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59 Abb. 3.1. Lithostatische Spannung 3. Spannungen In diesem Kapitel soll zunächst die Spannung als Kraft pro Fläche eingeführt werden und dann die unterschiedlichen Spannungskomponenten zu einem Spannungstensor zusammengefasst werden. Es soll dabei das Augenmerk auf tektonophysikalische und geodynamische Aspekte gerichtet werden, insbesondere auf mögliche Ursachen für Spannungsverteilungen in der Litho sphäre. 3.1. Der Spanungstensor und seine Komponenten Spannungen sind Kräftepaare pro Einheitsfläche, die von einer Seite einer inneren Oberfläche eines Mediums auf die andere Seite übertragen werden mittels atomarer Kräftefelder. Span- nungen, die senkrecht zur Fläche übertragen werden, heißen Normalspannungen, parallel zur Fläche übertragene Spannungen heißen Scher- oder Tangentialspannungen. Der (negative) Mittelwert der Normalspannungen heißt Druck. Während in der Geomechanik und Geologie Kompression meist positiv genommen wird, wird in der Physik Kompression negativ ge- nommen. Ihrer Zwitternatur zufolge kommen in der Geophysik beide Konventionen vor. In der Geodynamik wollen wir hier der physikalischen Konvention folgen: Kompression negativ, Zug positiv. Im Falle, dass aus Konsistenzgründen mit der Literatur oder aus Anschaulichkeit die tektonische Konvention benutzt wird, werden wir die Spannungen mit umgekehrtem Vorzeichen genommen und mit einer Tilde versehen, z.B. Physikalische Tektonische Konvention . Einheiten: N/m 2 = kg m -1 s -2 = Pa. 1 bar = 10 6 dyn/cm 2 = 10 5 Pa. In den Geowissenschaften wird häufig 1 MPa = 10 6 Pa = 10 bar benutzt. Die in der Tektonophysik meistens dominierende Normalspannung ist die lithostatische Spannung (Abb. 3.1). Die Kraft, die durch das Gewicht einer Massensäule in der Tiefe z auf ihre Grundfläche δA ausgeübt wird, ist gleich Masse m mal Beschleunigung g, also m g = ρ V g = p g δA z, wobei V das Volumen der Massensäule und ρ ihre als konstant angenommene Dichte ist. Diese Gewichtskraft muss im Gleichgewicht mit einer aufwärts gerichteten Spannungskraft -σ zz δA stehen (minus, da sie in negative-z-Richtung zeigt): Falls die Dichte nicht konstant, sondern tiefenabhängig ist, muss über die Masse der Säule interiert werden: Als Faustregel kann man sich für die Lithosphäre merken: z (in km) = 3 zz ~ s (in kbar) ±10% (Tilde: tektonische Spannung, Kompression positiv) - = - = z 0 zz zz ) 2 . 3 ( g ) z ( dz d oder dz g ) z ( r s r s ) 1 . 3 ( z g zz r s - = zz zz ~ s s - =

3. Spannungen - Goethe-Universitätuser.uni-frankfurt.de/~schmelin/skripte/Geodyn1-kap3-S59-S75-2004.pdf · Das Prinzip der Isostasie fordert, dass in einer bestimmten Ausgleichstiefe

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Abb. 3.1. Lithostatische Spannung

3. Spannungen

In diesem Kapitel soll zunächst die Spannung als Kraft pro Fläche eingeführt werden und dann die unterschiedlichen Spannungskomponenten zu einem Spannungstensor zusammengefasst werden. Es soll dabei das Augenmerk auf tektonophysikalische und geodynamische Aspekte gerichtet werden, insbesondere auf mögliche Ursachen für Spannungsverteilungen in der Litho sphäre. 3.1. Der Spanungstensor und seine Komponenten Spannungen sind Kräftepaare pro Einheitsfläche, die von einer Seite einer inneren Oberfläche eines Mediums auf die andere Seite übertragen werden mittels atomarer Kräftefelder. Span-nungen, die senkrecht zur Fläche übertragen werden, heißen Normalspannungen, parallel zur Fläche übertragene Spannungen heißen Scher- oder Tangentialspannungen. Der (negative) Mittelwert der Normalspannungen heißt Druck. Während in der Geomechanik und Geologie Kompression meist positiv genommen wird, wird in der Physik Kompression negativ ge-nommen. Ihrer Zwitternatur zufolge kommen in der Geophysik beide Konventionen vor. In der Geodynamik wollen wir hier der physikalischen Konvention folgen: Kompression negativ, Zug positiv. Im Falle, dass aus Konsistenzgründen mit der Literatur oder aus Anschaulichkeit die tektonische Konvention benutzt wird, werden wir die Spannungen mit umgekehrtem Vorzeichen genommen und mit einer Tilde versehen, z.B. Physikalische Tektonische Konvention . Einheiten: N/m2 = kg m-1 s-2 = Pa. 1 bar = 106 dyn/cm2 = 105 Pa. In den Geowissenschaften wird häufig 1 MPa = 106 Pa = 10 bar benutzt. Die in der Tektonophysik meistens dominierende Normalspannung ist die lithostatische Spannung (Abb. 3.1). Die Kraft, die durch das Gewicht einer Massensäule in der Tiefe z auf ihre Grundfläche δA ausgeübt wird, ist gleich Masse m mal Beschleunigung g, also m g = ρ V g = p g δA z, wobei V das Volumen der Massensäule und ρ ihre als konstant angenommene Dichte ist. Diese Gewichtskraft muss im Gleichgewicht mit einer aufwärts gerichteten Spannungskraft -σzzδA stehen (minus, da sie in negative-z-Richtung zeigt):

