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DER THEOLOGE Nr. 4 Die evangelische Kirche und der Holocaust Dokumentation Welche Verantwortung tragen die evangelische Lehre und die evangelische Kirche für den Völkermord an den Juden? DER THEOLOGE Nr. 4 veröffentlicht bisher wenig bekannte Dokumente und Hintergrund- Informationen und vergleicht sie mit Fakten der Gegenwart. In den Jahren 1933-1945 gibt es in der evangelischen Kirche zwei Flügel, die "Deutschen Christen" und die "Bekennende Kirche". In beiden Gruppen wurde der Treue- und Gehorsams-Eid gegenüber Adolf Hitler geschworen. Und Verantwortliche und Anhänger beider Flügel fordern oder befürworten auch die Judendiskriminierung und -verfolgung, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Warum? Ist dies ein "einmaliges Versagen" oder eine Folge auch des evangelisch-lutherischen Glaubens? PS : Diese Dokumentation enthält auch Materialien über die römisch-katholische Kirche und den Holocaust , z. B. Synodenbeschlüsse gegen die Juden. Sie sind in einem Auszug gesondert zusammengefasst. Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen (1543; hier das Titelblatt einer "Volksausgabe" von Hans-Ludolf Parisius) - Im Jahr 1938 gab Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach die Schrift neu heraus unter dem Titel Martin Luther über die Juden - Weg mit ihnen! (Freiburg 1938). Im Vorwort auf Seite 2 schreibt der evangelisch-lutherische Landesbischof: "Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. Vom deutschen Volk wird ... die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der gottgesegnete Kampf des Führers zu völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt. In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden." In einem von der Evangelischen Kirche in Deutschland in Auftrag gegebenen Gutachten schreibt Walter Künneth, der damalige "Sektenbeauftragte" und Vertreter der Bekennenden Kirche, im Jahr 1934: " Die Kirche hat sich dafür einzusetzen, dass die Ausschaltung der Juden als Fremdkörper im Volksleben sich nicht in einer dem christlichen Ethos widersprechenden Weise vollzieht ". Wie dies genau geschehen soll, steht allerdings nicht im Gutachten (mehr dazu hier ). Wie dies dann praktisch geschah und wie die Kirche dazu Drittes Reich: Die evangelische Kirche und der Holocaust (die Shoah) ... http://www.theologe.de/theologe4.htm 1 von 81 28.12.2010 04:30

4 Drittes Reich_ Die Evangelische Kirche Und Der Holocaust (Die Shoah

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DER THEOLOGENr. 4

Die evangelische Kircheund der Holocaust

Dokumentation

Welche Verantwortung tragen dieevangelische Lehre und die evangelischeKirche für den Völkermord an denJuden?DER THEOLOGE Nr. 4veröffentlicht bisher wenig bekannteDokumente und Hintergrund-Informationen und vergleicht sie mitFakten der Gegenwart.

In den Jahren 1933-1945 gibt es in derevangelischen Kirche zwei Flügel, die"Deutschen Christen" und die "BekennendeKirche". In beiden Gruppen wurde der Treue-und Gehorsams-Eid gegenüber Adolf Hitlergeschworen. Und Verantwortliche undAnhänger beider Flügel fordern oderbefürworten auch die Judendiskriminierungund -verfolgung, von wenigen Ausnahmenabgesehen. Warum? Ist dies ein "einmaliges

Versagen" oder eine Folge auch des evangelisch-lutherischen Glaubens?

PS: Diese Dokumentation enthält auch Materialien über die römisch-katholische Kirche undden Holocaust, z. B. Synodenbeschlüsse gegen die Juden. Sie sind in einem Auszug gesondert zusammengefasst.

Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen (1543; hier das Titelblatt einer "Volksausgabe" vonHans-Ludolf Parisius) - Im Jahr 1938 gab Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach die Schrift neu heraus unter demTitel Martin Luther über die Juden - Weg mit ihnen! (Freiburg 1938). Im Vorwort auf Seite 2 schreibt derevangelisch-lutherische Landesbischof: "Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland dieSynagogen. Vom deutschen Volk wird ... die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschlandendgültig gebrochen und damit der gottgesegnete Kampf des Führers zu völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt.In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einstals Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und derWirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden."

In einem von der Evangelischen Kirche in Deutschland in Auftrag gegebenen Gutachtenschreibt Walter Künneth, der damalige "Sektenbeauftragte" und Vertreter der BekennendenKirche, im Jahr 1934: "Die Kirche hat sich dafür einzusetzen, dass die Ausschaltung derJuden als Fremdkörper im Volksleben sich nicht in einer dem christlichen Ethoswidersprechenden Weise vollzieht". Wie dies genau geschehen soll, steht allerdings nichtim Gutachten (mehr dazu hier). Wie dies dann praktisch geschah und wie die Kirche dazu

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beitrug, darüber informiert DER THEOLOGE Nr. 4. Darüber hinaus werden vieleMaterialien dokumentiert, wie die Kirche parallel dazu andere Gemeinschaftenbekämpfte und verfolgen ließ und wie sie das nationalsozialistische Deutschland im 2.Weltkrieg unterstützte. Und wie sie dazu beigetragen hat, die Lebensmöglichkeiten derbehinderten Mitbürger zu beschränken und sie schließlich umzubringen (siehe dazu auchZusammenfassungen unter www.theologe.de/euthanasie.htm und, was das Beispiel derZeugen Jehovas betrifft, unter www.theologe.de/zeugen-jehovas_kirche.htm - auch dieInformationen über den bayerischen Landesbischof Hans Meiser sind gesondertzusammengefasst, siehe www.theologe.de/theologe11.htm).

Inhaltsverzeichnis

Zeugnis des Theologen

Einführung: Die evangelische Kirche und der Holocaust

Die Verantwortung Martin Luthers

So fordert es Martin Luther - so tun es die Nationalsozialisten

Die Ereignisse im Zeitablauf

Um 1900: Judenverfolgung mit evangelischen Mitteln

1912: Adolf Hitler bewundert Martin Luther als das "größte deutscheGenie". "Die wahre deutsche Religion sei der Protestantismus."

1918: Adolf Hitler erklärt: Öffentlichkeit ist noch kaum antisemitisch

1921: Evangelischer Pfarrer ruft zum Boykott auf: Kauft nicht beim Juden!

Ein evangelisches Sonntagsblatt fordert:Berufsverbot für Juden in der Presse!

1924: Adolf Hitler: Katholiken und Protestanten sollen gemeinsam gegen dieJuden kämpfen, den "Todfeind" des Christentums

1926: Gutachten des späteren evangelischen LandesbischofsMeiser: Gegen die "Verjudung unseres Volkes"

1927: Evangelische Zeitung wünscht eine gesellschaftliche Sitte:Deutsche "Arier" sollen nicht bei Juden kaufen

1930: Die Nationalsozialisten rufen "Juda verrecke!"Immer mehr evangelische Pfarrer sind begeisterte Nazis

Größte lutherische Kirchenzeitung: Die Juden sind die "VerderberDeutschlands", die Bibel ist ein "Anti-Judenbuch"

1932: Evangelische Kirche gemeinsam mit NSDAP gegen so genannte"Sekten"

1933: Erklärung eines lutherischen Theologen:Die Kirche wies immer auf Luthers antijüdische Schriften hin

Die meisten Pfarrer wählen Adolf Hitler

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Der Wirtschaftsboykott gegen die jüdische Bevölkerung -er wird von der evangelischen Kirche befürwortet

Neues evangelisches Gutachten:Ausschaltung der Juden als "Fremdkörper im Volksleben"

Ein evangelisches Sonntagsblatt:Adolf Hitler als Werkzeug "göttlicher Vorsehung"

Evangelischer Presseverband: Wer beim Widerstand gegendie Juden nicht mitmacht, "vergeht sich gegen Gottes Willen!"

Evangelische Synode fordert vom Staat das Verbot der Mormonen, derAdventisten und der Evangelisch-Johannischen Kirche

"Das Evangelische Deutschland" stellt "vollständige Bereinigung der Sekten"in Aussicht

Evangelische Diakone, "die SA Jesu Christi und die SS der Kirche" - Ein KZunter kirchlicher Leitung

Berufung auf Martin Luther:Er sprach von der "Hoheit" weltlicher Gewalt

Gegen Juden, "Sekten" und Freidenker: Arbeitsverbindung zwischen derGestapo und der evangelischen Kirche

1934: Evangelische Landesbischöfe gliedern Evangelische Jugend in dieHitlerjugend ein

Die politische Loyalität der "Bekennenden Kirche" zu Hitler

Dankbarkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern:"Gott hat uns den Führer geschenkt!"

Evangelische Kirche in der Judenfrage einig mit Hitler

1935: An immer mehr Orten hängen Plakate und Schilder:"Juden unerwünscht!"

1936: Evangelische Kirche entlässt alle Mitarbeiter jüdischer Herkunft

1937: Ein leitender evangelisch-lutherischer Diakonie-Arzt fordert dazu auf,Behinderte umzubringen

Ein evangelisch-lutherischer Oberkirchenrat der Bekennenden Kirchefordert: "Die Juden gehören hinausgepeitscht!"

1938: Neues evangelisches Kirchengesetz:Alle evangelischen Pfarrer müssen den Treue-Eid auf Adolf Hitler schwören

An Luthers Geburtstag brennen die Synagogen - ein evangelisch-lutherischerLandesbischof sieht darin die "Krönung" eines "gottgesegneten" Kampfes

Massendeportationen und Misshandlungen in den KZs:Die evangelischen Bischöfe möchten dazu nichts sagen

1939: Elf evangelische Bischöfe bzw. Kirchenführer bekennen:Die Nationalsozialisten führen das Werk Martin Luthers nach der politisch-

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weltanschaulichen Seite fort

Bekennende Kirche: Ernste Rassenpolitik zur Reinerhaltung unsere Volkesnotwendig

Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei zum Erntedankfest:Dank für die reiche Ernte auf den polnischen Schlachtfeldern!

1940: Der evangelisch-lutherische Landesbischof Meiser zu denKriegserfolgen der deutschen Armee: "Wir stehen anbetend vor unserem Gott."

1941: Zyklon B

Evangelische Landeskirchen für schärfste Maßnahmen gegen die Juden alsden "geborenen Welt- und Reichsfeinden"

Ein evangelisch-lutherischer Pfarrvikar bildet Heckenschützen im Töten aus

1942: Kirchliches Schweigen zur "Endlösung" der "Judenfrage":Der "feindlichen Propaganda" keinen Stoff liefern

Ein evangelisch-lutherischer Pfarrer schlägt Nazis Aufhängen von Juden vorund den evtl. Vollzug der Endlösung in einer Nacht

Landesbischof Marahrens von der Bekennenden Kirche fordert unbedingte"Hingabe" für den Krieg

1944: Ein evangelischer Kirchenpräsident und Bischof bezieht sich aufMartin Luther: Den Himmel mit Blutvergießen gewinnen

1945: Überlebende Juden:"Eine wankende Masse dunkler Haut und Knochen"

Die evangelische Kirche rechtfertigt sich und alle ihre Amtsträger

Schuld von Kirchenmitgliedern: Vorsicht vor den Amerikanern!

Auch nach dem Holocaust: Der Antisemitismus lebt weiter

Gutachten der evangelischen Kirche: "Klares kompromissloses Eintreten"für NSDAP-Pfarrer ist "stellvertretender Kampf für das ganze Volk."

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beklagt neue Grenzziehung imOsten: Vergleichbar dem Holocaust

1946: Rechtfertigung: KZ-Personal aus "ordentlichen Gemeindegliedern"

Schreiben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD):Wie kann heute Unrecht sein, was gestern Recht war?

Julius Streicher, Herausgeber des Nazi-Blattes "Der Stürmer", beruft sichauf Martin Luther

Evangelische Kirche verbietet den Pfarrern, den Alliierten bei derStrafverfolgung von Nazi-Verbrechen und -Vergehen zu helfen

1947: Rechtfertigung für den NS-Finanzminister:Er war aktives Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche

Ein evangelisch-lutherischer Professor:

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Die Nationalsozialisten imitierten die katholische Kirche

Evangelische Kirche: Keine Wiedergutmachung an Opfern der Diktatur

1949: Eine evangelisch-lutherische Kirchengemeinde alsSpendenwaschanlage für die Verteidigung von NS-Verbrechern

1951: Verdrängung

1964: Antisemitismus schwelt weiter, Bekämpfung anderer religiöserMinderheiten nimmt zu

Ab 1990: Auch der Antisemitismus nimmt wieder zu

1999: Evangelische Kirche wieder für den Krieg

2002: Ein Holocaust-Überlebender warnt

Gutachten:Hans Meiser, "Die evangelischen Gemeinden und die Judenfrage"

Zusammenfassung:"Deutsche Christen" und "Bekennende Kirchen" befürwortenJudendiskriminierung und -verfolgung

Hintergrund 1:Der Holocaust und die kirchliche Lehre von der ewigen Verdammnis

Hintergrund 2:Antijüdische Stellen im Neuen Testament

Kommentar:Die evangelisch-lutherische Zwei-Reiche-Lehre und ihre Bedeutung für dieJudenverfolgung und für das staatliche Handeln der Gegenwart

Quellen- und Literaturverzeichnis

Aufruf: Entschädigung

Damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt: Archive öffnen!

Zeugnis des THEOLOGENDiese Schrift entstand aus der Verbundenheit zu Jesus von Nazareth, der über die staubigen StraßenPalästinas zog und den Menschen vom kommenden Friedensreich erzählte. Jesus war Jude undlehrte sein Volk, wie es nach den Geboten Gottes leben kann, damit es zum "Segen für alle Völker"wird, so, wie es dem "Stammvater" Abraham prophezeit wurde (1. Mose 12, 3). Doch Priester undSchriftgelehrte stellten sich gegen Jesus und ließen ihn töten.

Jahre bzw. Jahrhunderte später sind es wieder Priester und Schriftgelehrte, die seine einfache undgeniale Botschaft zur katholischen und später zur evangelischen Lehre verfälschen.

Jesus gründete kein Kirche. Er wollte keine Priester und Pfarrer und kirchliche Obrigkeiten, und erführte keine Zeremonien, Riten und Kulte ein. Auch sprach er nicht davon, dass Menschen Domeund Kirchen aus Stein bauen sollen. Denn jeder Mensch ist ein "Tempel Gottes", und alle sindBrüder und Schwestern, Kinder Eines Gottes, und alle sind gleich. Keiner braucht also eine Kirchezu besuchen, denn Gott ist in jedem Menschen, in jedem Tier und in der ganzen Natur.

Diese Dokumentation wendet sich weder gegen die evangelische oder die katholische Kirche noch

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gegen einzelne ihrer Amtsträger, und sie richtet und verurteilt niemanden. Sie informiert nurdarüber, was in der evangelischen Kirche im Namen von Christus und Gott geschah und geschieht.Dies wird aufgedeckt. Die evangelische Kirche mag sich "evangelisch" oder "lutherisch" nennen,denn in ihren Reihen wird getan, was schon Luther lehrte. Doch mit dem Missbrauch des Namens"Christus" sollte sie aufhören und ihre Lehre und ihr Verhalten entgegen den Geboten Gottes nichtmehr als "christlich" bezeichnen, weder im Rückblick auf das "Dritte Reich" in Deutschland noch inder Zeit danach.

Allen hier teilweise namentlich genannten Personen gilt nach unserem Glauben die Liebe Gottesohne Einschränkung. Diese Liebe ist für uns unteilbar. Der Mann aus Nazareth lehrte die Menschen,ihr Fehlverhalten zu erkennen, zu bereuen, um Vergebung zu bitten, zu vergeben, wiedergutzumachen, so dies möglich ist, und Gleiches oder Ähnliches nicht mehr zu tun. Auch beieventuellen Hass- oder Rachegefühlen bedarf es nach der Lehre des Jesus der Reue, der Bitte umVergebung und der Vergebung.

Einführung: Die evangelische Kirche und der Holocaust

DER THEOLOGE Nr. 4 fragt nach den kirchlichen und speziell evangelischen Wurzeln des Holocaust (= derShoah).Mit ausgewählten Zeitzeugnissen dokumentiert er die Geisteshaltung der evangelischen Kirche vor und nachdiesem Völkermord. Außerdem wird auf Konzils- und Synodenbeschlüsse der katholischen Kirche verwiesen.Manche zeitgeschichtliche Fakten, die nicht unmittelbar auf das Thema bezogen sind, machen dabei das Umfelddeutlich, in dem der Holocaust möglich ist. Dazu gehört vor allem die kirchliche Bekämpfung andererGlaubensgemeinschaften parallel zur Bekämpfung des Judentums. Weiterhin ist zu bedenken, dass ein großer Teil derNationalsozialisten evangelische oder katholische Kirchenmitglieder sind, auch wenn dies im Einzelfall oft noch nichtherausgefunden wurde und deshalb nicht vermerkt ist. Eine klare Unterscheidung "Hier die Nazis, dort die Kirche" istaus diesem Grund nicht möglich. Beide Bereiche überschneiden sich bei Hunderttausenden von Betroffenen, diesowohl NSDAP- als auch Kirchenmitglieder sind.Die Dokumente sind nicht vollständig. Wegen der Fülle des Materials bleibt manches skizzenhaft. Die meistenBeispiele zur evangelischen Kirche stammen aus dem Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, diesich in ihrer Gesamtheit zur "Bekennenden Kirche" zählte und in diesem Sinne als kirchlich "intakt" galt. Sie sind aberauch beispielhaft für die anderen evangelischen Kirchen in Deutschland.

Wenn sich einzelne Mitglieder der Kirche unter Einsatz ihres Lebens für jüdische Mitbürger einsetzten bzw. deswegenNachteile riskierten oder in Kauf nahmen, dann wird das Gute in ihrem Tun nicht in Frage gestellt. Hinweise daraufwurden von den Kirchen vielfach dokumentiert. Oftmals wurde mit diesen Beispielen aber von der Schuld derevangelischen Lehre und der evangelischen Kirche abgelenkt. Die zahlreichen Zeugnisse gegenteiligen Inhalts, welchedie Verbindung von evangelischer Kirche, evangelischer Lehre und Judenverfolgung dokumentieren, wurdendemgegenüber oft zurückgehalten, beschönigt oder verdreht.

Die Absicht dieser Dokumentation ist es, evangelische Wurzeln für den Holocaust offen zu legen. Sie unterscheidetdabei nicht in jedem Einzelfall zwischen typischen evangelischen Mehrheitsstimmen und Einzelstimmen, doch ergibtdie Zusammenschau einen Einblick darüber, wie verschiedene im evangelisch-lutherischen Glauben wurzelndeÜberzeugungen und Haltungen mit dem Völkermord in Verbindung stehen. Die Mehrheitsstimmen zeigen, wohin dieevangelische bzw. lutherische Lehre überwiegend führte. Und die Einzelstimmen zeigen, was mit Luthers Lehre nochalles möglich war und ist.

Die Verantwortung Martin Luthers

Die Entstehung der evangelischen Kirche geht auf den Augustinermönch, Priester und Theologieprofessor MartinLuther (1483-1546) zurück. Der evangelisch-lutherische Landesbischof Martin Sasse erklärt, Martin Luther seider "größte Antisemit seiner Zeit" (siehe Zeitablauf: 1938). Innerhalb der evangelischen Kirche wird 1933dokumentiert, wie Luthers antijüdische Schriften in Verbindung mit den römisch-katholischen Schriften Jahrhundertelang den Boden für den Antisemitismus der Gegenwart bereiten (siehe Zeitablauf: 1933).Hinsichtlich des Katholizismus urteilte der bekannte Historiker David I. Kertzer in seinem Werk Die Päpste und dieJuden (2004): "Als Ende des 19. Jahrhunderts die modernen antisemitischen Bewegungen entstanden, gehörte diekatholische Kirche, die ständig vor einer wachsenden jüdischen Gefahr warnte, zu den bedeutendsten Akteuren." AlleElemente der modernen Judenverhetzung seien "von der katholischen Kirche nicht nur geduldet, sondern auch vonihren offiziellen und inoffiziellen Organen aktiv vertreten" worden ... "Der Übergang von den mittelalterlichenVorurteilen gegen die Juden zur modernen politischen antisemitischen Bewegung, der sich innerhalb wenigerJahrzehnte vor dem Holocaust vollzog, hatte in der katholischen Kirche einen seiner wichtigsten Architekten." (DerHistoriker David I. Kertzer, Die Päpste gegen die Juden, Berlin 2004).

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Gleiches lässt sich auch über die evangelische Kirche sagen. Ausgangspunkt des speziell evangelisch-lutherischenAntisemitismus ist dabei die grundlegende Schrift Martin Luthers Von den Juden und ihren Lügen (1543). DieJudenverfolgung ist eines der wichtigsten Anliegen von Martin Luther in seinen letzten Lebensjahren. Sie ist auch dasThema seiner letzten Kanzelabkündigung am 15.2.1546 in Eisleben, drei Tage vor seinem Tod, wo er z. B. fordert:"Darum sollt ihr Herren sie nicht leiden, sondern wegtreiben." Und auch in seinem letzten Brief, den er von Eislebenaus an seine Frau schreibt, heißt es: "Wenn die Hauptsachen geschlichtet sind [die Streitigkeiten unter den Grafen vonMansfeld], so muss ich mich daran legen, die Juden zu vertreiben. Graf Albrecht ist ihnen feind und hat sie schonpreisgegeben, aber niemand tut ihnen noch etwas" (zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über dieJuden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 14). Für die jüdischen Bürger tickt die Zeitbombe, doch dann ist Martin Luther, derInspirator der staatlichen Obrigkeiten, plötzlich tot. Das geplante Pogrom fällt zunächst aus, und es gilt noch etwaslänger: "Niemand tut ihnen noch etwas."

