246410272 Bil Dungs Roman

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0Inhaltsverzeichnis1. Einleitung......................................................................................................S. 32. Einfhrung in den deutschen Bildungsroman...........................................S. 52.1. Zum Begriff Bildung.......................................................................................S. 52.2. Historischer berblick........................................................................................S. 62.3. Geschichte der Gattung Bildungsroman.............................................................S. 72.3.1. Verwendung des Gattungsbegriffs..........................................................S. 82.3.2. Problematik der Gattungsbestimmung....................................................S. 92.4. Eine typisch deutsche Gattung?........................................................................S. 102.5. Charakteristik des Bildungsromans..................................................................S. 112.6. Literaturwissenschaftliche Diskussion.............................................................S. 122.7. Konzeption des Protagonisten..........................................................................S. 142.8. Bildungsroman um Jahrhundertwende und im 20. Jahrhundert.......................S. 152.8.1. Situation in der Gesellschaft..................................................................S. 152.8.2. Situation in der Literatur.......................................................................S. 152.8.3. Strukturtypus des Bildungsromans der Jahrhundertwende...................S. 163. Kurzbiographie - Hermann Hesse..................................................................S. 183.1. Der Sonderfall Hesse........................................................................................S. 214. Peter Camenzind............................................................................................S. 234.1. Inhaltsangabe....................................................................................................S. 234.2. Zur Entstehung des Werkes..............................................................................S. 254.3. Einflsse auf das Werk.....................................................................................S. 264.3.1. Peter Camenzind und Der grne Heinrich.....................................S. 264.3.2. Andere Einflsse...................................................................................S. 274.4. Autobiographische Merkmale im Buch............................................................S. 274.5. Peter Camenzind - ein Bildungsroman.........................................................S. 284.6. Chronologie des Werkes...................................................................................S. 284.7. Formen der Liebe im Roman..............................................

..............................S. 304.7.1. Liebe zu den Frauen..............................................................................S. 304.7.2. Menschenliebe.......................................................................................S. 3014.7.3. Das Verhltnis zwischen Dichtertum und Liebe..................................S. 314.8. Bildungskonzeption des Helden.....................................................................S. 324.9. Strukturelle Merkmale....................................................................................S. 334.10. Die Rolle des Vaters im Roman....................................................................S. 344.11. Die Rolle des Lebensfreundes.......................................................................S. 354.12. Das Motiv der Natur......................................................................................S. 364.13. Ergebnis der Lebensreise des Helden............................................................S. 374.14. Fazit...............................................................................................................S. 395. Das Glasperlenspiel........................................................................................S. 405.1. Inhaltsangabe...................................................................................................S. 405.2. Einfhrung in das Glasperlenspiel...............................................................S. 435.3. Entstehung und Wesen des Werkes.................................................................S. 445.4. Struktur und Aufteilung...................................................................................S. 465.4.1. Einzelne Teile des Werkes....................................................................S. 475.4.2. Die Erzhlweise im Werk......................................................................S. 495.5. Innere Bildung und Entwicklung des Helden..................................................S. 505.5.1. Charakteristik Josef Knechts.................................................................S. 505.5.2. Personen, die sich am Knechts Erwachen beteiligten...........................S. 515.5.3. Knechts Tod als weitere Bildungsstufe.................................................S. 525.5.4. Lebensgesetz des Helden.......................................................................S. 535.6. Das Glasperlenspiel eine Utopie?.............................................................S. 555.6.1. Das Glasperlenspiel als Zukunftsvision.............................................S. 565.7. Aktualitt des Werkes......................................................................................S. 575.8. Bildungsprinzipien im Werk............................................................................S. 585.8.1. Das Wesen der Bildung im Werk..........................................................S. 585.8.2. Das Prinzip der Polaritt und des Dualismus........................................S. 595.8.3. Das Prinzip des Dienens..................................................

......................S. 615.8.4. Die Bedeutung der Synthese.................................................................S. 625.8.5. Musik als Bildungsmittel.......................................................................S. 625.8.6. Absenz der Frauen im Werk..................................................................S. 635.9. Die Existenz der pdagogischen Provinz im Werk.........................................S. 645.9.1. Entstehung und Struktur Kastaliens......................................................S. 645.9.2. Das Spiel der Spiele...........................................................................S. 6625.10. Fazit...............................................................................................................S. 676. Hesses pdagogische Ideen und Vorstellungen............................................S. 697. Peter Camenzind und Das Glasperlenspiel: Ein Vergleich..............S. 728. Resmee.................................................................................................................S. 74Literaturverzeichnis...............................................................................................S. 76

31. EinleitungMeine Dichtungen sind alle ohne Absichten, ohne Tendenzen entstanden. Wenn ichaber nachtrglich nach einem gemeinsamen Sinn in ihnen suche, so findeichallerdings einen solchen: vom Camenzind bis zum Steppenwolf und JosefKnechtknnen sie alle als eine Verteidigung (zuweilen auch als Notschrei) derPersnlichkeit, des Individuums gedeutet werden.1(Hermann Hesse)Werke Hermann Hesses bleiben zu jeder Zeit aktuell, immer wieder entdeckenJugendgruppen seine Bcher und whlen ihn zu ihrem persnlichen geistigen Fhreraus. Hesse vermittelt in seinem Werk keine Wahrheiten oder Lebensprinzipien. Erschildert eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Hermann Hesse erklrte oft,er sei keinVertreter einer festen Lehre, sondern nur Mensch der Wandlungen, ein Suchender aufweitem Weg zum wahren Leben. Seine Werke orientieren sich an das Individuum. Ausallen menschlichen Tugenden hatte er den Eigensinn am liebsten, denn er denGehorsam gegen sich selbst und nicht gegen die Massen fordert. So entdeckt man inseinem ganzen Werk immer wieder in verschiedenen Formen die Motive desProtestsgegen die Konsumgesellschaft und ihren Herdensinn. Obwohl Hesse keinFachpdagoge war, weihte er sein Werk der Problematik der menschlichen Entwicklungund Erziehung ein.In der vorliegenden Diplomarbeit beschftige ich mich mit dem Wesen desBildungsromans und seiner Form im Werk Hermann Hesses, zur Analyse whlte ichmir den ersten und letzten Roman von diesem Autor und zwar Peter Camenzind undDas Glasperlenspiel aus. Der Schwerpunkt meiner Arbeit beruht auf ausfhrlicherAnalyse dieser Werke was die Angehrigkeit zu dieser Gattung betrifft, inwiefern essich bei diesen Romanen tatschlich um die Bildungsromane handelt.Im ersten Teil beschftige ich mich mit dem Begriff Bildung und Bildungsromannher, wobei ich mich vor allem auf den Zeitraum der Jahrhundertwende und Beginndes 20. Jahrhunderts konzentriere, in dem Hermann Hesse lebte. Diese Romanformentstand in Deutschland und ist dort hufig verbreitet. Sie schildert den Lebenswegeines jungen Mannes, der sich mit verschiedenen Weltbereichen auseinandersetzt, umdie Erkenntnis ber sich und ber die Welt um sich herum zu gewinnen.

1Zitiert nach: UNSELD, Siegfried: Hermann Hesse Werk und Wirkungsgeschichte, Insel TaschenbuchVerlag, Frankfurt am Main 1985, S. 54Darauf knpft der Lebenslauf des Autors und Inhalte der einzelnen Werke an. DiesenTeil halte ich fr wichtig, da er sich auch mit den Umstnden befasst und fr richtigesVerstndnis von dem Text notwendig ist.Im Folgenden untersuche ich die einzelne Werke, was die Struktur, Aufbau undMerkmale des Bildungsromans anbelangt. Zum Schluss vergleiche ich beide Werke underwhne auch Hesses eigene pdagogische Ideen.Der Sinn und gleichzeitig auch das Ziel dieser Arbeit ist, nicht nur die Merkmale desBildungsromans zu erkunden, sondern auch pdagogische Grundgedanken im WerkHermann Hesses zu ermitteln.

52. Einfhrung in den deutschen BildungsromanWenn wir uns mit dem Bildungsroman beschftigen sollen, mssen wir zuerstfestlegen, wie und wodurch sich diese Gattung kennzeichnet. Das Genre Bildungsromanist in der Literaturforschung problematisch zu bestimmen, sowohl was die generischeDefinition betrifft, als auch die Frage, welche Werke dieser Romanart zuzuordnensind.2Wir mssen zuerst ermitteln, welche Kriterien diese Romanart prgen oder wie sie sichselbst abgrenzt, bevor wir uns mit den einzelnen Werken befassen werden.Gehren unter die Bildungsromane nur die Werke, die nach der GoetheschenBildungsvorstellung (Wilhelm Meister) geschrieben wurden, oder darf mandazu auch

Romane des 20. und 21. Jahrhunderts zhlen?Manche Forscher sind der Meinung, dass man mit dem Ende des ZweitenWeltkrieges auch das Ende des Bildungsromans beobachten kann. Seit dieser Zeit sindaber manche Werke in anderen LndernEuropas, in den USA und natrlichauch inDeutschland entstanden, die diese Hypothese eher widerlegen.2.1. Zum Begriff BildungEs ist nicht einfach den Begriff Bildung zu erklren. Die grundlegende, whrenddes 18. Jahrhunderts entstandene Voraussetzung fr den Bildungsprozess istdieselbstreflexive Individualitt. Diese erweist sich dann als unberechenbar. Das heit, dassman den Prozess der Sel st ildung nicht vorhersehen kann. Seit dem 18.Jahrhundertver reitete sich die Idee, dass whrend des individuellen Bildungsprozesses der jungeErwachsene einenestimmten Charakter gewinnen soll.3Ein Bildungsprozess desIndividuums sei eigentlich die Folge von Entwicklungsphasen, wo ei sichdieserProzess auch krisenhaft vollziehen und die Identitts ildung ganz misslingen kann.2Vgl. MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 113E d. S. 136Mit der Entstehung der modernen Bildungsidee entstanden auch viele verschiedeneBildungstheorien. Bildung sei Verhltnis des einzelnen zum Ganzen, Prozessdesindividuellen Hineinwachsens in einen gesellschaftlichen Zusammenhang.4Man kann die Bildung von zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven etrachten, diesich im 19. Jahrhundert entwickelten. Erstens ist es der neuhumanistischeBildungs egriff in der Nachfolge Hum oldts, Ideal der harmonischen, allseitigge ildeten Persnlichkeit.5Zweitens geht es um die durch pragmatischeUtilittsgesichtspunkteetonende Auffassung von Bildung.6Hier legt man Wert aufdie Kenntnisse und praktische Fertigkeiten des Individuums. Im Falle desBildungsromans verliert fr uns a er diese Begriffs estimmung an Bedeutung.

2.2. Historischer er lickDas Wort Bildung fhrt auf das griechische paideia, lateinisch humanitas zurck.Die Griechen verwendeten diesen Begriff, um sich von den Bar aren a zugrenzen undzwar durch Sprachverfgung, Schriftge rauch und gemeinsame Geschichte.7ImMittelalter verstand man unter Bildung das A ild (imago), Gestaltung (formatio) undNach ildung (imitatio).8Im Zentrum stand die Gottes ildlichkeit - der Mensch solltenach ihr geformt werden.Whrend der Aufklrungszeit legte man in der Bildung Wert auf rationelleFhigkeiten des Individuums. Hegel spricht von der so genanntenhumanittsphilosophischen Bildung. Die Naturwissenschaftler des 18. Jahrhundertsschufen die neue otanisch-morphologische Auffassung.9Die Antikeeeinflusste indieser Zeit das Bildungskonzept auch und wurde teilweise zum Vor ild (Vorstellung,dass in der Antike der Mensch seine hchste Bildungsstufe erreichte), durch sie lie sichauch Goethe inspirieren. Seine Bildungsvorstellung setzt sich in der Aufklrung durchund etont die Ganzheit und Harmonie des Menschen. Der Bildungsroman erle te indieser Zeit den Aufstieg und wurde zur allgemein anerkannten Gattung.4JACOBS, Jrgen/KRAUSE, Markus: Der deutsche Bildungsroman : Gattungsgeschichte vom 18. iszum 20. Jahrhundert, C. H. Beck, Mnchen 1989, S. 1455E d.6E d.7SELBMANN, Rolf: Der deutsche Bildungsroman, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart; Weimar 1994, S. 18Vgl. E d. S. 19Erklrung: die gttliche Leitung zum Beispiel ei dem Wachsen der Pflanze wurde geleugnet.7Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Bildung zum Besitz, der Prestige gewhrleistete.In der Gesellschaft gehrte sie zu den entscheidenden Kriterien, wie sich die sozialenSchichten a grenzten. Unge ildetheit wurde zum Kennzeichen der niedrigerenSchichten der Gesellschaft, des Proletariats. Zu dieser Zeit rach diegroe Welle derBildungskritik aus, die Gesellschaft rief nach Umwertung der Bildungskonzeption.DieFolge war die Ver reitung der elitren Bildungsvorstellungen einerseits un

d dieVersuche, die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung in den Bildungsegriffaufzunehmen10andererseits.Nach 1945 versuchte die DDR den Zusammenhang von Bildung undAr eiter ewegung zu ewahren, in der BRD wurde das neuhumanistischeBildungskonzept wiederentdeckt. In der Gegenwart ist die Bildung keine zentraleKategorie ffentlicher Auseinandersetzungen und nationaler Identittsfindung mehr.11