Falls die Dichte nicht konstant, sondern tiefenabhängig ist, muss über die Masse der Säule interiert werden:

Als Faustregel kann man sich für die Lithosphäre merken: z (in km) = 3 zz

~σ (in kbar) ±10% (Tilde: tektonische Spannung, Kompression positiv)

∫ −=−=z

0

zzzz )2.3(g)z(

dzd

oderdzg)z( ρσ

ρσ

)1.3(zgzz ρσ −=

zzzz~σσ −=

60

Häufig stellt sich in Gesteinen nach genügend langer Zeit und genügend hoher Temperatur ein lithostatischer Spannungszustand ein, d.h. alle drei Normalspannungen sind gleich dem Ge-wicht der auflastenden Massensäule pro Fläche, d.h. (Dichte konstant)

Der lithostatische Spannungszustand ist identisch mit dem hydrostatischen Druck in einer ruhenden Flüssigkeit. Abweichungen vom lithostatischen Spannungszustand können durch tektonische Spannungen hervorgerufen werden. In Glg (3.3) wurde als Vorzeichenkonvention ein kompressiver Druck P positiv gerechnet, während eine kompressive Spannung negativ genommen wird (wie üblich in der Physik). Als Beispiel für tektonische Spannungen betrachten wir das einfache Modell eines kontinentalen Blockes der Dicke h und Dichte ρk, der in einem Mantel mit der Dichte ρm schwimmt. Wir nehmen zunächst an, dass der Block isostatisch ausgeglichen ist, d.h., dass er sich im Schwimmgleichge-wicht befindet. Das Prinzip der Isostasie fordert, dass in einer bestimmten Ausgleichstiefe die vertikale Normalspan-nung konstant ist und gleich dem Gewicht der auflastenden Massensäule pro Fläche ist:

wobei ρ1, ρ2 die tiefenabhängigen Dichten an den Orten 1 und 2 sind, und zt1und zt2 die z Werte der topographischen Oberfläche an den Orten 1 und 2. Für unser einfaches Modell er-gibt sich aus (2.4):

Wir nehmen einen lithostatischen Spannungszustand außerhalb des kontinentalen Blockes an, also Gültigkeit von (3.3). Dann können wir die gesamte horizontale Kraft Fm des Mantels aus-rechnen, die auf die Seite des Kontinents wirkt (pro Einheitslänge in y-Richtung):

)6.3(gb21

dzzgdzPF 2m

b

0m

b

0Lm ρρ −=−=−= ∫∫

Wir nehmen an, dass im Innern des Kontinents eine tektonische Spannung herrschen kann. Die gesamte horizontale Kraft (pro Einheitslänge in y-Richtung), die im Innern des Blockes herrscht, kann dargestellt werden als Summe aus dem lithostatischen Druck plus einem tekto-nischen Beitrag ∆σxx:

)3.3(zgP zzyyxxL ρσσσ −=++=−

∫∫ =2t

a

1t

a

z

z2

z

z1 )4.3(dzg)z(dzg)z( ρρ

)5.3(hboderbhm

kmk ρ

ρρρ ==

Abb. 3.2

61

Abb. 3.3

)7.3(hgh21

dz)gz(dzFh

0xx

2kxxk

h

0xxk ∫∫ +=+−== σ∆ρσρσ

Der Querstrich bedeutet Mittelwert. Im statischen Gleichgewicht müssen die beiden Kräfte Fm und Fk gleich sein. Wir setzen (3.6) und (3.7) gleich, ersetzen b gemäß der Isostasie-Bedingung (3.5), und erhalten einen Ausdruck für die mittlere tektonische Horizontalspan-nung

)8.3(1gh21

m

kkxx

−=

ρρ

ρσ∆

σxx ist positiv. Es wird also eine horizontale Zugspannung benötigt, um den Kontinent zu-sammen zu halten. Mit typischen Werten von ρk = 2750 kg/m3, ρm = 3300 kg/m3, h = 35 km erhalten wir eine mittlere tektonische Horizontalspannung von 80 MPa (800 bar). Eine solche Zugspannung ist in deutlichem Widerspruch zu vielen Beobachtungen. Diese zeigen, dass insbesondere alte, stabile Schildregionen häufig unter horizontalen Kompressionsspannungen von einigen 10 MPa stehen. Lediglich ausgedünnte kontinentale Kruste in Anwesenheit von warmem Mantel steht häufig unter Zugspannungen. Wir kommen auf diesen Punkt weiter unten zurück.