So fordert es Martin Luther - so tun es die Nationalsozialisten

Martin Luther erklärt den Bürgern, die Juden seien ihr "Unglück":

"Ein solche verzweifeltes durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist´s um diese Juden, so diese 1400 Jahreunsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Dasist nichts anderes. Da ist kein menschliches Herz gegen uns Heiden. Solches lernen sie von ihren Rabbinern in denTeufelsnestern ihrer Schulen."(Der achte und letzte aller Bücher und Schriften des teuren seligen Mans Gottes, Doctoris Martini Lutheri, Tomos8, Jena 1562, S. 95)

Der Satz "Die Juden sind unser Unglück" wird zu einer der schlagkräftigsten Parolen der nationalsozialistischen Zeit.

Martin Luther empfiehlt, jüdische Mitbürger zu meiden:

"Wenn du siehst oder denkst an einen Juden, so sprich bei dir selbst also: Siehe, das Maul, das ich da sehe, hat alleSonnabend mein lieben Herrn Jesum ... verflucht, vermaledeit und verspeist, dazu gebetet und geflucht vor Gott, dassich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und aufs jämmerlichste untergegangen wären. Er wollte esselber gerne tun, und, wo er könnte, unsere Güter besitzen ... Ich sollte mit einem solchen verteufelten Maul essen,trinken oder reden? So möchte ich aus der Schüssel oder Kannen mich voller Teufel fressen und saufen, so mache ichmich gewiss damit teilhaftig aller Teufel, die in den Juden wohnen."(Martin Luther, zit. nach: Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, Freiburg1938, S. 11)

Die Vorwürfe gegen die jüdischen Bürger sind Lügen.Die Nationalsozialisten verbieten 1941 Freundschaften zwischen Deutschen und Juden. In öffentlichen Einrichtungen dürfen Judennicht bei Deutschen sitzen.

Martin Luthers Rat zur "Judentaufe"

"Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinabstoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams!"(Tischreden Nr. 1795, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!,Freiburg 1938, S. 14)

Die Nationalsozialisten demütigen jüdische Mitbürger auf vielfache Weise. Schließlich werden sie bei Pogromen und später in denKZs ermordet. Eine katholische oder evangelische Taufe ist kein Schutz vor dem Holocaust.

Martin Luther fordert den Staat dazu auf, die jüdischen Mitbürger zu verfolgen:

1.)Martin Luther fordert: Man soll ihre "Synagoga oder Schulen mit Feuer anstecken ... unserem Herrn und derChristenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien ..." (Quelle: siehe unten)

Das tun die Nationalsozialisten, z. B. in der Reichspogromnacht 1938, an Luthers Geburtstag.

2.)Martin Luther fordert, "... dass man ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre ... Dafür mag man sie etwa unter

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ein Dach oder einen Stall tun".

Die Nationalsozialisten ziehen die Juden zunächst ab 1938 in bestimmten Häusern zusammen, ab 1939 teilweise in Gettos. Späterwerde sie - vergleichbar einem Viehtransport - in Eisenbahnwaggons gepfercht und in die Konzentrationslager gefahren. Dort müssensie in Baracken wohnen.

3.)Martin Luther fordert, "... dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein ... auch die ganze Bibel und nicht ein Blattließe".

Die Nationalsozialisten lassen 1933 die jüdischen Schriften verbrennen.

4.)Martin Luther fordert, "...dass man ihnen verbiete, bei uns ... öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehrenbei Verlust Leibes und Lebens ... dass ihnen verboten werde, den Namen Gottes vor unseren Ohren zu nennen".

Die Nationalsozialisten nehmen den Juden das Leben. Sie werden meist erschossen oder vergast, ihre Leichen in Massengräbernverscharrt oder verbrannt - allerdings unabhängig davon, ob der jüdische Bürger zuvor Gott öffentlich lobte oder nicht. Die erstenPogrome erfolgen bereits 1933, die Massenmorde beginnen 1939.

5.)Martin Luther fordert, "...dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe ... Sie sollen daheimbleiben".

Juden dürfen in der nationalsozialistischen Zeit ihren Wohnort nur mit polizeilicher Genehmigung verlassen. Später gilt das auch fürdie Gettos (ab 1939). Wer sich nicht daran hält, wird verhaftet.

6.)Martin Luther fordert, "dass man ... nehme ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold".

Das tun die Nationalsozialisten ebenfalls. 1938 wird der Besitz "zwangsarisiert", 1939 der Schmuck eingezogen, später das Geld.

7.)Martin Luther fordert, "...dass man den jungen und starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst,Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nasen".

Die "jungen und starken Juden und Jüdinnen" werden von deutschen Firmen der Nazi-Zeit zum Teil als Zwangsarbeiter eingesetzt. Inden Konzentrationslagern werden die Arbeitsfähigen v. a. seit 1938 von den Schwächeren getrennt. Die einen müssen unter demMotto "Arbeit macht frei" zwangsarbeiten und werden erst hingerichtet, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Die anderen werdengleich umgebracht.

Martin Luther fordert: "Summa: ... dass ihr und wir alle der ... teuflischen Last der Juden entladen werden ..."

Schätzungsweise sechs Millionen Juden werden beim Holocaust ermordet. Von den Überlebenden wandern die meisten bis 1951 indie USA oder nach Israel aus.

Martin Luther fasst sein Anliegen der Judenverfolgung folgendermaßen zusammen: "UnserenOberherren, so Juden unter sich haben, wünsche ich und bitte, dass sie eine scharfe Barmherzigkeit wollten gegendiese elenden Leute üben, wie droben gesagt, obs doch etwas (wiewohl es misslich ist) helfen wollte. Wie das dietreuen Ärzte tun, wenn das heilige Feuer in die Beine gekommen ist, fahren sie mit Unbarmherzigkeit und schneiden,sägen, brennen Fleisch, Adern, Bein und Mark ab. Also tue man hier auch, verbrenne ihre Synagogen, verbiete alles,was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Arbeit und gehe mit ihnen um nach aller Unbarmherzigkeit wie Mosetat in der Wüste und schlug dreitausend tot, dass nicht der ganze Haufen verderben musste."

Einige töten, um andere zu retten? Was aber soll nach Luthers Überzeugung geschehen, wenn ein Massaker z. B. an 3.000 Judenaus seiner Sicht nicht das gewünschte Ergebnis bringen würde, nämlich die Bekehrung der Juden zum kirchlichen Glauben? Zeichnetsich auch bei Luther schon die so genannte "Endlösung" der Judenfrage ab?

Anmerkung: Mose führte solches übrigens nicht durch, es wurde ihm nur unterstellt (vgl. dazu Der Theologe Nr. 13 -Priesterherrschaft oder wanderndes Gottesvolk?).

(Quellen:- Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, Freiburg1938- Von den Jüden und ihren Lügen von M. Luther, 1542, als Volksausgabe herausgegebenvonH.L.Parisius,Müncheno.J.;- Der achte und letzte aller Bücher und Schriften des teuren seligen Mans Gottes, Doctoris Martini Lutheri vom 42. Jahr an (=Tomos 8); zit. nach: Hans-Jürgen Böhm, Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht, S.205-233; Eigenverlag, Postfach 53, 91284Neuhaus)

Sehr viel mehr Zitate zum Thema Martin Luther und die Judenfinden Sie in Der Theologe Nr. 28

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Der Philosoph Karl Jaspers stellt 1962 fest: Luthers "Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt"(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962, S. 90).

Adolf Hitler selbst rechtfertigt in einem Gespräch mit Bischof Hermann Wilhelm Berning von Osnabrück vom26.4.1933 die Judenverfolgung damit, "dass er gegen die Juden nichts anderes tue als das, was die Kirche in1500 Jahren gegen sie getan habe" (zit. nach Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Berlin 1981, S. 406).

Die Ereignisse im Zeitablauf

Um 1900

Judenverfolgung mit evangelischen Mitteln

Die vom evangelischen Prediger Adolf Stöcker gegründete Christlich-Soziale Partei fordert 1903 "dieVerdrängung des jüdischen Einflusses auf allen Gebieten öffentlichen Lebens" und das Verbot derEinwanderung von Juden. Stöcker vertritt eine Diskriminierung und Verfolgung auf so genannte "christliche" Art,wie sie typisch für evangelische Kirchenmänner ist. Stöcker, evangelischer Theologe und Leiter der Stadtmission inBerlin, schreibt 1885 an den Theologen Friedrich von Bodelschwingh "den Älteren": "Ich habe gegen die Juden nichteinmal eine Antipathie, ich habe sie als Volk der Verheißung lieb. Wenn ich darüber rede, mache ich auch fast immermit den rechtschaffenen und bescheidenen Juden eine Ausnahme. Aber im ganzen ist es doch so, dass das moderneReformjudentum ´unser Unglück` ist ..." (zit. nach Röhm/Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche; Band 1, CalwerTaschenbuchverlag, Stuttgart 1990, S. 52; insgesamt 5 Bände, 1990-1995)

Der kirchliche Antisemitismus prägt die deutschnationalen antisemitischen Sammlungsbewegungen um dieJahrhundertwende. Die deutschnationale Fraktion der späteren Weimarer Nationalversammlung schmückt ihrSitzungszimmer mit dem Porträt des evangelischen Predigers und Antisemiten Adolf Stöcker (Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 54).

1910

Der junge Adolf Hitler ist noch kein Antisemit. Er spricht anerkennend von der "jüdischen Tradition", schätztden jüdischen Hausarzt seiner Familie, wird als Maler beruflich vor allem von Juden gefördert und bevorzugtsogar den Umgang mit seinen jüdischen Freunden und Bekannten, die ihn vielfach unterstützen und ihm ausNotlagen heraushelfen. Adolf Hitler würdigt auch die Leistung jüdischer Komponisten und verteidigt den vonAntisemiten angegriffenen jüdischen Schriftsteller Heinrich Heine. Auch erwähnt Hitler später nie ein schlimmesErlebnis mit Juden (nach Brigitte Hamann, Hitlers Wien, Lehrjahre eines Diktators, München 1996,Taschenbuchausgabe 1998, S. 265.496-500).

1912

Adolf Hitler bewundert Martin Lutherals das "größte deutsche Genie".

"Die wahre deutsche Religion sei der Protestantismus"

Nach Augenzeugenberichten "verehrt" Adolf Hitler aber auch Martin Luther, wie Rudolf Hanisch, einer derMitbewohner im Wiener Männerheim dem Mährischen Illustrierten Beobachter 1935 mitteilt. Luther habe nachHitlers Überzeugung Deutschland von Rom zurück zum echten Germanentum geführt (nach Brigitte Hamann,a.a.O., S. 271.358).

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Die Hitler-Biografin Brigitte Hamann schreibt weiter: "Laut Hanisch meinte H. [Hitler] im Männerheim, diewahre deutsche Religion sei der Protestantismus. Er habe Luther als das größte deutsche Genie bewundert"(Brigitte Hamann, a.a.O., S. 358). Den Antisemitismus Luthers teilt Hitler aber 1912 und in den folgenden Jahrennoch nicht.

1918

Adolf Hitler erklärt:1918 ist die Öffentlichkeit noch kaum antisemitisch

Die Biografin Brigitte Hamann geht davon aus, dass sich Hitler um das Jahr 1918 zum Antisemiten wandelt. Für dasJahr 1918, gegen Ende des 1. Weltkriegs, stellt sich Adolf Hitler selbst bereits als kämpferischen Antisemiten dar. Inseinem Buch Mein Kampf schreibt er rückblickend auf das Jahr 1918:"Im Jahre 1918 konnte von einem planmäßigen Antisemitismus gar keine Rede sein. Noch erinnere ich mich derSchwierigkeiten, auf die man stieß, sowie man nur das Wort Jude in den Mund nahm. Man wurde entweder dummangeglotzt oder man erlebte heftigsten Widerstand. Unsere ersten Versuche, der Öffentlichkeit den wahren Feindzu zeigen, schienen damals fast aussichtslos zu sein, und nur ganz langsam begannen sich die Dinge zumBesseren zu wenden ... Jedenfalls begann im Winter 1918/1919 so etwas wie Antisemitismus langsam Wurzelzu fassen ..."

Anmerkung: Bei seiner Wandlung vom jungen Mann, der Juden bevorzugt und jüdische Freunde hat, zum kämpferischenAntisemiten folgt Adolf Hitler einem seiner größten damaligen Vorbilder, Martin Luther (siehe 1912).Im Jahr 1923 wird Martin Luther von Adolf Hitler mit den Worten gelobt: "Luther war ein großer Mann, ein Riese.Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen" (AdolfHitler in: Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, von Dietrich Eckart, München 1924, S. 34).

20er- und 30er- Jahre

Zu den Antisemiten zählen auch die meisten evangelischen Pfarrer, die durch ihr Amt, ihr Ansehen und ihrenAnspruch, mit "Gott" in Verbindung zu stehen, einen entscheidenden Beitrag für den Durchbruch desAntisemitismus leisten. In den evangelischen Kirchengemeinden werden "Judenvorträge" veranstaltet, so am4.2.1921 in München-St. Matthäus, der evangelischen Hauptkirche der Stadt. Das Thema dort: Der Christ und derAntisemitismus. Einer der beiden Gemeindepfarrer bekennt sich offen zum Antisemitismus, der andere, der spätereMünchner Dekan D. Friedrich Langenfaß, stellt ebenfalls antisemitische Thesen auf. Er sagt: "Denn mit zunehmenderBitterkeit machte unser Volk seine Beobachtungen, im Feld und daheim, an den jüdischen Mitbürgern ... in diesenKreisen sah man kaum einen, der wie die ehrlichen Deutschen unterernährt war" (zit. nach Björn Mensing, Pfarrerund Nationalsozialismus, Göttingen 1998, S. 74). Pfarrer Langenfaß fordert allerdings Judenmission stattJudenverfolgung. In der anschließenden Diskussion bekommen die Redner uneingeschränkte Zustimmung.

Für den Anwachsen des Antisemitismus sind auch die evangelischen Zeitungen und Zeitschriften entscheidendmitverantwortlich (vgl. dazu unten). Der Kirchenhistoriker Carsten Nicolaisen schreibt über die evangelische Presse:"Die evangelischen Sonntagsblätter nach dem Ersten Weltkrieg sind geradezu eine Fundgrube für dieantisemitische Orientierung des deutschen Protestantismus" (zit. nach: Er liebte seine Kirche, Bischof HansMeiser und die bayerische Landeskirche im Nationalsozialismus, München 1996, Hrsg. Johanna Haberer, S. 49;vgl. dazu eine Fülle von Material in der unveröffentlichten Doktorarbeit von Ino Arndt, Die Judenfrage im Lichteder evangelischen Sonntagsblätter von 1918-1933, Tübingen 1960; als Maschinen geschriebenes Manuskriptüber Fernleihe erhältlich).

Evangelische bzw. evangelisch geprägte Schulen dienen ebenfalls als Nährboden für Antisemitismus undNationalsozialismus, z. B. das Gymnasium Windsbach mit angeschlossenem "Pfarrwaisenhaus". Trotz des Namens"Waisenhaus" ist es ein Wohnheim auch für alle Pfarrer-Söhne, nicht nur für die "Waisen".Im evangelischen Religionsunterricht der Schule werden schon in den 20-er Jahren die Schüler angewiesen,militaristische deutschnationale Flugblätter zu verteilen.Björn Mensing schreibt in seiner Doktorarbeit, "... dass die vom Progymnasium und insbesondere vomPfarrwaisenhaus vermittelte ´vaterländische , nationalprotestantische, militaristische und völkische Haltung mit ihrenantisemitischen und antidemokratischen Ressentiments bei den Zöglingen einen fruchtbaren Boden für den

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Nationalsozialismus bereiten ... Die wenigen jüdischen Mitschüler wurden teilweise angefeindet und isoliert; esherrschte eine antisemitische Grundstimmung" (Mensing, a.a.O., S. 35 ff.).

Anmerkung: Am 6.6.1936 wird das evangelisch-lutherische Gymnasium als Anerkennung für die geschlosseneMitgliedschaft der Schüler in der HJ die Genehmigung zur Führung der HJ-Flagge erhalten.Nach dem 2. Weltkrieg entsteht aus den Reihen des Pfarrwaisenhauses und des lutherischen Gymnasiums Windsbachder Windsbacher Knabenchor, nach Aussagen von ehemaligen Schülern ein "Kinder-KZ". Mehrere Schüler bringen sichum. Ein ehemaliger Schüler schreibt über seine Schülerzeit in Windsbach in der Bundesrepublik Deutschland in den 60er-und 70er-Jahren: "Fehler und Schwächen waren nicht erlaubt. In den Schlafsaalgruppen gab es Obergruppenführer undUntergruppenführer wie bei der HJ" (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 15, 11.4.2010). Mehr dazu hier.

1921

Evangelischer Pfarrer ruft zum Boykott auf: Kauft nicht beim Juden!

Der evangelische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus der bayerischen Landeskirche veröffentlicht die antisemitischeStudie Das jüdische Problem. Darin ruft der Pfarrer öffentlich zum Boykott jüdischer Geschäfte auf (nachClemens Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949, München 1989, S. 123).

Anmerkung: Zwölf Jahre später, 1933, organisiert die NSDAP - von der evangelischen Kirche unterstützt - einenlandesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte. 1942 will Pfarrer Auer die Nazis sogar dazu bewegen, die Endlösung derJudenvernichtung landesweit in einer Nacht zu vollziehen, wenn im Krieg die alliierten Angriffe auf Deutschland nichtaufhören (vgl. Zeitablauf: 1942).

Ein evangelisches Sonntagsblatt fordert:Berufsverbot für Juden in der Presse

31.7.1921 - Das Hannoversche Sonntagsblatt betrachtet es als seine Aufgabe und Schuldigkeit, ein offenes Wortüber die "ganze große jüdische Gefahr für unser Volk und Vaterland" zu sprechen, da die übrigen Tageszeitungen vonden jüdischen Anzeigengeschäften abhängig seien und deshalb nicht so deutlich sprechen können. Die vomLandesverband der evangelischen Inneren Mission herausgegebene Zeitung (Schriftleiter: Pastor Wilhelm Lueder) ruftdas Volk auf, sich die jüdische "Herrschaft" nicht gefallen zu lassen und fordert ein Verbot der Betätigung vonJuden in der Presse. Das Hannoversche Sonntagsblatt (Auflage: 66.000) vertritt auch in der Folgezeit einenkämpferischen Antisemitismus (Arndt, a.a.O., S. 31).

August 1921 - In Ankündigungen zum Sonntag der "Judenmission" tauchen in evangelischen Zeitungen ab 1921Begriffe auf wie "Fremdkörper im Volksleben" oder Forderungen, den Antisemitismus zu "fördern". Ino Arndtschreibt in ihrer Doktorarbeit zu diesem Thema:"Es muss als äußerst bedenklich erscheinen, dass die These vom ´berechtigten Antisemitismus` oder vom´biblisch ausgewiesenen Antisemitismus` gerade in Verbindung mit der Judenmission in evangelischenSonntagszeitungen aufgestellt wird, denn der Einfluss dieser These auf die Leserschaft kann nicht geringeingeschätzt werden" (Arndt, a.a.O., S. 214).

1923

8./9.11.1923 - Putschversuch von Hitler und den Nationalsozialisten gegen die Demokratie stößt auf großeSympathien in der evangelischen Kirche (nach Vollnhals, a.a.O., S. 122). Der Putsch scheitert, Hitler wirdverhaftet.Ino Arndt weist in ihrer Doktorarbeit nach, wie die politische Polemik der evangelischen Publizistik das Ansehen derRepublik untergräbt (z. B. Arndt, a.a.O., S. 216).

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1924

Juni 1924 - Evangelische Dekanatsbezirkssynode in München - Dekan Hermann Lembert warnt 184 Synodalevor der jüdischen Weltverschwörung.

1924 - Adolf Hitler vereinnahmt Christus für die Judenverfolgung:"Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1,a.a.O., S. 61).

Adolf Hitler: Katholiken und Protestanten sollen gemeinsam gegen die Judenkämpfen, den "Todfeind" des Christentums

1924 - In seinem Buch Mein Kampf erklärt Adolf Hitler, die sich auf Martin Luther berufende Los-von-Rom-Bewegung um die Jahrhundertwende sei ein "schwerer politischer Fehler" gewesen (zit. nach BrigitteHamann, a.a.O., S. 357), auch wenn er Luther ansonsten weiter bewundert. Hitler sucht als römisch-katholischerStaatsmann aber gezielt auch das Bündnis mit dem Vatikan.Im Jahr 1933 wird Hitler der katholischen Kirche in einem "Konkordat" umfangreiche Privilegien gewähren (undführt u. a. die bis heute erhobene Kirchensteuer ein) und damit die römisch-katholische Kirche im evangelischgeprägten Deutschland in einer Weise aufwerten, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist (der protestantischeReichskanzler Graf Otto von Bismarck hatte ca. 60 Jahre zuvor noch Privilegien für die katholische Kirchegestrichen). Umgekehrt ist der Vatikan der erste Staat, der Nazi-Deutschland anerkennt. Papst Pius XII., dessenSeligsprechung seit einiger Zeit vorbereitet wird, wird später zum Holocaust schweigen.

1924 - Adolf Hitler beklagt in Mein Kampf (siehe unten) die konfessionelle Zerstrittenheit zwischenEvangelischen und Katholiken als Schwächung des Antisemitismus. Versuche von Katholiken oderEvangelischen, Angehörige der jeweils anderen Konfession überzeugen zu wollen, lehnt er ab:"Kaum aber, dass es gelungen war, dem deutschen Volk in dieser Frage den großen, einigenden Kampfgedanken zuschenken, als der Jude auch schon zur Gegenwehr schritt ... Er ... hat ... den Zwiespalt gesät" zwischen "Katholizismusund Protestantismus". "Der Jude hat jedenfalls das gewollte Ziel erreicht: Katholiken und Protestanten führenmiteinander einen fröhlichen Krieg, und der Todfeind der arischen Menschheit und des gesamten Christentums lachtsich ins Fäustchen ..."

