1
91ciic 3iird)cr Mtnnft WOCHENENDE 273/77 SiiniMag/Sonntiig, 20./21. November 1976 Nf. 273 77 Journal der Popkultur ZZ Top Sie bezeichnen sieh, bescheiden wie sie sind, als «Ihat little ol'band from Texas:». Doch ZZ Top, das dreiköpfige Rock- ensemble aus Dallas, das sich auf harten «Redneck Rock» spe- zialisiert hat, darf ruhigen Gewissens attraktivere Attribute für sich in Anspruch nehmen. .Schliesslich zählt die Gruppe schon seit einiger Zeit zu den zugkräftigsten Live-Bands in den USA. ZZ Top, das dreiköpfige Rockensemble aus Dallas, zählt seit einiger Zeit zu den zugkräftigsten Bands in den USA. Allein in den vergangenen anderthalb Jahren brach sie in ver- schiedenen amerikanischen Städten zahlreiche Zuschauer- und Einnahmcrckorde, die bisher von so bekannten Gruppen wie den Rolling Stones, Led Zeppelin oder The Who gehalten worden waren. Dabei war ZZ Top paradoxerweise noch nie mit einer Hit- single in den begehrten top tcn der amerikanischen Hitparade. Grosse Rocksender an der Ost- und Westküste lehnten es ab, Titel der Gruppe in ihr Programm aufzunehmen. Von verschie- denen Kritikern wurde der rauhe Ton, den das texanische Trio anschlug, als suspekt und primitiv eingestuft. Dennoch gelang es ZZ Top, in der Publikumsgunst ganz nach oben zu gelangen. Neben ihren sensationellen Konzerterfolgen erreichten auch fast alle der vier bisher erschienenen Langspielplatten de r Gnippe «First Album», «Rio Grande Mud», «Tres Hombres» und «Fan- dango>; goldenen oder gar Platin-Status für eine jeweilige Verkaufsauflage von 500 000 Exemplaren bzw. einer Million. Der phänomenale Aufstieg von ZZ Top zur neuen amerika- nischen Supergruppc gab vielen Beobachtern de r US-Popmusik- szene anfänglich einige Rätsel auf. Schliesslich war das drei- köpfige Ensemble erst vor wenigen Jahren entstanden und ver- fügte allenfalls über einen regionalen Appeal. ZZ Top begann, 1970 von dem einstigen Jimi Hendrix-Protege und Leadgitarristen Billy Gibbons gegründet, als kleine Lokalband in Dallas und spielte fast ausschliesslich texanischen Rock'n'roll, «bluesigen» Boogie, durchsetzt mit Hard-Rock-Elementcn. Doch diese seltsame Mischung kam überraschenderweise nicht nur in Texas gu t an. Auch in anderen Landesteilen begann man nach und nach, den urwüchsigen Sound von ZZ Top zu schätzen. Live-Konzerte der Gruppe wurden zu einem Leckerbissen für Hard-Rock-Fans. ZZ Top spielte bei Auftritten stets non stop und brachte jedes Publikum in Rage. Nur die wenigsten liessen sich von den teilweise derben Texten storen, die sich in den Songs de r Gruppe fanden. Im Gegenteil, die süffigen Sauf- und Trinkballaden, die das Trio intonierte, schienen eher zu berau- schen denn zu ernüchtern. Nicht selten wurden bei ZZ-Top- Konzertcn Rekordumsätze im Bierverbrauch erzielt. Einen neuen Umsatzrekord anderer Art versucht ZZ Top auch in diesen Tagen aufzustellen: Die Gruppe befindet sich augenblicklich auf einer achtzehnmonatigen Welttournee, die ihr rund zwanzig Millionen Dollar einbringen soll mehr, als jede andere Gruppe je auf einer Konzertreise erzielte. Bei dem for- schen Tempo, das die Gnippe anschlägt, würde es nicht über- raschen, wenn sie ihr anvisiertes Ziel bei weitem überträfe. Peter Figlestahler Sprachglossen Das Lähmungsinstitut w/i. Um die» Wahrheit zu gestehen: mir ist es vor Jahren genau gleich ergangen wie so manchem, der, in Leukerbad die Dorfstrasse hinaufschlendernd, unvermittelt vor dieser Tafel steht: Lähmungsinstitut. Mit einem Lächeln auf den Lippen fragte ich mich, was sich die Schöpfer dieser segensreichen Heil- anstalt wohl gedacht hätten, als sie ihr Werk so benannten. Denn so sagte ich mir etwas voreilig in einem Lähmungs- institut