2.3. Geschichte der Gattung BildungsromanDer Aufstieg des Romans ist whrend des 18. Jahrhunderts in der Zeit derFrhaufklrung und des Klassizismus in Deutschland zueo achten. Als ersterdeutscher Bildungsroman wird allgemein Geschichte des Agathons von Christoph M.Wieland anerkannt. Es geht in diesem Werk noch um keine Entwicklungsgeschichte,sondern die a enteuerlichen Erle nisse der Hauptfigur werden geschildert. Erst sptereRomane weisen die Merkmale der Entwicklung und Integration des Individuums auf.Mit Wilhelm Meister Lehrjahre und Wanderjahre von Johann Wolfgang von Goetheentstand das grundlegende Werk des Bildungsromans, dessen Struktur spter ewundertund oft nachgeahmt wurde.Im 19. Jahrhundert ver reiteten sich in der Gesellschaft Krisengefhle undZweifel,die Technik entwickelte sich rasch, sowohl in Produktion als auch inKommunikation,das Jahr 1848 wurde zum Revolutionsjahr in ganz Europa. Das Verhltniszwischendem Mensch und seiner Umwelt komplizierte sich, wurde pro lematischer.DerBildungsroman erle te seinen Aufstieg und wurde zur reprsentativen und fhrenden10E d. S. 611E d.8Literaturgattung.12Kellers Der Grne Heinrichereicherte die Gattung um neueMerkmale und zwar die auto iographischen Zge und Desillusionsthematik (GeorgLukcs).Das 20. Jahrhundert ist laut Ro ert Musil die Zeit des Um ruchs, Chaos, ZerfallderWerte.13Die traditionelle Darstellung des Romans erle te in dieser Zeit auch ihre Krise.

2.3.1. Verwendung des Gattungs egriffsDie ersten Autoren der Bildungsromane und Denker um 1800 wie z.B. Goethe,Herder, Schiller u.a. ha en den Gattungs egriff Bildungsroman noch nichtge raucht(o wohl er schon in der Gesellschaft ekannt war), da sein Ideenkomplex noch nichtexistierte.Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts offen artensich die erstenBemhungen, das theoretische Konzept zur Menschen ildung zu formulieren. SeitBeginn des 20. Jahrhunderts hat sich diese Gattungs ezeichnung schon allgemeineinge rgert.

12JACOBS, Jrgen/KRAUSE, Markus: Der deutsche Bildungsroman : Gattungsgeschichte vom 18. iszum 20. Jahrhundert, C. H. Beck, Mnchen 1989, S. 14713Vgl. E d. S. 19992.3.2. Pro lematik der Gattungs estimmungEs kommtei der Gattung Bildungsroman oft zum Streit, o das Werk schon einBildungsroman, noch keiner oder keiner mehr ist.14Laut Sel mann ist a er wesentlich,dass die Texte in Kernmerkmalen ereinstimmen. Die Varianz der peripherenMerkmale ist dann mglich, sogar wnschenswert.hnliche Romanformen wie Erziehungs- oder Entwicklungsroman knnen leicht mitdem Bildungsroman verwechselt werden. Melitta Gerhardezweifelt, dass es garmglich ist, den Bildungsroman von den zwei anderen Gattungen eindeutigzudifferenzieren, da die Bildung auch Elemente von Entwicklung und Erziehung umfasst.Ortrud Gutjahr prsentierte eine eigene Idee der Gattungsa grenzung und zwar:Entscheidender Unterschied zu den eiden verwandten Romantypen ist jedoch,

dass im Bildungsroman die Fhigkeit, das eigene Gewordensein und damit geradeErziehung und Entwicklung kritisch zu hinterfragen, als grundlegendesBildungsvermgen zum Thema wird.15

14E d. S. 2715GUTHJAHR, Ortrud: Einfhrung in den Bildungsroman, WBG Verlag, Darmstadt 2007, S.13102.4. Eine typisch deutsche Gattung?Es gi t unterdessen eine Spielart des Romans,ypischdeutsch, legitim-national ist, und dies ist derBildungs- undEntwicklungsroman.16(Thomas Mann)Das Genre Bildungsroman wird oft als eine frcharakteristische Gattung angesehen. Der Begriffantypus, derin Deutschland im spten 18. Jahrhundert entstand und

die allerdings deutsch, tauto iographisch erfllte

die deutsche Literatursel st steht fr den Romin dem der Bildungsgang eines

jugendlichen Protagonisten zumeist von der Kindheit is zur Berufsfindung oderBerufung zum Knstler thematisiert wird.17Da der Begriff fr die deutsprachigeLiteratur spezifisch ist, wird er auch in anderen Sprachen als Terminus technicusverwendet.Sich mit der eigenen Innerlichkeit zu eschftigen wird als typisch deutscheEigenschaft angesehen, sie war fr diese Epoche charakteristisch und inihrverwirklichte sich die Voraussetzung fr die Entstehung der Bildungs- undEntwicklungsromane. Diese Tendenz des deutschen Volkes wurzelt in der unpolitischenHaltung der Bevlkerung, Missachtung des Brgertums und staatlicher Zersplitterung.

Die jungen Leute eschftigten sich viel lie er mit ihrem Inneren als mit demffentlichen Le en.Seidler ehauptete, der Bildungsroman spielt esonders in der deutschenLiteratureine groe Rolle und ist der deutsche Beitrag zum groen Romanschaffen derWeltliteratur18Auch um die Jahrhundertwende wurde weiterhin der Bildungsroman alstypisch deutsche Gattung angesehen. Laut Anders Krger sei der Bildungsroman:...eine Romanart, die ein ganz ausgesprochen nationales Geprge trgt, diesieeigenartiger, individueller kein anderes Volk aufzuweisen hat, den deutschenBildungsroman, der im letzten Jahrhundert ganz eigentlich der Roman der Dichterund Denker war und es voraussichtlich auch lei en wird.19Es sind a er seitdem manche Werke in der ganzen Welt entstanden, diedieMerkmale des Bildungsromans (Generationskonflikt, Sel st ildung, Sel sterpro ungimBeruf etc.) aufweisen und deshal hindert nichts daran, sie auch als Bildungsromane zuezeichnen.16Zitiert nach: E d. S. 26.17E d. S. 7.18HISAHIRO, Hayashi: Der deutsche Bildungsroman von Goethe is Thomas Mann,http://www.gsid.nagoya-u.ac.jp/ pu /research/pu lic/forum/29/01.pdf19Zitiert nach: GUTHJAHR, Ortrud: Einfhrung in den Bildungsroman, WBG Verlag, Darmstadt 2007,S. 18.112.5. Charakteristik des BildungsromansDie Voraussetzung des Bildungsromans ist die Idee der Bildsamkeit desIndividuums.20Zum zentralen Thema werden die Entwicklungsgeschichte des Helden,Suche nach Orientierungsmustern und Bestimmung seines Standortes in derGesellschaft. Die Suche nach Orientierungsmustern ist oft krisenhaft undmit derSel stfindung und innerer Progression des Helden ver unden.In der Geschichte entfaltet sich das Le en des Helden von seiner Kindheit an isinsErwachsenenalter. Der Held erar eitet sich sein eigenes individuellestimmtesVerhltnis zur Welt aufgrund der Auseinandersetzung zwischen dem Ich undderGesellschaft. Das Individuum ildet sich innerlich, wo ei es die Gesellschaft und denStaat als fremde Gewalt erfhrt. Der Protagonist setzt sich mit der Umwelt und

Ordnungen auseinander, verfolgt sein Ziel, um seinen Wnschen entsprechendeineangemessene Le ensform zu finden. Der Bildungsgang gleicht da ei einemReifungsprozess, ei dem natrliche Anlagen in einem gesellschaftlichen Umfeld erKonflikt- und Krisenerfahrungen zur Aus ildung gelangen.21Manche Philosophen und ihre Ideen eeinflussten whrend der Jahrzehnte dieGestaltung dieser Gattung. Wie sich die Bildungsvorstellung im Laufe der Zeit nderte,so kann man auch Vernderungen im Bildungsroman eo achten. Zum Beispiel mit derPhilosophie von Rousseau drang in diesen Romantypus naturgeme Erziehung, mitHerder und Lessing das Humanittsideal ein.Im Bildungsroman kann man auch auto iographische Merkmale entdecken. DerWunsch, individuelle Existenz zur Anerkennung zu ringen, wie er der neuen FormderAuto iographie zugrunde liegt, prgt auch die Gestaltung des Bildungsromans.22Diesezwei Gattungen (Bildungsroman und Biographie) stehen sich sehr nah sowohl inderThematik als auch in der Darstellungsweise. Was die Unterschiede zwischen ihnenetrifft, knnte man sagen, dass whrend die Auto iographie meist aus derAltersperspektive geschildert und mit der Le ens ilanz verknpft ist, wirdimBildungsroman ein Heranwachsender in der Phase suchender Sel sterpro ungzurHauptgestalt.2320Vgl. MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 18.21GUTHJAHR, Ortrud: Einfhrung in den Bildungsroman, WBG Verlag, Darmstadt 2007, S.8.22E d. S. 38.23Vgl. E d.122.6. Literaturwissenschaftliche DiskussionDer Gattungs egriff Bildungsroman wurde zum ersten Mal am Anfang des19. Jahrhunderts von dem Philologen Karl von Morgenstern (17701852) in Vortrgenund A handlungen enutzt. Morgenstern efasste sich hier mit dem WesendesBildungsromans. Nach ihmedeutet die Bildung nicht nur Le enserfahrungundEntwicklung des Autors, er weist auch auf die Bildung des Helden und des Lesershin.Auerdem schliet dieser Begriff den Entwicklungsprozess, das Ende solches Prozessesund den In egriff der kulturellen Werte ein.

Die Bildungsroman-Forschung egann mit Wilhelm Dilthey. Er erfand den Begriffzwar nicht, doch fhrte er ihn in die literaturwissenschaftliche Diskussion ein. Ichmchte die Romane, welche die Schule des Wilhelm Meister ausmachen []Bildungsromane nennen. Goethes Werk zeigt menschliche Aus ildung in verschiedenenStufen, Gestalten, Le ensepochen.24Dilthey also enutzte die BenennungBildungsroman fr Werke des Wilhelm-Meister-Typus. Das Goethesche Werk WilhelmMeister Lehrjahre diente lange Zeit als Vor ild und Muster fr andere,nachfolgendeRomane.Weiter erwhnte Dilthey, dass im Bildungsroman der Entwicklungsgang einerzentralen Figur erzhlt wird, der er aldereichernde, ald desillusionierendeErfahrungen zur Sel stfindung und zum Eintreten in ejahte Bindungen fhrt.25Dadiese Definition wenig spezifiziert ist, muss diese Romanart durch andere Romantypena gegrenzt werden, wie zum Beispiel Schelmen-, Gesellschafts- oder A enteuerromanetc. Laut Dilthey schildert der Bildungsroman die Geschichte eines jungen Mannes, derin das Le en eintritt, nach Freundschaft und Lie e sucht,egegnet ihnen, muss a erauch mit harten Realitten kmpfen, unter den Le enserfahrungen reift er heran undschlielich findet er sich sel st und seinen Platz im Le en.26Der Literaturwissenschaftler Georg Lukcs efasste sich mit dem Bildungsromanauch und przisierte das Grundpro lem der Gattung. Der Bildungsroman sei die Suchenach einem Le enssinn in einer als fremd und feindlich erfahrenen Welt, wo ei derWeg des pro lematischen Helden auf das Ziel einer harmonischen Lsung ausgerichtet24Zitiert nach: SELBMANN, Rolf: Der deutsche Bildungsroman, J.B. Metzler Verlag,Stuttgart; Weimar1994, S. 1525Zitiert nach: JACOBS, Jrgen/KRAUSE, Markus: Der deutsche Bildungsroman: Gattungsgeschichtevom 18. is zum 20. Jahrhundert, C. H. Beck, Mnchen 1989, S. 20.26Vgl. E d. S. 25.13ist.27Von Belang ist da ei der Ausgleich des Helden mit der Welt. DieseseineGattungs estimmung gehrt zu den edeutendsten.Ernst L. Stahl neigte auch zu der Tradition der Goethezeit. Melitta Gerhard war

dagegen der Meinung, dass es sich im Falle des Bildungsromans um einen nachGoetheschen Entwicklungsroman handelt. In die Diskussion er diese Gattung trugenauch andere Literaturwissenschaftler und Denker wie zum Beispiel LotharKhn, FritzMartini, Hans Borcherdt und andere ei.Rolf Sel mann erwhnte auch das Konzept des so genannten Anti ildungsromans.Seiner Theorie nach steht im Mittelpunkt der Handlung die Bildung undes ist nichtwichtig, o die Bildungsgeschichte gelingt, ruchlos verluft, zu Fehl indungen fhrt,dem Helden verloren geht usw.28Falls sie misslingt, geht es um den schon erwhntenAnti ildungsroman.