Adolf Hitler entwirft ein ökumenisches Zukunftsbild beider Konfessionen: Katholiken und Protestanten solleneinander achten und schätzen und gemeinsam gegen den Juden kämpfen.Und der Kampf wird bald auch auf andere Glaubensgemeinschaften ausgedehnt (siehe z. B. Zeitablauf: Januar 1932;9.6.1933)."Für die Zukunft der Erde liegt aber die Bedeutung nicht darin, ob die Protestanten die Katholiken oder dieKatholiken die Protestanten besiegen, sondern darin, ob der arische Mensch ihr erhalten bleibt oder ausstirbt... Darum sei jeder tätig, und zwar jeder, gefälligst, in seiner Konfession, und jeder empfinde es als seine erste undheiligste Pflicht, Stellung gegen den zu nehmen, der in seinem Wirken, durch Reden oder Handeln aus dem Rahmenseiner eigenen Glaubensgemeinschaft heraustritt und in die andere hineinzustänkern versucht ..."

Hitler, der als Knabe auch Ministrant in der Klosterschule im Benediktinerstift Lambach war, lebt diese Haltungselbst vor und bleibt zeitlebens Katholik und zahlt immer pünktlich seinen Kirchenbeitrag, während er ansonstenimmer wieder Steuern hinterzog und bis 1933 eine nicht bezahlte Steuerschuld von 400.000 Reichsmark anhäufte(Der Notar Klaus-Dieter Dubon, Spiegel online, 16.12.2004). Im Buch Mein Kampf erklärt er weiter, dass sowohlder evangelische als auch der katholische Glaube mit dem Nationalsozialismus vereinbar ist."Es konnte in den Reihen unserer Bewegung der gläubige Protestant neben dem gläubigen Katholiken sitzen,ohne je in den geringsten Gewissenskonflikt mit seiner religiösen Überzeugung geraten zu müssen. Dergemeinsame gewaltige Kampf, den die beiden gegen den Zerstörer der arischen Menschheit führten, hatte sieim Gegenteil gelehrt, sich gegenseitig zu achten und zu schätzen" (Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1933, 70.Auflage, S. 628 ff.).

1.9.1924 - Sitzung des Evangelischen Bundes in München. Der Vorsitzende, Studienprofessor Konrad Hoefler,fordert den Kampf gegen das Judentum:Der völkische Kampf gegen das Judentum sei "vollständig berechtigt und notwendig", "der Abwehrkampf gegenrassische und geistige Überfremdung sei christliche Pflicht" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 83).

15.11.1924 - Unterzeichnung des Staatsvertrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-

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Lutherischen Kirche in Bayern.Obwohl die evangelische Kirche der Weimarer Republik weitgehend ablehnend gegenüber steht, gewährt ihr der Staatumfangreiche Subventionen. Der zugrunde liegende "Staatsvertrag" ist bis heute [2010] gültig und gewährt der Kirchejährlich Millionenzuschüsse aus dem allgemeinen Steueraufkommen zusätzlich zur staatlich eingezogenenKirchensteuer und der weit gehenden Finanzierung kirchlicher Sozialeinrichtungen (Der Staatsvertrag ist unterNummer 110 veröffentlicht in der "Rechtssammlung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern" im C. H.Beck-Verlag in München).Zu den Subventionen gehören z. B. die Staatsfinanzierung der Kirchenleitung, des konfessionellenReligionsunterrichts und der theologischen Fakultäten und weitere "vermögensrechtliche Verpflichtungen". DerVertrag enthält außerdem eine so genannte "Freundschaftsklausel", worin sich der Staat verpflichtet, den Vertragnicht ohne die Zustimmung der Kirche zu ändern. Vergleichbare Verträge haben beide Amtskirchen auch mitanderen deutschen Bundesländern abgeschlossen, zuletzt mit den neuen Bundesländern der ehemaligen DDR.

Anmerkung: Diese Verträge aus den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts stellen einen Verfassungsbruch dar, da dieZahlungen gemäß Grundgesetz, Artikel 140, "abzulösen" sind. Stattdessen wurden vom Staat jedoch neueZahlungsverpflichtungen eingegangen.Dem Staatsvertrg mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern war am 29.3.1924 das Konkordat des Vatikan mitdem Freistaat Bayern voraus gegangen, das quasi als Vorlage diente. Dort begingen die Politiker der noch jungendeutschen Demokratie den ersten Verfassungsbruch zugunsten der Kirche. Nachdem in der WeimarerReichsverfassung in Artikel 138 festgelegt worden war, regelmäßige vertragliche Subventionen an die Kirche "abzulösen",wurde in das Konkordat hinein geschrieben. "Im Falle einer Ablösung oder Neuregelung ... sichert der bayerische Staat dieWahrung der kirchlichen Belange durch Ausgleichszahlungen zu ..."Adolf Hitler sicherte den Großkirchen seit 1933 darüber hinaus den bequemen Einzug der Kirchensteuer über dieArbeitgeber zu. Seither wird die Konfession auf der Lohnsteuerkarte eingetragen und die Arbeitgeber sind zur Abführungder Kirchensteuer verpflichtet.

1925/1926

Gutachten des späteren evangelischen Landesbischofs Meiser:Gegen die "Verjudung unseres Volkes"

1925 - Walter Berlin, Vorsitzender der Nürnberger Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischenGlaubens, schreibt: "Eines der betrüblichsten Zeichen ist es, dass selbst jüngere evangelische Geistliche sich denPredigern des Judenhasses anschließen." (Peter Zinke, An allem ist Alljuda schuld. Antisemitismus während derWeimarer Republik in Franken, Nürnberg 2009, zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 45, 8.11.2009)

Mitte der 20-er Jahre - Vor allem im streng protestantischen Mittelfranken wird der von den evangelischenPfarrern geschürte Antisemitismus immer brutaler. "Neustadt, Leutershausen, Treuchtlingen - überall das gleich Bild:geschändete Gräber, eingeschlagene Scheiben, Pogromstimmung." (Evangelische Sonntagsblatt Nr. 45,8.11.2009).

1926 - Gutachten von Hans Meiser, Direktor des evangelischen Predigerseminars in Nürnberg und ab 1933 ersterevangelischer Landesbischof Bayerns, zum Thema: Die Evangelischen Gemeinden und die Judenfrage. Meiser wehrtsich darin gegen "die Verjudung unseres Volkes", und er erklärt sich einverstanden mit den völkischen Idealen, derenAnhänger "mit der antisemitischen Bewegung in einer Front stehen," was "die Rassenfrage als den Kernpunkt derJudenfrage" betrifft. Der spätere Landesbischof beklagt auch den Einfluss der Juden, v. a. auf wirtschaftlichem undgesellschaftlichem Gebiet. Er schreibt: "Mag die Moral vieler Juden nichts anderes sein als stinkende Unmoral", under fordert durch einige konkrete Maßnahmen "ein Zurückdrängen des jüdischen Geistes im öffentlichen Leben" unddie "Reinhaltung des deutschen Blutes".Statt für "Judenpogrome" spricht er sich aber für eine "Pflicht zur christlichen Nächstenliebe" auch den Judengegenüber aus und für eine Bekehrung der jüdischen Bevölkerung zur kirchlichen Lehre.Das Gutachten, welches die typische Haltung der evangelischen Kirchen zu diesem Thema wiedergibt, ist im Anhangauszugsweise abgedruckt (siehe Anhang).Sowohl die "Bekennende Kirche" als auch die "Deutschen Christen" unterstützen die Judenverfolgung (sieheAnhang).

August 1926 - Der evangelisch-lutherische Pfarrer Martin Weigel nimmt vor dem Altar der Lorenzkirche inNürnberg eine SA-Fahnenweihe vor.

1926 - Der einflussreiche Erlanger Theologieprofessor und Vertreter der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre, PaulAlthaus, lehnt die Weimarer Republik als "schwachen Staat" ab. Er fordert ein Recht auf Revolution dort, wo dasParlament versage. Paul Althaus lehrt antisemitische Ideen und begrüßt die Nazi-Machtergreifung später als

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Gottes Willen (R. P. Ericksen, zit. nach Mensing, a.a.O., S. 67 f.; vgl. Zeitablauf: 1934).

Sein Kollege, der ebenfalls einflussreiche Theologieprofessor Werner Elert, stuft die Weimarer Republik mitHinweis auf die lutherische Zwei-Reiche-Lehre sogar als unnatürliche, gottwidrige Staatsform ein. Die Nazi-Diktaturhingegen befürwortet er später. Elert ist ebenfalls engagierter Antisemit (vgl. Zeitablauf: 1937; und Anhang überdie Zwei-Reiche-Lehre).

Anmerkung: Beide Theologieprofessoren sind engagierte Verfechter der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre. Martin Lutherfordert darin die gegenseitige Unterstützung von Staat, dem "Reich zur Linken Gottes", und Kirche. Die Kircherepräsentiert das "Reich zur Rechten Gottes" und gibt dem Staat z. B. die ethischen Leitlinien vor (Näheres dazu imAnhang).Alle evangelisch-lutherischen Theologen müssen das Bekenntnis zu diesem Glauben ablegen, wie es z. B. verbindlich inder Augsburger Konfession von 1530 formuliert ist. Dort heißt es, "dass alle Obrigkeit in der Welt und geordneteRegiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt sind, und dass Christen mögen inObrigkeit, Fürsten- und Richter-Amt ohne Sünde sein, nach kaiserlichen und anderen üblichen Rechten Urteil und Rechtsprechen, Übeltäter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege führen usw." (CA XVI; zit. nach Die Bekenntnisschriften derevangelisch-lutherischen Kirche, herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 1982)

1927

Evangelische Zeitung wünscht eine gesellschaftliche Sitte:Deutsche "Arier" sollen nicht bei Juden kaufen!

1927 - Das überregionale evangelische Wochenblatt Licht und Leben möchte, dass es eine gesellschaftlicheSitte gibt, durch die verhindert wird, dass deutsche "Arier" bei Juden kaufen. Ein Jahr zuvor schrieb Licht undLeben bereits von der "wohlbegründeten Abneigung der Völker" gegen die Juden, die "geachtet" werden müsse. Die inElberfeld (ab 1929: Wuppertal-Elberfeld) erscheinende Zeitung (Auflage: 18.000) wird von Pastor Joseph Gauger,Inspektor der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland, herausgegeben (zit. nach Arndt, a.a.O., S. 214.216).

1927 - Parallel zur Stimmungsmache gegen die jüdischen Mitbürger wird in der Kirche auch die spätereVernichtung der Behinderten vorbereitet. So erscheint 1927 z. B. das Buch Gesetzliche UnfruchtbarmachungGeisteskranker, ein römisch-katholisches "Standardwerk", so zumindest die Beurteilung der "Vereinigungkatholischer Seelsorger an deutschen Heil- und Pflegeanstalten". Das Werk stammt von dem Moraltheologen Dr.Joseph Mayer vom Institut für Caritaswissenschaften in Freiburg (Imprimatur (= kirchliche Druckerlaubnis) vom15.2.1927). Darin warnt Dr. Mayer u. a. vor der Sexualität Behinderter und schreibt: "Erblich belastete Geisteskrankebefinden sich in ihrem Triebleben auf der Stufe unvernünftiger Tiere" (PS: Über die "unvernünftigen Tiere" heißt es inder Bibel in 2. Petrus 2, 12, dass sie "von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet werden"). Undan anderer Stelle schreibt Dr. Mayer in seinem römisch-katholischen "Standardwerk": "Wenn darum ein Mensch derganzen Gemeinschaft gefährlich ist und sie durch irgendein Vergehen zu verderben droht, dann ist es löblich undheilsam, ihn zu töten, damit das Gemeinwohl gerettet wird." Ähnliche Überlegungen gibt es auf evangelischerSeite (siehe hier).13 Jahre später, im Jahr 1940, setzen die Nationalsozialisten dann diese kirchliche Forderung in die Tat um. DemMorden voraus ging die Zwangssterilisation. Zwar spricht sich der Vatikan im Jahr 1930 offiziell gegen dieZwangssterilisation Behinderter aus (anders als die evangelische Kirche; siehe hier), doch kooperieren auch diekatholischen Einrichtungen in Deutschland später bei der Sterilisation und nachfolgenden Ermordung mit denstaatlichen Stellen und gestehen dem Staat hier z. B. "Notwehr" zu - etwa in dem Sinne, in dem es der Theologe Dr.Joseph Mayer 1927 angedacht hatte (siehe oben) (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu derErmordung Behinderter finden Sie hier)

1928

27.10.1928 - Adolf Hitler wirbt für ein ökumenisches kirchliches Christentum:"In unseren Reihen dulden wir keinen, der die Gedanken des Christentums verletzt ... Diese unsere Bewegung isttatsächlich christlich. Wir sind erfüllt von dem Wunsche, dass Katholiken und Protestanten sich einander findenmögen in der tiefen Not unseres eigenen Volkes" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 65).

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Dezember 1928 - AStA-Wahl (= Allgemeiner Studenten-Ausschuss) an der Universität Erlangen. DerNationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) verteilt zuvor ein scharf antisemitisches Flugblatt inhoher Auflage. Er erreicht bei der Wahl über 30 % der Stimmen. 36,3 % der Mitglieder des NSDStB sindevangelische Theologiestudenten, obwohl deren Anteil an der Gesamtstudentenschaft nur bei 21,3 % liegt. Inanderen Hochschulen sind die evangelischen Theologiestudenten "teilweise noch erheblich stärker" als in Erlangen beiden Nazis engagiert, z. B. in Kiel, Marburg, Rostock, Göttingen und Münster.An der Universität Würzburg trägt der ansteigende Anteil von evangelischen Studenten zu einem Erstarkendes NSDStB bei (nach Mensing, a.a.O., S. 49.54.69 f.).

1929 / 1930

Mit maßgeblicher Unterstützung aus der evangelischen Kirche bekämpft die NSDAP immer heftiger dieWeimarer Demokratie. Mit evangelischer Hilfe beginnt der Aufstieg der NSDAP zu einer "Volkspartei".

14.1.1930 - In Berlin wird der evangelische Pfarrersohn und fanatische SA-Chef von Friedrichshain, Horst Wessel,im Zimmer seiner Verlobten, einer ehemaligen Prostituierten, von einem Zuhälter angeschossen - wahrscheinlichwegen privater Konflikte bzw. wegen Konflikten im Rotlicht-Milieu. Wessel verstirbt an den Folgen der Verletzungam 23.2.1930 und wird von Joseph Goebbels zum politischen Märtyrer des Nationalsozialismus aufgebaut. DerHintergrund: Der Zuhälter war KPD-Mitglied. Ein Lied des Protestanten Horst Wessel ("Die Fahne hoch ...") wirdnun zunächst zur Hymne der NSDAP. Doch bald wird dieses so genannte Horst-Wessel-Lied im ganzen Land zueiner Art zweiten Nationalhymne. Es wird später auch von den evangelischen Kirchenchristen unter dem Balkon vonLandesbischof Hans Meiser in München gesungen (siehe hier). Die Süddeutsche Zeitung schreibt über dasPfarrhaus-Milieu, dem Horst Wessel entstammt: "Mit seiner unbedingt völkisch-nationalistischen Überzeugung,die auch die Predigten des 1879 geborenen Pastors Dr. Wilhelm Wessel prägten, gehörte der Vater HorstWessels fraglos zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus, wie Klaus Mann bereits 1939 schrieb"(9.9.2009).

Anmerkung: Im Jahr 1937 will die evangelische Kirche eine neue Kirche in Bremen nach ihrem erschossenenMitglied Horst Wessel benennen. Doch Adolf Hitler untersagt die Namensgebung "Horst-Wessel-Kirche" alsunzulässige Vereinnahmung von nationalsozialistischen "Kämpfern" durch die Kirche (siehe hier). DerLandesbischof (der der innerkirchlichen Fraktion der "Deutschen Christen" angehört) betrachtet Horst Wesseldemgegenüber jedoch auch als Mann der Kirche.

Herbst 1930 - Nach den Wahlen ist die NSDAP zweitstärkste Kraft im Reichstag

1930 - "Sektenerhebung" der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern - Mit einem umfangreichenFragebogen an die Kirchengemeinden will die evangelisch-lutherische Kirche alle Personen in ihrem Wirkungskreiserfassen, die einer "Sekte" angehören. Dazu werden gerechnet: Baptisten, Zeugen Jehovas, Neuapostolische,Spiritisten, Adventisten, Pfingstler, Neutäufer, Mennoniten, Methodisten, Creglianer, Darbyisten, Hörgerianer,Jerusalemsbrüder, "Vereinigte Brüder in Christo", Irvingianer usw.Die Erhebung dient als Grundlage, um auch konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung vorzunehmen, wie z. B.gegen die Zeugen Jehovas (siehe Zeitablauf: 1932; Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern,Jahrgang 1967, S. 326).

Die Nationalsozialisten rufen: "Juda verrecke!"Immer mehr evangelische Pfarrer sind begeisterte Nazis

11.11.1930 - Das Deutsche Pfarrerblatt veröffentlicht einen Grundsatzbeitrag über das Verhältnis von NSDAP undKirche. Der Autor, Pfarrer Friedrich Wienecke, erklärt es zu den Aufgaben der Männer der Kirche, in die"Tiefe der nationalsozialistischen Gedankenwelt" zu schauen und sich nicht durch "äußere Schönheitsfehler"wie Härte, Rohheit und Rachsucht abschrecken zu lassen. Unter der "rauen Schale" keime möglicherweise sogar"das beste Leben, das je aus der alten deutschen Eiche herauswuchs." Pfarrer Wienecke verweist in diesemZusammenhang auf Hitlers Mein Kampf, wo Hitler den Deutschen die Hochachtung vor den Amtskirchen zurPflicht macht.Die von Gott gewollte Aufgabe für die deutsche Politik sei nach Wienecke die Förderung des "arisch-germanischenMenschen." Die Aufgabe von Theologie und Pfarrerschaft sei es, zu helfen, dass die Nazi-Bewegung nicht

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verrausche, sondern dass sie, "erfüllt von göttlicher Kraft unserem Volk Gesundung bringe".Vom Deutschen Pfarrerblatt (Auflage: 18.000-19.000) kann "mit Sicherheit angenommen" werden, "dass es dendeutschen Pfarrerstand in seiner Gesamtheit erreichte". Das in Essen verlegte Pfarrerblatt ist zudem "Pflichtorganaller Mitglieder des Pfarrervereins". Das NSDAP-Blatt Völkischer Beobachter druckt den Artikel aus dem DeutschenPfarrerblatt wörtlich nach (zit. nach Arndt, a.a.O., S. 140-144).

"1930 - Die Nazis zeigen ihr radikales, antisemitisches Gesicht - Ein Jude, schlagt ihn tot!" (Überschrift inMain-Post-Extra, Gemeinsam ins Dritte Jahrtausend, März 1999) - Beispiel Würzburg: Die Main-Post berichtetüber die NSDAP-Kundgebung am 19.11.1930 vor dem Würzburger Theater. Ca. 1.000 Demonstrantenprotestieren mit Rufen wie "Juda verrecke" gegen die Aufführung des mystischen Stückes Der Dybuk durch diejüdische Theatergruppe "Habima" aus Moskau. Nach der Aufführung werden Theaterbesucher überfallen. "Eineerhebliche Zahl von Juden wird misshandelt, einige werden schwer verletzt." "Da ist ein Jude, schlagt ihn tot", ist aufden Straßen zu hören. Im Februar 1931 gesteht der Staatsanwalt den elf Angeklagten zu, sie hätten nicht aus"unehrenhaften Motiven" heraus gehandelt - eine Begründung, mit der nach 1945 auch die Nazi-Mitgliedschaft vonPfarrern gerechtfertigt wird. Der Richter bleibt noch unter den beantragten milden Urteilen.

November/Dezember 1930 - Der Artikel im evangelischen Deutschen Pfarrerblatt löst ein starkes Echo aus. PfarrerFriedrich Wienecke schreibt, dass er auf seinen Grundsatzbeitrag "eine Fülle von Zuschriften" aus allen TeilenDeutschlands erhalten habe, die fast alle eine lebendige, "ja begeisterte Zustimmung" zum Ausdruck brachten (zit.nach Arndt, a.a.O., S. 144).Eine Ausnahme ist ein Beitrag des Nichttheologen Georg Sinn. Er sieht in der NSDAP "widerchristliche Kräfte" amWerk. Sinn kritisiert das kirchliche Messen mit zweierlei Maß: Milde gegenüber der NSDAP, Unversöhnlichkeitgegenüber der SPD.Georg Sinn stellt an die NSDAP die Frage, wie sie das Gebot der christlichen Nächstenliebe mit dem Ruf "Judaverrecke!" vereinbare, mit der die Mehrzahl aller nationalsozialistischer Kundgebungen beginne .

Anmerkung: Die SPD war damals mit dem Satz "Religion ist Privatsache" aus ihrem Erfurter Programm auf heftigenWiderstand der Amtskirchen gestoßen, die deswegen um ihre Privilegien fürchten. Nach 1945 ändert die SPD ihreKirchenpolitik und setzt sich auch für die Interessen der Kirche ein. Ein großer Teil der evangelischen Pfarrer schwenktdeshalb in der Folgezeit um in Richtung SPD.

Dezember 1930 - Der Theologe Friedrich Wienecke widerspricht im Deutschen Pfarrerblatt der Anfrage desNichttheologen Georg Sinn. "Gewisse völkische Schwärmereien" können nicht der NSDAP angerechnet werden.Maßstab der Beurteilung sei die Maßstab der Beurteilung sei die "Innerlichkeit des Führers." Die Männer derKirche dürfen die Nazi-Bewegung "nicht hinrichten, sondern aufrichten" (zit. nach Arndt, a.a.O., S. 154).