wird gelähmt, wie in einer Reinigungsfirma gereinigt, in einer Besserungsanstalt gebessert und an einer Lagerstätte ge- lagert wird. Das schien mir so klar, dass ich alsogleich beschloss, diesem Lähmungsinstilut eine Glosse zu widmen. Nur, wer kriti- siert, sollte etwas Besseres vorzuschlagen haben, und mir wollte im Augenblick gar nichts einfallen. Schon am nächsten Tag gab ich meine Absicht auf. Schuld daran war das Telefonbuch. Darin suchte ich die mir gerade entfallene Nummer der Wettervorhersage. Da fiel mein Blick, bei der Nummer 12, auf das Wort, das mein abschätziges Urteil über das Lähmungsinstitut ins Wanken brachte: Störungsdienst. War das nicht eine Wortbildung vom genau gleichen Muster wie das Lähmungsinstitut? Und hatte ich je daran Anstoss genom- men? Nein, ganz im Gegenteil: es war mir immer selbstverständ- lich gewesen, dass dieser Dienst nicht zu storen, sondern Störun- gen zu beheben hat, genau wie das LUhmungsinstitut sich mit Lähmungen befasst, diese behebt oder es wenigstens versucht. Kurz nach diesem Erlebnis fand sich ein Anlass, über dieses Thema etwas tiefer nachzudenken. Ein österreichischer Ingenieur der Leser dieser Rubrik erinnert sich vielleicht hatte an zwei Ausdrücken in unserm Blatt Anstoss genommen: an der Es sprach sich herum Man sollte es vielleicht nicht an die grosso Glocke hängen, was man als sein Lieblingsessen betrachtet, aber für mich gibt es nichts Besseres als gespickten Rehrücken mit Rahmsauce und Preiselbeeren und dazu SpKtzle und Pfifferlinge. Wenn man dann noch einen schönen Burgunder dazu trinkt, so was wie einen Pommard, kann es meines Erachtens unter den leiblichen Genüssen kaum einen grösseren geben. Sie können sich vorstellen, wie ich mich freute, als ich wäh- rend einer Reise bei guten Bekannten dies alles zum Mittagessen bekam. Nicht nur waren gespickter Rehrücken und Rahmsauce genau so, wie ich sie am liebsten habe, es gab auch Spätzle und Pfifferlinge und Preiselbeeren dazu. Und sogar den Wein, den ich zu diesem Essen bevorzuge, bot man mir, tatsächlich einen Pommard. Finden Sie das nicht nett? Also, ich fand es reizend. Wie sie denn auf die Idee gekommen seien, ausgerechnet dieses Essen zu machen, fragte ich meine Bekannten. Das sei ja mein Lieblingsessen. «Eben», sagten sie. «Das hat sich herum- gesprochen.» Das erstaunte mich, aber ich hätte es mir denken können, dass das alles in seiner Zusammenstellung nicht ganz zufällig war. Ich war wirklich sehr angetan von dem Essen, denn ich schwelge in solchen Genüssen, was allerdings leicht zur Folge hat, dass ich mich übernehme. Immerhin ist gespickter Rehrücken mit Rahmsauce ziemlich schwere Kost, und durch Spätzle, Pfifferlinge und Preiselbeeren wird das alles nicht leichter. Und was den Pommard betrifft, so ist er unter den Burgundern nicht nur einer der fruchtigsten Weine, sonder n auch einer der wuch- tigsten. Wohl dem also, der das alles ohne Schaden verkraften Ich kann nicht sagen, dass ich an dieser Mahlzeit Schaden nahm. Dennoch musste ich das übersättigte Gefühl und den schweren Kopf durch einen Spaziergang loswerden, bevor ich es wagte, mich ans Steuer zu setzen und nach diesen Genüssen noch etwa 200 Kilometer zu fahren. Meine Reise war für diesen Tag nämlich noch nicht beendet. Am Abend sollte ich in einer andern Stad t übernachten, aber nicht in einem Hotel, wo ich mich nach meiner Ankunft gleich hinlegen konnte, sondern bei Freunden, auf die ich schliesslich nicht den Eindruck machen wollte, ich sei arg mitgenommen. Ich darf annehmen, dass ich mir nicht anmerken liess, wie schwer ich noch an der Mittagsmahlzeit trug, als meine Freunde mich später des Abends zu Tisch balen. Und ich bin davon über- zeugt, dass sie ehrliche Ueberraschung In meinen Ausrufen hor- ten, als das Essen aufgetragen wurde. «Gespickter Rehrücken!» rief ich aus. «Mit Rahmsauce! Wie ich es am liebsten mag.» Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen. «Ach, und was ihr dazu habt! Spätzle und Pfifferlinge und Preiselbeeren! Nein, ist das die Möglichkeit? Ja woher wisst ihr denn, dass genau das mein Lieblingsessen ist?» Und sie sagten schmunzelnd: «Er. spricht sich herum.» Nun machte mein Gastgeber mich strahlend darauf aufmerk- sam, welchen Wein er mir einschenkte. «Pommard!» rief ich aus und war nahe daran, mich zu bekreuzigen. Er hatte sogar zwei Flaschen davon besorgt und bestand darauf, dass beide getrunken wurden; sie standen schon beide offen. Eben deshalb erinnere ich mich aber auch an den genauen Verlauf des Essens nicht mehr. Ich weiss nur noch, dass ich nach einer Weile dauernd gewisse Sinnlosigkeiten wiederholte wie «Heiliger Stroh- sack!» oder «Mein lieber Herr Gesangverein!». Und während eines solchen Ausrufs fiel ich unter den Tisch und wurde ab- transportiert. Mein lieber Herr Gesangverein! Auch das sprach sich herum. Klaus Mampell Milch- und an der Stromversorgung. Die Witwen-, Waisen- und Invalidenvcrsorgung anerkannte er als richtig, die Milch- und die Stromversorgung dagegen hielt er für falsch, da man zwar Witwen, Waisen und Invalide, keinesfalls aber Strom versorgen könne. Sein Irrtum bestand darin, in einer derartigen Zusam- mensetzung immer ein Akkusativverhältnis zu sehen. Ich wider- legte diese Auffassung unter anderm mit de r Zwillingsgeburt und der Zangengeburt: bei der Zwillingsgeburt würden zwar Zwillinge, bei de r Zangengeburt aber keinesfalls Zangen geboren . Das zeige, dass mit einer Wortzusammensetzung ganz unterschiedliche syn- taktische Verhältnisse dargestellt werden können. Das mögen all jene bedenken, die vor dem Lähmungsinstitut auf abwegige Gedanken kommen wie d e r verunsicherte Leser aus Bern, der, eben aus Leukerbad zurückgekehrt, meine Mei- nung wissen möchte: «Es reizt mich nun doch, Sie anzufragen, ob dieser Ausdruck sprachlich richtig ist.» Er ist's. Was zu beweisen war. Weitere Worte in den Wind Eine Zuschrift Der Zufall mischt manchmal ganz köstlich mit und treibt unerwartet seinen Schabernack («NZZ», Nr. 267): Genau de r Sprachglosse zur doppelten Verneinung gegen- über, auf der anderen Seite, ist ein solcher Lapsus passiert: «je weniger .. . desto unschöner», obwohl es nicht einmal ein so kompliziertes Satzgebilde ist. Gemeint war natürlich: je mehr. Zu den «in den Wind gesprochenen Worten» darf bemerkt werden, dass das Auszählen geschriebener Lettern sich nicht immer mit dem phonetischen Befund deckt. Fast sämtliche Bei- spiele weisen ein seh auf, das bedeutet drei Buchstaben für einen Laut. Häufungen mit seh mögen optisch vielleicht hässlich sein, aber klanglich musste man in diesem Rekordspiel für den Laut eine einzige Letter haben, etwa in dieser Richtung (die folgenden Beispiele am besten laut sprechen): Studicncrleichterung durch staatliche Stipendien. Alle diese Reibelaute lassen sich aber ziemlich fliessend spre- chen. Schwieriger wird es, wenn gestaute Laute hinzukommen oder gar zusammentreffen: Die Amtsgerichtsstellc entscheidet den Rechtsstreit. Der Kauf von Strickgarn und Druckknöpfen. Die Melkkuh grast an der Wegkurve. Sumpfpflanzen wachsen nicht auf Kopfsteinpflaster. Durchs Pfropfreis liefert de r 1 lurbst besseres Obst. Vorbei ist's jetzt mit der Laiibpracht des Sommers. Ebenfalls laut zu lesen: Solche Gcräuschbeispicle finde ich noch entschieden häss- licher. Welch schreckliche sprachliche Dreckpfütze! Hermann Fischer Zwischenruf