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26.09.19 1 BINDUNG IN DER KINDHEIT GRUNDLAGEN DER BINDUNGSTHEORIE Prof. Dr. Éva Hédervári-Heller DEFINITION / BINDUNG Bindung ist ein "gefühlsmäßiges Bandzwischen einem Kind und seinen vertrauten Bezugspersonen Eine gesunde frühkindliche Entwicklung und eine emotional sichere Bindung legen die Grundsteine für die spätere Entwicklung (Bowlby 1975). Éva Hédervári-Heller DAS BINDUNGSVERHALTENSSYSTEM (BOWLBY 1975) Das Bindungsverhaltenssystem hat eine genetische Grundlage und sichert das Herstellen und Aufrechterhalten von Nähe und Kontakt zu einem oder mehreren Erwachsenen. Éva Hédervári-Heller

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BINDUNG IN DER KINDHEIT

GRUNDLAGEN DER BINDUNGSTHEORIE

Prof. Dr. Éva Hédervári-Heller

DEFINITION / BINDUNG

Bindung ist ein

"gefühlsmäßiges Band” zwischen einem Kind undseinen vertrauten Bezugspersonen

Eine gesunde frühkindliche Entwicklung und

eine emotional sichere Bindung legen die

Grundsteine für die spätere Entwicklung (Bowlby 1975).

Éva Hédervári-Heller

DAS BINDUNGSVERHALTENSSYSTEM (BOWLBY 1975)

Das Bindungsverhaltenssystem hat eine genetische Grundlage und sichert das Herstellen und Aufrechterhalten von Nähe und Kontakt zu einem oder mehreren Erwachsenen.

Éva Hédervári-Heller

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BINDUNGSVERHALTEN

Beobachtbare Verhaltensweisen:

- Saugen- Weinen, Lächeln- Armeausstrecken- Klopfen, Rufen- sich der Bindungsperson annähern,- ihr nachfolgen,- sich anklammern

Suche nach Sicherheit und SchutzÉva Hédervári-Heller

AKTIVIERUNG DES BINDUNGSVERHALTENSSYSTEMS

innere Belastung: Schmerz,Hunger, Müdigkeit

äußerer Streß: fremde Umgebung,fremde Person, kurze Trennung von der Bindungsperson

Éva Hédervári-Heller

BALANCE ZWISCHENBINDUNG UND EXPLORATION IN EINER

STRESSFREIEN SITUATION

Erkundungsverhalten aktiv

Bindungsverhalten inaktivÉva Hédervári-Heller

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BALANCE ZWISCHENBINDUNG UND EXPLORATION IN EINER

STRESSSITUATION

Bindungsverhalten aktiv

Erkundungsverhalten inaktivÉva Hédervári-Heller

DEFINITION / BINDUNG

Durch frühe Bindungserfahrung wird das soziale und emotionale Verhalten von uns Menschen mit bestimmt.

Durch frühe Bindungserfahrungen entstehen Vertrauen, Selbstwertgefühl, Empathie, Lebenszufriedenheit und Verantwortlichkeit.

Éva Hédervári-Heller

ERWARTUNGEN DES SÄUGLINGS

Erwartungen des Säuglings über die Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und Vorhersagbarkeit der Bindungsperson.

Bindung bietet emotionale Sicherheit und ermöglicht Lernen.

Bindung beruht auf Gegenseitigkeit.

Bindung ist kulturunabhängig.

Éva Hédervári-Heller

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DER KOMPETENTE SÄUGLING

Fähigkeiten des Neugeborenen zu kommunizieren, zu

interagieren und Bindungen aufzubauen.

Kinder sind von Geburt an sozial-, bindungs- und bildungsfähig.

Éva Hédervári-Heller

„INTUITIVES ELTERLICHES VERHALTEN“

Im elterlichen Kommunikationsverhalten gibt es zahlreiche intuitive Verhaltensanpassungen, die dazu beitragen, eine frühe Kommunikation mit dem Säugling zu ermöglichen und zu fördern.

Dieses Verhalten ist den Eltern nicht bewusst und lässt sich kaum willentlich kontrollieren.

