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– Das erfolgreiche Lehrbuch ganz neu

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1

1.1 PFLEGEPROZESS-MODELLE .................... 2

1.2 INFORMATIONSSAMMLUNG ................... 3

1.3 ERKENNEN VON PFLEGEPROBLEMEN UND RESSOURCEN .................................... 5

1.4 FESTLEGEN VON PFLEGEZIELEN ............. 6

1.5 PLANUNG DER PFLEGE MASSNAHMEN ............................. 6

1.6 DURCHFÜHRUNG DER PFLEGEMASSNAHMEN ............................. 7

1.7 AUSWERTUNG UND ERGEBNISSE .......... 7

1.8 PFLEGEDIAGNOSEN UND PFLEGEKLASSIFIKATIONEN .................... 7

1.8.1 NANDA-Pfl egediagnosen ................................ 81.8.2 Pfl egeklassifi kationen .................................... 9

1.9 PFLEGEASSESSMENT ............................... 11

1.9.1 Assessmentmethoden ................................... 111.9.2 Aufbau von Assessmentinstrumenten ............ 111.9.3 Rolle von Assessmentinstrumenten im

Pfl egeprozess ................................................ 121.9.4 Varianten von Assessmentinstrumenten ........ 121.9.5 Pro und Contra Assessmentmethoden ............ 131.9.6 Auswahl von Assessmentinstrumenten .......... 151.9.7 Anwendung von Assessmentinstrumenten

in der Praxis ................................................... 15

1.10 PFLEGEPLANUNG IN DER PRAXIS .......... 16

1.10.1 Vorteile der Pfl egeplanung ............................. 161.10.2 Pfl egeplanung in Ausbildung und Prüfung ...... 161.10.3 Pfl egeplanung im Krankenhaus ...................... 171.10.4 Pfl egeplanung in Pfl egeeinrichtungen ............ 17

1.11 INFORMATIONSMANAGEMENT UND PFLEGEDOKUMENTATION ........................ 18

PFLEGEPROZESS UND

PFLEGEPL ANUNG

Peter König

Bernd Reuschenbach (1.9)

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Pflegeprozess

Informations-

management

Modelle

Pflege-

assessment

Vorbehalts-

aufgabe

Datenschutz

Leistungserfassung

5-Schritt-Modell

Brobst

Dokumentations-

systeme

Skalen

Technik

Pflegephänomene

Pflegeanamnese

Screening

Pflege-

klassifi-

kationen

Pflege-

planung

NANDA-

Pflegediagnosen

Dokumentations-

pflicht

ICF

4-Schritt-Modell

Yura und Walsh

6-Schritt-Modell

Fiechter und Meier

Beobachtung

Frage-

bogen

CCC

ICNP

Ablauf

Pflegeprobleme

und Ressourcen

Evaluation

Pflege-

maßnahmen

NOC

SMART-Regel

Nahziele

Fernziele

Pflege-

ziele

Informations-

sammlung

subjektiv objektiv

direkt indirekt

Strukturmodell

(SIS®)

R

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Page 4: 3 rHJH +HXWH Das erfolgreiche Lehrbuch ganz neu

P F L E G E P R O Z E S S U N D P F L E G E P L A N U N G

2

1

In der Versorgung kranker und pfl egebe-dürft iger Menschen stehen professionell Pfl egende vor der Herausforderung, sich in die individuellen Hintergründe und Lebens-welten der Betroff enen hineinzuversetzen und deren Wünsche und Vorstellungen zu ergründen. Dabei stellt sich die entscheiden-de Frage, welche pfl egerische Hilfe sinnvoll und notwendig ist und wie die beste Pfl ege-qualität erreicht werden kann. Hierzu ist es notwendig, gezielt und systematisch vorzu-gehen. Der Pfl egeprozess bietet dafür ein Rahmenmodell mit konkreten Handlungs-empfehlungen und gehört laut den Ausfüh-rungen in §4 des Pfl egeberufegesetzes zu den vorbehalteten Tätigkeiten der Pfl egefach-kräft e. Mit dem Pfl egeberufegesetz von 2017 wird der Pfl egeprozess mit der Erhebung des individuellen Pfl egebedarfs, der Organisa-tion, Gestaltung und Steuerung des Pfl ege-prozesses sowie der Analyse, Evaluation, Si-cherung und Entwicklung der Qualität der Pfl ege zu einer pfl egerischen Kernaufgabe.

Fallbeispiel

Der 22-jährige Timo Kaiser wird heute von der Intensivstation auf die chirurgi-sche Unfallstation des örtlichen Univer-sitätsklinikums verlegt. Er wurde vor zwei Tagen nach einem schweren Sturz mit seinem Fahrrad eingeliefert. Er hat sich mehrere Frakturen an Armen und Beinen, Prellungen und eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen. Er kann sich kaum bewegen und leidet unter großen Schmerzen. Der Gesund-heits- und Krankenpfl eger Lars Stein-furth begrüßt Herrn Kaiser auf Station und macht sich darüber Gedanken, wel-che pfl egerischen Bedarfe es wohl bei ihm geben wird und wie die Betreuung konkret gestaltet werden soll. Hierzu stützt sie sich auf die Empfehlungen, die im Pfl egeprozess beschrieben sind.

Alles, was in der Beziehung zwischen Pfl ege-bedürft igen, Angehörigen und Pfl egenden vom ersten Kontakt an geschieht, kann zu-nächst ganz allgemein als Prozess zwischen Patienten und Pfl egenden bezeichnet wer-den. Um dieses komplexe Geschehen besser nachvollziehbar zu machen, haben Pfl egende begonnen, diesen Ablauf (Prozess) zunächst zu beschreiben, dann im nächsten Schritt zu systematisieren und schließlich bewusst zu steuern. Ziel ist hierbei, dem Patienten – un-abhängig von der einzelnen Pfl egenden – die bestmögliche Pfl egequalität zukommen zu lassen. Dabei sollen diejenigen Ziele und Maßnahmen ausgewählt werden, die geeig-net und sinnvoll erscheinen.

DEFINITION

Pfl egeprozess:  Denk- und Problemlö-sungsstrategie, mit der Pfl egende – nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Patienten – zielgerichtet und struktu-riert arbeiten. Sie dient dazu:• Informationen zu sammeln, um den

individuellen Pfl egebedarf zu erhe-ben und festzustellen ( 16.1.1) (Ressourcen und Probleme)

• Ziele, die anhand von zu planenden Pfl egemaßnahmen erreicht werden können, aufgrund des festgestellten Pfl egebedarf s festzulegen

• Pfl egemaßnahmen durchzuführen und auf ihren Erfolg hin zu überprü-fen, um sie dann der ggf. neuen Situ-ation anzupassen.

1.1 Pfl egeprozess-Modelle

Pfl egeprozess -Modelle stellen grundsätzli-che Denk- und Handlungsstrategien (Arbeitsmethoden) dar. Diese zielgerichtete Vorgehensweise grenzt die berufl iche von der nicht berufl ichen Pfl ege ( 51.2.3) ab. Sie beruht auf der Interaktion zwischen der Pfl egefachperson und dem Pfl egebedürft i-gen als fortlaufendem Beziehungsprozess und gilt als selbstständig durchzuführende und vorbehaltene Tätigkeit im Sinne des Pfl egeberufegesetzes.

Das prozessorientierte Arbeiten verfolgt das Ziel, dem Pfl egebedürft igen – soweit möglich – seine eigenen Fähigkeiten zur Problemlösung bewusst zu machen und diese für die Förderung seiner Gesundheit zu nutzen. Bei Einschränkungen im Bereich der Aktivitäten des täglichen Lebens kön-nen Pfl egende unterstützen bzw. bestimmte Tätigkeiten ganz für ihn übernehmen. Dar-über hinaus binden sie Angehörige und Be-zugspersonen so weit wie möglich in den Pfl egeprozess ein.

Durch das prozessgeleitete Handeln ent-steht eine Pfl egeplanung ( 1.5, 1.10) die dem Patienten diejenige Pfl ege zukommen lässt, die er in der individuellen Situation benötigt.

Historische Entwicklung des

Pfl egeprozesses

Pfl ege als prozesshaft es Geschehen wurde erstmals in den 1950er-Jahren von Pfl ege-wissenschaft lerinnen in den USA defi niert. Zu dieser Zeit entwickelte sich ein Ver-ständnis von Pfl ege als einem systematisch zu planenden Prozess. Mit der Akademisie-rung der Pfl ege und der damit verbundenen Entwicklung der Pfl egewissenschaft setzte

sich zudem nach und nach die Auff assung durch, dass Pfl ege – neben der Medizin – als eigenständige Profession im Gesund-heitswesen anzusehen sei ( 51.2.3).

Für die Pfl egenden bedeutete dies, mehr Verantwortung für die pfl egerische Betreu-ung von Patienten zu übernehmen. Solange Pfl ege als eine reine Assistenztätigkeit für den Arzt angesehen wurde, lag die Verantwor-tung für einen Pfl egeplan außerhalb der Pfl e-ge. Wird hingegen die Pfl ege als eigenständi-ger Aufgabenbereich verstanden, ist gezieltes und geplantes Handeln nötig. Daraus ent-stand die Notwendigkeit, den Pfl egenden In-strumente an die Hand zu geben, die ein selbstständiges, systematisches und zielge-richtetes Handeln fördern. Durch die Aus-führungen im Pfl egeberufegesetz wird die Bedeutung des Pfl egeprozesses und die dar-aus entstehende Verantwortung für die be-rufl iche Pfl ege ausdrücklich hervorgehoben.

Der Pfl egeprozess unterstützt Pfl egende darin, Pfl egesituationen bei Menschen aller Altersgruppen zu erkennen, zu erfassen und zu bewerten. Die Gestaltung der Pfl ege als Prozess fördert die kritische Refl exion des eigenen Tuns und unterstützt die Anwen-dung aktuellen Pfl egewissens. Dadurch wird einem unrefl ektierten Handeln, das sich vor-nehmlich auf eigene Erfahrungen stützt, ent-gegengetreten ( 50.1). Daher kommt dem Pfl egeprozess eine zentrale Bedeutung bei der Ausübung professioneller Pfl ege zu.

Gliederung von Pfl egeprozessen

Der Pfl egeprozess kann durch unterschied-liche Modelle beschrieben werden ( Tab. 1.1):• Zunächst wurde der Pfl egeprozess in

vier Kernschritte eingeteilt (erstmals von Helen Yura und Mary Walsh und be-schrieben [1]). Die Weltgesundheitsorga-nisation (WHO ) hat das Modell in den 1970er-Jahren in dieser Form aufgegrif-fen und weltweit verbreitet. Zur weiteren Ausdiff erenzierung und Herausstellung bestimmter Aspekte wurde der Prozess von verschiedenen Autorinnen in zusätz-liche Schritte aufgeteilt

• In der US-amerikanischen Literatur wird häufi g ein Modell mit fünf Schritten verwendet, bei dem das Stellen der Pfl e-gediagnose ( 1.8.1) als eigener Schritt beschrieben wird (z. B. von Ruth Brobst [2]). Dies unterstreicht die Bedeutung einer abschließenden Beurteilung der Einschätzungsphase, die Aufschluss über die Pfl egebedürft igkeit des Patienten gibt und gleichzeitig den daraus folgenden Pfl egeplan begründet

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3

1 . 2 I N F O R M A T I O N S S A M M L U N G 1

• Ein Modell in sechs Schritten ( Abb. 1.1) wurde in den 1960er-Jahren von Verena Fiechter und Martha Meier entworfen [3] und in der Folgezeit weiter-entwickelt. Andere Autoren wie Judith M. Wilkinson [4] haben ebenfalls eine Gliede-rung in sechs Schritten defi niert. In diesen Modellen wird die Zielsetzung ( 1.4) zu-sätzlich herausgehoben. Insbesondere die Beschreibung von Fiechter und Meier hat im deutschsprachigen Raum große Be-deutung erlangt und wird in vielen Ein-richtungen als Richtlinie für die Ausge-staltung des Pfl egeprozesses und der Pfl e-gedokumentation zugrunde gelegt

• In der Altenpfl ege hat sich eher die Glie-derung in vier Phasen durchgesetzt. Seit 2016 wurde in vielen Einrichtungen das sogenannte Strukturmodell zur Entbüro-kratisierung der Pfl egedokumentation mit der Strukturierten Informations-sammlung (SIS® ) ( 1.10.4) eingeführt, um den Dokumentationsaufwand mög-lichst gering zu halten.

Dokumentation des Pfl egeprozesses

Alle Schritte des Pfl egeprozesses wer-den dokumentiert ( 1.11), um die

Entscheidungsfi ndung und den Verlauf für die anderen an der Pfl ege und Be-treuung des Patienten Beteiligten nach-vollziehbar zu machen.

Die Ausgestaltung des Pfl egeprozesses hängt darüber hinaus stark von dem jeweils zugrunde liegenden Pfl egeverständnis ab, welches wiederum von einer bestimmten pfl egetheoretischen Ausrichtung und den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen be-einfl usst wird ( 48.3).

Bei der Anwendung verschiedener Mo-delle zum Pfl egeprozess diskutieren Pfl e-gende immer wieder kontrovers über die Art und Weise der Umsetzung in der Praxis [5], [6].

Bezeichnungen für die Einschätzungs-

phase

Für die zusammenfassende Bezeich-nung der Einschätzungsphase – die In-formationssammlung ( 1.2) und Erfas-sung von Pfl egeproblemen ( 1.3) bzw. -diagnosen ( 1.8) – werden z. T. unter-schiedliche Begriff e verwendet, die eine ähnliche, jedoch nicht identische Be-deutung haben.

• In vielen Einrichtungen wird der Vor-gang der Informationssammlung und mancherorts auch die Problemformu-lierung als Pfl egeanamnese bezeich-net. Genau genommen bedeutet Ana-mnese jedoch „Vorgeschichte“ und meint damit die Erhebung des Zu-stands des Patienten vor Beginn der Pfl egebeziehung (Aufnahmegespräch

1.2)• Der Begriff Assessment wird in jüngs-

ter Zeit zunehmend dafür verwendet, die Einschätzungsphase systematisch zu beschreiben. Ursprünglich wurde im Englischen so der erste Schritt des Pfl egeprozesses bezeichnet und mit „Einschätzung“ übersetzt ( Tab. 1.1). Inzwischen wird „Assessment“ im Deutschen als eigener Fachbegriff ver-wendet (Pfl egeassessment 1.9). In diesem Sinne wird es als diff erenzier-te Erfassung bestimmter gesundheits-bezogener Problembereiche (bei-spielsweise Schmerzen, Ernährung, kognitive Leistungen) gesehen, die als Grundlage für die Pfl egeplanung dient

• Der zielgerichtete Erkenntnisprozess in der Pfl ege wird auch als Pfl egedia-

gnostik bezeichnet. Er beschreibt den Prozess der Wahrnehmung und der Beobachtung des Patienten und sei-nes Umfelds sowie die Betrachtung von Informationen, das Erkennen ihrer Bedeutung und die mögliche Zusam-menfassung zu einer Pfl egediagnose ( 1.8.1), [7]. In diesem Prozess kön-nen auch Assessmentinstrumente ( 1.9) von den Pfl egefachpersonen eingesetzt werden.

SPICKZETTELPfl egeprozess-Modelle

• Vier-Schritt-Modell nach Yura und Walsh

• Fünf-Schritt-Modell nach Brobst• Sechs-Schritt-Modell nach Fiechter

und Meier• Strukturmodell zur Entbürokratisie-

rung der Pfl egedokumentation (SIS®).

1.2 Informationssammlung

Beobachten 2.2Eine korrekte Beschreibung der Pfl egebe-dürft igkeit eines Menschen und des daraus entstehenden Pfl egebedarfs kann nur erfol-gen, wenn ausreichend Informationen vor-liegen. Die Qualität der Informations-sammlung ist somit entscheidend für alle weiteren Schritte des Pfl egeprozesses.

Tab. 1.1 Verschiedene Pfl egeprozess-Modelle.

4-Schritt-Modell 5-Schritt-Modell nach Brobst

6-Schritt-Modell nach Fiechter und Meier (ergänzt um Pfl egediagnosen)

Assessment (Pfl egebe-dürftigkeit einschätzen, Pfl egebedarf benennen)

Einschätzung Informationen sammeln ( 1.2)

Pfl egediagnose Probleme und Ressourcen erfassen, Pfl ege-diagnosen stellen ( 1.3)

Planning (Pfl ege planen) Planung Ziele festlegen ( 1.4)

Maßnahmen planen ( 1.5)

Intervention (Pfl ege durchführen)

Umsetzung Maßnahmen durchführen ( 1.6)

Evaluation (Pfl ege be-urteilen, verbessern)

Auswertung Wirkung der Maßnahmen überprüfen und verbessern ( 1.7)

Abb. 1.1 Der Pfl egeprozess (nach Fiechter und Meier) umfasst sechs Schritte [3]. [L143]

Wirkung der Maßnahmen

überprüfen undverbessern

Ziele festlegen

Probleme undRessourcen

erfassen

Informationensammeln

Maßnahmendurchführen

Maßnahmenplanen

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P F L E G E P R O Z E S S U N D P F L E G E P L A N U N G

4

1

Auf Vollständigkeit achten

Stellen sich bei der Durchführung der nachfolgenden Schritte im Pfl egepro-zess Umsetzungsprobleme ein, ist dies häufi g auf das Fehlen von wichtigen In-

formationen zurückzuführen.

Die Sammlung von Informationen kann zu-nächst durch die Sichtung schrift licher Unterlagen erfolgen, die der Patient mit sich führt (z. B. Pfl egeverlegungsberichte). Eine zentrale Bedeutung kommt dem Erst - oder Aufnahmegespräch ( 39.1.1) zu. Dieses beinhaltet neben der Befragung und Beob-achtung des Patienten auch eine körperliche Untersuchung und – wenn sinnvoll – die Einbeziehung von Angehörigen und Be-zugspersonen. Viele Informationen werden allerdings erst später „zugänglich“, wenn sich die Beziehung zum Patienten über einen gewissen Zeitraum entwickelt hat. Außerdem kommen täglich neue Informa-tionen hinzu, z. B. wenn der Patient so viel Vertrauen zu den Pfl egenden gewonnen hat, dass er aus seinem Leben erzählt, bzw. wenn bei einem längeren stationären Aufenthalt sein „Alltagsverhalten“ deutlich wird.

Neben dem Aufnahmegespräch ist die Pfl egevisite ( 47.7.5) ein wichtiges Instru-ment zur Informationssammlung.

Informationssammlung als kontinuier-

licher Prozess

Kommen neue Informationen hinzu, überprüfen die Pfl egenden, ob die Pfl e-geplanung aufgrund dieser Informatio-nen geändert werden muss. Die Infor-mationssammlung ist demzufolge nie abgeschlossen, sondern ein kontinuier-

licher Prozess ( Abb. 1.2).

Die Pfl egenden nutzen folgende Informa-tionsquellen :• Befragungen des Patienten bzw. seiner

Angehörigen ( 42.2) unter Beachtung der Rechte des Patienten

• Gezielte Beobachtung des Patienten (auch in seinem sozialen Umfeld), ggf. Hinzuziehen von Assessmentinstrumen-ten ( 1.9), z. B. Dekubitusrisikoskala

• Spontane Äußerungen des Patienten, seiner Angehörigen oder Mitpatienten und sonstige Gespräche ( 39.1.1)

• Krankengeschichte, Untersuchungs-ergebnisse und Einweisungsdiagnose

• Pfl ege- und Überleitungsberichte von verlegenden Stationen, früheren Kran-kenhausaufenthalten oder betreuenden ambulanten Pfl egediensten ( 47.6.3)

• Teammitglieder und Angehörige anderer therapeutischer Berufe, die Kontakt mit dem Patienten haben, z. B. Physiothera-peuten.

Direkte und indirekte

Informationen

DEFINITION

Direkte Informationen:  Unmittelbar am Patienten gewonnene Informationen, z. B. die Feststellung einer Schädigung der Haut (z. B. Dekubitus).

Indirekte Informationen:  Aussagen an-derer über den Patienten, z. B. die Ein-weisungsdiagnose „chronische Schmer-zen“ (Ansicht des Hausarztes) oder die Information „Selbstpfl egedefi zit bei der Nahrungsaufnahme“ aus dem Pfl e-ge(überleitungs)bericht.

