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7 3 Milchviehhaltung im kleinen Bestand Noch heute stehen nach eigenen Schätzungen ca. 60 % der Milchkühe in Deutsch- land und in der EU im Anbindestall. Da baden-württembergische Milchviehbetriebe häufig kleinstrukturiert sind, halten hier nach wie vor nur vergleichsweise wenige Milcherzeuger ihre Kühe im Laufstall. Die meisten Anbindeställe erfüllen heute je- doch nicht mehr die Anforderungen, die unsere Kühe an die Haltungsumgebung stel- len, da die Tiere ein Leistungsniveau erreicht haben, das ihnen das Anpassen an die Stalleinrichtung erschwert. Durch den Mangel an Kuhkomfort sinkt die Futteraufnah- me und die Milchleistung, das genetische Leistungspotential der Tiere kann dadurch weniger ausgenutzt werden. Gerade in kleinen Betrieben mit Anbindehaltung ist die Tierleistung oftmals durch schlechte Haltungsbedingungen begrenzt und die Arbeitsbelastung für den Landwirt erhöht. Viele Betriebsleiter wollen das wirtschaftliche Risiko, das durch einen Neu- oder Umbau entstehen würde, zunächst nicht eingehen. Gründe dafür sind unter an- derem der hohe Investitionsbedarf, stagnierende bzw. sinkende Milchpreise und in vielen Fällen die ungeklärte Hofnachfolge. Wohl wissend, dass der Liegeboxenlauf- stall die bevorzugte Haltungsform ist, kann es daher notwendig sein, den Betrieb in der bestehenden Form weiterzuführen. In diesen Fällen muss der Anbindestall durch kostengünstige und zugleich arbeitswirtschaftlich effektive Verbesserungen saniert werden. 3.1 Anbindestall – Mögliche Verbesserungen In den vergangenen Jahren sind unsere Milchkühe durch die Zucht im Rahmen deut- lich größer geworden. Dadurch sind die Funktionsmaße alter Anbindeställe nicht mehr ausreichend. Aufgrund zu kurzer Standlängen liegen die Kühe häufig mit dem Becken und dem Euter auf dem Gitterrost bzw. in der Kotrinne. Verletzungen an Kar- pal- und Sprunggelenken sowie am Euter können hohe Verlustraten verursachen. Zu schmale Standplätze verhindern, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können, was sich auf die Futteraufnahme und schließlich die Milchleistung negativ auswirkt. Auch die Ketten-Senkrechtanbindung und ein harter Boden am Standplatz bedeuten Stress für

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3 Milchviehhaltung im kleinen Bestand

Noch heute stehen nach eigenen Schätzungen ca. 60 % der Milchkühe in Deutsch-

land und in der EU im Anbindestall. Da baden-württembergische Milchviehbetriebe

häufig kleinstrukturiert sind, halten hier nach wie vor nur vergleichsweise wenige

Milcherzeuger ihre Kühe im Laufstall. Die meisten Anbindeställe erfüllen heute je-

doch nicht mehr die Anforderungen, die unsere Kühe an die Haltungsumgebung stel-

len, da die Tiere ein Leistungsniveau erreicht haben, das ihnen das Anpassen an die

Stalleinrichtung erschwert. Durch den Mangel an Kuhkomfort sinkt die Futteraufnah-

me und die Milchleistung, das genetische Leistungspotential der Tiere kann dadurch

weniger ausgenutzt werden.

Gerade in kleinen Betrieben mit Anbindehaltung ist die Tierleistung oftmals durch

schlechte Haltungsbedingungen begrenzt und die Arbeitsbelastung für den Landwirt

erhöht. Viele Betriebsleiter wollen das wirtschaftliche Risiko, das durch einen Neu-

oder Umbau entstehen würde, zunächst nicht eingehen. Gründe dafür sind unter an-

derem der hohe Investitionsbedarf, stagnierende bzw. sinkende Milchpreise und in

vielen Fällen die ungeklärte Hofnachfolge. Wohl wissend, dass der Liegeboxenlauf-

stall die bevorzugte Haltungsform ist, kann es daher notwendig sein, den Betrieb in

der bestehenden Form weiterzuführen. In diesen Fällen muss der Anbindestall durch

kostengünstige und zugleich arbeitswirtschaftlich effektive Verbesserungen saniert

werden.

3.1 Anbindestall – Mögliche Verbesserungen

In den vergangenen Jahren sind unsere Milchkühe durch die Zucht im Rahmen deut-

lich größer geworden. Dadurch sind die Funktionsmaße alter Anbindeställe nicht

mehr ausreichend. Aufgrund zu kurzer Standlängen liegen die Kühe häufig mit dem

Becken und dem Euter auf dem Gitterrost bzw. in der Kotrinne. Verletzungen an Kar-

pal- und Sprunggelenken sowie am Euter können hohe Verlustraten verursachen. Zu

schmale Standplätze verhindern, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können, was sich

auf die Futteraufnahme und schließlich die Milchleistung negativ auswirkt. Auch die

Ketten-Senkrechtanbindung und ein harter Boden am Standplatz bedeuten Stress für

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die Tiere, der Wohlbefinden und Leistung beeinträchtigt. Faktoren-krankheiten und

Technopathien ziehen hohe Tierarzt- und Remontierungskosten nach sich und ver-

schlechtern somit das betriebswirtschaftliche Ergebnis.

Standplatz

Die Standlänge muss ausreichen, dass die Kuh mit den Hinterbeinen, dem Euter und

dem Becken auf der Standfläche liegen kann. Um große Unterschiede der Tiermaße

in der Herde zu vermeiden ist es zweckmäßig nur eine Rasse aufzustallen. Keilför-

mig ausgebildete Standplätze mit unterschiedlicher Länge sind nur bei ganzjähriger

Stallhaltung sinnvoll. Grundsätzlich muss sich die Bemessung des Standplatzes nach

den größten Tieren einer Herde richten. Um die Standlänge an den Rahmen der Kü-

he anzupassen, werden bis zu zwei Drittel des Gitterrostes mit einer weichen Gum-

mimatte oder mit einem Einstreupolster überdeckt und somit die Liegefläche verlän-

gert (Abb. 1). Stände mit Kotkante (Festmist) lassen sich mit einem Kantholz im Kot-

graben verlängern. Im Falle einer mechanischen Entmistung muss eine kragende

Konstruktion die Standfläche verlängern.

Abb. 1: Verlängerung der Stand- bzw. Liegefläche im Anbindestall

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In alten Ställen stehen bei der Standplatzverbreiterung oft Stützen im Weg, die nur

mit großem Aufwand versetzt werden können. In solchen Fällen ist eine neue Platz-

einteilung z. B. durch den Austausch der Anbindevorrichtung zu empfehlen. Um Ver-

schmutzungen der Standfläche vorzubeugen, werden die Tiere häufig zu kurz ange-

bunden und damit in ihren Bewegungsabläufen behindert. Starre Halsrahmen und

Grabnerketten sind nicht tiergerecht. Sie werden besser durch Gelenk-halsrahmen

ersetzt, die auch die Gruppenfixierung der Kühe ermöglichen und sich daher vor al-

lem bei Weidegang oder Auslauf eignen. Eine weitere Möglichkeit ist das Ummanteln

der Anbindevorrichtung mit Kunststoff oder das Verwenden strapazierfähiger Nylon-

bänder. Die Nackenanbindung ist ein Kompromiss zwischen Senkrecht- und Quer-

anbindung. Sie ermöglicht das gruppenweise Auslösen, erfordert jedoch das indivi-

duelle Anbinden und ist deshalb für kleine Anbindeställe mit Auslauf und Melken im

Melkstand gut geeignet (Abb. 2).

Abb. 2: Nackenanbindung im Anbindestall

Nach jedem zweiten Standplatz sollten die Tiere durch eine möglichst freitragende

Seitenbegrenzung im Stehen, d. h. vor dem Abliegen ausgerichtet werden. Als weite-

re seitliche Standbegrenzungen unterstützen Seitenschwellen die Kühe beim Aufste-

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hen. Gleichzeitig wird dadurch das Querliegen und das Aufwühlen der benachbarten

Liegefläche verhindert. Als zusätzliche Verbesserung ist es möglich, massive Trenn-

bügel durch flexible Gurte zu ersetzen.

Damit die Standfläche möglichst sauber bleibt, können Steuerungsvorrichtungen wie

z. B. aufziehbare Krippenplanen eingesetzt werden. Dadurch wird das Futter in be-

quemer Fress-Reichweite der Tiere angeboten. Rechtzeitiges Nachschieben des Fut-

ters verhindert, dass die Tiere nach vorne drängen müssen. Der Einsatz des Kuhtrai-

ners sollte nach Möglichkeit unterbleiben, da dieser nicht tierschutzkonform ist und

außerdem die Fruchtbarkeit der Kühe beeinträchtigt.

Um das Aufstehen und Abliegen der Kühe nicht zu behindern, darf die Krippenrück-

wand im Anbindestall, vom Standniveau gemessen, maximal 35 cm hoch sein. Der

Liegekomfort wird verbessert, wenn die Krippenwand elastisch ist. Dies hat zusätz-

lich den Vorteil, dass die Halsrahmenanbindung statt im Standbereich im Krippenso-

ckel verankert werden kann. Dadurch wird das Verletzungsrisiko für die vorderen

Gliedmaßen der Kühe gesenkt und die Sauberkeit in diesem Bereich deutlich ver-

bessert.