27E d. S. 28.28SELBMANN, Rolf: Der deutsche Bildungsroman, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart; Weimar 1994, S. 33.142.7. Konzeption des ProtagonistenIm Mittelpunkt des Romans steht die individuelle Entwicklungsgeschichte einerzentralen Figur.29Den Bildungsgang des Protagonistenestimmen verschiedeneKennzeichen. Zu den Hauptkennzeichen gehren: Bildung des Helden, Lie e alsBildungserfahrung, Lernen durch Irrtum, die Passivitt des Helden, KritikundSel streflexion, Stufengang der Entwicklung.30Jaco s fhrt hnliche Aspekte wieGutjahr ein, er nennt a er dazu noch Auseinandersetzung mit dem Elternhaus,Einwirkung von Mentoren, Sel sterpro ung in einem Beruf und Begegnung m

it derSphre der Kunst als31

estimmend.

Besonders die Kritikfhigkeit und stufenweise Entwicklung spielen in derBildungsgeschichte des Protagonisten eine wichtige Rolle. Der Held (oder der Erzhler)schildert ironisch eventuell humorvoll seine Entwicklungsschritte. Ein Kennzeichendes Bildungsroman ist also, dass die Hauptfigur in eine frdernde wie auchwiderstndige Welt hineinsozialisiert wird und dass sie Wnsche und Vorstellungenentwickelt, die durch Erfahrungen revidiert werden mssen.32Morgensterns Definition der Stufenentwicklung gehrt zu denerhmtesten:Bildungsroman wird es heien drfen, erstens und vorzglich wegen seines Stoffs,weil er des Helden Bildung in ihrem Anfang und Fortgang is zu einer gewissen Stufeder Vollendung darstellt.33

29E d. S. 44.30Vgl. E d. S. 44-49.31Vgl. JACOBS, Jrgen/KRAUSE, Markus: Der deutsche Bildungsroman: Gattungsgeschichte vom 18.is zum 20. Jahrhundert, C. H. Beck, Mnchen 1989, S. 37.32GUTHJAHR, Ortrud: Einfhrung in den Bildungsroman, WBG Verlag, Darmstadt 2007, S.48.33E d.152.8. Bildungsroman um Jahrhundertwende und im 20. Jahrhundert2.8.1. Situation in der GesellschaftDer Zeitraum um die Jahrhundertwende deckt sich mit der Wilhelminischen ra. Eswar die Zeit des Um ruchs zwischen der monarchischen Brgerkultur des 19.Jahrhunderts und der repu likanischen Gesellschaft der Weimarer Zeit.34Industrie inDeutschland war um die Jahrhundertwende auf hohem Niveau. Ne en der politischen

Gre und wirtschaftlichen Prosperitt des Reiches wuchsen die Gefhle derver rauchten Traditionen und das geistige Chaos der ergangsgeneration. DasKrisen ewusstsein in der Gesellschaft wurde immer grer und es ver reiteten sichauch sozialistische Tendenzen marxistischer Prgung. Die Emanzipations ewegung derFrauen

egann sich strker durchzusetzen (1894 Grndung der Bund Deutscher

Frauenvereine). Junge Menschen suchten nach eigenen Wegen der Sel sterfllung,indem sie sich von den konventionell erstarrten Autoritten im Elternhaus,Schule,Kirche und Staat mehr oder minder entschieden distanzierten.35Autoren, die zwischen Jahren 1858 und 1877 ge oren wurden, gehrten nicht mehrzu der von der Wilhelminischen ra geprgten Generation. Sie suchten nacheinerhumaneren Bildungskonzeption immer mehr in der Opposition zum Herrschaftssystem.

2.8.2. Situation in der LiteraturDiese gesellschaftliche Stimmung spiegelte sich auch in dem Auf au desBildungsromans wider. Den avantgardistischen Bildungsroman prgte vor allemdieSuche nach unver rauchten humanen Werten. Die Gattung stellte sich gegen dieourgeoise Gesellschaft, wirkte destruierend und zugleich sinnstiftend. Andererseits gaes auch Werke der konservativen Autoren, die sich emhten, ein positives Verhltnisdes Individuums zur Gesellschaft darzustellen (vgl. Paul Ernst: Der schmale Weg zumGlck). Es entstanden auch solche Werke, die vielleicht nicht in der offenen Opposition34MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 173.35E d. S. 174.16zum Wilhelminismus verharrten, die sich a er antimodernistisch ausprgtenund sichmit Kapitalismus und Sozialismus kritisch auseinandersetzten.Die Form des Bildungsromans ezog sich wieder auf das Wilhelm-Meister-Schema,diesmal a er schon verkrzt. Stichworte, die diese Gattung estimmten, lauteten:Einzelgngertum, Ich-Isolierung, Zivilisationsfeindlichkeit, Geschichtsmystik.36Die geschrfte Wahrnehmung der permanenten Gefhrdung des Ich ermglichtneue Formen des Individualromans, in denen Bildungsgeschichten aufscheinen.Als Gegenentwurf zur Wirklichkeit, als Geschichte der Seele, die auszie

ht, sichkennenzulernen, findet der moderne Roman zur Gattungsgeschichte desBildungsromans zurck.37

2.8.3. Strukturtypus des Bildungsromans der JahrhundertwendeDie Auseinandersetzung mit demrgerlichen Realismus hatte die ernahmegewisser Elemente zur Folge, die die Grundstruktur des Bildungsromans dieser Epocheformierten. Die Thematik der Suche des jungen Menschen nach der personalen Identittlie erhalten. Sie estimmte die Form der Geschichte, die chronologisch das Leen derHauptfigur verfolgte. Auf Grund dieser Grundthematik endet die Geschichte inzielgerichteter innerer Progression mit der Sel stfindung des Protagonisten.38DerHeld wird in zentrale Position gestellt, die Ne enfigurenilden seinsoziales Umfeld,sind ihm funktional zugeordnet und spiegeln seine Wesensart wider. Dank didaktischerMotivation des Erzhlers stre t er nach einem positiven Leser ezug und einer klaren ersichtlichkeit des Romanauf aus (durch Vorreden, wertende Kommentare,Kapitel erschriften, generalisierende Reflexionen).Im Mittelpunkt steht die Progression des Protagonisten, er trennt sichvon denNormen und Wertvorstellungen der Gesellschaft und findet seine Le ensweise imauer rgerlichen Nonkonformismus. Die Geschichteilden dann licherweise zweiMakrophasen: die Kindheit in einem sozial integrierten Elternhaus und die allmhlicheSel st efreiung aus gesellschaftlicher Fremd estimmung.3936SELBMANN, Rolf: Der deutsche Bildungsroman, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart; Weimar 1994, S. 14737E d. S. 148.38MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 18239E d.17Es erscheint auch der dreiphasige, zyklische Auf au der Fa el: Der Hauptheldverlsst seine Heimat auf dem Lande, wandert in der Welt, die ihm entfremd ist, undschlielich, schon desillusioniert, verlsst er auch diese Welt.Diese Romanart tendiert zur su jektiv erzhlten Seelen iographie, deshal

ist dieAnzahl der Figuren und die Raum edingungen reduziert. Die Auenwelt erfllt nur dieFunktion einer stimmungshaft-atmosphrischen Grundierung der Erfahrungen desProtagonisten.40

40E d.183. Kurz iographie - Hermann HesseHermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 in Calw (Wrttem erg) ge oren. Sein VaterJohannes Hesse stammte aus Estland (dieses Land gehrte frher zum Russland) unddie Mutter Marie Gundert-Du ois ist in Indien als Missionarstochter zurWeltgekommen. Beide Eltern waren streng glu ig und ar eiteten eine Zeit lang in Indien imAuftrag der Mission.Hesse prgten whrend seines Le ens drei entscheidende Einflussfaktoren:christliche, unnationalistische Gesinnung und schw ischer Pietismus der Eltern,

chinesische Lektre und Schaffen und die Weisheit des schweizerischenKulturhistorikers JacoBurckhardt. Es inspirierte ihn von klein auf auch diefernstliche Welt, da Indien das Heimatland seiner Mutter war. Hesse wuchs in einerweltoffenen Familie auf, es wirkten auf ihn whrend seines Le ens vieleunterschiedliche Einflsse, so ist es nicht verwunderlich, dass er seineGedanken erJesus, Kirche und Konfession oft nderte. Hesseehauptete von sich selst: Ichinkein Vertreter einer festen, fertig formierten Lehre, ich in ein Mensch des Werdensund der Wandlungen.41Von Anfang an wurde fr ihn die theologische Lauf ahn estimmt, Hesse hatte a erandere Vorstellungen von seiner Zukunft Von meinem 13. Le ensjahr an war mir daseine klar, dass ich entweder ein Dichter oder gar nichts werden wolle. [] Ein Dichterzu werden a er, das war unmglich; es werden zu wollen, war eine Lcherlichkeit undSchande, wie ich ald erfuhr.42Er ver rachte die Kinderjahre in Calw und Basel, dannlegte er das Landexamen aund esuchte eine Zeit die Schule im Kloster Maul ronn.Hier litt er unter dem Stress und floh von dem Seminar. Eine Zeit wechselte erdieSchulen und Heilanstalten. Das war a er auch nicht der richtige Weg zum Glck, Hesselitt unter Depressionen und in der Anstalt Bad Boll eging er einen Sel stmordversuch,glcklicherweise lie er am Le en.In der Buchhandlung Heckenhauer fand er eine feste Anstellung als Lehrling.Endlich war er zufrieden, las Goethe, Schiller, Novalis, mochte Nietzsche, Chopin undrekapitulierte sein ewegtes Ausreifen im Werk Hinterlassene Schriften und Gedichtevon Hermann Lauscher (1896-1899).41HILSCHER, E erhard: Poetische Welt ilder : Essays er Heinrich Mann, Thomas Mann, HermannHesse, Ro ert Musil und Lion Feuchtwanger, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1979, S. 103.42BALL, Hugo: Hermann Hesse: sein Le en und sein Werk, Suhrkamp Verlag, Berlin 1963, S. 53.19Im Jahr 1901 verwirklichte sich Hesse seinen groen Traum und unternahmeineReise nach Italien, 1903 esuchte er dieses Land nochmals, diesmal mitseinerangehenden Ehefrau und Fotografin Maria Bernoulli (18681963). Mit ihr hatte erspter drei Shne. Hesse heiratete dann noch zweimal, seine letzte Gattinwar NinonDol in (1895-1966), Kunsthistorikerin und Spezialistin fr griechische Antike. Nachseiner Rckkehr aus Italien schrie Hesse den Roman Peter Camenzind, dur

ch diesesWerk, wurde er ekannt und konnte als freier Schriftsteller le en.Mit Maria le te Hesse von 1904 is 1912 in Gaienhofen am Bodensee. In diesemkleinen Dorf plante er das Le en fern der Zivilisation zu fhren. Hier schrie erseinenzweiten Roman Unterm Rad zu Ende.1911 unternahm er zusammen mit seinen Freunden eine Reise nach Indien,manknnte es als Flucht aus der Le ensidylle in Gaienhofen verstehen. DieseReise sollteihm helfen, Distanz und er lick er das Geschehen in Europa und seineigenesLe en zu gewinnen. O wohl der Ausflug eher die Gegenwirkung rachte,eeinflusstediese Reise sein weiteres Schaffen. 1912 zog er mit der ganzen Familie nach Bernum.Als der erste Weltkrieg aus rach, war er in der Kriegsgefangenenfrsorgettig.Seine Aufga e war, fr die deutschen Kriegsgefangenen Bcher zu sammeln. Am 3.Novem er 1914 verffentlichte er in der Neuen Zrcher Zeitung Artikel O Freunde,nicht diese Tne wo er an die Intellektuellen appellierte, damit sie sich a seits vonNationalismus und Krieg halten. Dieser Artikel wurde viel diskutiert und inDeutschland meistens negativ aufgenommen.Das Jahr 1916 stand fr Hesse im Zeichen der tiefen Krise. Es star sein Vater (dieMutter schon im Jahre 1902), es erkrankte der jngste Sohn Martin anGehirnhautentzndung und die Ehefrau Maria an Schizophrenie. Hesse fhlte sicherschpft und musste sel st psychiatrische Behandlung aufsuchen.1917 schrie er den Roman Demian und verffentlichte ihn 1919 unter demPseudonym Emil Sinclair. Er lie sich scheiden und zog aus Bern nach Tessin. InMontagnola untermietete er sich einige Zimmer im schlossartigen Ge ude CassaCamuzzi.Dort ver rachte Hesse 12 Jahre und schrie seine groen Werke wie z.B. Klingsorsletzter Sommer, Siddhartha, Kurgast, Der Steppenwolf, Narzi und Goldmund.Ermalte, zeichnete und meditierte. Zwischen den Jahren 1919 und 1923 pulizierte erzusammen mit seinem Freund Richard Woltereck die Zeitschrift Vivos Vocoeininternationales Pazifisten latt, charakterisiert als Ruf an die Le enden,an die Jungen20vor allem um Hilfe und Mitkmpfer gegen die Not der Zeit.43Unter anderemegegnete er in Montagnola seiner zweiten Frau Lisa Wegner (dargestelltalsRomanfigur Kamala in Siddhartha) und schlielich auch seiner dritten und letzten FrauNinon Dol in ge . Auslnder.

