprache in die Muttersprache/von der Muttersprache in die Zielsprache). Die audiolinguale Methode setzt auf Satzmusterübungen (pattern drill), Satzschalttafeln, 113

Das Inhaltsverzeichnis des Schülerbuches

Das Lektionsschema

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Substitutions- und Ergänzungsübungen (Lückentexte), auf Umformungsübungen, die Satzbildung aus Einzelelementen und das Auswendiglernen und Nachspielen von kurzen Dialogen; in der audiovisuellen Methode treten zu diesem Übungsapparat bildgesteuerte Übungen. Charakteristisch für die kommunikative Didaktik ist dagegen die Anlage von Übungssequenzen, die von gesteuerten zu immer freier angelegten Übungsformen fortschreiten (Vorbereitung, Aufbau, Strukturierung und Simulation von pragmatisch orientiertem Sprachgebrauch). • Die Entfaltung der Lehrwerkteile/ Medien Die Geschichte des neusprachlichen Unterrichts ist u. a. auch durch die Entfaltung der Lehrwerkteile und Medien gekennzeichnet. Liegt z.B. als Lehrmaterialangebot nur ein Lehrbuch vor, das „alles zwischen zwei Buchdeckeln" enthält, kann man davon ausgehen, daß es sich um ein Lehrbuch nach der Grammatik-Übersetzungs-Methode handelt. Bei einem audiovisuell bzw. kommunikativ gestalteten Lehrwerk dagegen werden in der Regel auditive Medien (Hörteile), visuelle Medien (Wandtafeln und Bildkarten bei der ersten Generation; später Diastreifen bzw. Diaserien; in den letzten 10—15 Jahren Folien für den Tageslichtprojektor und in der jüngsten Generation von Lehrwerken Video- und PC-Programme) angeboten. Dazu kommen Schülerarbeitsbücher und (immer umfangreicher werdende) Lehrerhandbücher. Entscheidend für die Frage, wie erfolgreich ein Lehrwerk in der Unterrichtspraxis eingesetzt werden kann, ist jedoch nicht, ob der Lehrende das didaktisch-methodische Konzept „beim Namen nennen" kann, sondern seine Kenntnis der Schwerpunkte, die ein Konzept in der Planung und Gestaltung des Unterrichts setzt. Entscheidend ist auch nicht, ob ein Lehrwerk „neu" oder „modern" ist, sondern ob es zu den für den jeweiligen Sprachkurs geltenden Rahmenbedingungen paßt, genauer,

- ob es sich in die geltenden Unterrichtsvorgaben einfügt (Zielsetzung, Zeitaufwand; Medienausstattung usw.); -

- ob der Lehrende das didaktisch-methodische Konzept des Lehrwerks „gut findet" und mit ihm in der Praxis zurechtkommt;

- ob die Lerngruppe (Zielvorstellungen; Lerntraditionen und -gewohnheiten; Grup-penzusammensetzung usw.) mit dem neuen Lehrwerk tatsächlich motivierter und erfolgreicher lernen kann.

Die folgende Checkliste von Fragen zur Begutachtung der Einsatzmöglichkeiten eines neuen Lehrwerks setzt deshalb bei einer Vorbesinnung auf diese Rahmenbedingungen an und konzentriert sich dann auf die genannten Aspekte des zu untersuchenden Lehrwerks. 3.1.3.1. Rahmenbedingungen des Lehrwerkeinsatzes a) Was die Kursplanung der Schule vorgibt und was sie ermöglicht

- An welchen übergeordneten Zielvorstellungen muß sich Ihr Unterricht orientieren? Wie kommen diese im vorliegenden Lehrwerk „ins Spiel" - offen oder indirekt/ verdeckt?

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- Wieviele Unterrichtsstunden stehen Ihnen zur Verfügung? Kann man in der vor-handenen Zeit das Lehrbuch „durchnehmen"? Gibt es im Lehrbuch deutlich markierte

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Abschnitte, die man gegebenenfalls weglassen kann? Gibt es Abschnitte/ Zusatzteile, die man verwenden kann, wenn man zusätzliche Zeit hat?

- Haben Sie in Ihrer Klasse die Voraussetzungen für die Entfaltung des Lehrangebots, das das Lehrwerk macht (z.B. Tageslichtprojektor/Kassettengerät/Sprachlabor etc.)?

b) Ihre eigene Position: Was Ihnen wichtig ist

- Sind Sie eher an der guten Gliederung und systematischen Aufbereitung des Lehr-stoffes (Grammatik/Wortschatz etc.) interessiert, oder gilt Ihr Interesse am Unterricht eher pädagogischen Fragen (Themen/Inhalte; Gespräche/Hilfen für die Schüler)?

- Welche Lehrwerkteile halten Sie - über das Lehrbuch hinaus - für unbedingt nötig (Folien/Kassetten/Arbeitsheft/Vokabelverzeichnis/Lehrerhandbuch/Zusatzlese-stoffe etc.)?

c) Was die Klasse braucht

- Welche besonderen Faktoren sind charakteristisch für die Lernsituation Ihrer Klasse (Schulform/Leistungsstand/Gruppenzusammensetzung/ Lerntraditionen/ Interessen etc.)? Bietet das Lehrbuch z. B. für Ihre Schüler relevante Themen? Gibt es Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung?

3.1.3.2. Das Lehrwerk insgesamt und die einzelnen Lehrwerkteile a) Der Eindruck bei der ersten Durchsicht Lehrwerke sehen an der „Oberfläche" oft recht ähnlich aus (bunt und reich bebildert oder monoton und langweilig). Versuchen Sie deshalb, sich zuerst einen Überblick darüber zu verschaffen,

- ob das Lehrwerk für Ihren Kurs/Ihre Schulart/Schulstufe/Altersgruppe verfaßt wurde und ob es zu Ihrer Klasse paßt;

- welche Zielsetzungen das Lehrwerk angibt: Grammatik/Wortschatz oder Sprechin-tentionen. (Welche davon halten Sie für wichtig? Fehlt Ihnen bei diesen Angaben etwas?)

- ob das Lehrwerk Aufschluß über die methodischen Leitlinien/Prinzipien gibt - ge-gebenenfalls finden Sie dazu Hinweise im Lehrerhandbuch. (Stimmen Sie ihnen zu? Halten Sie andere methodische Verfahren als die angegebenen für wichtig?);

- welche Lehrwerkteile (Kassetten/Folien/Arbeitshefte etc.) als unverzichtbarer Be-standteil des Programms angeboten werden. (Es gibt Lehrwerke, die Medien als integrierte Bestandteile ihres Lehrprogramms angeben - sind solche Lehrwerke für Sie einsetzbar?)

115 b) Das Schülerbuch

- Wenn Sie das Schülerbuch „mit den Augen der Schüler" durchblättern: Wirkt es attraktiv oder langweilig (Layout, Fotos, Zeichnungen, Lernstoffanordnung, Über-sichtlichkeit, Kapiteleinteilung, Anhänge)? Gefällt es Ihrer Meinung nach den Schülern? Und Ihnen?

- Sehen Sie sich zuerst das Inhaltsverzeichnis des jeweiligen Bandes an: Was enthält es (Angaben zu Themen/Situationen/Sprachanlässen/ Grammatik/ Wortschatzbereichen etc.)? Kann man aus der Anordnung des Inhaltsverzeichnisses

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einen Rückschluß auf die eigentlichen Schwerpunkte des Lehrwerks ziehen? Könnte man das Inhaltsverzeichnis dazu benutzen, den Schülern deutlich zu machen, was gerade „dran" ist, und was sie lernen sollen?

Da alle Lehrwerke in den ersten Lernjahren praktisch dieselben Grammatikpensen verarbeiten, ist es wenig lohnend zu überprüfen, ob die Grammatik vollständig ist. Es ist aber sehr wichtig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen,

- wie die Grammatik dargestellt wird: übersichtlich in Tabellen/mit visuellen Hilfen (Signalen/mit muttersprachlichen Erläuterungen - oder ob sie ganz fehlt;

- wie die Grammatik „verpackt" ist, d.h., wie die Koppelung von Grammatikpensum und Thema/Situation/Text/Sprechanlaß vorgenommen wird, denn das ist entscheidend für die Frage, ob das ganze „Unternehmen Deutschunterricht" für Ihre Schüler pädagogisch sinnvoll und praktisch verwertbar ist oder einfach „Pauken für die Schule" bleibt.

Schüler interessieren sich in erster Linie nicht für die Grammatik (die u. U. den Lehrer faszinieren kann), sondern für die Themen/Situationen/Identifikationsmöglichkeiten (Gleichaltrige in einer fremden Welt, die die Phantasie und die Vorstellungswelt der Schüler bewegen kann). Stellen Sie sich deshalb folgende Fragen:

- Welche Einblicke erhält der Schüler in die fremde Welt der Zielsprachenländer? Sind sie seinem Alter, Lernstand und seinen Erfahrungen und Kenntnissen gemäß?

- Sind die Themen so angelegt, daß der Schüler Anknüpfungsmöglichkeiten bekommt und sich selbst „ins Spiel" bringen kann?

- Welche Themen/Situationen/Rollen halten Sie für wichtig und interessant für Ihre Schüler? Was finden Sie gut gelungen, was fehlt Ihnen im Inhaltsbereich?

• Die einzelnen Kapitel im Schülerbuch/die Lektionseinführungstexte Vergleichen Sie anhand einiger Kapitel im Lehrbuch, wie neuer Lehrstoff eingeführt wird:

- Bekommt man den Eindruck, daß die Themen/Situationen/Texte/Rollen etc. nur dazu dienen, den neuen Grammatikstoff einzuführen und die neuen Grammatik-Strukturen möglichst oft anzubringen? Wirken die Texte hölzern und unnatürlich, oder sind sie für die Schüler interessant?

- Handelt es sich bei den Einführungstexten um „synthetische" Texte (für die Gram-matik konstruiert), oder bekommt der Schüler auch Gelegenheit, sich an authentischen Texten aus der fremden Realität zu schulen?

- Welche Hilfen werden zu den Einführungstexten gegeben (z. B. Bilder)? 116

- Tragen Bilder im Lehrbuch wesentlich zur Bedeutungsvermittlung bei? - Ist der Ablauf immer wieder schematisch? Kann man ihn variieren? Zeigt das

Lehrerhandbuch Alternativen für den Unterricht auf? Welchen Spielraum läßt es dem Lehrer und den Schülern?

- Kann der Schüler erkennen, was er lernen soll, oder soll er nur „blind reagieren", um das Programm zu erfüllen?

• Die Grammatikdarstellung

- Ist sie in den einzelnen Abschnitten übersichtlich und gut lernbar?

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- Gibt es visuelle Hilfen (Signalgrammatik)? Werden fremdsprachliche Phänomene erklärt (in der Fremdsprache/Muttersprache)? Gibt es zusätzliche systematische Grammatikübungen? Wie gut sind die Beispiele in der Grammatikdarstellung auf die Lektionsinhalte bezogen?

• Die Wortschatzdarstellung

- Gibt es zu jeder Lektion ein Wörterverzeichnis - einsprachig/zweisprachig? Mit Satzbeispielen? Mit visuellen Hilfen?

- Gibt es ein alphabetisches Wörterverzeichnis? Mit Verweisen auf das erste Vor-kommen?

- Können die Schüler mit der Wortschatzdarstellung wirklich lernen? - Sind die Wortschatzauswahl und der -umfang realistisch?

• Die Übungsteile Die Übungsteile im Lehrbuch lassen am deutlichsten erkennen, was in dem Lehrbuch als eigentlich wichtig angesehen wird und welche didaktischen Vorstellungen dem Lehrwerk zugrundeliegen. Fragen dazu:

- Sind die Übungen überwiegend nach einem „stimulus-response"-Schema angelegt (Satzschalttafel; pattern drill; Lückentext etc.)?

- Was wird geübt: vorwiegend Grammatik („Bilde Sätze"!), oder werden auch sinn-volle, an der Fremdsprachenverwendung orientierte Übungssequenzen gebildet?

- Wie abwechslungsreich ist der Übungsapparat (Ermüdungserscheinungen!)? - Gibt es Anregungen für weiterführende, kreative Übungsgestaltung (z. B. Rollenspiel;

freies Schreiben etc.)? - Bietet der Übungsteil Auswahlmöglichkeiten für unterschiedliche Interessen/

Lernbedürfnisse/ Lernstile in der Klasse? - Kann man die Übungen auch gut als Hausaufgaben verwenden?

c) Weitere Lehrwerkteile • Hörtexte (Kassetten)/Sprechübungen auf der Kassette

- Werden die Einführungstexte in angemessener Sprache und mit angemessenem Sprechtempo geboten?

- Bieten die Hörtexte Möglichkeiten zur Einübung des Verständnisses authentischer Texte? Welche Verstehensstrategien werden durch die Übungen angeregt?

- Variieren die Hörtexte die Lesetexte im Lehrbuch? 117

- Wie gut ist die Qualität der Hörtexte? - Gibt es zusätzliche Übungen zur Entwicklung des Hörverständnisses und der

Sprechfertigkeit? • Visuelle Lehrwerkteile: Dias, Folien, Videos etc.

- Wie gut ist ihre Qualität? - Wie gut ist die Visualisierung des neuen Lernstoffes gelungen? - Bieten sie weitere spezifische Übungsanlässe (Redeimpulse/

Zusatzarbeitsmöglichkeiten)? • Tests

- Wie sind sie angelegt (leicht korrigierbar/kurz/umfangreich)?

- Gibt es Tests?

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- Kann man sie gut einsetzen? - Was überprüfen sie wirklich (vorwiegend formalsprachliche Aspekte [Grammatik,

Wortschatz] oder auch andere Sprachverwendungszusammenhänge)? - An welcher Stelle im Lehrgang sind sie einsetzbar (nach jeder Lektion)?

• Weitere Lehrwerkteile

- Lesestoffe, - Grammatiktabellen - Kann man sie sinnvoll einsetzen (Zeitaufwand)? - Wortschatzhefte.

d) Gesamtanlage des Lehrwerks

- Zu welchem Abschluß führt das Lehrwerk? Gibt es zu diesem Abschluß eine klare Profilbestimmung, an der man die Ziele messen kann (z. B. Zertifikat des Goethe-Instituts)? Erfüllt das Lehrwerk die gesetzten Forderungen? Wo sind Defizite er-kennbar?

- Entwickelt sich das Lehrwerk in seinen einzelnen Bänden/Stufen weiter (Themen/ Arbeitsformen/Lernstoffdarstellung), oder bleibt es über Jahre hinweg einem Ab-laufschema verbunden? Wie „offen" oder „geschlossen" ist das Gesamtkonzept? Wie kann man als Lehrer den Zwang und die Steuerung, die das Lehrbuch auf den Unterricht ausübt, bei dem vorliegenden Lehrwerk aufbrechen? Was trägt das Lehrwerk selbst in seiner Konzeption dazu bei, daß es immer wieder beiseite gelegt werden kann?

... 118

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ERFAHRUNGEN MIT LEHRWERKEN SAMMELN Nach: Bimmel/Kast/Neuner: Arbeit mit Lehrwerklektionen. Erprobungsfassung 8/93 (Langenscheidt/DIFF/GhK/Goethe-Institut) ________________________________________________________________ 1.) Ein Kapitel / eine Lektion durchblättern: Globaler Eindruck Was ist Ihr erster Eindruck? Wie kann man die einzelnen Teile mit einem Wort charakterisieren? (Wortschatz / Lesetext / Einführungstext/ Übungsteil / Situationen / Grammatik ....) Wie sind die einzelnen Teile des Kapitels miteinander verbunden? Welcher Teil hat den größten Umfang und ist besonders übersichtlich (oder sind alle Teile gleichwertig?) Welche Aufgaben haben die einzelnen Teile ? Was wird geübt? Wie sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilen? 2.) Inhaltsverzeichnis ansehen Worüber gibt Ihnen das Inhaltsverzeichnis die genauesten Informationen (oder sind alle Informationen gleichwertig?) Was erfahren Sie über die Themen der Texte / Lektionen? Worüber erfahren Sie am wenigsten? Was spielt in diesem Lehrbuch die "Führungsrolle" Welche Progression (Grammatik / Themen / Wortschatz / ist schon am Inhaltsverzeichnis ablesbar? Welche Hinweise stehen dazu im Vorwort / Lehrerhandbuch? 3.) Lektion / Kapitel genauer ansehen Was fällt Ihnen auf zur Bildverwendung zu den Texten zur Dialoggestaltung zur Gestaltung der Übungen zur Darstellung der Grammatik ? Wo gibt es in der Lektion Photos, Zeichnungen, visuelle Hilfen ? Welche Texte / Textsorten (Dialoge, beschreibende Texte, Sprechblasen, authentische Texte, Comic, Hörtext...) Welche Übungen ? (Leseverstehen, Hörverstehen, Sprechfertigkeit, Schreibfertigkeit, Wortschatzarbeit, Grammatikarbeit) Wo liegen die Schwerpunkte der Lektionsteile (Leseverstehen, Grammatikdarstellung, Grammatik üben, Hörverstehen, Sprech/Schreibfertigkeit; Einführung neuer Wortschatz / neue Strukturen, interkulturelle Lernziele, Bewältigung von Situationen ... Welche Übungstypen sind in den Übungsteilen zu finden? (falsch-richtig; Dialoge machen; Sprechblasen und Fotos zuordnen; Bild beschreiben; Redemittel/Äußerungen von Personen vorhersagen; Dialoge nach Modell machen; Sprechblasen ausfüllen; eigene Erfahrungen, Erlebnisse etc.beschreiben oder darstellen; eigene Wünsche etc. äußern; situative Drillübungen; Einsetzübungen ... Welche Fertigkeiten/Teilfertigkeiten sollen damit geübt werden? 4.) Versuchen Sie, Lernziele zu den Lektionsabschnitten zu formulieren ! Was sollen die Schüler zur Erreichung dieser Ziele tun? (Welche Lernaktivitäten / Handlungsketten schlägt das Buch vor?) Wie sollen die Schüler arbeiten (Sozialformen: frontal; Einzelarbeit; Partnerarbeit; Lerngruppen ?) - Kette der Sozialformen skizzieren 5.) Welche Hilfsmittel / Medien brauche ich zur Arbeit mit der Lektion / dem Buch? Welche Lehraktivitäten sind notwendig? (z.B.: Anregen / Anleiten eines szenischen Spiels oder anderer Sozial- und Übungsformen; Arbeitsaufträge für Gruppenarbeit; Tafelbilder; Umgang mit technischen Geräten ...

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Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur : pädagogische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der Lehrwerkgestaltung - Verlag Sauerländer, Aarau, Frankfurt am Main, Salzburg, 1995.

Vorläufige Definition des übergeordneten Lehrziels Kommunikationsfähigkeit

KOMMUNIKATIONSFÄHIGKEIT

sprachspezifische Dimension

kulturspezifische Dimension allgemein-erzieherische Dimension

− vier Fertigkeiten (Hörverstehen, Sprechen, Leseverstehen, Schreiben

− Kenntnis syntaktischer, lexikalischer, phonologischer und graphischer Sprachmittel

− zielgerichtete, partner- und sachgerechte Integration dieser Sprachmittel zu sprachlichen Handlungen

Landeskunde gemäß den ABCD-Thesen: − primäre Aufgabe nicht Information, sondern

Sensibilisierung − Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und

Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen

− Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen − Toleranz gegenüber Andersartigem − Fähigkeit, durch Einblicke in eine andere

Kultur die eigenen kulturspezifischen Ausprägungen zu erkennen und beide als gleichwertig zu akzeptieren

− sozialspez. Qualifikationen (Selbständigkeit; Verantwortungsbewußtsein; Kritikfähigkeit; soziales Verhalten; Solidarität)

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Erweiterung des übergeordneten Lehrziels Kommunikationsfähigkeit: Einbindung des Lernzielbereichs AUTONOMIE

Lehrziel KOMMUNIKATIONSFÄHIGKEIT in einer Sprache

sprachspezifische Dimension

kulturspezifische Dimension

− vier Fertigkeiten (Hörverstehen, Sprechen, Leseverstehen, Schreiben

− Kenntnis syntaktischer, lexikalischer, phonologischer und graphischer Sprachmittel

− zielgerichtete, partner- und sachgerechte Integration dieser Sprachmittel zu sprachlichen Handlungen

Landeskunde gemäß den ABCD-Thesen: − primäre Aufgabe nicht Information,

sondern Sensibilisierung − Entwicklung von Fähigkeiten,

Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen

Lehrziel AUTONOMIE im Lernen einer Sprache Grundlegende Qualifikationen (nach Rampillon): − eine Lernhaltung, die für Spracherwerb förderlich ist − Einsicht in sinnvolle Arbeits-(Lern)-organisation und

Kenntnis grundlegender Lerntechniken zum Fremdsprachenerwerb

− Beherrschung einer hinreichenden Menge von Kommunikationsstrategien

− Verfügen über interkulturelle Gesprächskompetenz

Die anzustrebenden Qualifikationen erfüllen drei Funktionen: − Unterstützung der Entwicklung der

Kommunikationsfähigkeit in einer Zielsprache − Ermöglichung des Weiterlernens nach Abschluß

des schulischen FU − Erleichterung des Zugangs zu anderen

Fremdsprachen

ALLGEMEINE ERZIEHERISCHE LEHRZIELE ALS BASIS:

− Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen − Toleranz gegenüber Andersartigem − Fähigkeit, durch Einblicke in eine andere Kultur die eigenen kulturspezifischen Ausprägungen zu erkennen und beide als

gleichwertig zu akzeptieren − soziale Qualifikationen (Selbständigkeit; Verantwortungsbewußtsein; Kritikfähigkeit; soziales Verhalten; Solidarität)

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Qualifikationen des autonomen Fremdsprachenlerners (nach Rampillon)

1. Lernhaltung − Vorantreiben des Lernprozesses durch vielfältige Zugänge zur Zielsprache

− Lernersprache optimal nutzen (produktiv und rezeptiv) − bei jeder Gelegenheit neue Elemente in die Lernersprache integrieren

− Einsatz des eigenen Kontext- und Weltwissens bei Rezeption und Produktion

2. Arbeitsorganisation und Lerntechniken allgemeine Maßnahmen für gute Lernumgebung

Lernstrategien Lerntechniken mehr oder weniger definierte Arbeitspläne, die vom autonomen Lerner bewußt eingesetzt werden

„Arbeitswerkzeuge“

3. Kommunikationsstrategien

reduktive Strategien

aktive Problemlösungsstrategien

Auslassungen; Themenvermeidung; Aufgabe der Äußerungsabsicht Nachfragen; Benutzen von Deixis; Kodewechsel; Generalisierungen; Vereinfachungen; Raten ... DIESE MÜSSEN GELERNT UND GEÜBT WERDEN

4. Interkulturelle Gesprächskompetenz

Kenntnis kulturspezifischer Verhaltensweisen der Zielsprache und der Erstsprache Der autonome Lerner weiß, daß seine eigenen Gepflogenheiten und Rituale im sprachlichen und nichtsprachlichen Verhalten nicht allgemein gültig sind. Er weiß über die eigenen Normen und daß kulturspezifische Unterschiede auch in der eigenen Sprachgemeinschaft bestehen.