Diese Unterscheidung ist nicht wertend im Sinne von „direkt“ bedeutet „gut und rich-tig“, „indirekt“ bedeutet „schlecht und falsch“. So sollten Informationen, die ein Patient mit Alzheimer-Demenz im Ge-spräch übermittelt, immer mit Informatio-nen aus anderen Quellen (z. B. Angehöri-gen, Fremdanamnese) abgeglichen werden.

Andererseits birgt eine größere Anzahl an „Mittelsmännern“ die Gefahr, dass der Informationsgehalt am Ende der Kette ge-ring ist, wie das folgende Beispiel zeigt.

Fallbeispiel

Der Gesundheits- und Krankenpfl eger Lars Steinfurth berichtet seiner Kollegin über die veränderte, deprimierte Stim-mung von Timo Kaiser, dem Patienten mit Polytrauma nach Fahrradunfall. Die-se gibt ihre Informationen bei der Über-gabe an die Spätschicht, diese wieder-um an die Nachtwache weiter. Die Nachwache speichert für sich ab, dass „soweit alles in Ordnung ist“.

Hier sind direkte, unmittelbare Informatio-nen gefragt ( Abb. 1.2). Wäre die Mittei-lung von Lars Steinfurth in der Pfl egedoku-mentation vermerkt, wäre die gesamte In-formation gut rückverfolgbar, müsste aber auch kontinuierlich aktualisiert werden.

Subjektive und objektive

Informationen

DEFINITION

Subjektive Informationen:  Geben die persönliche Ansicht einer Person, ihre Einschätzungen und Empfi ndungen

wieder; Beispiele sind Aussagen wie „Ich bin nervös“ oder „Ich fühle mich schlechter“.

Objektive Informationen:  Sind messbar und können überprüft werden, etwa Blutdruck, Größe oder Gewicht eines Patienten. Unabhängig von der untersu-chenden Person sollten die Ergebnisse identisch sein.

Umgangssprachlich wird „objektiv“ oft mit „gerecht“ und „allgemeingültig“ gleichge-setzt, während „subjektiv“ vielfach im Sin-ne von „unsachlich“ oder „einseitig“ ver-wendet wird. Diese Wertung ist in Pfl ege und Medizin problematisch: Die Meinung, objektive Informationen seien die besseren Informationen, führt nicht selten dazu, dass Laborwerten oder Untersuchungsbefunden (kurz: allem Messbaren) mehr geglaubt wird als dem Empfi nden des Patienten oder dem „unguten Gefühl“ von Pfl egenden und Ärzten in Bezug auf eine mögliche Zu-standsverschlechterung eines Kranken.

Subjektive Empfi ndungen der Pfl egen-den bezüglich des Patienten dürfen bei der Informationssammlung nicht ausgelassen werden. Sie tragen zum Gesamtbild bei, das sich die Pfl egenden vom Patienten machen. Durch Rückfragen der Pfl egenden können subjektive Eindrücke überprüft werden, z. B.: „Ist mein Eindruck richtig, dass Sie sich große Sorgen machen, ob Sie weiter al-leine in Ihrer Wohnung leben können?“

Informationssammlung mithilfe

von Pfl egetheorien

Zur sinnvollen Gestaltung einer Informa-tionssammlung sollte innerhalb der Ein-richtung geklärt sein, welches Selbstver-ständnis von Pfl ege zugrunde gelegt wird

Abb. 1.2 Die sechs Schritte des Pfl egeprozesses laufen nicht immer chronologisch ab. So ist im Grunde genommen keiner der Schritte je abge-schlossen. Bei jedem Kontakt mit dem Patienten erhalten die Pfl egenden neue Informationen, ent-decken vielleicht wieder eine ganz neue Ressource oder bemerken, dass eine geplante Maßnahme doch nicht den gewünschten Erfolg bringt. [J787]

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5

1 . 3 E R K E N N E N V O N P F L E G E P R O B L E M E N U N D R E S S O U R C E N 1

(Leitbild, 51.2.1). Pfl egetheorien ( 50.3) können dabei helfen, dieses Pfl egeverständ-nis deutlich herauszuarbeiten und zu for-mulieren. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann auch zur Gliederung oder Schwerpunktsetzung der Informations-sammlung genutzt werden.• Nach Roper bzw. Juchli ( 50.3.4) kön-

nen die Lebensaktivitäten bzw. Aktivitä-ten des täglichen Lebens als Kriterien he-rangezogen werden. Für jede Aktivität wird überprüft , wo genau der Patient eingeschränkt ist und wo er noch ohne Unterstützung zurechtkommt

• Nach Orem ( 50.3.4) achten die Pfl egen-den insbesondere auf Selbstpfl egeerfor-dernisse, indem sie Selbstpfl egefähigkei-ten und Selbstpfl egedefi zite identifi zieren

• Nach Leininger ( 50.3.4) berücksichtigen die Pfl egenden insbesondere den sozio-kulturellen Hintergrund des Patienten.

Informationssammlung mithilfe

von Formularen

In vielen Einrichtungen werden die ver-schiedenen Gliederungspunkte, z. B. die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) von Liliane Juchli, auch zur übersichtlichen Ge-staltung von Formularen verwendet, z. B. als Checklisten für die Pfl egeanamnese, um den Pfl egenden das Sortieren und Doku-mentieren der gewonnenen Informationen zu erleichtern ( 1.11).

Manche Pfl egende benutzen diese Formu-lare für die Sammlung pfl egerelevanter In-formationen im Gespräch mit dem Patienten ( Abb. 1.3). Dies kann als Gedankenstütze sinnvoll sein, birgt aber die Gefahr eines „Abarbeitens“ in sich. Aus diesem Grund gilt es, sich vor einem Gespräch zu überlegen, ob die Checkliste bei dem jeweiligen Patienten angebracht ist und, wenn ja, welche Fragen gestellt werden sollten. So ist es etwa nicht notwendig, einen Patienten, der seine Kör-perpfl ege selbstständig vornehmen kann, nach seinen Gewohnheiten beim Waschen zu fragen. Außerdem beschränken die Pfl e-genden ihre Beobachtungen nicht nur auf die Fragen der Checkliste, sondern sie stellen Fragen, die über die der Checkliste hinausge-hen, und beobachten den Patienten während des Gesprächs.

Informationssammlung mithilfe

von Assessmentinstrumenten

Assessmentinstrumente (z. B. Fragebögen, Skalen) dienen dazu, bestimmte Pfl egephä-nomene zielgerichtet anhand festgelegter Kriterien einzuschätzen.Pfl egeassessment 1.9

SPICKZETTELPfl egeprozess in 6 Schritten

Schritt 1 – Informationssammlung

• Direkte Information: direkt am Pa-tienten gewonnene Information

• Indirekte Information: Aussagen an-derer (Angehörige, Einweisungsdiag-nosen, Überleitungsberichte)

• Subjektive Information: Aussagen und Einschätzungen des Patienten selbst

• Objektive Information: messbare In-formationen (Blutdruck, Puls, Tempe-ratur)

• Informationssammlung auf Basis von Pfl egetheorien– Nach Roper und Juchli: Erfassung

von Einschränkungen und Unter-stützungsbedarf in den Aktivitäten des täglichen Lebens

– Nach Orem: Erfassung von Selbst-pfl egefähigkeiten und -defi ziten

– Nach Leininger: Erfassung des so-ziokulturellen Hintergrunds des Patienten

• Hilfsmittel: Formulare, Assessment-instrumente.

1.3 Erkennen von Pfl ege-

problemen und Ressourcen

Pfl egebedürft igkeit 16.1.1

DEFINITION

Pfl egeproblem:  Beeinträchtigung der Ge-sundheit und Selbstständigkeit bzw. der Lebensprozesse des Patienten, deren Ausgleich er nicht aus eigener Kraft erlan-gen kann und die durch pfl egerische Interventionen positiv beeinfl usst werden können. Folgende Arten von Pfl egepro-blemen können unterschieden werden:

Generelle Pfl egeprobleme:  Betreff en al-le Patienten unter den gleichen Bedin-gungen, z. B. Pneumoniegefahr ( 3.5) bei allen älteren, immobilen Patienten oder eine erhöhte Infektionsgefahr bei allen abwehrgeschwächten Patienten.

Individuelle Pfl egeprobleme:  Spezifi -sche Probleme einzelner Patienten, die sich auch aus den generellen Pfl egepro-blemen ergeben können.

Aktuelle Pfl egeprobleme:  Diese liegen bei der Anamnese konkret vor und er-fordern pfl egerisches Handeln.

Potenzielle Pfl egeprobleme:  Diese lie-gen im Moment der Datenerhebung noch nicht vor, es besteht jedoch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass diese Probleme auftreten könnten.

Verdeckte Pfl egeprobleme:  Es handelt sich um Probleme, die übersehen wur-den oder die vom Patienten nicht geäu-ßert wurden.

Ressourcen  (franz.: Mittel, Quelle): Fä-higkeiten und Fertigkeiten des Patien-ten, Folgen von Gesundheitsproblemen aus eigener Kraft auszugleichen.

Nach der Informationssammlung werden im zweiten Schritt des Pfl egeprozesses aus den gesammelten Informationen die rele-vanten Pfl egeprobleme und Ressourcen erfasst. Dieses Erfassen erfordert eine gründliche und überlegte Vorgehensweise der Pfl egefachperson. Die gewonnenen In-formationen werden zunächst sortiert, auf ihre Bedeutung hin geprüft , dann mit ande-ren Informationen verglichen, in Beziehung gesetzt und schließlich interpretiert.

Am Ende der Einschätzungsphase steht die abschließende Gesamtbeurteilung, um welche zentralen Pfl egeprobleme – sofern diese vorhanden sind – es sich im vorliegen-den Fall handelt. Die Pfl egende hält diese z. B. stichwortartig, aber für alle Beteiligten verständlich im Dokumentationssystem ( 1.11) fest und vermerkt möglichst auch die Ursachen. So kann z. B. ein Flüssigkeits-

Informationssammlung:

Abb. 1.3 Pfl egefachperson im Aufnahmegespräch mit einer an Diabetes erkrankten Patientin. Bei ihrer Informationssammlung orientiert sie sich an einer Checkliste und berücksichtigt dabei die indi-viduelle Situation der Patientin. [Foto: K115]

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defi zit ganz verschiedene Ursachen haben, etwa Verletzungen, Erbrechen oder De-menz. Die Dokumentation eines Pfl egeprob-lems kann aber auch standardisiert in Form einer Pfl egediagnose ( 1.8) erfolgen.

Ebenso wichtig wie das Erfassen von Pfl e-geproblemen ist das Erfassen der Ressour-cen, um eine umfassende und insbesondere aktivierende Pfl ege ( 17.3.1) leisten zu kön-nen. Voraussetzung dazu ist die Feststellung, über welche Ressourcen ein Patient verfügt.

Diese können aus den Fähigkeiten des Betroff enen, aus dessen Motivation oder Widerstandsfähigkeit (Resilienz) bestehen und z. B. unterteilt werden in:• Körperliche Ressourcen, z. B.: Patient

kann selbstständig trinken, kann sich al-leine vom Bett zum Stuhl transferieren

• Psychische Ressourcen, z. B.: Patient hat eine positive Grundhaltung, ist moti-viert, seine Gesundheit zu verbessern

• Spirituelle Ressourcen, z. B.: Patient fi n-det Kraft im Glauben

• Räumliche Ressourcen, z. B.: Patient kann seine Wohnung barrierefrei errei-chen, verfügt über einen Hausnotruf

• Soziale Ressourcen, z. B.: Familienange-hörige bilden ein unterstützendes Hilfe-netz

• Ökonomische Ressourcen, z. B.: Patient hat Anspruch auf Leistungen aus der Pfl egeversicherung.

Ressourcen sind nicht immer so off ensicht-lich wie im folgenden Beispiel.

Fallbeispiel

Die Pfl egeprobleme von Timo Kaiser be-stehen darin, dass er dekubitusgefähr-det ist, da er strenge Bettruhe einhalten muss, stark bewegungseingeschränkt ist und unter Schmerzen leidet. Seine Ressourcen zeigen sich darin, dass er in der Lage ist, die Gefahr zu erkennen, und dass er sich im Bett selbst etwas bewegen kann. Entsprechend erstellen die Pfl egenden einen Bewegungsplan ( 9.6.1).

Falls Schwierigkeiten bestehen, Ressourcen zu fi nden, helfen folgende Fragen weiter:• Welche Tätigkeiten kann der Patient

selbst ausüben bzw. über welche Selbst-pfl egefähigkeiten verfügt er?

• Welche Gewohnheiten und Vorlieben hat der Patient?

• Wie lässt sich der Patient motivieren?• Welche Dinge oder Umstände erleich-

tern es dem Patienten, Unangenehmes zu ertragen, das sich (vorerst) nicht überwinden lässt?

Die Förderung von Ressourcen bzw. die Stärkung des Beitrags des Patienten zu sei-nem Wohlbefi nden kann die Motivation des Patienten verbessern und sein Selbst-wertgefühl steigern.

Nach Erfassung aller Probleme und Res-sourcen ergibt sich daraus der individuelle Pfl egebedarf.

SPICKZETTELPfl egeprozess in 6 Schritten

Schritt 2 – Erkennen von Pfl egeproble-

men und Ressourcen

• Pfl egeprobleme:

– Generelle, individuelle, aktuelle, potenzielle und verdeckte Proble-me

– Gesamtbeurteilung der zentralen Probleme am Ende der Einschät-zungsphase

• Ressourcen: Körperliche, psychische, spirituelle, räumliche, soziale, ökono-mische Fähigkeiten und Motivationen.

1.4 Festlegen von Pfl ege-

zielen

DEFINITION

Pfl egeziel:  Beschreibung eines Soll-Zu-stands bzw. eines angestrebten Ergeb-nisses, das der Patient – ggf. mit Unter-stützung durch Pfl egende – erreichen kann und soll. Unterschieden werden Nahziele, die in absehbarer Zukunft zu erreichen sind, und Fernziele, auf die länger hingearbeitet werden muss.

Um überprüfen zu können, ob der Patient die Pfl egeziele abschließend auch tatsäch-lich erreicht hat, werden diese genau festge-legt. Dies umfasst eine Zeitvorgabe und den Zustand, den er bis dahin erreichen soll, oder die Tätigkeit, zu der er bis dahin fähig sein sollte.

Eine solche Formulierung könnte etwa lauten: „Herr Kaiser geht in zwei Wochen (konkretes Datum benennen) in Begleitung zur Toilette“.

Es darf dabei nicht irritieren, dass Herr Kaiser heute noch nicht das Bett verlassen kann. Es handelt sich ja um Ziele und nicht um Eintragungen in den Pfl egebericht, in dem Tatsächliches festgehalten wird. Die Tatsache, dass diese Ziele noch nicht er-reicht sind, wird durch die Eintragung an der im Dokumentationssystem für Ziele vorgesehenen Stelle zum Ausdruck ge-bracht. Hilfsverben wie „sollen“, „müssen“ oder „können“ sind nicht sinnvoll.

Ein korrekt formuliertes Pfl egeziel beinhal-tet folgende Anforderungen z. B. nach der SMART-Regel :• Spezifi sch: Ist die Pfl egemaßnahme spe-

ziell auf die Situation des Patienten bezo-gen?

• Messbar: Lässt sich das Ergebnis be-schreiben oder messen?

• Akzeptiert: Ist der Patient mit dem Vor-gehen einverstanden und setzt er dieses um?

• Realisierbar: Sind die festgelegten Ziele für den Patienten realistisch erreichbar?

• Terminierbar: Ist die Umsetzung der Pfl egemaßnahme bis zu einem bestimm-ten Termin zu erreichen?

Schlagwörter wie „größtmögliche Selbst-ständigkeit“ oder „baldige Entlassung“ gel-ten prinzipiell für alle Patienten und kön-nen die Aufgabe einer Zielbeschreibung – nämlich die Auswahl geeigneter Maßnah-men zu erleichtern und den Patienten zu motivieren – nicht erfüllen.

In Abhängigkeit vom Pfl egeziel entschei-den sich die Pfl egenden in Abstimmung mit dem Patienten dann bewusst für entspre-chende Pfl egemaßnahmen.

1.5 Planung der Pfl ege-

maßnahmen

Pfl egeplanung in der Praxis 1.10Die zwischen Patient und Pfl egefachperson besprochenen Pfl egemaßnahmen werden konkret als Antwort auf folgende W-Fragen formuliert: „Wer macht wann, was, wie, womit?“ Die Formulierung ist dabei so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig zu halten.

Entscheidungsgrundlagen

Die Pfl egefachperson triff t – möglichst in Abstimmung mit dem Patienten – ihre Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Pfl egemaßnahme aufgrund ihrer Erfahrung und Intuition sowie unter Berücksichtigung des aktuellen

pfl egerischen Wissens auf Basis der festgestellten Pfl egebedürftigkeit. Hier-zu informiert sie sich in Lehrbüchern, Fachzeitschriften oder – in kompakter Form – in Pfl egestandards oder Exper-tenstandards ( 47.7.1) über den aktu-ellen Wissensstand und evidenzbasier-te Informationen ( 50.2.5).

Eine Überprüfung, ob die Maßnahmen ein-deutig und präzise formuliert sind, fi ndet z. B. nach Schichtwechsel statt, wenn die Pfl egenden im Spätdienst die Patienten

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nach Plänen des Frühdienstes pfl egen. Flos-keln und Redewendungen wie „psychische Betreuung“ oder „Angst nehmen“ erfüllen diese Kriterien dabei ebenso wenig wie „Man sollte den Seelsorger rufen“ oder „versuchen, auf den Patienten einzuwir-ken“. Richtig sind Aussagen wie „Patient zu den Mahlzeiten an den Tisch setzen“ oder „Sozialstation bezüglich des Antrags bei der Pfl egeversicherung informieren“.

Existieren für bestimmte Pfl egemaßnah-men oder Pfl egediagnosen schon Leitlinien oder Standards ( 47.6.2), können diese In-halte für die Pfl egeplanung herangezogen werden [8], [9], [10], [11].

Planung für die Pfl ege

Wird die Pfl egeplanung als Planungs-instrument der Pfl ege verstanden, ist ausgeschlossen, dass auch die vom Arzt angeordneten Maßnahmen (z. B. das Verabreichen von Injektionen) in die Pfl egeplanung einbezogen werden. Denn bei diesen Maßnahmen haben die Pfl egenden in der Durchführung keinen Entscheidungsspielraum. Sie führen die vom Arzt angeordneten Maßnahmen aber selbstverständlich genauso gewis-senhaft aus wie die von ihnen selbst ge-planten. Außerdem dokumentieren sie deren Durchführung auf dem Durchfüh-rungskontrollblatt.

SPICKZETTELPfl egeprozess in 6 Schritten

Schritt 3 – Festlegung von Pfl egezielen

• Nah- und Fernziele gemeinsam mit dem Patienten festlegen

• SMART-Formulierung der Ziele (spezi-fi sch, messbar, akzeptiert, realisier-bar, terminierbar.)

Schritt 4 – Planung der Pfl egemaß-

nahmen

• Entscheidung für Pfl egemaßnahmen auf Basis von Erfahrung, Intuition und aktuellem Fachwissen

• Festlegung von Zuständigkeiten und Beschreibung der Maßnahmen

• Überprüfung der Maßnahmenpla-nung auf ausreichend präzise Formu-lierung.

1.6 Durchführung der

Pfl egemaßnahmen

Nach Festlegung von Zielen und geplanten Pfl egemaßnahmen werden die Pfl egemaß-nahmen entsprechend durchgeführt. Zur korrekten Durchführung können die Aus-

führungen in den Pfl egestandards zu Hilfe genommen werden. Manchmal treten Schwierigkeiten auf, weil einzelne Team-mitglieder die Pfl egepläne als nicht korrekt ansehen oder nicht bereit sind, sich an die von anderen aufgestellten Pfl egepläne zu halten. Dann ist ein Gespräch im Team und ggf. mit dem Patienten notwendig, in dem die Beteiligten die Pfl egepläne noch einmal prüfen, sich einigen und somit eine für alle verbindliche Entscheidung treff en.

Grundsätzlich ist ein Gespräch im Team über geplante Pfl egeziele und Pfl egemaß-nahmen, z. B. während der Pfl egevisite ( 47.7.5), äußerst positiv, weil dann die eigenen Gedanken zur Einschätzung der Pfl egesituation begründet werden müssen und sich dadurch ein neues Qualitätsbe-wusstsein ( 47.7) einstellen kann.