1931

7.1.1931 - Pfarrkonferenz mit 130 evangelischen Pfarrern in Steinach/Bayern: Das Thema des Hauptvortrags: DerNationalsozialismus - eine Frage an Kirchenvolk und Theologie. Der Referent, Pfarrer Eduard Putz, greift dasJudentum an. Er verbindet die evangelische Gotteslehre mit dem Nationalsozialismus. Es sei Aufgabe der Kirche,dem Nationalsozialismus zu zeigen, "dass alle seine Ordnungen ohne Gott in der Luft hängen".Putz hält den Vortrag mehrfach, z. B. auch bei Pfarrkonferenzen in München und Nürnberg. Einige Pfarrerfavorisieren zu diesem Zeitpunkt noch den ebenfalls "rechtsgerichteten" Christlich-sozialen Volksdienst (CVD), dochPfarrer Putz bekennt 1934, er habe "seit dem Jahre 1929 ... durch ... Vorträge eine große Anzahl von Kollegenveranlasst, ... aktive Nationalsozialisten zu werden" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 129 ff.).

Anmerkung: Ca. 23 % der evangelischen Pfarrer Bayerns sind zumindest zeitweise Mitglieder des NSDAP, inmanchen Gegenden sind bis zu einem Drittel auch SA-Mitglieder - obwohl die Pfarrer laut Kirchengesetz sich garnicht politisch betätigen dürften (Vollnhals, a.a.O., S. 124). Da sich viele Pfarrer wohl an dieses Gesetz halten, tretenmanche evtl. nur deswegen der NSDAP nicht bei. Die SA verbreitet schon in dieser Zeit, z. B. durch Überfälle auf politischeGegner, Angst und Schrecken. Ab 1933 kommen Morde hinzu.Bei der Untersuchung der SA-Geschäftsstellen Anfang 1932 werden "verbotene Waffen, illegale Munitionslager,Alarm- und Mobilmachungsbefehle, Pläne für Aufruhr, Putsch und Bürgerkrieg" gefunden."... dass die SA eine militant-staatsfeindliche Rotte war, hatte man auch vorher schon gewusst" (Volker Hentschel, So kamHitler, Düsseldorf 1980, S. 43 f.).Der Nazi-Pfarrer Putz wird 1933 von Landesbischof Meiser als Referent in die Kirchenleitung berufen. Putz ist auch Trägerdes goldenen Parteiabzeichens der NSDAP (vgl. Zeitablauf: 1933).

Januar 1931 - Oberkirchenrat Hans Meiser teilt mit, dass die Kirche an "dem Ringen zwischen Deutschglauben undden bewusst kirchlichen Kräften innerhalb des Nationalsozialismus" "nicht achtlos vorübergehen könne".Der Meiser-Biograf Siegfried Münchenbach schreibt dazu: "Der politischen und gesellschaftlichen Ordnung derWeimarer Zeit ist Meiser mit Verachtung begegnet" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 128).

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Februar 1931 - Das Nazi-Blatt Der Stürmer: "Der Jude ist der verkörperte Antichrist."

Anmerkung: Der Herausgeber Julius Streicher beruft sich später auf Martin Luther (siehe Zeitablauf: 1946).

Februar 1931 - Das Kirchenmitglied Georg Sinn schreibt im Deutschen Pfarrerblatt erneut an alleevangelischen Pfarrer. Der Nichttheologe verweist die Theologen auf Hitlers Buch Mein Kampf, das er gelesenund "erschüttert" weggelegt habe. Mein Kampf stehe im Gegensatz zum Christentum. Im Unterschied zu SinnsErmahnung nimmt die Nazi-Begeisterung bei den meisten evangelischen Pfarrern aber weiter zu.

Größte lutherische Kirchenzeitung: Die Juden sinddie "Verderber Deutschlands", die Bibel ist ein "Anti-Judenbuch"

13.3.1931 - Die in Leipzig herausgegebene Allgemeine Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung (AELKZ) , "dasgrößte und führende Wochenblatt des gesamten evangelischen Deutschlands" (Arndt, a.a.O., S. 8), wendet sich an dieNSDAP mit der Bitte um Hochschätzung der Bibel. Der Herausgeber und Schriftleiter der AELKZ, Pfarrer WilhelmLaible, schreibt, dass die Verkennung der Bibel mit dem "verheerenden Einfluss der Juden" erklärbar sei. VieleDeutsche verfolgen das jüdische Volk deshalb als die "Verderber Deutschlands" mit ganzem Hass und suchen seinenEinfluss zu brechen. Die Bibel sei kein Judenbuch, sondern ein "Anti-Judenbuch", denn alles, was an den Judenso "abscheulich" sei, habe auch die Bibel schon erkannt.Die AELKZ ist das offizielle Organ der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz in Deutschland (zit. nachArndt, a.a.O., S. 147 f.).

25.3.1931 - Nach Absprache mit Oberkirchenrat Meiser lädt die Missionsanstalt Neuendettelsau als ersteevangelische Einrichtung in Deutschland die Nazis zu einer "streng vertraulichen Aussprache" ein. Vor ca. 30evangelischen Theologen spricht Direktor Dr. Friedrich Eppelein die Begrüßungsworte und sagt: "Wir erwarten unsvon der NSDAP viel. Wir haben uns bis jetzt noch mit keiner Partei in ähnlicher Weise in Verbindung gesetzt undausgesprochen" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 131 f.). Aus Neuendettelsau werden später deutschlandweit die meistenBehinderten zur Ermordung abtransportiert (siehe hier). (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu derErmordung Behinderter finden Sie hier)

1931 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern fordert, die Bilder des kommunistischen Malers GeorgeGrosz "unbrauchbar" zu machen (S. 581 f.). Schriftleiter des evangelischen Sonntagsblattes (Auflage: 80.000) istPfarrer (später Kirchenrat) Wilhelm Sebastian Schmerl aus Würzburg.

Mai 1931 - In Treysa in Hessen (in der Anstalt "Hephata") treffen sich die Anstaltsleiter der evangelischen InnerenMission in Deutschland zu einer "Evangelischen Fachkonferenz für Eugenik". Zwei Jahre vor derMachtübernahme durch die NSDAP besprechen die führenden Vertreter der evangelischen Diakonie bei dieserFachkonferenz bereits die Sterilisierung und eventuelle "Vernichtung" "lebensunwerten Lebens". In der sogenannten Treysaer Erklärung einigt man sich dabei auf die Forderung nach einer Zwangssterilisierung Behinderter.Dies entspreche nach Überzeugung des bekannten Pastors Friedrich von Bodelschwingh aus Bethel angeblich dem"Willen Jesu". Aus diesem Grund erklärte Friedrich von Bodelschwingh auch: "Im Dienst des Königreichs Gotteshaben wir unseren Leib bekommen.... 'Das Auge, das mich zum Bösen verführt usw.' zeigt, dass die von Gottgegebenen Funktionen des Leibes in absolutem Gehorsam zu stehen haben, wenn sie zum Bösen führen und zurZerstörung des Königreiches Gottes in diesem oder jenem Glied, dass dann die Möglichkeit oder Pflicht besteht, dasseine Eliminierung [der Geschlechtsorgane] stattfindet. Deshalb würde es mich ängstlich stimmen, wenn dieSterilisierung nur aus einer Notlage heraus anerkannt würde. Ich möchte es als Pflicht und mit dem Willen Jesukonform ansehen. Ich würde den Mut haben, vorausgesetzt, dass alle Bedingungen gegeben und Schranken gezogensind, hier im Gehorsam gegen Gott die Eliminierung an anderen Leibern zu vollziehen, wenn ich für diesen Leibverantwortlich bin" (zit. nach Ernst Klee, Die SA Jesu Christi, S. 88).

Hinsichtlich eventueller Ermordungen stimmten die Leiter der kirchlichen Einrichtungen untereinander jedoch nichtüberein. Der Leiter des Referates "Gesundheitsfürsorge" beim Centralausschuss der Inneren Mission, Dr. HansHarmsen, formuliert bereits 1931 als politisches Thema, was dann später ab 1940 tatsächlich umgesetzt wurde: "DemStaat geben wir das Recht, Menschenleben zu vernichten, Verbrecher und im Kriege. Weshalb verwehren wirihm das Recht zur Vernichtung der lästigsten Existenzen?" (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film "Alles Kranke istLast", a.a.O.) "Das Protokoll enthält keinen Hinweis, dass einer der zehn Anstaltsleiter eine solche Frage unterChristenmenschen für gotteslästerlich hält ..." (Die christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus, zit. nachhttp://www.humanist.de/kriminalmuseum/eugenik.htm). Folglich können die späteren Ermordungen auch dank derMithilfe der kirchlichen Stellen erfolgen.

Angehörige haben ihre Kinder oder andere Familienangehörigen in der Regel in gutem Glauben kirchlichenEinrichtungen anvertraut, weil sie der Kirche vertrauten. Doch sie wussten nicht, dass die Verantwortlichen in der

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evangelischen Kirche heimlich darüber diskutierten, ob man die Behinderten ermorden solle oder nicht. Und dabeiging es nicht nur um Schwerstbehinderte, sondern auch um Leichtbehinderte, wobei viele Kirchenführer bei derDiskussion einen Unterschied zwischen den Behinderungsgraden machten und eine Aufteilung versuchten zwischen"lebenswert" und "nicht lebenswert" - wohlgemerkt: gegen Ende der Weimarer Republik und noch nicht im DrittenReich. (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu der Ermordung Behinderter finden Sie hier)

20.10.1931 - Fast ein Jahr nach seinem ersten Grundsatzbeitrag veröffentlicht der Pfarrer und Autor FriedrichWienecke einen zweiten an alle evangelischen Pfarrer Deutschlands gerichteten Grundsatzbeitrag im DeutschenPfarrerblatt - Der Titel: Der Nationalsozialismus vor der Gottesfrage. Pfarrer Wienecke: Gott wolle, dass dieDeutschen handeln. Das Evangelium Jesu Christi werde in der Bewegung des erwachenden Deutschlands zum"Großkampf um Gottes Sache." Die "besten Geister" hören "von innen heraus Gottes Ruf".Das Hakenkreuz sei ohne das Christuskreuz nichts, mit dem Christusgeist aber alles (zit. nach Arndt, a.a.O., S.164 f.). Die wenigen kritischen Stimmen verstummen immer mehr.

1931 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern fordert: Das geplante Jugendtreffen der Freidenkerjugendin einer Jugendherberge soll von den Herbergsverantwortlichen untersagt werden (Jahrgang 1931, S. 609).

1932

Kirche gemeinsam mit der NSDAP gegen so genannte "Sekten"

Januar 1932 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern wendet sich gegen die Zeugen Jehovas: "Gegen denUnfug der sog. ´Bibelforscher`: Weite Kreise der Kirche kämpfen schon seit langem aus religiösen und kirchlichen,die Nationalsozialisten aus vaterländischen Gründen gegen dieses Unwesen. Dem bibelforscherischen Treiben, dasin letzter Zeit in Bayern einen ganz besonders großen Umfang angenommen hatte, wurde nunmehr durch diePolizeidirektion München ein Ende bereitet. Mit dem Beschluss vom 18. Nov. (Bay. Pol. Blatt Nr. 180 vom 23.Nov. 1931) wurde die polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung der Druckschriften der ´InternationalenBibelforschervereinigung in Magdeburg` für das Gebiet des Freistaates Bayern angeordnet" (S. 4-5).

Anmerkung: Mit den "Bibelforschern" sind die "Zeugen Jehovas" gemeint. Vgl. den Kampf Martin Luthers gegenAndersgläubige: Luther fordert die Todesstrafe für Bürger, die den Glauben an Christus anders verstehen als er (mitAusnahme der Katholiken, deren Glaube "reformiert" werden soll). Z. B. droht Luther mit der Hinrichtung ohneGerichtsverhandlung für Christen, welche seine Rechtfertigungslehre nicht befürworten (Auslegung des 82. Psalms,Tomos 5, S. 74 b-76; siehe "Der Theologe" Nr. 3: "So spricht Martin Luther - so spricht Jesus von Nazareth - EinVergleich").

1932 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern muss eine Gegendarstellung drucken:"Es ist nicht wahr, dass die Internationalen Bibelforscher das Volk für dunkle Ziele zu gewinnen versuchen ... Diebibelforscherliche Tätigkeit ist in Bayern nicht beendigt worden, sondern wird in gleichem Umfang fortgesetzt. ...Eingezogen worden sind ... einige Exemplare dieser Druckschriften."

Das Sonntagsblatt kommentiert die Gegendarstellung in 4-5fachen Umfang:"... Die Mitteilungen obiger ´Berichtigung` dürften weniger uns als die bayerische Polizei interessieren, welche nachwie vor angewiesen ist, das Treiben der Sekte im Auge zu haben und ihre Schriften, wo sie angetroffen werden,wegzunehmen. Übrigens ist nach Erkundigung an zuständiger Stelle von der Polizei die Liste der zubeschlagnahmenden bibelforscherlichen Schriften neuerdings noch vergrößert worden. Unsere Leser können sichnunmehr selbst ein Urteil über den Wert obiger ´Berichtigung` bilden" (S. 135 f.).

Anmerkung: Es gibt ca. 25.000 Zeugen Jehovas in Deutschland. Die Diskriminierung geht sehr bald über in eineVerfolgung. In der Zeit von 1933 bis 1939 sind z. B. 5-10 % der KZ-Insassen Zeugen Jehovas (Frankenpost, 15.1.1999).

Anfang 1932 - Ein evangelischer Pfarrer aus dem Dekanat Lohr/Main-Spessart, der sich "mit aller Kraft" "für dieHerbeiführung des Dritten Reiches" einsetzt (lt. Dekan Jäger), versucht, in einem vollbesetzten Bus Stimmung gegenJuden zu machen.Als der Pfarrer den Bus betritt, sind alle Sitzplätze belegt, und auf einem der Plätze sitzt ein jüdischer Mitbürger. Alsder evangelische Pfarrer ihn sieht, ruft er - gemäß Aussage des betroffenen Juden - laut in den Bus: "Für den Judenist Platz, aber für mich nicht."Über den jüdischen Centralverein reicht der Bürger Beschwerde bei der evangelischen Kirchenleitung ein. Dortrechtfertigt sich der Pfarrer. Er habe nur gerufen: "Wenn nur die Juden Platz haben, das ist die Hauptsache." DieKirchenleitung bittet den Pfarrer um "Zurückhaltung", was dieser in seiner Antwort von sich weist (zit. nachMensing, a.a.O., S. 106).

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1932 - Der Nationalsozialistische Evangelische Pfarrerbund (NSEP) wird gegründet.

12.6.1932 - Die Neue Zürcher Zeitung in der Schweiz berichtet über die Evangelische Kirche in Deutschland: Vieleführende Vertreter der evangelischen Kirche, v. a. aber die jüngeren Pastoren, sympathisierten mit Hitler undbetätigten sich in der NSDAP. In beinahe allen Landeskirchen bestünden nationalsozialistische Pfarrer-Bünde. Dieprotestantische Kirche sei dabei, "Parteikirche" [der NSDAP] zu werden.

31.7.1932 - Reichstagswahl: Die NSDAP erhält 37,4 % der Stimmen und wird stärkste Partei im Reichstag.Bei den evangelischen Pfarrern erhält die NSDAP weit überdurchschnittliche ca. 50-60 % der Stimmen (nachMensing, in: Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 1998, S. 254). Von den übrigen Pfarrernwählen die meisten die ebenfalls "rechtsgerichtete" Deutschnationale Volkspartei (DNVP), der auch der evangelischeReichspräsident Paul von Hindenburg angehört.In überwiegend evangelischen Stimmkreisen Bayerns erhält die NSDAP sogar über 70 % der Stimmen. Und:"Besonders in kleinen protestantischen Landgemeinden gewann sie bereits 1932 zwischen 90 und 100 Prozentaller Stimmen" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 124). Dort sind evangelische Ortspfarrer für die Nazi-Begeisterungmaßgeblich mitverantwortlich. Der Historiker Manfred Kittel schreibt: "Im evangelischen Franken konnte man bereitsim Frühjahr 1932 den Eindruck gewinnen, das Dritte Reich sei angebrochen" (Manfred Kittel, Provinz zwischenReich und Republik, München 2000, zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 15, 14.3.2008).

1932 - Mit den Stimmen der NSDAP erreicht der katholische Reichskanzler und Ritter vom heiligen Grab zuJerusalem, Franz von Papen, das Verbot der Freidenker-Bewegung in Deutschland. Franz von Papen wird am30.1.1933 nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler dessen Vize-Kanzler. 1959 wird er vom Vatikanzum vatikanischen "Geheimkämmerer" erhoben.

1933

Erklärung eines lutherischen Theologen:Die Kirche wies immer auf Luthers antijüdische Schriften hin

Januar 1933 - Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern: Unter dem Titel Eine volkstümliche Ausgabe vonLuthers Judenschriften weist Kirchenrat Dr. Hermann Steinlein aus Ansbach-St.Gumbertus nach, dass dieevangelische Kirche Luthers Antisemitismus stets hochgehalten hat:"Nun habe ich aber in meiner Schrift ´Frau Dr. Ludendorffs Phantasien über Luther und die Reformation` (Leipzig1932, A. Deichert) nachgewiesen, dass man in der evangelischen Kirche Jahrhunderte lang immer wieder auf Luthersantijüdische Schriften hingewiesen hat (Seite 22-27)" (Der evangelisch-lutherische Pfarrer und Kirchenrat Dr.Hermann Steinlein aus Ansbach in: Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern, Jahrgang 1933, S. 21).

30.1.1933 - Militärparade in Berlin anlässlich der Wahl Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler - Dazu derspätere Hamburger Landesbischof Franz Tügel: "Mit klopfendem Herzen erlebte ich den Einzug derMännerbataillone durch das Brandenburger Tor und den Vorbeimarsch an dem greisen Reichspräsidenten undseinem jungen Kanzler [= Hitler] unter dem endlosen Jubel der Menschenmassen ... Ein unbeschreiblichesHochgefühl, verbunden mit dem tiefsten Dank gegen den allmächtigen Herrn der Geschichte, erfüllte mein Herz ..."(zit. nach Barbara Beuys, Und wenn die Welt voll Teufel wär, Reinbek 1982, S. 522).Deutschlandweit läuten anlässlich der Wahl Hitlers die Glocken vieler evangelischer Kirchen.

März 1933 - Nur ca. fünf Wochen nach der Kanzlerwahl finden erneut Reichstagswahlen in Deutschland statt. DieAbschlusskundgebung der NSDAP ist am 4.3.1933 in Königsberg. Hitler hält dort eine Rede. Darüber schreibt dieAllgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung:"Millionen deutscher Christen hörten mit und sangen das Lied ´Wir treten zum Beten` mit, und als die KönigsbergerGlocken läuteten, stiegen in gleicher Stunde weithin Gebete zum Himmel auf, wie es wohl nie in der GeschichteDeutschlands geschah."Die evangelischen Kirchen unterstützen Hitler und die NSDAP mit weiter wachsender Begeisterung. Der größte Teilder Pfarrer zieht immer mehr Menschen auf die Seite der Nazis. Die NSDAP erhält diesmal 44 % der Stimmen. Vonder anderen Seite her betrachtet: 56 % der Deutschen (!) können die Nazi-Begeisterung in der evangelischen Kirchenoch nicht teilen und wählen noch anders.

Die meisten Pfarrer wählen Adolf Hitler

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8.3.1933 - Der evangelische Generalsuperintendent von Brandenburg, Otto Dibelius, in einem Schreiben an diePfarrer der Kurmark:"Es werden unter uns nur wenige sein, die sich dieser Wendung nicht von ganzem Herzen freuen" (zit. nach Beuys,a.a.O., S. 524; Dibelius geht davon aus, dass die meisten Pfarrer Hitler gewählt haben oder ihm zumindest positivgegenüberstehen).

März 1933 - Kurz vor oder kurz nach den ersten Pogromen (siehe nächster Beitrag) lässt die Deutsche Delegationdes Protestantischen Weltverbandes weltweit erklären: "Wir erklären auf Ehre und Gewissen, dass Judenpogromenicht erfolgt sind. Wir bitten dringend, bei geplanten Kundgebungen Fälschung der öffentlichen Meinung durchirrtümliche Gräuelpropaganda zu verhindern und die christliche Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe zu achten" (zit.nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 150).

März 1933 - Erste Ausschreitungen gegen Juden: Bei einem Judenpogrom in Hohenlohe/Württemberg werden zweiJuden ermordet (Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 399).

20.3.1933 - Errichtung des KZ Dachau

23.3.1933 - Adolf Hitler sagt in seiner Regierungserklärung den "Schutz" Nazi-Deutschlands für die katholischeund die evangelischen Kirchen zu. In den folgenden Monaten koordinieren Nazi- und Kirchenvertreter dieBekämpfung anderer Gemeinschaften (siehe z. B. Zeitablauf: 9.6.1933).

24.3.1933 - Ermächtigungsgesetz - Der deutsche Reichstag überträgt mit 2/3-Mehrheit die gesamte, auch dieVerfassung ändernde Gesetzgebung zunächst für vier Jahre auf Adolf Hitler. Das Gesetz wird später mehrfachverlängert.

28.3.1933 - Die katholischen Bischöfe widerrufen ihre frühere Ablehnung des Nationalsozialismus. Nachdem diekatholischen Bischöfe bislang - im Unterschied zum Protestantismus - die Mitgliedschaft in der NSDAP verbotenhatten, heben sie in einer Kundgebung das Verbot der NSDAP-Parteimitgliedschaft am 28.3.1933 auf.Ausschlaggebend ist die Zusicherung der "Unverletzlichkeit des katholischen Glaubens" durch Adolf Hitler (in: H.Müller, Katholische Kirche und Nationalsozialismus, dtv-Taschenbuch 1965, S. 88 f.; zit. nach GeorgDenzler/Volker Fabricius, Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt am Main 1991, S. 60).

Der Wirtschaftsboykott gegen die jüdische Bevölkerung -er wird von der evangelischen Kirche befürwortet

1.4.1933 - Boykott jüdischer Geschäfte: SA- und SS-Wachen vor den Geschäften - Sie schreiben deutsche Kundenauf, die dort noch einkaufen. Nur wenige Bürger trauen sich noch, ein jüdisches Geschäft zu betreten. Teilweise sindWarnschilder angebracht: "Wer hier einkauft, wird photographiert!"Die Schaufenster werden mit dem Wort "Jude" beschmiert. In Nürnberg wird die Israelitische Kultusgemeinde sogargezwungen, die Aufwendungen für die Wachmänner zu bezahlen, evtl. auch in anderen Städten.