Die Krippensohle soll im Anbindestall 10 bis 12 cm über dem Standniveau liegen,

damit die Vorderbeine beim Fressen weniger belastet sind und in der Vorderhand der

Tiere keine Verspannungen entstehen. Zu niedrige Trogsohlen lassen sich durch das

Einlegen von Platten nachträglich anpassen. Für den Fall, dass die Standfläche mit

dem Futtertisch eine Ebene bildet, kann auf eine Krippe ganz verzichtet werden. Das

ermöglicht gegebenenfalls die bessere Umnutzung des Anbindestalls.

Stallklima

Abhängig vom hohen Leistungsniveau ist die Stoffwechselaktivität und damit die

Wärmeproduktion bei Hochleistungskühen deutlich erhöht. Als Folge davon herrscht

in Stallgebäuden mit herkömmlicher Lüftung ein Stallklima, das den erhöhten Anfor-

derungen nicht mehr gerecht wird. Im Winter verursacht die feuchte Stallluft

Schwitzwasser und im Sommer kann die überschüssige Wärme nicht schnell genug

abgeführt werden. Auch im Anbindestall kann die erforderliche Luftaustauschrate am

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Besten durch offene Wände verbessert werden. Die benötigte Zuluft kann so über

genügend große Seitenöffnungen mittels Querlüftung in den Stall gelangen.

In älteren Ställen mangelt es oft an genügend Licht. Tageslicht ermöglicht neben der

visuellen Orientierung z. B. die Stimulation des Hormonhaushaltes der Tiere. Der

Hell-Dunkel-Wechsel und Unterschiede in der Helligkeit erhöhen das Reizangebot für

die Tiere. Durch Freihalten der Fenster von Schmutz und Beschattung bleibt der Stall

heller. Auch zusätzliche Fensterflächen in Stalltüren und Toren oder aufgehellte

Wände und Decken sorgen für mehr Licht.

Auslauf

Kühe in Anbindehaltung sollen nach Möglichkeit täglich Auslauf haben. Am Besten

wird dies durch das Melken im Melkstand mit einem Laufhof als Warteraum gewähr-

leistet. Eine Trogtränke und eine elektrische Kuhbürste machen den Laufhof attrakti-

ver. Bewegung, frische Luft und Sonnenlicht machen die Kühe vitaler und sie zeigen

deutlichere Brunstsymptome. Ein Laufhof bietet außerdem den Vorteil, dass die

Standflächen im Stall einfacher gepflegt werden können, wenn sich die Tiere im

Laufhof befinden.

Futter- und Tränkemanagement

Auch ein bestmögliches Fütterungsmanagement trägt zur Optimierung der Haltungs-

umgebung im Anbindestall bei. Hierbei ist es wichtig, die Fresszeiten zu verlängern

und nur Grundfutter von bester Qualität anzubieten. Glatte Krippenböden begünsti-

gen die Futteraufnahme. Für eine konstante Futterqualität muss der Futtertisch sau-

ber und leicht zu reinigen sein. Dazu haben sich im kleinen Bestand Barrenschalen

und Beschichtungen auf Epoxydharzbasis oder auch V2A-Bleche gut bewährt. Für

die Kraftfutterzuteilung eignen sich Kraftfutterschalen mit Abweisbügeln oder Fütte-

rungsautomaten mit individueller Tiererkennung.

Kühe sollen täglich 100 bis 180 Liter Wasser aufnehmen können. Die Tränkeleistung

muss bei ca. 20 Litern pro Minute liegen. Die Tränken am Anbindestand sollten sich

über der Krippe befinden, damit überschwappendes Wasser nicht in den Liege-

bereich gelangt. Damit die Kühe ihren Wasserbedarf bequem decken können, sollten

im Laufhof Trogtränken zur Verfügung stehen, deren Trogkante maximal 80 cm vom

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Boden entfernt ist und deren Wasserspiegel max. 6 cm unter dem Rand steht. Die

endgültige Höhe der Trogkante richtet sich nach der Größe der Rasse im Stall.

Melken

Das Melken im Anbindestall erfolgt entweder am Standplatz mittels Eimer- oder

Rohrmelkanlage oder im Melkstand. Ein einreihiger Melkstand, wie im Grundriss des

verbesserten Anbindestalles dargestellt (Kap. 4.1; Abb. 15), nimmt einen langen

schmalen Raum ein und nutzt dadurch die ganze verfügbare Länge des Raumes hin-

ter dem Gitterrost der ersten Kuhreihe. Wartezeiten der Melkperson, die beim einrei-

higen Melkstand nicht zu vermeiden sind, können für andere Tätigkeiten wie Entmis-

ten oder Füttern genutzt werden.

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3.2 Vom Anbindestall zum kleinen Liegeboxenlaufstall

Anbindeställe haben im Hinblick auf die Tiergesundheit, das Tierverhalten und die

Arbeitswirtschaft gravierende Nachteile. Die geringe Bewegungsfreiheit und der ein-

geschränkte Sozialkontakt zu den Artgenossen können zu einem reduzierten Wohl-

befinden der Tiere führen. Große Tiere auf zu kleinen Standplätzen verursachen sin-

kende Tierleistungen, einen zu hohen Arbeitszeitbedarf und beträchtliche Unfallquo-

ten. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Verluste gefährden oftmals die Kon-

kurrenzfähigkeit des Betriebes. Der Übergang zum Liegeboxenlaufstall gleicht die

Mängel des Haltungssystems aus. Er bietet dem Tierhalter eine gute Übersichtlich-

keit des Stalles aufgrund der getrennten Funktionsbereiche und einen reduzierten

Arbeitszeitbedarf bei geringerer körperlicher Belastung. Die verbesserte Tiergerecht-

heit und Tiergesundheit sowie höhere Leistungen stehen beim Liegeboxenlaufstall im

Vordergrund.

Die meisten Milchviehhalter, auch mit kleineren Herden, entscheiden sich daher für

die Umstellung von der Anbindehaltung auf den Liegeboxenlaufstall (Abb. 3). Dieser

Wechsel bietet die Chance, langfristig die Haltungs- und Arbeitsbedingungen zu op-

timieren.

Kleine Betriebe, die ihren Viehbestand nicht wesentlich aufstocken können oder wol-

len, wählen als Alternative zum Stallneubau bevorzugt den Umbau des vorhandenen

Anbindestalles zum Laufstall. Die Produktion von mehr Milch mit dem gleichen Kuh-

bestand durch verbesserte Haltungsbedingungen und gezielte Fütterung, führt zu

einer wesentlich besseren Einkommensentwicklung als eine Bestandsaufstockung

ohne Leistungssteigerung. Die dadurch frei werdenden Arbeitskapazitäten können

für alternative Erwerbsquellen eingesetzt werden.

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Abb. 3: Umbaulösungen für den Anbindestall (EILERS 2004)

Fressbereich im alten Stall

AnschleppungFressbereich

Liegebereichim alten Stall

ANBINDESTALL

Standort erweiterbar Standort nicht erweiterbar

Bausubstanz gut

Futtertisch befahrbar

Futtertisch nicht befahrbar

Umnutzbares Nachbargebäude

Umnutzung zur Liegehalle (mit Laufhof)

Bausubstanz schlecht/ Stallmaße nicht ausreichend

Bausubstanz gut und Stallmaße ausreichend

Kein umnutzbares Nachbargebäude

Aussen-fütterung

Separates Ge-bäude für

Fressbereich

NeubauLaufstall

ggf. Umbau und Um-nutzung alter Stall z.B.

für Jungvieh

Umbau zum Fress-liegeboxen-

Laufstall

Neubau Liege-halle und Laufhof

Anbau Liege-halle

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3.3 Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bei Altgebäudenutzung und Anbau

Kosteneinsparungen sind vor allem durch das Einbeziehen von Altgebäuden, einfa-

che Konstruktionen bei der Gebäudehülle, einfache Melktechnik und durch das Nut-

zen vorhandener Entmistung möglich. Sofern das Altgebäude keine wesentlichen

Mängel an der Grundsubstanz (Dach, Decke, Außenmauern) aufweist, können die

Baukosten beim Stallumbau, im Vergleich zum Neubau, um die Hälfte geringer sein.

Schließlich betragen die Kosten für die Tragkonstruktion und die Gebäudehülle bei

neuen Milchviehställen etwa 60 % des Kostenblocks Stall. Da Umbauten im Einzelfall

jedoch auch aufwändiger als Neubauten sein können, ist eine detaillierte Planung

und Kostenschätzung im Vorfeld unerlässlich. Falls nach der Sanierung nicht alle

Funktionsbereiche ins Altgebäude eingegliedert werden können ist es möglich, einige

Liegeplätze oder den Fressbereich in kostengünstige Anbauten ohne Wärme-

dämmung (z. B. Außenklima- oder Offenfrontställe) zu verlegen.