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AUTONOMIE im Unterricht wird erreicht durch:

und Lernen als selbstgesteuerter Prozeß bewußte Reflexion über sämtliche Lehr- und Lernaktivitäten

Minimalkriterien (nach Weinert 1982): − Spielräume für selbständige Festlegung von Lernzielen, Lernzeiten

und Lernmethoden müssen vorhanden oder erschließbar sein; − Lernende muß diese Spielräume wahrnehmen und tatsächlich

folgenreiche Entscheidungen über sein Lernen treffen können; − Lernende übernimmt dabei zugleich die Rolle des sich selbst

Lehrenden (Selbstinstruktion: Lernvorgang planen, notwendige Informationen beschaffen, geeignete Methoden auswählen, eigenen Lernfortschritt überprüfen usw.

− lernrelevante Entscheidungen müssen zumindest teilweise auch subjektiv als persönliche Verursachung der Lernaktivitäten und der Lernergebnisse erlebt werden und dadurch Selbstverantwortlichkeit für das eigene Lernen einschließen.

didaktische Ansätze,

die mit diesen Kriterien übereinstimmen: 1. Freinet-Pädagogik (vgl. Nodari 1995, S. 106 - 112) 2. Pédagogie de la négociation (vgl. Nodari 1995, S. 112 - 115) 3. das Flower-Model (vgl. Nodari 1995, S. 115 - 118) Alle diese Ansätze sind nicht ohne weiteres auf den schulischen bzw. institutionellen Fremdsprachenunterricht übertragbar!

Vermittlung individueller Vorgehensweisen/Strategien und Techniken zur Steigerung der Lernkompetenz der Lernenden: Lernen lehren, d.h. „mit und neben dem inhaltlichen Wissenserwerb Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler zu entwickeln, die in bereichsspezifischer Weise alles künftige Lernen verbessern sollen“ (Weinert 1983, 329). A) technizistische Interpretation: Vermittlung von Lerntechniken.

Lerntechniken sind aber nicht mehr als nützliche Instrumente zur Verarbeitung eines spezifischen Lerninhalts und machen lediglich einen Teilaspekt innerhalb eines Autonomie fördernden FU aus!

B) Metakognitive Reflexion: Bewußtes Nachdenken über das Lernen; Reflexion über den durchlaufenen Lernweg

3 Modelle (vgl. Nodari 1995, S. 121 ff):

1. Lernerautonomie durch drei Niveaus (Schulversuch in Finnland) 2. Modell „Eigenständiger Lerner“ (allgemeindidakt. Modell)

3. „Didaktik der Kernidee“

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Voraussetzungen für autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht 1.

Ziel der Lernerautonomie ist eng verbunden mit allgemein-erzieherischen Lehrzielen wie : kooperative Haltung, Selbstkritik, Toleranz gegenüber den Mitschülern. Unbedingt notwendig ist eine Lernumgebung, in der Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch im Unterricht von den Schülern als wichtige Merkmale des Unterrichts wahrgenommen werden.

2. Den Schülern wird Verantwortung für unterrichtsrelevante Entscheidungen übertragen in Bezug auf die Festlegung der Ziele, die Auswahl des Materials/der Lerninhalte, die Auswahl der Vorgehensweisen bei der Bearbeitung des Lerngegenstandes, die Evaluation der Resultate. Der Prozeß der Entscheidungsfindung muß als eine offene Verhandlung zwischen allen Beteiligten wahrgenommen und erlebt werden.

3 Als Unterrichtsgegenstand und Bewertungsbasis für Leistungen werden berücksichtigt: der fachspezifische Lerngegenstand, die individuellen Lernwege, die Lern- und Handlungsweisen.

Die Unterrichtsplanung kann daher nie mehr sein als ein offener Entwurf. 4.

Die Schüler müssen zu metakognitiven Reflexionen angeregt werden und Angebote zur Verbesserung der eigenen Handlungs- und Lernweisen erhalten.

Methoden dazu: − Dokumentation der Lernerfahrungen (Wie habe ich das verstanden, erlebt, gelernt? − Austausch von Lernerfahrungen (Wie haben die anderen das verstanden, erlebt, gelernt?) − Arbeitsrückschau (Was haben wir gemacht? Was würde ich gleich oder anders machen?)

5. Die Schüler müssen angeregt werden, durch den Vergleich mit kulturspezifischen Ausprägungen in der Fremdsprache über ihre eigenen kulturspezifischen Verhaltensweisen und Normen nachzudenken.

6. Der Lehrer muß ebenfalls über seine eigenen kognitiven Lern- und Verhaltensweisen im Bilde sein. Dafür ist Selbsterfahrung beim Lernen einer Fremdsprache gut.

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Funktionen von Lehrwerken

1. Konsequente Berücksichtigung allgemein-erzieherischer Lehrziele

2. Hinführung zur Autonomie 3. Leitfaden zur Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit

Möglichkeiten dafür: − Texte, deren Inhalte pädagogisch

grundlegende Aspekte des menschlichen Lebens thematisiert (Solidarität, Freundschaft, Toleranz, Einfühlungsvermögen usw.)

− Lehrwerke können Unterrichts- und Sozialformen vorschlagen, die kooperatives Handeln verlangen

Didaktisierung des Lernens (Szulc) durch: − schrittweise Übertragung von Verantwortung

auf die Schüler − metakognitive und kulturspezifische

Reflexion

Umsetzungsmöglichkeiten: − Anregungen zur Definition der eigenen Ziele − Aufzeigen unterschiedlicher

Vorgehensweisen beim Lernen − Angebote zur Selbstevaluation − Anregungen zur Dokumentation und zum

Austausch von Lernerfahrungen − Thematisierung interkultureller Aspekte usw.

Funktion, als Leitfaden „begrenztes Sprachmaterial in einer bestimmten Stufung anzubieten und methodisch kontrolliert zu verarbeiten“ (Bedermeier 1984, 295).

Neuer Stellenwert dieses Bereiches: − nicht mehr, wie in den meisten Lehrwerken,

fast ausschließliche Aufgabe des Lehrwerks, sondern

− deckt nur einen der drei zentralen Zielbereiche ab!

„Damit die traditionell dominierende Rolle des Lehrwerks im schulischen Fremdsprachenunterricht abgebaut werden kann, muß sich der dritte Funktionsbereich im Sinne Düvells (1983,189) ‘auf die Vermittlung von Grundwissen und Grundfertigkeiten beschränken’. Anwendungen des erworbenen Wissens und Könnens gehören vor allem zu den ersten zwei Funktionsbereichen, die aufgrund ihrer Zielsetzungen und Inhalte kommunikatives handeln im Unterricht erfordern“ (Nodari 1995, 135).

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Motivation und Lehrwerkgestaltung

Konsequenzen auf drei Ebenen:

Themen und Inhalte Ziele und Zwecke Vorgehensweisen − sollen so gewählt und präsentiert werden,

daß die typischen Probleme und Bedürfnisse der mentalen und physischen Entwicklungsphase jugendlicher Lerner berücksichtigt werden;

− dadurch gibt es einen Bezug zu den gegenwärtigen Interessen der Jugendlichen

1. Ziele müssen innerhalb eines Lehrwerkkapitels differenziert angeboten werden (z.B. minimale und maximale Ziele).

2. Bezug zwischen erworbenem Wissen und Können und Zweck bzw. Nützlichkeit muß nachvollziehbar sein. Das Lehrbuch sollte Angebote enthalten für:

a) Anregungen geben für unterschiedliche Unterrichtsformen für spezifische Lerninhalte (Sozialformen; Grammatikbuch für Werkstattunterricht; Projektarbeit etc.);

b) Lehrwerk sollte den eigenen Umgang für die Schüler steuern und erleichtern (Inhaltsverzeichnisse etc. bis hin zu Übungen zur Handhabung des Lehrwerks;

c) Vorgehensweisen zeigen, die das Lernen strukturieren und erleichtern (Lernstrategien/ Lerntechniken);

d) Reflexion über Vorgehensweisen einleiten

Unmittelbare Verwendungsmöglichkeiten

− in Projekten (Wandzeitungen; Collagen; Fotoromane usw.

− in Kontakten mit Muttersprachlern, die am Schulort möglich sind (Klassenkorrespon- denz; Interviews usw.)

− im reziproken Lehren (zu zweit; in Gruppen; im Klassenverband oder in altersheterogenen Gruppen)

Nachvollziehbare zukünftige Verwendungsmöglichkeiten

z.B. im Rahmen von Projekten, deren Höhepunkt in einer zeitlich beschränkten, zukünftigen Realisierung besteht ( Austausch; reisen; Theatervorstellung; Hörspiel; Videofilm usw.). Zukunftsorientierte Inhalte sollten in einen Kontext eingebettet sein, der den Schülern den Bezug zum gegenwärtigen Lernen garantiert.

Claudio Nodari: Perspektiven einer neuen Lernkultur:

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Allgemein-erzieherische Lehrziele und Lehrwerkgestaltung

Lehrwerke können allgemein-erzieherische Lehrziele unterstützen durch: 1. Texte (auch Bilder, Illustrationen, Diagramme) mit pädagogisch relevanten Inhalten: Diese Texte, Bilder usw. sind so zu gestalten, daß sie zu

einer Auseinandersetzung und damit zu kommunikativem Handeln anregen. 2. Anleitung und Hinführung zu Unterrichts- und Sozialformen , die zwangsläufig kooperatives Handeln verlangen. Lehrwerke sollten Vorgaben

und Anregungen geben für die Unterrichtsform, die in bezug auf bestimmte Lehrziele und Lerninhalte einzusetzen ist.

UNTERRICHTSFORMEN

2.1. Stark an das Lehrwerk gebunden 2.2. Inhaltlich über das Lehrwerk hinausgehend zu Schülerinteressen führend

2.1.1. Lehrwerkorientierter Unterricht: frontale Wissensvermittlung; starke Steuerung durch den Lehrer (vgl. S. 165 f.) 2.1.2.Trainingsorientierter Unterricht: Üben, Sichern, Eintrainieren von Lerninhalten, so daß sie im kommunikativen Gebrauch möglichst schnell zur Verfügung stehen: Könnensentwicklung (vgl. S. 167 ff.; Vorschlag: Übungswerkstatt).

2.2.1. Projektorientierter Unterricht: (vgl. S. 170 ff.) Von einem Projekt im Lehrwerk ist erst dann zu sprechen, wenn der Projektvorschlag auch Hilfen und Anregungen gibt zur: Festlegung der zu erreichenden Ziele, Planung des Vorhabens, Durchführung des geplanten Projektes, Präsentation der Ergebnisse, Evaluation eines Projektes. 2.2.2.Themenorientierter Unterricht: )(vgl. S. 173 f.)Nach Klafki (1985, 234) ein „Unterricht in Gestalt relativ eigenständiger, fachlicher und fächerübergreifender Themen, die verhältnismässig überschaubare Phasen umfassen, aber meistens mehrperspektivisch strukturiert sind.“ 2.2.3. Epochenunterricht: (vgl. S. 174 ff.) Behandlung eines Themas mehrperspektivisch und fächerübergreifend (Rudolf Steiner/ Waldorfschule). 2.2.4. Fallstudie: (vgl. S. 176 ff.) Konzentration auf ein fachspezifisches, meist sozial relevantes Thema 2.2.5. Rollenspiel/ Simulationsspiel: (vgl. S. 178 ff.) Nicht mit Dialogübungen verwechseln! Es geht primär um Einfühlen, Probehandeln und Reflexion über das Erlebte.

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Autonomie und Lehrwerkgestaltung

1. Orientierung der Schüler (vgl. S. 185 ff.): die Schüler sollen wissen: − was sie lernen (werden)

− wo sie was im Lehrwerk finden − wohin dieses Lernen führt

− wozu sie das Gelernte verwenden können (jetzt und später) − wie sie lernen (sollen)

− wieviel sie schon gelernt haben − und wieviel noch zu lernen ist.

Zwei Ebenen der Orientierung

Orientierung im Lehrwerk Was ist wo zu finden?

Orientierung in den Lehrwerkinhalten Wie ist das zu verstehen?

Orientierung durch: − Lehrwerkübersicht − Inhaltsverzeichnisse − Vorwort − Register − Grammatiküberblick − Übungen zur Orientierung (vgl. S. 187 - 192)

Orientierung durch: − konsequentes graphisches Konzept − verständliche instruktionale Texte (mit

Angaben zur Sozialform, zum Medium, zur Zeit und zur Phasierung)

− offene Übungsstrukturen und Aufgabenstellungen, die einen hohen Übertragungswert auf andere Lerninhalte haben

− Unterstützungen zum Verständnis authentischer Texte (Illustrationen, Fotos, Diagramme, Tabellen usw.)

(vgl. S. 192 - 196)

2. Übertragung von Verantwortung für den eigenen Lernprozeß (vgl. S. 197 ff.)

durch:

− Differenzierung der Ziele: minimale/ maximale Ziele; Zielangaben am Kapitelanfang und zu einzelnen Lehrwerkinhalten

− Differenzierung der Inhalte: Muß-Pensum; Kann-Pensum; Will-Pensum

− Differenzierung der Aufgabenstellung

⇒ Ziel: Entscheidungsfähigkeit und

Verantwortungsbewußtsein des Schülers fördern

− Angebote machen zur Entwicklung des eigenen Repertoires von Lerntechniken − Angebote zur Optimierung eigener Kommunikationsstrategien, v.a. produktiver

Problemlösungsstrategien (z.B. Sprachwechsel, Anlehnung an eine andere Sprache, Paraphrase, Generalisierung, Wortprägung, Umstrukturierung, Appelle um Hilfestellung, Geräuschimitation, Gestik und Mimik)

− Angebote zum Selbstlernen (z.B. Übungsschlüssel, Übungssammlungen, Selbsttests)

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3. Reflexion über Lern- und Verhaltensweisen (vgl. S. 209 ff.)

Metakognitive Reflexionen Reflexionen über kulturspezifische

Verhaltensweisen ⇒ Bewußtwerden unterschiedlicher

Lernweisen ⇒ Optimierung eigener Lernweisen durch: a) Kennenlernen des eigenen Lernertyps b) Rückblick auf Lernerfahrungen und

Austausch über Lernerfahrungen (nach bestimmten wichtigen Inhalten; am Ende einer Einheit; Evaluation von Projekten; Lerntagebücher)

c) Thematisierung des Unterrichts (als Thema einer Lehreinheit; „Klassenzeugnis für Lehrer“ usw.) und für erwachsene Lerner

d) Formulierung von Lernmotivationen und Lernbedürfnissen

Bei der Auswahl kultureller Erscheinungen sollte den in Ausgangs- und Zielkultur scheinbar gleichen Erscheinungen der Vorrang gegeben werden, da sie am gefährlichsten sind und am ehesten zu Mißverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen . Folgende Bereiche kulturspezifischer Verhaltensweisen legen eigenkulturelle Reflexionen nahe: 1. Sitten und Gebräuche 2. Sprachliche und nichtsprachliche Routinen

(d.h. sprachliche Ausdrücke, Gesten und mimische Ausdrücke, die zur Gewohnheit geworden sind und weitgehend unreflektiert benutzt werden)

3. Sprachliche und nichtsprachliche Rituale (d.h. immer gleichbleibende Handlungsfolgen: Begrüßung, Einladung usw.) bzw. Gepflogenheiten (d.h. bewußt gepflegte Handlungsweisen, z.B. Komplimente, Höflichkeitsformen, Gepflogenheiten beim Essen, auf Partys, beim telefonieren usw.)

4. Werte und Einstellungen; hierfür sind besonders literarische Texte geeignet

ACHTUNG: „Man kann nicht einfach irgendwo ein paar interkulturelle Bausteine in ein ansonsten grammatik-, kommunikations-, oder wie auch immer orientiertes Lehrwerk einflechten“ (Rösler 1987, 24). „Um Fremderfahrungen zu ermöglichen, genügt es auch nicht, in einem Kapitel zum Beispiel eine Sprachreise nahezulegen oder einen Klassenaustausch zu thematisieren. Ebenso ist es unzulänglich, jeweils nach einem landeskundlichen Text die Frage zu stellen: ‘Und wie ist es in Ihrem Land?’ Die Förderung einer differenzierenden Wahrnehmung eigener kulturspezifischer Ausprägungen bedarf vielmehr einer umfassenden Konzeption und einer stimmigen Progression der entsprechenden Inhalte und Anregungen“ (Nodari 1995, 220).

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Christian Thomas INTERKULTURALITÄT, PRAGMALINGUISTIK UND KRITISCHE KOMPETENZ IN

NEUEN DaF-LEHRWERKEN Fallbeispiel: Die Suche 2

Quelle (am 19.09.2003): http://www.spz.tu-darmstadt.de/projekt_ejournal/jg_03_2/beitrag/thomas2.htm Inhalt: 1. Einleitung: Kriterien zur Begutachtung von Die Suche 2 2. Zu Konzeption und Struktur von Die Suche 2 2.1 Konzeption/Lehrziele 2.2 Fertigkeiten/Arbeitsmittel 2.3 Illustration und Layout 2.4 Didaktik: der Lernroman 2.5 Übungen/Text- und Bildauswahl 2.6 Aspekte der Grammatikvermittlung 3. Landeskunde/interkulturelle Themenplanung 3.1 Mannheimer Gutachten/Beirat Deutsch als Fremdsprache 3.2 'Interkulturalität', 'Kultur', und 'Stereotypen' im Zweitspracherwerb 3.3 Beispiel einer interkulturellen Methodik 3.4 Die Suche 2 im Blickwinkel interkultureller Didaktik und Methodik 4. Schlußbemerkung 1. Einleitung - Kriterien zur Begutachtung von "Die Suche 2" Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Beurteilung des DaF-Lehrwerks Die Suche 2. Hierbei werden Erkenntnisse der Zweitspracherwerbsforschung zu Rate gezogen, sowie Empfehlungen und Befunde des Mannheimer Gutachtens und des Beirats Deutsch als Fremdsprache berücksichtigt. Es soll überprüft werden, inwiefern das Lehrwerk den Ansprüchen genügt, die ein aktualisierter Stand von Forschung, Theorie und Praxis im Fremdsprachenerwerb stellt. Die Suche 2 folgt dem kommunikativen Ansatz. Kommunikative Ansätze verstehen Sprache als Handlungsinstrument. Bei der Behandlung von Sprachformen und -strukturen ist es demnach wichtig, deren "funktionelle Bedeutung" sowie deren Einbettung in Kontexte zu berücksichtigen (vgl. Neuner, 1981, S. 14). Forschungsergebnisse bestätigen, daß Lernende Fremdsprachen kognitiv nach funktionell-pragmatischen Gesichtspunkten erwerben und daß Kontexte für das Verstehen und Produzieren von sprachlichen Äußerungen unabdingbar sind (vgl. Klein, 1986). Die kulturelle Komponente (als ein solcher Kontext) ist von der Sprache nicht abtrennbar. Sie schlägt sich unter anderem in den verschiedenen Kodes (zum Beispiel in Umgangsformen) und auch in der Grammatik nieder.1 Die Sprachpotentiale, wozu nach

1Beispielsweise muß die temporale Deixis im Deutschen, die unter anderem in Tempus und Verbflexion ausgedrückt wird, dem Kontextwissen der Hörer(-innen) angepaßt sein, um von

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Roche (1989, 123) mindestens kommunikative, kulturelle, grammatische und poetische gehören, sind miteinander verwoben. Kultur sollte daher nicht - wie bisher so oft - als 'fünfte Fertigkeit' ('fifth skill') im Fremdsprachenunterricht ein Schattendasein fristen.2 Darüber hinaus ist es nicht genug, Kultur im Rahmen der Landeskunde einfach zu präsentieren, sie muß im interkulturellen Vergleich (dabei sowohl aus der Perspektive der Ziel- als auch der Ausgangskulturen - einschließlich der Reflexion auf die jeweils eigene Kultur/Sichtweise3) kritisch behandelt werden. Schon vor fast zwanzig Jahren hatte sich das Mannheimer Gutachten (Engel et al., 1978, S. 40ff.) für den Einbezug kulturvergleichender Fragen, der Problematisierung der Erwartungshorizonte der Lernerinnen und Lerner sowie einer breiten Palette kultureller Themen/Kodes ausgesprochen (imaginative Literatur, Regionalismus, Höflichkeitsformen, und andere). Auch Der Beirat Deutsch als Fremdsprache (Weinrich et al., 1992) lieferte wertvolle Richtlinien für die Kulturvermittlung. Der Kulturvergleich setzt die Erkenntnis voraus, daß sich Kulturen mitsamt ihren Sprachpotentialen voneinander unterscheiden.4 Im Rahmen des Begriffs 'kritische Kompetenz' bietet Roche (1989, 124ff.) fünf Kriterien5 für einen kulturkontrastiven Unterricht an, der über

diesen verstanden zu werden. Kognitive Kategorien wie z. B. Raum, Zeit und Modalität werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich realisiert. Vgl. Klein, 1986, S. 117ff. 2Webber, 1990, S. 132, weist darauf hin, daß Kultur im Unterricht oft zur Auflockerung ("break from routine"), als eine Ansammlung von Tatsachen ("a number of facts") als Hintergrundinformation ("background information") oder schlicht als Rechtfertigung für den Gebrauch audio-visueller Technik gebraucht wurde. 3Roche (1994, 29) beanstandet, daß im Lehrapparat des Tübinger Modells (Mog und Althaus, 1992 und Typisch Deutsch (Bahal-Thomsen et al., 1993) fast ausschließlich landeskundliche Aspekte der Bundesrepublik Deutschland behandelt werden, während (ursprünglich eingeplante) nordamerikanische Rezeptionsbedingungen und Verhältnisse kaum berücksichtigt sind. Vgl. auch die Beurteilung des Lehrwerks Sprachbrücke 1 (Mebus, 1987) in Strzelczyck, 1994, 111f. Aufgrund der Konstruktion eines generalisierten Auslands, wird in Sprachbrücke im Hinblick auf Deutschland "...die Fremdperspektive vor- und festgeschrieben".) 4Trotz der durch unser Technologiezeitalter bedingten Globalisierungstendenzen kommt die Bedeutung solcher kulturellen Unterschiede in allen Lebensbereichen zur Geltung. Die Tätigkeit des Sprachlehrers ist mit der des Anthropologen und darüber hinaus mit jeder anderen vergleichbar, die die hermeneutische Vermittlung zwischen verschiedenen Systemen und Diskursen in ihrer Zielsetzung beinhaltet. Vgl. Peck, 1992, 12; Kramsch, 1993, S. 206. Auch im internationalen Handel, in der Werbung und in anderen Bereichen der Wirtschaft spielen kulturelle Unterschiede eine wichtige Rolle - vgl. zum Beispiel deren Thematisierung in den verschiedenen Beiträgen von Nancy J. Adler, Roger E. Axtell, Gerald V. Barrett, Bernard M. Bass, und Richard Brislin. Wo diese Differenzen nicht berücksichtigt werden, entstehen Mißverständnisse zwischen den Angehörigen verschiedener Kulturen (Webber, 1990, 133f.). Webber zeigt anhand eines Beispiels aus der Medienpraxis, wie die kulturspezifischen semantischen Felder des deutschen Begriffes "Schwein" und des englischen "swine" und "pig" zu Mißverständnissen zwischen englischen und deutschen Muttersprachlern (Lesern) führen. 5Diese lauten wie folgt: "1. Themen und Texte müssen kritisch im Sinne von konstitutiv und relevant für eine Gesellschaft sein. 2. Die Themen und ihre textuelle Wiedergabe sollen kritisch als gesellschaftsintern kontrovers sein. 3. Das interkulturelle Spannungspotential in der Thematik sollte für das Fremd- und Eigenverständnis nutzbar gemacht werden. 4. Sowohl die inter- als auch die intrakulturellen Spannungen sollen in ihrer vollen Gegensätzlichkeit behandelt und nicht eingeebnet werden. 5. Das Lernziel des selbständigen Umgangs mit