1931 siedelte der Schriftsteller aus Casa Camuzzi in Casa Hesse er, die sich nochheute o erhal von Montagnola efindet. In dieser Zeit war in Deutschland Hitleran derMacht, viele Schriftsteller mussten ihre Heimat verlassen, manche fandenAsyl geradeei Hesse und in seiner Casa. Er le te hier in A kehr von der direktenAuseinandersetzung mit der Epoche44, als Schweizer Staats rger erhrte ihn dieSituation in Deutschland nicht. Un erhrt lieer auch was die damalsneuenliterarischen Strmungenetrifft, Expressionismus oder Neue Sachlichkeiteeinflussten ihn nicht, er schrie immer, wie er wollte und was er wollte.Viel Zeit ver rachte er im Garten, pflegte Freundschaften mit seinen Verlegern,anderen Schriftstellern, Musikernund ar eitete an seinem Alterswerk undBildungsroman Das Glasperlenspiel. Zwlf Jahrerauchte er, um den Bildungsromanzu eendigen. Die Ar eit an ihm ermglichte ihm die Kriegszeit zu erstehen. Es galtfr mich zweierlei: einen geistigen Raum aufzu auen, in dem ich atmen und le enkonnte, aller Vergiftung der Welt zum Trotzund zweitens der WirklichkeitdesGeistes gegen die ar arischen Mchte zum Ausdruck zu ringen.45Hesse wurden zahlreiche Preise verliehen, unter anderem Gottfried-KellerPreis(1936), Goethepreis der Stadt Frankfurt (1946), No elpreis fr Literatur(1946) oderBraunschweiger Wilhelm-Raa e-Preis (1950) und viele andere. Er wurde zumEhren rger von Calw und Ehrendoktor der Universitt in Bern.Mit dem Altersroman Das Glasperlenspiel wurde Hesses literarisches Werkpraktisch a geschlossen. Er schrie zwar weiter, a er nur Erzhlungen undGedichte.Alle Ange ote fr Verfilmungen seiner Werke lehnte er a , weil er seineBcher inerster Linie als Sprachkunstwerke verstand, deren Beschdigung ei der Herstellungvon Dreh chern er in jedem Falle als Degradierung und Bar arei empfand.46Hesses43MIDDEL, Eike: Hermann Hesse : die Bilderwelt seines Le ens, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig1972, S. 15544E d. S. 230.45VOLKER, Michels: Materialien zu Hermann Hesse "Das Glasperlenspiel". Erster Band, Texte vonHermann Hesse / herausgege en von Volker Michels, Suhrkamp Verlag, Frankfurt amMain 1973, S. 2.46

MIDDEL, Eike: Hermann Hesse : die Bilderwelt seines Le ens, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig1972, S. 299.21Verhltnis zu Deutschland war kompliziert, er empfand Misstrauen gegen erdenPolitikern und der politischen Entwicklung in Deutschland.Hermann Hesse star in Montagnola am 9. August 1962 im Schlaf an Hirn lutung,schon lange Zeit litt er an Leukmie, o wohl er dar er nicht Bescheid wusste.3.1. Der Sonderfall HesseHermann Hesse war Schriftsteller, Dichter, Essayist, Rezensent und Herausge er.Erwird oft als der letzte Ritter aus dem glanzvollen Zuge der Romantik47ezeichnet.Von klein auf interessierte und eeinflusste ihn die christliche und fernstlicheWelt.Aus Indien stammte seine Mutter, sein Grovater Hermann Gundert war Indologe undeide Eltern ar eiteten in christlicher Mission. Hesse war einer deresten Kenner derostasiatischen Kultur er studierte chinesische Meister wie Laotse (Taote-king),Konfuzius (Gesprche des Kungtse in diesem Werk machte sich Hesse mitderPhilosophie der rechten Mitte, Antinationalismus und Musikkunst vertraut),Lue BuWe und verglich sie mit griechischen Philosophen. Durch Bhagavad Gita, Maha harata,Upanishaden und Buddha lernte er Milde, Gleichmut, Meditation, Joga undNichtVerletzen kennen.Erst viel spter, in den dreiigen Jahren, wurde sich Hesse seiner christlichenHerkunft wieder ewusst und schrienicht mehr er den Fernen Osten, dieEinwirkungen auf den Geist verdufteten a er nicht (z.B. Das Glasperlenspiel Indischer Le enslauf).Alte Weisheiten inspirierten ihn und er verehrte sie, ein echter Bekennerirgendwelcher Konfession war er a er nie. Hesse erkannte, dass alle Religionen undWeisheiten der Welt in sich das gleiche Geheimnis enthalten:Einmal ei Buddha, einmal in der Bi el, einmalei Lao Tse oder Dschuang Dsi,einmal auch ei Goethe oder anderen Dichtern sprte ich mich vom Geheimniserhrt, und mit der Zeit merkte ich, dass es stets dassel e Geheimniswar, stetsaus dersel en Quelle kam, er alle Sprachen, Zeiten und Denkformen hinweg.48(Hermann Hesse)

47HILSCHER, E erhard: Poetische Welt ilder : Essays er Heinrich Mann, Thomas Mann, HermannHesse, Ro ert Musil und Lion Feuchtwanger, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1979, S. 12848JENS, Walter/KNG, Hans: Anwlte der Humanitt: Thomas Mann, Hermann Hesse, HeinrichBll,Kindler Verlag, Mnchen 1989, S. 22422Er warnte vor den Gefahren und Modetendenzenin der Welt des zwanzigstenJahrhunderts, den groen und raschen Ver rauch von Weltanschauungen und denmodischen Zen-Buddhismus-Rummel49lehnte er vllig a .Nationalismus edeutete fr Hesse Grund el der Zeit. Er erle te eide Weltkriege,einerseits verhielt er sich passiv und un erhrt, andererseits schrie erzeitkritischeArtikel, untersttzte Emigranten aus Deutschland und rezensierte Werke vonAntifaschisten und Juden. Er lie sich nie von kulturellen Vorurteilen undnationalistischen Gedanken verfhren, ganz im Gegenteil: Es wurde ihm immerewusster, dass der Nationalismus eine Hauptursache von Unfrieden und zivilisatorischkulturellem Rckschritt auf der Erde war und ist.50Hermann Hesse war ein groerPazifist. Multikulturalitt und die Idee der Glo alisierung edeuteten frihnhumanistische Notwendigkeit, um den Frieden in der Welt zu frdern und zu sichern.

49HILSCHER, E erhard: Poetische Welt ilder : Essays er Heinrich Mann, Thomas Mann, HermannHesse, Ro ert Musil und Lion Feuchtwanger, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1979, S. 11250Welt rger - Hermann Hesses ernationales und multikulturelles Denken und Wirken[online] URL: [25.2.2010]234. Peter Camenzind4.1. Inhaltsanga ePeter Camenzind wurde in einem kleinen Drfchen namens Nimikon inschweizerischen Alpen ge oren. Fast alle, die dort le ten, hieen Camenzind und dieganze Bevlkerung hier war auf irgendeine Weise verschwgert. Alles hneltesichsel st: die Huser, Leute, wenn jemand star , ersetzte ihn jemand anderer. Peterverglich die Leute mit den Felsen und Bumen. Sie mussten auch harteLe ens edingungen ertragen und er schtzte sie dafr hart, streng gefaltet,wenigredend, die Besten am wenigstens.51Peter lie te das Dorf, die Dorfleute hier und vor allem die Natur.Oft floh er in dieBerge und eo achtete die Tiere, Bume, Pflanzen. Berge, See, Sturm undSonnewaren meine Freunde, erzhlten mir und erzogen mich und waren mir lange Zeit lie erals irgend Menschen und Menschenschicksale.52Am lie sten hatte er die Wolken.In der Erziehung spielten seine Eltern nur eine geringe Rolle. Sie hatten keine Zeit frihn und er sel st rauchte sie zur Erziehung nicht, er war viel lie er in den Bergen. VomVater kriegte er vorsorglich und regelmig den Prgel, ohne zu wissen, warumeigentlich. Sein Onkel Konrad war eine sehresondere Gestalt, teilweise Narr undteilweise Schlaukopf, Peter ewunderte ihn.Camenzind sagte von sich sel st, er sei von Natur aus faul und schchtern. Dennochesuchte er das Gymnasium und trotz seiner Faulheit war er im Studium erdurchschnittlich. Freunde fand er hier a er nicht. Er verlie te sichin RsiGirtanner, er lie te sie heimlich und sie erfuhr es nie. Sie stammteaus der hherenSchicht und Peter fand nie den Mut ihr zu sagen, was er fllt. So war es eigentlich mit

allen Frauen in seinem Le en. Nach dem Gymnasium studierte er Philologie an derUniversitt in Zrich. In dieser Zeit star seine Mutter.In Zrich egegnete er Richard. Er wurde zu seinem Freund und zusammen erle tensie viele schne A enteuer. Er verlie te sich in eine Malerin a er sie lehnte ihna . AusTrauer egann Peter zu trinken, machte Schluss mit dem Studium und schrie Artikel51HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, PeterCamenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 34552E d. S. 35324fr eine Zeitung. Immer noch hatte er das Gefhl, dass in der Zukunft auf ihn etwasWunder ares wartet, dass er einmal Dichter wird und ein Meisterwerk schrei t.Als sich das Ende Richards Studium nherte, unternahmen die Beiden eineFahrt nachItalien. Fr Peter erfllte sich sein Traum und sie versprachen sich in der Zukunftauchandere Ausflge zu unternehmen. Kurz danach erfuhr Peter, dass Richard in einemFluss ertrank. Peter egann wieder zu trinken.Er wurde Redakteur in einer Zeitung a er ald wurde er wegen seinerFrechheitentlassen. Eine Weile ar eitete er in Paris als Zeitungskorrespondent und erle te diewildeste Zeit seines Le ens. Dann ging er nach Basel und egegnete hier Elisa eth,seine Schicksalsfrau. In der Gesellschaft hatte er einen schlechten Ruf wegen Alkohol,trotzdem wurden sie Freunde und spter verlie te sich Peter in sie. Er sagte es ihr a ernicht und sie verlo te sich mit einem anderen Mann.Enttuscht und niedergeschlagen verlie er Basel und unternahm die Fahrt nach Assisi,weil er den St. Franziskus ewunderte und sich schon lange Zeit wnschte, seineHeimat zu esuchen. Er freundete sich mit den Menschen hier an, sie ewundertenundlie ten ihn. Hier war Peter wirklich glcklich und fand sein verlorenesLe ensgleichgewicht.Als er zurckkehrte, lernte er durch Zufall den Krper ehinderten Boppikennen. Siewurden Freunde, Peteretreute ihn,kaufte ihm einen Rollstuhl und schlielich le teBoppi mit ihm in seiner Wohnung. Sie gingen zusammen oft in die Natur oder in denZOO, weil sieeide die Pflanzen und Tiere lie ten. Spter erfuhr Peter, dass Boppischwer krank ist, es war a er schon zu spt ihm zu helfen und Boppi star .Peter fuhr nach Nimikon, um seinen Vater zu esuchen, dem es gesundheitlichschlecht ging. Er trank zu viel und Peter entschied sich hier zulei en und ihn zuetreuen. Er und sein Onkel Konrad wurden ald gute Freunde und Peter

sammelteweiter die Materialien fr sein Meisterwerk, das er vielleicht einmal schrei en wrde.