1.7 Auswertung und

Ergebnisse

Vor dem Hintergrund, dass die Behandlung und Betreuung von Patienten zielgerichtet und sinnvoll mit dem Einsatz der notwen-digen Methoden und Mittel durchgeführt werden soll, wird nachgefragt, welche Er-gebnisse (engl.: Outcomes) während der Behandlung und Betreuung erzielt wurden.

Ergebnisse können bezogen auf den neu-en Zustand (z. B.: „Herr Kaiser geht alleine zur Toilette“) oder auch als Unterschied zu vorher (z. B.: „Dekubitus Grad  2 hat sich jetzt zu Dekubitus Grad  1 verändert“) be-schrieben werden.

Können Ergebnisse speziell auf die Wir-kung von Pfl egemaßnahmen zurückgeführt werden, spricht man auch von Pfl egeergeb-nissen. Die genaue Messung der Ergebnisse gestaltet sich aber oft schwierig, weil die Si-tuationen im Betreuungsverlauf nicht im-mer vergleichbar sind. Darüber hinaus ist es manchmal nicht einfach zu beurteilen, ob ein veränderter Zustand tatsächlich auf eine Pfl egemaßnahme oder auf einen ande-ren Einfl ussfaktor zurückzuführen ist.

Zur Auswertung ( Evaluation) der durch-geführten Pfl egemaßnahmen gehören:• Überprüfung, inwieweit die erwarteten

Ergebnisse (Zielerreichung) eingetreten sind

• Suche nach Gründen, warum sie evtl. nicht eingetreten sind

• Veränderung des Pfl egeplans entspre-chend den neu gewonnenen Erkenntnis-sen.

Dazu stellen sich die Pfl egenden folgende Fragen:

• Sind seit der letzten Planung neue Infor-mationen hinzugekommen?

• Sind neue Probleme bzw. Pfl egediagno-sen aufgetreten?

• Konnten neue Ressourcen entdeckt wer-den?

• Sind die angestrebten Ziele erreicht wor-den? Wenn nicht, warum nicht?

• Können Maßnahmen abgesetzt bzw. müs-sen neue Maßnahmen ergriff en werden?

• Waren die Maßnahmen so wie geplant durchführbar?

Der Zeitpunkt für die Auswertung der er-folgten Pfl ege wird individuell festgelegt. Er ist abhängig von der Dringlichkeit, mit der ein Problem gelöst werden muss, und von der Komplexität der Aufgabenstellung. So wird der Auswertungszeitpunkt z. B. beim Einsatz von Lagerungstechniken bei Rü-ckenschmerzen kurzfristig angesetzt, wäh-rend die Auswertung der aktivierenden Pfl ege zur Behebung eines Selbstpfl egedefi -zits „Sich waschen“ nach einem längeren Zeitraum erfolgen sollte.

Dynamik im Pfl egeprozess

Wird der Prozess als eine starre Abfolge von Handlungsschritten verstanden, zeigt sich häufi g, dass der Plan nicht mit den tatsächlichen Ereignissen in Einklang zu bringen ist. Der Pfl egepro-zess muss als ein dynamisches Gesche-

hen verstanden werden, in dem sich ständig etwas ändern kann. Die Pfl egen-den sind gefordert, aufgrund ihrer fach-lichen Kompetenz in jeder Situation sinnvoll zu reagieren.

SPICKZETTELPfl egeprozess in 6 Schritten

• Schritt 5 – Durchführung der Pfl ege-

maßnahmen: z. B. auf Basis von Ex-pertenstandards

• Schritt 6 – Auswertung:

– Überprüfung der Zielerreichung– Suche nach Gründen für nicht er-

reichte Ziele– Anpassung der Pfl egeplanung auf-

grund der Ergebnisse.

1.8 Pfl egediagnosen und

Pfl egeklassifi kationen

Pfl ege als diagnostischer Prozess

Die Informationssammlung und die daraus abgeleiteten Pfl egeprobleme und Ressour-cen können auch als diagnostischer Pro-zess bezeichnet werden.

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DEFINITION

Pfl egediagnostik  (diagnostischer Pro-zess in der Pfl ege): Wahrnehmen und Beobachten des Patienten und seines Umfelds sowie Betrachtung der Informa-tionen, Erkennen ihrer Bedeutung, Be-urteilung und dann ggf. Zusammenfas-sung zu einer Pfl egediagnose.

Diagnostizieren – das Erkennen, Beschrei-ben und Beurteilen des (pfl egebezogenen) Zustands eines Patienten – gehört in den USA seit den 1980er-Jahren zum Aufgaben-bereich der Pfl ege. Auch in Deutschland wird in der Pfl ege zunehmend vom „Diag-nostizieren“ gesprochen – womit selbstver-ständlich nicht das Diagnostizieren von Krankheiten gemeint ist. Es bedeutet viel-mehr das Erkennen der Folgen von Gesund-heitsproblemen, für die Pfl egende zuständig sind. Der diagnostische Prozess wird zu-nächst defi niert als eine Abfolge von Wahr-nehmung, Beobachtung, Analyse, Interpre-tation und abschließender Beurteilung von gesammelten Informationen. Darüber hin-aus wird dieser Prozess aber auch als ein Be-ziehungsprozess gesehen. Durch die Art der Interaktion zwischen der Pfl egenden und dem Patienten können Informationen besser oder schlechter gesammelt werden. Das Ergebnis wird auch durch Intuition und Erfahrung der Pfl egefachperson beeinfl usst [12].

1.8.1 NANDA-Pfl egediagnosen

DEFINITION

Pfl egediagnose:  „Eine Pfl egediagnose ist eine klinische Beurteilung einer menschlichen Reaktion auf Gesund-heitszustände/Lebensprozesse oder die Vulnerabilität für diese Reaktion eines In-dividuums, einer Familie, Gruppe oder

Gemeinschaft. Eine Pfl egediagnose stellt die Grundlage für die Auswahl der Pfl ege-interventionen zur Erzielung von Outco-mes dar, für die Pfl egepersonen verant-wortlich sind.“ (NANDA-Defi nition, [13])

NANDA International  (North American Nursing Diagnosis Association): Organi-sation in Nordamerika, die sich mit der Bildung, Entwicklung und Klassifi kation von Pfl egediagnosen befasst.

Pfl egediagnosen helfen den Pfl egenden, ihre Beobachtungen zu strukturieren, in-dem sie die erhobenen Informationen mit den Merkmalen von Pfl egediagnosen ver-gleichen und den Patienten beim Vorliegen einzelner Kriterien gezielt auf weitere hin beobachten und befragen. Das Modell der NANDA-Pfl egediagnosen kann also als eine Art Richtlinie für die Durchführung und Dokumentation der Pfl egediagnostik be-trachtet werden [14].

Es lassen sich verschiedene Typen von Pfl egediagnosen unterscheiden: problemfo-kussierende Pfl egediagnose, Risikopfl ege-diagnose und Pfl egediagnosen der Gesund-heitsförderung ( Abb. 1.4).

Problemfokussierende Pfl ege-

diagnose

Nach der Defi nition der NANDA besteht die problemfokussierende Pfl egediagnose aus folgenden Komponenten [13]:• Pfl egediagnosetitel und Defi nition: Be-

schreibung eines Gesundheitsproblems bzw. des Gesundheitszustands eines In-dividuums, einer Familie oder einer Gruppe, z. B. Diagnosetitel „Beeinträch-tigte körperliche Mobilität“, Defi nition „Einschränkung der unabhängigen kör-perlichen Bewegung“

• Beeinfl ussenden Faktoren: Zusammen-stellung von Faktoren, die ursächlich für

dieses Problem sind oder mit ihm in Zu-sammenhang stehen und gleichzeitig Mittelpunkt der pfl egerischen Maßnah-men sind, z. B. „Reduzierte Muskelkraft “, „Schmerzen“

• Bestimmende Merkmale: Dies sind ty-pische Hinweise, die zur Erkennung eines Problems dienen. Diese sind von außen beobachtbar oder werden vom Patienten beschrieben, z. B. „Abnahme der Bewegungsfähigkeit“, „Verlangsamte Bewegungen“.

Der Aufb au einer Pfl egediagnose durch die-se drei Komponenten wird abgekürzt als PÄS-Format (Problem, Ätiologie [beein-fl ussende Faktoren] und Symptome [bestim-mende Merkmale]) bezeichnet. Darüber hi-naus empfi ehlt die NANDA, die Situation des Patienten exakter zu beschreiben, in-dem ein Grad, eine Stufe oder die Intensität eines Problems angegeben wird. Auch die Erscheinungsform und der zeitliche Verlauf unterstützen die präzise Beschreibung.

Risikopfl egediagnose

Die Risikopfl egediagnose benennt Zustän-de, die vorhergesagt werden können, aber noch nicht eingetreten sind. Die Struktur besteht aus zwei Anteilen:• Pfl egediagnosetitel und Defi nition: Be-

schreibung einer Gefahr für den Patienten• Risikofaktoren: Aufl istung von erhobe-

nen Informationen zum Zustand eines Patienten, die zu einer Gefahr für den Patienten werden können.

So könnten z. B. die Informationen „Beein-trächtigte Fähigkeit zu schlucken“, „Redu-zierter Bewusstseinszustand“ und „Ineff ek-tives Husten“ auf eine Aspirationsgefahr hinweisen.

Pfl egediagnosen der Gesundheits-

förderung

Bei diesen Pfl egediagnosen liegen keine ge-sundheitlichen Einschränkungen vor. Sie sind dann von Bedeutung, wenn vonseiten des Patienten der Wunsch besteht, durch Be-ratung und Unterstützung den gesundheitli-chen Zustand zu verbessern. Sie setzen sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: • Pfl egediagnosetitel und Defi nition: Be-

schreibung der Motivation und der Wünsche des Patienten, sein Wohlbefi n-den zu steigern und seine Gesundheits-potenziale auszuschöpfen

• Bestimmende Merkmale: Dies sind ty-pische Hinweise, die zur Erkennung eines Wunsches von Patienten dienen. Diese sind von außen beobachtbar oder werden vom Patienten beschrieben.

Abb. 1.4 Aufbau und Form von NANDA-Pfl egediagno-sen . [L143]

Bestandteile einer Pflegediagnose (NANDA)

Problem-fokussierende Pflegediagnose

Pflegediagnose der Gesundheits-

förderung

Risikopflege-diagnose

TitelDefinition

Bestimmende Merkmale

Bestimmende Merkmale

Risikofaktoren

BeeinflussendeFaktoren

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Beispiele für diese Diagnosen sind: „Bereit-schaft für eine verbesserte Ernährung“, „Be-reitschaft für einen verbesserten Schlaf“.

Ausgangspunkt: beeinfl ussende

Faktoren

Die Pfl egenden planen bei Anwendung der Pfl egediagnosen insbesondere aus-gehend von den beeinfl ussenden Fakto-ren die Pfl egemaßnahmen. Sind dies z. B. bei der Diagnose „Unwirksames Stillen“ die beeinfl ussenden Faktoren „Unzurei-chendes Wissen der Eltern über Stilltech-niken“ oder „Angst der Mutter, mütterli-che Ambivalenz“, setzen die Pfl egenden hier mit den Pfl egemaßnahmen an.

Pro und contra Pfl egediagnosen

in Deutschland

Die ausgearbeiteten, von der NANDA an-erkannten Pfl egediagnosen liegen schon seit 1992 in deutscher Übersetzung vor. Seitdem werden sie kontrovers diskutiert. Einige Kliniken, Altenheime und Sozialsta-tionen in Deutschland haben sich dazu ent-schieden, mit Pfl egediagnosen zu arbeiten. Im Unterschied dazu sind z. B. in Österreich Pfl egediagnosen gesetzlich verankert und weit verbreitet [15]. Auch in der Schweiz und anderen europäischen Ländern werden sie in manchen Einrichtungen angewandt.

Die Nutzenden versprechen sich von Pfl e-gediagnosen die konsequente Anwendung fundierten pfl egerischen Wissens und eine verbesserte Qualität der Pfl egedokumenta-tion. Gerade „Anfängern“ sind Pfl egediagno-sen eine gute Hilfe beim Beschreiben und Benennen der Pfl egeprobleme. Darüber hin-aus können mit Pfl egediagnosen eine ein-heitliche Pfl egesprache, die Vergleichbarkeit von Daten und der bessere Nachweis von Leistungen ( 47.4) vorangetrieben werden. Zur Umsetzung einer EDV-gestützten Pfl e-gedokumentation sind solche standardisier-ten Texte erforderlich ( 1.11).

Demgegenüber kann festgestellt werden, dass manche Pfl egende das System als sehr komplex empfi nden und es ihnen schwer fällt, in der Praxis mit Pfl egediagnosen zu arbeiten. Der Schulungsaufwand wird als recht hoch eingeschätzt.

Anwendbarkeit prüfen

Bevor Pfl egediagnosen in der Praxis ein-gesetzt werden, müssen sie auf ihre sinnvolle Anwendbarkeit in der jeweili-gen Einrichtung kritisch geprüft werden [16], [17], [18], [19].

SPICKZETTELNANDA-Pfl egediagnosen

• Genereller Aufbau: Pfl egediagnosenti-tel und Defi nition, beeinfl ussende Faktoren und bestimmende Merkmale

• Problemfokussierende Pfl egediagno-

sen: PÄS-Struktur (Problem, Ätiolo-gie, Symptome)

• Risikopfl egediagnose: Beschreibung von Gefahren für den Patienten und Aufl istung von Risikofaktoren

• Pfl egediagnosen der Gesundheits-

förderung: Motivation und Wünsche des Patienten zur Verbesserung sei-ner Gesundheitssituation, bestim-mende Merkmale.

Exkurs: Entwicklung von

Fachsprache

Wenn Pfl egende mit Kollegen über fachli-che Fragen diskutieren oder eine Pfl egepla-nung erstellen, bedienen sie sich zur Kom-munikation ( Kap. 39) der Sprache oder Schrift . Nicht selten kommt es zu Missver-ständnissen, und die Gesprächspartner ma-chen die Erfahrung, dass es gar nicht so leicht ist, einen Sachverhalt treff end und eindeutig zu beschreiben, sodass ihn der andere verstehen kann.

In vielen Berufszweigen, etwa bei den Ärzten, wurde deshalb im Laufe der Zeit eine sog. Fachsprache entwickelt. Fachspra-chen zeichnen sich dadurch aus, dass die Be-griff e eines Fachgebiets eindeutig durch eine Defi nition bezeichnet werden. Es handelt sich also genau genommen nicht um eine komplette Sprache, sondern lediglich um eine Sammlung von Fachbegriff en. Dadurch wird eine fachliche und einheitliche Kom-munikation auf hohem Niveau ermöglicht.

Ärzte brauchen sich nicht lange darüber zu unterhalten, was etwa unter einem Myo-kardinfarkt zu verstehen ist, da der Begriff innerhalb der Berufsgruppe eindeutig defi -niert ist. Fachsprache ermöglicht darüber hinaus auch den Informationsaustausch über Landes- und Sprachgrenzen hinweg.

Auch im Bereich der Pfl ege wurde er-kannt, dass die Entwicklung einer Pfl ege-fachsprache von großer Bedeutung für die weitere Professionalisierung ist:

„If we cannot name it, we cannot control it, fi nance it, teach it, research it or put into public policy.“ Norma Lang, [20]

(„Wenn wir etwas nicht benennen können, können wir es nicht kontrollieren, nicht fi nan-zieren, nicht lehren, nicht erforschen und auch nicht in die Politik einbringen.“ [21])

1.8.2 Pfl egeklassifi kationen

Internationale Pfl egeklassi-

fi kationen

Pfl egediagnosen können auch in Klassifi -kationssystemen geordnet werden. Diese dienen dazu, die Fachbegriff e (hier: Pfl ege-diagnosen) sinnvoll zu ordnen und in Be-ziehung zu setzen.

Ist die Entwicklung einer Fachsprache in einem Fachgebiet fortgeschritten, so wer-den die einzelnen Fachbegriff e sortiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Die Be-griff e werden klassifi ziert, d. h., sie werden in ein sog. Klassifi kationssystem eingefügt. Klassifi kationen bilden somit ein Ord-nungsschema oder eine Struktur, in der fachliche Begriff e systematisch sortiert wer-den. Dabei wird jeder einzelne Fachbegriff eindeutig benannt und defi niert, wie es bei-spielsweise bei den oben beschriebenen NANDA-Pfl egediagnosen der Fall ist. Der Diagnosetitel repräsentiert den festgelegten Fachbegriff , der durch die Defi nition erläu-tert wird.

Das bekannteste Klassifi kationssystem im Gesundheitswesen ist die Internationale Klassifi kation der Krankheiten (ICD, 42.9) im ärztlichen Bereich. Auf diesem System basiert z. B. die Kodierung der Diagnosis Re-lated Groups (DRGs, 47.3.1).

Im Bereich der Pfl ege befi nden sich eben-falls verschiedene Klassifi kationssysteme in der Entwicklung. Die Pfl egeklassifi kationen werden für die Wissensbereiche Pfl egedia-gnosen, Pfl egeinterventionen ( 1.6) und Pfl egeergebnisse ( 1.7) gebildet.

Wozu dienen Pfl egeklassi-

fi kationen?

Pfl egeklassifi kationen werden generell für einen speziellen Zweck entwickelt, der im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen kann. So sind im Laufe der Jahre viele ver-schiedene Systeme entstanden, die jeweils auf einen bestimmten Schwerpunkt ausge-richtet sind. Pfl egeklassifi kationssysteme sollen z. B.:• Die Professionalisierung der Pfl ege

( 51.2.3) fördern, (z. B. NANDA-Pfl ege-diagnosen – Taxonomie II)

• Eine einheitliche, internationale Fach-sprache hervorbringen und als Grundla-ge für die Begriff sentwicklung dienen, z. B. ICNP® (International Classifi cation for Nursing Practice)

• Klinische Entscheidungen erleichtern, z. B. CCC (Clinical Care Classifi cation)

• Ergebnisqualität beschreiben, z. B. NOC (Nursing Outcomes Classifi cation)

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• Vergleichbare Daten liefern für Daten-banken in Management, Lehre, For-schung und Praxis, z. B. ICF (Internatio-nal Classifi cation of Functioning, Health and Disability, 42.9)

• Pfl egeleistungen messbar machen, z. B. LEP® (Leistungserfassung und Prozessdo-kumentation im Gesundheitswesen)

• Die Einführung EDV-gestützter Pfl ege-dokumentation ( 1.11) erleichtern, z. B. ICNP®.

Die zwei bekanntesten Klassifi kationen sind hierbei die NANDA-Pfl egediagnosen [20] und die ICNP®.

NANDA-Pfl egediagnosen –

Taxonomie II

Die 233 (Stand: 2017) Pfl egediagnosen der NANDA wurden von einer Arbeitsgruppe aus Pfl egetheoretikern und Praktikern in 13 Gruppen (Domänen) sog. gesundheitsbe-zogener Verhaltensmuster gegliedert. Die-se enthalten jeweils mehrere Untergruppen, in denen Pfl egebegriff e defi niert sind ( Abb. 1.5). Diese Gliederung (Taxonomie) kann z. B. in der Praxis zur Strukturierung des Aufnahmegesprächs genutzt werden [13].

ICNP® Internationale Klassifi kation

für die Pfl egepraxis

Der International Council of Nurses (Welt-bund der Pfl egenden) (ICN) arbeitet seit 1989 an einem Klassifi kationssystem, das als Internationale Klassifi kation für die Pfl e-gepraxis (International Classifi cation for Nursing Practice: ICNP® ) bezeichnet wird. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung einer weltweiten Fachsprache der Pfl ege. Die WHO hat inzwischen die ICNP® als rele-vante internationale Klassifi kation der Pfl e-ge anerkannt.

In Europa wurde die Entwicklung maß-geblich vom Dänischen Institut für Gesund-heits- und Pfl egeforschung (Danish Institute for Health and Nursing Research, DIHNR) unterstützt. Inzwischen ist die ICNP® in ca. 30 Sprachen übersetzt. In vielen Ländern laufen Projekte zur Erprobung und Weiter-entwicklung der ICNP®. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz wurde 2003 das erste ICNP®-Center gegründet, das als Kommunikationsplattform für Projekte im deutschsprachigen Raum dient [15].