Durch das Mitnutzen vorhandener Gebäude können anhand eines guten Planungs-

konzeptes und mit Hilfe von möglichst viel Eigenleistung erheblich Kosten eingespart

werden. Umbauten mit Anbauten in Einfachbauweise erfordern eine sorgfältige Pla-

nung. Bei Einfachbauten besteht die Stallhülle aus Dach und Stützen. Auf Massiv-

bauweise und Wärmedämmung wird verzichtet. Die Außenwände dienen als Raum-

begrenzung und Windbremsen und bestehen z. B. aus Windbrechnetzen oder

Spaceboards.

Stallgebäude

Tragende Teile des Altbaus sollen in die neue Planung integriert und in ihrer Funkti-

on erhalten bleiben. Eingriffe in die Statik wie z. B. das Auswechseln von Stützen

oder Abfangen von Lasten sind kostenintensiv und daher nicht zu empfehlen. Zwi-

schendecken oder nicht tragende Wände sind dagegen in einfacher Ausführung zu

erstellen.

Das Auslagern einzelner Funktionsbereiche ist durch kostengünstige Anbauten, z. B.

Offenfront- bzw. Außenklimaställe möglich. Ist der Futtertisch des Altgebäudes nicht

befahrbar und die Decke weniger als 2,80 m hoch, wird das Altgebäude am Besten

als Liegehalle genutzt und der Fressbereich nach außen verlagert. Wird jedoch der

Liegebereich nach außen verlegt, ist ein zweireihiger Laufstall eine Lösung, die nur

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geringe Investitionen erfordert. Quer zum Gebäude angeordnete Boxenreihen be-

günstigen die Querlüftung im Stall, bringen jedoch Nachteile für den Kuhverkehr und

das Entmisten. Tore an den Längsseiten erleichtern die Anbindung eines Laufhofes.

Im Hinblick darauf, dass Rinder unabhängig vom Alter niedrige Temperaturen besser

ertragen als hohe, kann man die Wärmedämmung für den Stall einsparen.

Nebenräume können ebenfalls in vorhandenen Altgebäuden untergebracht werden,

wobei die Flächen dafür auf das Notwendigste zu begrenzen sind. Kälber und Jung-

vieh lassen sich problemlos in einem offenen aber zugfreien Schuppen bzw. in einer

Hütte auf Stroh halten. Offene Ställe und Hütten haben sich als kostengünstige und

tiergerechte Unterkünfte bewährt. Eine weitere Möglichkeit um Kosten zu reduzieren,

ist die Haltung von Kälbern und Jungvieh in Altgebäuden auf Tiefstreu.

Melkbereich

Bei kleinen Milchviehbeständen verursacht gewöhnlich der Melkstand hohe Kosten

pro Kuhplatz. Auch mit einfacher Melktechnik können sehr gute Milchleistungen er-

molken werden. Für kleinere Herden sind Melkstände mit einfacher Ausstattung bzgl.

Bau und Technik ausreichend. Auch das Anpassen des Melkstandes an die Herden-

größe senkt den Kostenanteil. Für kleinere Bestände sind z. B. der 2x2 Durchtreibe-

melkstand oder auch der 2x2 Fischgrätenmelkstand zweckmäßig. Weitere Kosten-

einsparungen sind möglich, wenn die Milchkammer im Altgebäude verbleiben kann

und Teile der vorhandenen Rohrmelkanlage weiterhin nutzbar sind.

Fressbereich

Wird der Fressbereich angebaut, sollte er auf der Süd/Ostseite des Stalles parallel

zum Altgebäude angeordnet werden. Besonders in schneereichen Gegenden wie

dem Schwarzwald muss der Futtertisch überdacht und dreiseitig verkleidet sein. Im

Sommer begünstigt eine optimale Querlüftung durch offene Seitenwände den best-

möglichen Luftaustausch.

Die Futterkrippe muss nicht ausgeformt sein und teure Futterschalen sind ebenfalls

nicht erforderlich. Da eine glatte Krippensohle die Futteraufnahme und auch die Hy-

giene fördert, hat sich das Beschichten mit Epoxidharz bewährt. Der tiergerechte

Fressbereich reicht 60 bis 70 cm tief auf den Futtertisch. Sofern die Krippenwand

keine tragenden Stützen aufnehmen muss, ist eine Holzbohle anstatt der Barren-

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mauer ausreichend. Als Abtrennung zum Futtertisch genügen einfache, aber richtig

positionierte Fressgitter.

Ein deckenlastiges Futterlager mit stationärer Einlagerungstechnik erfordert den

höchsten Investitionsbedarf. Eindeutige Kostenvorteile entstehen durch Flachsilos

und erdlastige Heulager. Bergehallen mit Hochsilos und Greiferanlagen sind bei klei-

nen Betrieben nur in Verbindung mit Altgebäuden vorteilhaft.

Der rechnergesteuerte Abrufautomat sichert auch für Betriebe mit kleinem Bestand

die tierindividuelle Kraftfutterzuteilung. Bei einer Fressplatzbreite von 70 cm ist eine

tierindividuelle Kraftfuttergabe kaum möglich und Futtervergeudung nicht auszu-

schließen. Deshalb kann sich die Kraftfutterabruffütterung durch Kraftfuttereinspa-

rung bereits bei einer Herdengröße von ca. 15 Kühen mit durchschnittlicher Milchleis-

tung bezahlt machen.

Entmistung

Die Kosten für den Stallunterbau hängen davon ab, ob die Lauffläche planbefestigt

oder perforiert ist. Die planbefestigte Ausführung erfordert geringere Investitionen

beim Stallunterbau. Durch das Unterkellern des kleinen Milchviehstalles können Kos-

ten für Entmistung und Lagerung des Flüssigmistes gespart werden, da ein separa-

tes Lager und Treibmistkanäle nicht notwendig sind. Sowohl beim Bau von Treib-

mistkanälen als auch beim Unterkellern bietet sich die Möglichkeit zum Einbringen

von Eigenleistungen. In exponierten Frostlagen können weich-elastische Gummimat-

ten dazu beitragen, Kälteperioden besser zu überstehen, da durch die Matten ein

Anfrieren des Dunges und des Schiebers verhindert wird. Mit Gummimatten belegte

Spaltenböden behalten auch bei Frost ihre selbstreinigende Wirkung. Um den Ar-

beitseffekt von Spaltenschiebern zu erhöhen, empfehlen sich Diagonal-Spaltenroste.

Sie bieten zusätzlich in den Hauptverkehrsrichtungen den Tieren etwas mehr Auf-

trittsfläche und sind deswegen klauenschonender.

Flüssigmistsysteme haben sich aufgrund ihres geringeren Einstreu- und Arbeitszeit-

bedarfes gegenüber der Festmistkette durchgesetzt. Dabei erfordert die Lagerung in

Hochbehältern den geringeren Bauaufwand als in Tiefbehältern. Bei längerer Lager-

zeit, wie im Schwarzwald, kann der Flüssigmist im Außenlager kostengünstiger gela-

gert werden. Eine Ausnahme besteht, wenn der Güllekeller, bedingt durch einen

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Hangausgleich zusätzlichen Güllelagerraum ermöglicht, insbesondere wenn die not-

wendigen Wände auch ohne Güllekeller erstellt werden müssen.

Stallklima

Voraussetzung für gesunde Tiere mit hohen Leistungen ist ein gutes Stallklima mit

genügend Licht und Luft im Tierbereich. Dafür sorgen Trauf-First-Lüftungen mit aus-

reichendem Lufteinlass unter der Traufe. Falls die Konstruktion des Gebäudes das

Öffnen von Außenwänden erlaubt, verbessert diese Maßnahme das Stallklima erheb-

lich. Starker Wind, Zugluft und Nässe können durch Windschutznetze oder Curtains

abgehalten werden. Auch ein Laufhof in Erweiterung des Stalles kann das Wohlbe-

finden der Kühe ausgesprochen positiv beeinflussen.

3.4 Der kleine Liegeboxenlaufstall

Da sich der Liegeboxenlaufstall gegenüber dem Anbindestall durch eine rationellere

Arbeitswirtschaft und wesentlich tiergerechtere Haltungsbedingungen auszeichnet,

ist er auch für die Rinderhaltung mit kleinen Beständen das bevorzugte Haltungssys-

tem. Das Melken im Melkstand bewirkt deutliche Arbeitserleichterungen und eine

geringere Arbeitsbelastung. Da sich die Kühe im Laufstall frei bewegen können, sind

ihnen viele arteigene Verhaltensweisen und Bewegungen möglich, die sie auch auf

der Weide ausüben.

Obwohl sich der kleine Liegeboxenlaufstall hinsichtlich der Funktionsbereiche grund-

sätzlich nicht vom Laufstall für große Bestände unterscheidet, weist er doch einige

Besonderheiten auf. Im Hinblick auf soziale Auseinandersetzungen innerhalb der

Herde sind kleine Bestandsgrößen von Vorteil. Rangordnungsauseinander-

setzungen sind in kleinen Laufställen weniger lang anhaltend, da eine kleine Her-

dengröße für das Einzeltier besser überschaubar ist und sich die soziale Rangord-

nung in der kleineren Herde schneller festigt. Auch die Kontrolle der Tiergesundheit

und die Brunsterkennung ist im kleinen Laufstall einfacher. Kleinere Milchviehherden

erlauben einen intensiven, individuellen Kontakt zwischen den Kühen und ihrem Be-

treuer. In der kleinen Herde hat der Landwirt die Möglichkeit, eventuelle Haltungsfeh-

ler direkt auszugleichen.