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die Entwicklung einzelner Kompetenzen hinaus die kritische Denkfähigkeit der Lernenden, das "[A]nalysieren", "[V]ergleichen" und "kreativ[e] [W]eiterverarbeiten" des Sprachmaterials beanspruchen soll (Roche, 1989, 123). Diese Aktivitäten sind auch Bestandteil der pragmatischen Lernerleistungen, wie sie die Forschung herausgearbeitet hat (zum Beispiel nach Klein (1986), der sie unter den Überbegriffen Analyse, Synthese, Einbettung, Vergleich erfaßt6 - und ohne die der Erwerb der Zielsprache nicht möglich ist. Aufbauend auf dem Konzept einer 'kritischen Kompetenz' entwickeln Roche und Webber (1994) in ihrem Textbuch Für- und Widersprüche eine nutzbare interkulturelle Methodik, die wir heranziehen, um die Landeskundepräsentation in Die Suche 2 zu prüfen. 'Kritische Kompetenz', Ausbildung der Sprachpotentiale, Kommunikativität, Kontextualismus, pragmatische Prinzipien und Interkulturalität, bilden den Rahmen für die nachfolgende Untersuchung.7 DEN TEXT DER UNTERSUCHUNG UND DIE VERWENDETE LITERATUR LADEN SIE SICH BITTE BEI BEDARF AUS DEM INTERNET. LITERATUR 1. Lehrwerke Behal-Thomsen, Heinke, Lundquist-Mog, Angelika, Mog, Paul, & Althaus, Hans-Joachim. (Hrsg.). (1993). Typisch Deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität. Berlin, München: Langenscheidt. Eisman, Volker, Schneider, Peter, Altschüler, Ursula, Rothenhäusler Rainer, & Thurmair, Maria. (1996). Die Suche 2. Berlin, München: Langenscheidt. Enzensberger, Hans Magnus, Eismann, Volker, Van Eunen, Kees, Helmling, Brigitte, Kast, Bernd, Mummert, Ingrid, Thurmair, Maria. (1993). Die Suche 1 . München: Langenscheidt. Mebus, Gudula et al. (1991). Sprachbrücke 2. München: Klett. Mebus, Gudula et al. (1987). Sprachbrücke 1. Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart: Klett.

textuellen, kulturellen/gesellschaftlichen Eigenschaften oder gar Widersprüchen (die kritische Kompetenz) darf nicht nur als Endprodukt des Unterrichts erwartet, sondern es muß ständig im Unterricht geprobt und entwickelt werden". 6Klein identifiziert in Bezug auf Givon, 1979, weitere pragmatische Prinzipien, nach denen Lerner das 'Syntheseproblem' ("problem of synthesis") lösen, z. B. die Gliederung von Äußerungen nach Thema/Rhema-Kriterien. Givon bezeichnet den pragmatischen Kommunikationsmodus als `universalen gemeinsamen Nenner' ("universal common denominator") aller Sprachen. Dieser spielt nicht nur in frühen Lerneräußerungen eine ausschlaggebende Rolle, sondern prägt auch andere Kommunikationsformen. Auch Klein versteht diese Prinzipien nicht als sprachspezifisch limitiert. 7Die vorliegende Untersuchung ist aus einer Seminararbeit für den Kurs German 505 ("The Acquisition of German as a Foreign Language") an der University of British Columbia hervorgegangen. Bibliographische Angaben zu Die Suche 2 befinden sich unter Eismann et. al., 1996.

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Müller, Martin et al. (1996). Moment Mal! Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache. Lehrbuch 1. Berlin: Langenscheidt. Neuner, Gerd, Scherling, Theo, Schmidt, Reiner, & Wilms, Heinz. (1986). Deutsch aktiv Neu 1. Ein Lehrwerk für Erwachsene. München: Langenscheidt. Roche, Jörg, & Webber, Mark J. (1994). Für- und Widersprüche. Ein integriertes Textbuch für Colleges und Universitäten. New Haven, London: Yale UP. Van Eunen, Kees et al. (1987). Deutsch aktiv Neu. Ein Lehrbuch für Erwachsene. Grundstufe 2. Berlin: Langenscheidt. Vorderwühlbecke, Klaus, & Vorderwühlbecke, Anne. (1995). Stufen International. München: Klett. 2. Forschungsliteratur Brigham, John C. (1971). Ethnic stereotypes. Psychological Bulletin, 76 (1), 15-38. Buttjes, Dieter. Kultur und Identität. Landeskundliches Lernen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. (1981). Zielsprache Deutsch, 18 (3), 2-10. Engel, Ulrich et al. (1978). Mannheimer Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache (Bd. 1/ 3. Aufl.). Heidelberg: Julius Groos. Givon, Talmy. (1979). From discourse to syntax: grammar as a processing strategy. Discourse and Syntax, 12. In Talmy Givon. (Hrsg.). Syntax and Semantics (Bd. 12). (S. 81-112). New York: Academic Press. Ihekweazu, Edith. (1987). Wieweit muß das Forschungsobjekt das Forschungsobjekt sein? In Alois Wierlacher. (Hrsg.). Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik. (S. 141-155). München: Iudicium. Jones, Michael C. (1989). Identity, critique, affirmation: a response to Hinrich Seeba's paper. German Quarterly, 62 (2), 155-157. Kast, Bernd, & Neuner, Gerhard. (Hrsg.). (1994). Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. München: Langenscheidt. Klein, Wolfgang. (1986). Second Language Acquisition. Übersetzt von Bohuslav Jankowski. Cambridge: Cambridge UP. Kramsch, Claire. (1993). Context and Culture in Language Teaching. Oxford: Oxford UP. Levelt, Willem J. M. (1989). Speaking. From Intention to Articulation. Cambridge: MIT Press. Mog, Paul, & Althaus, Hans-Joachim. (Hrsg.). (1992). Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin, München: Langenscheidt.

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Neuner, Gerhard et al. (1981). Übungstypologie zum kommunikativen Deutschunterricht. Berlin, München: Langenscheidt. Peck, Jeffrey. (1992). Toward a cultural hermeneutics of the foreign language classroom: Notes for a critical and political pedagogy. ADFL Bulletin, 23 (3), 11-17. Richter, Regina. (1995). Rezension von: Die Suche 1. Info DaF. Informationen Deutsch als Fremdsprache, 22 (2-3), 189-193. Richter, Regina. (1995). Rezension von: Kast Bernd, & Gerhard Neuner. (Hrsg.). (1994). Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. München: Langenscheidt. Info DaF - Informationen Deutsch als Fremdsprache, 22 (2-3), 252-254. Roche, Jörg. (1994). Zur Standardisierung der Bewertung von DaF-Lehrwerken am Beispiel des Tübinger Modells einer integrativen Landeskunde. Forum Deutsch, (6) 2, 29-31. Roche, Jörg. (1989). Critical Thinking und Kritische Kompetenz im Fremdsprachenunterricht: Pragma-Frust oder Chance? Die Unterrichtspraxis, 21 (2), 121-130. Seeba, Hinrich C. (1989). Critique of identity formation: toward an intercultural model of German Studies. German Quarterly, 62 (2), 144-154. Strzelczyck, Florentine. (1994). Spracherwerbstheorie und Interkulturalität: Zwei Kriterien der Lehrwerksanalyse dargestellt an Sprachbrücke 1. Die Unterrichtspraxis, 27 (1), 109-114. Stutterheim, Christiane von. (1986). Temporalität in der Zweitsprache. Berlin: de Gruyter. Webber, Mark J. (1990). Intercultural stereotypes and the teaching of German. Die Unterrichtspraxis 23 (2), 132-141. Weinrich, Harald et al. (1992). Beirat Deutsch als Fremdsprache des Goetheinstituts. 25 Thesen zur Sprach- und Kulturvermittlung im Ausland. In Alois Wierlacher et al. (Hrsg.). Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache. (S. 547-551). München: Iudicium. Wolff, Dieter. (1996). Kognitionspsychologische Grundlagen neuer Ansätze in der Fremdsprachendidaktik. Info DaF - Informationen Deutsch als Fremdsprache, 23 (5), 541-560. Copyright © 1998 Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht --------------------------------------------------------------------------- Thomas, Christian. (1998). Interkulturalität, Pragmalinguistik und Kritische Kompetenz in neuen DaF-Lehrwerken. Fallbeispiel: Die Suche 2. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 3(1), 36 pp. Available: http://www.spz.tu-darmstadt.de/projekt_ejournal/jg_03_2/beitrag/thomas2.htm

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Christian Thomas: Interkulturalität ... (http://www.spz.tu-darmstadt.de/projekt_ejournal/jg_03_2/beitrag/thomas2.htm) Kritische Kompetenz Fünf Kriterien für kulturkontrastiven Unterricht zur Entwicklung der kritischen Denkfähigkeit der Lerner (Analysieren/ Vergleichen/kreative Weiterverarbeitung):

1. Themen und Texte konstitutiv und relevant für eine Gesellschaft

2. Themen und Texte kritisch als gesellschaftsintern kontrovers

3. Interkulturelles Spannungspotential der Thematik für Fremd- und Eigenverständnis nutzbar

4. Inter- und intrakulturelles Spannungen sollen nicht eingeebnet werden

5. Lernziel kritische Kompetenz als ständiger Prozess (entwickeln und erproben)

Ausbildung der Sprachpotentiale

• Kommunikatives • Kulturelles • Grammatisches • Poetisches

! alle vier Sprachpotentiale sind miteinander verbunden! ! Kultur gleichberechtigt/integrativ und nicht als 5. Rad am Wagen! ! Kultur „muss im interkulturellen Vergleich kritisch behandelt werden“.

Kommunikativität Sprache als Handlungsinstrument:

• Funktionale Bedeutung von Formen und Strukturen

• Einbettung in Kontexte • Kultur als ein solcher Kontext ist von

Sprache nicht abtrennbar

Pragmatische Prinzipien Pragmatische Lernerleistungen zum Erwerb der Zielsprache, wie:

• Analyse • Synthese • Einbettung • Vergleich

(also allgemeine geistige Fähigkeiten, die für FS-Lernen und Fremdkulturlernen gebraucht werden und beim FS-Lernen zu entwickeln sind)

Interkulturalität Eine nutzbare interkulturelle Methodik

Kontextualismus Einbettung des Sprachlernens in Kontexte

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Hermann Funk: Lehrwerke und andere neue Medien. Zur Integration rechnergestützter Verfahren in den Unterrichtsalltag. - In: Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Heft 2/1999 = 21 Neue Medien im Deutschunterricht. - S. 5 - 12. Abb. 1 (S. 5): Leistungsbereiche des Computers im FU

Computer im Fremdsprachen-

unterricht

Training Kommunikation Kognition Information Textverarbeitung Vom Drill bis zur komplexen Simulation

z.B. Kontakte über die Klasse hinaus - für Lehrende und Lernende

z.B. Hilfen beim Verstehen von Grammatik, Hör- und Lesetexten

z.B. landeskundliche Informationen mit Hilfe von Lexika und Internet

Computer als Schreibmaschine mit Korrekturfunktion

Abb. 2 (S. 6): Überlegungen vor dem Einsatz von Computern im FU Didaktische und methodische Fragen vor dem Einsatz von Rechnern im Fremdsprachenunterricht 1. Kann ich das gleiche Ziel ebenso gut und so rasch mit traditionellen Medien erreichen? 2. Welchen „Mehrwert“ liefert mir das neue Medium, z.B. für Motivation, zusätzliche

Lernziele, Zeitersparnis etc.? 3. Wie beteilige ich ggfs. Die „medialen Habenichtse“ in meiner Klasse an Arbeit und

Erfolg? 4. Wie organisiere ich den möglichen Rücklauf an Produkten und Erfahrungen aus der

individuellen Arbeit an Computer und Internet in die Klasse?

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Abb.3 (S. 8): Landeskunde im Medienverbund

Landeskundeunterricht

Lehrbuch CD-ROM/Arbeitsbuch Internet-Leitseite

• Vermittlung einer

landeskundlichen Grundkonzeption, etwa des interkulturellen Ansatzes

• Entwicklung einer positiven Fragehaltung

• Definition und Einführung sprachlicher Mittel

• Training sprachlicher

Mittel, z.B. Grammatik, Wortschatz, Lesestrategien, etc.

• Vorlagen für individuelle Trainingsphasen und für die Selbstevaluation

• Verbindungen zu aktuellen

landeskundlich auswertbaren Seiten zu den jeweiligen Lehrwerkkapiteln

• Arbeitshinweise für Lehrende und Lernende

• Ggf. zusätzliche Aufgaben und Projektvorschläge

• Kontaktvermittlung: z.B. Hinweis auf andere Gruppen, die am gleichen Thema arbeiten, über die Mailing-Liste

Abb. 4 (S. 9): Probleme und Chancen eines internetgestützten Landeskundeunterrichts für die Lehrenden

Probleme Chancen • Die Lernenden sind eventuell kompetenter

und informierter als ihre Lehrenden • Die Lernenden sind eventuell kompetenter

und informierter als ihre Lehrenden • Die Ergebnisse sind schwerer

kontrollierbar als im herkömmlichen Unterricht

• Ergebnisoffener Landeskundeunterricht

• Technische Komplexität und Verfügbarkeit des Mediums

• Motivation dank medialer Prozesskontrolle durch die Lernenden

• Organisation des sozialen Aspekts des Lernprozesses

• Training partnerschaftlichen Problemlösens

• "Classroom management", das Herstellen eines gemeinsamen "Lernerlebnisses" ist komplizierter

• Ausprobieren neuer Formen von Lernunterstützung statt Perfektionierung von Lehrmethoden

• Informationsflut ohne Selektionskriterien und landeskundliche "Qualitätskontrolle"

• Informationsflut, Aufbau von fremdsprachlicher Informationsverarbeitungskompetenz

• Demotivation durch sprachliche Überforderung

• Hohe sprachliche Anforderungen durch motivierende authentische Texte

• Verzicht auf systematische Landeskunde • Entwicklung einer landeskundlichen Fragehaltung, Freude am Finden und Konstruieren

• Landeskundlicher "Wahrheitsgehalt" von Informationen, Überprüfbarkeit

• Aufbau einer kritischen Rezeptionskompetenz

• Individualisierung des Lernprozesses • Individualisierung des Lernprozesses

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S. 12: Thesen zur Entwicklung der Lehrwerke im Konzert mit den neuen Medien These 1 Das Streben nach zeitlicher landeskundlicher Aktualität von Lehrwerken wird durch das Internet eigentlich überflüssig. Die Aktualität von Lehrwerktexten für. die Lernenden entsteht durch ihren Inhalt, nicht durch das Produktionsdatum. Die Aufmerksamkeit der Lehrwerkautoren sollte motivierenden Texten ohne Verfallsdaten gelten - und der didaktisch methodischen Aktualität. These 2 Das visuelle Konzept von Lehrwerken wird sich durch das Internet verändern. Das Lehrwerk wird seine Funktion als Lieferant bunter Landeskundefotos mehr und mehr verlieren. Solche Fotos sind für die Verlage teuer in Bezug auf die Abdruckrechte und meist nicht mehr aktuell. Fotos von Sportlern, Popstars und Stadtansichten (Autos, Gebäude, Mode) wirken schon nach wenigen Jahren veraltet. These 3 Der Anspruch, dass Lehr- und Arbeitsbücher alle für den Lernprozess nötigen Aufgaben, Übungen und Materialien enthalten sollten, kann nicht länger aufrecht erhalten werden. Dem Lehrbuch als „Kernmedium“ fällt mehr die Aufgabe des Wegweisers durch die Nutzung der „Peripherie-Medien“ zu. These 4 Das Lehrwerk wird zum "Pflegefall". Die Verlage müssen sich mehr und mehr der Aufgabe stellen, ein vielfältiges, von Lehrenden und Lernenden nutzbares Service-Angebot zum Lehrwerk bereit zu halten. Die gegenwärtigen Leitseiten der Erwachsenenlehrwerke erfüllen diese Funktion zum Teil bereits. These 5 Damit ist auch für die Autorinnen und Autoren die Arbeit am Lehrwerk mit der Manuskriptabgabe nicht mehr abgeschlossen. Für Verlage und Autoren bleibt die Aufgabe der Qualitätskontrolle bei den eingespeisten Angeboten in die Leitseiten. Die Delegation dieser Aufgaben an externe „Pflegedienste“ kann auch die Einheitlichkeit einer didaktischen Konzeption zerstören.. Die Folgen sind ähnlich wie beim Wechsel des Autorenteams von einem Band zum anderen.. Zusätzliche Übungsangebote sollten sich im Rahmen der allgemeinen didaktischen Konzeption des Lehrwerks bewegen. Das Herunterladen von Grammatikübungen aus dem Internet, die man früher anderswo kopierte, ist noch kein Fortschritt. These 6 Die Synchronisation der Lernmedien, ihre didaktische und methodische Kongruenz, die Transparenz, Feinabstimmung und Handhabbarkeit flexibler Lehr-/Lernsysteme in der Praxis werden neue Kriterien einer Lehrwerkanalyse, die bisher selten über das Lehrbuch hinaus schaut These 7 Die Funktion des Lehrwerks als „Ankermedium“ des Fremdsprachenunterrichts wird auch in Zukunft erhalten bleiben, weil über das Lehrwerk noch am ehesten

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− das soziale Miteinander in der Kursgruppe strukturiert werden kann, − Lernprogression organisiert und überprüft werden kann, − Lehrenden das Angebot einer praktikablen Unterrichtsstrukturierung gemach werden kann,

angesichts ihrer Stundenbelastung ein unverzichtbarer Service, − Erkenntnisse aus der fachdidaktischen Forschung auf diesem Weg in den Lehr-

/Lernprozess übermittelt werden können und damit − Ausbildungsdefizite bei den Lehrenden durch eine entsprechende Strukturierung von

Lehrerhandreichungen wenigstens ansatzweise kompensiert werden können. These 8 Wenn Lehrwerke damit ihre „Materiallieferantenfunktion“ zugunsten ihrer sozialen „Drehbuchfunktion“ einschränken, könnten sie weniger bunt, dünner und billiger werden und damit auch didaktisch/methodisch leichter zu aktualisieren.. Ausgerechnet die amerikanischen 50 Dollar / 500 Seiten - Lehrwerke wirken hier wie die Dinosaurier der Lernmedien.

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Die Quelle des folgenden Auszuges ist: Kast/Neuner (Hrsg.): Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. - Langenscheidt, 1994 (Reihe: Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). – S. 42 – 88

2.2. Die vier Fertigkeiten In der von Lutz Götze beschriebenen dritten Lehrwerkgeneration, den Lehrwerken der ersten kommunikativen Phase, dominiert die Sprechfertigkeit. Die rezeptiven Fertigkeiten, aber auch das Schreiben, wurden vernachlässigt. Ein Blick in neuere und neueste Lehrwerke zeigt, daß sich die einseitige Betonung von Sprechen zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung der anderen Fertigkeiten verschoben hat. Nur das Schreiben wird nach wie vor sehr stiefmütterlich behandelt; der systematische Aufbau einer Schreibkompetenz, variationsreiche Übungen und eine Verbindung von Schreibaktivitäten mit anderen Fertigkeiten fehlen noch immer. Eine theoretische oder pragmatische Begründung dafür gibt es nicht. Seit langem fordern Sprachlehrforscher und Didaktiker eine Integration der Fertigkeiten und sprechen von aufeinander bezogenen Fertigkeitsbereichen, einmal weil das in Realsituationen auch so ist: Man hört und spricht abwechselnd, man hört/liest und macht sich Notizen, man liest und spricht darüber usw., zum andern weil Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung und Lernpsychologie das nahelegen. Aufgrund dieses Diskussionsstandes sollten in einem Lehrwerk alle Fertigkeiten gleichrangig repräsentiert sein, sollten zu allen Fertigkeiten variationsreiche Übungen angeboten werden und sollten in verschiedenen Aufgaben und Übungen die Fertigkeiten aufeinander bezogen und integriert behandelt werden. 42 Fragen ans Lehrwerk:

• Werden alle Fertigkeiten angeboten? • Mit welcher Gewichtung werden die einzelnen Fertigkeiten angeboten? • Sind für alle Teilfertigkeiten gesonderte Übungsangebote vorhanden? • Gibt es Teilfertigkeiten integrierende Übungsformen?