Die Komponenten des Spannungstensors Um den dreidimensionalen Spannungszustand zu beschreiben, betrachten wir einen in-finitesimalen Würfel (Abb. 3.3). Die Normalspannungen σxx, σyy, σzz wirken normal auf den Würfelflächen in Richtung der Normaleneinheitsvektoren dieser Flächen. Die Scherspannun-gen σzx, σzy, etc. wirken tangential auf den Flächen. Der erste Index beschreibt

die Fläche, auf der die Spannung wirkt, der zweite stellt die Richtung der Spannungskraft dar. Aus dem Momentensatz (die Summe aller an einem Körper angreifenden Momente ist 0) kann man herleiten, dass der Spannungstensor symmetrisch ist:

62

Abb. 3.4

)9.3(jiij σσ =

Alle Komponenten des Spannungszustandes lassen sich zusammenfassen als

)10.3(

zzzyzx

yzyyyx

xzxyxx

ij

=σσσσσσσσσ

σ

und bilden einen Tensor (die Tensoreigenschaft ist physikalisch darin begründet, dass der Spannungszustand unabhängig von der Orientierung des Koordinatensystems ist).

Cauchy Formel. Man kann den Spannungstensor auch zur Bestimmung der Spannungs- kom-ponenten auf einer beliebig orientierten Fläche heranziehen. In der Abbildung (3.4) ist eine Fläche durch ihren Normalenvektor ni = (nx, ny, nz ) definiert. Der Spannungstensor kann auf-gefasst werden als Abbildungsvorschrift, die ni auf einen Kraftvektor pro Einheitsfläche ti ab-bildet. Dieser Zusammenhang lässt sich aus dem y Kräftegleichgewicht herleiten, das an den dargestellten infinitesimalen Tetraeder herrschen muss. Er lautet:

bzw.

oder in der Indexschreibweise (Summenkonvention, über alle doppelt vorkommenden Indizes wird summiert):

Der Spannungsvektor ti steht beliebig schräg auf der Fläche, die drei Komponenten t1, t2, t3 weisen in x, y, z-Richtung. Häufig ist man jedoch an den Komponenten des Spannungsvek-tors interessiert, die parallel und senkrecht auf der Fläche stehen. Diese erhält man, indem man einen tangentialen Einheitsvektor ti* auf der Fläche definiert, bzw. den Normalenein-heitsvektor ni benutzt, und zwischen diesen und dem Spannungsvektor ein Skalarprodukt bil-det Bekanntlich stellt nämlich ein Skalarprodukt zwischen einem Vektor und einem Ein-heitsvektor (z.B. ni) die Projektion von ti auf eine Gerade dar, die durch ni läuft. Es gilt also für die Normalkomponente von ti die wir mit σn bezeichnen (Summenkonvention):

)11.3()n,n,n(tt

zzzyzx

yzyyyx

xzxyxx

zyxi

⋅==σσσσσσσσσ

r

∑=

=3

1jijji nt σ

ijjji nntji

σσ ==

63

Abb. 3.5 Spannungszustand σij und Spannungsvektor ti auf unterschiedli-chen Flächen

und für die Tangentialkomponente σt parallel zum tangentialen Einheitsvektor ti

*:

Hauptspannungen. In einem beliebigen Spannungszustand heißt eine Fläche Hauptspan-nungsfläche, wenn auf ihr der Spannungsvektor normal steht. Der Wert dieses Vektors ist dann eine Hauptspannung. Wir suchen also einen Normalenvektor ni der parallel zu ti verläuft, also

)14.3(nt ii λ= Mit der Definition für ti (Glg. 3.11) folgt (Summenkonvention)

)15.3(0)(n

nn

nn

ijijj

ijjjij

ijij

=−

=

=

δλσ

δλσ

λσ

Hierbei ist δij die Einheitsmatrix (Kronecker delta). (3.15) stellt ein homogenes Gleichungs-system für ni dar. Es hat nur dann nicht triviale Lösungen, wenn seine Determinante verschwindet. Für das räumliche Hauptspannungsproblem muss also gelten:

)16.3(det

zzzyzx

yzyyyx

xzxyxx

−−

λσσσσλσσσσλσ

Dies ist die charakteristische Gleichung. Sie ist eine kubische Bestimmungsgleichung für λ. Die drei Lösungen λ1, λ2, λ3 heißen Eigenwerte. Sie sind die drei Hauptspannungen. Für jede Hauptspannung lässt sich das Gleichungssystem (3.15) lösen und die zugehörigen Eigenvek-toren bestimmen. Man erhält somit die Richtungen des Hauptspannungssystems. Man kann zeigen, dass die Eigenvektoren, also die Richtungen der drei Hauptspannungen, aufeinander senkrecht stehen (wenn die Hauptspannungen paarweise unterschiedlich sind). Es kann also zu jedem beliebigen Spannungszustand ein orthogonales Koordinatensystem gefunden werden, in dem die Tangentialspannungen ver-schwinden und die Normalspannungen die Hauptspan-nungen darstellen (Abb. 3.3). Im zweidimensionalen Spannungszustand (alle y-Kom-ponenten = 0) kann man die Hauptspannungen und ihre Richtung direkt angeben. Die Abb. 3.5 zeigt, wie sich der Spannungsvektor ti dreht, wenn man die Orientierung einer inneren Fläche variiert. Der Winkel zwischen der x-Achse und den Hauptspannungsebenen ist gegeben durch