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3.4.1 Liegebereich

Damit sich die Kühe etwa die Hälfte der Zeit liegend in der Liegebox aufhalten, ist

bestmöglicher Kuhkomfort in Form von ausreichenden Abmessungen und einer op-

timalen Gestaltung des Liegeplatzes besonders wichtig. Im Liegebereich benötigen

Kühe sowohl Rutschsicherheit beim Abliegen und Aufstehen, als auch eine weiche,

verformbare Liegefläche. Gute Liegepolster wie z. B. die gepflegte Stroh-Mist-

Matratze ersparen den Tieren häufige Positionswechsel mit verletzungs-trächtigen,

rudernden Bewegungen. Eine geringe Anzahl und gleichzeitig verkürzte Liegeperio-

den, Liegen auf der Kante oder außerhalb der Liegebox, sind Anzeichen für zu harte

Liegeflächen oder zu enge Liegeboxen. Optimale Liegepolster werden von Kühen 12

bis 14 Stunden pro Tag, verteilt auf 9 bis 11 Liegeperioden von jeweils 80 bis 90 Mi-

nuten Dauer genutzt.

Die Funktionsmaße für Liegeboxen müssen herdenspezifisch sein. Die Liegebox

muss in Form und Ausführung das ungehinderte Abliegen, Ruhen und Aufstehen des

größten ebenso wie des kleinsten Tieres der Herde ermöglichen. Länge und Breite

der Liegeboxen sollen von der schrägen Rumpflänge und der Widerristhöhe der

größten Tiere einer Herde bestimmt werden (Abb. 4). Anhand aktueller Forschungs-

ergebnisse setzt sich die Liegeboxenlänge aus der schrägen Rumpflänge [in cm]

multipliziert mit dem Faktor 1,11 und einem Sicherheitszuschlag von 20 cm sowie

einem Kopfraum mit 80 bis 90 cm zusammen. Die Maße für Hinterwälder unterschei-

den sich entsprechend von denen für Niederungsvieh.

Die Liegefläche kann als eingestreute Tiefbox mit Streuschwelle oder als Hochbox

mit leicht eingestreuter Matte oder Matratze ausgeführt sein. Gepflegte Tief- und wei-

che Hochboxen werden von den Tieren gerne angenommen. Die Tiefbox erfordert

jedoch einen etwas höheren Einstreu- und Pflegeaufwand (Abb. 5).

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Abb. 4: Körpermaße der Hochleistungskuh zur Ableitung von Funktionsmaßen

Abb. 5: Liegebox für Milchkühe

Um verschmutzte Kühe weitgehend zu vermeiden, muss die Liegebox die Tiere so

ausrichten, dass sie nicht querliegen oder nach vorne rutschen. Frontseitig ist die

Liegebox nur durch das flexible Nackensteuer und die Bugschwelle begrenzt. Der

erforderliche Kopf-Hals-Schwung beim Aufstehen benötigt einen Freiraum in Verlän-

gerung der Liegefläche um einen Meter nach vorne und einen Meter über der Liege-

flächenebene. Das gerade Ausrichten erfolgt durch die Seitenabtrennung in 70 bis

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80 cm Höhe neben der Liegefläche zum Boxenende. Bei Hinterwäldern genügen

auch 60 cm. Abhängig von der Laufgangbreite endet die Seitenabtrennung 25 bis

50 cm vor der Kante zum Laufgang. Der Freiraum unter der Seitenabtrennung ver-

meidet unangenehme Kontakte beim Abliegen und bietet großen Tieren die Möglich-

keit, die Liegebox seitlich über das Achsmaß hinaus zu nutzen.

Der Liegebereich muss zugfrei sowie wind- und wettergeschützt sein. Der ideale

Temperaturbereich liegt beim Rind zwischen 0 und 20o Celsius bei einer relativen

Luftfeuchtigkeit zwischen 70 und 75 %. Hohe Temperaturen führen oft zu erhebli-

chem Leistungsabfall und Fruchtbarkeitsstörungen. Wichtig ist der regelmäßige Luft-

austausch im Stall, sowie der Schutz gegen Wind, starken Niederschlag und zu in-

tensive Sonneneinstrahlung im Sommer.

3.4.2 Laufbereich

Über die Laufflächen wechseln die Kühe die Funktionsbereiche im Stall. Der Zustand

des Bodens beeinflusst die Fortbewegung in erheblichem Maße. Planbefestigte Lauf-

flächen müssen eben und rutschfest sein. Die Fußböden im Laufbereich müssen

mechanisch und chemisch belastbar sein und sich leicht reinigen und desinfizieren

lassen. Durch die regelmäßige Klauenpflege wird die ausreichende Funktion der

Klaue sichergestellt. Da im Laufbereich die wichtigsten Interaktionen zwischen den

Kühen stattfinden, müssen Begegnungen unter Einhaltung der angemessenen Indi-

vidualdistanz möglich sein. Am Fressplatz ist eine Gangbreite von mindestens 350,

bei behornten Kühen von 400 cm, notwendig. Zwischen den Liegeboxenreihen soll-

ten die Laufgänge eine Breite von mindestens 220 cm bis maximal 250 cm (300 cm

für behornte) aufweisen. Damit sich die Kühe bei Begegnungen nicht gegenseitig

behindern und rangniedere Tiere ausweichen können, müssen Liegeboxenlaufställe

über genügend Quergänge als Ausweichmöglichkeiten verfügen und dürfen auf kei-

nen Fall Sackgassen enthalten.

Bewegung in frischer Luft und Klimareize stärken die körpereigenen Abwehrkräfte.

Ein Laufhof wirkt sich vorteilhaft auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und auf die

Fruchtbarkeit der Kühe aus. Im Winter fördert die Sonnenbestrahlung die Wärmere-

gulierung und regt Kreislauf und Stoffwechsel an. Im Sommer bietet der Schatten

Kühlung. Um einen Laufhof für Kühe attraktiv zu gestalten, muss er zwei Zugänge

haben. Außerdem können Tränke-, Fütterungs- oder auch Komforteinrichtungen, wie

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z. B. Viehputzbürsten, dorthin verlegt werden. Viehputzbürsten werden von den Tie-

ren ausgesprochen gerne und häufig genutzt. Sie fördern die Durchblutung und die

Sauberkeit der Kühe und halten Parasiten auf dem Rücken und an den Flanken fern

(Abb. 6).

Abb. 6: Kuhputzbürste im Laufhof

3.4.3 Fressbereich

Ziel der Fütterung ist eine optimale Nährstoffversorgung der Tiere aus dem Grundfut-

ter. Für eine hohe Grundfutteraufnahme ist ein tiergerecht gestalteter Fressplatz die

Voraussetzung. Die Vorlage des Grundfutters muss zum Verzehr anreizen aber auch

Futterverluste gering halten. Mit etwas Sorgfalt ist dies gerade in kleinen Herden sehr

gut möglich.

Fressplatzgestaltung

Da die ungestörte und bequeme Futteraufnahme für Milchkühe besonders wichtig ist,

müssen sich die Maße bei Futterkrippe, Fressgitter oder Nackenrohr am Fressverhal-

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ten orientieren. Das Niveau der Futterkrippe muss im Stall den fehlenden Weide-

schritt ausgleichen und gleichzeitig die Reichweite auf dem Futtertisch erweitern.

Deshalb liegt die Krippensohle im Laufstall 15 bis 20 cm höher als die Lauffläche. Die

Reichweite ist von der Höhe der Krippensohle abhängig und reicht ca. 60 bis 70 cm

auf den Futtertisch. Müssen Kühe außerhalb der bequemen Reichweite fressen, be-

lastet das ihre Vorderbeine bzw. die Innenklauen. Aus diesem Grund ist ein Antritt

am Fressplatz, der die Dachstützen aufnehmen und dem Dungschieber eine Seiten-

führung vorbei an den Stützen geben soll, nicht tiergerecht. Eine auf dem Antritt ste-

hende Kuh muss beim Fressen eine angestrengte Körperhaltung einnehmen. Die

Gesamthöhe der Krippenwand sollte einschließlich Fressgitterkonsole 50 bis 52 cm

nicht überschreiten (Abb. 7). Selbst große Tiere mit entsprechender Tiefe haben am

Brustbein nicht mehr Bodenfreiheit als kleine Kühe.

Abb. 7: Fressplatzgestaltung im Liegeboxenlaufstall

Durch das Schleudern von Futter auf den Rücken vergeuden manche Rinder Futter.

Dies kann Störungen im Flüssigmistsystem zur Folge haben. Fressgitter, Nackenroh-

re und Palisaden, die den Fressplatz unterteilen und häufigen Fressplatzwechsel

einschränken, tragen dazu bei, Futterverluste und Verdrängungen am Fressplatz zu

vermeiden und für alle Tiere eine unbehinderte Futteraufnahme zu gewährleisten.

Für jedes Tier sollte ein Einzelfressplatz mit einer Breite von 70 bis 80 cm zur Verfü-

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gung stehen. Für Hinter- und Vorderwälder reichen auch 65 bis 70 cm aus. Bei ein-

heitlicher Futterversorgung sind Palisadenfressgitter oder Schräggitter aus Holz oder

Rohren ausreichend. Durch Selbstfanggitter können die Tiere zur Behandlung oder

nach dem Melken zeitweise fixiert werden. Für behornte Tiere sind Rundbogenfress-

gitter empfehlenswert.