2.2.1. Hören Beim Hörverstehen unterscheidet man zwei Aktivitäten a) die direkte face-to-face-Kommunikation und b) die interaktionslose, indirekte Kommunikation. Während die erste Aktivität im Klassenzimmer nur beschränkt zwischen Lehrer und Schüler und unter den Schülern selbst möglich ist und nur in Ausnahmefällen außerhalb des Klassenzimmers stattfinden kann, bietet die zweite Aktivität über Hör- und Videokassetten, in

Lehrwerkforschung: Einzelaspekte

Bernd Kast

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einigen Ländern auch über Radio und Fernsehen, zahlreiche Möglichkeiten; der Schüler kann sich spontane Gespräche, Interviews, Diskussionen, Reportagen, Nachrichten, Hörspiele, Songs und Lieder usw. anhören. Auf diese Weise wird der Schüler nicht nur über eine fremde Kultur informiert, sondern er nimmt an ihr teil. Hörtexte sollten, wo immer es geht, auch landeskundliche Informationen enthalten und mitteilen. Fragen ans Lehrwerk:

• Sind beide Aktivitäten berücksichtigt? • Welche Hörtexte werden angeboten? • Welche Übungsangebote gibt es für die face-to-face-Kommunikation? (z.B. auf Band

Sprecher A, Schüler übernimmt die Hörer- und Sprecherrolle B) • Welche landeskundlichen Informationen werden anhand der Hörtexte mitgeteilt? • Sind diese Informationen für den Schüler relevant? • Sind diese Informationen aktuell und repräsentativ?

Die fremdsprachliche Hörsituation kann durch weitere Differenzierungen charakterisiert werden:

- Die gesprochene Sprache, die gehört wird, kann spontan oder nichtspontan sein. Beispiele für spontan gesprochene Sprache sind freier Dialog, freier Monolog, ein Gespräch mit mehreren Teilnehmern (Multilog) usw. Die spontanen, unvorbereiteten Situationen sind für das Training des Hörverstehens weniger geeignet als spontan gesprochene, aber vorbereitete Textsorten, wie z.B. Interviews.

- Die Sprache kann authentisch oder nichtauthentisch sein, d.h., sie ist dem realen Kontext einer fremden Kultur entnommen, oder sie ist didaktisch aufbereitet mit Blick auf den Spracherwerbsprozeß (bearbeitet, vereinfacht, innerhalb bestimmter struktureller und lexikalischer Grenzen verfaßt, mit grammatikalischen Schwer-punkten).

43 Spontan/nichtspontan, authentisch/nichtauthentisch bestimmen u. a. den Schwierigkeitsgrad eines Hörtextes. (Direkte), spontane, nichtauthentische Texte sind in der Regel leichter als (indirekte), nichtspontane, authentische Texte. Fragen ans Lehrwerk:

• Welche Hörsituationen (spontan/nichtspontan, authentisch/nichtauthentisch) werden angeboten, welche fehlen (Dirven, 1977, S. 5-8). '

• Ist eine Progression erkennbar von leicht zu schwer? Das Übungsangebot muß gezielt die einzelnen Komponenten des Hörverstehens auf| bauen, die Komplexität der Hörtexte muß zunehmen, so daß der Text nicht nur intensiv, sondern auch extensiv rezipiert werden kann, nach der Formel: so intensiv wie nötig und so extensiv wie möglich. Der Schüler muß an den Texten Strategien anwenden können, um unbekannte Lautfolgen und Wörter zu erschließen und die Zusammenhänge zu erfassen. Diese Strategien müssen geübt werden. Sinnvollerweise unterscheidet man zwischen

(a) Übungen zur Lenkung der Hörerwartung (sie werden dem Hören vorangestellt und steuern den Hörprozeß) und

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(b) Übungen zur Kontrolle des Hörprozesses (sie haben die Aufgabe, nach einer ungesteuerten, globalen Hören die wichtigsten Informationen zu sammeln).

Beide Aufgabentypen lassen sich kombinieren, indem der Text

- ungelenkt vorgespielt wird, dann mit Hilfe von Übungen die wichtigsten Aspekte erarbeitet werden; vor einem zweiten Hören werden dann gezieltere und detailliertere Aufgaben gestellt;

- erst vorgespielt wird, nachdem eine Erwartungshaltung aufgebaut worden ist; danach wird anhand weiterer Übungen der Text weiter erschlossen und sein Verständnis überprüft.

An beide Aufgabentypen kann sich eine sprachhandlungsorientierte Phase anschließen, in der das Hörmaterial für die eigene Sprachproduktion ausgewertet wird bzw. das Thema/die Kommunikationssituation weiter ausgearbeitet wird. (Vgl. auch die Einteilung von Übungen vor, während und nach dem Hören, die Barbara Dahlhaus [1993] vorgenommen hat.) Fragen ans Lehrwerk:

• Gibt es Übungen, die den Hörtexten vorangestellt werden und den Hörprozeß steuern? • Gibt es Übungen, die den Hörprozeß kontrollieren? • Sind Aktivitäten vorgesehen, in denen das Hörmaterial für die eigene

Sprachproduktion eine Rolle spielt? Die folgenden Übungen orientieren sich an der von Adelheid Schumann aufgestellten Liste (1989, S. 203); vgl. dazu auch Solmecke, 1993, S.53-96): 44 1. Übungen, um Hörunterschiede erkennen zu können (Hördiskrimination)

- Ähnliche Phoneme unterscheiden (Sag, Sack; Floß, Ruß): Alternativantworten (Wörter im Text markieren);

- Morpheme unterscheiden, morpho-syntaktische Formen erkennen (dem großen Mann/den großen Mann): Alternativaufgaben, Lückenaufgaben (Lückendiktat), Lückenaufgabe und richtig/falsch (welches Wort hast du gehört?);

- Morphemunterschiede heraushören (gleich/ungleich): Alternativantworten, Wie-dererkennen;

- Intonationen unterscheiden oder definieren (Aussage, Frage, Bitte): multiple-choice, Selektionsaufgaben;

- Satzteil- oder Satzgrenzen erkennen (Interpunktion markieren): Lückenaufgabe, Textvorlage ohne Interpunktion, Anfang/Ende eines Satzes unterstreichen;

- Wörter erkennen: vorliegende Liste nummerieren in gehörter Reihenfolge; Leitfragen: Welche Farben usw. werden genannt?

2. Übungen zur Semantisierung

- Sinnkonstituierende Elemente heraushören (Personen, Ort, Zeit, Handlung, Thema): multiple-choice, Fragen, W-Fragen, nonverbale Reaktionen (Finger strecken/aufstehen, wenn . . . gehört wird; zeichne . . ., wenn Sie Mann/Frau sind;

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- machen/bauen/basteln/zeichnen/fertigmachen usw., was man hört), Zusammenfassung schreiben; welche Sätze fassen das Gehörte am besten zusammen? Textvergleich Mutter-/Fremdsprache: Was ist im gehörten DaF-Text gleich/anders?

- Sinnkonstituierende Elemente unterscheiden (Personen . . .): Zuordnungsaufgaben (Bild-Aussage): Bilder in gehörte Reihenfolge bringen/nummerieren, Schema/ Raster ausfüllen;

- Sinnvarianten erkennen (Synonyme): Altemativantworten, Selektionsaufgaben; - Wortfamilien heraushören und zusammenstellen (Basiswortvorgaben): Selektions-

aufgaben; - Schlüsselwörter erkennen und zusammenstellen (themenzentriertes Wortfeld): - Lückenaufgaben (Wörter/Satzteile ausfüllen; Wörter sind in alphabetischer Rei-

henfolge vorgegeben), Selektionsaufgaben; - Schlüsselwörter kontextualisieren (Kontext zu vorgegebenen Begriffen): Selek-

tionsaufgaben, Wortigel, Darstellungen; - Kollokationen erkennen (z.B. Verb-Nomen-Verbindungen): Lückenaufgaben.

3. Übungen zur Textstrukturierung

- Satzteil- oder Satzgrenzen erkennen (Interpunktion markieren): Lückenaufgaben, Anfang/Ende eines Satzes unterstreichen;

- Handlungs- oder Argumentationsabläufe erkennen (Bild-/Satzfolgen ordnen): Zu-ordnungen, richtig/falsch, Bilder nummerieren in Reihenfolge des gehörten Textes;

- Antizipationen (Band stoppen), W-Fragen, Auftrag erledigen (Stadtplan . . .), Flußdiagramm ausfüllen;

- Kernsätze isolieren (Subjekt-Verb-Objekt): Selektionsaufgaben; - Referenzstruktur erkennen (Verweisungssystem): Lückenaufgaben, Spalten ausfüllen;

45

- Textgliederung durchschauen (Gliederungsmerkmale): Selektionsaufgaben; - Textaufbau und Argumentationsstruktur erkennen (Verknüpfungsstellen markieren):

Selektionsaufgaben; Textzeilen, Titel oder Bilder zuordnen"; - Textsorte erkennen (texttypologische Kennzeichen): Definition, Bezeichnung,

multiple-choice. 4. Übungen zur Situations- und Intentionsbestimmung

- Sprechintentionen, affektive Haltung erkennen und unterscheiden (Aussage, Frage, Bestätigung, Verneinung, Bitte, formell/informell, Angst/Freude usw.): multiple-choice, Selektionsaufgaben.

5. Übungen zum Sprachwissen

- Strukturmerkmale der gesprochenen Sprache erkennen (Anakoluth, Parallelismus, j Ellipse, Redundanz): Selektionsaufgaben, Transkriptionsaufgabe; J

- Lexikalische Merkmale der gesprochenen Sprache heraushören (Abtönungspartikel, Gliederungssignale): Lückenaufgabe; "-- |

- Gesprochene und geschriebene Sprache unterscheiden (Textvergleich geschrieben/l gesprochen): Selektionsaufgaben.

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Fragen ans Lehrwerk:

• Gibt es ausreichend und abwechslungsreiche Übungen zur Hördiskrimination? • Gibt es genügend Übungen zur Semantisierung? • Gibt es abwechslungsreiche Übungen zur Textstrukturierung? • Gibt es Übungen zur Situations- und Intentionsbestimmung? • Gibt es Übungen zum Sprachwissen? • Sind die Übungen aus den genannten Bereichen über das ganze Lehrwerk verteilt?

2.2.2. Sprechen Ähnlich wie beim Hören, kann man auch beim Sprechen zwischen zwei Aktivitäten j unterscheiden: a) das direkte face-to-face-Gespräch und b) die mündliche Kommunikation über einen Kanal mit wechselnder Hörer/Sprecher-Rolle (Telefon). Alle anderen Formen sind für den Fremdsprachenunterricht in der Grund- und Mittelstufe nicht relevant. Gesprochen wird in deutschsprachigen Ländern im Kontakt mit Muttersprachlern oder im eigenen Land oder in Drittländern als lingua franca oder ebenfalls mit Muttersprachlern. Hiervon ausgehend, hat die Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache (Baldegger/ Müller/Schneider, 1981) einen Entwurf vorgelegt, der für das Sprechen u. a. folgende Lernziele nennt (S.26): | Die Lernenden sollen fähig sein: spontan, in einfacher, verständlicher und möglichst angemessener Form 46

- ihre Bedürfnisse, Wünsche, Absichten, Erfahrungen, Meinungen oder Gefühle zu äußern;

- mit kürzeren Äußerungen zu reagieren auf situativ oder im Gesprächsablauf erwartbare Äußerungen anderer;

- sich aktiv mit Informations- oder Meinungsäußerungen an Gesprächen zu Alltagsthemen zu beteiligen;

- wenn nötig, die Gesprächspartner um Formulierungshilfe, um langsameres, deutlicheres Sprechen, um Wiederholungen oder Paraphrasierung zu bitten.

Eingeschlossen werden die Fertigkeiten,

- telefonisch kurze Informationsgespräche zu führen und Abmachungen zu treffen. Diese Aktivitäten spielen sich in bestimmten sozialen Domänen ab, das heißt in Aktivitätsfeldern, „in denen spezifische Normen gelten, die ein für diese Sphäre typisches Verhalten und Sprachverhalten bedingen". Als solche Domänen werde» genannt: (a) Familienleben, (b) Arbeitsleben und Ausbildung, (c) Freizeit (Bekanntschaften, Geselligkeit, kulturelles Leben), (d) öffentliche und private Dienstleistungsinstitutionen, (e) Massenmedien, (f) sonstige Bereiche (z.B. Kirche, Militär) (Baldegger/Müller/Schneider, 1981, S. 18).

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Fragen ans Lehrwerk:

• Sind beide Aktivitäten berücksichtigt? • Welche Lernziele, die auch Sie für relevant halten, strebt das Lehrwerk an? • Welche sozialen Domänen spielen im Lehrwerk welche Rolle? • Was ist überakzentuiert? Was fehlt?

Für die Grund- und Mittelstufe lassen sich folgende Lernziele ableiten:

- Formulieren einfacher Fragen und Antworten; - Beantwortung von Fragen zu behandelten Texten; - Stellungnahmen zu Texten und Sachverhalten; - (re)aktive Teilnahme an (kurzen) Gesprächen; - Beschreibungen (eigene Umwelt, Bilder usw.) und Berichte (Tagesablauf, Ereignisse

aus der eigenen Umwelt: Ereignisse, Beobachtungen usw.); - Einholen und Erteilen von Auskünften (Fragen, Aufforderungen, Bitten, Wünsche,

Entgegnungen usw.); - Dienstleistungs- und Unterhaltungsgespräche, Meinungsäußerungen; - Wiedergabe von (Bild-)Geschichten und behandelten Texten; - Beschreibung von Handlungsabläufen.

In vielen, wenn nicht sogar in den meisten Fällen finden solche Gespräche zwischen mutter- und fremdsprachigen Partnern statt. Deshalb sollten auch Kommunikationssituationen berücksichtigt werden, die in späteren Realsituationen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rolle spielen werden (Knüpfen von Kontakten; Begrüßung, Vorteilen, Verabschiedung; Grüße, Verabredung, Einladung; Austausch von Erfahrungen, Erlebnissen und Kenntnissen [z.B. über das eigene Land] usw.). Wenn die Konstellation Mutter- und Fremdsprachiger als Gesprächspartner häufig vorkommt, 47 sollten auch Themen aus dem Land des Lernenden Gesprächsgegenstand sein (vgl. dazu: Desselmann, 1983, S. 8 und 10). Fragen ans Lehrwerk:

• Sind die genannten Ziele im Lehrwerk berücksichtigt? Welche? Welche nicht? • Unterbreitet das Lehrwerk Angebote für Kommunikationssituationen, in denen sich

Mutter- und Fremdsprachler gegenüberstehen? Wie wird dieser Aspekt berücksichtigt?

Das Übungsangebot muß sowohl die Teilfertigkeiten, als auch die komplexe For des Sprechens umfassen; es sollten Übungen angeboten werden, die Kommunikation vorbereiten, aufbauen, strukturieren und simulieren bzw. sind. Diese Übungen sollten für jede Unterrichtsstunde vorgesehen werden, aber immer in kurzen Phasen eingebettet in andere Fertigkeitsbereiche. Aufbauende und strukturierende Übungen konzentrieren sich auf bestimmte sprachliche Elemente, ..Redemittel, Strukturen, Teilaspekte, die oft wiederholt und variationsreich eingeübt werden. Wenige Teilaspekte werden in vielen Minisituationen geübt. In den komplexeren Übungen werden dann diese Teilaspekte aufeinander bezogen und in einer umfassenderen Situation geübt. Echte Konversation ist situationsgebunden; deshalb müssen die situationellen Bedingungen, unter denen gesprochen wird, mitgeteilt werden: Zeit

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und Ort, Sprecherrollen, Vermutungen der Gesprächspartner, Gesprächsthemen, Intentionen der Sprecher, relevantes Vorwissen usw. Die Sprechübungen selbst müssen motivierend, die Inhalte sinnvoll sein, etwas mit der Lebens- und Erfahrungswelt der Schüler zu tun haben: Beim Sprechen sollte etwas mitgeteilt werden, was der Gesprächspartner noch nicht weiß; es sollten Fragen gestellt werden, auf die man noch keine Antwort weiß. Zu denken wäre an sogenannte Informationslückenübungen („information gap"), d.h., bei Partnerübungen verfügt A über Informationen, die B nicht hat, aber bekommen möchte. Beispiel: A hat Zeichnung, die B nicht kennt. B muß anhand der Beschreibung von A zeichnen. Zu denken wäre auch an Geheime-Wahl-Übungen („secret choice"), d.h., bei Partnerübungen trifft A eine Wahl, die B nicht kennt (und umgekehrt), und beide raten,wer welche Entscheidung getroffen hat. In einem Lehrwerk sollten verschiedene interaktive Übungen von Anfang an vertreten sein. Voraussetzung für das Sprechen ist ein Sprechanlaß, eine Intention. Dabei kann es sich um verbale und/oder um nichtsprachliche Impulse handeln (Geräusche, Illustrationen, Fotos, Bildergeschichte, Video usw.). Besonders im Anfängerunterricht ist es wichtig

- ausführliche Strukturierungshilfen zu geben, damit die sprachlichen Handlungen geplant werden können;

- dem Schüler Zeit zu lassen, die Äußerungen zu durchdenken und vorbereiten lassen; - Teiläußerungen schriftlich fixieren zu lassen bzw. eine Stichwortskizze anfertigen! zu

lassen (nicht die ganze mündlich geplante Äußerung aufschreiben lassen!); 48

- den Schülern Redemittel anzubieten, um das sprachlich realisieren zu können, was er sagen möchte. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, das adäquat auszudrücken, was er sich in der vorab stattgefundenen Konzipierungsphase überlegt hat. Außerdem muß bei einer solchen Diskrepanz zwischen Ausdrucksbedürfnis und Ausdrucksmöglichkeit der Lernende daran gewöhnt werden, die in der Muttersprache vorgeplante Aussage fremdsprachig umzustrukturieren und Ersatzlösungen bzw. bestimmte Vereinfachungen zu finden (Desselmann, 1983, S. 27). Übungen dazu bestehen im Paraphrasieren, Zusammenfassen, Erstellen von vereinfachten Paralleltexten, Précis usw.

Fragen ans Lehrwerk:

• Gibt es Übungen, die mündliche Kommunikation vorbereiten, aufbauen, strukturieren und simulieren?

• Werden die Situationen beschrieben, in denen gesprochen werden soll (situationelle Einbettung)?

• Werden in Minisituationen wenige sprachliche Teilaspekte und in Maxisituationen mehrere aufeinander bezogene Teilaspekte geübt?

• Sind die Übungsangebote motivierend? • Werden attraktive und abwechslungsreiche (sprachliche und nichtsprachliche)

Sprechanlässe angeboten? • Gibt es Strukturierungshilfen und Redemittelangebote für die zu übenden Äuße-

rungen? • Gibt das Lehrerhandbuch Hinweise, wie Sprechfertigkeitsübungen vorbereitet,

durchgeführt und evaluiert werden können?

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Besondere Bedeutung hat das dialogische Sprechen, wobei man unterschiedliche Dialogtypen unterscheiden kann (siehe dazu u.a. Desselmann, 1983, S.31f.). Dialoge können asymmetrisch sein und eher Interviewcharakter haben (A fragt, B berichtet), sie können aber auch symmetrisch sein (A und B sind gleich stark am Gespräch beteiligt). „Bei der Entwicklung des dialogischen Sprechens haben die sogenannten gesprächs-vorbereitenden Überlegungen eine wesentliche Bedeutung. Zu ihnen gehört die Arbeit mit Replikenpaaren und Mikrodialogen, die der Ausbildung von Teilprozessen der dialogischen Sprachausübung dient" (Desselmann, 1983, S. 38); dabei werden wenige Strukturen isoliert geübt, bevor sie wieder in eine komplexere Situation eingebettet werden (eine/ wenige Strukturen in Minisituationen - mehrere/ viele Strukturen in Maxisituationen). Zu denken ist vor allem an Variationsübungen mit Substitutions- und Transformationscharakter, variierende Übungen mit dem Lehrwerkdialog (z. B. können Personen, Ort und Handlungen ausgetauscht werden), Lückendialoge (Replikenanfänge von A und B; vollständige Replik von A, B bleibt offen oder enthält nur Stichwort, Variationen anhand von Wortgeländern usw.). Alle diese Übungen bereiten freies dialogisches Sprechen vor, auf das ich an dieser Stelle nicht weiter eingehe (siehe dazu: Desselmann, 1983, S. 52—58 und die dort genannte Literatur). 49 Auch das monologische Sprechen sollte systematisch geübt werden, und auch hier sind vorbereitende Übungen wichtig (wie oben beschrieben): Wiedergabe auswendig gelernter Texte; Wiedergabe von Beschreibungen, Berichten usw. anhand von Stichwortskizzen/ Flußdiagrammen; Wiedergabe von (Lehrbuch-)Texten mit und ohne Kommentar; Nacherzählungen; Beschreibungen der eigenen Umgebung (Wohnung usw.), eines Handlungsablaufs, von bildlichen Darstellungen (Foto, Illustration, Bildgeschichte, Diareihe, Video usw.). Fragen ans Lehrwerk:

• Sind Übungsangebote vorhanden, um das dialogische und monologische Sprechen zu üben?

• Gibt es gesprächsvorbereitende Übungen? • Gibt es variierende Übungen zu den Lehrwerktexten? • Gibt es Strukturierungshilfen und Redemittelangebote für die Sprechaufträge?

2.2.3. Lesen Zu Beginn des kommunikativen Ansatzes hat das Lesen eine stiefmütterliche Rolle gespielt. Der Begriff „kommunikativ" wurde von vielen auf die Fertigkeiten Hören und vor allem Sprechen eingeengt. Stellvertretend für viele sei hier Reinhold Freudenstein zitiert, der die These vertreten hat „Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts" sei „nicht der (schriftlich fixierte) Prosatext, sondern der tatsächliche Sprachgebrauch in umgangssprachlichen Sprechsituationen" (Freudenstein, 1972, S. 50). Dabei steht fest, daß in vielen Kulturkreisen und bei vielen Fremdsprachenlernern Lesen die einzige Motivation ist, um eine Fremdsprache zu lernen. Abgesehen von diesem pragmatischen, kommunikativen Argument sprechen

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lernpsychologische, motivationale usw. Gründe dafür, das Lesen von Anfang an zu berücksichtigen. 1977 noch klagte das Mannheimer Gutachten: „Von literarischer Kommunikation erfährt der Leser überhaupt nichts", und mit Blick auf studentische Adressatengruppen, „zu deren wichtigsten Techniken das Lesen gehört", sei nur schwer verständlich, „daß auch das Lesen nirgends zum Gegenstand von Fragen oder Beschreibungen wird" (Mannheimer Gutachten, 1977, S. 41). Die Situation hat sich seitdem gründlich verändert, und es sind in den letzten Jahren einige wichtige Publikationen zum Lesen in der Fremdsprache und zu Deutsch als Fremdsprache erschienen (z.B. Grellet, 1981; Westhoff, 1987; Karcher, 1988; Lutje-j harms, 1988). Gemeinsam ist all diesen Publikationen, daß das intensive Lesen nicht mehr im Mittelpunkt steht bzw. die einzige Form des Lesens ist. Lesen ist ein flexibler Prozeß, der nach der Formel „so extensiv wie möglich und so intensiv wie nötig" verläuft. Besondere Bedeutung kommt dabei dem voraussagenden Lesen zu, d. h. dem Auf- 50 bau von Hypothesen in bezug auf den Inhalt des Textes. Wenn ein Leser einen Text nach der oben wiedergegebenen Formel rezipiert, heißt das, daß er nicht alles zu verstehen braucht, sondern nur das Wichtigste. Er muß über sogenannte heuristische Strategien verfügen, um einen Text entschlüsseln zu können. Das aber muß dem Schüler anhand von konkreten Übungen verdeutlicht werden. Dazu kann man folgende Lesestrategien anwenden: Der Schüler sucht im Text

- Internationalismen, - Eigennamen, Ortsnamen, - Zahlen, Daten, - frequente Wörter.