Gedankenfreiheit Wir werden frühzeitig darauf gedrillt, feierlichen Anlässen feierlich, also in andächtig-dis/iplinierter Haltung, beizuwohnen. Uns wurde beigebracht, ohne einen Mucks und bei voller Auf- merksamkeit des Gemütes dem künstlerischen, religiösen oder wissenschaftlichen Gegenstand oder Vorgang grundlegend zu- gewandt zu sein. Wir dürfen uns weder räuspern noch rakeln, wir dürfen nicht husten, und mit rhythmischem Kopfnicken Begleitung markieren dürfen wir auch nicht. Die äussere Beherrschung ist erlernbar; man kann uns getrost als gesittet bezeichnen. So erzogen storen wir nicht den Mitmenschen, dem gerade de r Einklang des Feierlichen mit de r vollkommenen Aufnahme glückt. Das hat unbestritlen sein Gutes. Aber so erzogen, neigt man zu Scheinheiligkeit. Absolut aufmerksames Zuhören über eine längere Zeit ist mehr, als man von uns erwarten darf (es sei denn, wir wären vom Fach und die Rivalität spornte uns an). Die Gedanken irren ab und kommen erschreckend banal zurück, ab und zu bringen sie einen wirklich guten Einfall mit. Zuweilen martert auch bloss der Zweifel, ob man zu Hause die Tür richtig abgeschlossen hat. Sieht man sich ein wenig im Publikum um hin und wieder gönnt man sich derartige Uebcrtretungen, wenn auch schlechten Gewissens und lediglich innerhalb de r Grenzen taktvoller Un- beweglichkeit , überraschen dann doch sehr alle die verklärten Mienen, alle gotisch. Fällt aber etwas mit geringem Geräusch, wenden sich die verzückten Gesichter dem Ereignis zu, zürnend zwar, aber sie wenden sich, dankbar für den Vorwand. Ebenso bemerkenswert ist die erstaunliche Anfälligkeit für die geringste Lächerlichkeit, sie scheint geradezu mit dem Grad der Feierlich- keit zu wachsen. Es ist leider wahr: Selbst der interessierteste Zuhörer, der gläubigste Kirchgänger, der musikliebhabcndste Musikliebhaber ist nicht gefeit gegen Ablenkung, kaum jemand ist so ausdauernd ergriffen, wie er gern sein möchte. Ganz im Gegenteil: ohnehin sensibilisiert, gewinnt man feinste, aber leider ganz und gar abwegige Eindrücke in welchen Abständen der Redner die Handflächen gegeneinanderlegt, bei welcher Bewe- gung de r Reissverschluss am Kleid der Pianistin millimeterweise rutscht, wie viele vereinzelte graue Haupthaare dem Vordermann wachsen. Wenn einer, von erhabenem Strom getragen, schön vor sich hin träumt, ist er zwar vertieft, aber strenggenommen auch zer- streut. Ertappt er sich schreckhaft, wird er fürderhin zuge- schürt sein vor bemühter Aufmerksamkeit und so seine Ur- empfänglichkcit vollends ersticken. Dass er durchaus fähig ist, Entzücken, Betroffenheit und Erschütterung zu spüren, genügt ihm nicht. Wenn er Tiefe und Dauer nicht unter Kontrolle hat, fühlt er sich abscheulich flatterhaft. Klavierauszüge und andere sachdienliche Unterlagen, an denen entlang man sich konzentrieren kann, mögen eine Hilfe sein, aber das Blättern de r Seiten bedeutet möglicherweise Irrita- tion de r Nachbarn. Und man weiss ja, dass sie es ohnehin auch nicht leicht haben mit der vollen Aufmerksamkeit. Eines Tages kommt man zu dem Entschluss, forcierte oder gespielte Versunkenheit («Habt ihr auch alle gesehen, wie an- dächtig ich war?») nicht mehr mitzumachen. Wer an dem Punkt angelangt ist, muss noch nicht gleich um seine Erlebnisfähigkeit bangen. Erst wenn jemand eine Tugend daraus anfertigt, dass er keinerlei Ergriffenheit kennt, sich darauf stolz zeigt, nie gefesselt zu sein: erst dann stimmt etwas nicht- Eva Reichard Labyrinth Nr. 12 Auf Sisyphus' Spuren Auflösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende* Redaktion «Wochenende»: Peter Zimmermann, Ernst Scheidegger, Margret Mellert Neue Zürcher Zeitung vom 01.11.1952