254.2. Zur Entstehung des WerkesHesses erste Studien zum Werk Peter Camenzind entstanden im August 1900whrend seines Aufenthaltes am Vierwaldstttersee. 1901 machte er seine ersteItalienreise durch die Stdte O er-Italiens und 1902 egann der Dichter mit derAr eitan seinem ersten Roman, die von dem pltzlichen Tod seiner Mutter gezeichnet war.1903 unternahm er mit der zuknftigen Ehefrau Maria Bernoulli die zweite Reise durchItalien und noch am 9. Juni unterschrieer den Vertrag er sein nchstes Werk mitdem S. Fischer Verlag. Die Erle nisse und Eindrcke aus den Reisen spiegelte er spterim Werk wider, e enso den Tod der Mutter. Am 15. Fe ruar 1904 erschien im S.Fischer Verlag der Roman Peter Camenzind, gewidmet Ludwig Finck (seit1942 demEhepaar Fritz und Alice Leuthold). Im Her st dieses Jahres erhielt Hesse fr seinWerkden Wiener Bauernfeld-Preis. Der Roman rachte ihm groe Popularitt und einewesentliche Finanzspritze, so dass er sich weiterhin nur seiner schriftstellerischenTtigkeit widmen konnte.O wohl der Roman aus der Zeit vor den eiden Weltkriegen stammt, atmet er nichtZufriedenheit und Sattheit, denn er ist Werk und Bekenntnis eines jungen Menschen,und Zufriedenheit und Sattheit gehren nicht zu den Merkmalen der Jugend.53DieseUnzufriedenheit richtet der Protagonist nicht nur gegen die Gesellschaft, die erkritisierte, a er vor allem gegen sich sel st.

53HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Elfter Band, Schriften zur Literatur 1, Suhrkamp Taschen uchVerlag, Frankfurt am Main 1987, S. 25264.3. Einflsse auf das Werk4.3.1. Peter Camenzind und Der grne HeinrichGottfried Kellers Der grne Heinrich gehrt ne en J. W. Goethes Wilhelm Meisterund Adal ert Stifters Nachsommer zu den edeutendsten Bildungsromanen derdeutschen Literatur des 19. Jahrhunderts.Es ist kein Geheimnis, dass sich Hesse eim Schrei en seines ersten groen Werkesgerade durch Kellers Grnen Heinrich inspirieren lie. hnlich wie Kellers Werk,schildert Camenzind eine auto iographische Geschichte im Zeichen des Realismus undder Romantik. Martin Pfeifer uerte sich in seiner Studie er Hesses Werk:Grundidee, Gesamtkonzeption und Handlungsverlauf des Peter Camenzind hat derDichter, als ein Schler dem verehrten Meister, dem groen schweizerischen Realisteneinfach a geschaut.54Und manche Stellen im Buch eweisen, dass es so wirklich ist. KellersRomanschildert das Le en eines jungen Knstlers, der hnlich wie Camenzind indie Welthinaus reist, um sich dort im knstlerischen Beruf zuesttigen. Als Knstler istHeinrich a er nicht erfolgreich und enttuscht gi t er den Beruf als Maler auf, da ererkennt, dass auch die Malkunst vermarkt ar ist. Er kehrt in seine Heimat zurck.Auch Camenzind verlsst seinen Heimatort, um Dichter zu werden. Stattdessenar eitet er als minderwertiger Rezensent und t seinen Beruf nur fr dasGeld aus.Vor meiner Schriftstellerei hatte ich nach wie vor sel er keinen Respekt. Ich konntevon meiner Ar eit le en, kleine Ersparnisse zurcklegen und gelegentlich auch meinemVater etwas Geld senden.55Weiterer Beweis der Inspiration durch den GrnenHeinrich ist, dass sich der Hauptheld in einer Passage im Buch als grner Peter56ezeichnet. Die Kreise der Knstler und Literaten, in die er dank seiner Stellungin derGesellschaft und seinem Freund Richard gert, esttigen ihn nur darin, dass die echteKunst nicht in den Menschen, sondern in der Natur steckt. Er kehrt aus derffentlichkeit in sein kleines Heimatdorf zurck.

54PFEIFER, Martin/POPPE, Reiner: Knigs Erlauterungen und Materialien, Bd.17, Hermann Hesse Peter Camenzind, Unterm Rad, Knulp, C. Bange Verlag, Hollfeld 1996, S. 3155HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, PeterCamenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 45156E d. S. 380274.3.2. Andere EinflsseHesse eeinflusste zur Zeit der Entstehung des Romans die iozentrischeAnschauung und Konzeption des Deus a sconditus (der ver orgene Gott). DieseGedanken entfalteten sich ei ihm in der Ver undenheit mit der Natur, neuromantischerLe ensmystik und Alleinheit des Seins.57Hesse efasste sich im Camenzind mitaktuellen Pro lemen seiner Zeit. Die Gesellschafts- und Sozialkritik imBuch richtetsich an die immer wachsende Zentralisierung des Le ens in die Stdte zum NachteildesLandes. Die Familie, Schule und Wissenschaft stellen in seiner Anschauung nurkonventionelle und deshal nicht zuverlssige Bildungswerte vor.Beim Camenzind lie sich Hesse auch durch Rousseau und seine VorstellungdesMenschen ildes inspirieren. Rousseau stellte sich kritisch gegen die Vergesellschaftungder Menschen und technischen Fortschritt. Er forderte den Rcktritt zur Natur. FrCamenzindedeutete die Natur viel. In ihrer Gestaltung erkannte er die Harmonie desWeltalls.4.4. Auto iographische Merkmale im BuchCamenzinds Traum war Dichter zu werden. Hier spiegelt sich Hesses eigener Traumwider, den er sich seit seiner Kindheit verwirklichen versuchte.Interessant ist die Frauengestalt Elisa eth, Camenzinds grte Lie e. Hesse hatte dieBeziehung zur Familie La Roche, wo er wahrscheinlich auch der schnen undunerreich aren Elisa eth egegnete, die das Ur ild zu Elisa eth im Buch war. Sogar einGedicht widmete er ihr, in dem er sie mit einer weien Wolke vergleicht.Wie eine weie WolkeAm hohen Himmel steht,So wei und schn und ferneBist du, Elisa eth.58

57Vgl. MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 19658HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, PeterCamenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 1528Auch eigene Erle nisse und philosophische Ansichten wie Bewunderung desheiligen Franziskus, Reise durch Italien, Tod der Mutter, Verhltnis zumVater,Einzelgngertum, positive Einstellung zum Handwerk gliederte Hesse in das Werk ein.

4.5. Peter Camenzind - ein BildungsromanPeter Camenzind schildert den Prozess der Suche nach Sel st esttigung der eigenenExistenz in der Welt, nach seiner eigenen Le ensweise. Das Werk stellt den Bildungsund Entwicklungsprozess des Helden dar. Die Erfllung und seine Le ensaufga efindet der Held nach vielen Irrtmern und Enttuschungen von der Welt inseinemHeimatdorf Nimikon.Was das Ziel des Bildungsprozesses etrifft, geht es dem Protagonisten vor allemumdie erwindung der Menschenscheu und Le ensfeindschaft, er soll nicht nur die Natursondern auch die Menschen lie en lernen. Peters Bildungsaufga e ist esdie eigeneEinsamkeit zu ertragen, sich von ihr zu erlsen und die Wiedervereinigung mit derWeltzu finden. Er will die Harmonie und Gemeinsamkeit aller Dinge erreichen, da ei sollihm sein Dichtertum helfen. Individualismus ist hier unerwnscht, der Held muss sicheher um die Einreihung in die Gesellschaft emhen.4.6. Chronologie des WerkesDer Bildungsgang des Protagonisten entfaltet sich in drei chronologischeingeordneten Phasen: Kindheit, Jugend, Reife. Die Kinderjahre ver ringtPeter imDorf, wo ihn eher die Natur als die Eltern und Schule prgt und erzieht. Von kleinaufsehnt er sich nach einem wahren, ordentlichen Le en. Da er immer lie er seine Freizeitin der Natur als mit den Menschen ver ringt, entwickelt sich ei ihmeineestimmteArt der Menschenscheu.Berge, See, Sturm und Sonne waren meine Freunde, erzhlten mir und erzogenmich und waren mir lange Zeit lie er und ekannter als irgend Menschen undMenschenschicksale. Meine Lie linge a er, die ich dem glnzenden See und

dentraurigen Fhren und sonnigen Felsen vorzog, waren die Wolken.59

59E d. S. 35329Auf dem Gymnasium ist er seinen Mitschlern gegen er misstrauisch und auch imUmgang mit Mdchen zeigt sich eine estimmte Unsicherheit und Schchternheit.Die Jugendzeit ver ringt Peter in Zrich teilweise als Student und spteralsJournalist. Hier egegnet er dem Brgertum und seinen Konventionen. Die Le ensweisedieser Menschen elastet ihn als Anhnger des wahren Le ens. Erst dank derFreundschaft mit Richard, einem un eschwerten Menschen mit kindischer Natur, darfPeter vor ergehend das Gefhl intensiver Le ensver undenheit.60genieen. DerTod seines Freundesedeutet fr ihn neue Qulerei, Zweifel an sich sel st und dereigenen Existenz. Er fllt in die Schwermut zurck.Camenzinds frhe Mnnerjahre sind durch manche strmische Vernderungen inseinem Le en gekennzeichnet. Er irrt in der Welt herum und erst derAufenthalt imHeimatort Franz von Assisis ringt ihm Ruhe ins Le en. In der Nchstenlie e findeterseinen Le enssinn, er kehrt in sein Heimatdorf zurck und istereit sich dem altenVater zu widmen.

60Vgl. MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 195304.7. Formen der Lie e im Roman4.7.1. Lie e zu den Frauen

Um von der Lie e zu reden - darin in ich zeitle ens ein Kna e ge lie en.61Mitdiesem Satz eginnt das zweite Kapitel Peter Camenzinds. Das Verhalten des Helden zuden Frauen prgt sich durch Passivitt und A warten aus. Es scheint, also Peter indem Mutter - Kind -Verhltnis sein ganzes Le en stecken lie .Von der Mutter her und auch aus eigenem, undeutlichem Gefhl verehrte ich dieFrauen insgesamt als ein fremdes, schnes und rtselhaftes Geschlecht, dasunsdurch eine ange orene Schnheit und Einheitlichkeit des Wesens erlegen ist unddas wir heilig halten mssen, weil es gleich Sternen und lauen Berghhenunsferne ist und Gott nher zu sein scheint.62Seine Art der Lie e zu einer Frau ist die Verehrung der Mutter in ihr. Da er an dieKindheit und dadurch auch an die Mutter, die erald verlor, ge undenist, tritt ergegen er den Frauen ziemlich unsicher und ohne Sel stvertrauen auf. Peterverheimlicht in seinem Inneren die Gefhle zu den Frauen, er weigert sich ihnen zuekennen, was er fhlt. So verliert er a er auch die Chance auf eine Lie es eziehung.4.7.2. Menschenlie eDer Aufenthalt in der Heimat Franz von Assisis und die Lie e zu ihm und zu seinerLehre hilft Peter das Gleichgewicht im Le en zu finden. Die Lehre desHeiligen zeigtihm neue Mglichkeiten und Formen. So wandelt er seine unerfllte Lie e zu denFrauen in eine unendliche Nchstenlie e um. Ich lie e jetzt den heiligen Franz, underhat mich gelehrt, alle Menschen lie zuha en, euch und die Leute von Perugia undauchalle diese Kinder hier, und sogar den Gelie ten der Erminia.63Bestimmter A stand zu den Frauen lie a er weiter erhalten. Denn trotzmeineritalienischen Erfahrung hatte ich immer noch ein leises Misstrauen gegen die Frauen,61HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, PeterCamenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 36662E d.63

E d. S.44731als mssten sie an den hoffnungslosen Qualen der in sie verlie ten Mnnerihregrausame Freude ha en.64Als Besttigung der grenzlosen Lie e Peters prgt sich seine Freundschaftmit demteilweise gelhmten Boppi aus. Der Umwandlungsprozess der Lie e ist a geschlossen.

