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Presseinformation o7.o8.2oo3 Goseck

Presseinformation · 2012-02-14 · aumburg über dem Saaletal in unmittelbarer Nähe der Gemeinde Gos-eck, circa 25km Luftlinie vom Mittelberg, dem Fundort der weltbe-rühmten Himmelsscheibe

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Presseinformation o7.o8.2oo3 Goseck

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Goseck

Bereits 3ooo Jahre vor der letzten Ausbauphase von Stonehenge er-richteten in Mitteldeutschland frühe bäuerliche Gemeinschaften einemonumentale Anlage, die zur Beobachtung astronomischer Phäno-mene diente. Der Fundort dieser Anlage liegt zwischen Weißenfels undNaumburg über dem Saaletal in unmittelbarer Nähe der Gemeinde Gos-eck, circa 25km Luftlinie vom Mittelberg, dem Fundort der weltbe-rühmten Himmelsscheibe von Nebra, entfernt.

Die Anlage von Goseck gehört in die Gruppe der sog. Henge-Monumen-te, monumentale kreisförmige Erdwerke, die astronomische Funktionhatten. Im Einzelfall konnte diese – wie etwa im Fall von Bochum-Har-pen postuliert – aber letztendlich nie gesichert bewiesen werden. InGoseck ist dies hingegen auf Grund des exzellenten Erhaltungszustan-des der archäologischen Befunde erstmals zweifelsfrei gelungen. Hierbeeindruckt die Anlage durch einen Kreisgraben von rund 75m Durch-messer, der konzentrisch im Innern von zwei Palisaden begleitet und andrei Stellen durch aufwändig gestaltete Tore unterbrochen ist. Einmaligist ferner, dass – wie bei den vergleichbaren Monumenten – nicht vieroder zwei Tore, sondern drei nachgewiesen wurden. Prof.Dr.W.Schlos-ser vom Institut für Astro-Physik der Ruhr-Universität Bochum fandheraus, dass vom Zentrum der Anlage aus gesehen die Torunterbre-

Ältestes SonnenobservatoriumEuropas entdeckt

Luftbild der Anlage vor der Ausgrabung (1999, R.Schwarz)

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Goseck

gung markanter Fixpunkte der Jahreszyklen von größter Bedeutungwar. Wie die ca. drei Jahrtausende jüngere Himmelsscheibe von Nebrazeigt, war von Anfang an astronomisches Wissen mit mythologisch-kos-mologischen Vorstellungen verknüpft. Dadurch gewährt die Anlagevon Goseck ebenfalls Einblicke in die geistig-religiöse Welt der erstenBauern Europas.

Das bislang bei den Grabungen geborgene archäologische Materialdatiert in die frühe stichbandkeramische Kultur und kann absolut-chro-nologisch zwischen ca. 5ooo und 48oo v. Chr. angesiedelt werden. Somitist Goseck das älteste zweifelsfrei nachgewiesene Sonnenobservatorium

chungen der inneren Palisadenreihen und des äußeren Grabens eineVisiervorrichtung darstellten, die auf die Sonne ausgerichtet war. Dabeiverengen sich die Durchbrechungen von außen nach innen, was einepräzise Beobachtung erlaubt:

Von der Mitte aus gesehen markiert das Südosttor exakt den Punktdes Sonnenaufgangs zur Wintersonnenwende am 21. Dezember zuBeginn des 5. Jahrtausends v. Chr. Das Südwesttor bezeichnet den Son-nenuntergang am selben Tag. Das dritte Tor weist nach Norden.

Somit bestätigt die Kreisgrabenanlage von Goseck, dass auch bereitsfür die ersten agrarisch geprägten Gesellschaften Europas die Festle-

links: Geophysikaliche Aufnahme der Anlage (LfA). Mitte: Übereinanderprojektion von geomagnetischer Vermessung und Luftbild (LfA).

rechts: Astronomische Ausrichtung der Anlage nach Prof. Dr.W.Schlosser. Rotes Kreuz: Mitte des optimalen Kreises, Rot: astronomischer Meridian, Gelb: magnetischer Norden,

Grün: Referenzpunkte Kreisgraben und optimal passender Kreis. Hellblau: Sonnenauf-/ untergang (oberer Rand) Wintersonnenwende ~48oo v. Chr..

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Goseck

oben: Südosttor. Grabungskampagne 2oo3 (Fotograf: J.Lipták)

links: Mitarbeiter bei der Grabungsdokumentation (Fotograf: J.Lipták)

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Goseck

Europas und steht am Anfang einer Reihe vergleichbarer gewaltigerErdwerke der europäischen Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit, die –obwohl heute weitgehend eingeebnet – zur frühesten Monumentalar-chitektur Europas gehören. Erst um ca. 15oo v. Chr. fanden sie auf denbritischen Inseln mit den bekannten, dort vorwiegend in Stein ausge-führten Henge-Monumenten ihr Ende. Einige – wie Stonehenge – sindbis zum heutigen Tage oberirdisch sichtbar.

Derartige Anlagen waren meist Zentren großer Siedlungsgebiete undzeichneten sich aufgrund ihrer zentralen, weithin sichtbaren Lage inder Landschaft aus. Weiterhin weisen bewusste Deponierungen undReste von Tier- und Menschenopferungen auf die eminente Bedeutungdieser Denkmäler als zentrale Kult- und Versammlungsplätze hin. Astro-nomische Beobachtungen, kultische Umzüge und Zeremonien vermisch-ten sich hier in einmaliger Art und Weise mit gesellschaftlichen Akti-vitäten.