Intuitive elterliche Früherziehung findet sich universell bei Eltern und Nicht-Eltern, in jedem Alter und kulturübergreifend. (Papousek & Papousek, 1990)

Éva Hédervári-Heller

"PFLEGEVERHALTEN" DER BINDUNGSPERSON

Signale des Kindes feinfühlig beantworten

“Pflegeverhalten” der Bindungsperson und “Bindungsverhalten” des Kindes als komplementäres Verhaltenssystem

Éva Hédervári-Heller

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MÜTTERLICHE FEINFÜHLIGKEIT(NACH MARY AINSWORTH 1977)

Die Fähigkeit der Bindungsperson...

...die Signale des Kindes wahrzunehmen,

...die Signale richtig/unverzerrt zu interpretieren,

...die Signale angemessen zu beantworten,

...auf die Signale prompt zu reagieren.

Éva Hédervári-Heller

DEFINITION / BINDUNG

- Bindungen beschränken sich nicht auf die frühe Kindheit

- sie bleiben bis zum Ende des Lebens aktiv

- Bindungsbeziehungen bleiben über Zeit, Ort und Situationenhinweg bestehen

Éva Hédervári-Heller

ELTERLICHES VERHALTEN UND PSYCHISCHE GESUNDHEIT

- Intuitive Verhaltensanpassungen / ermöglichen frühe Kommunikation mit dem Säugling (Papousek & Papousek, 1990)

- Pflege- und Fürsorgeverhalten / bietet Schutz und sorgt für das Überleben des Säuglings (Bowlby 1953/1995)

- Feinfühligkeit / ermöglicht Bindungssicherheit (Ainsworth 1977)

- Psychische Gesundheit / verzerrte (nicht verzerrte) Wahrnehmung des Kindes (Fraiberg et al. 1975, Liebermann & Van Horn 2015)

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FUNKTION DER BINDUNGSPERSON

Regulierungdes emotionalen Sicherheitsgefühls des Kindes

Sichere Basis zur Erkundung der physischen und sozialen Umgebung

Éva Hédervári-Heller

ORGANISATION VON BINDUNGSBEZIEHUNGEN

Der Säugling entwickelt in der frühen Beziehung ein „Repräsentationsmodell“ (Arbeitsmodell, Vorstellungsmodell) von Selbst, von der Welt und von einem Selbst im Zusammensein mit einem bedeutenden Anderen

Éva Hédervári-Heller

PHASEN IM AUFBAU VON BINDUNGSBEZIEHUNGEN

Phase 1: "Orientierung und Signale ohne Unterscheidung der Figur" (0-2/3 Mon.)

Phase 2: "Orientierung und Signale, die sich auf eine (oder mehrere) unterschiedliche Person/en richten" (3-6 Mon.)

Phase 3: "Aufrechterhaltung der Nähe zu einer (oder mehreren)unterschiedenen Figuren durch Fortbewegung und durch Signale”(6 Mon.-3 Lj.)

Phase 4: Bildung einer "zielkorrigierten Partnerschaft” (ab dem 4. Lj.)

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ORGANISATION VON BINDUNGSBEZIEHUNGEN

Unabhängigkeit

Hierarchie / Stärke

Qualität / Sicherheit

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DIE FREMDE SITUATION (AINSWORTH ET AL. 1978)

VIDEODEMONSTRATION

Stresssituation

fremder Raum

fremde Person

2 x kurze Trennung

ca. 20 Min., 8 Episoden

Aktivierung des Bindungsverhaltenssystems

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QUALITÄT DER BINDUNG

A B C D

unsicher sicher unsicher desorganisiertvermeidend ambivalent desorientiert

Éva Hédervári-Heller

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Éva Hédervári-Heller

BINDUNGSKLASSIFIZIERUNG IN DER KINDHEIT

Sichere Bindung (B) - organisiertes Bindungsverhalten

Unsichere Bindung (A, C) - organisiertes Bindungsverhalten

Hoch-unsichere Bindung (D) - nicht organisiertes

Bindungsverhalten

Scala I: Nähe- und Kontaktsuche

Scala II: Kontakterhalt

Scala III: Vermeidung

Scala IV: Widerstand

Skalen zur Bestimmung der Bindungsqualität in der „Fremden Situation“

Éva Hédervári-Heller

Scala I: Nähe- und Kontaktsuche

Relevante Kriterien: Intensität

Anzahl der Versuche

Wegstrecke

Erfolg

Initiative

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Scala II: Kontakterhalt

Relevante Kriterien: Dauer

Qualität des Kontaktes

Initiative zum Kontakt

aktives Widersetzen (gegen Absetzen)

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Scala III: Vermeidung

Relevante Kriterien: Intensität

Beständigkeit (im Sinne von wiederholt oder nicht)

Dauer oder Länge

Promptheit

neutrale Grundstimmung

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Scala IV: Widerstand

Relevante Kriterien: Intensität

Dauer

Häufigkeit

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HAUPTBINDUNGSGRUPPE B (SICHER GEBUNDEN) 1.