Grundfuttervorlage

Für Milchkühe sind Gras- und Maissilage oder Heu (v. a. in Hartkäsereigebieten) das

wichtigste Grundfutter. Für eine hohe Futteraufnahme, müssen Kühe ständig unge-

hinderten Zugang zu hochwertigem Grundfutter haben. Im Laufstall erfolgt die Futter-

vorlage auf Vorrat, damit ständig Futter zur Verfügung steht und zugleich abgedräng-

te, rangniedere Tiere nach Ranghöheren fressen können.

Futterbehälter, die nahe am Stall und direkt der Futterachse zugeordnet sind, erspa-

ren Förder- und Transportarbeiten. Stationäre Fütterungsgeräte, z. B. Futterschnecke

oder Futterband, können in kleinen oder beengten Altgebäuden (mit Stich-

Futtertischen) eine sinnvolle Lösung sein. Da in Liegeboxenlaufställen durchfahrbare

Futtertische überwiegen, ist es, unabhängig von der Futterart und der Bestandsgröße

möglich, durch mobile Fütterungstechniken erheblich Arbeitszeit einzusparen. Für

kleinere Betriebe genügen Futterverteilwagen, aber auch Silokamm oder Block-

schneider zur Grundfuttervorlage. Auch in kleinen Betrieben erfolgt die Futterkonser-

vierung vor allem durch Silieren in Flachsilos. Auch Silageballen ermöglichen das

Portionieren der Tagesration oder das Mischen verschiedener Futterarten und Quali-

täten.

Im Hinblick auf die Grundfuttervorlage gibt es keinen Unterschied zwischen einge-

streuten und einstreulosen Aufstallungen. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle ver-

fügbaren technischen Lösungen möglich sind. Befahrbare und durchfahrbare Futter-

tische sollten für Vorlagetechniken mit seitlichem Austrag 5 m breit sein.

Kraftfuttervorlage

Die Futterration für Milchkühe enthält neben hochwertigem Grundfutter eine leis-

tungsorientierte Kraftfuttergabe. Das Kraftfutter kann am Fangfressgitter von Hand in

die Krippe oder mit einem mobilen Gerät zugeteilt werden. Eine weitere Möglichkeit

ist die Verabreichung einer Teil- oder Totalmischration (TMR). Alternativ dazu kön-

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nen auch bei kleinen und mittleren Betrieben sowohl aus ökonomischen und arbeits-

wirtschaftlichen als auch aus ernährungsphysiologischen Gründen rechnergesteuerte

Kraftfutterabrufautomaten mit Tieridentifikation eingesetzt werden. Eine Kraftfutter-

station kann je nach Milchleistung bis zu 25 Tiere versorgen. Um in engen Ställen

den Kuhverkehr nicht zu stören, kann die Kraftfutterstation auch im Laufhof stehen.

In diesem Fall ist sie gegen Niederschläge und Vögel zu schützen.

Wasserversorgung

Der Wasserbedarf einer Milchkuh wird von ihrem Alter, dem Trockenmassegehalt

des Futters, der Umgebungstemperatur und der Milchleistung bestimmt und beträgt

bis zu 180 Liter täglich. Rinder sind Saugtrinker und benötigen zur schnellen Was-

seraufnahme nur eine geringe Wassertiefe von 3 bis 4 cm, jedoch eine große Was-

serfläche von ca. 600 cm2. Selbsttränken mit Wasservorrat kommen der arteigenen

Wasseraufnahme der Kuh besonders entgegen. Die Trogoberkante sollte für kleine

Tiere wie Hinterwälder eine Höhe von 60 bis 70 cm nicht überschreiten. Im Handel

werden Trogtränken mit etwa 80 bis 95 cm Höhe angeboten (Abb. 8). Ein ausrei-

chendes Wasserangebot muss auch bei kleinen Milchviehherden durch mindestens

zwei Tränken mit genügendem Wassernachlauf bzw. -vorrat gewährleistet werden.

Am besten eignen sich kippbare Tränketröge oder Tränkewannen, die jeweils 25 Kü-

he mit Wasser versorgen können und leicht zu reinigen sind.

Abb. 8: Trogtränken

Die Tränken sollten nicht direkt am Futtertisch platziert werden, aber vom Fressplatz

aus ungehindert erreichbar und zur Kontrolle gut einsehbar sein. Für Außenklimastäl-

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le oder wenn die Tränke im Laufhof aufgestellt ist, muss für die Frostsicherheit der

Tränken z. B. durch temperierte Leitungen oder ständigen Wassernachlauf gesorgt

werden.

3.4.4 Melkbereich

Da ein Großteil der Arbeiten im Milchviehstall auf das Melken entfällt, muss dieser

Bereich auch dem Melker angepasst werden. Aufgrund der engen Wechselwirkung

zwischen Melkphysiologie und Technik sind an die sichere Funktion der Melkanlagen

(stabiles Melkvakuum an der Zitze, gleichmäßige Pulsation und schonende Milchab-

leitung) hohe Anforderungen zu stellen. Sie müssen zuverlässig arbeiten, einfach zu

bedienen, leicht zu reinigen und weitgehend wartungsfrei sein.

Eimermelkanlagen sind auch heute noch gebräuchlich. Ihr Vorteil besteht in den

günstigen vakuumtechnischen Bedingungen, dem geringen Reinigungsaufwand, so-

wie dem geringen Investitionsbedarf (SCHICK 2000). Rohrmelkanlagen mit hochlie-

genden Vakuumleitungen, z. B. am Fressplatz, können in kleinen Liegeboxenlaufstäl-

len zunächst den Melkstand ersetzen.

Hygienischer, schonender und arbeitssparender erfolgt das Melken im Melkstand.

Melkstände erleichtern die Arbeit und reduzieren die Melkarbeitszeit. Der Melker hat

kurze Wege, eine gute Übersicht und kann seine Arbeit in bequemer, aufrechter Kör-

perhaltung ausführen. Da er nicht mehr zwischen den Kühen in gebückter Haltung

arbeiten muss, ist auch die Arbeitssicherheit größer. Weitere Vorteile des Melkstan-

des sind die bessere Kontrolle des Einzeltieres sowie die schonendere Handhabung

der Milch, da die hygienische Umgebung die Euterreinigung erheblich vereinfacht.

Für kleine Milchviehställe ist im Melkstand nach Eimer- und Rohrmelkanlage zu un-

terscheiden. Während mit einer Eimermelkanlage auf einen Wasseranschluss,

Wechselmelkzeuge und Steuerungseinrichtungen verzichtet werden kann, ist bei

Melkständen mit Rohrmelkanlage das ganze Spektrum der gängigen Steuertechnik

denkbar. Nachteil der Rohrmelkanlage ist der hohe Investitionsbedarf pro Kuhplatz.

Der Melkstand ist in einem separaten Gebäude oder in offener Bauweise im Stall

untergebracht. Um die Wünsche an einen möglichst angenehmen Arbeitsplatz zu

erfüllen, sollte der Raum für den Melkstand wärmegedämmt, beheizbar, gut durchlüf-

tet und nicht zuletzt möglichst geräuscharm sein. Damit die Kühe den Melkstand

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freiwillig aufsuchen und nicht stark getrieben werden müssen, ist ein geradliniger,

stufenfreier Zugang ohne Richtungsänderungen von Vorteil. Als Warteraum wird häu-

fig der vor dem Melkstand gelegene Laufgang oder der Laufhof genutzt.

Melkstände sind so zu gestalten, dass sie mit geringem Arbeits- und Kapitalaufwand

erstellt und betrieben werden können. Gerade bei kleineren Herden muss es möglich

sein, mit einfacher Melktechnik und möglichst geringem Aufwand an Strom, Wasser,

Reinigungsmittel und Ersatzteilen, Qualitätsmilch zu erzeugen. Da eine Arbeitskraft

im Melkstand bis zu acht Melkzeuge bedienen kann, ohne dass erhebliche Blind-

melkzeiten auftreten, sind milchflussgesteuerte Melkzeuge oder eine Abnahmeauto-

matik nicht notwendig. Für den wenig routinierten Melker erleichtern Milchflussanzei-

ger die Übersicht.

Melkstandformen

Neben Bau und Einrichtung sind die Herdengröße und die vertretbare Dauer einer

Melkzeit die wichtigsten Kriterien für die Ausstattung von Melkständen. Bauart und

Größe des Melkstandes werden auf den Kuhbestand abgestimmt. Bei kleineren Her-

den sind weniger Melkeinheiten bei sparsamer Ausführung ausreichend. Für den

kleineren Bestand sind einfache Reihen- oder kleine Fischgrätenmelkstände zweck-

mäßig. Tandem-Melkstände (z. B. 2x2) berücksichtigen die individuellen Verhältnisse

oft am besten. Bei der Melkstandplanung ist auch eine etwaige spätere Bestandsauf-

stockung zu berücksichtigen.