Der zweifelsfreie Nachweis eines Sonnenobservatoriums und dasenorm hohe Alter der Kreisanlage von Goseck eröffnen der Wissenschaftdie Möglichkeit, die gesamte Denkmälergruppe in einem neuen Lichtzu sehen.

Die archäologischen Untersuchungen werden im Rahmen des vonProf. François Bertemes geleiteten internationalen Projektes »Archäolo-gie Multimedial. Die Grabung Goseck« vom Institut für PrähistorischeArchäologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Koope-ration mit dem Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt und demMultimedia Authoring Center for Teaching In Anthropology der Uni-versity of California Berkeley durchgeführt.

Luftaufnahme Südosttor von Norden nach Süden. Grabungskampagne 2oo3. (Fotograf: G.Pie)

Freilegen des obersten Planums von NO nach SW. Grabungskampagne 2oo3.

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Rekonstruktion der Anlage von Goseck zur Wintersonnenwende (Zeichnung: K.Schauer)

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FundgeschichteDie Gosecker Kreisgrabenanlage wurde bereits in den 9oer Jahren wäh-rend Befliegungen entdeckt und durch Luftbilder dokumentiert. An-schließende geomagnetische Prospektionen konnten die auf den Luftbil-dern erkennbaren Befunde bestätigen und zusätzlich weitere Struk-turen nachweisen. In Sachsen-Anhalt war bislang als vergleichbarerFundplatz nur die jüngere Anlage von Quenstedt, Ldkr. Mansfelder Land,mit fünf konzentrischen Palisadenringen bekannt.

Die laufenden AusgrabungenDie diesjährigen Ausgrabungen werden als Lehrgrabung vom 22. Julibis zum 22.August mit logistischer und personeller Unterstützungdurch das Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt durchgeführt. Ander Lehrgrabung nehmen etwa 3o Studenten der Institute für Prähisto-rische Archäologie, der Klassischen Archäologie und der Orientwissen-schaften der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg sowie desInstitutes für Archäometrie der Technischen Universität Freiberg teil.Zusätzlich wird der Bereich »Neue Medien« zeitweise durch ein ameri-kanisches Team unter Leitung von Prof. Ruth Tringham von der Univer-sity of California Berkeley unterstützt.

Beziehungen zur Himmelsscheibe von NebraDer sensationelle Fund der Himmelsscheibe von Nebra aus der Zeit um1.6oo v. Chr. legte die Vermutung nahe, dass die darauf angebrachtenDarstellungen auf eine lange Tradition der Himmelsbeobachtung zu-rückzuführen sind. So haben etwa die dort gezeigten Horizontbögen

oben:

Ausgrabungs- und

Dokumentationsarbeiten

während der Grabungs-

kampagne 2oo2.

unten:

Die Himmelsscheibe von

Nebra. (Fotograf: J.Lipták)

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Goseck

Das Südosttor von SW gesehen,

Vogelperspektive aus 17m Höhe.

Grabungskampagne 2oo3.

Freilegen einer Grube vor dem Kreisgraben nördlich

des Südosttores. Grabungskampagne 2oo3.

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ebenso Beziehungen zur Wintersonnenwende wie die Kreisanlage vonGoseck. Durch die Darstellung einer Himmelsbarke, die zwischen denHorizonten hin- und herfährt, wird zugleich die mythologische Überhöh-ung der Gestirne und ihrer religiös-kultischen Bedeutung für den vorge-schichtlichen Menschen zum Ausdruck gebracht.

Popularisierung der Archäologie durch MultimediaDie Veröffentlichung und Präsentation der Ergebnisse der archäologi-schen Untersuchungen über traditionelle Medien wird verstärkt durchden Einsatz neuer elektronischer Medien ergänzt. Durch die multimedi-ale Aufarbeitung sollen Möglichkeiten einer zeitgemäßen Beschäfti-gung mit regionaler Geschichte und Denkmälern geschaffen und ver-sucht werden, archäologische Arbeit für die Öffentlichkeit transparen-ter zu gestalten. Eine während der Grabung online-geschaltete Webcamwird der interessierten Öffentlichkeit ermöglichen, den Fortgang derArbeiten unmittelbar verfolgen zu können.

Das weitere ProgrammEs ist geplant, innerhalb der nächsten Jahre die komplette Kreisgraben-anlage sowie weitere Denkmäler der Mikroregion interdisziplinär zuerforschen, um ein möglichst umfassendes und detailliertes Bild derurgeschichtlichen Landschaft um Goseck zu gewinnen. Der außerge-wöhnlich gute Erhaltungszustand der archäologischen Strukturen ge-stattet es, nach Abschluss der wissenschaftlichen Untersuchungen übereine Rekonstruktion der Gesamtanlage nachzudenken.

Überblicksfoto mit Südosttor. Grabungskampagne 2oo3. (Fotograf: J.Lipták)

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Goseck

Kontakt

Dr. Alfred Reichenberger

Landesamt für Archäologie Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-AnhaltRichard-Wagner-Str. 9o6114 Halle (Saale)

Tel. o345 · 52 47 – 312Fax o345 · 52 47 – 351

[email protected] [email protected]

Weitere Informationen unter: http://www.praehist.uni-halle.de

Grabungskampagne 2oo3.

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