Ø offenes Bindungsverhalten

Ø offener Ausdruck von Gefühlen

Ø kann sich auf die Unterstützung der Bindungsperson verlassen

Ø innere Sicherheit über die emotionale Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und Vorhersagbarkeit der Bindungsperson

Éva Hédervári-Heller

HAUPTBINDUNGSGRUPPE B (SICHER GEBUNDEN) 2.

Ø Entwicklung zum wahren Selbst und Autonomie

Ø positive Lebenshaltung in schwierigen Lebenssituation

Ø hoher Grad an Feinfühligkeit der Bindungsfigur

Ø Bindungsperson kann vom Kind als eine sichere Basis genutzt werden

Éva Hédervári-Heller

HAUPTBINDUNGSGRUPPE A(UNSICHER VERMEIDEND) 1.

Ø kein offenes Bindungsverhalten

Ø kein offener Ausdruck von Gefühlen

Ø aktive Vermeidung der Bindungsperson: "Vermeidung im Dienste von Nähe”

Ø kann sich auf Unterstützung der Bindungsperson nicht verlassen

Ø Entwicklung zum falschen Selbst und Abhängigkeit

Ø negative Lebenshaltung in schwierigen LebenssituationÉva Hédervári-Heller

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HAUPTBINDUNGSGRUPPE A (UNSICHER VERMEIDEND) 2.

Ø Mangel an Feinfühligkeit der Bindungsfigur

Ø Über- oder Unterstimmulierung

Ø Zurückweisung der Wünsche des Kindes nach Nähe und Trost

Ø die Bindungsperson kann vom Kind nicht als eine sichere Basisgenutzt werden

Ø Kind bewältigt emotional belastenden Situationen aus eigenerKraft Éva Hédervári-Heller

HAUPTBINDUNGSGRUPPE C (UNSICHER AMBIVALENT)

Ø widersprüchliches Verhalten: Wunsch nach Nähe und Kontakt, gleichzeitigärgerliche Zurückweisung in Form von Widerstand

Ø innere Unsicherheit über die emotionale Erreichbarkeit,Verfügbarkeit und Vorhersagbarkeit der Bindungsperson

Ø passives Verhalten oder Ausdruck von Zorn und Ärger

Ø läßt sich nur schwer von der Bindungsperson beruhigen und zeigtein insgesamt verärgertes Verhalten

Ø Entwicklung zum falschen Selbst und Abhängigkeit

Ø Bindungsfigur verhält sich dem Kind gegenüber ambivalentÉva Hédervári-Heller

HAUPTBINDUNGSGRUPPE D (UNSICHER DESORGANISIERT)

Ø keine Bindungsstrategie

Ø stereotypes Verhalten

Ø Bindungsperson trägt unbewältigte

Trennungs- oder Verlusterfahrung mit sich

Éva Hédervári-Heller

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Éva Hédervári-Heller

BINDUNGSSTÖRUNG

ØPsychische Störung im Kindesalter mit Beeinträchtigung der sozialen Funktionen und der Emotionalität

ØDiagnose ab dem 8.-10. Lebensmonat möglich

ØExistiert keine einheitliche Klassifizierung (ICD-10, DSM-5)

ØKeine ausreichende empirische Abklärung

ØUngünstige Prognose

BINDUNG UND RESILIENZ

Sichere Bindung gilt als Schutzfaktor und

Unsichere Bindung gilt als Risikofaktor für die kindliche Entwicklung

„Entgleisungen“ in der Eltern-Kind-Bindung, in der kindlichen Entwicklung und

im Verhalten sind nicht zu vermeiden, jedoch zu korrigieren Éva Hédervári-Heller