4.7.3. Das Verhltnis zwischen Dichtertum und Lie eDas Dichtertum spielt im Camenzinds Le en eine wichtige Rolle, denn esdieSel sterlsung und durch diese die Erlsung der Dinge erhaupt zum Ziele hat.65Peters erste Begegnung mit der Literatur verwirklichte sich schon whrendseinesStudiums, durch Sel ststudium erweiterte er sich die Kenntnisse er sie. Da er sich mitihr und mit der Natur oft eschftigte, entwickelte sichei ihm die Vorstellung sel stDichter zu werden. Das Dichtertum wurde ihm zum Hilfsmittel auf dem Weg zurSel st ildung. Spter egann er sich a er langsam von ihm zu lsen, die irdische Lieeschien ihm wichtiger und notwendiger. er seine Dichtung ist im Buch die Rede immer weniger, dagegen die Suche nachder Lie e wird zum Zentralthema. Es geht a er nicht mehr um eine leidenschaftlicheLie e zu einer Frau, sondern um die ruhige, dauernde Lie e zu jedemWesen auf derWelt. Sie ist a er zweckhaft, es ist eine Art der Sel st-Therapie und wirkt unecht. Mankann doch nicht sel st estimmen die ganze Welt zu lie en. Solche Lie e kommt nichtvon Herzen. Denn: Fand Peter in der Frauenlie e schon nicht das rechte Ma, so hateres in dieser Lie e als Charitas e enso wenig gefunden.66Malte Dahrendorf klassifiziertsie als Resignation seines Bildungswillens67Diese Lie e stillt zwar sein Leiden, zurVollendung fhrt sie a er nicht.Wenn Knecht spter wieder nach Nimikon zurckkehrt, scheint sein Traum Dichterzu werden nicht ganz unterdrckt. Erewahrt in seinem Inneren weiterhindenGedanken an das groe Werk, das er einmal schrei t.64E d. S.45065

DAHRENDORF, Malte: Der Entwicklungsroman ei Hermann Hesse (Dissertation), PhilosophischeFakultt der Universitt Ham urg, Ham urg 1954, S. 3466E d. S.3667E d.324.8. Bildungskonzeption des HeldenCamenzind prsentiert sich als Einzelgnger, gegen alle Normen der rgerlichenGesellschaft gerichtet. Er will sich der Gesellschaft allgemein nicht anpassen, er willseinen eigenen Weg gehen, er ist ein einsamer Knig in einem von ihm sel stgeschaffenem Traumreich.68Peters Bildung war ursprnglich die Idee seines Oheims Konrad. Seine Projekteendeten a er meistens schlecht oder sogar im Fiasko. Man kann deshalschon vonAnfang an vermuten, in welchem Sinne sich die Geschichte weiter a spielen wird.Die Extreme der Bohme ziehen Peter nicht an, er lei t dem Kulturjahrmarktentfremdet. In der Moderne erkennt er nur die Welt der Schwchen, Hal heiten undGeschwtzigkeit. Das ist nicht die Wirklichkeit, nach der er stre t. Enttuscht von derGesellschaft, kehrt Peter schlielich lie er nach Nimikon zurck, wo auf ihn eineinfaches, mit der Natur ver undenes Le en wartet.Das Schicksal des Protagonisten stellt auch eine estimmte Art derWiedergutmachung zu den Normen und Wertvorstellungendes zeitgenssischenBesitz- und Bildungs rgertums69dar.Ziemlich ald erkennt Peter, dass er in diergerliche Gesellschaft nicht passt und distanziert sich von ihr. Die Gesellschaft undder Staat sind ihm gleichgltig. Seine charakteristischen Eigenschaften wie Faulheit undTrinksucht reihen ihn nicht zu den erfolgversprechenden Burschen, die die Zukunftgestalten.Es offen aren sich hier die Zge des Heimatromans o wohl das Werk sel st keinHeimatroman ist. Es wird die Idylle des Dorfes geschildert, als Gegenpol zum Landwird die Stadt angesehen, die etwas Fremdes, Unerwnschtes und Dekadentes darstellt(vgl. Camenzinds Aufenthalt in Paris). Der Schluss wirkt dann eher alsdie Folge derDesillusionierung statt der Bildung.Gescheitert im ffentlichen Le en, kehrt Peterzurck, um in der Landidylle unterden Menschen wie er sel st ist zu le en. Die Bildungsinstitutionen undsein folgenderBeruf ereicherten sein Le en nicht, sie fhrten ihn nur in eine noch tiefere Kris

e. Undda Peter nicht fhig war diese Krise zu ewltigen, entfloh er ihr.68HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Elfter Band, Schriften zur Literatur 1, Suhrkamp Taschen uchVerlag, Frankfurt am Main 1987, S. 2669MAYER, Gerhart: Der deutsche Bildungsroman : Von der Aufklrung is zur Gegenwart, J.B.Metzlersche Verlags uchhandlung, Stuttgart 1992, S. 19633Die echte Bildung liegt ei Peter in erwindung der Schwermut, Angst vor derWelt. Er sollte in sich die Neigung zum animalischen Le en unterdrcken und dermenschlichen Gesellschaft sich annhern versuchen.4.9. Strukturelle MerkmaleIm Peter Camenzind finden wir verschiedene strukturelle Merkmale desBildungsromans. Es wird der innere Bildungsvorgang des Haupthelden geschildert undzwar in chronologischer Reihenfolge, o wohl mit groen temporalen Sprngen. Das istein typisches Zeichen der spteren Romane von Hermann Hesse. Die wichtigstenPhasen seiner Bildung werden a er angege en. Den Zeitraum seiner Bildung knnenwir in drei Phasen aufteilen: Kindheit, Jugendzeit, mittlere Mannesjahre.Was die Sprache etrifft, lie Hesse von den Modetendenzen un erhrt, er enutztegesprochenes Deutsch seiner Heimat. Die Erzhlweise des Romans wirkt frisch undle endig. Der Autor nutzt oft die Ich-Form, durch sie offen art er estimmten Grad derIdentifizierung mit dem Helden.Fr das Werk ist die neuromantische Auffassung kennzeichnend: romantische Reisenach Italien, Legende er Franz von Assisi, poetische und wilde Bergnatur, Lie esleid,Richards gttliche Heiterkeit, in Gott vershnter Tod Boppis. Auer der Romantikfinden wir im Werk auch realistische Zge.Was die Hauptfigur etrifft, stellt sie die Zentralgestalt vor und ihrsind dieNe enfiguren funktional zugeordnet. Und da es um die Geschichte einesverschlossenen Mannes geht, treten in der Handlung nicht viele Ne engestalten auf. Sieekommen nur weinig Spielraum und ihr persnliches Profil ist vernachlssigt.Zahlreiche Leseranreden und ironische Kommentare des Erzhlers und desProtagonisten in Einem offen aren, dass der Autor nicht nur lehren sondern aucheglcken will.Schlielich zeigt sich die Auenwelt nicht als ereichernder Faktor, dennderHauptheld seine Sel st esttigung in dem Heimatort findet. Auch in dieser Hinsichtistder Einfluss des romantischen Bildungsromans, wie zum Beispiel des Grnen Heinrich,

in dem Werk un estritten.34Alsestimmter Mangel des Romans knnte die Neigung zur totalen A lehnung derZivilisation angesehen werden.4.10. Die Rolle des Vaters im RomanDie Figur des Vaters ist im Le en jedes Menschen sehr wichtig, er ist fr dieintellektuelle und emotionale Entwicklung des Kindes verantwortlich. Er verkrpertdieAutoritt. So ist die Vaterfigur auch fr den Helden des Bildungsromans wesentlich undwir efassen uns mit ihr in diesem Kapitel ein isschen nher.Im Falle des Glasperlenspiels spielen die Eltern keine Rolle. Da Knecht als Waiseaufwchst, ist die Erziehung streng auf den Orden und auf die GestaltJosef Knechts ertragen. Bei Peter Camenzind lie a er das elterliche Element erhalten.Der Vater kann in verschiedenen Rollen fr das Kind auftreten. Er ist der Ernhrer,Beschtzer, Erzieher und Freund.70Falls der Vater als Vor ild akzeptiert wird, kann ersein eigenes System der Werte auf das Kind ertragen, im anderen Fallwendet sichder Held an die Gruppe der Jugendlichen (peer group)71oder an eine andere potentiellepositive Fhrungsfigur.Im Peter Camenzind reprsentiert die Vaterfigur den richtungslosen, schwachenVater.72Sein Einfluss ist nur minimal, zugleich gewinnt ein gleichaltriger Freund(Richard) an Bedeutung. Der Versuch des Vaters den Sohn zu fhren oderdie Machtauf ihn auszu en wird ignoriert, als Autoritt wirkt er eher lcherlich.Peters Vater ist ein typischer Nimikoner einfach und unauffllig. SeineArt derErziehung ist der regelmige Prgel, den Peter meistens grundlos kriegt:...ich ekam eine Tracht Prgel, ohne dass der Vater oder ich sel st genauergewusst htte, wofr. Es waren stille Opfer am Altar der Nemesis, und sie wurdenohne Schelten seinerseits oder Geschrei meinerseits darge racht als schuldigerTri ut an eine geheimnisvolle Macht.73

70Vgl. GIESEKE, Astrid: Die Vaterfiguren im deutschsprachigen Bildungsroman des frhen 20.Jahrhunderts (Dissertation), Dissertations- und Fotodruck Frank Gm H, Mnchen 1986

, S. 20-2271Vgl. E d. S.13272Vgl. E d. S.8573HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, PeterCamenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 352-35335Als Peter in die Welt geht, verliert die Figur des Vaters ganz an Bedeutung und ander schon sowieso geringen Erziehungskraft. A jetzt muss der Protagonist sel st seinLe en gestalten. Spter, als eide ihm nahesten Freunde ster en,eginnter dieBeziehung mit dem Vater von neuem zu ilden. Er kmmert sich um ihn.Der Vaterdagegen versucht sich von dem Sohn A stand zu halten. Einmal wird Peterwahrscheinlich seine Rolle in der Gemeinde ernehmen, er hlt es fr eineSel stverstndlichkeit und einen ganz natrlichen Vorgang seines Le ens.4.11. Die Rolle des Le ensfreundesPeters Aufga e war unter anderem auch sein Le en sel st zu ewltigen.DieKameradschaften halfen ihm sel st ewusster und sicherer aufzutreten. A erals er denFreund verlor efand er sich wieder auf dersel en Stelle wie am Anfang. Peter mussteegreifen, dass ihn niemand vor seinem eigenen Le en schtzen kann, dass nur von ihmsel st a hngt, wie er mit ihm klarkommt. Man darf nicht nur auf dasLe en warten,sondern man muss sel st le en.Die Freundschaft mit Richard hilft Peter sich von der Schwermtigkeit zuefreien.Seine offene und le enslustige Natur lsst auch den sonst melancholischenPeter nichtin Ruhe. Zusammen erle en sie viele lustige A enteuer. Nach Richards Tod scheinta er alles verloren zu sein. Peter zieht sich aus der Gesellschaft zurck, von derSchwermut eherrscht, huldigt er dem Alkohol.Nach mehreren Jahren tritt in sein Le en der Krppel Boppi. Dank ihm gewinntPeter eine ganz neue Le ensansicht, einen stillen, zufriedenen Humor, eine gtige,weise Welt etrachtung.74O wohl sich Peter um ihn kmmert, erweist sich ei nhererBetrachtung eher Boppi als der Ge ende. Peters Sel stvertrauen wird grerund dieQualitt der Freundschaft ist vergleich ar mit der Freundschaft mit Richard.