1.4.1933 - Der preußischer Justizminister verhängt Hausverbot für jüdische Richter.

1.4.1933 - Hilferuf des Rates der Juden an die evangelische Kirche :"Die deutschen Juden erhoffen gegenüber den gegen sie gerichteten Bedrohungen ein baldiges Wort, das im Namender Religion von der evangelischen Kirche in Deutschland gesprochen wird" (zit. nach Beuys, a.a.O., S. 533).

Anmerkung: Das erhoffte "baldige Wort" wird gegen sie ausfallen (siehe die nachfolgende Meldung vom 4.4.1933).

4.4.1933 - Rede des evangelischen Generalsuperintendenten Dibelius über Kurzwelle. Die Rede ist vor allem an dieProtestanten der USA gerichtet:Der Boykott gegen die Juden sei "in Ruhe und Ordnung" verlaufen. Die Kirche "kann und darf den Staat nichtdaran hindern, mit harten Maßnahmen Ordnung zu schaffen ... Sie werden es erleben, dass das, was jetzt inDeutschland vor sich geht, zu einem Ziele führen wird, für das jeder dankbar sein kann, der deutsches Wesen liebt undehrt" (zit. nach Beuys, a.a.O., S. 533 f.).

7.4.1933 - Arierparagraph bzw. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums: Ausschluss aller Judenaus dem öffentlichen Dienst (vgl. Synode von Clermont im Jahr 535: Juden dürfen keine öffentlichen Ämterbekleiden).

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8.4.1933 - Die Nationalsozialisten bedanken sich bei den obersten Behörden der evangelischen K irche für dieVerteidigung des Boykotts gegen die Juden. Aus der Reichskanzlei wird dem Evangelischen Oberkirchenrat unterLeitung von Präsident Hermann Kapler im Namen des Reichskanzlers (= Hitler) "für den energischen Protest gegendie ausländische jüdische Gräuelhetze ausdrücklich der Dank ausgesprochen" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1,a.a.O., S. 150).

Neues evangelisches Gutachten:Ausschaltung der Juden als "Fremdkörper im Volksleben"

22.4.1933 - Jüdische Ärzte werden von der Tätigkeit für Krankenkassen ausgeschlossen.

24.4.1933 - Der Evangelische Volksbund begrüßt das Verbot der Zeugen Jehovas in Württemberg als Ausdruckeiner "Bundesgenossenschaft zwischen Staat und Kirche".

25.4.1933 - Weitgehende Beschränkung der Zahl jüdischer Studenten (vgl. Konzil von Basel im Jahr 1434:Juden dürfen keine akademischen Grade erwerben)

26.4.1933 - Ein neues evangelisches Gutachten unter dem Titel Die Kirche und die Judenfrage wird imKirchenausschuss des Kirchenbundesamtes in Berlin vorgelegt. Präsident Hermann Kapler hatte den bayerischenPfarrer Walter Künneth mit dem Gutachten beauftragt. Künneth ist Leiter der überregionalen ApologetischenZentrale in Berlin und arbeitet dort als eine Art "Sektenbeauftragter". Das Gutachten wird innerhalb derevangelischen Kirchen zur maßgeblichen Richtschnur:Darin heißt es: "Insbesondere erweist sich diese Neuregelung erforderlich infolge des Überhandnehmens des jüdischenEinflusses, der die Gefahr einer Überwucherung des deutschen Geistes im gesamten deutschen Öffentlichkeitslebenbedeutet" (vgl. dazu im Anhang den Anteil der jüdischen Bevölkerung in Deutschland)."Zum Dienst am deutschen Volk berufen, hat die Kirche darüber zu wachen, dass einerseits im Blick auf diebesondere Lage dieses Volkes der Verkündigung keine Hemmung durch zu starkes Hervortreten des judenchristlichenElementes in der Kirche bereitet wird und dass andererseits die übergreifende Einheit des christlichen Glaubens nichtverletzt wird."Weiter heißt es: "Bei aller grundsätzlichen Anerkennung des Rechtes einer staatlichen Ausnahmegesetzgebung fürJuden ist vom christlichen Standort aus eine Abstufung der Gesetzgebung zu fordern, die zwischen Juden undJudenchristen unterscheidet."Das Gutachten fasst zusammen: "Die Kirche hat sich dafür einzusetzen, dass die Ausschaltung der Juden alsFremdkörper im Volksleben sich nicht in einer dem christlichen Ethos widersprechenden Weise vollzieht. Gegenjede Art von gewaltsamer Judenverfolgung, welche das Ansehen des nationalen Staates schädigt und das Recht derAbwehr gegen Überfremdung diskreditiert, ist deshalb von der Kirche aus Einspruch zu erheben" (LKA Stuttgart:116a IV, Altreg.; zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 369-371).

Anmerkung: Wie die Ausschaltung der Juden ohne Gewalt konkret geschehen soll und bis zu welchem Ziel dieAusschaltung vorangetrieben werden soll, schreibt Künneth nicht (vgl. dazu: Künneths Lebenslauf nach 1945).

26.4.1933 - Adolf Hitler beruft sich auf die kirchliche Tradition: Am gleichen Tag, an dem die Evangelische Kircheihr neues Gutachten über die "Judenfrage" zunächst intern veröffentlicht, rechtfertigt Adolf Hitler in einemGespräch mit dem katholischen Bischof Dr. Hermann Wilhelm Berning von Osnabrück die Judenverfolgungdamit, "dass er gegen die Juden nichts anderes tue als das, was die Kirchen in 1500 Jahren gegen sie getanhabe" (zit. nach Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Berlin 1981, S. 406).Und offenbar weist Hitler auch bei anderen Gesprächen mit den Kirchenführern darauf hin. So heißt es weiter: "AdolfHitler beruft sich selbst, so auch im Gespräch mit [dem katholischen] Kardinal Faulhaber, - offenbar, ohneWiderspruch zu finden - darauf, dass er nur tue, was die Kirche eineinhalb Jahrtausende lang lehrte und denJuden gegenüber praktizierte" (Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Esslingen 1967, S. 10). Und vor allem imHinblick auf die Evangelischen erklärt Hitler, "er wisse sich in der Judenfrage mit Luther eins" (Böhm, a.a.O., S.235).

26.4.1933 - Der Kirchenausschuss beim evangelischen Kirchenbund in Berlin, der höchsten evangelischenBehörde in Deutschland, dankt seinem Vorsitzenden Kapler, "für alles, was zur Abwehr der Gräuelpropaganda[über die augenblicklichen Judenverfolgungen] mit Umsicht und erfolgreicher Tatkraft von ihm geschehen ist"(Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 161 f.).

26.4.1933 - Einzelanträge des Kirchenausschussmitglieds Baron von Pechmann werden von keinem der anderenMitglieder unterstützt. Pechmann beantragt vergeblich:

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"Wir bekennen uns zu allen Gliedern unserer Kirche ohne Unterschied der Abstammung, auch und gerade zu denen,die ganz oder teilweise jüdischer Abstammung sind. Wir fühlen mit ihnen, und wir werden für sie eintreten bis zu denGrenzen des Möglichen ..." Der Antrag wird abgelehnt.Pechmann weiter: "... Aber darüber hinaus kann und darf die Kirche auch zu dem nicht schweigen, was unterVerletzung christlicher Gerechtigkeit und Liebe gegen jüdische Volksgenossen geschehen ist und geschieht" (zit. nachJuden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 160 f.). Pechmanns Antrag wird abgelehnt.

Anmerkung: Pechmann tritt 1934 wegen der antijüdischen Maßnahmen der Evangelischen Kirche aus der Kircheaus.

26.4.1933 - Gründung der Geheimen Staatspolizei "Gestapo".

26.4.1933 - Am selben Tag teilt Adolf Hitler dem Vorsitzenden der katholischen deutschen Bischofskonferenz,Bischof Dr. Hermann Wilhelm Berning, das Festhalten der NSDAP am konfessionellen Religionsunterricht an denStaatsschulen mit und seine Ablehnung weltanschaulich-neutraler Schulen: "Eine weltliche Schule kann niemalsgeduldet werden, weil eine solche Schule ja keinen Religionsunterricht hat ... Wir haben Soldaten notwendig,gläubige Soldaten" (zit. bei Helmut Kober, Wege ohne Dogma, Nr. 3, 1998, S. 61; zit. nach Helmut Steuerwald,Die Kirchen im Banne des Nationalsozialismus, zit. nach http://www.hbb-bayern.de).

Ein evangelisches Sonntagsblatt:Adolf Hitler als "Werkzeug göttlicher Vorsehung"

April 1933 - Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern über Hitler: "Wir sehen in ihm ein Werkzeug dergöttlichen Vorsehung ... Möchte er das, was er kraftvoll begann, vollenden dürfen zum Segen unseres Volkes undunserer evangelischen Kirche" (Jahrgang 1933, S. 215).

1.5.1933 - Auf Anweisung des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern müssen dieevangelischen Pfarrer Münchens mit Hakenkreuzbinde an der Nazi-Massenkundgebung auf derTheresienwiese teilnehmen (Vollnhals, a.a.O., S. 126).

4.5.1933 - Hans Meiser wird in Bayreuth zum ersten bayerischen Landesbischof gewählt, nachdem sein Vorgänger,Kirchenpräsident Friedrich Veit, am 11.4.1933 wegen Vorbehalten gegenüber den Nationalsozialisten vomLandeskirchenrat aus dem Amt gedrängt worden war. Veit scheint nicht der geeignete Mann, um den Nazis zu"huldigen". Gleichzeitig wird in dem Gesetz über die Ermächtigung des Landesbischofs zum Erlass vonKirchengesetzen das Führerprinzip in der Kirche eingeführt - parallel zum staatlichen Ermächtigungsgesetz fürHitler. Damit kopiert die Kirche mit Begeisterung die staatliche Entwicklung. Die bayerische Landessynodeentmachtet sich damit selbst zugunsten ihres "Führers" Hans Meiser."Geben wir dem Mann, der die Führung haben soll, nun wirklich den Führerstab in die Hand" (Der Münchner DekanLangenfaß über Meiser; zit. nach Erlanger Nachrichten, 27.8.1993).

Anmerkung: In Gedenken an diesen historischen Tag, an dem die evangelische Kirche die innerkirchliche Demokratie durch dasFührerprinzip ersetzt hatte, wird am 3. bzw. 4.5.2008 der Gemeindesaal der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde inObermenzing (Carolinenkirche) in Hans-Meiser-Saal umbenannt.

5.5.1933 - Der römisch-katholische Kardinal Michael Faulhaber bedankt sich in einem Brief an die bayerischeStaatsregierung, "dass sich im öffentlichen Leben unter der neuen Regierung manches gebessert hat: DieGottlosenbewegung ist eingedämmt, die Freidenker können nicht mehr offen gegen Christentum und Kirchetoben, die Bibelforscher können nicht mehr ihre amerikanisch kommunistische Tätigkeit entfalten" (AktenDeutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, Teil I, Mainz 1968, S. 259, Anm. 17; zit. nach Garbe,a.a.O., S. 9).

6.5.1933 - Entlassung aller jüdischer Honorarprofessoren und Notare

10.5.1933 - Öffentliche Bücherverbrennungen jüdischer Bücher (vgl. 12. Synode von Toledo im Jahr 681:Verbrennung des Talmud und anderer jüdischer Schriften)

Ab 1933 - Begeisterung in den evangelischen Diakonissenmutterhäusern über Adolf Hitler und dienationalsozialistische Regierung - "Die Leute sind toll vor Begeisterung" (NS-Propaganda-Minister JosephGoebbels nach einem Besuch des evangelischen Luise-Henrietten-Stifts in Lehnin im Mai 1933; zit. nach ErnstKlee/Gunnar Petrich, Film "Alles Kranke ist Last", a.a.O.).Das Diakonissenmutterhaus in Düsseldorf-Kaiserswerth wird von der NSDAP besonders gelobt, weil es schon vorder Machtübernahme die Partei auch finanziell (!) unterstützte (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film "Alles Kranke istLast", a.a.O.). Im Mitteilungsblatt dieses ältesten evangelischen Diakonissenmutterhauses in Deutschland wird ein

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neues "Loblied" der Diakonisse Emma Obermeier abgedruckt, Die braunen Kolonnen: "Das Hakenkreuzbanner wehtstolz voran ... Das undeutsche Wesen zur Türe hinaus. Wir kehren mit eisernem Besen das Haus. Sieg Heil!"

Mai 1933 - Arzneimittel, deren Hersteller Juden sind, sind nur zu verordnen, wenn andere gleichwertigePräparate nicht vorhanden sind.

Mai 1933 - Jüdische Selbsthilfe gegen den Boykott: Von jüdischen Gemeinden werden eigene handwerkliche,landwirtschaftliche und gärtnerische Ausbildungszentren gegründet.

18.5.1933 - Das Amtsblatt für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern gibt bekannt: "Mit derBekanntmachung vom 13. April d. Js. (Staatsanz. Nr. 88) hat das Staatsministerium des Inneren auf Ersuchen desStaatsministeriums für Unterricht und Kultur die Vereinigungen der ´Ernsten Bibelforscher` in Bayern aufgelöstund verboten.Wir geben dies mit dem Hinweis darauf bekannt, dass die genannte Sekte seit einiger Zeit sich auch des Namens´Zeugen Jehovas` bedient und erwarten von unseren Geistlichen, dass sie das Ihrige tun werden, um einweiteres Auftreten der Sekte in ihren Gemeinden zu unterbinden. München, den 11. Mai 1933 - Evang.-Luth.Landeskirchenrat - D. Meiser" (Amtsblatt Nr. 11 für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern rechts desRheins; vgl. Zeitablauf: 1932).

Anmerkung: Von den ca. 25.000 Zeugen Jehovas in Deutschland werden in den nächsten Jahren 10.000 inhaftiert, 2.000davon kommen in die KZs. Dort kommen 1.200 ums Leben, weitere 250 werden anderweitig "erhängt, erschossen odergeköpft" (Frankenpost, 15.1.1999).

1.6.1933 - Der bekannte Tübinger Theologieprofessor Gerhard Kittel (Herausgeber des StandardwerkesTheologisches Wörterbuch zum Neuen Testament) warnt in einem Vortrag unter dem Titel Die Judenfrage vor der"Durchsetzung des deutschen Volkskörpers mit zahllosen Mischlingen".Der Vortrag erscheint kurz darauf als Buch. Darin kritisiert der Theologe auch die Mediziner "aus dem Judentum":"Aus ihm kommt eine ärztliche Wissenschaft, deren Ziel das Geldverdienen und nicht die Gesundheit desVolkes ist" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 169 f.) .Kittel spricht sich für den Status des Judentums als "nicht assimilierter Gast" aus, der "auf jeden maßgebendenEinfluss verzichten muss in den Dingen, die deutsches Staats- und Volksleben, deutsche Kultur und deutscheGeistesbildung betreffen." Das "´echte Judentum` nimmt ... diesen Zustand als Gericht Gottes über denUngehorsam Israels" und würde sich nicht dagegen wehren.

Anmerkung: Prof. Dr. Gerhard Kittel wird von den Nazis 1936 in das neu gegründete Reichsinstitut für Geschichte in dieForschungsabteilung Judenfrage berufen. Zwar widersprechen mehrere Theologen ihrem Kollegen. Doch noch 1944versendet die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern einen antisemitischen Aufsatz Kittels als "Berufshilfe" an allePfarrer (vgl. Zeitablauf: 1944).

7.6.1933 - Der Deutsche Evangelische Kirchenausschuss beim Kirchenbundesamt in Berlin, der höchstenevangelischen Behörde, verfasst eine beschwichtigende Stellungnahme an alle ausländischen Kirchen und versichert,"dass es sich gegenwärtig in Deutschland nicht um eine ´Judenverfolgung` mit dem Ziel wirtschaftlicher undpersönlicher Vernichtung handelt, vielmehr, abgesehen von dem Boykott, der als einmaliger Akt und alsAbwehrmaßnahme anzusehen ist, im wesentlichen um eine gesetzliche Reduzierung des nach dem Weltkriegeübermäßig gewordenen Anteils des jüdischen Elements an öffentlichen oder öffentlich bedeutsamen Stellungen ...Die Maßregel zeigt prinzipiell den Charakter einer Schutzmaßnahme zur Sicherung des deutschen Volkes" (zit. nachJuden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 162 f.).

9.6.1933 - Zusammenkunft von NS-Vertretern der Ministerien in Preußen und der Gestapo mit Vertretern derkatholischen und der evangelischen Kirche in Berlin. Viele Kirchenvertreter fordern das Verbot der ZeugenJehovas. So bittet auf diesem Treffen z. B. der katholische Domkapitular Ferdinand Piontek um "strengestaatliche Maßnahmen" gegen diese Gemeinschaft. Und der anwesende evangelische Oberkonsistorialrat D.Fischer will ein Verbot der Zeugen Jehovas wegen der Gefahr für das "deutsche Volkstum". Darüber hinausvertritt er die Auffassung, dass die Kirche auch "mit ihren eigenen Mitteln" entgegentreten müsse (Protokoll derBesprechung im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung; Ev. Zentralarchiv, 7 / Generalia XII. Nr.161; zit. nach Garbe, a.a.O., S. 10). Zwei Wochen später werden die Zeugen Jehovas verboten.

11.6.1933 - Amtseinführung von Landesbischof Meiser in NürnbergMänner des Staates, der Partei und der Stadt erweisen dem neuen Landesbischof die Ehre. Viele uniformierte Männersitzen im Gottesdienst. Anschließend lädt die Stadt Nürnberg zu einem Staatsakt für Landesbischof Meiser und dieKirchenführer ein, umrahmt von SA, SS, HJ und BDM.

13.6.1933 - Pfarrer Putz, Träger des goldenen Parteiabzeichens der NSDAP und aktiver Werber für NSDAP-Mitgliedschaften unter Pfarrern, wird als Referent in den Landeskirchenrat nach München berufen. SeineDienstanweisung beinhaltet die "Aufrechterhaltung einer möglichst innigen Verbindung zur Reichsleitung derNSDAP und ihrer verschiedenen Abteilungen, besonders auch zur SA und zur SS sowie zur GlaubensbewegungDeutsche Christen" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 162).

Anmerkung: Pfarrer Putz vertritt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern auch im Reichsbruderrat der Bekennenden

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Kirche, der Synode der Bekennenden Kirche, und er wird 1934 Mitglied der Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche.Nach dem Krieg rechtfertigt Putz seine NSDAP-Mitgliedschaft bis 1945 mit den Worten: "Wir haben eineSeelsorgeverpflichtung gegenüber den in der Partei befindlichen Christen" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 263).

Evangelischer Presseverband: Wer beim Widerstand gegen die Juden nichtmitmacht, "vergeht sich gegen Gottes Willen"

18.6.1933 - Der Evangelischer Presseverband für Württemberg schreibt rückblickend über den Boykott gegen diejüdischen Geschäfte:"Der Boykott am 1. April und das fernere Vorgehen gegen die Juden hat in manchen christlichen Kreisen eineGewissensnot verursacht, mit der sie nicht fertig werden können. Diese Not mag davon herrühren, ... dass sieüberhaupt kaum noch etwas von den schweren Gefahren aller Art wussten, die unserem Volk von jüdischer Seitedrohen ... die ´Gräuelpropaganda` ... von Juden verursacht, genährt und geleitet ... führte zur Aufwiegelung der Völkergegen Deutschland ... Sich mit allen brauchbaren Mitteln zu erwehren, war das gute Recht des deutschen Volkes.Dabei mitzuhelfen war die Pflicht auch des Christen ... Wer sein Volk in der Gefahr im Stich lässt, der ist nicht nurein Feigling, sondern er vergeht sich gegen Gottes Willen!Der Boykott und andere Maßnahmen gegen den jüdischen Einfluss waren ´kriegerische` Handlungen,entsprungen aus der Notwehr ... Auch die Bibel weiß von dieser Schicksalsgemeinschaft, die Schuldige undUnschuldige gleichermaßen umfasst. Man denke etwa an die Erzählung von den ägyptischen Plagen ... Wir wollendaraus lernen, nicht verweichlicht zu denken. Es gehört auch zur Aufgabe des christlichen Glaubens, die Welt inihrer ganzen Nüchternheit und u. U. Brutalität zu begreifen und sich in das Verhängnis derSchuldzusammenhänge hineinzustellen, anstatt voreilig daraus zu fliehen ... Volkfremdes, weltbürgerliches Denkenist nicht christlich, weil es die Schöpfungsordnung verleugnet ... Der Kampf gegen die jüdische Gefahr ist nicht gelöstdurch Boykott und Entlassungen, sondern dazu bedarf es einer seelischen Neuwerdung des Deutschen ... dass dieseverheißungsvolle Bewegung ihre Kräfte aus den letzten Tiefen hole und dass die nationale Revolution weiterführe zueiner Reformation des deutschen Menschen, das ist die größte und verantwortungsvollste Aufgabe, die dem deutschenChristen heute gestellt ist" (Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt, 18.6.1933; zit. nach Juden-Christen-Deutsche1, a.a.O., S. 377-379).

19.6.1933 - Das Verbot der Zeugen Jehovas in Württemberg wird vom dortigen Innenminister imWürttembergischen Staatsanzeiger erklärt:"Diese zersetzende Tätigkeit, die einen Missbrauch des Rechts auf freie Meinungsäußerung darstellt und geeignetist, nicht nur in einzelne Familien, sondern in ganze Gemeinden religiöse Zwietracht hineinzutragen, ist mit demGedanken einer christlichen deutschen Volksgemeinschaft unvereinbar und kann daher vom Staate nicht längergeduldet werden" (Nr. 139 vom 19.6.1933; zit. nach Garbe, a.a.O., S. 10).