273/77Top_1.18413933.pdf · 91ciic 3iird)cr Mtnnft WOCHENENDE 273/77 SiiniMag/Sonntiig, 20./21. November 1976 Nf. 273 77 Journal der Popkultur ZZ Top Sie bezeichnen sieh, bescheiden

  • Upload
    vuanh

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 273/77Top_1.18413933.pdf · 91ciic 3iird)cr Mtnnft WOCHENENDE 273/77 SiiniMag/Sonntiig, 20./21. November 1976 Nf. 273 77 Journal der Popkultur ZZ Top Sie bezeichnen sieh, bescheiden

91ciic 3iird)crMtnnft WOCHENENDE

273/77SiiniMag/Sonntiig, 20./21. November 1976 Nf. 273 77

Journal der Popkultur

ZZ Top

Sie bezeichnen sieh, bescheiden wie sie sind, als «Ihat littleol'band from Texas:». Doch ZZ Top, das dreiköpfige Rock-ensemble aus Dallas, das sich auf harten «Redneck Rock» spe-

zialisiert hat, darf ruhigen Gewissens attraktivere Attribute fürsich in Anspruch nehmen. .Schliesslich zählt die Gruppe schonseit einiger Zeit zu den zugkräftigsten Live-Bands in den USA.

ZZ Top, das dreiköpfige Rockensemble aus Dallas, zählt seit einiger

Zeit zu den zugkräftigsten Bands in den USA.

Allein in den vergangenen anderthalb Jahren brach sie in ver-schiedenen amerikanischen Städten zahlreiche Zuschauer- undEinnahmcrckorde, die bisher von so bekannten Gruppen wieden Rolling Stones, Led Zeppelin oder The Who gehalten wordenwaren.

Dabei war ZZ Top paradoxerweise noch nie mit einer Hit-single in den begehrten top tcn der amerikanischen Hitparade.

Grosse Rocksender an der Ost- und Westküste lehnten es ab,

Titel der Gruppe in ihr Programm aufzunehmen. Von verschie-denen Kritikern wurde der rauhe Ton, den das texanische Trioanschlug, als suspekt und primitiv eingestuft. Dennoch gelang

es ZZ Top, in der Publikumsgunst ganz nach oben zu gelangen.

Neben ihren sensationellen Konzerterfolgen erreichten auch fastalle der vier bisher erschienenen Langspielplatten d er Gnippe

«First Album», «Rio Grande Mud», «Tres Hombres» und «Fan-dango>; goldenen oder gar Platin-Status für eine jeweiligeVerkaufsauflage von 500 000 Exemplaren bzw. einer Million.

Der phänomenale Aufstieg von ZZ Top zur neuen amerika-nischen Supergruppc gab vielen Beobachtern d er US-Popmusik-

szene anfänglich einige Rätsel auf. Schliesslich war das drei-köpfige Ensemble erst vor wenigen Jahren entstanden und ver-fügte allenfalls über einen regionalen Appeal. ZZ Top begann,

1970 von dem einstigen Jimi Hendrix-Protege und LeadgitarristenBilly Gibbons gegründet, als kleine Lokalband in Dallas undspielte fast ausschliesslich texanischen Rock'n'roll, «bluesigen»Boogie, durchsetzt mit Hard-Rock-Elementcn.

Doch diese seltsame Mischung kam überraschenderweise nichtnur in Texas g ut an. Auch in anderen Landesteilen begann mannach und nach, den urwüchsigen Sound von ZZ Top zu schätzen.Live-Konzerte der Gruppe wurden zu einem Leckerbissen fürHard-Rock-Fans. ZZ Top spielte bei Auftritten stets non stop

und brachte jedes Publikum in Rage. Nur die wenigsten liessen

sich von den teilweise derben Texten storen, die sich in denSongs d er Gruppe fanden. Im Gegenteil, die süffigen Sauf- undTrinkballaden, die das Trio intonierte, schienen eher zu berau-schen denn zu ernüchtern. Nicht selten wurden bei ZZ-Top-

Konzertcn Rekordumsätze im Bierverbrauch erzielt.

Einen neuen Umsatzrekord anderer Art versucht ZZ Top

auch in diesen Tagen aufzustellen: Die Gruppe befindet sichaugenblicklich auf einer achtzehnmonatigen Welttournee, die ihrrund zwanzig Millionen Dollar einbringen soll mehr, als jede

andere Gruppe je auf einer Konzertreise erzielte. Bei dem for-schen Tempo, das die Gnippe anschlägt, würde es nicht über-raschen, wenn sie ihr anvisiertes Ziel bei weitem überträfe.