Melkstandformen unterscheidet man in Gruppen- oder Einzelmelkstände oder nach

Anordnung der Kühe im Melkstand, d. h. ihrer Stellung zueinander. Der Einzelmelk-

stand ist dadurch gekennzeichnet, dass jede Kuh einzeln in den Melkstand kommt

und ihn einzeln, unabhängig von anderen Kühen wieder verlässt. Typische Einzel-

melkstände sind der Durchtreibe (Weide-)Melkstand sowie der Tandemmelkstand.

Der Tandemmelkstand (meist als 2x2-Ausführung) verfügt über Einzelplätze (Abb. 9).

Er erlaubt einen individuellen Tierwechsel pro Melkbucht mit separatem Ein- und

Auslass. Die Kühe verlassen ihren Platz nach ihrer jeweiligen Melkzeit und müssen

deshalb nicht auf langsam melkende Tiere warten. Das ermöglicht ein gutes Anpas-

sen der Arbeitsorganisation an die unterschiedlichen Maschinenhauptgemelke. Auf-

grund der Einzelmelkplätze sind Tandemmelkstände auch für behornte Tiere gut ge-

eignet. Alle Kühe stehen, wie beim Durchtreibemelkstand, vor dem Melker. Das Mel-

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ken verläuft sehr ruhig, da keine Nachbartiere drängeln. Durch seine unterschiedli-

chen Formen kann der Tandemmelkstand auch bei Umbauten leicht in bestehende

Gebäude eingefügt werden. Da jede Melkbucht separat zugänglich sein muss, erfor-

dern Tandemmelkstände einen größeren Raumbedarf und verursachen dadurch hö-

here Baukosten.

Abb. 9: 2x3 Tandemmelkstand

Reihenmelkstand, Fischgrätenmelkstand und Side-by-Side-Melkstand sind Grup-

penmelkstände. Die Kühe kommen als Gruppe in den Melkstand und verlassen ihn

als Gruppe. Die Verweildauer einer Gruppe im Melkstand richtet sich nach der Kuh

mit der längsten Milchflusszeit.

Beim Reihenmelkstand, meist als 2x2-Ausführung, stehen die Kühe hintereinander,

parallel zur Melkstandgrube. Das erleichtert dem Melker die individuelle Tierkontrolle.

Der Materialaufwand für die Einrichtung ist gering, die Erstellung einfach und in Ei-

genleistung möglich. Der Reihenmelkstand benötigt eine Breite von lediglich 3,00 bis

3,50 m. Nachteile des Reihenmelkstandes sind die vergleichsweise langen Wege

zwischen den Eutern und dass die Aufenthaltszeit im Melkstand von der Kuh mit der

längsten Milchflusszeit abhängt. Außerdem ist die Erweiterung dieses Melkstandtyps

bei Bestandsaufstockung nicht einfach.

Beim Fischgrätenmelkstand (FGM) sind mehrere Buchten fischgrätartig ein- oder

zweiseitig nebeneinander angeordnet (Abb. 10). Das Ansetzen des Melkzeuges er-

folgt schräg von der Seite. Der Fischgrätenmelkstand ist nach wie vor die Standard-

lösung. Er benötigt durch das Schrägstellen der Kühe weniger Platz und ermöglicht

kurze Arbeitswege. Der 2x2 FGM gilt als Mindestgröße, er ist für 25 bis 30 Kühe aus-

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reichend. Der Fischgrätenmelkstand bietet zahlreiche Umtriebsmöglich-keiten und

kann bei richtiger Planung gut erweitert werden. Diese Melkstandform kann auch als

Weidemelkstand eingesetzt werden (Abb. 11 und Abb. 27). Von Nachteil gegenüber

dem Tandem- und Durchtreibemelkstand ist jedoch, dass die Beobachtung und

Betreuung der einzelnen Tiere erschwert sind.

Abb. 10: 2x4 Fischgrätenmelkstand

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Abb. 11: mobiler 1x5 Fischgrätenmelkstand (Weidemelkstand)

Da der Side-by-Side-Melkstand den Raum oft besser ausnutzt als der Fischgräten-

melkstand, kommt er auch für Umbauten von Altgebäuden in Frage. Die Kühe stehen

im rechten Winkel zur Melkergrube, wodurch der Melkstand in seiner Ausführung

kürzer aber auch breiter wird (Abb. 12). Der Melker muss die Melkzeuge von hinten

zwischen den Beinen der unterschiedlich langen Kühe ansetzen. Deshalb ist die

Melkergrube nicht so tief wie im FGM (Tab. 1). Die Arbeitsleistungen in diesem Melk-

stand sind jedoch mit denen im FGM vergleichbar.

Die erforderlichen Melkstandmaße für Fischgrät- und Side-by-Side-Melkstände sind

im Detail in Tabelle 1 dargestellt.

Da einseitige Gruppenmelkstände zwangsläufig zu Wartezeiten nach dem Ansetzen

der Melkzeuge führen, sollten sie nur dann eingesetzt werden, wenn es die baulichen

Gegebenheiten erfordern. Um Wartezeiten zu vermeiden, sind auch bei kleineren

Herden Doppelmelkstände den einseitigen vorzuziehen.

Abb. 12: 2x4 Side-by-Side-Melkstand

Tab. 1: Melkstandmaße (EILERS 2005)

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FGM Side-by-Side

Grubenbreite (zweiseitige/einseitige Nutzung)

180-200/130 cm 180-200/130 cm

Melkplatztiefe 140 cm 175 cm (Kopf im Schnellaus-trieb!)

(Schnell-) Austrieb _ (240 x 77 cm)

Melkplatzbreite 120 cm 70 – 77 cm

Eintrieb bis zum ersten Melkplatz (gerader/winkliger Eintrieb)

60/120 cm > 70 cm

Breite des Ganges Kuhaustrieb (gerader/ winkliger Austrieb)

90/170 cm _

Tiefe der Melkergrube Körpergröße – 100 cm Körpergröße – 90 cm

(Tür-) Breite der Ein- und Auslass-öffnungen

90 – 110 cm 90 – 110 cm

Milchhygiene und Milchkühlung

Um die in der EU vorgeschriebenen Grenzwerte von 100.000 Keimen/ml und

400.000 Zellen/ml Milch nicht zu überschreiten, ist eine bestmögliche Euter- und

Melkhygiene unerlässlich. Bei sauberen Eutern ist das Reinigen mit Einwegtüchern

ausreichend. Andernfalls ist eine Euterdusche auch im kleinen Melkstand unerläss-

lich. Gut eingestreute Liegeplätze reduzieren den Zeitaufwand für die Euter- und

Melkstandreinigung.

Da nahezu alle Keime im Milchtank aus den milchführenden Teilen der Melkanlage

stammen, sind hohe Keimzahlen fast immer auf mangelhafte oder falsche Reinigung

und Desinfektion zurückzuführen. Durch kontinuierliches Warten der Melkanlage und

tägliches Reinigen und Desinfizieren milchführender Teile mittels Reinigungs-

automaten, können Eutererkrankungen verhindert und eine gute Milchqualität erzielt

werden.

Durch sofortige direkte oder indirekte Kühlung der ermolkenen Milchmenge auf 4o C

soll die durch gute Melkhygiene erzielte niedrige Keimzahl erhalten bleiben. Die wich-

tigsten Anforderungen an eine Milchkühleinrichtung sind kurze Kühlzeiten, schonen-

des Rühren, sowie eine einfache Handhabung und Reinigung. Wenn das Gemelk,

wie z. B. beim Weidemelken, schnell abgekühlt werden muss, eignen sich Eiswas-

serkühlungen mit einer starken Umwälzpumpe besser als direkte Kühlverfahren.

Kleinere Milchmengen werden häufig an Sammelstellen abgeholt. Daher sind Hofbe-

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hälter bis 400 l Fassungsvermögen mit Ringverdampfern als Eintauchkühler das ge-

eignete Kühlverfahren.

3.4.5 Einstreu und Entmistung

Auch bei kleinen Milchviehställen hängt das Einstreuverfahren von der Transport-

und Lagerform der Einstreu (loses Stroh, Hochdruckballen, Rundballen, Quaderbal-

len) ab. Einstreugeräte treten jedoch gegenüber der Handarbeit in den Hintergrund.

Aufgrund der kurzen Wege und relativ kleiner Gesamtmengen erfolgt das Einstreuen

häufig mit Korb, Schubkarre, Gabel oder Handschaufel. Sowohl in Zweiraumställen

als auch in Liegeboxenlaufställen werden inzwischen vorwiegend Großballen als Vor-

rat für die einzustreuenden Flächen verwendet.

Flüssigentmistung

In Liegeboxenlaufställen bestimmt die Art des Fußbodens das Entmistungsverfahren.

Betonspaltenböden über Güllekanälen und Dungschieber auf planbefestigten Lauf-

flächen sind für den Laufbereich am Fressplatz und im Ruhebereich gleichermaßen

gebräuchlich. Seit geraumer Zeit ist jedoch ein Trend zu planbefestigten Flächen

festzustellen.