Anmerkung: Um das drohende Verbot, den Verlust ihres Immobilienbesitzes und die Verfolgung noch abzuwenden, betontdie leitende "Wachtturm"-Zentrale der Zeugen Jehovas im Juni Übereinstimmung mit den "hohen Idealen, die sich dienationale Regierung zum Ziele gesetzt hat". In diesem Zusammenhang wird auch auf die "Ausbeutung und Bedrückungvieler Völker" durch die "Handelsjuden des Britisch-Amerikanischen Weltreichs" verwiesen. Dieses Zugeständnis derWachtturm-Gesellschaft an die deutsche Regierung wird von einem ehemaligen Zeugen Jehovas mit der "Maxime" der"theokratischen Kriegslist" in Verbindung gebracht (zit. nach Hans-Jürgen Twisselmann, Satans System oder GottesZulassung auf Zeit, in: EZW-Texte Nr. 145, Berlin 1999, S. 50.52). Die Verfolgung hat es nicht abgewendet. Gegen dieeigene Verfolgung wie auch gegen die Verfolgung der Juden haben die Zeugen Jehovas scharf protestiert.

Seit 1933 - Entlassungen jüdischstämmiger Christen aus kirchlichen Ämtern

22.6.1933 - Verbot der SPD wegen angeblichen Landes- und Hochverrats

23.6.1933 - Grußwort des Herrn Landesbischofs an die evangelische Jugend:"... Ich weiß und erkenne dankbar an, dass die einzelnen Verbände jeder in seiner Art in den vergangenen Jahren derKirche und darüber hinaus dem ganzen deutschen Volke dadurch wertvolle Dienste erwiesen haben, dass sie treu imevangelischen Glauben sich als Damm gegen die Volkszersetzung des Bolschewismus und des Freidenkertumsbewährt haben. Der Gottlosigkeit sind heute unter den neuen Verhältnissen manche Kanäle abgegraben; ... So tue,evangelische Jugend, dein Werk und der Herr der Kirche wolle es in Gnaden fördern! München, den 23. Juni 1933 -Der Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern r. d. Rhs; D. Meiser" (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth.Kirche in Bayern Nr. 16 vom 29.6.1933).

Juni 1933 - Verbot des sportlichen Wettkampfs gegen JudenZ.B. 24.6.1933 - "Erlass an die Würzburger Studentenschaft!" "Es ist jedem Mitglied der Deutschen Studentenschaftan der Universität Würzburg verboten, gegen nichtarische Studenten in irgendeinem sportlichen Wettkampfanzutreten. Zuwiderhandlungen werden strengstens bestraft" (Würzburger Generalanzeiger, zit. nach Dieter W.

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Rockenmaier, Das Dritte Reich und Würzburg, Würzburg 1988, 3. Auflage, S. 56).

1933 - Überall in Deutschland werden Schilder angebracht: "Die Juden sind unser Unglück".Die Stadt Ansbach wendet sich z. B. an alle deutschen Geschäftsinhaber und ordnet an, dass die Schilder Die Judensind unser Unglück deutlich sichtbar in den Schaufenstern aufgestellt werden müssen.Ein Verzeichnis jüdischer Geschäfte der Stadt wird angefertigt und kostenlos an Fabriken, Geschäfte und Behördenverteilt. Es wird zur Auflage gemacht, dass jeder Bürger ein solches Verzeichnis haben müsse. Auf dem Verzeichnissteht: "Wer bei nachstehenden, im Kreis Ansbach-Feuchtwangen wohnhaften Juden kauft, ist einVolksverräter" (Diana Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, Ansbach 1994, S. 88). Ähnliches geschieht in anderenStädten.

1933 - Lutherischer Generalsuperintendent Knolle aus Lübeck feiert Martin Luther:"Ewigkeit und Deutschtum begegnen sich in seiner Gestalt. In dieser Ewigkeitsverbundenheit seines Erdenauftrageserwächst er zum Propheten der Deutschen, als den er sich - wenn auch zögernd - bezeichnet hat ... Luther mussProphet und Wegbereiter auch für die neue weltgeschichtliche Zeit des Dritten deutschen Reiches sein ...Lutherisches Christentum ist und bleibt die höchste Offenbarung Gottes in deutscher Sprache" (zit. nach:Vierteljahresschrift der Luthergesellschaft, München 1933, S. 121.123).

Ab 1933 - Schikanen und Straftaten gegen Juden - Die Polizei lässt Ermittlungen im Sande verla ufen.

Ab 1933 - Juden werden aus Vereinen ausgeschlossen und dürfen nicht mehr Mitglieder von Vereinen, z. B.Sportvereinen werden.Das hat zum Beispiel folgende Konsequenz: Der Jude Kurt Dietenhöfer darf den Sportplatz in Ansbach, den er selbstmitgebaut hatte, nicht mehr betreten.

27.6.1933 - Der katholische Erzbischof Conrad Gröber aus Freiburg verbietet allen katholischen P farrernKritik am Nationalsozialismus.

11.7.1933 - Unter Vermittlung von Reichspräsident Paul von Hindenburg gründen alle evangelischen Kirchenführerdie Deutsche Evangelische Kirche (DEK).

14.7.1933 - Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses befiehlt die Zwangssterilisation Behinderter. DieNationalsozialisten erfüllen damit eine Forderung der evangelischen Kirche, welche die Anstaltsleiter der InnerenMission in ihrer Treysaer Erklärung 1931 erhoben haben (siehe oben). Zu den Betroffenen gehören auch Blinde,Taube, Stumme, Epileptiker, Alkoholiker, Körperbehinderte, seelisch Kranke und politische Gegner, die man wegenihrer abweichenden Einstellungen als "Schwachsinnige" einstuft. Sieben Jahre später, ab 1940, werden dieseMenschen vergast, vergiftet, erschlagen oder man lässt sie verhungern. Auch über mögliche Ermordungen wurdebereits auf der evangelischen Fachkonferenz in Treysa 1931 gesprochen (siehe oben). (PS: Eine Zusammenstellungaller Informationen zu der Ermordung Behinderter finden Sie hier)

1933 - Karl Todt, Direktor der evangelischen Heilerziehungs- und Pflegeanstalt der Inneren Mission in Scheuern ander Lahn, ist wie andere Diakonie-Leiter von dem neuen Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses begeistertund schreibt kurze Zeit später: "Wie freudig begrüßten wir die rassenpflegerischen Maßnahmen unseres Führers,die der Auftakt sind, die Übel von der Wurzel an zu bekämpfen. So stehen wir zum Dienste bereit, Handlanger zusein am Bau des Reiches Gottes und am Bau des neuen, des Dritten Reiches" (zit. nach Ernst Klee/Gunnar Petrich,Film "Alles Kranke ist Last", a.a.O.).

Anmerkung: Im Jahr 1941 dienen die evangelischen Einrichtungen in Scheuern dann als Zwischenstation für Behinderte auf derenWeg in das Vernichtungslager Meseritz-Obrawalde in Pommern. Von Scheuern aus werden die der Kirche anvertrautenMenschen wissentlich zur Vernichtung (Vergasung, Vergiftung, Erschlagung, Verhungern lassen) weitergeleitet. Und auch inder Landesheil- und Pflegeanstalt in Bernburg an der Saale werden die Behinderten 1940 und 1941 "vergast". Ca. 75 Behindertewerden dazu jeweils nackt in die 3 x 4 m große Gaskammer der Pflegeanstalt gezwängt. Dann wird das Gas eingeleitet undden Behinderten steht ein grausamer Todeskampf bevor. Währenddessen tun im selben Gebäude-Komplex die Diakonissen desevangelischen Oberlin-Hauses Babelsberg offenbar ohne Protest ihren "Dienst". (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zuder Ermordung Behinderter finden Sie hier)

14.7.1933 - Alle Parteien außer der NSDAP sind seit diesem Tag verboten oder haben sich aufgelöst. Deutschland istnun auch äußerlich eine reine Ein-Parteien-Diktatur mit Adolf Hitler als Reichskanzler und dem parteilosen Franzvon Papen als Vizekanzler (bis August 1934). Adolf Hitler ist bis zu seinem Lebensende Katholik wie seinVizekanzler Franz von Papen (1879-1969), der zudem seit 1923 päpstlicher Geheimkämmerer ist sowie Mitglied desRitterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und Ritter des Malteserordens. In dieser Situation erfolgt nun diehistorische "Stunde" der römisch-katholischen Kirche, die weltweite Anerkennung des neuenNazi-Deutschlands durch den Papst und die Kirche durch das Konkordat.

20.7.1933 - Der Vatikan schließt mit dem Deutschen Reich ein Konkordat ab und sichert sich weit reichendeRechte (z. B. Selbstverwaltung, Gesetzesvollmacht, katholischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach anstaatlichen Schulen, Schutz der katholischen Verbände und Vereine). Für die katholische Kirche ist es "hocherfreulich, dass endlich einmal wieder ihre hierarchische Gliederung vom Reiche gestützt und anerkannt über alle

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Länder von den Alpen bis zum Meeresstrand ausgebaut war", so der katholische Regierungsrat Bauer aus Nürnberg(zit. nach "Im Schritt der neuen Zeit", Sonntagsbeilage der Bayerischen Volkszeitung, 17.12.1933, S. 4; zit. beiHelmut Steuerwald, Die Kirchen im Bann des Nationalsozialismus, http://www.hbb-bayern.de). Bis dahin stand dierömisch-katholische Kirche in Deutschland deutlich im Schatten der evangelischen Kirche, die seit ihrer Entstehung inDeutschland die am stärksten prägende Kraft ist.Michael Kardinal von Faulhaber aus München predigt von der Freundschaft zwischen der Nazi-Regierung und demVatikan und erklärt später, Papst Pius XI. sei "der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuenReiches gewesen. Millionen von Menschen im Ausland standen lange misstrauisch dem neuen Reich gegenüber undhaben erst durch den Abschluss des Konkordats Vertrauen zur deutschen Regierung gefasst" (zit. nach KarlheinzDeschner, Ein Jahrhundert Heilsgeschichte, Köln 1982, S. 432 f.).

23.7.1933 - Kirchenwahl in allen evangelischen Kirchen: Wahlsieger sind die Deutschen Christen mit ca. 70 %der Stimmen. Die Deutschen Christen bekennen sich zur Basis eines "bejahenden artgemäßen Christus-Glaubens,wie er deutschem Luthergeist und heldischer Frömmigkeit entspricht" (Richtlinien der DC vom 26.5.32, zit.nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 149).

Evangelische Synode fordert vom Staat das Verbotder Mormonen, der Adventisten

und der Evangelisch-Johannischen Kirche

August 1933 - Die evangelische Kreissynode Waldenburg/Schlesien fordert das Verbot von bis dahin nochnicht verbotenen nichtevangelischen bzw. nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften. Benannt werden dieMormonen, die Adventisten und die Evangelisch-Johannische Kirche. Die Kirchenleitung wird ersucht, "bei denhierfür in Frage kommenden staatlichen Stellen vorstellig zu werden" (Ev. Zentralarchiv 14 / 810, zit. nach Garbe,a.a.O., S. 10).

5.9.1933 - Die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union beschließt auf ihrer Generalsynode die Einführung desArierparagraphen in der Kirche - Die Folge: Ausschluss aller jüdischstämmigen Christen aus dem hauptamtlichenkirchlichen Dienst. Knapp 50 % aller deutschen Protestanten gehören dieser Kirche an.

Der Protest des Theologen Dietrich Bonhoeffer gegen den kirchlichen Arierparagraphen wird auf derGeneralsynode nicht als Thema zugelassen. Bonhoeffer sagt: "Darum gibt es einer Kirche gegenüber, die denArierparagraphen in dieser radikalen Form durchführt, nur noch einen Dienst der Wahrheit, nämlich den Austritt" (zit.nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 176). Dazu die Frage: Was hätte Bonhoeffer zu einem kirchlichenArierparagraphen in einer "weniger radikalen Form" gesagt? Und: Angesichts der "radikalen" Durchführung deskirchlichen Arierparagraphen erklärt Bonhoeffer zwar, der Kirchenaustritt sei der einzige "Dienst der Wahrheit" dieserKirche gegenüber. Praktisch tut er jedoch nichts dergleichen (siehe unten: September 1933).

Anmerkungen: 1) Bonhoeffers Schwester ist mit einem jüdischen Mann verheiratet.2) In der Endphase der Judenverfolgung (1944/45), nach dem Höhepunkt, wird Bonhoeffer auch das Wort zugeschrieben:"Die Kirche darf nur gregorianisch singen, wenn sie zu gleicher Zeit für Juden und Kommunisten schreit" (zit. nach HeinzZahrnt, Die Sache mit Gott, dtv-Ausgabe, München 1972, 2. Auflage, S. 183). 1941 hatte er mitgeholfen, einigen Judendie Flucht in die Schweiz zu ermöglichen (siehe auch Zeitablauf: Frühjahr 1939).

Was die staatliche Behandlung der "Judenfrage" betrifft, gesteht auch Dietrich Bonhoeffer 1933 zu: "OhneZweifel ist der Staat berechtigt, hier neue Wege zu gehen". Die konkrete Politik der zunehmenden "Rechtlosmachung"der Juden betrachtet Bonhoeffer aber als Gefahr für den Rechtsstaat. Er fordert die Kirche auf, Fragen in dieseRichtung an den Staat zu stellen (nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 180.415). Doch die Kirche tut diesnicht.In einer dpa-Meldung zum neu erschienenen Buch Die verlassenen Kinder der Kirche heißt es zu diesem Thema:"Die meisten Amtsträger auch der Bekennenden Kirche billigten dem Staat das Recht zu, die Stellung vonJuden und ´Nichtariern` in der Gesellschaft neu zu regeln, ihre rechtliche, politische, wirtschaftliche und sozialeGleichstellung aufzuheben" (8.12.1998).

September 1933 - Der Schweizer Theologe Karl Barth ist trotz des kirchlichen Arierparagraphen gegenKirchenaustritt. Auch Bonhoeffer rät er vom Kirchenaustritt ab."Das wird aber in der Tat zunächst dies bedeuten, dass man es der Kirchenregierung bzw. der durch sie vertretenenangeblichen oder wirklichen Mehrheit der Kirchenmitglieder in direkter Eingabe, aber auch öffentlich sagt: ´Ihr seid indiesem Stück nicht mehr Kirche Christi` ... bis das Ärgernis beseitigt ist - oder bis die Kirche mit einem Ausschlussoder mit einer Mundtotmachung der Protestierenden antwortet ... Das Schisma muss, wenn es kommt, von deranderen Seite kommen" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 208).

Anmerkungen: 1) Bonhoeffer befolgt den bequemen Rat von Barth und bleibt Kirchenmitglied - obwohl alle evangelischen

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Beschäftigten jüdischer Herkunft aus den kirchlichen Ämtern entfernt werden. Bonhoeffer wird in späteren Jahren inkirchlichen Stellungnahmen immer wieder als "Feigenblatt" für die Kirche benutzt, womit der Anteil der evangelischen Lehreund der evangelischen Kirche an der Verantwortung für den Holocaust verdeckt bzw. relativiert werden soll.2) Ähnliches geschieht mit Pfarrer Paul Schneider (* 1897) aus dem Hunsrück, der nach anfänglicher Nazi-Begeisterungimmer häufiger mit dem Staat in Konflikt geriet und schließlich 1939 im KZ Buchenwald an einer falschenMedikamentendosierung unter unklaren Umständen ums Leben kam. Die Leiche wurde anschließend offiziell an seinenletzten Dienstort Dickenschied zur Beisetzung überführt. In Buchenwald hatte Schneider anscheinend auch um dieEntlassung inhaftierter Juden gebeten. Schneider hätte das KZ allerdings sofort verlassen können, wenn er seinerAusweisung aus der "Rheinprovinz", wo seine letzten Dienstorte Dickenschied und Womrath lagen, Folge hätte leistenwollen. Schneider war 1916 im 1. Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden, und er hatte 1918bei der Schlacht von Verdun offenbar sehr viele Franzosen umgebracht.3) Baron von Pechmann (siehe Zeitablauf: 26.4.1933), der 1934 wegen des kirchlichen Antisemitismus aus derEvangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ausgetreten war, wird 1997 durch eine Ehrung von dieser Kirche wiedervereinnahmt.

September 1933 - Auch die Rheinische Landeskirche übernimmt den Arierparagraphen. Betroffen ist z. B. der43jährige Kölner Krankenhauspfarrer Ernst Flatow, ein gebürtiger Jude, der im Alter von 26 Jahren zurEvangelischen Kirche übergetreten war, und der jetzt wegen seiner ursprünglich jüdischen Herkunft fristlos entlassenwird. Die Kirchenleitung weigert sich zudem, Flatow als "Hilfsgeistlichen" weiter zu beschäftigen, was rechtlichmöglich gewesen wäre. In der Begründung, so wie sie im Brief der Leitung der Rheinischen Landeskirche inDüsseldorf an den Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin verfasst wurde, heißt es u. a.: "Flatow hat in seinemÄußeren und in seinem Wesen so in die Augen springend diejenigen Merkmale an sich, die von dem Volke alsder jüdischen Rasse eigen angesehen werden, dass eine Beschäftigung in einer Gemeinde unmöglich ist"(Spiegel online, 18.2.2008).

Anmerkung: Als später die Vernichtungen der Juden beginnen, flüchtet Pastor Flatow in eine Außenstelle der kirchlichenBetheler Anstalten in Lobetal bei Berlin. Die Nazis bitten darauf hin im Jahr 1942 die Rheinische EvangelischeLandeskirche, ihr beim Auffinden des "Juden" zu helfen, was diese sofort tut. Die Kirche verrät ohne Not sein Versteckund meldet, "dass sich der Hilfsgeistliche im einstweiligen Ruhestand Ernst Israel Flatow laut einer Nachricht vomNovember 1941 in Lobetal bei Berlin aufhält ..." Darauf hin spürt ihn die Gestapo dort auf, verschleppt ihn zunächst insWarschauer Ghetto und kurze Zeit später zur Vergasung nach Treblinka (Spiegel online, 18.2.2008). Sein tödlicherFehler war, den Kontakt zu seiner Kirche nach seiner Entlassung aus rassischen Gründen nicht völlig abgebrochen zuhaben.

Das Evangelische Deutschlandstellt "vollständige Bereinigung der Sekten" in Aussicht

10.9.1933 - Das Evangelische Deutschland, das in Berlin erscheinende "maßgebliche Organ auf protestantischerSeite" (Garbe) kommentiert das Verbot der Zeugen Jehovas mit Dankbarkeit und fordert weitere Verbote:"Die Kirche wird dankbar anerkennen, dass durch dieses Verbot eine Entartungserscheinung des Glaubensbeseitigt worden ist ... Damit ist jedoch noch keine vollständige Bereinigung der Sekten erreicht. Erwähnt seiennur die Neuapostolischen."Schriftleiter des Evangelischen Deutschland (Auflage: 20.000) ist der Direktor des Evangelischen Pressedienstes,Professor August Hinderer (Das Evangelische Deutschland, Kirchliche Rundschau für das Gesamtgebiet derDeutschen Evangelischen Kirche, Nr. 37, 10.9.1933; zit. nach Garbe, a.a.O., S. 10; vgl. Arndt, a.a.O., S. 8).

9.-12.9.1933 - Exekutivausschuss Life and Work (Ökumenischer Rat für Praktisches Christentum) tagt in NoviSad/Jugoslawien: Anfragen und Besorgnisse seitens amerikanischer und englischer Kirchen zur Judenverfolgung inDeutschland - Die Deutsche Delegation unter Leitung der Oberkonsistorialräte Theodor Heckel (bayerischer Pfarrerund vormaliger Münchner Dekan) und August Schreiber hält Material aus dem deutschenReichspropagandaministerium dagegen. Beide drohen mit der vorzeitigen Abreise der deutschen Delegation. Aufdiese Weise wird ein möglicher Protest gegen die Einführung des Arierparagraphen in den deutschen evangelischenKirchen verhindert.

15.-20.9.1933 - Auf dem nachfolgenden Treffen des Exekutiv-Komitees des Weltbundes für internationaleFreundschaftsarbeit in Sofia/Bulgarien ist Dietrich Bonhoeffer einer der beiden deutschen Delegierten. Unter seinerMitwirkung kommt es zu einem allerdings wirkungs- und folgenlosen Protest gegen die Einführung desArierparagraphen in den evangelischen Kirchen in Deutschland (nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 216 f.).

21.9.1933 - Gegner des Arierparagraphen in den Kirchen gründen einen "Pfarrernotbund". Gegen dieVerfolgung der Juden außerhalb der Kirche wendet sich der "Notbund" aber nicht, so wie auch der voraus gegangeneProtest des evangelischen "Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit" nicht gegen die umfassendeVerfolgung der Juden in Deutschland gerichtet war. Der Vorsitzende des "Pfarrernotbundes", der Theologe Martin

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Niemöller, formuliert dann im November 1933 einige Sätze zur "Arierfrage" in der Kirche:"... denn gerade an den bekehrten Juden muss es sich erweisen, ob es der Kirche Jesu Christi mit der Gemeinschaft, dieüber die natürlichen Zusammengehörigkeiten hinausreicht, ernst ist. - Diese Erkenntnis verlangt von uns, die wir alsVolk unter dem Einfluss des jüdischen Volkes schwer zu tragen gehabt haben, ein hohes Maß von Selbstverleugnung,so dass der Wunsch, von dieser Forderung dispensiert zu werden, begreiflich ist. Das ist indessen nicht möglich ..."(zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 389)In einem Gestapo-Bericht heißt es über den "Pfarrernotbund":"Bei dem zum Notbund angehörenden Pfarrern handelt es sich zum Teil um reaktionäre Kräfte, zum Teil aber auchum Persönlichkeiten, die rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten und sich dagegen wehren,dass ihre Gegnerschaft gegen den Reichsbischof und gegen die ´Deutschen Christen` als Stellungnahme gegen denNationalsozialismus ausgelegt wird" (18.9.1934; Staatsarchiv Marburg, 165/3943).