Peter Figlestahler

Sprachglossen

Das Lähmungsinstitut

w/i. Um die» Wahrheit zu gestehen: mir ist es vor Jahrengenau gleich ergangen wie so manchem, der, in Leukerbad dieDorfstrasse hinaufschlendernd, unvermittelt vor dieser Tafelsteht: Lähmungsinstitut. Mit einem Lächeln auf den Lippenfragte ich mich, was sich die Schöpfer dieser segensreichen Heil-anstalt wohl gedacht hätten, als sie ihr Werk so benannten.Denn so sagte ich mir etwas voreilig in einem Lähmungs-

institut wird gelähmt, wie in einer Reinigungsfirma gereinigt, ineiner Besserungsanstalt gebessert und an einer Lagerstätte ge-lagert wird. Das schien mir so klar, dass ich alsogleich beschloss,

diesem Lähmungsinstilut eine Glosse zu widmen. Nur, wer kriti-siert, sollte etwas Besseres vorzuschlagen haben, und mir wollteim Augenblick gar nichts einfallen.

Schon am nächsten Tag gab ich meine Absicht auf. Schulddaran war das Telefonbuch. Darin suchte ich die mir gerade

entfallene Nummer der Wettervorhersage. Da fiel mein Blick,

bei der Nummer 12, auf das Wort, das mein abschätziges Urteilüber das Lähmungsinstitut ins Wanken brachte: Störungsdienst.

War das nicht eine Wortbildung vom genau gleichen Muster wiedas Lähmungsinstitut? Und hatte ich je daran Anstoss genom-

men? Nein, ganz im Gegenteil: es war mir immer selbstverständ-lich gewesen, dass dieser Dienst nicht zu storen, sondern Störun-gen zu beheben hat, genau wie das LUhmungsinstitut sich mitLähmungen befasst, diese behebt oder es wenigstens versucht.

Kurz nach diesem Erlebnis fand sich ein Anlass, über dieses

Thema etwas tiefer nachzudenken. Ein österreichischer Ingenieur

der Leser dieser Rubrik erinnert sich vielleicht hatte an

zwei Ausdrücken in unserm Blatt Anstoss genommen: an der

Es sprach sich herum

Man sollte es vielleicht nicht an die grosso Glocke hängen,

was man als sein Lieblingsessen betrachtet, aber für mich gibt

es nichts Besseres als gespickten Rehrücken mit Rahmsauce undPreiselbeeren und dazu SpKtzle und Pfifferlinge. Wenn mandann noch einen schönen Burgunder dazu trinkt, so was wieeinen Pommard, kann es meines Erachtens unter den leiblichenGenüssen kaum einen grösseren geben.

Sie können sich vorstellen, wie ich mich freute, als ich wäh-rend einer Reise bei guten Bekannten dies alles zum Mittagessen

bekam. Nicht nur waren gespickter Rehrücken und Rahmsaucegenau so, wie ich sie am liebsten habe, es gab auch Spätzle undPfifferlinge und Preiselbeeren dazu. Und sogar den Wein, denich zu diesem Essen bevorzuge, bot man mir, tatsächlich einenPommard. Finden Sie das nicht nett? Also, ich fand es reizend.

Wie sie denn auf die Idee gekommen seien, ausgerechnet

dieses Essen zu machen, fragte ich meine Bekannten. Das seija mein Lieblingsessen. «Eben», sagten sie. «Das hat sich herum-gesprochen.» Das erstaunte mich, aber ich hätte es mir denkenkönnen, dass das alles in seiner Zusammenstellung nicht ganzzufällig war.

Ich war wirklich sehr angetan von dem Essen, denn ichschwelge in solchen Genüssen, was allerdings leicht zur Folge

hat, dass ich mich übernehme. Immerhin ist gespickter Rehrückenmit Rahmsauce ziemlich schwere Kost, und durch Spätzle,Pfifferlinge und Preiselbeeren wird das alles nicht leichter. Undwas den Pommard betrifft, so ist er unter den Burgundern nichtnur einer der fruchtigsten Weine, sondern auch einer der wuch-tigsten. Wohl dem also, der das alles ohne Schaden verkraften

Ich kann nicht sagen, dass ich an dieser Mahlzeit Schadennahm. Dennoch musste ich das übersättigte Gefühl und denschweren Kopf durch einen Spaziergang loswerden, bevor ich

es wagte, mich ans Steuer zu setzen und nach diesen Genüssen

noch etwa 200 Kilometer zu fahren. Meine Reise war für diesenTag nämlich noch nicht beendet. Am Abend sollte ich in einerandern Stadt übernachten, aber nicht in einem Hotel, wo ichmich nach meiner Ankunft gleich hinlegen konnte, sondern beiFreunden, auf die ich schliesslich nicht den Eindruck machenwollte, ich sei arg mitgenommen.