)12.3(nnnt ijijiin ⋅=⋅= σσ

)13.3(tntt *ijij

*iit ⋅=⋅= σσ

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während der Betrag der Hauptspannungen gegeben ist durch

Auf Flächen 45o zu den Hauptspannungsebenen wird der Betrag der Tangentialspannungen σt maximal. Im zweidimensionalen Spannungssystem ist diese maximale Scherspannung gege-ben durch

Das Beispiel rechts zeigt als Spannungszustand reine Sche-rung (pure shear). σ1 ist gleich - σ2 in diesem Fall. Auf den 45o-Flächen treten in diesem Fall nur Tangentialspannungen auf. Es sollte hier bemerkt werden, dass die Unterscheidung zwischen reiner und einfacher Scherung (simple shear) nur im Zusammenhang mit Deformation sinnvoll ist. Betrachtet man nur Spannungen, so sind beide Zustände identisch, abgesehen von einer Drehung des Koordinatensystems. Deviatorische Spannungen Wir definieren den Druck P durch den negativen Mittelwert der Normalspannungen:

)20.3()(31

)(31

P 321zzyyxx σσσσσσ ++−=++−=

Wir können den deviatorischen Spannungstensor definieren, indem wir von den Normalspan-nungskomponenten die mittlere Normalspannung subtrahieren. Dies ist gleichbedeutend mit der Addition des Druckes auf die Spur des Tensors:

Der deviatorische Spannungszustand ist sinnvoll im tiefen Erdinnern, wenn der Umgebungs-druck sehr groß ist, und die geodynamischen Prozesse nur von den deviatorischen Spannun-gen abhängen.

)17.3(2

2tanzzxx

xzσσ

σθ

−=

)18.3()(41

22xz

2zzxx

zzxx2,1 σσσ

σσσ +−±

+=

)19.3()(21

oder)(21

)45( 2121t σσσσσ −−−+=°

)21.3(P

PP

zzzyzx

yzyyyx

xzxyxx

zzzyzx

yzyyyx

xzxyxx

ij

++

+=

=σσσ

σσσσσσ

τττττττττ

τ

65

b. 3.6 Ausführung einer Spannungsmessung mit der Door- stop-per-Methode. Auf die plangeschliffene, polierte, gesäuberte und getrocknete Bohrlochsohle (a) wird mit Hilfe der Setzein-richtung ein Doorstopper aufgeklebt (b). Nachdem der Kleber abgebunden ist und eine Nullmessung gemacht worden ist, wird die Setzeinrichtung gezogen (c) und der Doorstopper überbohrt (d). Der Bohrkern mit aufgeklebten Doorstopper wird zusam-men mit dem Kernrohr gezogen (e) und wieder an die Setzein-richtung angeschlossen (f). Nun können die Deformationen des freigeschnittenen Gesteinskerns an der Messbrücke ermittelt werden.

3.2. Spannungsmessungen Eine vollständige Bestimmung des Spannungstensors in der Lithosphäre erfordert, unter An-nahmen isotroper elastischer Parameter, die Bestimmung sechs unabhängiger Größen (sechs unabhängige Komponenten des Spannungstensors, oder drei Hauptspannungen und drei Win-kel). Eine solche Bestimmung aller Komponenten ist in der Regel nicht möglich, aber auch nicht unbedingt erforderlich. Die Anwesenheit einer freien, in erster Näherung horizontalen Oberfläche führt nämlich dazu, dass in der Regel eine der drei Hauptspannungen nahezu ver-tikal orientiert ist, und etwa gleich dem lithostatischen Auflastdruck ist. Die Bestimmung der übrigen tektonisch wichtigen Größen (Richtung der maximalen Horizontalspannung, ihr Be-trag, und der Betrag der minimalen Horizontalspannung) kann mit unterschiedlichen Metho-den erfolgen.

Überbohrverfahren . Dieses Verfahren ist in Abb. 3.6 gezeigt und erklärt (Becker et al. 1984, Techn Ber 84-37, Nagra). Man erhält alle drei gesuchten Größen gleichzeitig. Die Doorstopper-Methode, ein Überbohrverfahren, dass von LEEMAN (1971) und CAHNBLEY, 1970) entwickelt worden ist, zählt heute zu den gebräuchlichsten Spannungsmessver-fahren. Es handelt .sich dabei um eine Messzelle (sog. Doorstopper) mit vier Dehnungmessstreifen (DMS), die jeweils um 45° zueinander ver-setzt angeordnet sind. Wird ein solcher Doorstopper auf Ge-stein aufgeklebt und überbohrt, so können die Deformationen des Gesteins über die Längenänderung der Dehnungsmessstreifen gemessen werden. Die mechanischen Defor- mationen der vier Dehnungsmessstreifen lassen sich elektro-nisch über die Ände-rung des elektrischen Wider-standes infolge der Verlänge-rung oder Verkürzung der DMS ermitteln. Streng ge-nommen sind daher Doorstop-per-Messungen keine Span-nungsmessungen, sondern De-formationsmessungen. Erst die Ermittlung der Gesteinspara-meter E (Elastizitätsmodul) und ν (Poissonzahl) ermöglicht die Berechnung der Spannungen. Es ist sogar möglich, den zu ziehenden Kern innen auszu-bohren, und die Messstreifen innen an die vertikale Wand der Kernes zu kleben. Nach Ü-berbohren läßt sich dann auch die vertikale Spannung bestimmen.