Aufbau der ICNP®

Die ICNP® beinhaltet sieben Hauptgrup-pen, in denen derzeit ca. 5.000 Pfl egebegrif-fe und Begriff skombinationen aufgelistet sind. Durch die Kombination einzelner Be-griff e können Pfl egediagnosen, Pfl egehand-lungen und Pfl egeergebnisse beschrieben

werden. Die ICNP® zeichnet sich damit als ein umfassendes Begriff ssystem für pfl ege-bezogene Fachausdrücke aus. Das Klassifi -kationssystem bedarf aber einer ständigen Weiterentwicklung [22], [23].

Klassifi kationen und Ordnungs-

systeme im deutschsprachigen

Raum

Auch im deutschsprachigen Raum wurden Klassifi kationen und Ordnungssysteme entwickelt. Beispiele hierfür sind:

ENP (European Nursing Care Pathways): wird seit 1989 in Deutschland entwickelt, um den Pfl egeprozess in einer einheitli-chen, sektorenübergreifenden Sprache ab-zubilden. Das System wird in etlichen Ein-richtungen zur Pfl egedokumentation ver-wendet.

Pfl egetypologie apenio®: wird seit 2000 von der Universität Bremen und einem Pri-vatunternehmen entwickelt, um den Pfl ege-prozess in einer einheitlichen, sektoren-übergreifenden Sprache abzubilden. Das System wird in etlichen Einrichtungen zur Pfl egedokumentation verwendet.

LEP® (Leistungserfassung und Prozessdo-kumentation im Gesundheitswesen): wird seit 2000 in der Schweiz entwickelt. Der Schwerpunkt liegt hier in der systemati-schen Abbildung und Erfassung von Pfl ege-leistungen als Unterstützung zur Pfl egedo-kumentation und zur Leistungserfassung.

Nahrungsaufnahme StoffwechselAbsorptionVerdauung Flüssigkeitszufuhr

Gefahr einesunausgeglichenen

Flüssigkeits-volumens

Flüssigkeits-überschuss

Gefahr einesFlüssigkeitsdefizitsFlüssigkeitsdefizit

Gefahr einesElektrolyt-

ungleichgewichts

WahrnehmungKognition

Aktivität/Ruhe

BefindenGesundheits-förderung

Wachstum/Entwicklung

SexualitätSelbstwahr-nehmung

AusscheidungSicherheit/ SchutzErnährung Lebens-

prinzipienCoping/

StresstoleranzRollen-

beziehungen

Pflegediagnosen

Abb. 1.5 Ausschnitt aus der NANDA-Pfl egediagnosenklassifi kation. Die obere Ebene zeigt die 13 Hauptgruppen (Domänen), die mittlere Ebene exemplarisch die Untergruppen (Klassen) zur Domäne Ernährung und die untere Ebene die Titel der Pfl egediagnosen zur Klasse Flüssigkeitszufuhr. [L143]

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1 . 9 P F L E G E A S S E S S M E N T 1

Das System ist in der Schweiz häufi g, in Deutschland teilweise eingeführt.

SPICKZETTELPfl egeklassifi kationen

International:

• NANDA-Pfl egediagnosen Taxonomie II: 233 Pfl egediagnosen in 13 Grup-pen gesundheitsbezogener Verhal-tensmuster

• ICNP® Internationale Klassifi kation für die Pfl egepraxis: Entwicklung einer internationalen Fachsprache mit aktuell 5.000 Pfl egebegriff en in 7 Hauptgruppen

• CCC (Clinical Care Classifi cation)• NOC (Nursing Outcomes Classifi ca-

tion)• ICF (International Classifi cation of

Functioning, Health and Disability)Im deutschsprachigen Raum:

• ENP (European Nursing Care Pa-thways)

• LEP® (Leistungserfassung und Pro-zessdokumentation im Gesundheits-wesen)

• Pfl egetypologie apenio®.

1.9 Pfl egeassessment

DEFINITION

Pfl egeassessment:  Zielgerichtete und überlegte Einschätzung von Pfl egephä-nomenen.

Assessment (engl. „to assess“ = einschät-zen, bewerten) bedeutet Einschätzung. In der Pfl ege werden z. B. das Schmerzempfi n-den, der Grad der Verwirrtheit, die Übel-keit, die Lebenszufriedenheit oder auch be-stimmte Risikofaktoren, z. B. das Th rombo-se-, das Dekubitus- oder das Obstipations-risiko eingeschätzt. Aus dieser Einschätzung kann abgeleitet werden, was pfl egerisch zu tun ist. Ein hoher Wert auf einer Schmerz-skala gibt z. B. einen Hinweis darauf, wie stark die Schmerzen sind und dass eine an-gepasste Schmerztherapie erfolgen sollte.

Methoden-Mix

Entscheidend für die Planung pfl egeri-scher Maßnahme ist nicht allein das Er-gebnis eines Assessments, sondern das Gesamtbild, das sich aus vielen ver-schiedenen Assessmentmethoden er-gibt.

1.9.1 Assessmentmethoden

Pfl egehandlungen können durch eine rein intuitive Einschätzung begründet sein oder aber aus verschiedenen Assessmentmetho-den abgeleitet werden ( Abb. 1.6). Beispie-le für Assessmentmethoden sind:• Befragungen des Patienten oder der An-

gehörigen, z. B. im Rahmen der Pfl ege-anamnese

• Nutzung technischer Geräte, z. B. eines Pulsoximeters oder eines Blutdruckgeräts

• Gezielte Beobachtung, z. B. von Hautfar-be, Verhalten, Gerüchen

• Dokumentenanalyse, z. B. Einschätzung des Komplikationsrisikos aufgrund eines Überleitungsprotokolls

• Anwendung strukturierter Assessment-methoden, z. B. Skalen, Fragebögen.

Häufi g wird in der Pfl ege von Assessment gesprochen, wenn eigentlich strukturierte Assessmentinstrumente (Skalen, Fragebö-gen) gemeint sind. Assessmentinstrumente sind aber nur eine von vielen Assessment-varianten. Alle Einschätzungsvarianten die-nen dazu, eine Pfl egediagnose zu erstellen oder einen direkten Handlungsbedarf abzu-leiten [24].

Assessment oder Assesmentinstru-

ment?

Skalen (z. B. Risikoskalen) oder Frage-bögen sind Varianten von Assessments. Sie werden Assessmentinstrumente ge-nannt.

1.9.2 Aufbau von Assessment-

instrumenten

Assessmentinstrumente bestehen aus mehreren Einzelfragen, die Items genannt

werden. Die verschiedenen Formen von Items lassen sich am Beispiel des Schmerz-assessments ( Abb. 1.7) verdeutlichen:• Dichotome Antworten: Es gibt Items,

die nur zwei Ausprägungen ermöglichen. So gibt es z. B. bei der Frage „Hatten Sie in den vergangenen 24 Stunden Schmer-zen?“ als Antwortoptionen nur „Ja“ oder „Nein“

• Numerische Rangskala (NRS): Angabe der Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 10

• Visuelle Analogskala (VAS): Einzeich-nen der Schmerzintensität auf einer Li-nie, deren Extrempole (keine/sehr starke Schmerzen) meist durch Smileys darge-stellt werden

• Verbale Rangskala (auch verbale Ra-tingskala): Angabe der Schmerzintensität mit vorgegebenen Antwortmöglichkei-ten wie „keine, leichte oder starke Schmerzen“

• Gesichterskala: Angabe der Schmerzin-tensität durch Ankreuzen von Gesichts-ausdrücken

• Likert-Skala: Selbsteinschätzungen an-hand vorgegebener Aussagen (z. B. „Die Schmerzen reduzieren meine Freizeitak-tivitäten“); Antwortmöglichkeiten zwi-schen 1 („trifft zu“) und 5 („trifft nicht zu“)

• Lokalisation: Eine weitere Variante wird genutzt, um die Lokalisation von Schmerzen zu beschreiben, z. B. beim Brief Pain Inventory ( Abb. 1.7).

Den Antwortmöglichkeiten in einem Frage-bogen sind meist bestimmte Zahlenwerte zugeordnet, die Itemwerte heißen. Meist werden die Itemwerte über das komplette Instrument addiert, um auf diese Weise zu einem sog. Summenwert zu gelangen.

Einschätzungen

IntuitiveEinschätzungen

Assessment-Instrumente

Gespräch mitPatienten

Nichtinstrumentengestützte Assessments

Pflegeassessment

Beobachtung ChecklistenFragebögenSkalen

Abb. 1.6 Einschätzungsvarianten in der Pfl ege. [L143]

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Auswertung

Summe der Itemwerte = Summenscores oder Summenwert.

Die Summenscores werden genutzt, um hieraus entsprechende Bewertungen, bei-spielsweise Intensität der Schmerzen, Grad der Pfl egebedürft igkeit oder ein Risiko ab-zuleiten.

Es gibt aber auch Instrumente, die meh-rere Unterskalen beinhalten. Diese Skalen erfragen nicht nur einen Aspekt, sondern mehrere Aspekte. Man spricht von mehr-dimensionalen Fragebögen. Ein Beispiel ist der Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung, der zwei Dimensio-nen misst: Schmerzbewältigung mit 24 Items und schmerzbedingte psychische Be-einträchtigungen mit 12 Items. Hier müs-sen dann, obwohl es ein gemeinsamer Fra-gebogen ist, zwei Summenwerte berechnet werden.

Der Barthel-Index ist ein Instrument mit 10 Items zur Erfassung der Selbstständig-keit bei grundlegenden Alltagsaktivitäten. Er wird v. a. in der Altenpfl ege und der geri-atrischen Reha genutzt ( 17.4.2).

Schulungsbedarf

Besonders bei aufwändigen Assess-mentinstrumenten sind Schulungen für

die Anwender notwendig.

1.9.3 Rolle von Assessment-

instrumenten im Pfl egeprozess

Assessmentinstrumente haben eine wichti-ge Rolle im Pfl egeprozess , besonders im Schritt „Informationssammlung“ ( 1.2) und bei der Auswertung ( 1.7).

Beitrag zur Informationssammlung

Assessmentinstrumente können die pfl egeri-sche Einschätzung zu Beginn des Pfl egepro-zesses unterstützen. Sie geben einen Hinweis auf relevante Pfl egeprobleme oder sichern das pfl egerische Urteil ab [25]. Ein Beispiel:

Wenn mehrere Patienten gleichzeitig in der Notaufnahme eingeliefert werden, muss entschieden werden, welche Patienten als erste behandelt werden sollen. Hierzu gibt es Assessmentmethoden, die eine erste Ein-schätzung der Dringlichkeit ermöglichen. Diese Assessmentinstrumente werden Tria-

ge- oder Schweregrad-Indizes ( 14.7.1) ge-nannt.

Assessment liefert nur Hinweise

Die eigentliche Bewertung muss letztend-lich aber die Pfl egefachperson überneh-men, d. h., sie muss hierzu noch weitere Kriterien berücksichtigen, die nicht durch das Assessmentinstrument abgefragt werden können. Das Assessmentinstru-ment kann nur einen Hinweis liefern, um entsprechende Maßnahmen zu planen.

Insbesondere sog. Risiko-Assessmentinst-rumente kommen häufi g im Rahmen der Informationssammlung zum Einsatz. So wird beispielsweise zu Beginn des Klinik-aufenthalts das Dekubitusrisiko mittels der Norton-Skala bewertet. Der Summenscore ist ein Anhaltspunkt, ob präventive Maß-nahmen (z. B. Lagern) notwendig sind. Er gibt allerdings nur Hinweise. Eine Planung von Lagerungen nur aufgrund dieses Sum-menwerts wäre falsch, da Störfaktoren den Wert beeinfl ussen können. Außerdem sind natürlich die Wünsche des Patienten und dessen Gesamtsituation zu berücksichtigen.

Erkennen von Pfl egeproblemen

Viele Patienten entwickeln auf Intensivsta-tionen – besonders wenn sie beatmet sind – unbemerkt ein Delir ( 12.3.2). Beson-ders ein hypoaktives Delir lässt sich nur schwer erkennen. Zur Erkennung kann ein Delir-Assessmentinstrument genutzt wer-den, z. B. die Confusion Assessment Method for the Intensiv Care Unit (CAM-ICU) [26].

Ob eine Wundbehandlung erfolgreich ist, kann mit Instrumenten zur Erfassung der Wundheilung – z. B. der Pressure Ulcer Scale for Healing (PUSH) – bestimmt wer-den [27]. Aber auch hier gilt: Eine Einschät-zung mit einem Assessmentinstrument kann eine Einschätzung durch professionel-le Pfl egende nicht ersetzen.

Pfl egeassessments ermöglichen also in unterschiedlichen Phasen des Pfl egeprozes-ses die pfl egerische Einschätzung, die zur Maßnahmenplanung, Umsetzung und Be-wertung notwendig ist.

1.9.4 Varianten von Assess-

mentinstrumenten

Es gibt weltweit eine große Anzahl von As-sessmentinstrumenten (Beispiele Tab. 1.2), [28], [29]. Die Zahl der deutschsprachigen Assessmentinstrumente wird auf ca. 200 ge-schätzt. Daher ist es sinnvoll, diese zu syste-matisieren.

Abb. 1.7 Verschiedene Items im Rahmen eines Schmerzassessments: di-chotome Antworten (1), Lo-kalisation (2), numerische Rangskalen (3–6). [F516]

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Selbst- und Fremdassessment

Pfl egeassessments müssen nicht zwingend von Pfl egenden für den Patienten durchge-führt oder genutzt werden (Fremdassess-ment). Beispielsweise können auch Patien-ten selbstständig ein Schmerztagebuch füh-ren (Selbstassessment), oder Angehörige nehmen eine Einschätzung für den Patien-ten vor (Fremdassessment).

Papierversion vs. elektronisches

Assessment

Meist liegen Assessmentinstrumente in Papierform (sog. Paper-Pencil-Bögen) vor. Sie werden von Pfl egenden ausgefüllt, aus-gewertet, in die Dokumentation übertragen und archiviert. Manchmal nutzen Pfl egende Dokumentationsblätter, auf denen mehrere Assessmentinstrumente gemeinsam abge-druckt sind.

Es gibt auch elektronische Assessments [30]. Hierbei werden die Angaben in einem Tablet oder einem Smartphone vorgenom-men. Die Angaben können direkt in die di-gitale Pfl egedokumentation übertragen werden. Für fast alle gängigen Pfl egeassess-mentinstrumente liegen inzwischen solche elektronischen Varianten vor. Da die Geräte auch eine automatische Eingabeauff orde-rung ermöglichen, können die Geräte beim Patienten bleiben, der dann selbstständig die Eingaben vornehmen kann.

Zu den elektronischen Assessments zäh-len auch automatische Messungen durch sog. „Wearables“, also tragbare Geräte, die z. B. die Schritte, den Puls und die Bewe-gung messen ( Abb. 1.8).

Screening

Screening s sind Varianten von Assess-ment instrumenten. Sie werden verwendet, um zu einer ersten groben Einschätzung zu gelangen. Ein Screening ist nur der erste Schritt zur Diagnose. Wenn das Ergebnis des Screenings positiv ist, folgt eine weitere, genauere Abklärung. Ein Beispiel:

Der Mini Mental Status Test (MMST) ist ein Test zur Erfassung der kognitiven Leis-tungsfähigkeit. Er misst die Merkfähigkeit, die Orientierung und die Aufmerksamkeit. Dieser Test ist ein Standardverfahren für die erste Einschätzung bei der Informa-tionssammlung insbesondere in der Alten-pfl ege. Niedrige Werte deuten auf kognitive Defi zite hin. In diesem Fall sind weitere, umfangreichere Messungen notwendig, z. B. weitere psychologische Testverfahren, um die Einschätzung zu bestätigen oder zu konkretisieren. Weitere häufi g genutzte Screenings sind Skalen zur Erfassung des Ernährungszustands, z. B. das Mini Nutri-tional Assessment (MNA, 7.2).

Zur Systematisierung von Assessment sind in der Pfl ege zwei weitere Begriff e ge-bräuchlich:• Basisassessments entsprechen den

Screenings. Sie dienen dazu, einen ersten groben Handlungsbedarf aufzudecken

• Fokusassessments stellen ein konkretes Pfl egephänomen in den Mittelpunkt. Sie sind genauer, aber auch aufwändiger in der Durchführung.

Standardisierte vs.

unstandardisierte Assessment-

instrumente

Standardisierte Assessmentinstrumente nutzen Standards, wie das Verfahren anzu-wenden und auszuwerten ist. Dies regelt ein begleitendes Manual. Sie sind häufi g an großen Patientengruppen getestet worden und liefern damit verlässlichere Ergebnisse als unstandardisierte Assessmentinstru-mente.

SPICKZETTELAssessments

• Assessmentmethoden: Befragung, Nutzung von Messgeräten, gezielte Beobachtung, Dokumentenanalyse, Anwendung standardisierter Assess-ment-Instrumente

• Assessmentinstrumente: Fragebögen mit verschiedenen Antwortmöglich-keiten, z. B. dichotom (ja/nein); nu-merische und verbale Rangskala, vi-suelle Analogskala, Gesichterskala oder Likert-Skala („triff t voll zu“ bis „triff t überhaupt nicht zu“)

• Varianten:

– Assessmentinstrumente für kör-perliche, geistige und funktionelle Aspekte

– Selbst- und Fremdassessment– Screening (Basisassessment,

Identifi kation und grobe Einschät-zung eines Pfl egeproblems)

– Fokusassessment für spezielle Pfl egephänomene.

1.9.5 Pro und Contra Assess-

mentmethoden

Seit den 1990er-Jahren ist die Anzahl an As-sessmentinstrumenten in der Pfl egepraxis deutlich gestiegen. Besonders die Experten-standards haben dazu beigetragen: Mit je-dem Standard gibt es Empfehlungen für die Anwendung von Assessmentmethoden. Vor dem Einsatz ist es allerdings wichtig, die Argumente für und gegen Assessment-instrumente zu kennen. Abb. 1.8 Schrittzähler (sog. „Wearable “). [J787]

Tab. 1.2 Beispiele für häufi g genutzte Assessmentinstrumente .

Pfl egephänomen Beispiele

Assessments für

körperliche

Aspekte

Schmerzen • Visuelle Analogskala

Dekubitusrisiko • Braden-Skala• Norton-Skala• Waterlow-Skala

Thromboserisiko • Autar-DVT-Skala

Sturzrisiko • STRATIFY• Morse-Skala• Downton-Skala

Ernährung • Mini Nutritional Assessment (MNA, 7.2)• Malnutrition Universal Screening Tool (MUST,

7.2)

Atmung • Bienstein-Skala ( 3.5)

Assessments für

geistige Aspekte

Kognitive Leistungen • Mini Mental Status Test

Delir • Confusion Assessment Method

Assessments für

den funktionellen

Status

– • Barthel-Index ( 17.5.1)

• Geriatrisches Basisassessment ( 19.8)

• Functional Independence Measure (FIM, 17.5.1).

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Pro-Argumente

Rechtliche Absicherung

Die Einschätzungen, die sich durch pfl ege-rische Erfahrungen oder die Intuition erge-ben, werden durch den Einsatz eines wis-senschaft lich anerkannten Instruments er-gänzt. Diese instrumentengestützte Ein-schätzung erfolgt meist schrift lich. Im Fall von rechtlichen Auseinandersetzungen kann dann argumentiert werden, dass die dokumentierte Einschätzung mittels As-sessmentinstrument einen Handlungsbe-darf ergeben hat oder eben nicht. Wenn es z. B. postoperativ zu Komplikationen durch eine Obstipation kam, ist es in rechtlichen Auseinandersetzungen hilfreich, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Obsti-pationsassessment mit entsprechenden Ins-trumenten durchgeführt wurde und sich daraus kein Handlungsbedarf ableiten ließ.

Pfl egerische Einschätzung unverzicht-

bar

Es gibt in der Pfl ege unzählige Pfl ege-probleme, für die man nicht immer ein Assessmentinstrument nutzen kann. Die Einschätzung aufgrund der pfl egeri-schen Erfahrung ist also ohnehin unver-zichtbar.