Ich darf annehmen, dass ich mir nicht anmerken liess, wieschwer ich noch an der Mittagsmahlzeit trug, als meine Freundemich später des Abends zu Tisch balen. Und ich bin davon über-zeugt, dass sie ehrliche Ueberraschung In meinen Ausrufen hor-ten, als das Essen aufgetragen wurde. «Gespickter Rehrücken!»rief ich aus. «Mit Rahmsauce! Wie ich es am liebsten mag.» Ichschlug die Hände über dem Kopf zusammen. «Ach, und was

ihr dazu habt! Spätzle und Pfifferlinge und Preiselbeeren! Nein,

ist das die Möglichkeit? Ja woher wisst ihr denn, dass genau das

mein Lieblingsessen ist?» Und sie sagten schmunzelnd: «Er.spricht sich herum.»

Nun machte mein Gastgeber mich strahlend darauf aufmerk-sam, welchen Wein er mir einschenkte. «Pommard!» rief ichaus und war nahe daran, mich zu bekreuzigen. Er hatte sogar

zwei Flaschen davon besorgt und bestand darauf, dass beidegetrunken wurden; sie standen schon beide offen. Eben deshalberinnere ich mich aber auch an den genauen Verlauf des Essens

nicht mehr. Ich weiss nur noch, dass ich nach einer Weiledauernd gewisse Sinnlosigkeiten wiederholte wie «Heiliger Stroh-sack!» oder «Mein lieber Herr Gesangverein!». Und währendeines solchen Ausrufs fiel ich unter den Tisch und wurde ab-transportiert.

Mein lieber Herr Gesangverein! Auch das sprach sich herum.

Klaus Mampell

Milch- und an der Stromversorgung. Die Witwen-, Waisen- undInvalidenvcrsorgung anerkannte er als richtig, die Milch- unddie Stromversorgung dagegen hielt er für falsch, da man zwarWitwen, Waisen und Invalide, keinesfalls aber Strom versorgen

könne. Sein Irrtum bestand darin, in einer derartigen Zusam-mensetzung immer ein Akkusativverhältnis zu sehen. Ich wider-legte diese Auffassung unter anderm mit d er Zwillingsgeburt undder Zangengeburt: bei der Zwillingsgeburt würden zwar Zwillinge,

bei d er Zangengeburt aber keinesfalls Zangen geboren. Das zeige,

dass mit einer Wortzusammensetzung ganz unterschiedliche syn-

taktische Verhältnisse dargestellt werden können.

Das mögen all jene bedenken, die vor dem Lähmungsinstitut

auf abwegige Gedanken kommen wie d er verunsicherte Leseraus Bern, der, eben aus Leukerbad zurückgekehrt, meine Mei-nung wissen möchte: «Es reizt mich nun doch, Sie anzufragen,

ob dieser Ausdruck sprachlich richtig ist.»

Er ist's. Was zu beweisen war.

Weitere Worte in den WindEine Zuschrift

Der Zufall mischt manchmal ganz köstlich mit und treibtunerwartet seinen Schabernack («NZZ», Nr. 267):

Genau d er Sprachglosse zur doppelten Verneinung gegen-über, auf der anderen Seite, ist ein solcher Lapsus passiert: «jeweniger

. . . desto unschöner», obwohl es nicht einmal ein sokompliziertes Satzgebilde ist. Gemeint war natürlich: je mehr.

Zu den «in den Wind gesprochenen Worten» darf bemerktwerden, dass das Auszählen geschriebener Lettern sich nichtimmer mit dem phonetischen Befund deckt. Fast sämtliche Bei-spiele weisen ein seh auf, das bedeutet drei Buchstaben für einenLaut. Häufungen mit seh mögen optisch vielleicht hässlich sein,

aber klanglich musste man in diesem Rekordspiel für den Lauteine einzige Letter haben, etwa in dieser Richtung (die folgendenBeispiele am besten laut sprechen):

Studicncrleichterung durch staatliche Stipendien.

Alle diese Reibelaute lassen sich aber ziemlich fliessend spre-

chen. Schwieriger wird es, wenn gestaute Laute hinzukommenoder gar zusammentreffen:

Die Amtsgerichtsstellc entscheidet den Rechtsstreit.

Der Kauf von Strickgarn und Druckknöpfen.

Die Melkkuh grast an der Wegkurve.

Sumpfpflanzen wachsen nicht auf Kopfsteinpflaster.

Durchs Pfropfreis liefert d er 1 lurbst besseres Obst.

Vorbei ist's jetzt mit der Laiibpracht des Sommers.

Ebenfalls laut zu lesen:

Solche Gcräuschbeispicle finde ich noch entschieden häss-licher. Welch schreckliche sprachliche Dreckpfütze!