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Abb. 3.7 Druckverlauf während Hydrofracturing

Bohrlochrandausbrüche. Ein ursprünglich rund gebohrtes Bohrloch weist in verschiedenen Tiefenbereichen häufig Ausbrüche der Bohrlochwand auf. Diese werden durch Horizontal-spannungen hervorgerufen, die wegen der neu geschaffenen freien Oberfläche an der Bohr-lochwand plötzlich nicht mehr im Gleichgewicht gehalten werden. Das lokal veränderte Spannungsfeld führt zu Ausbrüchen an den Seiten des Bohrlochs, die in Richtung der mini-malen Horizontalspannung weisen. Man misst die Ausbrüche gegen magnetisch Nord entwe-der mechanisch mit einem Vierarmkaliper-Messinstrument oder mit Hilfe von Laufzeitmes-sungen hochfrequenter akustischer Signale. Diese Methode ermöglicht nur, die Richtung der Horizontalspannungen, nicht ihren Betrag, zu bestimmen. Hydraulic Fracturing. Bei dieser Methode wird ein von Brüchen freier Abschnitt des Bohr-lochs oben und unten abgedichtet. Daraufhin wird der Flüssigkeitsdruck solange erhöht, bis beim sogenannten breakdown pressure ein Bruch stattfindet (Abb. 3.7). Das Einpumpen wird sofort gestoppt, und der Druckabfall gemessen. Dieser erreicht dann ein Niveau, der "instan-taneous shut-in pressure" genannt wird. Dies ist der Druck, der überschritten werden muss, um den Bruch zu öffnen. Er wird mit der minimalen Horizontalspannung identifiziert. Lässt man den Druck vollständig abfallen, so wird bei späterem Einpumpen des Bohrlochs nurmehr der Druck ISIP erreicht. Aus dem breakdown pressure kann man die Bruchfestigkeit des Gesteins bestimmen, und unter Berücksichtigung geeigneter Bruchkriterien die maximale Hori-zontalspannung abschätzen. Herdmechanismen. Aus der Orientierung der Herdflächen von Beben kann man die Lage der Hauptspannungen bestimmen. Allerdings sind diese ungenau, wenn der Bruch auf einer vorhandenen Schwächezone stattfindet, die nicht exakt mit der Orientierung der Fläche maximaler Tangentialspannung übereinstimmt. Ab-schätzungen ihres Betrages sind aus Bestimmungen der Magnitude und des seismischen Mo-ments nur mit Annahmen über Bruchmechanismen möglich. Lediglich der Spannungsabfall, der eine untere Grenze darstellt, lässt sich aus seismologischen Parametern ermitteln. Messungen der Spannungsbeträge In Kontinenten sind viele Spannungsmessungen in Bohrlöchern durchgeführt worden. Sie weisen eine große Streuung auf. In älteren Kontinentalbereichen (Kratonen) ist der Span-nungszustand oft kompressiv, d.h. die mittlere Horizontalspannung ist größer (kompressiver) als die Vertikalspannung (Abb. 3.8a). Die maximale Scherspannungen (=σ1-σ3)/2 ist im all-gemeinen kleiner als die lithostatische Spannung, liegt jedoch in Bereichen von mehreren 10 MPa (Abb.3.8c). In Ozeanen sind sehr viel weniger Spannungsmessungen durchgeführt worden. Man ist da-her weitgehend auf Herdflächenlösungen von Beben (am besten innerhalb der Platten, intraplate-Beben) angewiesen. Der Betrag der Spannungen ist daher schlecht abzuschätzen, jedoch ist schon die Unterscheidung zwischen Kompression (thrust faulting) und Dehnung (normal faulting) aussagekräftig. Man findet, dass der Spannungszustand von Dehnung für junge ozeanische Lithosphäre bei einem Alter zwischen 10 und 20 Ma in Kompression über-geht (Abb. 3.9).

67

Abb. 3.8

Abb. 3.9 aus Sykes, Sbar, 1973, Nature

68

Abb. 3.10 World stress map für Europa (siehe http://www.world-stress-map.org)

Messungen der Spannungsrichtungen. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Spannungsbestimmungen zusammengetragen und in einer zentalen Datenbasis gespeichert. Hieraus konnte mit entsprechender Bewertung der Güte der Daten (Unterteilung in verschiedene Qualitätskategorien) eine Weltspannungs-karte erstellt werden. Abb. 3.10. zeigt die Richtungen der größten Horizontalspannungen in Europa (siehe auch Abb. 3.11). Man kann verschiedene Spannungseinheiten identifizieren.