22.9.1933 - Der Stadtrat von Ansbach beschließt mit Rücksicht auf die Lage des Wohnungsmarktes, Judenden Zuzug nach Ansbach zu unterbinden.Man befürchtet u. a., Juden könnten Grundbesitz erwerben und dauernd in der Stadt ansässig werden. Ähnlichesgeschieht auch in anderen Orten.

25.9.1933 - Das Erlanger Gutachten wird veröffentlicht - Die renommierte evangelisch-theologische FakultätErlangen gibt das von den namhaften Professoren Werner Elert und Paul Althaus verfasste Erlanger Gutachten heraus,in dem die Anwendung des Arierparagraphen in der Kirche gefordert wird. Darin heißt es u. a.: "Das deutscheVolk empfindet heute die Juden in seiner Mitte mehr denn je als fremdes Volkstum ... Für die Stellung der Kirche imVolksleben und für die Erfüllung ihrer Aufgabe würde in der jetzigen Lage die Besetzung ihrer Ämter mitJudenstämmigen [d. h. deutschen evangelischen Amtsträgern, die keinen reinen arischen Stammbaum vorlegenkönnen] im allgemeinen eine schwere Belastung und Hemmung bedeuten. Die Kirche muss daher die Zurückhaltungihrer Judenchristen von den Ämtern fordern ... " Die evangelische Fakultät möchte jedoch Raum für Ausnahmenlassen und beruft sich dabei auf den staatlichen Arierparagraphen, wo ebenfalls anerkannt würde, "dass Juden z. B.durch die Bereitschaft zum Opfer des Lebens für Deutschland sich dem deutschen Volke eingliedern können"[Anmerkung: wodurch man sie ja auch los würde; vgl. das Schicksal früherer Galeerensträflinge, die zum Rudern inden Schiffsrumpf von Kriegsschiffen gekettet wurden] (zit. nach Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen,Hrsg. Heiko A. Obermann u. a., Band V, Neukirchen-Vluyn 1999, S. 101 f.).Die meisten Landeskirchen entlassen nun ihre Mitarbeiter ohne makellos arische Stammbäume. In Bayern zögert mananfangs, "weil man die von den außerdeutschen Lutheranern angedrohte Isolation fürchtete" (Axel Töllner, EineFrage der Rasse? Die Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern, der Arierparagraf und die bayerischenPfarrfamilien mit jüdischen Vorfahren im Dritten Reich, Stuttgart 2007, zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt fürBayern Nr. 19/2007; siehe aber auch z. B. die praktische Anwendung des Arierparagraphen). 1938 war es danndoch so weit, als der Staat von allen Pfarrern für den Schuldienst den Ariernachweis verlangte. Axel Töllner schrieb inseiner Doktorarbeit: "Die Pfarrer trugen den Parteibonzen ihre makellosen ´Ariernachweise` hinterher" und "stelltenbei der Gelegenheit auch gleich ihrer Führertreue unter Beweis ..." (Töllner, a.a.O.)

Anmerkung: Die Kirche ging dabei im Einzelfall sogar rigoroser vor als der NS-Staat selbst. So versetzte sie denTheologen Julius Steinmetz wegen der jüdischen Herkunft seines Vaters 1938 in den einstweiligen Ruhestand, währenddessen Bruder in staatlichen Diensten weiter arbeiten durfte (Töllner, a.a.O.) .

Evangelische Diakone, "die SA Jesu Christi und die SSder Kirche" - ein KZ unter kirchlicher Leitung

September 1933 - 100-jähriges Jubiläum des Rauhen Hauses in Hamburg, eine der bekanntesten Sozialeinrichtungender evangelischen Diakonie. Der Präsident, Pfarrer H. Schirrmacher, zu den Diakonen:"Wir begrüßen euch alle als die SA Jesu Christi und die SS der Kirche, ihr wackeren Sturmabteilungen undSchutzstaffeln im Angriff gegen Not, Elend, Verzweiflung und Verwahrlosung, Sünde und Verderben ... EvangelischeDiakonie und Nationalsozialismus gehören in Deutschland zusammen ... Ich wünsche, dass unsere jungen Brüderin den Diakonenanstalten sämtlich SA-Männer werden" (zit. nach Ernst Klee, Die SA Jesu Christi, Die Kirche imBanne Hitlers, Frankfurt/M. 1989, Impressum-Seite).

Anmerkung: Es folgen deutschlandweit Eintrittswellen von evangelischen Diakonen in die SA. Die SA, "GöringsPrätorianergarde für ungehemmten Terror" (Der Historiker Volker Hentschel, a.a.O., S. 131), verübte bis dahin bereitsunzählige Gewalttaten und Morde an politischen Gegnern.Über die Führung der SA-Konzentrationslager schreibt ein Augenzeuge schon im Frühjahr 1932: "Die Opfer, die wirvorfanden, waren dem Hungertod nahe. Sie waren tagelang stehend in enge Schränke gesperrt worden, um ihnen´Geständnisse` zu erpressen. Die ´Vernehmungen` hatten mit Prügeln begonnen und geendet; dabei hatte ein DutzendKerle in Abständen von Stunden mit Eisenstäben, Gummiknüppeln und Peitschen auf die Opfer eingedroschen. Als wireintraten, lagen diese lebenden Skelette reihenweise mit eiternden Wunden auf dem faulenden Stroh" (Der erste

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Gestapo-Chef Diels, zit. nach Hentschel, So kam Hitler, a.a.O., S. 136).Im Juli 1933 übernimmt die Diakonie von der SA sogar die Leitung eines KZ. Über den "Landesverein für InnereMission, Abteilung Konzentrationslager Kuhlen", schreibt Ernst Klee: "Auf kirchlichem Boden ... werden Gegnerdes Nationalsozialismus gequält und geschunden. Sie werden mit Gewehrkolben zur (Feld-)Arbeit getrieben,manche mit Gummiknüppeln bewusstlos geschlagen." Alle dort beschäftigten SA-Männer gelten als kirchlicheMitarbeiter und erhalten ihren Lohn von der Inneren Mission. Im Oktober werden die Insassen von Kuhlen in größere KZsüberführt, das Lager wird geschlossen. Auch im KZ Papenburg arbeiten von 1933-1939 Diakone des evangelischenStephansstifts Hannover. Sie "stehen und warten, dass man einmal auf einen Menschen schießen darf" (Ein Diakon, zit.nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O., S. 61-71).

27.9.1933 - Erste deutsche evangelische Nationalsynode in Wittenberg

Der Wunschkandidat Hitlers, Ludwig Müller, wird einstimmig zum Reichsbischof gewählt, auch von allenVerantwortlichen der so genannten "Bekennenden Kirche". Müller gehört den Deutschen Christen an.

Oktober 1933 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern druckt einen Artikel aus dem evangelischenKirchenboten für die Pfalz nach: Wir trieben Spott mit den heiligen Gütern der deutschen Nation. Darin heißt es:"Eines der wüstesten deutsch geschriebenen Hetzblätter in Rumänien ist die jüdische ´Zernowitzer AllgemeineZeitung.` Trotzdem veröffentlicht dieses Blatt soeben - allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, sich mit demVerfasser nicht identifizieren zu wollen - einen Artikel aus der Feder des bekannten Judenführers der Bukowina, Dr.Manfred Reiser ... Es heißt in dem Aufsehen erregenden Aufsatz u. a: ... Wir spielten mit den heiligen Gütern desdeutschen Volkes und trieben zuweilen auch noch Spott mit dem, was der Nation heilig ist. Wir spielten uns als dieSittenrichter des deutschen Volkes auf und gossen aus vollen Schalen Satiren über das Haupt des deutschen Michel ...Das entwurzelte Weltbürgertum, das Juden zu Vorkämpfern hat, glaubte die Kraft zu besitzen, die IdeenJesajas in die Gassen Germaniens verpflanzen zu können und mit Amos die Walhalla zu stürmen ...` DieseEingeständnisse eines Juden kennzeichnen in treffender Weise das jüdische Treiben in Deutschland und sind in ihrerOffenheit ein schlagender Beweis für die Richtigkeit und Notwendigkeit der in Deutschland erfolgten Ausschaltungdes jüdischen Einflusses auf die Staatsführung. Dieser Artikel ist ebenso ein Schlag ins Gesicht der jüdischen Hetzegegen das neue Deutschland, die in ihrer vollen Unverfrorenheit hier durch einen Juden selbst bloßgestellt worden ist"(S. 600).

Berufung auf Martin Luther:Er sprach von der "Hoheit der weltlichen Gewalt"

6.10.1933 - Verordnung von Landesbischof Meiser zur Pflege des Lutherliedes"In konfessionell ungemischten Gemeinden wird es möglich sein, HJ und BDM zur Unterstützung des Planes zugewinnen" (in: Amtsblatt der Ev.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 29 vom 26.10.1933).

12.10.1933 - Amtsblatt Nr. 28 der Ev. - Luth. Kirche in Bayern: Betreff: Luthertag 1933."Unsere Kirche feiert in diesem Jahre mit besonderer Dankbarkeit den Geburtstag des Reformators Dr. Martin Luther.Sie weiß, dass sie Volk und Staat dann am besten dient, wenn sie das Evangelium so verkündigt, wie sie von ihmgelehrt wurde. Recht und Würde der Obrigkeit ist in der deutschen Geschichte von keinem Staatsmann und vonkeinem Philosophen mit solcher Kraft und aus solch tiefer Begründung erhoben worden, wie von Dr. MartinLuther. Wenn er sagt: ´Wir sind nicht schuldig, der Obrigkeit um ihretwillen gehorsam zu sein, sondern um Gotteswillen, dessen Kinder wir sind , rechtfertigt er die Hoheit der weltlichen Gewalt, die das Schwert aus Gottes Handempfangen hat ... In größeren Pfarreien ist die gesamte evangelische Jugend - kirchliche Verbände, Hitlerjugend undnichtorganisierte Jugend - in besonders feierlichen Gottesdiensten zu sammeln ..." München, den 10. Oktober 1933,Evangelisch-luth.-Landeskirchenrat; J. V. Böhner

Herbst 1933 - Ein evangelischer Dekan aus Oberfranken übernimmt die Führung der lokalen NSDAP-Ortsgruppe.Dazu schreibt Clemens Vollnhals in seiner Doktorarbeit: "Die Wirkung solchen Handelns lokaler Meinungsführer aufjene Bevölkerungskreise, die sich 1933/34 noch abwartend verhielten, kann kaum unterschätzt werden."Vollnhals weiter: "Die NSDAP war sich des politischen Nutzens der Parteipfarrer für die Erhaltung derMassenloyalität durchaus bewusst."Der Dekan wird später als Oberkirchenrat in die Kirchenleitung befördert. Er rechtfertigt sich nach 1945: "Ich sah,wie manche gute Kräfte 1933 aufgingen" (Vollnhals, a.a.O., S. 276.280).

Anmerkung: Beim dem Betroffenen handelt es sich offenbar um den "alten Kämpfer" der NSDAP Friedrich Hanemann (zit.nach Mensing, a.a.O., S. 210), 1932-1934 evangelisch-lutherischer Dekan von Kulmbach, am 1.12.1934 alsOberkirchenrat in die Kirchenleitung berufen (siehe Zeitablauf: 1.12.1934). Die Kirchenleitung rechtfertigt nach 1945 dasVerhalten aller NSDAP-Pfarrer (siehe Zeitablauf: Mai 1945 und Oktober 1945).

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31.10.1933 - Schwester Dora Gebhard hält auf der Tagung des Zehlendorfer Verbandes fürevangelische Diakonie vor über 1000 evangelischen Diakonissen das Referat zum Thema Dienationalpolitische Erziehung der Schwestern. Darin erzählt sie u. a. folgende Geschichte: "Hitlertrifft in der Nähe des Klosters Chorin eine Diakonisse und diese fragt ihn: 'Herr Reichskanzler,woher nehmen Sie nur die Kraft für Ihr schweres Werk?' Da zieht er ein Neues Testament ausseiner Rocktasche und sagt: 'Hier, Schwester!'" Einer der Kernaussagen der Grundsatzrede: "Einrichtig aufgefasster Schwesternberuf ist überhaupt schon Nationalsozialismus" (zit. nach Ernst Klee,Die SA Jesu Christi, S. 42; vgl. dazu unten: Antijüdische Stellen im Neuen Testament).

November 1933 - Die ausländische Kritik an der Behandlung der Juden in Deutschland und an der militärischenAufrüstung Deutschlands wächst, z. B. im Völkerbund. Die Nationalsozialisten organisieren deswegen inDeutschland eine Volksabstimmung zum Austritt aus dem Völkerbund.Auch Landesbischof Hans Meiser fordert in einer Predigt den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund."Meiser bekundete bei jeder Gelegenheit seine uneingeschränkte Unterstützung für Hitlers Politik und rief seinKirchenvolk dazu auf, es ihm gleichzutun," "was dazu beitrug, dass bei der Volksabstimmung etwa 95 % mit Jastimmten, bei der ´Reichstagswahl` die einzig zur Wahl stehende NSDAP etwa 87 % der Stimmen erhielt unddamit Hitlers Stellung unangreifbar wurde" (Mensing, a.a.O., S. 162).

November 1933 - Wie die Fränkische Landeszeitung Ansbach weigern sich immer mehr Zeitungen, Inseratejüdischer Firmen aufzunehmen.

Gegen Juden, "Sekten" und Freidenker:Arbeitsverbindung zwischen der Gestapo

und der evangelischen Kirche

Ab Dezember 1933 - Neue Serie im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: So spricht Martin Luther

16.12.1933 - Der Leiter der evangelischen Apologetischen Centrale, Walter Künneth weiß sich "in der Ausschaltungdes jüdischen Einflusses im Volksleben" "einig" mit Adolf Hitler (siehe unten). Gleichzeitig will der obersteevangelische Sektenbeauftragte auch andere religiöse und politische Minderheiten "ausschalten" lassen. So freut sichKünneth am Interesse der Gestapo an seiner Arbeit und schreibt in seinem Bericht an die Reichskirchenregierung:"Das Geheime Staatspolizeiamt hat sein hohes Interesse an dem Sektenarchiv der Apologetischen Centrale sowie ander von der Apologetischen Centrale bisher geleisteten Arbeit zur Bekämpfung des Freidenkertums, des Marxismusund des Bolschewismus zum Ausdruck gebracht und den Wunsch ausgesprochen, mit dieser kirchlichenapologetischen Stelle zukünftig gemeinsam den Kampf gegen das illegale Freidenkertum und den illegalenMarxismus führen zu können. Der Materialaustausch zwischen dem Geheimen Staatspolizeiamt und derApologetischen Centrale hat bereits begonnen. Auch mit dem Propaganda-Ministerium wurde Fühlungaufgenommen. Es besteht die Aussicht, dass auch hier eine Arbeitsverbindung zustande kommt. Auch dasReichsinnenministerium hat in den vergangenen Monaten der Apologetischen Centrale wiederholt wichtiges Materialzur Durchprüfung und praktischen Ausnutzung zur Verfügung gestellt" (Evangelisches Zentralarchiv 1/C3/392; zit.nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 412).

Dezember 1933 - Kurt Frör, einflussreicher bayerischer Pfarrer und Inspektor des NürnbergerPredigerseminars, verlangt im Namen der evangelischen Volksmission den evangelischen "Kampf gegenandere Rasseangehörige", womit er vor allem den evangelischen Kampf gegen die Juden meinte. Frör wörtlich: "´Esist evangelisch, dazu mitzuhelfen, dass der rassisch erkrankte Volkskörper wieder gesundet und erstarkt . Das seinicht möglich ´ohne Kampf gegen andere Rasseangehörige , darum sei die ´unchristliche Sentimentalität` abzulehnen,´die Rassegesundung nur deshalb verwirft, weil sie nicht ohne Kampf und Härte und Not abgeht`" (SüddeutscheZeitung, 21.10.2008).

1934

Januar 1934 - Treffen der evangelischen Kirchenführer mit Adolf Hitler: Landesbischof Meiser berichtetanschließend von Hitlers Mahnung an die Bischöfe, in christlich-brüderlichem Geist zusammenzuarbeiten.

20.1.1934 - Die Hannoversche Landeskirche hat auf Betreiben der Deutschen Christen (DC) in Bevensen bei Uelzen

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eine zusätzliche Theologenschule errichtet, die in Anwesenheit des Landesbischofs D. August Marahrens undzahlreicher Ehrengäste eröffnet wurde. Vizepräsident Hahn von der Hannoverschen Kirchenregierung erklärte: "Esdarf um des Volkes und um der Kirche willen nicht mehr möglich sein, dass Geistliche dem jungen Deutschen, der imBraunhemd marschiert, verständnislos oder gleichgültig gegenüberstehen. Für die Kirche im NationalsozialistischenDeutschland ergibt sich deshalb die Forderung: die Diener der Kirche, die nationalsozialistischen Gemeindenund einer nationalsozialistischen Jugend dienen wollen, müssen Nationalsozialisten sein. Demgemäß sollen dieLehrgänge der Theologenschule unter Leitung eines bewährten SA-Führers stehen" (zit. nach Zeitschrift "JungeKirche", zit. nach http://www.verfolgte-schueler.org/1933-45.htm).

1934 - "Rund 80 %" der evangelischen Pfarrer in Bayern folgten der NSDAP "begeistert" (Björn Mensing in:Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 1998, S. 254). Auch die übrigen 20 % denken meistdeutschnational. Die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche um die Kirchenleitung ab Herbst 1934 (der sogenannte "Kirchenkampf") ernüchtert aber viele Pfarrer und einige wenden sich wieder von der NSDAP ab. Diestaatliche Judenverfolgung wird allerdings kein einziges Mal als möglicher Grund für die Distanzierung einesPfarrers von der NSDAP erwähnt. Und in den späteren Gestapo-Akten findet sich z. B. bei Pfarrern in Bayernkeine einzige kritische Stellungnahme zur Judenverfolgung.

5.2.1934 - Jüdische Medizin- und Jurastudenten werden nicht mehr zum Examen zugelassen.

Evangelische Landesbischöfegliedern die Evangelische Jugend in die Hitlerjugend ein

10.2.1934 - Landesbischof Hans Meiser zur Eingliederung des Evangelischen Jugendwerkes in die HJ (=Hitlerjugend) bzw. in den BDM (= Bund Deutscher Mädel):Einverständnis-Erklärung der Eltern: "Ich erkläre hiermit mein Einverständnis, dass mein(e) Tochter / - Sohn ...Mitglied des ... Jungschar, Jungvolk im Verband des ... die Doppelmitgliedschaft in der Hitlerjugend eingeht. Ich habedavon Kenntnis genommen, dass er (sie) an den wöchentlichen Pflicht-Bibelabenden ... teilzunehmen hat ...""Wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, die wir an unserer Jugend vor Gott haben. Viel treue Arbeit ist in allden Jahrzehnten zum Besten unserer evangelischen Jugend geleistet worden. Das sei dankbar anerkannt. Wir wollennun erst recht treu arbeiten, mit Hingabe und Freudigkeit die neuen Aufgaben in Angriff nehmen ... München, den10. Februar 1934 - Der Landesbischof - D. Meiser" (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 4 vom 12.Februar 1934).

Anmerkung: Auch einer der Hauptverantwortlichen der Judenvernichtung, der Organisator der "Endlösung",Adolf Eichmann, ist aus der Evangelischen Jugend, dem CVJM, hervorgegangen.

13.2.1934 - Bekanntmachung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Sicherung und Auswertung allerKirchenbücher für rassekundliche Forschung (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 6 vom 19.Februar 1934) - Zu diesem Thema ist im Jahr 2008 ein Buch erschienen: Gailus, Manfred (Herausgeber),Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im Dritten Reich, Göttingen 2008. Die SüddeutscheZeitung schreibt in ihrer Buchbesprechung: "In nur wenigen Fällen haben Pfarrer die Herausgabe brisanterInformationen verweigert. Selbst die Gemeinden der Bekennenden Kirche ... haben einem protestantischen´Beamtenethos` folgend, korrekte Angaben gemacht. Erst durch diese Kenntlichmachung war es den Nazisschließlich möglich, über die etwa 500.000 ´Glaubensjuden` hinaus Arier von Nichtariern zu scheiden. Zu ihnenzählten Christen jüdischer Herkunft ebenso wie ´Mischlinge . Zu Recht spricht der Herausgeber von einerChristenverfolgung innerhalb der Kirche `" (7.1.2009); siehe dazu auch hier

4.4.1934 - Anweisung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über eine Bekanntmachung desKultusministeriums: "Der Lehrer tritt zu Beginn jeder Unterrichtsstunde vor die stehende Klasse und grüßt als erster,indem er den rechten Arm erhebt und dabei die Worte ´Heil Hitler` spricht. Die Klasse erwidert den Gruß in dergleichen Weise. Am Schlusse der Schulstunde wiederholt der Lehrer den deutschen Gruß vor der stehenden Klasse.Diese antwortet in gleicher Weise.""Wir weisen unsere Religionslehrer an, der Bekanntmachung des Kultusministeriums entsprechend zuverfahren. Evang.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser" (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern 1934, Nr.1845).

Anmerkung: Die von Kirche und Staat bekämpften bzw. verfolgten Zeugen Jehovas verweigern den Hitlergruß. Schüler,die dieser Gemeinschaft angehören, werden deshalb von Lehrern geschlagen (nach Video "Lila Winkel", StarlockPictures, New York 1991; vgl. Zeitablauf: 1932).

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Die politische Loyalität der "Bekennenden Kirche" zu Hitler

29.-31.5.1934 - Erste "Reichsbekenntnissynode" in Wuppertal-Barmen: Die Barmer Theologische Erklärung wirdverabschiedet. Unter anderem heißt es darin: "Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, indenen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären."Zur Judenfrage schweigt die Synode.