Hermann Fischer

Zwischenruf

GedankenfreiheitWir werden frühzeitig darauf gedrillt, feierlichen Anlässen

feierlich, also in andächtig-dis/iplinierter Haltung, beizuwohnen.Uns wurde beigebracht, ohne einen Mucks und bei voller Auf-merksamkeit des Gemütes dem künstlerischen, religiösen oderwissenschaftlichen Gegenstand oder Vorgang grundlegend zu-gewandt zu sein.

Wir dürfen uns weder räuspern noch rakeln, wir dürfen nichthusten, und mit rhythmischem Kopfnicken Begleitung markierendürfen wir auch nicht. Die äussere Beherrschung ist erlernbar;man kann uns getrost als gesittet bezeichnen.

So erzogen storen wir nicht den Mitmenschen, dem gerade

d er Einklang des Feierlichen mit d er vollkommenen Aufnahmeglückt. Das hat unbestritlen sein Gutes. Aber so erzogen, neigt

man zu Scheinheiligkeit. Absolut aufmerksames Zuhören übereine längere Zeit ist mehr, als man von uns erwarten darf (es

sei denn, wir wären vom Fach und die Rivalität spornte uns an).

Die Gedanken irren ab und kommen erschreckend banal zurück,ab und zu bringen sie einen wirklich guten Einfall mit. Zuweilen

martert auch bloss der Zweifel, ob man zu Hause die Tür richtigabgeschlossen hat.

Sieht man sich ein wenig im Publikum um hin und wiedergönnt man sich derartige Uebcrtretungen, wenn auch schlechtenGewissens und lediglich innerhalb d er Grenzen taktvoller Un-beweglichkeit

, überraschen dann doch sehr alle die verklärtenMienen, alle gotisch. Fällt aber etwas mit geringem Geräusch,

wenden sich die verzückten Gesichter dem Ereignis zu, zürnendzwar, aber sie wenden sich, dankbar für den Vorwand. Ebensobemerkenswert ist die erstaunliche Anfälligkeit für die geringste

Lächerlichkeit, sie scheint geradezu mit dem Grad der Feierlich-keit zu wachsen. Es ist leider wahr: Selbst der interessiertesteZuhörer, der gläubigste Kirchgänger, der musikliebhabcndsteMusikliebhaber ist nicht gefeit gegen Ablenkung, kaum jemand

ist so ausdauernd ergriffen, wie er gern sein möchte. Ganz imGegenteil: ohnehin sensibilisiert, gewinnt man feinste, aber leiderganz und gar abwegige Eindrücke in welchen Abständen derRedner die Handflächen gegeneinanderlegt, bei welcher Bewe-gung d er Reissverschluss am Kleid der Pianistin millimeterweiserutscht, wie viele vereinzelte graue Haupthaare dem Vordermannwachsen.

Wenn einer, von erhabenem Strom getragen, schön vor sichhin träumt, ist er zwar vertieft, aber strenggenommen auch zer-streut. Ertappt er sich schreckhaft, wird er fürderhin zuge-

schürt sein vor bemühter Aufmerksamkeit und so seine Ur-empfänglichkcit vollends ersticken. Dass er durchaus fähig ist,Entzücken, Betroffenheit und Erschütterung zu spüren, genügt

ihm nicht. Wenn er Tiefe und Dauer nicht unter Kontrolle hat,fühlt er sich abscheulich flatterhaft.

Klavierauszüge und andere sachdienliche Unterlagen, andenen entlang man sich konzentrieren kann, mögen eine Hilfesein, aber das Blättern d er Seiten bedeutet möglicherweise Irrita-tion d er Nachbarn. Und man weiss ja, dass sie es ohnehin auchnicht leicht haben mit der vollen Aufmerksamkeit.

Eines Tages kommt man zu dem Entschluss, forcierte odergespielte Versunkenheit («Habt ihr auch alle gesehen, wie an-dächtig ich war?») nicht mehr mitzumachen. Wer an dem Punktangelangt ist, muss noch nicht gleich um seine Erlebnisfähigkeitbangen. Erst wenn jemand eine Tugend daraus anfertigt, dass erkeinerlei Ergriffenheit kennt, sich darauf stolz zeigt, nie gefesselt

zu sein: erst dann stimmt etwas nicht- Eva Reichard

Labyrinth Nr. 12

Auf Sisyphus' SpurenAuflösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende*

Redaktion «Wochenende»:Peter Zimmermann, Ernst Scheidegger, Margret Mellert

Neue Zürcher Zeitung vom 01.11.1952