Patientennutzen

Patienten profi tieren von der Anwendung der Instrumente, wenn damit eine genauere Erfassung des Pfl egephänomens möglich ist. Ein Schmerzassessment ermöglicht es z. B., dass Schmerzen richtig erfasst werden, entsprechend darauf reagiert wird und so-mit die Schmerzen reduziert werden. Ein Sturzrisikoassessment führt zu einer Ein-schätzung von Risikofaktoren, die dann mit entsprechenden pfl egerischen Maßnahmen angegangen werden können. Dadurch kön-nen Stürze vermieden werden.

Nutzen nicht erwiesen

Die Pfl egewissenschaft konnte bisher für viele Assessments noch keinen Be-weis erbringen, dass der Patient tat-sächlich davon profi tiert.

Erfassung komplexer Pfl ege-

phänomene

Assessmentinstrumente sind v. a. dann sinn-voll, wenn ein Pfl egephänomen durch die pfl egerischen Erfahrungen und das pfl egeri-sche Wissen allein nicht oder nur schwer einzuschätzen ist. Besonders bei komplexen

Phänomenen, bei denen der Patient nicht di-rekt gefragt werden kann, sind solche As-sessmentinstrumente hilfreich. Beispiele:• Die Erfassung der Lebensqualität bei Pa-

tienten mit Demenz ist nur schwer mög-lich, weil die Betroff enen nicht über ihre Zufriedenheit Auskunft geben können. Ein hilfreiches Instrument zur Bewer-tung der Lebensqualität ist z. B. das Hei-delberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität Demenzkranker (HILDE,

19.2.2), [31]. Es ist jedoch sehr um-fangreich und nur bedingt für den Pfl e-gealltag geeignet

• Gerade auf Intensivstationen ist das Auf-treten eines Delirs oft Anlass für Kompli-kationen und freiheitsentziehende Maß-nahmen. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) empfi ehlt daher den früheren Einsatz einer Skala, die eine verlässliche Einschätzung des Delirs ermöglicht. Da-für gibt es z. B. das Instrument Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit (CAM-ICU).

Assessment überfl üssig?

Immer dann, wenn ein Assessmentins-trument zu denselben Einschätzungen kommt wie die pfl egerische Einschät-zung allein, ist das Instrument eigent-lich überfl üssig.

Steuern der Aufmerksamkeit

Assessmentinstrumente können die Auf-merksamkeit auf relevante Aspekte len-ken. Tatsächlich profi tieren besonders Be-rufsanfänger von den Assessmentinstru-menten. Diese sind eine Hilfe, um auf be-stimmte Aspekte zu achten, die für erfahrene Pfl egefachpersonen oft selbstver-ständlich sind. Insbesondere dann, wenn es zu schleichenden Veränderungen kommt (z. B. bei der Änderung des Ernährungszu-stands), sind Assessmentinstrumente hilf-reich, um die täglichen kleinen Verände-rungen nicht aus dem Blick zu verlieren.

Zeitmangel

Vielfach wird eingewendet, dass für die eigentliche Pfl ege keine Zeit mehr wäre, wenn für alle pfl egerelevanten Aspekte Assessmentinstrumente eingesetzt wür-den. Außerdem gibt es neben den As-sessmentinstrumenten auch andere Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Phänomene zu richten, z. B. Beobachterschulungen oder Bespre-chungen im Pfl egeteam.

Austausch im interprofessionellen Team

Die Anwendung von Assessmentinstrumen-ten führt zu nachvollziehbaren Einschätzun-gen, die dann auch von anderen Berufsgrup-pen genutzt werden können. Die klaren Ein-schätzungsrichtlinien erleichtern das inter-professionelle Verständnis, weil damit sprachliche Unklarheiten vermieden werden.

Contra-Argumente

Fehlende Relevanz für die Pfl ege

Wenn Assessmentinstrumenten nur für Dokumentationszwecke durchgeführt wer-den, haben sie keine Relevanz für die Pfl e-ge. Sie werden dann nicht zur Planung von Pfl egemaßnahmen genutzt.

Konkurrierende Ergebnisse

Der Einsatz von Assessmentinstrumenten ergänzt die Einschätzung, die Pfl egenden ohne solche Instrumente vornehmen. Es kann zu sechs verschiedenen Konstellatio-nen kommen ( Tab. 1.3):

Wenn die nicht instrumentengestützte Einschätzung und die instrumentenbasier-te Einschätzung zu gleichen Ergebnissen kommen (Fälle A und D), dann ist der Ein-satz des Instruments zur Pfl egeplanung überfl üssig. Kritisch ist der Fall, wenn die Einschätzung von Assessmentinstrumen-ten und die nicht instrumentengestützte pfl egerische Einschätzung (Fälle B und C) zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. In diesem Fall muss im Team und mit er-fahrenen Pfl egenden geprüft werden, wel-

Tab. 1.3 Mögliche Konstellationen bei Einschätzungen der Pfelgenden.

Klinischer Eindruck (nicht instrumenten gestütztes

Assessment)

Pfl egeassessmentinstrument

Phänomen vorhanden/relevant

Ja Nein

Phänomen vorhan-

den/relevant

Ja A C

Nein B D

Unklar/nicht

beurteilbar

E F

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1 . 9 P F L E G E A S S E S S M E N T 1

che Einschätzung verlässlicher ist. Wenn es sich um ein komplexes Pfl egephänomen handelt, das nicht allein aufgrund der pfl e-gerischen Erfahrung eingeschätzt werden kann, dann sind Assessmentinstrumente von besonderem Vorteil (Fälle E und F).

Unklare Auswahlkriterien

Assessmentinstrumente stellen meist nur einen Pfl egeaspekt (z. B. Schmerzen oder Übelkeit) in den Mittelpunkt. In der Pfl ege gibt es aber sehr viele Pfl egephänomene, so-dass die Anzahl der genutzten Assessments begrenzt werden muss, wenn man noch Zeit für die Umsetzung der Pfl ege haben will. Oft ist nicht klar, warum gerade für einen bestimmten Pfl egeaspekt ein Assess-ment genutzt wird – und für einen anderen Bereich nicht.

Warum sind z. B. Instrumente zur Erfas-sung der Übelkeit oder der präoperativen Angst so selten im Einsatz? Off ensichtlich bestimmen auch Trends oder Experten-standards, welche Instrumente derzeit ge-nutzt werden sollen.

Relevanz prüfen

Je mehr Empfehlungen, Standards und Richtlinien es für Pfl ege gibt, umso wichtiger ist es, im Team genau zu prü-fen, welche Instrumente eine Relevanz für den jeweiligen Arbeitsbereich ha-ben.

Zeit- und Personalbedarf

Der Einsatz von Assessmentinstrumenten kostet Zeit und letztlich auch Personal. Instrumente mit wenigen Fragen, die auch vom Patienten selbst beantwortet werden können, brauchen nur einen geringen pfl e-gerischen Ressourceneinsatz. Instrumente mit langen Listen an Fragen sind sowohl für die Pfl egenden als auch für den Patienten aufwändig. Neben dem Aufwand für die Anwendung muss aber auch der Aufwand für die Einführung des Instruments, die Schulung der Mitarbeiter und die Doku-mentation der Ergebnisse beachtet werden.

1.9.6 Auswahl von Assess-

mentinstrumenten

Für die Auswahl von Instrumenten werden Gütekriterien herangezogen.

DEFINITION

Gütekriterien:  Qualitätskriterien für As-sessmentinstrumente.

Zwei Klassen werden hierbei unterschie-den:• Instrumentenbezogene Gütekriterien• Anwendungsbezogene Gütekriterien.

Instrumentenbezogene

Gütekriterien

Dies sind Gütekriterien, die sich direkt auf die Qualität eines Assessmentinstruments beziehen [32]. Sie werden mit statistischen Verfahren berechnet. Am bekanntesten sind die drei instrumentenbezogenen Krite-rien Objektivität, Validität (Gültigkeit, bei Risikoassessments besonders die Genauig-keit, mit der eine Vorhersage getroff en wer-den kann) und Reliabilität (Zuverlässig-keit, 50.2.1).

Anwendungsbezogene Kriterien

Diese Kriterien stehen mit der praktischen Nutzung der Instrumente in Verbindung. Auch hier werden verschiedene Formen unterschieden:• Relevanz: Es muss vorab geprüft wer-

den, ob das Instrument seine Erwartung überhaupt erfüllen kann. Trägt es tat-sächlich zur rechtlichen Absicherung, zur Zufriedenheit der Patienten oder zur Qualitätssicherung bei?

• Praktikabilität: Das Assessmentinstru-ment sollte leicht durchführbar, auswert-bar und interpretierbar sein. Instrumen-te sollten unaufdringlich sein und zum Zustand des Patienten passen. Wenn Pa-tienten z. B. in der Sterbephase mit einem mehrere Seiten umfassenden As-sessmentinstrument konfrontiert wer-den, dann ist das unangemessen

• Kosten-Nutzen-Bewertung: Aufwand und Nutzen müssen bei der Anwendung der Instrumente in einem angemessenen Verhältnis stehen. Wichtig für die Be-wertung des Nutzens sind die Häufi gkeit, mit der ein Pfl egephänomen vorkommt, und die Belastung des Patienten. Ein wichtiger Nutzen ist der Zugewinn an Erkenntnissen gegenüber der nicht in-strumentengestützten Einschätzung.

1.9.7 Anwendung von Assess-

mentinstrumenten in der Praxis

Beim Einsatz in der Praxis sind einige As-pekte zu berücksichtigen.

Schulung vor der Anwendung

Die Anwendung von Assessmentinstru-menten muss erlernt werden. Dabei müs-sen Antworten auf folgende Fragen gegeben werden: Wie werden die Skalen- und Sum-

menwerte berechnet? Wie wird mit fehlen-den Items umgegangen? Wie werden die Daten interpretiert? Wie gestaltet sich die Zuordnung der Assessmentergebnisse zu den pfl egerischen Maßnahmen?

Fehlerquellen beachten

Die Validität und Reliabilität sind bedroht, wenn es systematische Fehler gibt, z. B.:• Unklarer Zeitpunkt für die Durchfüh-

rung des Assessments• Unsicherheiten im Umgang mit dem

Instrument• Belastungen des Patienten durch wieder-

holte und umfangreiche Assessments• Unwissenheit des Patienten, wie be-

stimmte Fragen zu verstehen sind und wozu die Daten dienen.

Fehlerquelle Erwartungshaltung

Eine wichtige Fehlerquelle sind auch häufi g durchgeführte Assessments, bei denen der Patient davon ausgeht, dass von ihm eine Veränderung der Angaben erwartet wird. Die Angaben sind dann nicht Ausdruck des realen Zustands, sondern der Erwartungen des Patien-

ten.

Zeitpunkt und Häufi gkeit

Das Ergebnis einer Einschätzung hängt oft auch vom Zeitpunkt ab. Wird die Schmerz-einschätzung etwa unmittelbar nach einer schmerzhaft en Positionsunterstützung oder der Morgentoilette vorgenommen, dann sind die Werte andere als bei einer Be-wertung in Ruhe und Entspannung. Wenn sich die Angaben des Patienten auf einen zurückliegenden Zeitraum beziehen (z. B. bei der Frage: Wie stark waren die durch-schnittlichen Schmerzen in den vergange-nen zwei Wochen?), dann wird er sich an besonders starke Schmerzzustände und schnelle Anstiege besser erinnern, wodurch der Mittelwert verzerrt wird.

Einfl ussfaktor Anwesende

Auch die Anwesenheit von Angehöri-gen, Mitpatienten oder das Verhältnis zwischen Pfl egenden und Patient kön-nen das Ergebnis beeinfl ussen.

Die Häufi gkeit des Einsatzes hängt von den Empfehlungen der Autoren des Assess-mentinstruments ab. Auch Expertenstan-dards nennen eigene Richtwerte – so wird für das Schmerzmanagement nach Opera-tionen eine zweistündige Messung inner-

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halb der ersten 24 Std. empfohlen. Routine-mäßig wird eine Messung in einer „kontrol-lierten Schmerzsituation“ alle 8  Std., also einmal pro Schicht, angeraten.

Partizipation des Patienten

Die Beteiligung des Patienten und dessen Angehörigen in allen Phasen des diagnosti-schen Prozesses ist für die Einschätzung wichtig. Die Patienten müssen über den Sinn und Zweck des Assessments sowie über die Nutzung und den Verbleib der Ein-schätzungen aufgeklärt werden. Es gehört zu einem modernen Verständnis von „sha-red decision making“, dass Patienten darü-ber aufgeklärt werden müssen, warum ein Assessmentinstrument genutzt wird und welche Konsequenzen (z. B. Änderung der Medikation) die Angaben haben [33].

Der Patient entscheidet mit

Ein Patient muss gefragt werden, ob er wegen der auf der Schmerzskala ange-gebenen Schmerzen ein Schmerzmedi-kament wünscht. Es ist falsch, wenn ein Patient automatisch eine bestimmte Schmerzmedikation erhält, weil er einen bestimmten Wert auf der Schmerzskala angegeben hat.

Einschätzungen, die aufgrund eines Assess-mentinstruments vorgenommen werden, sind dem Patienten bzw. den Angehörigen mitzuteilen. Es ist nicht auszuschließen, dass Patienten absichtlich falsche Werte an-geben, um beispielsweise schneller entlas-sen zu werden oder bestimmte Medika-mente zu bekommen. Daher ist es wichtig, ergänzend zu klären, ob das Fremdassess-ment zum Selbstassessment passt [34].

Besprechung im Team bei unklaren

Einschätzungen

Wenn die Einschätzungen durch das Ins-trument mit den pfl egerischen Einschät-zungen in Widerspruch stehen, sollten er-fahrene Kollegen beteiligt werden. Bei schwerwiegenden Entscheidungen sind auch die Angehörigen oder der Patient bei der Bildung eines Gesamturteils zu beteili-gen. Nur so sind verlässliche Grundlagen für die Planung weiterer Maßnahmen mög-lich.

1.10 Pfl egeplanung in der

Praxis

Instrumente des Qualitätsmanagements 47.7.5

Pfl egeplanung als gesetzlich

defi nierte Aufgabe

Im Pfl egeberufereformgesetz von 2017 ist in § 4 festgelegt, dass folgende pfl egerische Aufgaben nur von Personen mit erfolgreich abgeschlossener dreijähriger Pfl egeausbil-dung durchgeführt werden dürfen:• Erhebung und Feststellung des individu-

ellen Pfl egebedarfs• Organisation, Gestaltung und Steuerung

des Pfl egeprozesses• Analyse, Evaluation, Sicherung und Ent-

wicklung der Qualität der Pfl ege.Diese vorbehaltenen Tätigkeiten im Rah-men der Pfl egeplanung sind somit dem eigenverantwortlichen Aufgabenbereich der Pfl ege zugeordnet.

1.10.1 Vorteile der Pfl ege-

planung

Zeitersparnis und Patienten-

orientierung

Oft beklagen Pfl egende den enormen Zeit-druck. Für eine bewusste Entscheidung, welche Maßnahmen bei Zeitmangel zu-rückgestellt werden können, muss die Be-deutung der einzelnen Maßnahme für den Genesungsprozess erkannt werden. Taucht in einer Pfl egeplanung bei verschiedenen Problemen immer wieder die gleiche Maß-nahme auf (z. B. Mobilisation bei einem Menschen mit Dekubitus-, Th rombose- und Kontrakturrisiko), gewinnt sie gegen-über den anderen Maßnahmen an Bedeu-tung und kann nicht weggelassen werden.

Ohne das bewusste Setzen von Prioritä-ten besteht die Gefahr, dass Pfl ege einem Routine-Tagesablauf folgt: Mindestens ein-mal am Tag werden Patienten gewaschen, werden Temperatur, Puls und Blutdruck gemessen und wird nach Stuhlgang gefragt. Und dies, obwohl vielleicht eine Kontakt-vermittlung mit Angehörigen oder ein off e-nes Gespräch gerade wichtiger wären.

Gezielter Einsatz von personellen

Ressourcen und Materialien

Eine systematische Pfl egeplanung erleichtert den gezielten Einsatz von personellen Res-sourcen und Materialien. Durch die ver-lässliche Feststellung des Pfl egebedarfs kön-nen Ressourcen zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden.

Erwerb und Sicherung von (Pfl ege-)

Kompetenz

Zunehmende Erfahrungen mit der Pfl ege-planung führen zu einer wachsenden Si-

cherheit bei der Entscheidungsfi ndung. In-dem die Wirksamkeit bestimmter Pfl ege-maßnahmen überprüft und das ganze Pfl e-geteam über das Vorgehen und die Ergebnisse informiert wird, erweitert sich der „Erfahrungsschatz“ des gesamten Teams.

Pfl egeplanung schult die Fähigkeit, be-wusst und begründet zu entscheiden. Wur-de eine Entscheidung für eine Pfl egemaß-nahme bewusst getroff en, fällt es auch leichter, sie gegenüber anderen Berufsgrup-pen zu vertreten.

Größere Effi zienz und Überprüf-

barkeit von Maßnahmen

Viele Pfl egemaßnahmen zeigen erst Wir-kung, wenn sie konstant und konsequent durchgeführt werden. Wechseln die Maß-nahmen je nach Vorliebe der gerade zustän-digen Pfl egefachperson, können sie ihre Wirkung nicht voll entfalten.

Die Pfl egeplanung ermöglicht es also, die Effi zienz der Maßnahmen zu steigern und zu überprüfen. Die durch Evaluation nach-gewiesenen Erfolge können zudem die Mo-tivation und Berufszufriedenheit der Pfl e-genden fördern. Dabei ist „Erfolg“ nicht immer gleichzusetzen mit Heilung und Ge-nesung. Auch die Verhinderung von Kom-plikationen bei Bettlägerigkeit oder die Lin-derung von Leiden im Rahmen der Sterbe-begleitung sind Erfolge.

1.10.2 Pfl egeplanung in

Ausbildung und Prüfung

In den bisherigen Abschnitten wurde der theoretische Hintergrund zum zielgerichte-ten Arbeiten mit dem Pfl egeprozess erläu-tert. Nun stellt sich die Frage, wie diese Empfehlungen in der praktischen Arbeit als Pfl egeplanung umgesetzt werden können. In den Einrichtungen des Gesundheitswe-sens gibt es dabei große Unterschiede. In manchen Einrichtungen werden lediglich durchgeführte Maßnahmen abgezeichnet, in anderen wird eine komplette Pfl egepla-nung erstellt. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, welcher pfl egetheoretische Hinter-grund in einer Klinik oder einer Schule be-vorzugt wird. Davon ist es abhängig, welche Schwerpunkte bei der Pfl egeplanung ge-setzt und wie Formulare gestaltet werden.

Kompetenzzuwachs in der

Ausbildung

Die Erstellung von Pfl egeplanungen ist fes-ter Bestandteil einer Pfl egeausbildung. Manche Auszubildende stellen fest, dass die

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in der Schule gelernten Pfl egeplanungen in der Praxis so nicht wiederzufi nden sind. Deshalb fragen sich Auszubildende, wozu sie so ausführliche Pfl egeplanungen erstel-len sollen. Folgende Gründe können hierfür aufge-führt werden:• Durch das bewusste Verschrift lichen

einer Planung wird viel deutlicher, wie komplex Patientensituationen sind

• Auszubildende profi tieren davon, Pa-tientensituationen ausführlich und in Ruhe zu analysieren. Das hilft später in der Praxis, schneller und zuverlässiger Patientenprobleme zu erkennen

• Übungen zur Pfl egeplanung helfen zu er-kennen, dass es viele mögliche Ziele ge-ben kann, die zusammen mit dem Pa-tienten defi niert werden könnten

• Der Prozess der Entscheidungsfi ndung, welche Maßnahme die richtige ist, wird transparent und begründbar

• Die Fähigkeit zur bewussten Refl exion des eigenen Handelns wird gestärkt. Da-durch kann die Wirkung der Pfl ege viel besser beurteilt werden.

Nachhaltige Eff ekte

Letztendlich geht es auch darum, die Pfl egeplanung in den Einrichtungen zu verbessern. Eine gute Vorbereitung in der Ausbildung bietet später die Mög-lichkeit, die Pfl egeplanung am eigenen Arbeitsplatz zu beeinfl ussen.