Ausgehend vom Titel/Untertitel versucht er Hypothesen in bezug auf den Textinhalt zu stellen, berücksichtigt Bilder und Illustrationen bei seiner Hypothesenbildung ebenso wie typografische Merkmale (Fettdruck, Absätze, Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion usw.); außerdem mobilisiert er mutter- und (eventuell weitere) fremdsprachliche Kenntnisse (dieser Bereich ist sehr schön anhand konkreter Übungsbeispiele bei Brandi/Strauß, 1985, aufgearbeitet, vor allem S. 9-22). Der Schüler muß anhand von längeren Texten lernen. Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden. Bei Sachtexten ist diese Unterscheidung einfacher als bei. literarischen. Der Leser muß die Frage beantworten, was er vom Text wissen möchte, welche Informationen für ihn, für sein Leseziel, wichtig sind. Dazu bieten sich folgende Übungsmöglichkeiten an:

- Unterstreichen der wichtigsten Informationen; - Herausschreiben der Schlüsselwörter an den Rand; - die Diskursstruktur des Textes mit Hilfe von Stichwörtem und Pfeilen am Rand

veranschaulichen (vgl. zu dieser Arbeitsweise: Kast, 1984, S. 210-223); - 6 W-Fragen: Anhand der Fragen „Wer macht (erlebt, erfährt) was, wann, wie, wo und

warum?" werden die Schüler auf die zentralen Aussagen eines Textes aufmerksam gemacht (vgl. Kast, 1984, S. 93-98).

Fragen ans Lehrwerk:

• Enthält das Lehrwerk genügend und längere Lesetexte?

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• Werden Sach- und literarische Texte und verschiedene Textsorten angeboten? • Werden systematisch Lesestrategien geübt (Umgang mit Internationalismen, Namen,

Zahlen usw., Hypothesenbildung)? • Werden Übungen angeboten, anhand derer gelernt werden kann, Wichtiges von

weniger Wichtigem zu unterscheiden? Ein Schüler kann nicht alle Wörter eines längeren authentischen Textes kennen, er braucht sie auch nicht alle zu verstehen, um den Text „so extensiv wie möglich" zu lesen. Ein durchschnittlicher literarischer Text z. B. kann bei einem Deckungsbereich von 75% global verstanden werden (d. h. dann, wenn der Leser 75% aller Wörter des Textes versteht). In diesem Zusammenhang spielen Strategien im Umgang mit unbe- 51 kannter Lexik und unbekannten Strukturen eine wichtige Rolle. Eine Übungsmöglichkeit sind cloze-Texte, in denen mit Hilfe des Kontextes

- das Schlüsselwort, - ein Wort aus jeweils x Wörtern Text mit Angabe von drei/vier Distraktoren, - ein Wort aus jeweils x Wörtern Text mit einer alphabetischen Liste der fehlenden

Wörter, - ein Wort aus jeweils x Wörtern Text ohne weitere Hilfen

weggelassen werden. Untersuchungen legen die Vermutung nahe, daß solche Übungen das verstehende Lesen dann fördern können, wenn eine kognitive Kontrolle der cloze-Ergebnisse stattfindet, d. h. begründet werden muß, warum man sich für welches Wort entschieden hat.

Cloze-Texte können stark variiert werden: - Es können nur bestimmte Wortarten weggelassen werden. - Es können Wörter, die alle zu einer Wortfamilie gehören, weggelassen werden. - Jedes Wort n wird weggelassen, z.B. jedes zehnte Wort (siehe zum cloze-Verfahren:

Westhoff, 1987, vor allem S. 103-114, 140f., 156-159).

Fragen ans Lehrwerk:

• Werden Strategien im Umgang mit unbekannter Lexik und unbekannten Strukturen geübt?

• Gibt es variationsreiche cloze-Texte?

Westhoff hat eine ganze Serie von Übungen vorgeschlagen, die den Schüler anleiten „Strategien zu verwenden, um so viel Eigenwissen wie nur möglich zu mobilisieren, um mit Hilfe möglichst weniger Informationen aus dem Text möglichst viel vorauszusagen" (Westhoff, 1987, S. 86):

- Nur der Anfang des Textes ist vorgegeben; die Schüler sagen voraus, was sie über den Rest des Textes mitteilen können und begründen ihre Vorhersage.

- Der Anfang eines Textes ist vorgegeben, die Schüler diskutieren drei Fortsetzungsmöglichkeiten. j

- Die Schüler erhalten die ersten und letzten Sätze eines Absatzes und sagen vorher was dazwischen stehen könnte.

- Die Schüler bekommen für jedes Strukturwort in einem Text Alternativen und treffen eine begründete Wahl für das Strukturwort, das an dieser Stelle stehen könnte.

- „Von Sätzen, die aus zwei Teilen bestehen, verbunden durch ein Strukturwort, da die Beziehung zwischen diesen beiden Teilen andeutet (genauso, aber, also, ob wohl u. ä.) wird der zweite Teil weggelassen ... Die Schüler bekommen den Auf-| trag, den weiteren Verlauf des Satzes vorherzusagen" (Westhoff, 1987, S. 130f.).

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- Reihenfolge eines zerschnittenen Textes rekonstruieren. - usw.

Die Handlungstheorie, von der Westhoff seine Übungen ableitet, kann an dieser Stelle nicht dargestellt werden. Grundsätzlich geht es ihm um die Reduktion von 52 Unsicherheit aufgrund von Informationen, die der Leser schon besitzt und mit Hilfe der zu übenden Strategien mobilisieren kann. Westhoff spricht von fünf Redundanzbereichen, die dem Leser helfen können, Vorhersagen zu machen und den fremdsprachigen Text zu verstehen:

1. Kenntnisse über die Wahrscheinlichkeit von Buchstabenkombinationen, 2. Kenntnisse über den üblichen Verlauf von Sätzen, 3. Kenntnisse über die Wahrscheinlichkeit von Wortkombinationen, 4. Kenntnisse über logische Strukturen, 5. Kenntnisse über die Welt (Westhoff, 1987, S. 41-47).

Fragen ans Lehrwerk:

• Enthält das Lehrwerk Übungen/übt das Lehrwerk Strategien, um mit Hilfe weniger Informationen aus dem Text Vorhersagen zu machen?

• Gibt es geeignete Textangebote, um diese Strategien zu üben? • Wird dieser Bereich systematisch geübt?

2.2.4. Schreiben

Für das Schreiben gilt verstärkt das, was schon zum Lesen gesagt wurde: Ein auf Alltagssituationen ausgerichteter Fremdsprachenunterricht, dem es nur um die Bewältigung von Realsituationen geht, wird dem Schreiben nur eine untergeordnete Rolle beimessen. Untersuchungen über die Frequenz des Schreibens in der Fremdsprache belegen, daß nur wenige nach ihrer Schulzeit noch in der Fremdsprache schreiben, und dann formelle und informelle Briefe, vereinzelt werden Formulare ausgefüllt. Schreiben spielt im Unterricht jedoch eine wichtige Rolle. Dafür gibt es pragmatische Gründe (schriftliche Übungen, Tests, Hausaufgaben) und lernpsychologische Argumente (die Rolle der Graphomotorik beim Spracherwerb usw.). Sicher ist, daß ein kommunikationstheoretisches Konzept der Bedeutung des Schreibens nicht gerecht werden kann. Beim freien, kreativen schriftlichen Ausdruck geht es um mehr: Schreiben ist eine Verlangsamung von sprachlichen Prozessen und ihrer Vergegenständlichung/ Konkretisierung. Es bietet eine Chance, geistige Handlungen zu ordnen, zu strukturieren, Gedanken zu profilieren. Neben der im Kommunikationsprozeß wichtigen Informationsvermittlung zwischen Sender und Empfänger liegt eine weitere entscheidende Leistung des Schreibens in seiner Prozeßhaftigkeit: Es entstehen Ideen und Erkenntnisse („... die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben", um Kleist zu paraphrasieren). Schreiben gewinnt so eine heuristische Funktion: Der Schüler kann Klarheit über sich selbst und sein Verhältnis zur (ge-/beschriebenen) Wirklichkeit gewinnen. Im Zentrum steht bei einem solchen Ansatz nicht das Produkt, sondern der Vorgang des Schreibens und der schreibende Schüler. Das hat Konsequenzen für das Übungsgeschehen.

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An anderer Stelle habe ich den Versuch gemacht. Schreibfertigkeitsübungen nach folgenden vier Bereichen zu systematisieren (Käst, 1989, 1994): 53 1. Übungen, die schriftliche Kommunikation vorbereiten Diese Übungen sollen Wortschatz erarbeiten, erweitern und systematisch üben, Redemittel (Satzteile, Sätze, Redewendungen usw.) zur Verfügung stellen, Konnektoren und ihre semantische Funktion verdeutlichen, Referenzen behandeln, Rechtschreibung und Zeichensetzung schwerpunktmäßig erarbeiten. Dazu gehören:

- Assoziogramme und Clusters; - Wortschatzerweiterungen; - Konnektorenübungen (Vergleich eines konnektorenreichen Textes mit einer

bearbeiteten Fassung, in der alle Konnektoren fehlen; cloze-Text: Alle Konnektoren fehlen und sollen ergänzt werden);

- Referenzen (Unterstreichen von Verweisungen, Ordnen in einer Tabelle usw.). 2. Übungen, die schriftliche Kommunikation aufbauen

- Satzkonstruktionsübungen (Nominativergänzung soll bei Sätzen in das Vorfeld gesetzt werden, wo sie fehlt; Satzpaare werden aufgrund der verschiedenen Funktionen des Vorfelds miteinander verknüpft usw.);

- Sentence-Combining (aus einer Gruppe von Kernsätzen konstruiert der Schüler längere, komplexere Satzgefüge);

- Textsalat: ein Text ist in einzelne Zeilen, Sätze oder (kleinere) Abschnitte zerschnitten, wobei fehlende Teile von den Schülern ergänzt werden müssen;

- Substitutionstabellen; - Satzerweiterungen (Hauptsätze werden mit Hilfe von Konnektoren miteinander

verbunden); Mehrsatzübungen: Schüler suchen in einer Folge von zwei bis fünf Sätzen die Referenzformen und die sie substituierenden Formen und tragen sie in ein Schema ein; Paralleltextübung: Ausgehend von einem Text wird ein Paralleltext mit variierter Inhalt (aber mit den gleichen Strukturen) erstellt;

- Perspektivenwechsel: Eine Geschichte wird aus einer anderen Perspektive erzählt 3. Übungen, die schriftliche Kommunikation strukturieren

- Schreiben anhand von Vorgaben (Raster, Diagramm, Dialogbeginn, erster Sät Abschnitt ist vorgegeben);

- Schreibaufträge; - Bildgeschichten/Illustrationen/Fotos und Redemittelangebote.

4. Übungen, die Kommunikation simulieren

- Stichwortskizzen für ein Interview, einen Vortrag usw.; - Ausarbeitungen für ein Rollenspiel, Szenen, Simulationen; - Kurznotizen anfertigen; - formelle und informelle Briefe.

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54 Fragen ans Lehrwerk:

• Gibt es Übungen, die schriftliche Kommunikation vorbereiten, aufbauen, strukturieren und simulieren?

• Gibt es satzüberschreitende Übungen? • Gibt es neben pragmatischen Schreibaufträgen auch kreative, die Phantasie an-

sprechende? Ein Problem beim Schreiben in der Fremdsprache ist der didaktische Sprung, der zwischen Satzübungen und dem freien schriftlichen Ausdruck auftritt: Das Angebot besteht lange Zeit nur aus reproduktiven Satzübungen, dann soll plötzlich und ziemlich unvermittelt ein längerer Text geschrieben werden. Wichtig ist, daß im Rahmen eines Modells zum Schreiblehrprozeß diese Stufe systematisch aufgebaut und geübt wird, z. B., indem dem Schüler deutlich gemacht wird, daß zu Beginn des Schreibens eine

- systematische Planung steht, in der erste inhaltliche Vorstellungen skizzenhaft/ stichwortartig gesammelt werden, in der Überlegungen in bezug auf den Adressaten, den Inhalt, das Ziel, die Textsorte, aufgestellt werden; dann folgt eine

- erste Vorbereitung mit dem Sammeln von Wortschatz und Redemitteln (Assozio-gramme, Wörterbuch usw.); auf dieser Basis kommt es zu

- ersten Formulierungsversuchen, wobei Satzteile oder Sätze ausformuliert werden, die dann so geordnet werden, daß eine inhaltliche Gliederung erkennbar wird; erst jetzt wird der Versuch einer

- linearen Formulierung unternommen, d. h., aus den Satzteilen und parataktischen Reihungen wird ein zusammenhängender Text geschrieben, wobei die logischen Beziehungen zwischen den Sätzen (Konnektoren, Referenzen) wichtig werden. Es ist ein erster Versuch (der vielleicht auf Anhieb gelingt), einen kohärenten Text zu schreiben. Wichtig ist, daß der Text in diesen Phasen umformuliert, verworfen, verändert, ergänzt usw. werden kann, daß er Revisionen unterzogen werden kann. Mit anderen Worten: Der Schüler beginnt beim Einfachen (Wort: Assoziogramm, Cluster) und schreitet dann zum Komplexen (Satz: Parataxe, Hypotaxe; Text), wobei er nicht linear, sondern rekursiv vorgeht.

Fragen ans Lehrwerk:

• Liegt den Schreibübungen ein erkennbares Modell zum Schreiblernprozeß zugrunde? • Gibt es Übungen, Hinweise, die den Schüler von ersten systematischen Planungs-

schritten zum linearen Formulieren/Entwerfen führen? 55

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2.3. Wortschatzarbeit Hermann Funk 2.3.1. Wortschatz in Fremdsprachenlehrwerken Es ist sicher keine Übertreibung, das Thema Wortschatz als Stiefkind der Fremdspra-chendidaktik der 80er Jahre zu bezeichnen. In den Diskussionen um den kommunikativen Ansatz in der Fremdsprachendidaktik gehörte das Thema ein Jahrzehnt lang zu jenen Themen, zu denen in den deutschsprachigen Fachpublikationen wenig zu finden war8, eine Tatsache, die im Widerspruch zur Bedeutung der Wortschatzproblematik in der Unterrichtspraxis stand und steht. Auch an vielen deutschen DaF- Lehrwerken ist diese Vernachlässigung eines wichtigen Aspektes fremdsprachlicher Kompetenz nicht spurlos vorübergegangen. Die Lehrerhandbücher enthalten auch heute noch höchstens knappe Hinweise zu Anzahl, Auswahl, Verteilung und Systematik der Präsentation von Wortschatz. Für Lehrer und Lernende bleibt es oft undurchschaubar, welche Wörter zu welchem Zeitpunkt, aus welchem Grund und zu welchem Verwendungszweck erlernt werden sollen. In der folgenden Darstellung sollen in sechs Punkten Leitfragen als Grundlage einer Kriterienliste vorgeschlagen werden, die dann beispielsweise in Seminaren zur Lehr-werkanalyse gemeinsam als Ergebnis einer Diskussion erstellt werden kann: a) Wortschatzauswahl und Bezugssystem; b) akkumulative und systematisierende Wortschatzarbeit; c) Verteilung/Wiederholung; d) Kontextualisierung; e) Übungen; f) Wörterverzeichnisse und Glossare. a) Wortschatzauswahl und Bezugssystem Fast alle aus der Bundesrepublik Deutschland kommenden Lehrwerke sind bemüht, den Wortschatz des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache von rund 2000 aktiv zu verwendenden Worteinheiten abzudecken. Bei aller Problematik dieser zuerst 1972 veröffentlichten Zusammenstellung29 bietet sie doch nach wie vor einen Orientierungsrahmen, vor allem im Bereich der Alltagssituationen im deutschen Sprachraum. 56 Die Wörter dieser Liste, die u. a. nach dem Kriterium der Häufigkeit des Auftretens zusammengestellt wurde, tauchen zudem häufig in Wortzusammensetzungen auf. Man kann

8 Heft 2 der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch des Verlages Klett Edition Deutsch (1989) ist diesem Thema gewidmet. Zur Vernachlässigung des Themas in der allgemeinsprachlichen Fremdsprachendidaktik insgesamt vgl. auch Carter/McCarthy (1988). Dieser Vernachlässigung steht oft eine Überbewertung der Wortschatzproblematik im fachsprachlichen Deutschunterricht gegenüber. 9 Eine Analyse der Wortschatzliste des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache im Hinblick auf Themengebiete und eine Abgleichung in bezug auf die neuere Wortschatzliste der Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache ergibt erhebliche Defizite beispielsweise dort, wo es um den differenzierten Ausdruck persönlicher Meinungen, Gefühle und Interessen geht.

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daher davon ausgehen, daß die Kenntnis dieses Basiswortschatzes das Verstehen von mehr als 6000 Wörtern ermöglicht. Fragen ans Lehrwerk:

• Wird dieser Zusammenhang den Lernenden deutlich gemacht? • Wird überhaupt im Lehrwerk unterschieden zwischen Zertifikats- bzw. prüfungsre-

levantem Wortschatz und anderen Wörtern? • Wird wenigstens im Lehrerhandbuch ein systematischer Bezugsrahmen (Zertifikat,

Kontaktschwelle, Alltagssituationen etc.) beschrieben? Auch wenn keine Zertifikatsprüfung am Schluß des Kurses steht, so sollte doch mindestens die Unterteilung in produktiven, d. h. aktiv zu übenden, und rezeptiven Wortschatz (Wörter, die in Texten auftauchen und lediglich verstanden, nicht aber verwendet werden müssen) im Lehrwerk erkennbar sein. Die Verwendung authentischer Texte, die oft außerhalb der Wortschatzprogression liegen, macht eine solche Unterteilung besonders notwendig. b) Akkumulative und systematisierende Wortschatzarbeit In rechnergestützten Untersuchungen von Grundschullehrwerken und Berufsschullehrwerken an der Gesamthochschule in Kassel wurde ermittelt, daß beispielsweise in den Lehrwerken der Fächer Deutsch, Mathematik und Sachkunde des dritten Schuljahres bereits mehr als 13.000 Wortstämme zu finden sind (vgl. Neuner/Schade, 1986). In Berufsschullehrwerken der Grundstufe, also des ersten Ausbildungsjahres für Jugendliche, steigt diese Zahl auf weit über 30.000. Allein die Zahl der Adjektive ist dort oft schon vierstellig. Zum Vergleich: Das DUDEN-Bedeutungswörterbuch enthält rund 70.000 Einträge. Angesichts dieser potentiell unüberschaubaren Wortschatzmenge wird deutlich, daß durch ein reines „Ansammeln" von Wörtern im Gedächtnis auch in einem mehrjährigen Deutschunterricht nur eine sehr begrenzte Menge von Wörtern vermittelbar ist. Um so wichtiger wird es, diejenigen Regeln der Sprache bewußt zu machen, die die Bildung und Ableitung von Wörtern betreffen. Dabei sind internationale Wörter (Information/informieren/informativ) vor allem aber die Kompositabildung bei Nomen, aber auch bei Adjektiven und Verben anzusprechen. Hinzu kommen die Möglichkeiten, durch Zusätze (Präfixe und Suffixe) Wortbedeutungen und Wortklassen zu verändern, um nur einige wenige Felder einer systematischen Wortschatzarbeit aufzuzeigen. Systematische Wortschatzarbeit im Lehrwerk heißt, nicht nur auf das lineare Ansammeln von Wörtern in Köpfen und Vokabelheften abzuzielen, sondern die Lernenden von Anfang an in die Grundlagen der Wortbildung einzuführen. Dabei darf das Ziel nicht das Zusammensetzen von Wörtern, das produktive Anwenden von Wortbildungsregeln, sondern deren Anwendung zur Auflösung von Zusammensetzungen und Rückführung von Ableitungen sein. Das allein macht Sinn. 57 Beispiel: Es gibt keine vermittelbare Regel dafür, warum die Zusammensetzungen Bügelfalte und Bügeleisen „funktionieren", die Zusammensetzungen Bügelteflon und Bügelknick dagegen nicht.

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Lehrwerke sind darauf hin zu befragen, in welcher Weise und wie gründlich sie in Darstellung und Übungen dieses Potential der Erweiterung des nichtaktiven Wortschatzes von Lernenden nützen. Bei der Vielzahl der für Lernende potentiell wichtigen Wörter in der fremden Sr ehe, die im begrenzten Rahmen eines Lehrwerkes nicht behandelt werden können! wird es zur wichtigen Aufgabe des Fremdsprachenlehrwerks, methodische Hilfen! zum selbständigen Erschließen neuer Wörter über Vokabelverzeichnis und Sprach Unterricht hinaus bewußt zu vermitteln. Fragen ans Lehrwerk;

• Erklärt das Lehrwerk beispielsweise, wie man von Ableitungen auf Wortstämme kommt? Wird dies geübt?