Die Systeme der Flüssigentmistung sind nach Schwerkraft- und Pumpverfahren un-

terteilt. Voraussetzung für die Flüssigentmistung sind Spaltenböden, unter denen das

Kot-Harn-Gemisch in einem Keller zwischenlagert oder über Rinnen bzw. Kanäle

langsam zum Güllelager treibt. Damit ein bestmöglicher Kotdurchtritt erreicht wird,

muss bei Betonspaltenböden auf einen optimalen Tierbesatz oder einen intensiven

Kuhverkehr, wie z.B. am Fressplatz, geachtet werden. Neben den Anforderungen an

die Rutschsicherheit und den Klauenabrieb ist es bei Spaltenböden wichtig, das Ver-

hältnis von Schlitz und Auftritt so zu optimieren, dass die Belastung der Klauen in

Grenzen gehalten wird. Üblich sind Schlitzweiten von 30 mm im Laufbereich und

25 mm am Futtertisch sowie Mindestauftrittsbreiten von 80 mm (DIN 18908).

Mechanische Entmistung

Laufflächen im Liegeboxenlaufstall haben eine Verschleißschicht aus Beton oder

Gussasphalt. Beide Schichten verändern im Laufe der Zeit ihre Oberflächenstruktur.

Während beim Betonboden die Mikrostruktur durch Harnstein glatt wird, verliert der

Gussasphalt den feineren Anteil des Zuschlagstoffes Sand. Die größeren Bestandtei-

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le sitzen tiefer und stehen über, so dass dieser Boden mit den Jahren eher zu griffig

werden kann. Beide Veränderungen beeinträchtigen die Mobilität der Kühe. Mecha-

nisches Aufrauen macht Betonböden vorübergehend wieder rutschsicher.

Besonders tiergerecht ist das Auflegen perforierter Matten auf den Spaltenboden o-

der geschlossener Matten auf Schieberbahnen. Die weich-elastischen Matten vertei-

len den Druck auf die Sohlen gleichmäßig. Das beseitigt Belastungsreize an der Soh-

le und reduziert Klauenprobleme, die aufgrund von Überlastung durch den harten

Boden entstehen können.

Mobile Entmistungsgeräte (Frontschieber, Frontlader, Heckschieber, Heckschwenk-

lader, Hofschlepper mit Frontschiebegabel) erfordern gerade und durchfahrbare

Mistachsen, Mindestbreiten bei Toren (2 m), entsprechende Durchfahrhöhen und

Rangierflächen außerhalb des Stalles. Unter diesen Voraussetzungen eignet sich die

mobile Entmistung vor allem auch für das Entmisten von Tieflaufställen und Laufhö-

fen. Durch Kompromisse in der Arbeitswirtschaft können bei kleineren und verwinkel-

ten Stalleinheiten einfache technische Hilfsmittel zu großen Einsparungen bei den

Bauinvestitionen führen. Da Stallschlepper nicht an gerade Arbeitsachsen gebunden

sind, ermöglichen sie die funktionsgerechte Nutzung von Altgebäuden. Der Einsatz

von stationären Dungschiebern erleichtert das Entmisten erheblich. Zu den stationä-

ren Entmistungsanlagen gehören Flachschieber als Klapp- und Faltschieber. Letztere

sind auf Schieberbahnen mit unterschiedlicher Breite einsetzbar.

3.4.6 Kälber- und Jungviehbereich

Für die Haltung von Kälbern und Jungvieh sind alle Fragen bezüglich der Mindestan-

forderungen durch die Vorschriften der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher

Nutztiere (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) vom 25.10.2001 geregelt (Tab. 2).

Diese neue Verordnung ersetzt die Kälberhaltungsverordnung vom 01.12.1992.

Haltung

Bis zu einem Alter von zwei Wochen dürfen Kälber nur auf Stroh oder ähnlichem

Einstreumaterial gehalten werden. Die Kälberaufzucht erfolgt üblicherweise anfangs

in Einzelboxen, Kälberhütten oder Kälberiglus und später in Gruppenbuchten. Ge-

mäß der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung müssen Seitenbegrenzungen bei

Einzelboxen so durchbrochen sein, dass Sicht- und Berührungskontakt zu anderen

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Kälbern möglich ist. Die vom Milchviehstall getrennte Aufzucht hat den Vorteil, dass

stallspezifische Krankheitskeime vom Kalb ferngehalten werden und die Infektions-

kette unterbrochen wird. Der Vorzug der Einzelhaltung liegt in der besseren Kontrolle

bezüglich der verzehrten Milchmenge und der Früherkennung von Krankheiten.

Für die ersten 14 Tage hat sich die Einzelhaltung in eingestreuten Kälberhütten oder

Iglus mit Auslauf bewährt (Abb. 13). Beide Systeme bieten den Vorteil, dass sich die

Kälber immer unter Außenluftbedingungen aufhalten und der Infektionsdruck da-

durch sehr gering ist. Hütten oder Iglus gehören auch im Winter ins Freie, da Kälber

von Geburt an Kälte gut vertragen. Aufgrund der verzögerten Abführung überschüs-

siger Wärme werden niedrige Temperaturen besser toleriert als hohe. Die ersten

Nächte nach der Geburt sollten die Kälber im Winter nicht im Freien, sondern in der

Hütte bzw. im Iglu verbringen, da sich hier über der eingestreuten Liegefläche ein

Kleinklima entwickelt, mit dem auch neu geborene Kälber gut zurechtkommen.

Tab. 2: Mindestanforderung für die Haltung von Kälbern

grundsätzlich Anbindehaltung verboten

bis 2 Wochen Eingestreute Liegefläche

Einzelboxe

80 cm x 120 cm

über 2 bis 8 Wochen Einzelboxe oder

Gruppenhaltung

100 (90) cm x 160/180 cm

mind. 4,5 m²/Bucht bei 1,5 m²/Tier

über 8 Wochen Gruppenhaltung1) mind. 6 m²/Bucht

bei 1,5 m²/Tier bis 150 kg LG

bei 1,7 m²/Tier bei 150-220 kg LG

bei 1,8 m²/Tier über 220 kg LG

Seitenbegrenzungen durchbrochen, damit Sicht- und Berührungskontakt zu anderen Kälbern

vorhanden

Boden trittsicher, rutschfest

Spaltenboden Beton

ummantelte Balken

25 mm Spalten, 80 mm Balkenbreite

30 mm Spalten, 80 mm Balkenbreite

Vorschriften zur Tränke/Fütterung

spätestens 4 h nach der Geburt: erste Biestmilchgabe

ab 8. Lebenstag: Raufutter zur freien Aufnahme

über 2 Wochen alt: freier Zugang zu Wasser

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bis 70 kg LG: Milchaustauschertränke mit mind. 30 mg Eisengehalt/kg TS von 88 %; danach

durchschnittlicher Hämoglobinwert von mind. 6 mmol/l Blut bezogen auf die Gruppe

Vorschriften zum Stallklima2)

Temperaturen 1.-10. Tag mindestens 10 °C; danach mindestens 5 °C; maximal 25 °C

Luft NH3 maximal 20 cm³/m³; CO2 maximal 3000 cm³/m³;

H2S maximal 5 cm³/m³

Licht mindestens 80 Lux, mindestens 10 h/d 1) in Ausnahmefällen Einzelhaltung; 2) gilt nicht in Kaltställen oder Kälberhütten

Abb. 13: Eingestreute Kälberiglus mit Auslauf

Iglus und Kälberhütten stehen am besten im Windschatten größerer Gebäude oder in

halboffenen Hallen. Im Gegensatz zum Iglu hat die Hütte einen festen Standplatz.

Gegen zu hohe Temperaturen im Sommer sollen die allseitig geschlossenen Hütten

im Schatten stehen und unter ihrem Pultdach eine Dämmschicht aufweisen. Zwi-

schen Dach und Umwandung befindet sich ein ca. 20 cm breiter Abstand, um die

Tiere mit frischer Luft zu versorgen. Der Boden besteht aus einem Lattenrost, durch

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den der Harn abfließen kann. Reichliche Einstreu im Winter fördert die Bildung der

gewünschten Mistmatratze (KTBL 2000).

Kälberiglus bestehen aus thermoneutralem Material wie glasfaserverstärktem Poly-

ester oder Polyethylen. Sie sind dreiseitig geschlossen und haben in der Regel einen

kleinen eingezäunten Auslauf, der überdacht ist. Um das Hygienerisiko möglichst

gering zu halten, sind Liegefläche und Auslauf regelmäßig zu entmisten und trocken

zu halten. Getränkt und gefüttert werden die Kälber über Tränkeeimer, Schale und

Heuraufe. Der Standort für Iglus ist flexibel wählbar und ihre Errichtung erfordert nur

einen geringen Aufwand.

Aus Gründen der Tiergerechtheit sollen Kälber spätestens ab der 8. Lebenswoche in

Gruppen, am besten mit Einstreu gehalten werden. In der Gruppenbucht haben die

Kälber mehr Bewegungsfreiheit und den erforderlichen Sozialkontakt. Gerade für

Betriebe mit kleineren Beständen bieten sich Altgebäude oder einfache Offenfront-

ställe mit Pultdach als kostengünstige Lösung an.