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Abb. 3.11 World stress map (siehe http://www.world-stress-map.org)

Die Spannungen in Großbritannien, S-Schweden und Deutschland haben eine NW-SE-Orientierung, die etwa in Richtung der Ridge push Kraft vom Nordatlantik zeigt. Spannungen

in N-Skandinavien streuen und zeigen relativ starke Kompression. Spannungen in der Ägäis sind kompressiv senkrecht zur Konvergenzrichtung zwischen Afrika und Europa. Dies bedeu-tet, sie haben eine deviatorische Zugspannung senkrecht dazu, die mit der Randmeerbecken-bildung hinter der ägäischen Subduktionszone im Einklang steht. Abb. 3.11 zeigt die Weltspannungskarte. Es sind die Richtungen der größten Kompressions-spannungen gegeben. Zum Teil sind sogar Unterscheidungen zwischen Kompressionsregio-nen (das Mittel der Horizontalspannungen (σHmax +σHmin)/2 ist kompressiver als der lithostati-sche Druck) und Extensionsregionen ((σHmax + σHmin)/2 weniger kompressiv als Plith) möglich (dies ist in der farbigen Version der Abb erkennbar). Es können folgende generelle Aussagen gemacht werden: a) die meisten inneren Plattenregionen sind durch kompressive Spannungen gekennzeichnet (Beben mit kombiniertem Aufschiebungs- und Blattverschiebungscharakter) b) die meisten Extensionsregionen (Abschiebungsmechanismen) haben hohe Topographie (westliche US-Kordillieren, Ostafrikanisches Rift, Baikalrift, Himalaya, Anden) c) es gibt ausgedehnte Regionen mit relativ einheitlicher Spannungsrichtung (N-Amerika, Europa) Hier noch einige weitere Resultate aus der Weltspannungskarte:

70

Abb. 3.12

- In einigen Platten kann eine Korrelation zwischen den Plattentrajektorien (Richtungen der absoluten Plattenbewegungen, siehe Abb. 2.47) und der Richtung der maximalen Kompression festgestellt werden. Dies ist besonders für N-Amerika und S-Amerika der Fall. Ein solches Verhalten könnte aus einer Wechselwirkung zwischen antreibenden Ridgepush und bremsenden drag force Kräften resultieren.

- Für die pazifische Platte ist eine solche Korrelation wegen des Mangels an Daten nicht so deutlich. Erkennbar ist jedoch eine geschwindigkeitsparallele Ausrichtung für relativ junge Bereiche. Alte Teile des Pazifiks dagegen auch Kompressionsspannungen ortho-gonal zur Plattenrichtung an.

- In Ostasien ist deutlich die Kollision zwischen Indien und Asien im Spannungsfeld zu erkennen. Es ist mit dem Indentormechanismus (Eindringen der harten Indischen Platte in die weichere asiatische Platte) gut vereinbar.

- Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Extensionsgebieten, die mit Subduktion ver-knüpft sind. Einmal die anomal hohen Gebirgsregionen wie die Anden. Hier weisen die maximalen Kompressionsspannungen trotz relativer Extension in Richtung der Platten-konvergenz. Zum anderen die Randmeerbecken-Regionen, von denen gegenwärtig nur die Ägäis gut durch Daten repräsentiert ist. Hier findet Extension in Richtung der Kon-vergenzrichtung der Platten statt, daher sind die Kompressionsrichtungen 90o gedreht im Vergleich zum Anden-Typus.

3.3 Spannungsquellen Es gibt eine Reihe von geodynamischen Ursachen für das Auftreten deviatorischer Spannun-gen in der Lithosphäre. Hier sollen sie nur pauschal aufgezählt werden, und die tektonisch wichtigen eingehender diskutiert werden: 1) Tektonische Spannungen. In Abb. 3.12 sind eine Reihe tektonischer Quellen für Span-nungen aufgezählt. Hierbei kann man unterscheiden zwischen a) plattentektonisch induzierten Spannungen, die durch Ridge push, Slab pull, ;antle drag, Trench suction, Kollisions - Kräfte hervorgerufen werden, und b) lokalen tektonischen Spannungen. Hierbei sind die wichtigsten die durch Dichteheterogenitäten bzw. Krusten- und Lithosphären-dickenvariationen hervorge-rufenen Spannungen. Sie werden durch isostatische Kompensationskräfte her-vorgerufen. Für diese Span-nungen gibt es keinen ein-heitlichen Namen. Namen wie strukturelle Spannungen, isostatische Spannungen, Potenzialspan-nungen werden benutzt. Ebenfalls Biegespannungen fallen unter lokale tektonische Spannun-gen. Weiterhin fallen Spannungen in diese Kategorie, die durch Auflast z.B. durch einen Vul-kan, oder eine Inlandsvereisung hervorgerufen werden. 2) Membranspannungen. Diese treten auf, wenn Platten auf der Erdoberfläche Änderun-gen der Oberflächenkrümmung erfahren. Solche Änderungen können auftreten, wenn Platten als Folge von Kontinentaldrift unterschiedlich gekrümmte Bereiche der abgeplatteten Erde