• Erklärt es, was genau das Erschließen eines Wortes aus dem Kontext heraus bedeutet? • Werden diese Techniken bewußtgemacht, eingeübt und überprüft?

c) Verteilung/Wiederholung Eine ideale Anzahl von in einer Lektion oder Unterrichtsstunde einzuführenden Vokabeln kann nicht genannt werden, wenn auch viele Lehrer von einer maximalen Zahl von 10 bis 15 neuen Wörtern pro Unterrichtsstunde sprechen. | Beispiel: In einer Stunde, in der man die Zahlen von 20-100 einführt, hat man im Grunde 80 neue Vokabeln, die aber kein Lernproblem darstellen, da sie in einem logischen System präsentiert werden. In einer Stunde, in der man den Begriff „Induktionsstrom" erklärt, genügt vielleicht schon eine Vokabel für die ganze Unterrichtsstunde. Trotzdem ist eine relative gleichgewichtige Verteilung der Vokabeln über die Lektionen hin anzustreben. , Der Ort, an dem neue Wörter eingeführt werden, sollte im Lektions- und Unterrichtsaufbau für die Lernenden klar erkennbar sein: Einführungsdialoge, Texte, Listen. Im Übungsteil dagegen sollte möglichst kein unbekannter Wortschatz auftauchen (es sei denn als Übungsthema) und vom eigentlichen Übungsziel ablenken. Die Übungsteile von Lektionen sind dagegen ein idealer Ort zum Wiederholen von Wortschatz aus vorangegangenen Lektionen. Fragen ans Lehrwerk:

• Nutzt es die Gelegenheit zur Wortschatzanwendung und -Wiederholung, oder erscheinen die in den Übungen verwendeten Wörter willkürlich gewählt und ohne Bezug zu den aktuellen oder vorausgegangenen Lektionstexten und -themen?

• Ist die Abgrenzung zwischen Wortschatzeinführung und -Übungen klar erkennbar? 58

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d) Kontextualisierung Das genannte Beispiel des Lernens von Zahlen zeigt, was wir aus dem Alltag wissen und was in der Gedächtnispsychologie vielfach belegt ist: Wörter in einem sinnvollen Zusammenhang, etwa in einer logischen Reihe (Monatsnamen), lernt man als größere Einheit. Auf diese Weise kann man sie schneller aufnehmen und länger behalten. Andere Ordnungsprinzipien mit dem Ziel des effektiveren Vokabellernens sind etwa:

- die Zuordnung von Einzelwörtern zu einem Oberbegriff (ein Verfahren, das besonders im fachsprachlichen Deutschunterricht häufig angewendet werden kann);

- die Einführung von konkreten Einzelwörtern als Teil eines - wenn möglich - auch visuell präsentierten Wortfeldes (Körperteile, Lebensmittel, Tiere, Gebäudebe-zeichnungen etc.);

- die Einführung (und bewußte Verwendung im Unterricht) von Einzelwörtern und Ausdrücken in für Lernende sinnvollen und inhaltlich charakteristischen Zusam-menhängen (Begrüßungsformeln, Fragewörter, Bewertungen etc.).

Durch eine themenbezogene Lehrwerkplanung, wie sie in den neueren Lehrwerken zu finden ist, wird eine solche ordnende Wortschatzarbeit im Prinzip zwar vorbereitet - das allein genügt aber nicht. Fragen ans Lehrwerk:

• Nutzt es das Potential einer themenbezogenen Planung auch z.B. zur Anleitung zum selbständigen Erarbeiten von Wortfeldern auf der Basis von Texten, Lehrbuchseiten oder ganzen Kapiteln, zum Ergänzen von vorgegebenen Wortfeldern oder anderen ordnenden Vorgaben und zusammenfassenden Wiederholungsübungen?

• Kann man auf der Basis der eingeführten Vokabeln einer Seite oder einer Lektion überhaupt Wortfelder, Oberbegriffe und Reihen anlegen?

e) Übungen Daß in Sprachübungen sowieso implizit auch die Verwendung von Wortschatz geübt wird, macht spezielle Übungen (die auch für Lernende als solche erkennbar sein müssen) zur Erarbeitung, zur Memorisierung und zur Verwendung von Vokabeln nicht überflüssig. Die Übungen sollen sich dabei sowohl auf den Wortschatzerwerb selbst als auch auf die Methoden des Wortschatzerwerbs, z. B. das Entschlüsseln, das ordnende Notieren und Varianten des Memorisierens von Wörtern, beziehen und auch die Wortbildungsregeln einschließen. Dabei sind eine Vielzahl von kreativen und spielerischen Übungsformen möglich (vgl. Underhill, 1980). Eine Durchsicht von Lehrwerken auf solche Übungen - etwa in Seminaren zur Lehr-werkbegutachtung - sollte von einer Reihe von Musterübungen ausgehen und dann eine Übersicht zu Quantität und Qualitäten, d.h. von konkreten Zielen und Aktivitätsformen der Wortschatzübungen, zum Ziel haben. 59

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f) Wörterverzeichnisse und Glossare In Lehrwerkrezensionen finden Wörterverzeichnisse und Glossare in der Regel - ebenso wie die auditiven Lehrwerkteile - keine Beachtung. Manche Lehrwerke haben ganz auf ein alphabetisches Wortschatzverzeichnis am Ende verzichtet (z.B. Sprachkurs Deutsch, 1989) oder einfach die verwendeten Vokabeln mit dem Ort ihres ersten Auftauchens ohne weitere Informationen aufgelistet (Deutsch 2000, 1972). Andere geben umfangreiche Zusatzinformationen (z.B. Deutsch als Fremdsprache und Deutsch konkret). Ein solches alphabetisches Wortschatzverzeichnis im Buch ist wohl nur nützlich für den Lernprozeß, wenn es besonders im Anfangsunterricht Lernenden Zusatzinformationen bietet, vor allem - zum Kontext, - zu den Pluralformen, - zu den Artikeln der Nomen, - zu den Infinitivformen bei unregelmäßigen, im Stammvokal veränderten Verben, - zum Wortakzent und - zu der Frage, ob ein Wort zum Zertifikatswortschatz gehört oder nicht. Eine weitere Unterteilung in aktiven und nicht aktiv zu verwendenden Wortschatz wäre darüber hinaus wünschenswert, darf jedoch die Übersichtlichkeit nicht beeinträchtigen. All diese Informationen können neben den muttersprachlichen Übersetzungen und Anwendungsbeispielen (der Übersichtlichkeit wegen nur dort, wo nötig) auch in Glossaren zu den Lehrwerken gegeben werden. Das Nachschlagen in Wortschatzverzeichnissen - Lehrer wissen das - ist keine selbst-verständliche Fertigkeit, sondern muß im Unterricht mit konkreten Aufgabenstellungen geübt werden. Lehrwerke sind auch danach zu bewerten, ob und in welcher Form sie ihr eigenes Wortschatzverzeichnis bzw. zweisprachige oder später einsprachige Wörterbücher in ihren Übungsapparat einbeziehen. Daß dies mit einer Vielzahl von Übungsvarianten möglich ist, wird einmal mehr im englischen Sprachraum demonstriert. Obwohl es für das Deutsche - trotz suggestiver Titel - bisher kein Lernerwörterbuch wie im Englischen gibt, ist ein Lehrwerk auch daran zu messen, welche Übungsimpulse es im Hinblick auf eine eigenständige Arbeit der Lernenden mit dem Wörterbuch gibt (vgl. Bock/Müller, 1991). Eine Lehrwerkbegutachtung auf der Basis der hier vorgeschlagenen Kriterien wird in vielen Fällen zu enttäuschenden Ergebnissen führen. Besteht aber erst einmal Klarheit über das Wünschenswerte, so können gerade bei nicht optimalen Lehrwerken Ansatzpunkte einer systematischen Wortschatzarbeit aufgezeigt und in Lehrerfortbildungsveranstaltungen ausgebaut werden. Auf diese Weise können Lehrwerkanalyse und -begutachtung - unabhängig von der Qualität des Lehrwerkes - neue Impulse für die Unterrichtspraxis vermitteln. 60

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Bernd-Dietrich Müller 2.3.2. Stichwort: Wortschatz In keinem der untersuchten Lehrwerke findet sich eine durchgehend systematische Darstellung und Vermittlung des Wortschatzes, ähnlich wie es beispielsweise im Bereich Grammatik Standard ist. Die im folgenden entwickelten Kriterien stützen sich daher nur auf vereinzelte Modelle der Darstellung, Vorentlastung, Erklärung, Übung und Wiederholung lexikalischer Einheiten. a) Definition Unter dem Wortschatz der deutschen Sprache, der beim Sprachenlernen vermittelt werden soll, wird hier nicht - wie unter linguistischem Aspekt - eine unendliche Menge von Wörtern verstanden. Der Wortschatz aus sprachdidaktischer Sicht umfaßt vielmehr vor allem die Summe der sogenannten Inhaltswörter, das heißt Nomen, Adjektive, Verben, Adverbien. Die Zahl dieser zu lernenden Wörter ist endlich, denn sie ist durch die Summe der Inhaltswörter eines Lehrwerks vorgegeben und steht zum großen Teil in Übereinstimmung mit festgelegten Grund- bzw. Mindestwortschatzlisten. Um den Lernenden zu ermöglichen, diesen begrenzten Wortschatz nicht nur imitativ zu lernen, sondern mit ihm produktiv wie rezeptiv umzugehen und ihn zu erweitern, werden neben den lexikalischen Einheiten auch Regeln ihrer Ver-bindung (Komposita, Kollokationen) und Idiomatisierung vermittelt. b) Präsentation im Lehrmaterial Welche Verfahren zum Strukturieren, Vermitteln und Überprüfen werden angewandt? • Reduktion des Wortschatzes Alle analysierten Lehrwerke für die Grundstufe orientieren sich aus lernökonomischen Gründen einmal am Kriterium der Häufigkeit des Auftretens von Wörtern, zum anderen an einer Auswahl in bezug auf bestimmte Themen, Zielgruppen oder allgemeine Lernziele. Das Häufigkeitskriterium wird abgedeckt durch die Orientierung am Zertifikatswortschatz bzw. am sogenannten Grundbaustein (auch wenn diese nicht nur auf strengen Häufigkeitsauszählungen beruhen). Bei der thematischen Ausgestaltung der Lektionen gehen alle Lehrwerke zu Recht über diese Prüfungsvorgaben hinaus. Explizit wird dies in Themen begründet durch:

(a) Die Ableitung des Wortschatzes aus den Katalogen der Themen und der Sprechintentionen ist nicht immer überzeugend.

(b) Der Wortschatz ist stark an der konkreten Alltagswelt orientiert, d. h., er ist weniger geeignet für eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten.

(c) Die Kataloge und Listen sind vor allem auf die Bedürfnisse der Lerner im alltäglichen Lebenszusammenhang abgestimmt. Das hat zur Folge, daß der Sprachgebrauch primär alltagspraktisch und zweckbestimmt und nicht auch literarisch ist. ...

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(f) Die Kataloge der Themen und Sprechintentionen und die Wortschatzliste sind stark auf die Lernerbedürfnisse bei einem Aufenthalt in der Bundesrepublik zugeschnitten

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und berücksichtigen nicht ausreichend die des Lernenden im Ausland." (Handbuch Bd. l, S. 11).

Die hier implizierten Forderungen nach Orientierung des Wortschatzes am Lernziel „Auseinandersetzung mit (literarischen) Texten" und an den Bedürfnissen der Lernenden im In- und Ausland sind bisher jedoch nicht erfüllt und gelten weiter fort. • Darstellung und Progression Die klassische Darstellung des Wortschatzes eines Lehrwerks geschieht durch:

- thematische/situative Einrührung in den Lektionstexten, z. T. mit visueller Unter-stützung;

- „kontrollierten" Wortschatz in den Aufgaben und Übungen (noch nicht eingeführte oder nicht einfach ableitbare Ausdrücke werden ausgespart); !

- alphabetisch aufgebaute Wortlisten am Ende der Lehrbücher mit Verweis auf das 1 erste Vorkommen der Ausdrücke (und auf die Zugehörigkeit eines Wortes zum j Zertifikatswortschatz, vgl. u.a. Deutsch als Fremdsprache IA), präsentiert meist ohne (!) Kontext (u. a. Themen, Deutsch konkret), z. T. in den gegebenen oder in neuen, typischeren Kontexten (z. B. bei Lernziel Deutsch).

Eine Progression bei der Präsentation des Wortschatzes kann durch verschiedene Kriterien erfolgen: 1. steil/flach: Eine „steil ansteigende Lexik in den ersten zehn Kapiteln" (Sprachkurs Deutsch, Handbuch 1/2, S. 5) ist wohl sachimmanent bedingt, Kriterien für die Steilheit der Präsentation werden in keinen Lehrwerk genannt. 2. leicht/schwer: Lehrwerke wie Themen, Deutsch aktiv und Sprachbrücke beginnen mit einer gehäuften Präsentation von sogenannten internationalen Wörtern, d. h. Lehnwörtern aus französisch-/englischsprachigen Ländern. Die verstärkte Aufnahme dieser Wörter in die Anfangslektionen soll die Lernenden motivieren, indem sie viel mehr Wörter entschlüsseln können, als sie aktiv gelernt haben. Zwar wird in den Handbüchern verschiedentlich darauf verwiesen, daß der Gebrauch der „internationalen Wörter" auch eine Quelle für „falsche Freunde" ist, doch bewirkt die adressatenunspezifische Ausrichtung der Lehrwerke, daß keine kontrastiven Hinweise gegeben werden. Solche wären jedoch möglich, da Deutsch sehr häufig zweite Fremdsprache nach Englisch/Französisch ist und sich Interferenzen nicht nur aus der Muttersprache, sondern auch aus der ersten Fremdsprache ergeben. 3. von einstämmigen Wörtern zu Komposita: Wortschatzlisten haben ergeben, daß in i den Anfangslektionen (Unterrichtsstunde 1-50) vor allem einstämmige Wörter gelehrt werden: Komposita werden nur dort, wo es notwendig erscheint, eingeflochten. Die Autoren von Sprachkurs Deutsch möchten in der Anfangsstufe bewußt nur „impressionistisch Einblicke in Möglichkeiten der Wortbildung liefern. Der Lernende soll keineswegs verführt werden, selbst neue Wörter zu bilden, er muß vielmehr ausdrücklich davor gewarnt werden!" (Handbuch 1/2, S. 5); eine 62 Position, die folgerichtig gleichermaßen für viele andere Grammatikbereiche stehen müßte und übertrieben vorsichtig scheint (in Themen l, Lektion 3 habe ich fast 40 Komposita gezählt).

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4. Wortbildungsregeln: Regeln zur Wortbildung werden hier in einem weiten Sinn verstanden. Sie beziehen sich einerseits auf die Bildung von Komposita mit Hilfe von Substantiven, auf die Bildung von Substantiven/Adjektiven mit Prä-/Suffixen, auf Kollokationen und schließlich auf idiomatische Ausdrücke. In allen Lehrwerken finden sich grammatische Hinweise zur Bildung von Komposita, nicht immer zu den verschiedenen semantischen Bezügen der „zusammengesetzten" Wörter untereinander (z.B. gibt Deutsch aktiv Neu in Band IC, S. 23/24 entsprechende Hinweise und Aufgaben); dieser Aufgabentyp kann jedoch m. E. schon nach 50 Unterrichtsstunden bewältigt werden; viel zu spät kommt in Deutsch aktiv Neu die Erläuterung der grammatischen Grundlage dazu: das „Fugen-s" wird erst gegen Ende des gleichen Bandes bewußtgemacht). Unverständlicherweise verzichten die meisten Lehrwerke auf das Aufzeigen der Bedeutung von Präfixen und Suffixen für die Wortbildung (Ausnahmen bilden die hier nicht analysierten Lehrmaterialien zum Leseverstehen). Kollokationen und idiomatische Ausdrücke werden viel zu wenig systematisch dargestellt und bewußtgemacht. Sie sollten als solche gekennzeichnet und für das Verstehen - in Auswahl auch für den mündlichen/schriftlichen Ausdruck - aufbereitet werden. Sprichwörter dagegen werden einzeln oder in Form einer kleinen Sammlung an verschiedenen Stellen der Lektionen (meist als Lückenfüller, s. Sprachkurs Deutsch) präsentiert. Das Lehrwerk Sichtwechsel (S. 106 f.) macht den Versuch, eine paradigmatische Ordnung von feststehenden Formeln zu erstellen, die Staunen, Spott etc. ausdrücken. Auch werden hier die Beziehungsebenen, die mit bestimmten idiomatischen Ausdrücken thematisiert werden, hervorgehoben (s. S. 159). 5. von konkreter zu abstrakter/übertragener Bedeutung: Wortschatzzählungen ergeben, daß in den ersten Lektionen Bezeichnungen für Konkreta überwiegen und daß erst langsam Abstrakta, Bezeichnungen für Handlungen und Wörter, die im übertragenen Sinn (bis hin zu idiomatischen Wendungen) gebraucht werden. Diese Tatsache ist jedoch nicht als Leitlinie zu sehen. Anspruchsvollere Lernziele als die der Kommunikation in Alltagssituationen brächten einen erheblichen Frequenzanstieg bei Abstrakta und übertragenen Bedeutungen, ein Trend, der sich mit der Besinnung auf Deutsch als Kultur- und Wissenschaftssprache ankündigt. 6. Strukturierung/Ordnung des Wortschatzes: Ansatzweise finden sich in verschiedenen Lehrwerken Ordnungsversuche beispielsweise in Form von Wortfeldern oder - besser noch - in situativ zusammenhängenden Kontexten, z.B. in Form von Visualisierungen (vgl. Essen und Trinken in Themen l, S. 43). Das Lehrwerk'' Sichtwechsel stellt Gruppierungen von Begriffen zusammen, die kulturspezifisch zusammengehören (Sichtwechsel, S. 78—82). 7. Regeln des Wörterbuchaufbaus und -gebrauchs: Wie das am häufigsten gebrauchte Hilfsmittel zur Erschließung von Wortbedeutungen, das ein- oder zweisprachige Wörterbuch, aufgebaut ist, wird nicht systematisch, in Einzelfällen anhand einer 63 exemplarischen Analyse von Lemmata, dargestellt (vgl. Deutsch aktiv 3, Teil 1,| Kap. 5). Sinnvoll erscheint dennoch, von Anfang an die Nutzungsmöglichkeiten einsprachiger Wörterbücher zu erklären, die auch wertvolle Hinweise auf grammatische Regeln enthalten. Auf der Mittelstufe müßten weiterhin Stil- und| Synonymwörterbücher ausführlich behandelt werden. c) Hilfen im Handbuch

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Von den Handbüchern, die generell sehr ausführliche Hinweise zur Behandlung aller wichtigen Teile eines Lehrwerks enthalten, muß erwartet werden, daß sie ausführlich darstellen und begründen, wie der Lernfortschritt im Bereich der Lexik organisiert und praktisch durchgeführt werden muß und welche Bereiche der Lexik aktiv bzw. nur passiv beherrscht werden müssen. Diese Ansprüche werden jedoch nicht erfüllt. Die Tradition der audiovisuellen und audiolingualen Lehrmethoden, dem Bereich der Wortschatz-/Bedeutungsvermittlung keine oder nur eine sehr geringe Aufmerksamkeit zu widmen, wird auch in neueren Lehrwerken fortgeführt. Vermittlungsziele wie „aktiv-obligatorische und passiv-fakultative Lexik" (Sprachkurs Deutsch) werden erwähnt, methodisch aber nicht umgesetzt. Auf ganzer Linie (mit Ausnahme von Stufen 3) bleiben die Lehrenden auf eigene Initiativen angewiesen, und so wird mancherorts das verschollene Vokabelheft wieder modern. Eine der Initiativen, neue Wörter bewußt ins Unterrichtsgespräch und in die Unterrichtslenkung einfließen zu| lassen, um durch den häufigen Gebrauch die Behaltensleistung zu festigen und den| Bedeutungsumfang der Wörter anzugeben, wird in keinem Lehrbuch erwähnt. Ebenso notwendig wären detaillierte Anleitungen für Erklärungshandlungen. Ähnlich wie bei der Ausspracheschulung (s. Kap. 2.5.) und der Grammatikvermittlung (s. Kap. 2.4.) haben Unterrichtende Anspruch auf explizite Modelle der Bedeutungsvermittlung (vgl. Müller, 1992), exemplarisch dargelegt anhand ausgewählter Begriffe in| den Anfangslektionen. Diese Anleitungen müßten Techniken enthalten, wie man einsprachig die Bedeutung von Wörtern erklärt (Identifizierung des Erklärungsgegenstandes) und wie man darüber hinaus kontext- und kulturspezifische Besonderheiten expliziert (Kontextualisierung). Stufen 2 macht den Anfang dazu und empfiehlt Erklärungen durch Kontext, Situation, Internationalismen, Synonyme, Antonyme, Demonstrationsmaterial, Skizzen, Gestik und Mimik (Handbuch, S. 23). d) Techniken der Bedeutungserschließung und Memorisierung Neben die Darstellung von Techniken zur Bedeutungsvermittlung müssen Anleitungen für die Lernenden treten, Bedeutungen systematisch und selbständig zu erschließen. Nach den neueren Forschungsarbeiten zum Leseverstehen im allgemeinen und zu der damit zusammenhängenden Fähigkeit, unbekannte Ausdrücke in Texten zu erschließen im besonderen, ist nun zu fragen, ob Lehrwerkkonzeptionen diese Fertigkeit systematisch schulen und den Lehrenden hierzu Anleitung geben. Generell mut auch für diesen Bereich festgestellt werden, daß nur wenige Lehrwerke solche Techniken vermitteln (kurze, nicht an Texten exemplifizierte Anleitungen zum Wörterbuchgebrauch sind für diese kein Ersatz und laufen dazu den Zielen der textgebundenen Erschließung entgegen); sie erschöpfen sich oft auch in Aufgaben wie: „Unter 64 streichen Sie alle Wörter, die Sie kennen!", ohne dann Methoden der Erschließung für die übrigen zu vermitteln. Ein besonderes Problem stellt die Erschließung von kulturspezifischen Bedeutungsinhalten dar. Die Lernenden müßten methodisch in der Lage sein, bei Begriffen, deren Bedeutung konventionellerweise zwischen Ziel- und Muttersprache divergiert, kulturelle Unterschiede aufzuspüren und systematisch zu erhellen. Ein Mittel hierzu sind sogenannte Suchfragen („productive guessing"), das ist eine Batterie von Fragen, mit denen die kulturspezifische Bedeutung von Begriffen eingegrenzt werden kann (vgl. Müller, 1992). Bevor nämlich