Tipps für die Prüfung

Die Erstellung einer Pfl egeplanung für einen realen Patientenfall ist Teil der Ab-schlussprüfung. Hierzu können folgende Empfehlungen gegeben werden:• Pfl egeplanungen sind grundsätzlich sehr

individuell und abhängig von der jeweili-gen Situation des Patienten. Es macht al-so wenig Sinn, sich vorher Standardpla-nungen zu überlegen

• Die Planungen sollten sich immer an den hausinternen Vorgaben orientieren. Also ist vorab zu klären, welche pfl egetheore-tische Ausrichtung im Pfl egeleitbild oder Pfl egekonzept hinterlegt ist, welche As-sessmentmethoden und welche Pfl ege-standards verwendet werden

• Pfl egeplanungen sollten so weit als mög-lich mit dem Patienten zusammen bzw. aus seiner Perspektive erstellt werden

• Nach der Verschrift lichung der Planung sollten alle Punkte nochmals gut geprüft werden: Sind die relevanten Pfl egeprob-

leme erfasst? Sind die Ziele realistisch und erreichbar? Passen Probleme, Ziele und Maßnahmen wirklich zusammen? Sind die ausgewählten Maßnahmen dazu geeignet, die Probleme zu lösen und die Ziele zu erreichen?

• Bei Unsicherheiten sollten Praxisanleiter oder Lehrkräft e hinzugezogen werden.

1.10.3 Pfl egeplanung im

Krankenhaus

Die Verweildauer der Patienten im Kran-kenhaus ist in den letzten Jahren verbun-den mit einer Verdichtung der Leistungen stark gesunken. Deshalb bleibt in der Praxis oft wenig Zeit für individuelle Planungen, und manche Ziele sind in der kurzen Auf-enthaltszeit auch nicht erreichbar. Da sich viele Behandlungsabläufe (z. B. in der Chi-rurgie) stark ähneln, wurden in manchen Häusern sogenannte Behandlungspfade (Clinical Pathways, 47.6.2) für bestimmte Patientensituationen (z. B. Appendektomie, Chemotherapie) eingeführt. Mit diesen Be-handlungspfaden können auch typische Pfl egeabläufe in Standardpfl egeplänen verschrift licht werden.

In diesem Fall werden häufi g vorkom-mende Pfl egeplanungsabläufe zunehmend auf Formularen abgedruckt, und die Pfl e-genden müssen lediglich prüfen, ob die vor-gegebenen Inhalte beim jeweiligen Patien-ten zutreff en. Nur bei Abweichungen vom Standardpfl egeplan sind dann zusätzliche Eintragungen notwendig. Grundsätzlich gilt aber, dass die Vorgehensweisen und die verwendeten Formulare sehr unterschied-lich aussehen können.

Immer mehr Krankenhäuser stellen ihre Dokumentation teilweise oder ganz auf EDV-gestützte Systeme um ( 1.11). Wenn die Pfl egeplanung in die Soft ware integriert ist, werden häufi g vorformulierte Pfl ege-probleme, Ziele und Maßnahmen angebo-ten, die die Pfl egefachperson durch Ankli-cken auswählen kann.

Vorsicht! Vorformulierte Standardpfl e-

gepläne erleichtern die Pfl egeplanung in der Praxis, da relevante Themen vorge-schlagen werden und nicht viel Schreib-arbeit entsteht. Vorgefertigte Pläne können sich aber dann nachteilig auswirken, wenn sich Pfl egende „blind“ auf die Vorgaben verlassen und nicht mehr die individuelle Patientensituation betrachten. Standard-pfl egepläne unterstützen bei der Pfl egepla-nung, ersetzen aber nicht das fachliche Können und die individuelle Beurteilung der Patientensituation.

1.10.4 Pfl egeplanung in

Pfl egeeinrichtungen

Im Unterschied zum Akutkrankenhaus ist die Aufenthaltsdauer in Pfl egeeinrichtun-gen deutlich länger, und es geht in erster Li-nie auch nicht um die kurative Behandlung einer Krankheit, sondern um die umfassen-de pfl egerische Betreuung. Damit rücken ganz andere pfl egerische Aspekte in den Vordergrund. Die Pfl egeplanung wird des-halb für einen längeren Zeitraum angelegt.

Das Erreichen bestimmter Ziele kann unter Umständen einige Wochen oder Mo-nate dauern. Bei der Anamnese stehen eventuell andere Schwerpunkte als im Akutkrankenhaus im Fokus. So ist es z. B. wichtig, etwas über die Lebensgeschichte des Bewohners zu erfahren (Biografi earbeit,

19.6.6), um ihm den Aufenthalt im Pfl e-geheim möglichst angenehm zu gestalten.

Strukturmodelle für die Pfl egeplanung

Für Pfl egeheime wurden zur Gestaltung der Pfl egeplanung einige Empfehlungen bzw. Vorgaben entwickelt. Dies sind zum einen die Vorgaben des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) sowie der Heim-aufsichtsbehörden, zum anderen das Struk-turmodell zur Entbürokratisierung der Pfl egedokumentation, das im Auft rag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) entwickelt wurde und bereits von vielen Pfl egeeinrichtungen verwendet wird.

Das Strukturmodell des BMG baut auf einem vierphasigen Pfl egeprozess auf ( 1.1) und hebt die Personenzentrierung in der Planung besonders hervor. Beson-ders zu beachten ist hierbei die neue Gliede-rung der Th emen bei der Informations-sammlung: Die sogenannte Strukturierte Informationssammlung (SIS®) ist integra-ler Teil des Strukturmodells. Ihre Gliede-rung orientiert sich am Begutachtungsas-sessment des MDK im Rahmen der Fest-stellung der Pfl egebedürft igkeit nach § 15 SGB XI. Die sechs Gliederungspunkte sind:• Kognition und Kommunikation• Mobilität und Bewegung• Krankheitsbezogene Anforderungen und

Belastungen• Selbstversorgung• Leben in sozialen Beziehungen• Haushaltsführung und Wohnen.Neben diesem Modell wird in Altenpfl ege-einrichtungen auch häufi g das AB-EDL®-Modell (Aktivitäten, Beziehungen und existenzielle Erfahrungen des Lebens) von Monika Krohwinkel als Grundlage für die Pfl egeplanung verwendet.

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Pfl egeplanung in der ambulanten

Pfl ege

Die Schwerpunkte der ambulanten Pfl ege ähneln denen der stationären Altenpfl ege. Allerdings werden die pfl egerischen Leistun-gen hier zwischen dem ambulanten Pfl ege-dienst und dem Pfl egebedürft igen einzeln ausgehandelt und vertraglich vereinbart. Die Inhalte der Pfl egeplanung basieren auf die-sen vereinbarten Inhalten. Dadurch ist nicht gewährleistet, dass alle notwendigen und sinnvollen Pfl egemaßnahmen in die Pfl ege-planung aufgenommen werden.

Häufi g werden bestimmte Maßnahmen von Angehörigen übernommen. Die Pfl ege-planung konzentriert sich auf die Benennung der Pfl egeprobleme, die Formulierung der Maßnahmen in Anlehnung an abrechenbare Module, die Durchführungskontrolle und die Evaluation. Die Qualität der pfl egeri-schen Versorgung sowie der Pfl egeplanung wird auch hier durch den MDK geprüft .

SPICKZETTELPfl egeplanung

• Gesetzlich vorgegebene Aufgabe der Pfl ege

• Prüfungsrelevantes Thema der Aus-bildung

• Vorteile: patientenorientierte Pfl ege, Zeit- und Ressourcenersparnis, Er-werb und Sicherung von pfl egeri-scher Kompetenz, Effi zienz von Pfl e-gemaßnahmen und Überprüfbarkeit der Ergebnisse

• Pfl egeplanung im Krankenhaus: Be-handlungspfade (Clinical Pathways), Standardpfl egeplanungen

• Pfl egeplanung in der stationären und ambulanten Pfl ege: Strukturmodell des Bundesgesundheitsministeriums mit Strukturierter Informationssamm-lung (SIS®), ABEDL®-Modell nach Krohwinkel.

1.11 Informations-

management und Pfl ege-

dokumentation

DEFINITION

Informationsmanagement:  Jeglicher Umgang mit Informationen, z. B. das Sammeln, Dokumentieren, Kommuni-zieren und Verfügbarhalten von Infor-mationen.

Dokumentation:  Aufzeichnung bzw. Sammlung von Daten zur Sicherung von Informationen; Teil des Informations-managements.

Ziele des Informations-

managements in der Pfl ege

Die zunehmende Arbeitsteilung und Speziali-sierung im medizinischen und pfl egerischen Bereich hat dazu geführt, dass immer mehr Personen im Rahmen der Pfl ege und Th era-pie des Patienten beteiligt sind. Jeder Einzel-ne von ihnen kann aber nur einen (kleinen) Teil der Informationen erfassen. Damit alle Mitglieder des therapeutischen Teams über alle Beobachtungen, Befunde, Messwerte und andere wichtige Details Bescheid wissen, werden sämtliche Informationen nicht nur mündlich bei Besprechungen zusammenge-tragen, sondern auch schrift lich in einem ex-tra dafür vorgesehenen Dokumentations-system fi xiert. Hier erhält jedes Teammit-glied schnell die neuesten Informationen.

Erkundigt sich z. B. ein Patient beim Nachtdienst nach seinen Blutdruckwerten vom Tag, kann die Pfl egende in der Doku-mentation nachsehen und sie dem Patien-ten mitteilen. Die Person, die am Tag den Blutdruck gemessen hat, muss dazu nicht befragt werden.

Bereits in den 1970er-Jahren hat auch der Gesetzgeber die Bedeutung einer exakten Dokumentation erkannt und inzwischen al-le Einrichtungen des Gesundheitswesens durch verschiedene Vorschrift en in Sozial-gesetzbüchern und im Pfl egeberufegesetz zur Dokumentation verpfl ichtet. Ziele der Dokumentation sind u. a.:• Informationen allen an der Pfl ege und

Th erapie Beteiligten zur Verfügung zu stellen

• Informationen übersichtlich zu ordnen• Informationen nachlesen und (auch

durch Dritte) nachprüfen (lassen) zu können

• Daten für Erhebungen zu sammeln (Pfl e-geforschung, 50.2)

• Erbrachte Leistungen abrechnen zu kön-nen (Leistungserfassung, 47.4)

• Auch im juristischen Sinne erbrachte Leistungen nachweisen zu können

• Der Verpfl ichtung (§ 3) zur Dokumenta-tion (§ 3 des Krankenpfl egegesetzes, § 5 des Pfl egeberufereformgesetzes) nachzu-kommen.

Damit die Informationen schnell abzurufen sind, wird ein für alle Beteiligten nachvoll-ziehbares, gut strukturiertes System benö-tigt, das für alle verbindlich ist.

Dokumentation als Beweismittel

Verklagt ein Patient eine Klinik, ein Pfl e-geheim oder einen ambulanten Pfl ege-dienst auf Schadenersatz aufgrund

eines möglichen Pfl egefehlers, so liegt die Beweislast zunächst beim Patien-ten. Eine mangelhafte Pfl egedokumen-tation kann jedoch zur Beweislastum-

kehr führen: Der Dienstleister muss nun belegen und beweisen, welche Pfl ege-maßnahmen wann und warum durchge-führt wurden. Dies zeigt, wie wichtig eine sorgfältige und lückenlose Pfl ege-dokumentation ist.

Anforderungen an das

Dokumentationssystem

Ein eff ektives Informationsmanagement, das oben genannte Ziele erreicht, stellt fol-gende Anforderungen an das Dokumenta-tionssystem:• Authentizität: Das Dokumentationssys-

tem ist eine Urkunde ( 50.2.4), daher:– Keine Eintragungen mit Bleistift vor-

nehmen– Eintragungen weder überkleben noch

mit Korrekturstift en übermalen– Alle Maßnahmen erst nach der Durch-

führung und niemals im Voraus als er-ledigt eintragen

– Immer persönlich (authentisch) doku-mentieren: Wer gemessen hat, doku-mentiert den gemessenen Wert. Auch Ärzte müssen die von ihnen getroff e-nen Anordnungen selbst abzeichnen

• Sicherheit: Um v. a. im Notfall schnell und gezielt Informationen zu fi nden, müssen diese immer an der gleichen, all-gemein bekannten Stelle stehen

• Eindeutigkeit: Doppelte Dokumentatio-nen (Redundanzen) sind zu vermeiden. Verabreichte Medikamente werden in der entsprechenden Spalte abgezeichnet und nicht nochmals im Pfl egebericht als verabreicht erwähnt

• Datenschutz: Der Schutz der Persönlich-keit des Patienten und seiner Daten darf unter keinen Umständen verletzt werden ( 50.2.1). Das Dokumentationssystem darf nur den Personen zugänglich sein, die unmittelbar am oder mit diesem Pa-tienten arbeiten – und dem Patienten selbst. Ausnahme ist der psychiatrische Bereich; hier darf das Recht auf Einsicht-nahme auf die objektiven Daten (z. B. La-borwerte, Vitalparameter) eingeschränkt werden

• Zeitliche Nähe: Die Dokumentation ge-schieht unverzüglich nach dem Ereignis (juristisch ausgedrückt: „ohne schuld-haft es Zögern“). Eintragungen, die ver-spätet vorgenommen werden, sind prob-lematisch, weil mit zunehmendem Zeit-

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abstand zum Ereignis die Gefahr wächst, dass Werte vergessen oder falsch erin-nert werden bzw. dem Team nicht zur Verfügung stehen.

Aufbau eines Dokumentationssystems

Nur wenige Einrichtungen entwickeln eige-ne Dokumentationssysteme. Die meisten nutzen die von verschiedenen Anbietern er-stellten standardisierten und für die jeweili-ge Einrichtung ggf. angepassten Dokumen-tationssysteme. Ihr Aufb au ist oft ähnlich gestaltet ( Abb. 1.9), unterscheidet sich aber z. B. zwischen einer Intensivstation, einer Rehabilitationsklinik, einem Pfl ege-heim oder einem ambulanten Pfl egedienst deutlich. Für jeden Patienten kann angelegt werden:• Ein Stammblatt mit allen relevanten In-

formationen in einer Kurzübersicht, z. B. Personalien, Diagnose(n) sowie Name und Telefonnummer von Angehörigen, die im Notfall erreichbar sind ( Abb. 1.10)

• Ein großformatiges Kurvenblatt zur chronologischen Aufzeichnung von pa-tientenbezogenen Informationen ( Abb. 1.11), insbesondere:– Täglich (auch mehrmals täglich) ge-

messene Werte wie Temperatur, Puls und Blutdruck

– Verordnete und verabreichte Arznei-mittel

• Ein Pfl egeplanungsblatt ( Abb. 1.12) zur Aufzeichnung folgender Informatio-nen:– Ergebnisse aus der Informations-

sammlung ( 1.2), evtl. eigenes Pfl e-ge-Stammblatt

– Geplante und durchzuführende Pfl ege-maßnahmen

– Pfl egebericht über das Befi nden des Patienten, insbesondere über Verände-rungen seines Zustands und seine Re-aktionen auf die Pfl ege (manchmal auch als gesondertes Blatt im Doku-mentationssystem vorhanden)

• Ein Durchführungsnachweis, in dem al-le für den Patienten erbrachten Pfl ege-leistungen mit Datum und Uhrzeit sowie dem Handzeichen der Pfl egenden doku-mentiert werden

• Eine Befundmappe zum Abheft en der– Krankengeschichte und Berichte frü-

herer Krankenhausaufenthalte– Untersuchungsergebnisse.

Diese Aufl istung entspricht einer typischen Gestaltung von Formularen zur Dokumen-tation. Allerdings existieren viele unter-schiedlicher Varianten zu Inhalten und der Zuordnung zu einzelnen Formularen. Die verschiedenen Formulare werden zu einer

Patienten- bzw. Planettentasche zusam-mengestellt. Die Patiententaschen eines Pfl egebereichs können auf einem Kurven-kardex (auch Planette genannt) zusammen-gefasst werden und sind so leicht zu hand-haben ( Abb. 1.13). Bei Dokumentations-systemen mit Signalleisten (Reitersystem) können die Pfl egenden den einzelnen Sig-nalen bestimmte Bedeutungen zuordnen ( Abb. 1.14).

Für mehrmals täglich gemessene Werte (z. B. bei stündlichen Blutdruckkontrollen) gibt es spezielle Überwachungsbögen. Je nach Bedarf können bestimmte Formulare verwendet werden, z. B. zur Wunddoku-mentation ( 43.13.6) oder Sturzereignis-protokolle ( 9.8.5). Laborergebnisse (die eigentlich zu den Befunden zählen) werden oft in das Kurvenblatt eingeklebt, v. a. wenn sie täglich kontrolliert werden.

EDV-gestütztes Dokumentations-

system

Viele Kliniken, Pfl egeheime und Pfl ege-dienste arbeiten nur noch mit elektroni-schen Patientenakten. Die Einführung eines EDV-gestützten Dokumentationssys-tems bedeutet für alle Mitarbeiter zwar zu-nächst eine Umstellung, aber die Nutzung der Informationstechnologie (IT) zur Pfl e-gedokumentation bietet viele Vorteile:

Ziele festlegen

Maßnahmen planen

Maßnahmen durchführen

Wirkung der Maßnahmenüberprüfen

Phasen des Pflegeprozesses Aktionen der Pflegenden PflegedokumentationFormularbeispiele

Erstgespräch

KörperlicheUntersuchung

Biografiearbeit

EinschätzungPflegebedürftigkeit

Erhebung Pflegebedarf

Ziele definieren

Maßnahmen planenund durchführen

Beobachten

Wirkung prüfen

Pflege anpassen

Stammblatt

AnamnesebogenStrukturierte

Informationssammlung

Assessmentinstrumente, Skalen

Kurvenblatt,ärztliche Anordnungen

PflegeplanungsblattZiele/Pflegestandards

Durchführungskontrolle

Zusätzliche Formulare:z.B. Lagerungsplan

TrinkprotokollErnährungsprotokolleWunddokumentation

Pflegebericht, Überleitungsbogen

Informationen sammeln

Probleme und Ressourcenerfassen

Abb. 1.9 Möglicher Aufbau eines Dokumentationssystems entsprechend dem Pfl egeprozess. [L143]

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Abb. 1.10 Das Stammblatt umfasst alle relevanten Informationen zu einem Patienten. [V161]

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Abb. 1.11 Mithilfe eines Kurvenblatts lassen sich Zusammenhänge gut erkennen, z. B. ob die Temperatur bei Gabe eines Antibiotikums zurückgeht oder sich das Körpergewicht nach Verabreichung eines Diuretikums reduziert. [V161]

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• Defi nierte Pfl egestandards können im System hinterlegt werden. Möchte die Pfl egefachperson eine Pfl egeplanung er-stellen, kann sie diese Standardpfl egeplä-ne nutzen oder individuell erstellen

• Ist eine Pfl egefachperson hinsichtlich der nächsten Schritte in der Pfl egeplanung unsicher, werden ihr – jeweils auf den vorhergehenden Schritt bezogen – Vor-schläge unterbreitet und diese ggf. auf ihre Plausibilität überprüft

• Formulierungen können frei oder aus einem Menü von Textbausteinen ge-wählt werden

• Alle geplanten und erbrachten Leistun-gen sind für Teammitglieder mit Zu-griff sberechtigung und auch für die Ver-waltung zwecks Leistungsabrechnung einsehbar und können ausgedruckt wer-den

• Steht eine Übergabe oder Entlassung be-vor, kann jederzeit ein Übergabe- oder Entlassungsbericht erstellt werden

• Scores (z. B. Koma-Score, 37.2.11) können digital ausgefüllt und ausgewer-tet werden

• Aufgrund der Datensammlung und -strukturierung ist jederzeit eine Quali-tätskontrolle bzw. ein Vergleich mit an-deren Einrichtungen oder ggf. auch auf internationaler Ebene möglich. Statisti-ken (z. B. PPR, PKMS 47.4.1 oder LEP®, 1.8.2) können automatisch er-stellt und ausgewertet werden

• Im Unterschied zu handschrift lich er-stellten Pfl egedokumentationen sind alle Anordnungen und Berichte gut lesbar. Dadurch sinkt das Risiko für Missver-ständnisse, z. B. Gabe von falschen Arz-neimitteln.

Dem gegenüber stehen auch einige Nachtei-le wie z. B.:• Hoher Schulungsaufwand zur Bedienung

der Systeme• Systemausfall und damit verbundene

Handlungsunfähigkeit• Eventuelle Lücken im Datenschutz (z. B.

Spyware)• Abhängigkeit von Soft warefi rmen (Bin-

dung an ein bestimmtes Produkt, hohe Kosten).