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überfahren. Weiterhin könnten Änderungen der Abplattung der Erde solche Spannungen her-vorrufen. Diese Spannungen sind jedoch nicht sehr wichtig, da sie sich erst über sehr lange Zeiträume aufbauen können, und Relaxationsprozesse entgegenwirken 3) Thermische Spannungen. Abkühlungseffekte beispielsweise einer abkühlenden Li-thosphäre können Thermospannungen hervorrufen. Hierunter fallen auch die Spanungen, die bei einer abühlenden Lavaschicht zu Zugrisse und damit verbundenen Basaltsäulen führen 4) Erosionsspannungen. Durch Erosion einer Massensäule kann die vertikale Auflastspan-nung vollständig eliminiert werden, während die horizontale Spannung nur zum Teil abgebaut wird (wegen des Poissoneffektes in der Elastizitätstheorie). Es resultieren starke horizontale Kompressionen. 5) zeitabhängige Spannungen, hervorgerufen durch Gezeiten, Beben, etc. Wir wollen im folgenden eine Möglichkeit geben, strukturelle Spannungen im Zweidimensio-nalen zu berechnen. Mit diesem Ansatz wird es möglich sein, die durch ridge push hervorge-rufenen Spannungen in einer ozeanischen Lithosphäre abzuschätzen, sowie den kontinentalen Spannungszustand zu verstehen. Berechnung struktureller Spannungen Ein einfaches, zweidimensionales Modell wird hergeleitet, das es ermöglicht, die vertikal ge-mittelten deviatorischen Horizontalspannungen einer lateral heterogenen Lithosphäre zu be-rechnen. Am Ort x0 habe die Lithosphäre die Referenzdicke l0, und eine Referenzdichtevertei-lung ρ0(z). l0 kann allgemein auch die Tiefe zu einer unterhalb der Lithosphärenbasis gelegenen isostatischen Ausgleichsfläche sein. Am Ort x habe die Lithosphäre (oder allgemeiner, die Schicht zwischen Ausgleichsfläche und Oberfläche) eine Dicke l(x) und eine möglicher-weise unterschiedliche Dichteverteilung ρ(z). Wir nehmen isostatischen Ausgleich an, d.h. die Vertikalspannung in der Tiefe z=l0 ist überall gleich. Weiterhin wird angenommen, dass σxz(z=l0)=0, dass also keine Scherkräfte aus der Asthenosphäre wirken. Bei x0 wird eine horizontale Kraft auf unsere Schicht wirken, die durch die horizontale Komponente des lithostatischen Drucks

sowie durch eine tektonische regionale Kraft ∆Fx gegeben ist:

Der Einfachheit halber setzen wir ∆Fx=0. Die mittlere horizontale Spannung bei x0 ergibt sich

∫ ′′=z

000L )22.3(zgd)z(P ρ

∫ +′′=0l

0x0Lx )23.3(Fzd)z(PF ∆

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zu

Fx ist unabhängig von x, daher können wir für die mittlere horizontale Spannung bei x ent-sprechend schreiben

Aus (3.24) und (3.25) lässt sich Fx eliminieren, so dass gilt

)26.3()x(l

l)x( 0

0xx

xx =σ

σ

Es wird angenommen, dass die vertikale Spannung gleich der lithostatischen Spannung ist, alsoσzz = -PL. Ersetzen wir PL entsprechend in (3.23), setzen (3.23) dann in (3.24) ein, so er-halten wir:

Die mittlere horizontale Spannung bei x0 ist also gleich der mittleren vertikalen Spannung bei x0. Die mittlere deviatorische Spannung bei x kann geschrieben werden als Differenz der mitt-leren horizontalen und vertikalen Spannungen

Wir ersetzen σxx0 in (3.26) durch (3.27), und können dann das σxx aus (3.26) in (3.28) einset-zen. Es ergibt sich dann

Hieraus wird deutlich, dass eine Ände-rung der mittleren vertikalen Spannung in x-Richtung deviatorische Spannungen hervorrufen kann. Hierbei sind die vertikalen Spannungen immer noch durch den lithostatischen Druck gegeben. Das Auftreten einer deviatorischen Span-nung ist in der Abb. rechts demonstriert. Hierbei ist σzz am Boden konstant wegen Isostasie. Andererseits war Fx unab-

)24.3(lF

0

x0xx −=σ

)25.3(lFx

xx −=σ

)27.3(dzl1

0zz

l

0zz

00xx

0

σσσ == ∫

)28.3()x()x()x(2 zzxxxx σστ −=

)29.3()x(l

l)x(2 zz0zz

0xx σστ −=

73

hängig von x, was gleichbedeutend ist mit gleicher Fläche unter den σxx Profilen. Schließlich war im bei x0 angenommenen lithostatischen Spannungszustand die Flächen unter den σzz0- und σxx0 - Profilen gleich. Daraus folgt, dass die Flächen unter den σxx- und σzz-Profilen bei x ungleich sein müssen, folglich existiert eine mittlere deviatorische Spannung. Vereinfacht könnte man sagen, dass "das Gebirge bei x auseinander fließen will", und dies nur mit devia-torischen Spannungen (z.B. horizontalen Zugspannungen) machen kann. In der Tat ist der Spannungsunterschied zwischen σxx und σzz bei x die Konsequenz einer geänderten potentiellen Energie der Lithosphäre in Bezug auf x0. Dies kann man zeigen, in-dem man das Integral für die potentielle Energie E bezüglich des Ausgleichsniveaus z=l0 aus-wertet:

Die mittlere Vertikalspannung war:

Also gilt

Ebenso kann die potentielle Energie einer Gesteinssäule bei x berechnet werden:

Hieraus ergibt sich schließlich mit (3.28)

)34.3())x(E)x(E(l1

)x(2 0xx −=τ

So ergeben sich beispielsweise horizontale Zugspannungen in einem Gebirge also direkt aus einer Erhöhung der potentiellen Energie.