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kulturvergleichend die in vielen Lehrwerken zu findende Frage „Und wie ist es in Ihrem Land?" gestellt werden kann, muß die fremd-kulturelle Bedeutung dem Lernenden so klar sein, daß er abstrahieren, d. h. gesellschaftliche Funktionen erkennen kann, die ihm dann einen Vergleich ermöglichen. Auch hier ist trotz verstärkter theoretischer und didaktischer Vorarbeiten erst eine ansatzweise Umsetzung im Unterrichtsmaterial zu verzeichnen. Das Lehrwerk Sichtwechsel versucht durch verschiedene Beispielsätze u. a. den Begriff „Arbeit" bedeutungsmäßig einzugrenzen; Sprachbrücke behandelt intensiver eine Reihe von Begriffen wie „Cafe", „Familie", „Name" etc. und versucht hiermit, Modelle der Behandlung kulturgeprägter Begriffe anzugeben. • Memorisierung Erstaunlich ist, daß das Lehrwerk, das von der intendierten Lernsituation her gesehen, die größte außercurriculare Hilfestellung bekommt (Stufen, vor allem einzusetzen in deutschsprachigen Ländern), auch die aufwendigsten Schritte zur Memorisierung des Wortschatzes enthält: Man findet dort (im Lehrwerk und im Handbuch) systematische Vorentlastungen (Paralleltexte, Bilder) und Hinweise auf „Wortschatzfolien", die a) die Unterrichtenden anleiten und mit denen sie die eingeführten lexikalischen Einheiten regelmäßig wiederholen, b) als Hausaufgabenblätter der Lernenden zum „Pauken" der Vokabeln dienen (mit Knickmöglichkeit zum Selbstabfragen, vgl. Handbuch 2, S. 24). - Im Anfangsunterricht werden die Lernenden angeleitet, eine „Wortschatzkartei" anzulegen (mit genauen Erklärungen im Handbuch, vgl. S.27f.), in Stufen 2 wird mit Heften gearbeitet, die „Wörter und Wendungen" enthalten (Handbuch 2, S. 24). Dazu kommen im Rahmen von „Projekten" außerhalb des Unterrichts erstellte Dokumentationen neuen Wortmaterials. Besonders hervorzuheben ist die an allen Lernorten mögliche Anleitung zum „entspannten Lernen": Zu Hause memorisierte lexikalische Einheiten (mit Hilfe einer vorbereiteten Karte) können Lehrende „im Anschluß an die ,Ankommensmusik' bei ähnlicher, sehr leiser Barockmusik im Hintergrund noch einmal mündlich machen ... (an dieser Stelle: Hinweise auf Musiktitel, der Verf.). Dabei spricht L die Sätze vor und läßt vor dem zu Ergänzenden jeweils eine Pause von wenigen Sekunden, damit die S das gesuchte Wort/die Wortgruppe still für sich sagen können, bevor L es/sie ergänzt." (Handbuch 2, S. 24/25). Solche lernpsychologisch fundierten Anregungen können Lehrende im Unterricht auch ohne Vorgaben ausprobieren. Auch Lehrwerkautoren sollten den Wortschatzbereich generell stärker lernpsychologisch betrachten (und nicht nur hie und da Wortspiele und Kreuzworträtsel zur Motivation einstreuen): die - auch für Deutsch als 65 Fremdsprache übertragenen - Arbeiten von Josef Rohrer (1984) über die „Rolle des Gedächtnisses beim Sprachenlernen" sowie die sehr motivierende Zusammenstellung von Mnemotechniken von Horst G. Sperber (1989) enthalten eine Fülle wichtiger Einsichten und unterrichtspraktischer Darstellungsvorschläge für die Lexik: bisher leider noch zu wenig genutzt. e) Zusammenfassung zum Verhältnis Grammatik/Wortschatz/Text/Bild/Landeskunde Insgesamt muß festgestellt werden, daß der Wortschatz eine noch kaum beachtete, untergeordnete Rolle bei der Konzeption und Realisierung eines Lehrwerks spielt. Wünschenswert hingegen wäre, nicht nur an einzelnen Stellen die genannten Kriterien zu beachten, sondern auch umfassend Auskunft darüber zu geben, wie im Lehrwerk die Gewichtung zwischen neuer Lexik und neuer Grammatik vorgenommen wird (Aspekt

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Progression). Lehrende könnte es interessieren, ob mehr Wert auf eine| umfassende lexikalische Kompetenz gelegt wird und dadurch die Einführung neuer| grammatischer Strukturen langsamer erfolgt, oder aber ob Lehrwerkautoren eine umfassende grammatische Kenntnis als Basis für den Ausbau des Wortschatzes ansehen. Weiterhin ist wichtig zu wissen, ob Wortschatz grundsätzlich kontextualisiert (in) Texte eingebettet) präsentiert wird, oder ob isolierte Lerneinheiten, etwa in Form| von lexikalischen Vorentlastungen oder zum Auswendiglernen (!), als Lernstütze gegeben werden. Ungeklärt ist auch das Verhältnis Text und Bild. Vorstellbar wäre| eine systematischere Unterstützung der Semantisierung über Bilder. Bisher ist jedoch nur ein lockeres Nebeneinander festzustellen, auch wenn Übersichtsbilder, wie der Querschnitt eines Schiffes (vgl. Themen l, S. 56/57), im Positiven phantastische „Vokabelfriedhöfe" (Piepho) darstellen. Am unbefriedigsten bei der Herstellung von Zusammenhängen zwischen Wortschatz-vermittlung und anderen didaktischen Zielbereichen ist der zur Landeskunde. Eine vergleichende, interkulturell angelegte Wortschatzarbeit (wie es oft gefordert und teilweise in Sprachbrücke und Sichtwechsel versucht wurde) kann und muß landeskundliche Lerneinheiten vorbereiten (und umgekehrt), um damit beide Bereiche aus der zur Zeit noch vorherrschenden, unproduktiven Isolation zu befreien. 2.4. Grammatik Lutz Götze 2.4.1. Grammatik In der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts hat es stets Phasen gegeben, denen höchst unterschiedliche Antworten auf die Frage nach der Bedeutung von Grammatik für den Erwerb einer Fremdsprache gegeben wurden. Sie reichten von der Behauptung, ohne Grammatik (zumal jene, die sich am lateinischen Vorbild orientierte) sei eine Fremdsprache überhaupt nicht zu erlernen - so Vertreter 66 traditionellen grammatikalisierenden Übersetzungsmethode -, bis zu der entgegengesetzten These, Grammatik habe im Fremdsprachenunterricht nichts zu suchen - so Anhänger der „direkten Methoden" auf behavioristischer Grundlage. Beide Behauptungen sind irreführend, weil sie von falschen Grundannahmen ausgehen: Weder wird im Fremdsprachenunterricht die Grammatik oder: die Linguistik) gelehrt, sondern Sprache, also sprachliche Fertigkeiten und nicht Wissen über Sprache noch ist zur Erreichung dieses Zieles das dafür notwendige Mittel nämlich die Kenntnis grammatischer Regeln, überflüssig. Das gilt uneingeschränkt für den Autor von Lehrmaterialien sowie für die Lehrenden, mit Abstrichen auch für die Lernenden und hier vor allem für Jugendliche und Erwachsene, die eine Fremdsprache (Zielsprache) stets vor dem Hintergrund einer gelernten Erstsprache (Muttersprache) und zeitlich nach ihr lernen. Implizit oder explizit stellen sie nahezu ununterbrochen Vergleiche zwischen Ausgangs- und Zielsprache an und bilden Hypothesen über Regeln in der Zielsprache.

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Die dabei entstehenden Interimsprachen (Zwischensprachen) mit nachfolgenden Korrekturen sind notwendige Schritte für das Erreichen der zielsprachlichen Norm: Dies trifft sowohl auf den ungesteuerten (außerschulischen) Erwerb wie für das gesteuerte (schulische) Lernen einer Zielsprache zu. Neuere psycholinguistische Forschungen haben ergeben, daß im Kindesalter - bei starker rechtshemisphärischer Dominanz - besonders gut die paraverbalen Anteile (Intonation, Aussprache usw.) einer Fremdsprache erworben werden, im Erwachsenenalter hingegen die Regelbildung und das sequentielle Auffassen von Grammatik besser zu leisten sind. Nach dem Erwerb der Muttersprache - im Jugendlichen- wie Erwachsenenalter - sind begriffliche und analytische Lernmöglichkeiten gegeben, die beim imitativen wie kreativen Erstsprachenerwerb des Kindes weitgehend fehlen. Der Erwerb der Muttersprache und das spätere Lernen der Fremdsprache(n) sind also vollkommen unterschiedliche Prozesse. Neun Thesen These 1: Grammatik hat eine dienende Funktion beim Fremdsprachenlernen; sie ist Mittel, nicht Zweck. These 2: Eine Grammatik für den Fremdsprachenunterricht ist eine didaktische Grammatik und damit deutlich unterschieden von einer linguistischen Grammatik: Sie folgt keiner einheitlichen linguistischen Theorie (z.B. Dependenzgrammatik, Generative Grammatik), sondern ist von lernpsychologischen, didaktischen und methodischen Faktoren bestimmt. Sie wählt unter diesen Gesichtspunkten aus einer linguistischen Beschreibung das aus, was für das Erlernen der Fremdsprache wichtig ist (hochfrequent, Grundstrukturen usw.). 67 These 3: Eine Grammatik für den Fremdsprachenunterricht unterscheidet sich auch von einer Muttersprachengrammatik,

- weil sie in höherem Grad explizit sein muß, also mehr Regelwissen vermittelt; - weil sie auch Phänomene erklären muß, die im Muttersprachunterricht keine Probleme

bereiten (Artikelgebrauch, Reflexiverben usw.) und - weil sie - zumindest bei regionalen Lehrwerken - den Sprachkontrast zwischen

Ausgangs- und Zielsprache und sich daraus möglicherweise ergebende Interferenzen berücksichtigen muß.

These 4: Eine solche didaktische Grammatik für den Fremdsprachenunterricht (Typ: Helbig/ Buscha 1982; Heringer 1987) ist eine Grammatik für den Lehrenden und den fortgeschrittenen Lernenden. Davon zu unterscheiden ist eine pädagogische Grammatik, die Grammatik im Lehrbuch: Dort wird (in einem weiteren Ausleseprozeß) entschieden, was vom Sprachmaterial wie, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Grad an Beherrschung gelernt werden soll. Eine pädagogische Grammatik in diesem Sinne sind die Regelfindungen samt

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Übungen in den Lehrwerken, etwaige grammatische Beihefte für den Lernenden sowie kontrastive Erläuterungen. These 5: Für eine didaktische wie pädagogische Grammatik gilt ein erweitertes Grammatikverständnis. Nicht mehr nur die Bereiche Phonetik, Morphologie und Syntax gehören dazu, sondern Semantik und Pragmatik gleichermaßen: Sprache soll nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, sondern in ihren funktionalen Zusammenhängen erklärt werden. Deshalb empfiehlt sich bei der Analyse, von Texten und nicht von isolierten Einzelsätzen oder Wörtern auszugehen. Didaktische bzw. pädagogische Grammatiken sollten im Grunde Textgrammatiken und keine Wortarten- oder Satzgrammatiken sein. These 6: Die Terminologie einer didaktischen oder pädagogischen Grammatik muß dem Kenntnisstand der Benutzer entsprechen, didaktisch vereinfachen, explizit sein und an im Lande/in der Region übliche metasprachliche Beschreibungsstrategien anknüpfen. Grammatik im Fremdsprachenunterricht ist kein Einführungsseminar in die Linguistik. These 7: Die Regelfindung sollte induktiv-empirisch und nicht deduktiv-theoretisch erfolgen: ausgehend von einem Text, vertieft durch Übungen, die dem jeweiligen Stand der' Progression entsprechen. These 8: Eine Unterscheidung von Regeln für den Verstehensprozeß (Rezeptionsgrammatik) und den Prozeß der Bildung von Wörtern, Sätzen bzw. Texten (Produktionsgrammatik) ist für den Fremdsprachenunterricht sinnvoll. 68 These 9: Eine Grammatik für den Fremdsprachenunterricht sollte eine Funktionale kommunikative Grammatik sein, also eine solche, die die grundlegenden kommunikativen Funktionen der Sprache mit den dafür geeigneten sprachlichen Mitteln verbindet. Fragen ans Lehrwerk:

• Wird die Grammatik im Lehrwerk - als Regelgrammatik, - als Signalgrammatik, - als Beispielgrammatik, - auf andere Weise vermittelt?

• Ist die Beschreibungssprache verständlich, entspricht die Terminologie dem Kennt-nisstand der Lernenden, und orientiert sie sich an der Beschreibung der Mutter-sprache? Wendet sie in didaktisch geeigneter Weise verschiedene Theorieansätze an, oder bezieht sie sich unflexibel nur auf eine einzige linguistische Theorie?

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• Ist Kontrastivität im lexikalischen, phonetischen, morphologischen, syntaktischen und semantisch-pragmatischen Bereich beachtet?

• Ist die Regelfindung empirisch-induktiv oder deduktiv, oder fehlt sie völlig bzw. teilweise? Gibt es grafisch anschauliche Hilfen?

• Werden grammatische Phänomene an dafür charakteristischen Textsorten erläutert oder an beliebigen Texten?

• Werden die Gebrauchsbedingungen sprachlicher Formen bzw. Varietäten angege-ben? (durch Regeln, Beispiele usw.)

• Wird konsequent zwischen den unterschiedlichen Normen der gesprochenen und geschriebenen Standardsprache unterschieden?

• Drücken die Regeln im Lehrwerk korrekt den aktuellen Stand der Gegenwarts-sprache aus oder spiegeln sie veralteten Sprachgebrauch wider?

• Geben die Regeln Aufschluß über die sprachlichen Beziehungen zwischen Redeab-sicht und sprachlicher Ausgestaltung, zwischen Syntax und Semantik, zwischen Intention und Wortstellung, zwischen Aussprache bzw. Prosodie und Redeabsicht? Handelt es sich also um eine funktionale kommunikative Grammatik, die die grundlegenden kommunikativen Funktionen der Sprache mit den dazugehörigen Mitteln der Verwirklichung verbindet?

• Entsprechen die Übungsformen (Nachsprechübung, Austauschübung, Paraphrasie-rungsübung, Leseübung usw.) der von der Regel beschriebenen Sprachverwendung, oder üben sie nur formales Sprachwissen (z. B. Aktiv-Passiv-Transformationen)? Sind sie kontextualisiert oder isolierte Einzelphänomene, sind sie in den Text integriert oder davon abgehoben?

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• Erfassen die Übungen den Gesamtbereich eines erweiterten Grammatikverständnisses oder nur Teilbereiche?

• Ist im grammatischen Bereich eine Progression erkennbar? Ist sie akzeptabel oder zu steil/zu flach? Ist sie konzentrisch oder linear aufgebaut? Entspricht eine der linearen Progression überlegene konzentrische Progression den im Lande/in der Region üblichen methodischen Verfahrensweisen, oder steht sie dazu im Widerspruch?

• Werden die sprachlichen Fertigkeiten jeweils entsprechend den Zielsetzungen der Kursteilnehmer angemessen berücksichtigt, oder gibt es Defizite?

• Erlaubt die Art der grammatischen Regelfindung ein entdeckendes Lernen der Teilnehmer?

• Ermöglicht die grammatische Darstellung den sprachlichen Transfer hin zu anderen Verwendungsbereichen derselben Struktur?

• Werden Beziehungen zwischen Elementen des Wortschatzes erläutert (nach Wort-familien, Wortfeldern, Wortarten, Gegensatzpaaren, Sachgruppen, Paraphrasierungen usw.)?

• Ist die Grammatik nach Mitteilungsbereichen und ihnen zugeordneten sprachlichen Realisierungsmitteln geordnet oder nach formalen, traditionellen Einteilungen strukturiert? Stehen Sprachverwendung oder Sprachanalyse im Vordergrund?

• Gibt es Ansätze einer kulturkontrastiven Grammatik (Grammatik zur Erläuterung fremdkulturellen Verhaltens)?

• Werden Sequenzen des ungesteuerten Spracherwerbs und Lernersprachen berück-sichtigt?

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Bernd Latour 2.4.2. Grammatik Wer die Grammatik in Daf-Lehrwerken näher betrachtet, etwa im Hinblick auf eine mögliche Einführung im Sprachunterricht, der wird sehr genau zwischen Grundstufenlehrwerken auf der einen und Mittel- bzw. Oberstufenlehrwerken auf der anderen Seite unterscheiden müssen. Man störe sich dabei nicht an dem scheinbaren Paradoxon, daß die Übergänge zumindest zwischen Grund- und Mittelstufe fließend sind. Neben dieser Unterscheidung sind die zentralen Gesichtspunkte einer Grammatikanalyse die Auswahl der grammatischen Strukturen, ihre Exposition, d. h. die Präsentation der jeweiligen Regeln, die Übungsformen sowie die Progression. 70 2.4.2.1. Auswahl Auch wenn die verschiedenen „Stufen" im Sprachunterricht nicht eben als wohldefinierte Begriffe gelten können, so läßt sich doch von einem Grundstufenkanon für die Grammatik ausgehen. Ein Grundstufenlehrwerk sollte also u. a. die Grammatik der Hauptwortarten behandeln. Das heißt im einzelnen: für das Verb das Indikativparadigma des Präsens, Präteritum, Perfekt und Futur I; den Unterschied zwischen den starken und schwachen Verben; die trennbaren Verben; die Verben mit e/i-, a/ä-, au/äu-Wechsel; die Perfektbildung mit haben/sein; die reflexiven Verben sowie die Modalverben; das werden- und sein-Passiv; die Rektion der Verben (Verben mit Dativ, Akkusativ sowie mit Präposition); für das Substantiv die verschiedenen Formen der Pluralbildung, die drei Genera (aus diesem Grund muß der Artikel immer im engen Konnex mit dem Substantiv behandelt werden); für das Adjektiv die nominalen und pronominalen Endungen sowie die Komparation; für die Präpositionen u. a. die Verwendungsunterschiede zwischen Dativ und Akkusativ. Für die Syntax sollten die Grundzüge der Satzgliedfolge sowie der Satzkonstitution vermittelt werden; in" diesem Bereich gehen immer mehr Lehrwerke dazu über, die Dependenz-Verb-Grammatik zugrunde zu legen. Das Wort Grundzüge fiel zuvor nicht von ungefähr. Es gilt nämlich, bei den Erwartungen an die Grammatikauswahl eines Grundstufenlehrwerkes ein realistisches Maß zu wahren. Sicher gibt es Komplexe, die bereits mit dem Ende der Grundstufe (= GST) als abgeschlossen gelten können, wie etwa die Regel für die Perfektbildung mit sein bzw. haben oder die Adjektivendungen. Auf der anderen Seite aber wird ein Lernender, der die Formen der Modalverben im Präsens und Präteritum (wohlgemerkt: die Formen) gelernt hat, beileibe nicht alle einschlägigen Verwendungsweisen kennen; er wird ferner noch unsicher sein, wie man Perfekt und Präteritum inhaltlich differenziert, auch wenn er die Formen richtig bilden kann, und man sollte von ihm nicht verlangen, den bestimmten, den unbestimmten sowie den Nullartikel korrekt gegeneinander abzugrenzen. Und die Vermittlung dieser Probleme sollte man auch nicht vom GST-Lehrwerk verlangen. Dies hieße nämlich mehr vermitteln, als der Lernende vermutlich aufnehmen kann. Probleme der genannten Art sind Sache von Mittel- und Oberstufenlehrwerken, wobei deren Abgrenzung dahinstehen möge. Die Grammatik im GST-Lehrwerk kann als einführungsweise behandelt vorausgesetzt werden, die entsprechenden Regeln sind vom Lernenden teils richtig gelernt, teils vergessen, teils falsch gespeichert worden (Lernende lernen im Regelfall nicht

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100% dessen, was sie lernen sollen). Aus dieser Feststellung ergeben sich eine erweiternde sowie eine korrektive Zielsetzung der Grammatik auf der Mittelstufe (= MST). Anders gesagt: Was man mit den gelernten Formen anfängt und wie man die Fehler vermeidet, die sich in die Sprachproduktion des Lernenden eingeschlichen haben und sich zu verfestigen drohen, damit u. a. sollte die Grammatik im MST-Lehrwerk zu tun haben. Aber dies reicht noch nicht aus. Der Lernende weiß mittlerweile, daß es in bestimmten Kontexten Ausdrucksalternativen gibt: Man kann einen Vorgang aktivisch, aber auch passivisch ausdrücken, im Perfekt, aber auch im Präteritum, man kann sagen: „Das sollte/ dürfte/müßte richtig sein". Wo ist der Unterschied? Die im GST-Lehrwerk intonier- 71 ten Themen lassen sich nach allen möglichen Richtungen verfolgen. MST-Lehrwerke i treffen hier ihre Auswahl, setzen unterschiedliche Schwerpunkte, so daß von einem Grammatikkanon, wie wir ihn von der GST her kennen, auf der MST nicht oder allenfalls sehr eingeschränkt die Rede sein kann. Auch dies müßte bei der Lehrwerkanalyse berücksichtigt werden. 2.4.2.2. Progression GST- und MST-Lehrwerke unterscheiden sich auch in dem nun folgenden Punkt. Wenngleich hier weder Ort noch Anlaß ist zu diskutieren, was unter Progression denn genau zu verstehen ist, so läßt sich doch rein deskriptiv sagen, daß auch in neueren GST-Lehrwerken die Abfolge der Lektionen sich noch immer sehr stark an der Grammatik orientiert. Grammatische Progression hängt mit der Vorstellung des Leichten und des Schwierigen zusammen und damit, daß dieses jenem zu folgen habe. So verwundert es nicht, daß eine gemeinhin als schwierig geltende Struktur wie das Passiv mit ihren Varianten werden- und sein-Passiv in GST-Lehrwerken in der Regel eher am Ende erscheint und in manchen MST-Lehrwerken noch einmal wieder aufgenommen wird. Gerade an dieser Struktur läßt sich gut zeigen, was unter Progression zu verstehen ist - und auch, welche Fehler ein Lehrwerkautor machen kann. Nehmen wir an, es tritt in einer späten Lektion eines GST-Lehrwerkes das Passiv auf, und zwar mit beiden Varianten. Nehmen wir weiter an, das Hilfsverb werden mit seinen Unregelmäßigkeiten im Präsensparadigma (ich werde, du wirst etc.) sei noch nicht behandelt und ebensowenig das Partizip II, vielleicht weil der Verfasser sich entschlossen hat, das Perfekt noch später als das Passiv dranzunehmen. Es ist unschwer zu sehen, daß an dieser Stelle die Schwierigkeiten für den Lernenden sinnlos kumulieren würden. Vergleicht man zwei GST-Lehrwerke miteinander, so wird man feststellen, daß ihre Grammatikprogression nicht ganz parallel läuft, weil die zugrundegelegten Grammatikmodelle nicht immer identisch sind, weil Lektionen hinsichtlich Umfang und Auf-bau sich nicht immer vergleichen lassen und weil die Auswahl des grammatischen Stoffes nicht genau gleich ist. Wenn man die Progression in einem Lehrwerk beurteilen will, sind zwei Überlegungen besonders wichtig: Es darf nichts vorausgesetzt werden, was noch gar nicht behandelt worden ist (dieser Gedanke ist trivial), und es dürfen sich die Lernschwierigkeiten nicht häufen (eine alte Studienseminarweisheit: Ein guter Pädagoge erkennt die Schwierigkeit des Stoffes für den Lernenden und entschärft sie). Für diesen Gedanken noch ein Beispiel: Für die Perfektbildung sollten die Präsensformen von haben und sein in früheren Lektionen behandelt worden sein. Was von einer sinnvollen Progression zu verlangen sei, gilt im Prinzip für MST-Lehrwerke ebenfalls, d. h., der Lehrbuchautor kann dort die gleichen Dinge richtig bzw. falsch machen