74GIESEKE, Astrid: Die Vaterfiguren im deutschsprachigen Bildungsroman des frhen 20. Jahrhunderts(Dissertation), Dissertations- und Fotodruck Frank Gm H, Mnchen 1986, S. 99364.12. Das Motiv der NaturDie Natur spielt im Peters Le en eine edeutende und unersetz are Rolle. Geradedielyrische Beschrei ung der Natur gehrt zu den schnsten und wertvollsten Passagen imBuch. Die Ge irgswelt seiner Heimat edeutet Peter viel, in den Felsen, Bumen,Blumen und vor allem in den Wolken findet er Gott. Er lie t sie. Das Naturerle nisseiner Kindheit erschwert ihm spter den Umgang mit den Menschen.Mit der Natur hngt auch das Erle nis der Ferne zusammen. Oh, die Wolken, dieschnen, schwe enden, ratlosen! Ich war ein Kind und lie te sie, schautesie an undwusste nicht, dass auch ich als eine Wolke durchs Le en gehen wrde wandernd, erall fremd, schwe end zwischen Zeit und Ewigkeit.75Genauso wie eine Wolke willauch er durch das Le en wandern.Peter ist anders als die Nimikoner aus dem Dorf, er will in die Welt auf rechen.DieSehnsucht nach Wanderungen, nach Entdecken neuer Landschaften lsst ihn nicht inRuhe. Sie entfaltet sich whrend seiner ersten Bergsteigung: Und nun verstand ichauch die Schnheit und Schwermut der Wolken erst ganz, da ich sah, in was fr endloseFerne wir wanderten.76Schlielich, nach manchen Tuschungen in der Welt, kehrte era er in seine Ge irgsheimat zurck. Erevorzugt die Natur vor dem Weltrummel.Camendzinds Naturver undenheit wurde als positiver Gegensatz zur grostdtischenZivilisation verkndet.77Auerdem kann man in Camenzind die wachsende Feindseligkeit gegen er derGesellschaft, Staat und Industrie zu Gunsten der Verherrlichung des Landes undEinzelgngertums eo achten. hnlich wie Rousseau machte Camenzind denWiderstand gegen die Gesellschaft durch und stre te dann zur Natur zurck.

75HESSE, Hermann: Gesammelte Werke, Erster Band, Stufen, Die spten Gedichte, Frhe Prosa, Peter

Camenzind, Suhrkamp Taschen uch Verlag, Frankfurt am Main 1987, S. 35476E d. S. 35677KOV, Jaroslav: Zur Pro lematik der ersten Schaffensperiode Hermann Hesses, In: Brner Beitrgezur Germanistik und Nordistik, Band I, MASAK, Zdenk (Hg.), Univerzita J.E. Purkyn, Brno 1977,S. 129374.13. Erge nis der Le ensreise des HeldenAm Ende der Geschichte scheint es, dass der ganze Ausflug in die Welt nutzlos undnur Zeitverschwendung war. Denn Peter ist nicht anders sondern gleichwie dieNimikoner und gehrt deshal zu ihnen. Die Reise hat ihm nichts Wesentlichesge racht, umso weniger das erhoffte Glck. Sein Le ensplan scheiterte. FrPetersNatur ist die Schwerle igkeit, Zagheit, Passivitt, Menschenscheu und Schwermut78charakteristisch. Seine Vorher estimmung zum Landle en spiegelt sich inHesseseigenem Schicksal kurz nach der Entstehung des Werkes wider und zwar in der Eheund ersiedlung nach Gaienhofen im Jahre 1904. Es scheint, als o er sich im Camenzindseinen eigenen Traum vom Le en am Lande verwirklichte. Er schrie einmal:Es war die erste Zuflucht meiner jungen Ehe, die erste legitime Werkstatt meinesBerufes, hier zum erstenmal lie ich mich das Gefhl von Sesshaftigkeithierzum erstenmal lie ich mich auf den h schen Traum ein, mir an einem Orteeigener Wahl etwas wie Heimat schaffen und erwer en zu knnen.79Camenzinds Bildungs- und Le ensaufga e war, den Weg zu den Menschen zu findenund die eigene Stellung unter ihnen zu ehaupten. Das gelang ihm a er nicht.O wohler die Fortschritte whrend seines Aufenthaltes in der Welt machte, lernte er ausdenMisserfolgen nicht und fiel immer wieder in den gleichen Zustand zurckwie amAnfang. Das einzige Weiterkommen scheint die Migung seiner Ansprche auf dasLe en zu sein. Er rauchte nicht mehr Dichter zu werden, es reichte ihm, ein einfachesLe en wie die Nimikoner zu fhren, o wohl er am Anfang aus dieser Gesellschaftaus rechen wollte. Die Resignation und ein estimmter Krampf, der sichin jedemseinem Handeln offen art, hindern ihm daran ein hheres Le en zu fhren.Peter emhte sich um eine estimmte Art der Bildung und Erziehung seinerPersnlichkeit, jedoch ohne Erge nis. Schlielich musste er feststellen, dass er in dieWelt der Moderne nicht passt. Er scheiterte in seinem eigenen Bestre e

n und fand dasGleichgewicht in der Beziehung zur modernen Kultur nicht.Die Heimat stellte eher ein Hindernis auf dem Weg zur Bildung vor, sie ver and ihnmit seiner Kindheit und mit der zu frh verstor enen Mutter. Als er zurckkam, kehrteer auch in seine Kindheit zurck. Er lie innerlich ein Kind und zwar nicht nurin derLie e, sondern in allen Bereichen seines Le ens. Die Vollendung fehlthier. Malte78DAHRENDORF, Malte: Der Entwicklungsroman ei Hermann Hesse, Philosophische Fakultt derUniversitt Ham urg (Dissertation), Ham urg 1954, S. 3879Zitiert nach: E d.38Dahrendorf rekapituliert sein Bemhen um einen Platz in der Welt folgendermaen:Peters Le ensreise ist sinnlos ge lie en, sie hat ihn nur von seinen trichtenGlcksansprche geheilt, oder eigentlich: sie hat ihn zur Erkenntnis gefhrt, dass ersichvon seinen Le ensansprchen efreien muss, um glcklich zu werden.80Geht es hier also um einen misslungenen Bildungsroman? Sicher nicht. Zwar kehrtPeter in seine Heimat zurck, nicht a er ganz unverndert. Seine StellungzumHeimatdorf ndert sich. Von nun an raucht er nicht mehr zu fliehen, er eginnt inNimikon sein Le en von neuem zu gestalten. Sein Rckkehr edeutet nichtdenHhepunkt seiner inneren Bildung, sondern nur wieder eine weitere Entwicklung, vonderem Ende man nicht sagen kann, o sie gut oder schlecht ausfllt.

80E d. S. 40-41394.14. FazitPeter versuchte sich von den Erziehungssystemen zu lsen und sein Le en sel st zugestalten. Es war wie ein Ein ruch der Bergwelt in die Stadt, der a er nicht erfolgreichwar. Das Glck, so hoffte er, liegt in der Welt. Am Ende seines Bildungsweges kommenwir zur Erkenntnis, dass es nicht so ganz wahr ist und sein Wunsch, in die groe Weltaufzu rechen und dort zu le en, nur eine Tuschung war.Wegen der menschlichen Vollendung, um die sich Peter emhte, musste er dann alsDichter in der Welt scheitern. Als sich der Protagonist dieser Tatsache ewusst wird,kehrt er wieder nach Nimikon zurck. Fraglich a er ist, oer zu dieser Erkenntnisgekommen wre, wenn er sein ganzes Le en in Nimikon ge lie en wre. Fallsnicht,lei t diese Reise trotz der Serie von Enttuschungen vorteilhaft, denner erreichtedurch sie eine estimmte Stufe des Erwachens. Dank der Lehre des heiligen Franziskusund Le ensfreude Boppis gelang es ihm, den Schwermut zu erwinden undVerachtung gegen die Menschen teilweise zu eseitigen.Hesse orientierte sich in seinem ganzen Werk auf den inneren Konflikt,auf denKampf der Seele, denn nur durch die Seele, durch das Innere kann derMensch zurwahren Erkenntnis, zur Erlsung kommen. Diese Erlsung scheint fr alle seineDichtungen grundlegend zu sein. O Peter Camenzind auf dem richtigen Weg zurErlsung ist, lei t fraglich, sicher a er ist, dass der Schluss des Romans eher resignativals hoffnungsvoll ausklingt.Zum Schluss dieses Kapitels noch ein paar Worte er das Werk von demAutorsel st:Sie werden auf den ersten Blick sehen, dass mein Werkchen unmodern, jaantimodern ist. Auch an formalen Mngeln wird es nicht fehlen. Dagegen ist Volkund Land aus langen, lie evollen Beo achtungen dargestellt und es stehtnichtsErfundenes und Unerle tes drin. Den Schwerpunkt sollte die seelischeEntwicklung des Sonderlings Peter ilden, alles Ne enher ist daher skizzenhaftehandelt.81

81Zitiert nach: UNSELD, Siegfried: Hermann Hesse Werk und Wirkungsgeschichte, Insel Taschen uchVerlag, Frankfurt am Main 1985, S. 34405. Das Glasperlenspiel5.1. Inhaltsanga eDer Erzhler schildert Le en und Wirken des Magister Ludi Josef Knecht von seinerKindheit is zum Tode. Die Handlung spielt sich im 23. oder 24. Jahrhundert a (dieJahresanga en fehlen) in einer kleinen pdagogischen Provinz namens Kastalien.Kastalien wurde erhmt durch ihre hohe Konzentration der Eliteschulen und alsStandort des Glasperlenspiels. Knecht kam nach Kastalien als kleiner Kna e. Zuerstesuchte er die Schule in Eschholz dann studierte er in Waldzell.Von Anfang an war er von Kastalien und dem Schulsystem hier egeistert. Er durftejede Kunst, jede Wissenschaft studieren, die er auswhlte. Waldzell war auerdem Sitzdes Magister Ludi, der das Glasperlenspiel leitete und jedes Jahr mit anderen Magisternvor ereitete. Josef traf hier verschiedene Personen, manche wurden seineFreunde,edeutend ist vor allem seine Freundschaft mit Plinio Designori. DieserJunge gehrtenicht zum Orden wie die Mehrheit seiner Mitschler. Knecht wird in der Zukunft einenBeruf im Dienst des Ordens aus en, zum Beispiel als Lehrer, Erzieher, ersetzer.Diesen Beruf darf er sich nicht sel st auswhlen, sondern der Orden estimmt, frwelche Beschftigung er sich amesten eignet. Natrlich knnten sie den Orden auchverlassen, a er das tun sie meistens nicht. Dagegen Plinio und ihm hnliche, es sindnicht viele, le en in zwei Welten. Die Welt der Kenntnisse, WeisheitundWissenschaften stellt Kastalien dar, die zweite Welt vertritt die Realitt dort drauenhinter dem Zaun der Schule, dort ha en die Studenten ihre Familien. Plinio esuchtWaldzell, um die este Bildung zu ekommen. A er er lei t dort nicht fr immer. Erwird einmal in wirklicher Welt le en. Zuerst sind Plinio und Knecht Feinde, dannwerden sie Freunde. Und Josef eginnt sich die Fragen zu stellen. Welche Welt ist diewirkliche, die wahre?Knechts Studienjahre waren die glcklichste Zeit seines Le ens. Er konnte elie igeFcher studieren, elie ige Seminareesuchen und auch elie ig lang studieren. DieAufnahme in den Orden edeutete fr ihn das Ende seiner Freiheit. Jetztwar er demOrden verpflichtet und musste ihm dienen.