Weitere EDV-unterstützte Tätigkeiten in der Pfl ege sind:• Bestellungen, z. B. an die Apotheke, die

Küche oder das Lager für Pfl egeartikel• Erstellung von Dienstplänen• Erstellung des Hygieneplans• Führen der Wunddokumentation.

Abb. 1.12 Auf dem Pfl ege-planungsblatt werden für die erhobenen Pfl egeprob-leme und Ressourcen Pfl e-geziele und entsprechen-de Maßnahmen formuliert. Die Evaluation erfolgt bei diesem Beispiel auf einem seperaten Berichtsblatt. [V161]

Abb. 1.14 Signalleiste eines Reitersystems. [V161] Abb. 1.13 In einem Kurvenkardex (Planette) wer-den die Patienten- oder Planettentaschen einer Pa-tientengruppe zusammengefasst. [V161]

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Werden die Möglichkeiten der Informa-tionstechnologie voll ausgeschöpft , erfor-dert dies zunächst zwar viel Aufwand, weil der Computer erst mit den eigenen Daten „gefüttert“ werden muss und die Mitarbei-ter geschult werden müssen. Langfristig bringt die EDV-gestützte Dokumentation jedoch eine enorme Arbeitserleichterung und Sicherung der Dokumentationsqualität [35].

Dokumentierte Informationen

Dokumentation von Beobachtungen 2.2.8Üblicherweise werden folgende Informa-tionen dokumentiert:• Messwerte: Puls, Blutdruck, Körpertem-

peratur, Größe und Gewicht, Ausschei-dungsmenge, Exsudatmenge in Wund-drainagen, zentralvenöser Druck (ZVD), Laborwerte

• Beobachtungen: Stimmungslage, Schlaf, Schmerzen, Wundverhältnisse, Ausse-hen, Atmung, Ausscheidungen

• Pfl egeplanung ( 1.10) einschließlich der durchgeführten Pfl egemaßnahmen und der Angabe, wer sie durchgeführt hat

• Geplante und durchgeführte Untersu-chungen, etwa Röntgen- und Ultra-schalluntersuchungen, endoskopische Untersuchungen und Konsile

• Ärztliche Anordnungen, Th erapien und durchgeführte Maßnahmen sowie die Angabe, wer sie angeordnet und/oder durchgeführt hat, z. B. die zu verabrei-chenden Arzneimittel mit entsprechen-der Dosierung und Zeitangabe der Medi-kamentengabe, physikalische Th erapie-maßnahmen oder durchgeführte Ver-bandswechsel.

SPICKZETTELDokumentation

• Ziele: Verfügbarkeit und Überprüfbar-keit von Informationen, Leistungs-nachweis für die Abrechnung und für den Fall juristischer Probleme, Daten-erhebung für die Forschung

• Anforderungen: Authentizität, Sicher-heit, Eindeutigkeit, Datenschutz, zeitliche Nähe zur durchgeführten Maßnahme

• Bestandteile: Stammblatt, Kurven-blatt, Pfl egeplanungsblatt mit Pfl ege-bericht, Durchführungsnachweis, Be-fundmappe

• Dokumentierte Informationen: Mess-werte, Beobachtungen, Pfl egeplan-ungen, Untersuchungen, ärztlich an-geordnete Therapien und deren Durchführung.

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2.1 WAHRNEHMEN ........................................... 26

2.1.1 Wahrnehmung und Kommunikation ................ 262.1.2 Formen der Wahrnehmung ............................. 27

2.2 BEOBACHTEN ............................................. 27

2.2.1 Beobachtungsarten ........................................ 272.2.2 Voraussetzungen ........................................... 282.2.3 Beobachtungsfähigkeit .................................. 282.2.4 Beobachtung als Prozess ............................... 28

2.2.5 Ziel der Beobachtung ..................................... 282.2.6 Durchführung ................................................. 292.2.7 Ergebnisse ..................................................... 302.2.8 Dokumentation .............................................. 30

2.3 BEURTEILEN ............................................... 30

2.3.1 Voraussetzung ............................................... 302.3.2 Beurteilungsfehler ......................................... 302.3.3 Pfl egerisches Handeln .................................... 31

PATIENTENBEOBACHTUNG

Heike Schambortski (2.1)

Unter Mitarbeit von Andrea Kurz

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Patienten-

beobachtung

Beurteilung

Wahrnehmung

Grundlage zur Planung, Durchführung, Evaluation

Bewertung von Informationen

Beurteilungsfehler

Kommunikation

subjektiv

Voraussetzung: Fachwissen

unbewusst

Pflegeprozess

Selbst-/Fremdbeobachtung

Entscheidungsfindung

Wahrnehmung

Sinnesorgane

Selbst-/Fremd-

wahrnehmung

Beobachtung

Informations-

gewinn

teilnehmend/

nicht teilnehmend

subjektiv/objektiv

Wahrnehmung

Interpretation

Gefühle

aufmerksam

methodisch

zielgerichtet

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Die Patientenbeobachtung ist eine pfl ege-rische Kerntätigkeit. Pfl egende erfassen den körperlichen und geistigen Zustand sowie die Lebensumstände eines Menschen, um dessen individuellen Beratungs- und Pfl e-gebedarf zu ermitteln, die entsprechenden Pfl egemaßnahmen auszuwählen, pfl egeri-sche Interventionen durchzuführen und zu evaluieren ( Kap. 1).

2.1 Wahrnehmen

Bewusstsein Kap. 12Die Wahrnehmung ist das „Fenster“ zur Außenwelt ( 12.1). Sie ermöglicht dem Menschen, sich in seiner Umwelt zurecht-zufi nden.

DEFINITION

Wahrnehmung:  Prozess , bei dem über die Sinnesorgane aufgenommene phy-sikalisch-chemische Energien (Reize) als elektrische Impulse ans Gehirn wei-tergeleitet und dort verarbeitet werden. Wahrnehmung entsteht nicht in den Sinnesorganen, sondern im Gehirn.

Wahrnehmen:  Zufälliges, nicht absicht-liches Erkennen und Verarbeiten von Sinneseindrücken.

Der Mensch nimmt Reize aus seiner Umge-bung und aus seinem eigenen Organismus mit seinen Sinnesorganen wahr ( Abb. 2.1):• Sehsinn = visuelle/optische Wahrneh-

mung• Hörsinn = auditive/akustische Wahrneh-

mung• Gleichgewichtssinn = vestibuläre Wahr-

nehmung

• Geruchssinn = olfaktorische Wahrneh-mung

• Geschmackssinn = gustatorische Wahr-nehmung

• Tastsinn = taktile Wahrnehmung, hapti-sche (aktives Erfühlen) Wahrnehmung

• Tiefensinn, -sensibilität = kinästhetische Wahrnehmung.

Wahrnehmung ist subjektiv

Wahrnehmung ist immer subjektiv, da sie durch verschiedene Faktoren beein-fl usst ist.

Wahrnehmungsprozesse laufen unbewusst, beiläufi g und zufällig ab. Die wahrgenom-menen Ereignisse liefern dem Menschen Informationen, die er verarbeiten und indi-viduell beurteilen kann. Die Verarbeitung sowie die Urteilsbildung sind von verschie-denen Faktoren beeinfl usst, z. B. momenta-ner Stimmung, Umfeld, Vorurteilen. Ein Mensch kann denselben Reiz zu verschiede-nen Zeiten sehr unterschiedlich empfi nden. Nicht selten widerspricht sich die Qualität der Wahrnehmung sogar. So nimmt z. B. ein Mensch laute Musik abends zum Ein-schlafen als störend wahr, während dassel-be Musikstück bei gleicher Lautstärke auf einer Party durchaus unterhaltsam und an-genehm wirkt.

Ein Reiz kann darüber hinaus auf ver-schiedene Menschen sehr unterschiedlich wirken. Ein hungriger Mensch empfi ndet Bratenduft in der Regel als appetitanregend. Bei einem Menschen, der an einer Gastro-enteritis leidet, erzeugt derselbe Geruch u. U. Übelkeit und Brechreiz.

Wahrnehmungen unterliegen außerdem einer Reihe von Einfl ussfaktoren, die zu Verzerrungen und Sinnestäuschungen füh-ren können. Wahrnehmungstäuschungen können alle Sinne betreff en. Sie entstehen, wenn eine Wahrnehmung nicht der Realität entspricht. Beispiele für widersprüchliche Wahrnehmungen sind optische Täuschun-gen ( Abb. 2.2, Abb. 2.3). Aber auch Dro-gen und Alkohol oder neurologische und psychische Erkrankungen ( 38.2.7) kön-nen zu Wahrnehmungsstörungen führen.

SPICKZETTELWahrnehmen

• Die Reizaufnahme erfolgt über die menschlichen Sinnesorgane

• Wahrnehmung ist immer subjektiv, d. h. individuell von Mensch zu Mensch verschieden

• Wahrnehmung verläuft unbewusst, beiläufi g und zufällig

• Wahrnehmung kann verzerrt oder durch Sinne getäuscht werden

• Auch Drogenkonsum sowie neurolo-gische und psychische Erkrankungen führen zu Wahrnehmungsstörungen.

2.1.1 Wahrnehmung und

Kommunikation

Die Fähigkeit des Menschen zur Wahrneh-mung ist eine Voraussetzung für gelingende

Die sechs Sinnedes Menschen

GleichgewichtSehen

Hören

Schmecken

Tasten

Riechen

Abb. 2.1 Die sechs Sinne des Menschen. [L143]

Abb. 2.2 Kippfi gur: Vase oder zwei Gesichter? [L106]

Abb. 2.3 Müller-Lyer-Täuschung. Die Linie zwi-schen den zwei spitzen Pfeilspitzen (unten) er-scheint kürzer als die Linie zwischen den umge-kehrten Pfeilspitzen (oben). In Wirklichkeit sind beide Linien gleich lang. [S130–4]

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2 . 2 B E O B A C H T E N 2

Kommunikation ( Kap. 10): Die Wahr-nehmung sowohl der äußeren (Um-)Welt über die Sinne (Hören, Tasten, Sehen, Rie-chen, Schmecken) als auch der inneren Welt (Gefühle, Wohlbehagen oder Schmer-zen) sowie die Wahrnehmung als mentale (geistige) Aktivität (Denken, Vorstellen, Deuten) spielen eine große Rolle in der menschlichen Kommunikation.

Aspekte der Kommunikation

Wahrnehmungen, Interpretationen und Gefühle sind drei Aspekte in der Kommuni-kation.

Wahrnehmung ist in der menschlichen Kommunikation all das, was im Hinblick auf die Nachricht sichtbar bzw. hörbar ist: die Fakten, das Off ensichtliche, z. B. auch ein Stirnrunzeln, ein Blick, eine Geste.

Die Interpretation versieht den vom Empfänger wahrgenommenen Teil der Nachricht mit einer Bedeutung oder Bewer-tung. So könnte z. B. die Frage eines Man-nes – verbunden mit einem Stirnrunzeln – an seine Frau „Hast du eine neue Frisur?“ von ihr dahingehend interpretiert werden: „Ihm gefällt meine Frisur nicht.“ Diese Interpretation kann richtig oder falsch sein. Die Verbindung zwischen Wahrnehmung und Interpretation löst bei der Empfängerin möglicherweise ein Gefühl der Enttäu-schung aus, obwohl der Zusammenhang nicht eindeutig ist.

Diese drei Vorgänge – Wahrnehmen, Interpretieren und Fühlen – laufen sekun-denschnell und automatisch ab. Die Reak-tion folgt unmittelbar: „Sag’ doch gleich, dass ich dir nicht gefalle.“

In der täglichen Kommunikation fällt es schwer, die drei Vorgänge auseinanderzu-halten. Für eine konstruktive Kommunika-tion ist es jedoch wichtig, die eigenen Wahrnehmungen, die ein bestimmtes Ge-fühl auslösen, zu überprüfen, um mögli-chen Missverständnissen vorzubeugen.

2.1.2 Formen der

Wahrnehmung

Selbst- und Fremdwahrnehmung

Das Verhalten eines Menschen in einer be-stimmten Situation wird von ihm selbst (Selbstwahrnehmung) und von anderen Personen (Fremdwahrnehmung) wahrge-nommen. Das Bild, das jemand von sich selbst hat, stimmt nicht in allen Facetten mit dem Bild überein, das andere haben. Sowohl die eigene Persönlichkeit des Men-schen als auch die Beziehungsebene

( 39.2.1) werden durch die Selbst- und Fremdwahrnehmung beeinfl usst.

Im Pfl egealltag erleben die Pfl egenden laufend Reaktionen der anderen auf ihr Verhalten: Man nickt ihnen zu, stöhnt, zieht die Stirn in Falten, lobt, kritisiert usw. Diese sog. Rückmeldungen (Feedback,

39.3.1) geschehen häufi g nonverbal und zeigen, was der andere Mensch von dem Verhalten und der Person – scheinbar – hält. Sie haben damit auch einen entschei-denden Einfl uss auf das Selbstbild.

Das Selbstbild ( Vorstellung von sich selbst) beeinfl usst die eigene Wahrnehmung und das jeweilige Verhalten. So wird je-mand, der sich als intelligent und erfolg-reich erlebt, die bevorstehende Prüfung und das Ergebnis ganz anders erfahren als je-mand, der sich wenig zutraut und sich eher als „Versager“ sieht. Während der eine die Prüfung als Herausforderung empfi ndet, sieht der andere sie als Bedrohung. Wäh-rend der eine ein schlechtes Prüfungsergeb-nis als Pech und ein gutes als Bestätigung seiner Fähigkeiten wahrnimmt, sieht der andere ein gutes Abschneiden eher als Glück und ein schlechtes als Bestätigung seiner Schwächen.

2.2 Beobachten

DEFINITION

Beobachten:  Aufmerksames, methodi-sches und zielgerichtetes Wahrnehmen, um Informationen zu gewinnen und Ent-scheidungen zu treff en.

Besonderheiten des Beobachtens

Beobachten geht über „Wahrnehmen“ hinaus, da es:• Absicht und Aktivität voraussetzt• Aufmerksamkeit verlangt• Anwendung fester Kriterien umfasst• Auswertung erfordert.

2.2.1 Beobachtungsarten

Abhängig vom Blickwinkel des Beobachters unterscheidet man:• Subjektive Beobachtung. Eine Person

beobachtet und beurteilt eine andere Person oder einen Sachverhalt nach indi-viduellen Maßstäben, z. B. beobachtet eine Mutter das Essverhalten ihres Kin-des, das ihrer Meinung nach zu dünn ist

• Objektive Beobachtung. Eine Person wird unabhängig vom Blickwinkel des

Beobachters betrachtet und sachlich, oh-ne Vorurteile beurteilt. Objektive Beob-achtung ist schwierig, da die Wahrneh-mungsfähigkeit eines Menschen immer von individuellen, nicht quantifi zierba-ren Faktoren beeinfl usst ist. Objektive Ergebnisse liefern Instrumente zur Datenerhebung, z. B. eine Personenwaa-ge zur Ermittlung des Körpergewichts. Mithilfe diff erenzierter Kriterien zu einer Beobachtung kann versucht werden, die Beobachtung zu objektivieren.

Abhängig von der zu beobachtenden Per-son unterscheidet man:• Selbstbeobachtung. Beobachtung der

eigenen Person. Ein Patient fühlt sich z. B. müde, fi ebrig und krank; er misst die Köpertemperatur mit einem Th ermo-meter, bevor er zum Arzt geht

• Fremdbeobachtung. Beobachtung eines anderen Menschen. Ein Patient sagt z. B., dass ihm morgens nach dem Aufstehen immer schwindelig ist. Die Pfl egende misst daraufh in morgens, mittags und abends den Blutdruck des Patienten.

Des Weiteren unterscheidet man:• Teilnehmende Beobachtung. Pfl egende

beobachten häufi g – teilnehmend – wäh-rend der Durchführung von Pfl egemaß-nahmen, z. B. bei der Körperpfl ege. Dies hat den Vorteil, dass der Patient nicht das Gefühl hat, beobachtet zu werden

• Nicht teilnehmende Beobachtung. Der Beobachter ist nicht am Geschehen be-teiligt. Idealerweise bemerkt der Patient nicht, dass er beobachtet wird, da dies häufi g schon Auswirkungen auf Körper-funktionen (z. B. die Atemfrequenz) oder sein Verhalten hat. Beispiel: Während einer Tätigkeit im Raum, z. B. Aufräum-arbeit, beobachtet die Pfl egende den Pa-tienten bei der Anwendung des Inhala-tionsgeräts

Von der Beobachtung in der Pfl ege hängt sehr viel ab. Pfl egende und Ärzte sind auf die Beobachtungen angewiesen, um ihre je-weiligen Maßnahmen planen, steuern, überprüfen und anpassen zu können. Kor-rekte Beobachtungen sowie die reibungslo-se Weiterleitung und Dokumentation der gewonnenen Informationen tragen dazu bei, potenzielle Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen, sodass Vorbeugen und Ein-greifen möglich sind.

Beobachtung als Grundlage professio-

neller Pfl ege

Beobachtung erfasst nicht nur den Zu-stand eines Menschen sowie mögliche

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Komplikationen, sondern belegt auch die Wirksamkeit durchgeführter Maß-nahmen.

2.2.2 Voraussetzungen

Voraussetzung für die professionelle, krite-rienorientierte Beobachtung eines Men-schen und die Auswertung der gewonnenen Daten ist das nötige Fachwissen, z. B. über physiologische und pathologische Vorgän-ge, über Entwicklungsphasen des Men-schen ( 15.1), über Krankheiten und deren Auswirkungen.

Die Beobachtung erfasst den Menschen in seiner Ganzheit und berücksichtigt die körperliche, psychische und soziale Ebene. Pfl egende beobachten den Patienten bei je-dem Kontakt, sei es bei der Körperpfl ege, beim Bettenmachen, beim Verbandswech-sel oder im Gespräch.

Pfl egende sind sich der möglichen Ein-schränkungen ihrer Beobachtungsfähigkeit sowie der Subjektivität ihrer Beobachtungen bewusst. Um möglichst objektive und kor-rekte Daten zu ermitteln, schalten sie Stör-faktoren aus und achten auf optimale Bedin-gungen, z. B. auf eine ausreichende Licht-quelle im Nachtdienst zur Beobachtung eines Wundverbands bei einem Patienten in der postoperativen Phase. Umfassendes Fach-wissen zu den verschiedenen Beobachtungs-kriterien erweitert die Beobachtungskompe-tenz der Pfl egenden. Um z. B. die Stuhlbe-schaff enheit eines Menschen zu beurteilen, ist es wichtig, den Zusammenhang von Er-nährung und Ausscheidung zu kennen.

2.2.3 Beobachtungsfähigkeit

Die Beobachtungsfähigkeit eines Men-schen hängt von der Funktion seiner Sin-nesorgane ab. Davon abgesehen ist eine Be-obachtung ebenso wie eine Wahrnehmung immer subjektiv und wird von Umweltfak-toren und psychologischen Faktoren, z. B. der Gefühlslage oder den persönlichen Ein-stellungen, beeinfl usst.Faktoren, die die Beobachtungsfähigkeit hemmen, sind:• Zeitmangel• Stress• Interesselosigkeit• Übermüdung• Überforderung.Faktoren, die die Beobachtungsfähigkeit fördern, sind:• Ausreichend Zeit• Ausgeglichenheit

• Interesse• Verantwortungsbewusstsein• Pfl ichtbewusstsein.Die Beobachtungsfähigkeit lässt sich trai-nieren. Th eoretisches Hintergrundwissen, praktische Fähigkeiten, Übungen zum ziel-gerichteten Beobachten sowie Erfahrung und Einfühlungsvermögen fördern die Wahrnehmungs- und Aufnahmefähigkeit und ermöglichen eine kompetente Beob-achtung.

2.2.4 Beobachtung als Prozess

Im Rahmen des Pfl egeprozesses ist Beob-achtung ein aktiver Prozess der Wahrneh-mung. Pfl egende richten ihre kriterien-orientierte Aufmerksamkeit darauf, wel-che aktuellen und potenziellen Gesund-heitsprobleme der Patient hat und wie die ausgewählten Pfl egemaßnahmen wirken ( Abb. 2.4). Um die Eff ektivität der ausge-wählten und durchgeführten Maßnahmen beurteilen und Veränderungen rechtzeitig bemerken zu können, ist eine kontinuierli-che Beobachtung in regelmäßigen Abstän-den notwendig [1].