Gruppenbuchten müssen über einen gut eingestreuten, trockenen und sauberen Lie-

geplatz sowie einen um 20 bis 40 cm erhöhten Fressplatz verfügen. Falls die Fütte-

rung nicht über einen Tränkeautomaten erfolgt, muss jedem Tier ein Fressplatz mit

einer Breite von 45 bis 50 cm zur Verfügung stehen. Bei Fütterung über den Tränke-

eimer ist eine Einsperrmöglichkeit vorzusehen, z. B. zur Behandlung oder auch um

durch das Fixieren der Tiere für eine Zeit von 10 bis 30 Minuten nach dem Fressen

das gegenseitige Besaugen zu verhindern. Die Bucht muss die klimatischen Anforde-

rungen erfüllen, d. h. genügend Luftaustausch und Tageslicht ermöglichen und im

Sommer ausreichende Möglichkeiten zur Querlüftung bieten (Windschutz-netze,

Spaceboard o. ä.).

Bis zu einem Alter von vier bis sechs Monaten unterscheidet sich die Haltung der

weiblichen Kälber nicht von der Haltung männlicher Kälber. Ab dem Alter von vier

Monaten gelten die weiblichen Tiere als Jungrinder, die männlichen Tiere mit ca.

150 kg LG als Fresser. Gebräuchliche Aufstallungsformen für das Jungvieh sind Lie-

geboxenlaufstall, Tretmiststall und Mehrraum-Tieflaufstall. Bei Teilneubauten bzw.

Umbauten bietet sich die Unterbringung des Jungviehs im Altgebäudebereich an, vor

allem in Zweiflächen-Gruppenbuchten mit befestigtem Fressplatz. Bei Neubauten

kann das Jungvieh in die Gesamtplanung mit einbezogen werden, so dass hier im

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Sinne einer tiergerechten Haltung Liegeboxen mit unterschiedlichen Abmessungen

vorgesehen werden.

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3.5 Mutterkuhhaltung

Bei der Mutterkuhhaltung bleiben die Kälber nach der Geburt bis zum Absetzen im

Alter von ca. 10 Monaten bei der Kuh. Die Mutterkuhhaltung hat in den letzten Jah-

ren als extensive Haltungsform zur Nutzung und Pflege von Grünland, zum Erhalten

der Pflanzenvielfalt und nicht zuletzt aufgrund ihrer Attraktivität für Urlauber erheblich

an Bedeutung gewonnen. Diese Haltungsform stellt nur geringe Ansprüche an Arbeit

sowie Kapital für Gebäude und Maschinen, wodurch sie gut für den Zu- und Neben-

erwerb geeignet ist. Durch Direktvermarktung können häufig bessere Preise erzielt

werden. Bauliche und technische Vermarktungseinrichtungen wie z. B. Schlacht-,

Kühl-, Lager- und Verkaufsräume erfordern allerdings Investitionen, die bei der Kal-

kulation berücksichtigt werden müssen.

Anforderungen an die Mutterkühe

Bei der Auswahl der Rasse für die Mutterkuhhaltung spielen vor allem der Standort

und die Vermarktungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle. Für gute Grünlandstandorte

eignen sich besonders die großwüchsigen Fleischrinderrassen (Charolais, Fleckvieh,

Belgier). Kleinwüchsige Rassen (Hinter- und Vorderwälder, Angus, Dexter, Galloway,

Sallers) können sich an hängiges, ertragsschwächeres Grünland mit schlechterer

Futtergrundlage besser anpassen. Diese eignen sich auch besser für die Direktver-

marktung, da sie die Schlachtreife früher erzielen und kleinere Teilstücke ergeben.

Als Mutterkühe eignen sich speziell Tiere mit guten Muttereigenschaften und ruhigem

Wesen. Wirtschaftlich bedeutsame Eigenschaften sind außerdem Leichtkalbigkeit,

ein hohes Geburtsgewicht der Kälber sowie eine gute Wachstumsleistung der Jung-

tiere. Neben Leichtkalbigkeit wird für eine hohe Aufzuchtleistung der Mutterkuh die

sofortige Annahme des Kalbes nach der Geburt erwartet. Ferner soll sie eine hohe

Fruchtbarkeit aufweisen und im Abkalberhythmus der Herde bleiben. Eine flach ver-

laufende Laktationskurve sowie eine Jahresmilchleistung der Kuh von ca. 3000 kg

sind gute Voraussetzungen für ein optimales Wachstum des Kalbes.

Haltungsformen

Die Mutterkuhhaltung kann als ganzjährige Weidehaltung mit Schutzhütte oder als

Laufstallhaltung mit oder ohne Auslauf erfolgen.

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a) Weidehaltung

Als Mutterkuhweiden eignen sich leichte, wasserdurchlässige Böden. Die Abmes-

sung der Weide wird durch die Herdengröße und den Futterzuwachs bestimmt. Auf

der Weide gehaltene Mutterkühe benötigen eine Schutzhütte, in die sie sich bei Nie-

derschlag, Wind und zu starker Sonneneinstrahlung zurückziehen können. Flächen

wie z. B. der Vorplatz zur Schutzhütte oder auch Fress- und Tränkestellen sind im

Sinne einer guten Weidehygiene zu befestigen. Die Kälber sollten nach Möglichkeit

einen eigenen, abtrennbaren Bereich als Rückzugsmöglichkeit und zur Behandlung

zur Verfügung haben.

Gerade bei der Mutterkuhhaltung ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen

Mensch und Tier von zentraler Bedeutung. Damit die Mutterkühe nicht zu scheu wer-

den, ist die kontinuierliche Beobachtung und Kontrolle und somit der regelmäßige

Kontakt des Landwirtes zur Herde außerordentlich wichtig. Geeignete Vorrichtungen

zum Einfangen und zur Behandlung der Kühe wie z. B. Selektionstore, Treibgänge

und Fixierungsmöglichkeiten (Halsfangrahmen, Behandlungsstand) erleichtern das

Herdenmanagement und reduzieren die Unfallgefahr für Mensch und Tier.

b) Stallhaltung

Für die Stallhaltung von Mutterkühen eignen sich Einraum- oder Zweiraumställe mit

Tiefstreu im Liegebereich und befestigtem Fressplatz. Zusätzlich eignen sich Liege-

boxenställe mit Hoch- (Abb. 14) oder Tiefboxen. Der Liegeboxenlaufstall kann mit

innen liegendem Futtertisch, als Offenfrontstall oder mit außen liegendem Futtertisch

ausgeführt werden.

220-260350-400 100-150perforiertplan oderFuttertisch

Abb. 14: Querschnitt Liegeboxenlaufstall für Mutterkühe der Rassen Hinter-, Vor-derwälder und Fleckvieh (mit Kälberschlupf im Kopf-Hals-Bereich der Liegebox)

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Die nutzbare Stallfläche d. h. die Liege-, Lauf- und Fressplatzfläche sollte bei Stall-

haltung ohne Kälberschlupf 5 bis 7 m² pro Kuh betragen. Hierbei sind 1,5 m² für das

Kalb berücksichtigt. Mit Kälberschlupf reichen 4 bis 5 m² pro Kuh (inklusive 0,5 bis

0,7 m² für das Kalb) aus. Die Einteilung der Stallachsen ist dem Milchviehstall ver-

gleichbar. Vor den gegen- oder wandständigen Liegeboxen gehört jedoch der Kopf-

Halsraum zum 1,50 bis 2,00 m breiten Kälberschlupf. Die Boxenabmessungen sind

von der Tierrasse abhängig. Hierbei sind für Hinterwälder Maße von 1,15 x 2,20 m

und für Vorderwälder 1,20 x 2,40 m empfehlenswert. Für eine ungestörte Milchauf-

nahme der Kälber in der Liegebox ist eine freitragende Seitenabtrennung vorteilhaft.

Den Kälbern muss im Kälberschlupf gutes Heu und Kraftfutter angeboten werden.

Die Schlupftore für den Kälberschlupf sollten 40 cm breit und 100 cm hoch sein.

Hierbei ist das Anwachsen der Mistmatratze zu berücksichtigen. Wird der Kälber-

schlupf als reiner Fressplatz genutzt, sind 0,3 m² pro Kalb vorzusehen. Als Liegeplatz

werden 1,5 m² veranschlagt. Zusätzlich empfiehlt es sich den Kälberschlupf vor Zug-

luft und Fallwinden zu schützen.

Die maximale Krippenwandhöhe am Fressplatz darf für Kühe 52 cm nicht überschrei-

ten. Sollen die Kälber am Futtertisch mitfressen, darf die Krippenwand maximal

32 cm hoch sein.

Die Investitionskosten für einen Mutterkuhstall in Einfachbauweise (z. B. Rundholz,

eingespannten Stützen, Trapezblechdach) mit Schieberentmistung des Fressgangs

können bis zu 2500 € pro Stallplatz betragen.

Da die Wirtschaftlichkeit der Mutterkuhhaltung entscheidend von der kostengünstigen

Grundfutterversorgung abhängt, steht die Nutzung von Grünflächen durch Weidehal-

tung im Vordergrund. Durch kostengünstig erzeugtes Grundfutter (Heu, Silage) von

guter Qualität wird die Futteraufnahme und damit die Milchleistung der Mutterkühe

sowie die Mastleistung der Nachzucht gesteigert. Wenn der Grasbestand im Frühjahr

und im Herbst zu rohfaserarm ist, kann Stroh zur besseren Rohfaserversorgung zu-

gefüttert werden. Kälber sollten auch bei guter Milchleistung der Mutter einen Kälber-

schlupf mit Kraftfutter zur Verfügung haben.