41Er erfllte hervorragend alle Aufga en und Missionen dank seiner Bega ung,Charme und gewisser Kunst, andere Leute zu erzeugen knnen. Eine Mission te erin dem Benediktinerkloster Mariafells aus. Hier lernte er Pater Jako us kennen,der ihmdie Augen fr Geschichte ffnete.Als er spter zum Magister Ludi ernannt wurde, empfand er wenig Glck und immergrere Verpflichtung. und wer hher steigt und grere Aufga e ekommt, wirdnicht freier, er wird nur immer verantwortlicher.82Die Belie theit des Glasperlenspieles in der Welt war nicht mehr so gro wie frher.Knecht hatte eine schwierige Aufga e vor sich: das Glasperlenspiel fr nchstes Jahrvorzu ereiten und seine Belie theit dadurch zu steigern.In dieser Zeit erfuhr er, dass sein Freund, Lehrer und Vor ild, derMusikmeister,krank war und wahrscheinlichald verstir t. Als er ihn esuchte, saher, dass er nichtkrank ist, sondern dass er sich an der Schwelle in eine andere Weltefand. DieserProzess ist mit dem Tod des menschlichen Krpers ver unden. Knecht fhlte sich in derAnwesenheit seines alten Lehrers ganz anders, wie verwandelt. Auerdem fhlte er,dass aus dem Meister estimmtes Licht, Ruhe und Frieden ausstrahlt. Er fragte danachseinen Freund Ferromonte (der Musikmeister lehnte die Konversation a , er nutzteeineandere Kommunikationsform, die Josef a er nicht verstehen konnte). Ferromonteleugnete zuerst, dass er nichts Besonderes emerkte, dann stimmte er a er zu. Trotzdemwollte er diesen Zustand, in dem sich der Meister efand, nicht anerkennen, weil esunerklr ar war und er an solche ersinnliche Erscheinungen nicht glau te. Er musstea er zuge en, dass dieser Greis etwas Ungewhnliches erle t und dass es viel mehralsder Tod ist.Der Musikmeister star und Josef veranstaltete das groe Jahresspiel und te weitersein Amt aus. Er war gewissenhaft und verantwortlich, erfllte mit spielenderLeichtigkeit alle Aufga en. So verliefen mehrere Jahre.Eines Tages egegnete er wieder seinem alten Freund Plinio Designori und fhrtemit ihm einen esonderen Dialog. Plinio war traurig, die Welt war zu hart fr ihnund erkonnte ihre Schwere nicht weiter ertragen. Er erzhlte Josef seine Le ensgeschichte.Nach dem Studium in Waldzell versuchte er auch in der ueren Welt nachdenkastalischen Regeln zu le en. Das war a er nicht mglich. Er fhlte sichverzweifeltund gespalten.82

HESSE, Hermann: Das Glasperlenspiel, Auf au-Verlag Berlin und Weimar, Berlin 1985, S. 8942Josef entschied sich ihm zu helfen. Er wollte sich von Kastalien efreien, achtJahrewar er als Magister Ludi im Amt und jetzt hatte fast keine Krfte mehr. Sein Wunschwar, kleine Schler zu unterrichten, so wie frher der Musikmeister. Bevorer eineBeschftigung findet, wird er ei Plinio und seiner Familie le en und seinen SohnTitoerziehen. Als Gegenleistung hilft er dem Freund das verlorene Gleichgewicht durchMeditation wieder zu entdecken.Knecht verlie Kastalien heimlich, weil sein A schiedsgesuch von dem Ordena gelehnt wurde. Von Plinio erfuhr er, dass der kleine Tito auf ihn im Ge irge wartet,wo sich ihr Ferienhuschen efindet. Als er dann an Ort und Stelle war, kam ihmTitoentgegen. Josef fhlt sich nach der Reise a er nicht wohl und ging lie er ald schlafen.Am Morgen des nchsten Tages trafen sich die zwei am See, der sich in der Nhe desHauses efand. Die Sonne ging auf und sie waren von diesem Augen lick erwltigt.Tito schlug vor zum anderen Ufer des Sees zu schwimmen. O wohl Josefkein guterSchwimmer war und sich immer noch schwach fhlte, stimmte er zu. Das Wasserwara er zu kalt, Knecht erschtzte seine Krfte und ertrank. Tito versuchteihn noch zuretten, es war a er schon zu spt. Oh weh, dachte er entsetzt, jetztin ich an seinemTode schuldig.83

83E d. S. 466435.2. Einfhrung in das GlasperlenspielDas Glasperlenspiel ist ver unden mit der politischen Situationachdem Jahr 1930. Vielleicht wird es einmal als der groedenVer rechen des Nazi-Regimes in Deutschland anerkannt, alsdieserZeit und gleichzeitig als Utopie, deren ZukunftserwartunglassischenUtopien, wie die Rckkehr zur Natur, die der Idee deseinerklassenlosen Gesellschaft aufnimmt.84

in Deutschland nGegenentwurf zuscharfe AnalyseInhalte der kFriedens und die

Hermann Hesse schrie das Glasperlenspiel ungefhr 12 Jahre a 1931 is 1942. Ersel st etonte oft, dass die Ar eit an diesem Werk ihm das erle en der kritischenJahre des Zweiten Weltkriegs ermglichte. Es galt fr mich zweierlei: einen geistigenRaum aufzu auen in dem ich atmen und le en konnte, aller Vergiftung der Welt zumTrotzund zweitens den Widerstand des Geistes gegen die ar arischen MchtezumAusdruck zu ringen.85Der Autor setzt sich im Glasperlenspiel mit der Epoche, in derer le te, und mit seinem gesamten Werk auseinander.Das Glasperlenspiel knnte als Summe aller seiner Werke verstanden werden. Indieser Dichtung verwirklichte sich der Hhepunkt Hesses literarischen Schaffens undpraktisch wurde es somit a geschlossen. Im Knecht vereinigen sich alleHauptheldender vorherigen Dichtungen.

84E d. S. 20185VOLKER, Michels (Hg.): Materialien zu Hermann Hesse "Das Glasperlenspiel". Erster Band, Textevon Hermann Hesse, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1973 S. 2445.3. Entstehung und Wesen des WerkesHesse

egann mit der Ar eit am Glasperlenspiel in der Mitte des Jahre

s 1931,nachdem er die Erzhlung Morgenlandfahrt eendete.Die Ar eit ging a er langsam voran, manchmal zweifelte der Autor sel st, dass erdas Buch einmal zu Ende schrei t. Hesse fhlte sich schon alt, hatte keine Lust mehrzum Schrei en. 1933 schrie er in einem Brief an seinen Freund Hermann Hu acher:Seit anderthalJahren ha e ich den Plan zu einer Dichtung und in noch nichtsoweit gekommen, eine Zeile zu schrei en, weil ich alt werde, weil esmir zu gutundequem geht, weil ich jeden Tag durch die Post etc. etc. gezwungen werde,den viel eschftigten erhmten Mann zu spielen.86Trotzdem entstanden in dieser Zeit die ersten Ideen und Stichworte zumGlasperlenspiel. Im Januar 1932 wurde das Motto des Buches entworfen.DieEinleitung entstand kurze Zeit spter, sie musste a er neuear eitet werden, da sie zuaktuell und zeit eeinflusst war.1934 schrie Hesse einen der drei fiktiven Le enslufe - den Regenmacher. DieserLe enslauf erschien spter in der Neuen Rundschau. Ursprnglich sollte dasBuchne en der zentralen Geschichte Josef Knechts weitere vier Le enslufe einhalten.Hesse fang die Ar eit am vierten Le enslauf an,eendete ihn a er nicht. DieserLe enslauf sollte sich im 18. Jahrhundert a spielen und das Le en desschw ischenTheologen, Schler Johann Al recht Bengels schildern. Die Pietistensprache schmecktmir auch heut noch nicht, a er sie regt mich auch nicht mehr auf einige Typen, wieBengel, sind echte Weise und Verwandelte gewesen sie sind die einzigen Theologenjener Zeit, die man noch lesen kann.87Die tiefere Beschftigung mit dem GeistlichenJohann Al recht Bengel verweist auf die Vershnung Hesses mit dem Christentum undmit dem Pietismus der Eltern.1935 geriet Hesse in eine Schaffenskrise. Es waren alle seine Ersparnisse weg, seineFreunde aus Deutschland suchten ei ihm Asyl und der Bruder HansegingSel stmord. In Deutschland wurde er verleumdet, die Zeitschrift Die Neue Literaturstempelte ihn als Volksverrter a . Trotzdem erschienen in der Zeitschrift Corona DieGedichte des jungen Josef Knecht.86E d. S. 6087E d. S. 78-79

45Im Brief an den Fischer Verlag vom 11.5.1936 hofft Hesse, die Krisesei schonvor ei und dass er die Ar eit am Glasperlenspiel fortsetzen kann. Erschrie denzweiten Le enslauf Beichtvater und andere Gedichte zum Glasperlenspiel. Whrend desJahres 1937 entstand der Indische Le enslauf. Um 1939 war schon ein Drittel desWerkes fertig (Einleitung, A handlung er das Glasperlenspiel, Kapiteln Berufungund Waldzell). Laut Hesse gilt die Einleitung zum Glasperlenspiel als der Schlsselzum Ganzen.88Die drei Le enslufe etrachtet er als das am meisten Dichterische imganzen Buch.891942 war das Glasperlenspiel eendet.Ursprnglich sollte das Werk von seinem Verleger Suhrkamp gedruckt werden. InDeutschland wurde es a er vom Propaganda-Ministerium wegen des Kapitels,das imKloster a spielt, ver oten und Hesse musste sich einen neuen Verleger in derSchweizsuchen. Schlielich unterschrie er den Vertrag mit Fretz & Wasmuth Verlag. Der volleTitel lautete: Das Glasperlenspiel. Versuch einer Le ens eschrei ung desMagisterLudi Knecht samt hinterlassenen Schriften. Widmung: Den Morgenlandfahrern.Dass das Werk in Zrich gedruckt werden musste,edeutete fr Hesse einegroeEnttuschung, das Buch wurde fr das Leserpu likum in Deutschland estimmt.1942im Brief an Rolf Conrad schrieHesse: Das Buch lei t jenen Lesern,die eserwarteten und die etwas davon htten, vorenthalten A er so ist es ja mit allem, wasdie meisten Menschen heute tun der Sinn liegt irgendwo im Metaphysischen,vielleicht -90Erst am 17. Okto er 1945 erhielt Peter Suhrkamp die erstenachkriegsdeutsche Verlagslizenz und das Werk konnte somit auch in Deutschlanderscheinen.

88E d. S. 20289E d. S. 205

90E d. S. 225465.4. Struktur und AufteilungDas Werk ist in Teile gegliedert: Widmung, Motto, Knechts Le enslauf,hinterlassene Gedichte des Studenten Josef Knecht und drei fiktive Le enslufe. JederTeil ist a hngig von dem anderen und alle zusammen ilden eine groe Dichtung.Die Doppelwertigkeit der Dinge und Personen durchdringt das ganze Werk.AmAnfang stellt Kastalien etwas Edles vor, durch den Prozess der Entwertung verwandeltes sich spter in eine Institution eher negativen Charakters. Weiteres Merkmal derDoppelwertigkeit finden wir auch in Knechts Auszeichnung als Magister Ludi. DieseWortver indung stammt aus dem Lateinischen und ezeichnet sowohl den Spielmeisterals auch den Schulmeister.Im Glasperlenspiel vermischen sich verschiedene Religionen und Kulturen dasChinesische, Indische, Buddhistische und Katholische. Mit diesen Kulturen eschftigtesich Hesse manche Jahre nher und spter wendete er die Kenntnisse er sie und erYoga und I-Ging auch in diesem Buch an.Im Werk finden wir die Elemente des Gleichnisses und Allegorie. DasGlasperlenspiel prgen auch manche auto iographische Merkmale. Zum Beispielseineigenes Sel st ildnis verwirklichte Hesse in der Gestalt des lteren Bruders. Also wirvor den Augen die Gestalt des Autors sel st htten.Ein schmchtiger Mann, in graugel es Leinen gekleidet, mit einer Brille erlauen a wartenden Augen, erhosich von einem Blumen eet, er dem erkauernd verweilt hatte, kam langsam auf den Besucher zu, nicht unfreundlich, a ermit jener etwas linkischen Scheu, wie Zurckgezogene und Alleinle ende siemanchmal an sich ha en.91Auch manche andere Gestalten im Roman hatten sein Gegen ild in der Wirklichkeit.Carlo Ferromonte war Karl Isen erg, Hesses musikalisch ega ter Neffe. Der MagisterLudi Thomas von der Trave stellte Thomas Mann dar, der an der Trave ge oren wurde,Pater Jako us den Historiker Jaco Burckhardt, Kloster Maul ronn wurdeteilweise inder Konzeption Kastaliens ver ildlicht und so knnte man fortsetzen.Das Bam usgehlz erinnert an die Casa Hesse in Montagnola, wo sich der Autor imGarten auch so ein Stille en einrichtete.

91HESSE, Hermann: Das Glasperlenspiel, Auf au-Verlag Berlin und Weimar, Berlin 1985, S. 136-13747

5.4.1. Einzelne Teile des WerkesDie Widmung und das MottoDie Widmung lautet:den Morgenlandfahrern. Soll also das Werk einenSchrittzurck edeuten? Sicher nicht. Hesse verweist zwar auf seine vorherige ErzhlungMorgenlandfahrt, sieezeichnet a er eher das Vorspiel seines Gipfelwerkes. BeideDichtungen ha en viel Gemeinsames, die Erzhlung Morgenlandfahrt wird oftalsEinfhrung ins Glasperlenspieletrachtet oder umgekehrt, das Glasperlenspiel sei dieFortsetzung der Morgenlandfahrt. Man kann schon in Anlehnung an die Widmungvorahnen, dass uns eine Reise durch die Zeiten erwartet.Das Motto erscheint im Buch in zwei Sprachen, auf Latein und auf Deutsch. Undschon hier versucht der Dichter den Leser zu mystifizieren und sich mit ihm zuspielen. Als Verfasser wird Al ertus Secundus genannt, dieser Name ist a er erfunden.Der richtige Verfasser ist niemand anderer als Hermann Hesse sel st. Das Motto wurdevon seinen Freunden Franz Schall (Clangor) in scholastisches Latein ertragen undvon Josef Fei