∫ ∫

′′=

=

−=

0

0

l

0

z

00

l

0000

)30.3(dzzd)z(g

nIntegratiopartielle

dz)zl(g)z()x(E

ρ

ρ

∫ ∫∫ −==00 l

0

z

00

0

l

0zz

00zz )31.3(dz'gdz))'z((

l1

dzl1

ρσσ

)32.3(l)x(E 0zz00 σ−=

)33.3(l)x(E zz0σ−=

74

Abb. 3.13

Strukturelle Spannungen in ozeanischer und kontinentaler Lithosphäre Gleichung (3.30) kann jetzt benutzt werden, um vertikal gemittelte, strukturelle Spannungen in verschiedenen Lithosphärenregionen zu berechnen. Hierzu muss eine Referenzlithosphäre definiert werden, für die eine Dichteverteilung ρ0(z) bis zu einer angenommenen isostatischen Ausgleichsfläche gegeben ist. Das ρ(z) des interessierenden Lithosphärenabschnittes muss der Isostasiebedingung genügen. Durch die Isostasiebedingung lässt sich meist eine Größe wie Dichte oder Dicke einer Schicht im Lithosphären-Schichtpaket einschränken. Glg (3.29) lässt sich dann direkt durch Integration der vertikalen lithostatischen Spannungen über die Tiefe lösen. Bei mehreren Schichten sind solche Lösungen etwas unhandlich, daher soll hier ledig-lich ein wichtiges Ergebnis gezeigt werden. Ozeanische Lithosphäre. Abb. 3.13a zeigt links ein einfaches Modell einer sich verdicken-den ozeanischen Li-thosphäre, die aufge-baut ist aus eine Was-serschicht mit der Dichte ρw, einer oze-anischen Kruste (ρok) eines lithosphärischen Mantels (ρol), und einer Asthenoshphäre (ρa). Als Referenz-lithosphäre wurde ein 20Ma alter Plattenab-schnitt gewählt, da dort das Spannungs-feld von Extension in Kompression wechselt (siehe Abb. 3.9). Den Zusammenhang zwi-schen Meerestiefe und Lithosphärendicke erhält man gemäß Glg. 2.37 aus der Isostasie. Setzt man diese Dichten und die al-tersabhängige Mee-restiefe und Li-thosphärendicke (Wurzel-t-Gesetz) in Glg. 3.29 ein, so erhält man eine mittlere de-viatorische Horizon-talspannung in der Lithosphäre, die pro-portianal zur Meeres-tiefe ist.

)35.3(x~t~z~ wxxτ

75

Das Produkt aus dieser Spannung und der Lithosphärendicke (die selbst dem Wurzel-t-Gesetz folgt) ist also proportional zu x:

Dies ist in Übereinstimmung mit der Abschätzung der Ridge push Kraft aus dem vorigen Ka-pitel. Diese Kraft war proportional zu x (oder b in Glg. 2.5.8), erzeugt also in der Entfernung x ein τxx l, das ebenfalls proportional zu x ist. Das Produkt τxx l ist in Abb. 3.13b dargestellt. Es fällt linear von 70⋅1010 N/m (entspricht 12 MPa Zugspannung in einer 60 km Platte) auf -200⋅1010 N/m (-33 MPa) ab. Alte ozeanische Bereiche stehen also unter Kompression. Da das Wurzel-t-Gesetz für Lithosphären älter als 80 Ma nicht mehr zu gelten scheint, flacht die Kurve ab. Die Zugspannungen könnten durch Ridge Resistance- und Transform Resistance- Kräfte kompensiert werden. Kontinentale Lithosphäre. Man kann nun die mittlere deviatorische Normalspannung für einen typischen Kontinent mit einer Kruste von 40 km bestimmen. Hierzu folgt zunächst aus der Isostasiebedingung, dass er einer Dichte von 2900 kg/m3 haben muss (bei einer Topogra-phie nahe Meereshöhe). Falls er auf einem Mantel mit gleicher Dichte wie der ozeanische Mantel lagert, dann resultiert eine Zugspannung um 12 MPa (Abb. 3.13b). Eine solche Zug-spannung steht nicht in Übereinstimmung mit der Mehrzahl von Beobachtungen. Nimmt man dagegen an, dass die oberen 15 km der kontinentalen Kruste nur eine (durchaus vernünftige) Dichte von 2700 kg/m3 haben, dann kann man die für die Isostasie erforderliche Überschussmasse in die obersten 100 km des Mantels packen (dieser hat dann eine leicht hö-here Dichte von 3380 kg/m3 im Vergleich zu 3350 kg/m3 des ozeanischen Mantels) (Abb. 3.13c). Eine Berechnung der mittleren deviatorischen Horizontalspannung dieser Lithosphäre weist nun Kompression auf (-33 MPa, Abb. 3.13d). Die Verlagerung der Masse nach unten erniedrigt also die potentielle Energie der kontinentalen Lithosphäre so stark, dass kompressi-ve Spannungen resultieren, wie sie beobachtet werden. Überlagert man eine Mantle drag Kraft, die den Ridge push kompensiert, so resultiert die gestrichelte Horizontalspannung.

)36.3(x~z~l 2wxxτ