2.2.5 Ziel der Beobachtung

Informationssammlung 1.2

SPICKZETTELBeobachten

• Beobachtungsfähigkeit hängt von den Sinnesorganen des Beobachters ab, aber auch von Umwelt- und psy-chologischen Faktoren

• Beobachtung erfolgt absichtlich, me-thodisch und zielgerichtet

• Beobachtung ist subjektiv (nach indi-viduellen Kriterien) oder objektiv (nach unabhängigen, sachlichen Kri-terien und mit Apparaten und Instru-menten)

• Assessmentinstrumente können Be-obachtung lenken und strukturieren

• Gezielte Patientenbeobachtung und deren Dokumentation sind Grundla-ge des Pfl egeprozesses.

Ziel der Beobachtung in der Pfl ege ist die Sammlung von Informationen zum Erken-nen und Bewerten der Verfassung des Pa-tienten, zum Planen der Pfl ege sowie zur Beurteilung der durchgeführten Maßnah-men (Evaluation). Ziele der Beobachtung:• Individuelle Situation erkennen und evtl.

Pfl ege- oder Beratungsbedarf ermitteln. Eine Pfl egende beobachtet z. B., dass ein 7-jähriges Kind selten Zähne putzt und

ermittelt dadurch den Bedarf an gesund-heitsfördernder Beratung zur Kariespro-phylaxe für das Kind und dessen Eltern

• Selbstpfl egefähigkeit bzw. Pfl egebedürf-tigkeit einschätzen und Pfl egemaßnah-men entsprechend planen ( Kap. 1). Eine Pfl egende erkennt z. B., dass ein Pa-tient aufgrund eines Gipsverbands an einem Arm nicht in der Lage ist, sein Hemd zuzuknöpfen, und übernimmt diese Tätigkeit

• Veränderungen am betroff enen Men-schen feststellen, beschreiben und objek-tivieren. Eine Pfl egende nimmt z. B. wahr, dass sich der Durchmesser einer Windeldermatitis bei einem Säugling von 5 auf 4 cm verringert hat und doku-mentiert dies

• Durchgeführte Pfl egemaßnahmen evalu-ieren. Eine Pfl egende erkennt z. B. an der intakten Haut eines bettlägerigen Be-wohners, dass die Maßnahmen zur De-kubitusprophylaxe erfolgreich sind

• Den Patienten und den Th erapieerfolg überwachen. Eine Pfl egende misst z. B. die Körpertemperatur eines Patienten, um zu kontrollieren, ob die angeordnete Antibiotikatherapie einen Einfl uss auf das Fieber genommen hat.

• Drohende Gefahren und Komplikationen frühzeitig erkennen bzw. verhüten. Eine Pfl egende beobachtet z. B. bei einem Neugeborenen Nasenfl ügeln und inter-kostale Einziehungen, erkennt dessen Atemnot und reagiert, indem sie den Arzt informiert und atemunterstützende Maßnahmen ergreift

• Wünsche und Bedürfnisse eines Men-schen erfassen. Eine Pfl egende in der ambulanten Pfl ege erkennt z. B., dass eine Patientin in der Nacht nicht allein bleiben möchte, weil sie während des Gesprächs Ängste äußert.

Abb. 2.4 Während die Pfl egende den Patienten bei der morgendlichen Körperpfl ege unterstützt, beob-achtet sie u. a. den Zustand von Haut und Schleim-häuten, die Beweglichkeit und das Allgemeinbefi n-den. [K115]

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2 . 2 B E O B A C H T E N 2

Beobachtung als Grundlage für die

Pfl egeprozessgestaltung

Eine umfassende und genaue Beobach-tung eines Menschen und dessen Um-welt ist die Grundlage, um konkrete

Handlungen zielgerichtet zu planen, durchzuführen und zu evaluieren.

2.2.6 Durchführung

Wahrnehmungsbereiche 12.1Wahrnehmungsveränderungen 12.3.4

Beobachtung mit Sinnesorganen

Die Pfl egenden beobachten mit ihren Sin-nesorganen ( Abb. 2.5).• Mit dem Auge sehen sie z. B. Hautfarbe,

Ödeme und Schwellungen, den Ernäh-rungs- und Allgemeinzustand, Wunden, Schweiß, Bewegungen und die Körper-haltung

• Mit dem Ohr hören sie z. B. Atemgeräu-sche, Husten, Schmerzäußerungen, Ton-fall und Sprachstörungen

• Mit den Fingern tasten und spüren sie z. B. Hauttemperatur, Puls und Verhär-tungen der Haut oder Trockenheit bzw. Feuchtigkeit

• Mit der Nase riechen sie z. B. den Atem- und Körpergeruch sowie den Geruch von Ausscheidungen.

Im Vergleich zu einem Apparat beobachten Pfl egende vielseitiger und richten ihre Auf-merksamkeit auf den gesamten Menschen und alle seine Lebensäußerungen. Dies wird an einem direkten Vergleich zwischen auskultatorischer und elektronischer Blut-druckmessung ( 4.2.2) deutlich. Während der Apparat bei der elektronischen Mes-sung ausschließlich den Blutdruck und die Pulsfrequenz in einer Arterie ermittelt,

kann die Pfl egende bei der auskultatori-schen Messung zusätzlich• Aussehen, Hautfarbe und Gesichtsaus-

druck des Patienten beobachten• Den Muskeltonus des Armes spüren und

merken, ob der Patient verkrampft oder entspannt im Bett liegt

• Die Hauttemperatur fühlen und dadurch einen Fieberschub erkennen

• Sich dem Patienten zuwenden, ihn beru-higen, seine Fragen beantworten und ihn nach Wünschen fragen.

Der Mensch als Beobachter ist einem tech-nischen Gerät in einem Punkt unterlegen: Seine Beobachtungen sind beeinfl usst vom eigenen Befi nden, von Erwartungen, von Übung und Erfahrung sowie Konzentration und Aufmerksamkeit, z. B. wirkt sich das Hörvermögen des Pfl egenden auf den bei der manuellen Blutdruckmessung ermittel-ten Wert aus.

Beobachtung mithilfe von

Instrumenten und Apparaten

Häufi g wird die Beobachtung durch die eigenen Sinnesorgane durch Instrumente und Apparate unterstützt. Mittels Th ermo-meter, Blutdruckmanschette, Stethoskop oder ZVD-System u. a. gewinnen Pfl egende Fakten, die mit den Sinnesorganen nicht zu erfassen sind. Sie erheben objektive Daten, die geeignet sind, Eindrücke, die sie über ihre Sinnesorgane empfangen haben, zu präzisieren: • Das unspezifi sche Fühlen „heißer Haut“

lässt sich z. B. exakt einordnen, indem Pfl egende die Körpertemperatur mit einem Fieberthermometer messen und auf Zehntelgrade genau in Grad Celsius (°C) angeben.

• Ebenso lässt sich das Gewicht eines Men-schen exakt mit einer Waage bestimmen.

Spezielle Geräte zum Monitoring (Dauerbeobachtung) werden überwiegend zur Überwachung von Risikopatienten ein-gesetzt, z. B. bei Frühgeborenen ( 34.24.8).

Datensammlung mithilfe von Assess-

ments

Pfl egeassessment 1.11Ein Assessment, auch Einschätzungsscore , Einschätzungsskala oder Screening-Instru-ment genannt, ist eine kriterienorientierte und strukturierte Sammlung von Daten zu einem Pfl egeproblem. Inzwischen gibt es zu fast allen pfl egerelevanten Aspekten Assess-ments. Bei der Verwendung solcher Scree-ning-Instrumente ist darauf zu achten, dass diese validiert sind. Die Expertenstandards in der Pfl ege empfehlen z. B. das Mini Nu-tritional Assessment (MNA) zur Einschät-zung des Risikos einer Unterernährung ( 7.2). Pfl egende ergänzen den Einsatz sol-cher Instrumente durch ihre fachliche Ein-schätzung, um angemessene und auf den Patienten abgestimmte/individuelle Pfl ege-maßnahmen/Interventionen daraus abzu-leiten.

Datenerhebung in Gesprächen und

mithilfe von Dokumenten

Durch Gespräche im Team, mit Mitgliedern anderer Berufsgruppen sowie dem Patien-ten und dessen Angehörigen gewinnen Pfl egende wichtige Informationen. Gezielte Fragen, z. B. während des Aufnahmege-sprächs, liefern Daten zur Anamnese, die Einfl uss auf das weitere Vorgehen haben können ( Abb. 2.6). Jede Interaktion ( Kap. 39) mit dem Patienten bietet Pfl e-genden die Möglichkeit, Informationen zu erhalten. Pfl egende bitten den Patienten und bei Bedarf auch dessen Angehörige, ihre Eindrücke von der Entwicklung des Be-fi ndens exakt mitzuteilen.

Abb. 2.5 Über die Sinnes-organe nimmt der Mensch verschiedene Reize auf. [O408]

Abb. 2.6 Beim Aufnahmegespräch mit einem Pa-tienten erlangen Pfl egende durch kriterienorien-tiertes Fragen und empathisches Zuhören wichtige Informationen über den Patienten und dessen Si-tuation. [K115]

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Um den Gehalt der Aussagen zu verbes-sern, kann es notwendig sein, den Patienten oder seine Angehörigen zum methodischen Beobachten anzuleiten ( Kap. 10).

Weitere Informationsquellen sind Doku-mente jeder Art, z. B. frühere Pfl egeberich-te, Überleitungsberichte von anderen Sta-tionen oder ärztliche Dokumentationen.

Stellenwert der Beobachtung bei ein-

geschränkter Kommunikation

Bei Menschen, die ihr Befi nden und ihre Beschwerden nicht oder nur teilweise äußern können, z. B. bei Säuglingen, Kindern, behinderten und verwirrten Menschen, hat die Beobachtung einen besonderen Stellenwert. In diesem Fall achten die Pfl egenden insbesondere auf Zeichen der nonverbalen Kommuni-

kation ( 39.1.2) wie Mimik, Gestik, Körperhaltung und Verhalten ( 10.2). Um diese Kriterien möglichst eindeutig beurteilen und Veränderungen im Ver-lauf erkennen zu können, ist es von Vor-teil, wenn möglichst immer dieselbe Pfl egende den betroff enen Menschen betreut ( 47.5).

SPICKZETTELAllgemeine Beobachtungskrite-rien

• Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, Atmung

• Ausscheidung• Bewusstsein, Kommunikationsfähig-

keit, Orientiertheit• Mimik, Köperhaltung, Bewegung• Ernährungszustand, Appetit, Durst• Hautzustand• Schmerz• Soziales Umfeld, psychisches Befi n-

den, Adherence.

Datenerhebung bei Kindern

Kinder reagieren bei bestimmten Maßnah-men zur Datenerhebung misstrauisch und ablehnend. Ungewohnte Geräte und fremde Menschen machen ihnen Angst. Dann ver-halten sie sich abweisend und verhindern somit häufi g eine Erhebung korrekter Infor-mationen. In diesem Fall ist es nötig, die El-tern einzubeziehen und die Kinder während der Durchführung abzulenken bzw. sie spie-lerisch an die Maßnahmen, z. B. das Messen der Körpertemperatur, zu gewöhnen.

Pfl egende informieren ältere Kinder mit altersentsprechenden Erklärungen über das jeweilige Vorgehen. Ausführliche und kind-gerechte Antworten auf die Fragen helfen,

Ängste abzubauen und ermöglichen den Kindern, sich auf die bevorstehenden Maß-nahmen einzulassen [2].

2.2.7 Ergebnisse

Subjektive und objektive Informationen 1.2Mithilfe ihrer Beobachtungen gewinnen Pfl egende Informationen über einen Men-schen und dessen Umwelt. Bei den gewon-nenen Informationen handelt es sich um subjektive und objektive Daten.• Objektive Daten sind präzise und über-

prüfb are Daten, die mithilfe von Instru-menten und Apparaten gewonnen wer-den, etwa Blutdruck, Gewicht, Atemzug-volumen. Unabhängig von der untersu-chenden Person sind die Ergebnisse identisch

• Subjektive Daten sind Informationen, die von der subjektiven Beobachtung und Einschätzung des Beobachtenden geprägt sind, z. B. Aussagen über Schlaf- und Essverhalten, Gefühle, Schmerz-empfi nden. Derartige Informationen sind schwierig zu vergleichen, da sie stets von der individuellen Situation des Be-obachters abhängen. Um diese Daten vergleichbar zu machen, setzen Pfl egen-de Hilfsmittel, z. B. Skalen zur Schmerz-einschätzung ( 13.2.3), ein.

2.2.8 Dokumentation

Informationsmanagement und Pfl egedoku-mentation 1.10Es ist eine berufl iche Pfl icht der Pfl egenden und aus rechtlichen Gründen erforderlich, alle Beobachtungen möglichst zeitnah und eindeutig, d. h., unverfälscht von anderen Eindrücken, im Dokumentationssystem zu notieren ( Abb. 2.7). Die Betrachtung der dokumentierten Werte über einen längeren Zeitraum ermöglicht es, Einzelbeobachtun-gen in Relation zu anderen Beobachtungen

und Messwerten zu setzen (Nachvollzieh-barkeit, Verlaufskontrolle). Aus der Summe aller Beobachtungen resultiert ein wirklich-keitsnahes Gesamtbild, das von einem ein-zelnen Eindruck oder Messwert erheblich abweichen kann. Zum Beispiel kann ein einmalig erhöhter Blutdruckwert auch Zei-chen von Anstrengung oder Aufregung sein. Erst wenn wiederholt hohe Blutdruck-werte gemessen werden, kann von einer Hypertonie ausgegangen werden.

Bedeutung von einzelnen Beobachtun-

gen

Eine Beobachtung gewinnt oft erst im

Zusammenhang mit anderen Beobach-

tungen und im zeitlichen Verlauf ihre Aussagekraft.

2.3 Beurteilen

DEFINITION

Beurteilen:  Bewerten der wahrgenom-menen und beobachteten Informatio-nen, d. h., die gewonnenen Daten wer-den in einen Zusammenhang gestellt.

Die durch die Beobachtung ermittelten Fak-ten werden im Vergleich mit der Ausgangs-lage oder dem physiologischen Idealwert beurteilt. Erst die Beurteilung liefert die Grundlage zur Planung, Durchführung und Evaluation pfl egerischer Interventionen.

2.3.1 Voraussetzung

Voraussetzung zur Beurteilung von Beob-achtungen ist das Fachwissen über:• Physiologische Daten, Vorgänge und Zu-

stände• Physiologische und pathologische Ab-

weichungen und mögliche Ursachen• Mögliche Auswirkungen.

2.3.2 Beurteilungsfehler

Beurteilungsfehler führen zu einer fal-schen Bewertung von gewonnenen Daten, die wiederum eine fehlerhaft e Auswahl der weiteren Maßnahmen verursachen kann. Häufi ge Beurteilungsfehler sind [3]:• Halo-Eff ekt/Hof-Eff ekt (Über-

strahlungsfehler). Ein Urteil wird auf-grund einiger weniger herausragender Eigenschaft en, die andere Eigenschaft en überdecken, gebildet. Beispiel: Eine Pfl e-gende versorgt einen neuen Patienten mit einer stark blutenden Wunde. Sie

Abb. 2.7 Die sorgfältige und ausführliche Be-schreibung von Beobachtungen ist u. a. aus rechtli-chen Gründen wichtig. Ergänzend zur Patienten-kurve gibt es spezielle Dokumentations- und Nach-weisbögen, z. B. Bilanzierungsbögen. [K115]

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2 . 3 B E U R T E I L E N 2

richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Wunde und bemerkt nicht, dass der Patient sehbehindert ist

• Kontrast-Eff ekt. Eigenschaft en werden verstärkt wahrgenommen, weil sie sich von den eigenen oder denen einer Ver-gleichsperson unterscheiden. Beispiel: Ein reifes, normalgewichtiges Neugebo-renes wird von Pfl egenden auf einer Frühgeborenenstation als „dick“ be-urteilt ( Abb. 2.8)

• Logischer Fehler. Ein Urteil wird auf-grund falscher Schlussfolgerungen gebil-det. Beispiel: Leberzirrhose entsteht sehr häufi g aufgrund von Alkoholmissbrauch. Es wäre jedoch ein logischer Fehler, aus dieser Tatsache den Umkehrschluss ab-zuleiten und jedem Patienten, der an einer Zirrhose leidet, ohne Kenntnis der jeweiligen Lebenssituation Alkoholab-usus zu unterstellen

• Milde-Eff ekt. Viele Beurteiler neigen zu freundlichen, milden Einschätzungen und vermeiden negative Beurteilungen. Beispiel: Eine Pfl egende beurteilt eine Auszubildende, die ihr sympathisch ist, positiv und vermeidet Kritik

• Erwartungsfehler („self-fulfi lling pro-phecy“, „selbsterfüllende Prophezeiung“). Eine Vorhersage, die sich deshalb erfüllt, weil sich der Vorhersagende, meist un-bewusst, so verhält, dass er zu ihrer Er-füllung beiträgt. Beispiel: Eine Pfl egende erzählt bei der Übergabe, dass eine neue Patientin sehr unfreundlich sei. Darauf-hin verhalten sich die Kollegen der Pa-tientin gegenüber reserviert und bewir-ken damit eine als unfreundlich empfun-dene Reaktion der Patientin

• Hawthorne-Eff ekt. Schon die Tatsache, dass der Patient weiß, dass er beobachtet wird, beeinfl usst sein Verhalten. Beispiel: Ein Patient atmet langsamer und tiefer, wenn er weiß, dass seine Atmung beob-achtet wird.

SPICKZETTELBeurteilen

• Wahrgenommene und beobachtete Informationen werden bewertet

• Fachwissen erforderlich, z. B. Norm-werte, physiologische und pathologi-sche Abweichungen

• Wissen um mögliche Beurteilungs-fehler (z. B. Halo-Eff ekt, Kontrast-Ef-fekt, logischer Fehler, Milde-Eff ekt, Erwartungsfehler, Hawthorne-Eff ekt) hilft dabei, diese zu reduzieren oder zu vermeiden.

2.3.3 Pfl egerisches Handeln

Lebensphasen Kap. 15Pfl ege als Interaktion 15.3Modelle des Pfl egeprozesses 1.1Aufgrund der Beobachtungen und deren Beurteilung führen Pfl egende nun Pfl ege-handlungen personenbezogen durch, d. h., bei der Durchführung der geplanten

Maßnahmen berücksichtigen sie die spezi-fi sche Situation des Patienten und dessen individuelle Bedürfnisse.

Menschen werden von verschiedenen Einfl ussfaktoren, z. B. Alter, Familie, sozia-ler Schicht, Religion und Kultur, geprägt ( 15.3) und reagieren entsprechend unter-schiedlich in den verschiedenen Pfl egesitu-ationen. Das Wissen um diese Einfl üsse er-möglicht es den Pfl egenden, ihre Handlun-gen alters- und situationsgerecht durchzu-führen ( Abb. 2.9, Abb. 2.10).

Aber auch Patienten mit ähnlichen Ein-fl ussfaktoren verhalten sich in den einzel-nen Situationen unterschiedlich. Pfl egende beachten diese individuellen Eigenschaft en der Patienten und richten ihr Handeln da-nach aus. Es reicht z. B. nicht aus, allen muslimischen Patienten das gleiche Essen wie anderen Patienten – nur ohne Schwei-nefl eisch – anzubieten ( Abb. 2.11).

Abb. 2.8 Neben einem Frühgeborenen wirkt ein eutrophes Neugeborenes „riesig“ und dick. [K115]

Abb. 2.9 Pfl egende kennen die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten eines Menschen in Abhängigkeit vom Lebensalter und richten ihr Han-deln danach aus. Beim Waschen eines Kleinkindes z. B. berücksichtigen sie die Selbstständigkeit des Kindes und unterstützen es nur da, wo es nötig ist. [K115]

Abb. 2.10 Für die meisten Menschen ist die Fami-lie von großer Bedeutung. Pfl egende erfassen die individuelle familiäre Situation eines Patienten und unterstützen die Familienangehörigen bei der Versorgung des Patienten. [J787]

Abb. 2.11 Pfl egende beachten beim Versorgen eines Patienten dessen kulturelle Gewohnheiten, z. B. bei der Zusammenstellung einer Mahlzeit. [K115]

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