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wie in der GST. Der entscheidende Unterschied ist aber wohl der, daß wenigstens in neueren MST-Lehrwerken die Grammatik nicht mehr progressionstragend, sondern anderen Lehrzielen zugeordnet ist, wie z. B. dem Erwerb landeskundlichen Wissens, der Erweiterung des schriftlichen wie des mündlichen Ausdruckrepertoirs und ebenso der Differenzierung des Hörverständnisses. 72 2.4.2.3. Exposition Grammatische Regelzusammenhänge werden im Lehrwerk - sei es in Form von Tabellen oder gelegentlich auch in Kurztexten - so dargeboten, daß sie gelernt werden können. Hier sind die grafische Präsentation sowie die verwendete Terminologie oft Gegenstand der Kritik in Lehrwerkrezensionen. Tabellen, die meist den Zweck haben, das Formeninventar der Hauptwortarten zu präsentieren, erfüllen dann ihren Zweck, wenn sie grafisch eine Informationshierarchie erkennen lassen (z. B. Dünn-/ Fettdruck, weiß/farbig), d. h., wenn sie das schon Bekannte und das neu zu Lernende klar voneinander abheben. Hinsichtlich der grammatischen Terminologie ist die Formenlehre der Hauptwortarten weniger kontrovers als die Syntax, d. h. die Lehre von den Satzgliedern sowie die Satzgliederfolge. Manche Begriffe, besonders wenn sie aus dem Fundus der Dependenz-Verb-Grammatik stammen, sind für viele Lernende schwer zu memorieren („Nominativ-" vs. „Nominalergänzung" oder „Subsumptiv-ergänzung" sind einschlägige Beispiele). Ein Lehrwerkautor, der unter Beibehaltung jener Grammatiktheorie beherzt den Terminus „Subjekt" verwendet, auch wenn dieser vielleicht nicht den neuesten linguistischen Forschungsstand repräsentiert, macht es dem Lernenden leichter. Um den Terminologieaufwand zu reduzieren und den Lernenden zu entlasten, stellen manche Lehrwerke bestimmte Regelzusammenhänge signalgrammatisch dar, d.h. unter Verwendung verschiedener Symbole, unter denen der Pfeil besonders häufig vorkommt. Es ist darauf zu achten, daß hier nur nicht der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben wird. Dies geschieht etwa dann, wenn ein bestimmtes Symbol, der Pfeil etwa, unterschiedliche Bedeutungen hat, die Verwirrung stiften können. Probleme dieser Art wird man bei der Analyse eines Lehrwerks selten auf den ersten Blick entdecken, man muß da schon genauer hinsehen. 2.4.2.4. Übungsformen Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz, daß grammatische Strukturen durch entsprechende Übungen für den Lernenden kommunikativ verfügbar gemacht werden sollen, und dies sowohl produktiv als auch rezeptiv. Der Aspekt des grammatischen Wissens sollte dabei jedoch nicht ganz vernachlässigt werden: Es ist durchaus nützlich, wenn der Lernende bestimmte Regeln kennt; er kann z. B. bei Selbstkorrekturen auf sie zurückgreifen oder in Fällen, in denen er unsicher ist. Seit der sog. pragmalinguistischen Wende im Fremdsprachenunterricht wird zunehmend die im Prinzip plausible Forderung nach kommunikativer Einbettung von grammatischen Übungen erhoben. Den Autoren neuerer Lehrwerke wird hier ein höheres Maß an Phantasie abverlangt, als dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Dennoch haben auch die traditionellen Einsetzübungen sowie die gleichfalls traditionelle Aufeinanderfolge von Einzelsätzen, deren Abfolge keinen Text ergibt, insofern ihren Sinn, als sie eine konzentrierte Behandlung einer bestimmten Struktur (z.B. Adjektivendungen, Pluralformen, Artikel) zulassen, die bei kontextualisierten Übungen nicht immer ohne Zwang und ohne Verstoß gegen Sprachüblichkeit möglich ist. Das Gesagte gilt für GST-, aber auch für MST-Lehrwerke, sofern sie korrektive Übungen anbie-

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73 ten, und dies sollte man als Benutzer auch erwarten können. In MST-Lehrwerken sollten grammatische Übungen auch dort eingesetzt werden, wo es um die Erweiterung der rezeptiven Fertigkeiten geht, d. h. zur Erschließung von Hör- und Lesetexten. Der Grund liegt auf der Hand: Je komplexer Sätze und Texte werden, desto weniger hängt ihr Verständnis allein von der Vokabelkenntnis ab. Schwierige grammatische Strukturen können das Hör- bzw. Leseverständnis behindern, ihre Kenntnis es fördern. Gudula Mebus 2.5. Aussprache Nach wie vor umstritten ist, wie die Darstellung und Übung der Aussprache in Lehrbüchern aussehen soll. Modell l: nichts Auch neuere Lehrbücher enthalten oft keinerlei Abschnitte zur Phonetik, obgleich Kommunikationsfähigkeit immer als wesentliches Lernziel benannt wird. Begründung: eine (als notwendig anerkannte) akzeptable Aussprache stelle sich von selbst ein, indem der Kursteilnehmer (KT) den Kursleiter (KL) imitiert und der KL den KT korrigiert. Modell 2: Vorkurs Aussprache Vorteil: Einschleifen einer angemessenen Aussprache von Anfang an. Nachteil: Ausspracheübungen „ohne Inhalt" dämpfen die Lernmotivation. Modell 3: Aussprache häppchenweise Vorteil: Überschaubarkeit des Lernstoffs, Möglichkeiten zu abwechslungsreicher Gestaltung im Zusammenhang mit den Lektionsinhalten. Nachteil: Alle Laute müssen von Anfang an artikuliert werden. Eine sinnvolle Progression ist nicht realisierbar. Die neuesten Lehrbücher, in denen Phonetik explizit betrieben wird, folgen dem letztgenannten Modell. Das bedeutet für den KL, daß er zwar von Anfang an in bestimmten Unterrichtsabschnitten alle Fehler korrigieren sollte, daß aber intensiv nur jeweils ein Phänomen behandelt wird. Die KT sollen auf diese Weise für Ausspracheprobleme von Anfang an sensibilisiert werden und erhalten sukzessive Hilfen für ihre speziellen Bedürfnisse durch Buch und KL, ohne von ihnen phonetisch erschlagen zu werden. Übungen zur Aussprache waren in älteren Lehrbüchern - wenn überhaupt vorhanden - auf die Laute des Deutschen beschränkt. In neueren Lehrwerken finden sich auch öfter Abschnitte zur Intonation. 74 2.5.1. Forderungen, die an ein Lehrwerk für Erwachsene zu stellen sind (a) allgemeine Forderungen

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Hinweise und Überlegungen zur Aussprache sollten vorhanden sein, denn - zur Kommunikationsfähigkeit gehört auch eine angemessene Aussprache. Mündliche

Kommunikation ist häufiger durch Aussprachemängel behindert als durch grammatische Fehler.

- Erwachsene lernen oft stark kognitiv. Imitation fremder Wörter und Satzmelodie hilft nicht ausreichend, um ein Regelbewußtsein zu entwickeln. Erwachsene Lernende sollten Hilfen angeboten bekommen, damit sie eigene Schwächen selbst erkennen und korrigieren können.

- die KL sind in der Regel auf dem Gebiet der Phonetik nicht so gut ausgebildet und geübt, daß sie Übungen zu diesem Bereich nebenbei selbst entwerfen können. Außerdem fehlt ihnen meist dazu die Zeit.

(b) Forderungen zur Intonation

- Beschränkung auf wenige wesentliche Merkmale der Stimmführung, die eine ange-messene Intonation ermöglichen;

- eine für die KT leicht lesbare Notation, die so einfach sein sollte, daß der KL sie auch im Unterricht spontan benutzen kann;

- Behandlung von Intonationsmöglichkeiten bei den verschiedenen Satztypen ohne und mit Emotionen;

- Hinweise auf Varianten: der Einfluß des Kontextes auf die Intonation eines Satzes, Möglichkeiten der Sinnverschiebung durch Veränderung der Intonation mit ent-sprechenden Übungsangeboten.

(c) zu den Lauten

- vollständige Behandlung der deutschen Laute; - Gegenüberstellung von einander ähnelnden Lauten; - Zusammenhang bzw. Unterschied Schreibung - Lautung; - Vielfalt der Übungstypen zur Vermeidung von Monotonie; - API-Umschrift; sie ist rationell in der Verdeutlichung eines Lautes und seiner

Unterscheidung von anderen; alle modernen Wörterbücher benutzen sie. .... 75 2.6. Visualisierung Dietrich Sturm 2.6.1. Zur Rolle des Bildes in Lehrwerken Situation Die Visualisierung von DaF-Lehrwerken hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Dies gilt vor allem für Lehrbücher deutscher Verlage, aber auch für „Regionale Lehrwerke", welche in den letzten Jahren mit Hilfe des Goethe-Instituts entstanden sind, z.B. in

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Argentinien und Indien. Während in der Deutschen Sprachlehre für Ausländer von Schulz/Griesbach (1955) nur 33 von insgesamt 199 Seiten mit Illustra- 84 tionen versehen waren, wies das Lehrwerk Deutsch als Fremdsprache von Braun/ Nieder/Schmöe (1967) bereits auf mehr als der Hälfte der Seiten Illustrationen auf. Aktuelle Lehrwerke wie Sprachkurs Deutsch oder Deutsch aktiv sind im allgemeinen noch dichter visualisiert. Dies ist zum einen auf die allgemeinen Rezeptionsgewohnheiten zurückzuführen („Bilderkultur"), zum anderen aber aus den Zielsetzungen des kommunikativen Unterrichts zu verstehen. 2.6.1.1. Die Beurteilung von Visualisierungskonzepten Es ist für die einzelne Lehrkraft oder für das Lehrerkollegium alles andere als einfach, zu beurteilen, ob einzelne Bilder oder gar das Visualisierungskonzept eines Lehrbuches insgesamt den Lernprozeß fördern, ihn unbeeinflußt lassen oder gar behindern, und zwar aus folgenden Gründen: a) Die ästhetische Wirkung von Bildern ist nicht zu objektivieren Ein Bild, das der eine Kursteilnehmer schön findet (und mit dem er sich daher gerne beschäftigt), mag dem anderen uninteressant oder sogar abstoßend erscheinen. Vor allem bei Karikaturen ist dies häufig zu beobachten. Jedoch ist die Reaktion nicht prognostizierbar, und man soll sich hüten, die eigene Einstellung als Lehrer auch beim Schüler vorauszusetzen. Außer unterschiedlichen individuellen Einschätzungen spielen vor allem Generationsunterschiede und unterschiedliche kulturelle Prägungen (vor allem bei deutschen Lehrern im Ausland) eine erhebliche Rolle. b) Die Wirkung von Bildern im Lernprozeß ist unzureichend erforscht Die Ergebnisse der Wirkungsforschung und der Wahrnehmungspsychologie sind bisher unbefriedigend. Beide Forschungszweige befassen sich vor allem mit einfachen Bildern, die auf der semantischen Ebene zu verstehen sind („Was ist das?"), während komplexere oder „hintergründige" Bilder kaum untersucht wurden. Vernachlässigt wurde bisher auch die autonome Funktion des Bildes, unabhängig also von einem Text. Zahlreiche Aussagen sind außerdem widersprüchlich, z. B. über die Wirkung der Farbe im Lernprozeß. Ungeklärt ist auch, unter welchen Umständen Bilder, die Anstoß erregen (s. a) den Lernprozeß fördern können, eben weil man sich mit ihnen beschäftigt und dadurch der Gefahr des flüchtigen Betrachtens begegnet wird. c) Interkulturelles Bildverstehen ist einer der großen „weißen Flecke" in der Bildforschung Der Zugewinn von Erfahrung erfolgt ganz wesentlich über visuelle, bildhafte Eindrücke. Die Wahrnehmungsforschung hat dafür die Vorstellung sog. mentaler Modelle gefunden, wonach der Lernstoff in vorwiegend imaginativer Form repräsentiert wird. Die intensive Visualisierung moderner Lehrbücher erfährt so auch eine wissenschaftliche Rechtfertigung. Allerdings bedeutet dies auch, daß der Lernende sehr stark auf Bilder zurückgreift, die er in seiner eigenen Kultur aufgenommen hat und die ihm bisher dazu dienten, die zahlreichen

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Lernprozesse zu bewältigen, die das Leben von ihm fordert. Das Bild, das ein DaF-Lernender sich von Deutschland 85 macht, und zu dessen Ausbau die Bilder in Lehrbüchern ganz wesentlich beitragen, wird also ungemein beeinflußt von den Bildern, die er als sein individuelles und eigenkulturelles „Bilderrepertoire" in den Lern- und Begegnungsprozeß einbringt. Jedoch ist viel zu wenig darüber bekannt, wie sich die Visualisierungsgewohnheiten und das Bildverstehen verschiedener Kulturen zueinander verhalten, wo es die Gefahr der Fehldeutung geben kann (z. B. im Bereich der Mimik und Gestik), welche Bilder im pädagogischen Kontext tabuisiert sind, welche Zeichen und Symbole nicht verstanden werden können und deshalb Irritationen auslösen oder schlicht und einfach übersehen werden. 2.6.1.2. Beurteilungskriterien Dennoch gibt es eine Reihe von Gesichtspunkten, die es erlauben, Visualisierungskonzepte von Lehrbüchern zu analysieren. a) Die makro-typographische Gestaltung Für die ästhetische und didaktische Wirkung einer Lehrbuchseite sind Gestaltungselemente maßgeblich, die man in „mikrotypographische Komponenten" und „makrotypographische Komponenten" unterscheiden kann. Schriftform, Buchstabenausgleich etc. bilden die mikrotypographischen Komponenten. Wir wollen sie hier übergehen. Unter „makrotypographischen Komponenten" versteht man die Gestaltung der Buchseite als ganzes und damit auch das typographische Verhältnis Bild und Text, das vor allem in Unterrichtswerken von dem Streben nach Lesekomfort geleitet sein soll. Zu fordern ist vor allem eine klare Anordnung der Bilder, um Erschwernisse bei der Feststellung der Reihenfolge zu vermeiden. Es darf keine Unklarheiten geben über die Lernwege: Bild und Text müssen einander klar zugeordnet sein, das wichtigere muß augenfälliger sein (klare Dominanzverhältnisse der Bilder untereinander sowie Verhältnis von Bild und Text). b) Bildfunktionen Ist dem Lehrer und dem Schüler der Zweck des Bildes deutlich? Im wesentlichen handelt es sich um fünf Funktionen: 1. landeskundliche Informationen, 2. Übungsanlaß, 3. Verdeutlichung von grammatischen Strukturen, 4. Merkhilfe, 5. Dekoration ohne didaktische Zielsetzung. Die Funktionen 1—4 können miteinander verknüpft sein; häufig ist dies bei l und 2 der Fall. Das Bild als Hilfsmittel zum Verstehen von Grammatik findet sich in den Lehrbüchern der letzten Generation recht häufig; es hat damit oft zugleich die Funktion einer Merkhilfe (3 und 4). Es ist in jedem einzelnen Fall zu entscheiden, ob eine Erklärungshilfe über das Bild wirksamer ist als eine sprachliche, kontrastive Erklärung. 86

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Illustrationen, die eingeschoben werden, um die „Bleiwüste" des Textes zu unterbrechen und keinen unterrichtsrelevanten Bezug zum Text haben (5) sind entbehrlich und nehmen lediglich kostbaren Platz in Anspruch. Fragen ans Lehrwerk:

• Finden sich im Lehrbuch/im Lehrerhandbuch klare Hinweise zur Bildverwendung, oder ist der Benutzer häufig vor die Frage gestellt: „Was soll das Bild eigentlich an dieser Stelle?"

c) Mitteilungsabsicht Ist es bei der Auswahl/Gestaltung des Bildes gelungen, die Mitteilungsabsicht zum Ausdruck zu bringen? Fragen ans Lehrwerk:

• Ist der situative Rahmen klar? • Sind die Rollen der Personen klar erkennbar? • Ist die kommunikative Absicht deutlich (Mimik, Gestik, Anordnung der Sprechblasen

etc.)? d) Bildsorten Angesichts der Bedeutung des Bildes für den gesamten sprachlich-inhaltlich-landes-kundlichen Lernprozeß sollte das Visualisierungskonzept des Lehrbuches mehrere Bildsorten berücksichtigen: Karikatur, Fotografie, Plakate, künstlerische Graphiken etc. e) Kreative Bildarbeit Die offenen Konzepte sprechaktiven Unterrichts sollten auch auf das Bild Anwendung finden. Bilder eignen sich mindestens ebenso sehr wie Texte zum Spielen, Spekulieren und Erfinden. Fragen ans Lehrwerk:

• Bietet das Buch Möglichkeiten offener, kreativer Bildarbeit? f) Technische Qualität Das Visualisierungskonzept eines Lehrbuches muß den drucktechnischen Möglichkeiten angemessen sein. Das gilt vor allem für die Wiedergabe von Fotografien: „Flache" oder undeutliche Fotos (oder gar künstlerische Bilder) sind ärgerlich und fördern weder den sprachlichen noch den landeskundlichen Lernprozeß. g) Vergleich mit dem pädagogischen Visualisierungskonzept der Ausgangskultur Auch das Bildverständnis im Erwachsenenunterricht ist geprägt von den Bilderfahrungen, die auf den schulischen Unterricht zurückgehen. Man sollte daher - vor allem 87

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im außereuropäischen Raum - einige Überlegungen anstellen im Hinblick auf die Rolle des Bildes in der Ausgangskultur und vor allem in deren pädagogischen Kontexten:

- Welche Rolle hat das Bild in der Ausgangskultur? (Ist die Kultur bildaufgeschlossen/ bildrestriktiv? Wie verbreitet sind Karikaturen? Bildtabus? etc.)

- Welche Rolle hat das Bild in Bildungseinrichtungen? (Werden im Unterricht Bild-materialien eingesetzt? Sind sie an bestimmte Altersstufen gebunden, gilt das Bild evtl. als „kindertümlich" und wirft es damit für erwachsene Lernende Akzeptanzprobleme auf?)

h) Unterrichtsbedingungen Sofern mit dem Lehrwerk ein Medienkonzept verbunden ist (Dias, Folien, Video), ist zu prüfen, ob dafür an den entsprechenden Bildungseinrichtungen die Voraussetzungen bestehen (technische Ausstattung, Klassengröße, Vertrautheit der Lehrer mit technischen Medien, Kostengesichtspunkte). Wenn ein Lehrwerk nur im Hinblick auf seine Einführung an einem Goethe-Institut analysiert wird, wo die wesentlichen Forderungen erfüllt werden, so ist dennoch zu bedenken, daß dies vielerorts dazu führt, daß auch einheimische Bildungseinrichtungen sich veranlaßt oder gar gezwungen sehen können, das Lehrbuch zu übernehmen und daß dort dann Schwierigkeiten beim Einsatz auftreten können. ... 88

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Literatur zum Thema Lehrwerkanalyse/Lehrwerkevaluation In meinem Seminar in Dresden verwende ich folgende Literatur: Kast, Bernd/Neuner, Gerhard(Hrsg.): Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. - Langenscheidt, 1994 (Reihe: Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis) Nodari, Claudio: Perpektiven einer neuen Lehrwerkkultur : pädagogische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der Lehrwerkgestaltung - Verlag Sauerländer, Aarau, Frankfurt am Main, Salzburg, 1995. Thomas, Christian. (1998). Interkulturalität, Pragmalinguistik und Kritische Kompetenz in neuen DaF-Lehrwerken. Fallbeispiel: Die Suche 2. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 3(1), 36 pp. Available: http://www.ualberta.ca/~german/ejournal/thomas2.htm Bimmel/Kast/Neuner: Arbeit mit Lehrwerklektionen, Erprobungsfassung 1/94. - Fernstudienangebot Langenscheidt Verlag/Goethe-Institut München, 1994 Maren Duszenko: Lehrwerkanalyse. Erprobungsfassung 7/94 - Fernstudienangebot Langenscheidt Verlag/Goethe-Institut München, 1994 (Von den beiden letzten Büchern scheint eine endgültige Fassung noch nicht erschienen zu sein, wie eine Recherche im Internet und im Katalog 1999 des Langenscheidt-Verlages ergab.) Eine Recherche im Internet ergab folgende Seminarbibliographien verschiedener DaF-Bereiche verschiedeer Universitäten (berücksichtigt sind nur Titel nach 1990, die in Dresden NICHT benutzt werden !): 1. http://www.daf.uni-mainz.de/bibsem.htm (DaF-Bereich der Universität Mainz) Lehrwerkanalyse und Lehrwerkkritik Bimmel, P. (1997): Arbeit mit Lehrwerklektionen. Unterrichtsdokumentation, München: GI. Esselborn, K. (1991): "Neue Beurteilungskriterien für audiovisuelle Lehrmaterialien", ZD 22/2, 64-78. Heyd, G. (1994): Deutsch lehren, Frankfurt/M.:Diesterweg, Kap. 14. Leupold, E. (1992): "Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht", in: Jung, U. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer, Frankfurt/M.: Lang, 121-126. Löschmann, M. (1992): "Lehr- und Lernmittel: Funktionen - Leistungen - Auswahlkriterien", in: Jung, U. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer, Frankfurt/M.: Lang, 113-120. Neuner, G. (1995): "Progressionsverfahren bei der Lehrwerkentwicklung", in: Popp, H. (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache. An den Quellen eines Faches, München: iudicium, 685-706. Rösler, D. (1992): Lernerbezug und Lehrmaterialien DaF, Heidelberg: Groos.

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