Anmerkung: In Barmen treffen sich Mitglieder der "Bekennenden Kirche". Fälschlicherweise wurden ihre innerkirchlichenAuseinandersetzungen mit den "Deutschen Christen" und die Auseinandersetzungen mit dem Staat oft so dargestellt, alssei die "Bekennende Kirche" eine Widerstandsgruppe gegen das Nazi-Unrecht. Das ist sie aber nicht. Denn dasBekenntnis zu "Christus" ist für sie kein Widerspruch zur politischen Loyalität gegenüber Hitler. Vier Jahre später (1938)schwören auch die Pfarrer der Bekennenden Kirche Hitler gegenüber Gehorsam und Treue (siehe Zeitablauf: 1938). Keinanderer Herr als "Christus"?Der als "Kirchenkampf" bezeichnete Konflikt ist ein Streit um kirchliche Angelegenheiten. Von Einzelsituationeneinzelner Anhänger abgesehen befürwortet auch die "Bekennende Kirche" die Judendiskriminierungen und -verfolgungenoder duldet sie. Anhänger der "Bekennenden Kirche" sind überwiegend auch begeisterte Anhänger des NS-Staates.Vgl. dazu auch die Studie des Historikers Karl-Ludwig Sommer, mit der er 1993 an der Universität Oldenburg habilitierte.Seine 500seitige Untersuchung über die evangelische Landeskirche in Oldenburg in der Nazi-Zeit kommt im Hinblick aufdie "Bekennende Kirche" zu dem Ergebnis:"... von Widerstand gegen den Unrechtsstaat könne keine Rede sein" (Jeversches Wochenblatt, 6.8.1993) und: "DieBekennende Kirche war eher ein stabilisierender Faktor für die Nazis als ein Hindernis" (Göttinger Tagblatt,6.8.1993).

Dankbarkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern:"Gott hat uns den Führer geschenkt"

1.6.1934 - Die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern antwortet auf die Barmer Theologische Erklärung derBekennenden Kirche mit dem Ansbacher Ratschlag. In der Kirchenleitung der bayerischen evangelischenLandeskirche hat ebenfalls die "Bekennende Kirche" die Oberhand. Im Ansbacher Ratschlag formuliert sie eine in derBarmer Theologischen Erklärung fehlende Ergebenheitsnote an Hitler, verbunden mit dem Dank, dass Gott ..."unserem Volk in seiner Not den Führer als ´frommen und getreuen Oberherrn` geschenkt hat und in dernationalsozialistischen Staatsordnung ´gut Regiment`, ein ´Regiment mit Zucht und Ehre` bereiten will" (zit.nach Müller/Siemen, Warum sie sterben mussten, Neustadt a. d. Aisch 1991, S. 21).

Einer der Mitverfasser des Ansbacher Ratschlags ist der einflussreiche Theologieprofessor Paul Althaus ausErlangen. Mit Bezug auf die lutherische Zwei-Reiche-Lehre schreibt ein Biograf über ihn: "In seinen Schriften derJahre 1933-1937 verteidigt Althaus den totalitären Staat, das Führerprinzip sowie völkische Ideen im allgemeinenund das ´gute Regiment` Hitlers im besonderen" (R. P. Ericksen, zit. nach Mensing, a.a.O., S. 67 f.).

28.6.1934 - Hilfe der Pfarrämter für NSDAP-Mitglieder bei der Zusammenstellung ihrer Ahnentafeln:"Dem Landeskirchenrate ist bekannt, welches Maß von Arbeit die vielfältigen Anforderungen derAbstammungszeugnisse von den Pfarramtsführern fordert; er weiß auch, dass es vielfach nur durch die selbstloseMithilfe der Familienangehörigen überhaupt möglich ist, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Es ist ihm ein Bedürfnis,für alle diese in stiller Treue geleistete Arbeit den Dank der Kirchenleitung hier öffentlich auszusprechen. Ev.-Luth.Landeskirchenrat; D. Meiser" (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern 1934, Nr. 4616).

Anmerkung: Die Reichskirchenregierung weist darauf hin, dass die Pfarrämter auch zu dieser Aufgabe verpflichtet seien,da die NSDAP "Körperschaft öffentlichen Rechts" sei; siehe dazu auch hier

1934 - Gedicht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: "... du deutsche Jugend - unser Stolz, rank - zäh wiejunges Eichenholz, zeig du der Welt - zeig du der Welt - trotz Hohn - trotz Spott: Ein Volk stirbt nicht, das seinemGott die Treue hält - die Treue hält" (Jahrgang 1934, S. 365).

Sommer 1934 - Die Landesbischöfe Meiser und Wurm treffen sich erneut mit Hitler. Sie bekunden dieinnerkirchliche Lehropposition der Bekennenden Kirche zur Lehre der Deutschen Christen, sichern Hitler aber diepolitische Loyalität der Bekennenden Kirche zu.

August 1934 - Jugendliche der jüdischen Jugendverbände dürfen nicht am Staatsjugendtag teilnehmen. Eswird ihnen auch untersagt, Geländesport im Freien zu betreiben. Nur Wanderungen sind erlaubt.

3.8.1934 - Beschluss der Stadt Ansbach: Städtischer Besitz darf nicht an "Nichtarier" verkauft werden

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(vergleichbar Beschlüssen in anderen Stadträten).

31.8.1934 - Verbot der Vertretung von Juden durch nationalsozialistische Rechtsanwälte

3.9.1934 - Eingliederungsverordnung von Reichsbischof Müller: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern sollTeil der Reichskirche werden. Landesbischof Meiser weigert sich, die Eingliederungsverordnung zuunterschreiben und sich damit selbst zu entmachten. Er möchte die Gesetzesvollmacht in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern selbst behalten. Es kommt zum Konflikt zwischen Anhängern von ReichsbischofMüller und Anhängern von Landesbischof Meiser.

3.9.1934 - Der evangelisch-lutherische Landeskirchenrat in Bayern denunziert einen führenden Pfarrer derDeutschen Christen wegen dessen früherer Judenfreundlichkeit.In Rundbriefen des Landesbruderrates der Bekennenden Kirche lässt die Kirchenleitung in denunzierender Absichteinen Zeitungsausschnitt von 1929 veröffentlichen, wo der Pfarrer "bei der Einweihungsfeier einer Synagoge diebesten Wünsche seiner Gemeinde für das ´herrliche Gebetshaus` übermittelt hatte" (Mensing, a.a.O., S. 192). DieNSDAP reagiert auf diese "Enthüllung" der bayerischen Landeskirche mit einem Parteiausschlussverfahren desPfarrers.

11.10.1934 - Die Reichskirche versucht, die Landesbischöfe Wurm und Meiser abzusetzen. Die beiden Bischöfeerkennen die Maßnahme aber nicht an.Landesbischof Meiser kommt z. B. zwei Wochen in Hausarrest. Seine Anhänger organisieren in dieser Zeit eineKundgebung, wozu Sonderzüge nach München fahren. Ca. 10.000 Menschen demonstrieren dort mit Heil-Hitler undHeil-Meiser-Rufen. Der Landesbischof stimmt vom Balkon seines Amtszimmers ein dreifaches Sieg-Heil auf Führerund Vaterland an. Die Menschen singen das Lutherlied "Ein feste Burg ist unser Gott" und das nationalsozialistischeHorst-Wessel-Lied "SA marschiert ..."Der Evangelische Pressedienst epd schreibt: "Der Gauleiter Streicher sowohl wie Herr Polizeipräsident Martinwaren sichtlich ergriffen. Der Gauleiter sprach das persönlich aus und versprach, es dem Führer mitzuteilen" (zit.nach: Junge Kirche 1934, 808 ff.).

Oktober 1934 - Lagebericht fränkischer Regierungsstellen: "Gerade die kirchlich gesinnten evangelischen Kreise,die hinter dem Landesbischof stehen, zählten und zählen auch jetzt noch mit zu den treuesten Anhängern desNationalsozialismus" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 129).

19./20.10.1934 - Die Reichssynode der "Bekennenden Kirche" in Berlin-Dahlem protestiert gegen dieBeseitigung der Kirchenleitungen in Bayern und Württemberg.

Anfang November 1934 - Adolf Hitler empfängt die entlassenen Landesbischöfe Meiser und Wurm erneutpersönlich. Nach dem Gespräch werden die beiden Landesbischöfe wieder offiziell ins Amt eingesetzt.

Evangelische Kirche in der Judenfrage einig mit Hitler

1934 - Der Theologe Walter Künneth, als Leiter der Apologetischen Centrale eine Art "Sektenbeauftragter", gibt dasBuch Die Nation vor Gott heraus. Darin schreibt Künneth:"Dem nationalen Staat ist grundsätzlich nicht bloß das Recht, die Judenfrage zu einem Problem staatspolitischerNeuordnung zu machen, zuzugestehen, sondern diese Selbstbesinnung auf die Eigenart des deutschen Volkstums istvon der Kirche entsprechend ihrem Ja zu den Ordnungen Gottes, als die Rasse und Volkstum begriffen werdenmüssen, zu begrüßen ... so erst recht im deutschen Volke, in dem der jüdische Einfluss schon seit Jahrzehntenderartig überhand genommen hat, dass die Gefahr der Überwucherung des deutschen Geisteslebens und derÜberfremdung der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr zu leugnen waren ... Die Kirche weiß, dass der Staatdas Schwertamt zu führen hat. Dieses Amt bedeutet Härte und Strenge. Die Kirche kann und will dem Staat inder Ausübung dieses Amtes nicht in den Arm fallen."Künneth wiederholt damit sinngemäß Aussagen seines wegweisenden Gutachtens von 1933, Die Kirche und dieJudenfrage, und er führt dann aus, warum sich die evangelische Kirche in der Judenfrage mit Hitler einig ist:"Die Kirche hat sich darum in ihrer vollen Autorität um des inneren und äußeren Ansehens des Staates willen dafüreinzusetzen, dass die Ausschaltung des jüdischen Einflusses im Volksleben sich in einer Weise vollzieht, die demchristlichen Ethos, zu dem der Staat wiederholt ein freudiges Ja gesprochen hat, nicht widerspricht. Sie weißsich in dieser Meinung mit dem Willen des Reichskanzlers (= Hitler) einig, der deutlich zum Ausdruck brachte,dass ein stolzer Sieger frei ist von Hassgefühlen und Racheinstinkten" (Künneth, Die Nation vor Gott, Berlin1934, S. 119 f.135; zur angeblichen "Überwucherung" siehe die Fakten im Anhang).

Im selben Buch wendet sich Künneth gegen einen christlich begründeten Pazifismus. "Der ´christliche` Pazifismussteht in Gefahr, ... die Reinheit der evangelischen Botschaft zu trüben ... Auch die Kampfgesetze der Geschichte

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tragen Spuren der schöpferischen Lebendigkeit" (S. 277 f.).

Anmerkung: Künneth bleibt auch nach dem Krieg ein Gegner des Pazifismus und warnt bis an sein Lebensende davor. Erstirbt 1997 im Alter von 97 Jahren.

1.12.1934 - Dekan Friedrich Hanemann aus Kulmbach und Pfarrer Hans Greifenstein aus Nürnberg, beideMitglieder der NSDAP, werden von Landesbischof Meiser als neue Oberkirchenräte in die Kirchenleitung berufen,womit sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern weiter auf die NSDAP zu bewegt.

Anmerkung: Nach Informationen aus dem Familienkreis erwog Dekan Hanemann damals allerdings den Austritt aus derPartei, was der Kirchenleitung aber offenbar gar nicht gelegen kam. So wurde Hanemann z. B. von Landesbischof Meisergebeten, sein Gewicht in der NSDAP für einzelne kurzzeitig inhaftierte Pfarrer einzusetzen, was auch gelungen ist.

8.12.1934 - Verbot der Zulassung zur Apothekerprüfung für Juden

Ab 1934/35 - Berufsverbote für jüdische Schauspieler

1935

18.1.1935 - Amtsblatt der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern Nr. 3 vom 21.1.1935 - "Aus Anlass des 2.Jahrestages der Machtübernahme des Führers und Reichskanzlers am 30. Januar wird angeordnet, im Gottesdienstdes vorgehenden Sonntags fürbittend des Führers zu gedenken. Das Fürbittegebet kann folgendermaßen lauten:´Am heutigen Tage gedenken wir in besonderer Weise des Führers und Kanzlers unseres Reiches. Wir danken Dir,Herr, für alles, was Du in Deiner Gnade ihm in diesen zwei Jahren zum Wohle unseres Volkes hast gelingenlassen. Wir bitten Dich, Du wollest ihn leiten durch Deinen heiligen Geist, ihm weise Gedanken, ein festes Herz undeinen starken Arm verleihen, dass er in Deiner Furcht unser Volk regiere, und dass in allem Dein heiliger Willegeschehe.` Evang.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."

13.2.1935 - Zulassungsbeschränkungen für jüdische Zahnärzte

Frühjahr 1935 - Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern:"Blut und Boden sind für den Christen keine Ideen, sondern Wirklichkeiten, die Gott geschaffen hat ... Daher unserBekenntnis zu Blut und Boden" (S. 116).

An immer mehr Orten hängen Plakate und Schilder:"Juden unerwünscht!"

April 1935 - Jüdischen Schülern dürfen keine Preise verliehen werden.

21.5.1935 - Juden dürfen keine Offiziere der Wehrmacht mehr sein.

26.6.1935 - Juden können nicht mehr in den Reichsarbeitsdienst eintreten.

25.7.1935 - Ausschluss der Juden von der Wehrpflicht

Ab Sommer 1935 - Große Schilder- und Plakataktionen in Deutschland:"Juden unerwünscht" - Die Schilder stehen z. B. an Ortseingängen, an Eingängen von Badeanstalten, Cafesoder Geschäften, an Theaterkassen oder Eingängen zu Konzertsälen.(vgl. Martin Luther: "... dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe ... Sie sollen daheimbleiben.")

10.9.1935 - Bekanntgabe einer vollständigen Rassentrennung ab dem Schuljahr 1936

15.9.1935 - Nürnberger Gesetze: Das neue Reichsbürgergesetz stempelt Juden zu Bürgern zweiter Klasse. DasGesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre "verbietet Eheschließungen zwischen Judenund Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes".Weiterhin: Der Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Deutschen bzw. Menschen artverwandten Blutes wirdverboten.

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Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes bis zum Alter von 45 Jahrenauch nicht in ihrem Haushalt beschäftigen.(vgl. Synode von Elvira im Jahr 306: Verbot der Ehe und des Geschlechtsverkehrs zwischen Christen und Juden)

23.-26.9.1935 - Dritte Preußensynode der "Bekennenden Kirche " in Berlin -"Am deutlichsten hatte sich der bayerische Landesbischof Hans Meiser gegen die Behandlung der Judenfrage aufder geplanten Synode ausgesprochen. Obwohl Meiser als Bayer gar nicht Mitglied der altpreußischen Synode war,hatte er bei einer Informationssitzung der ersten Vorläufigen Kirchenleitung am 13. September 1935 schwerwiegendeBedenken geäußert" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 2/1, a.a.O., S. 55). Die Gewissensbisse einiger Synodalerwegen der Judenverfolgung werden nicht berücksichtigt.Landesbischof Meiser wörtlich: "Man kann natürlich stundenlang darüber reden, ob man zu einem guten Ende mitdiesem Staate kommen kann oder nicht. Aber es sollte jedenfalls an uns nicht liegen, wenn es zu einem restlosen undendgültigen Bruch kommt. Wenn das dann nicht geht, gut, dann nehmen wir es hin als Gottes Willen. Aber wir solltenes bis zum äußersten zu verhindern suchen. Es soll nicht kommen durch unsere Leichtfertigkeit, Unbesonnenheit undBockbeinigkeit. Nur dann wird auf der Leidenszeit ein Segen liegen. Ich möchte meine Stimme erheben gegen einselbstverschuldetes Martyrium. Ich sehe mit einiger Sorge auf die kommende preußische Synode, wenn sie solcheDinge anschneiden will wie z. B. die Judenfrage. Was in Königsberg [= dem ursprünglich vorgesehenenVersammlungsort] geschieht, das bleibt nicht beschränkt auf den Kreis der preußischen Synode."

Anmerkung: Die Worte von der "Leidenszeit" beziehen sich auf die Konflikte mit dem Staat bezüglich der Unabhängigkeitder Kirche vom Staat und auf einige Einschränkungen der kirchlichen Arbeit. Z. B. wurde der kirchliche Einfluss imRundfunk "zurückgedrängt". Oder es wurde evangelischen Arbeitern in einem Arbeitslager am Karfreitag derGottesdienstbesuch nicht gestattet (Siehe "Denkschrift der 2. Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche" vom28.5.1936, in: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen IV/2, Neukirchen 1980, S. 146; vgl. Zeitablauf).

September 1935 - Es werden Judenkarteien angelegt, die alle Juden in Deutschland erfassen.

1935 - Der Leiter der evangelischen Apologetischen Centrale in Berlin, Walter Künneth, setzt sich kritisch mitdem völkisch-germanischen Buch Mythos des 20. Jahrhunderts des NS-Politikers Alfred Rosenberg auseinander. Inder Bekämpfung der Juden sind sich Rosenberg und Künneth allerdings einig. Künneth schreibt:"... dass in der Charakterisierung des zersetzenden Einflusses des dekadenten Weltjudentums und seinerGefährdung des deutschen Kulturlebens Rosenberg Wesentliches erkannt und geleistet hat, ist nicht zu bestreiten.Verständlich ist es ferner, dass er aus der Liebe zum Volk und zur deutschen Rasse mit der ganzen Kraft seiner Seeledas deutsche Wesen vor der Vergiftung durch diesen jüdischen Geist bewahren möchte und diesem Fremdgeist denunerbittlichen Kampf ansagt. Der Fehler liegt jedoch darin, dass die ganze Minderwertigkeit und Gefährlichkeitdes entarteten Weltjudentums kritiklos auf das Volk Israel und auf das A.T. [= Altes Testament] übertragen wird"(Walter Künneth, Antwort auf den Mythus, Berlin 1935, S. 67).

Anmerkung: Wegen Künneths Kritik an der Kirchenkritik Alfred Rosenbergs wird die Apologetische Centrale zwei Jahrespäter geschlossen. Walter Künneth wird v. a. deshalb nach dem Krieg vielfach dem "Widerstand" gegen die Naziszugeordnet. So schreibt Künneth selbst 1979 in seiner Autobiographie: "Schon in jenen frühen dreißiger Jahren spürtendie Zuhörer sofort, welche theologische Richtung ein Dozent vertrat, ob er Kompromisse mit dem Zeitgeist schloss oderunbekümmert die Wahrheit des biblischen Zeugnisses vertrat" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 89). InWirklichkeit wurden Alfred Rosenbergs Streitereien mit den Kirchen auch von Adolf Hitler offen kritisiert, z. B. auf einerGauleitertagung 1936 in München. Hitler erklärte dort wörtlich: "Ich wünsche keinerlei Kampf gegen die Kirchenoder Priester. Der Mythos des Herrn Rosenberg ist keine parteiamtliche Publikation" (Friedrich Heer, Der Glaubedes Adolf Hitler, Anatomie einer politischen Religiosität, München, Esslingen 1968, S. 310).

12.11.1935 - Das evangelische "Theologische Stift" in Tübingen, Wohnheim für Theologiestudenten, verlangtden Ariernachweis.

14.11.1935 - 1. Verordnung zum Blutschutzgesetz:Juden wird das Wahlrecht entzogen.Juden werden alle öffentliche Ämter aberkannt.Verbot der Eheschließung zwischen Juden und "Mischlingen II. Grades"

14.11.1935 - Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 29 vom 19. November 1935 - "Soweit Kirchen mitder Reichs- und Nationalflagge noch nicht versehen sein sollten, ist alsbald eine solche anzuschaffen. Diemitgeteilte Anordnung bezieht sich auch auf Pfarrhäuser. Evang.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."

Anmerkung: Die Reichs- und Nationalflagge ist eine Hakenkreuzflagge.

Dezember 1935 - Kurzzeitige Entfernung aller judenfeindlichen Schilder im Großraum Garmisch-Partenkirchen, um die Winterolympiade 1936 nicht zu gefährden. Ähnliches geschieht im Sommer 1936 vorund während der Sommerolympiade im Großraum Berlin.

1935 - Silvesterausgabe des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern: Unter der Überschrift Stöckerwortezitiert das Blatt:"Eine irreligiöse Macht ist das moderne Judentum allerdings; eine Macht, welche überall das Christentum bitter

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bekämpft, in den Völkern den christlichen Glauben ebenso wie das nationale Gefühl entwurzelt und als Ersatz nichtsbietet als die abgöttische Verehrung des Judentums so, wie es ist, das keinen anderen Inhalt hat, als Schwärmerei fürsich selbst.""Jüdische Lehrer können christliche Kinder nicht erziehen, jüdische Richter sollen christlichen Deutschenkeinen Eid abnehmen dürfen" (S. 641).

Anmerkung: Stöcker ist der bekannteste evangelische Antisemit des 19./20. Jahrhunderts. Er vertritt eine Position derJudenverfolgung mit "christlichen" Mitteln (vgl. Zeitablauf: Um 1900).

1936

27.3.1936 - Pfarrer Bertram aus Nürnberg, Anhänger der Bekennenden Kirche und NSDAP-Mitglied,denunziert einen jüdischen Bürger bei der Gestapo und verdächtigt ihn, ein kritisches Gedicht geschrieben zuhaben. Es stellt sich aber heraus, dass ein Deutscher, ein Mann namens Georg, der Verfasser ist. Dieser wirddaraufhin verhaftet (nach Vollnhals, a.a.O., S. 239 ff.).

Anmerkungen:1) Das Opfer der Denunziation beschwert sich 1948 über den Freispruch Bertrams durch die alliierte Spruchkammer.Bertram wird auch aus diesem Grund freigesprochen, "da er nach einer Weisung der Kirchenleitung" zu der Denunziation"verpflichtet gewesen sei" (vgl. Zeitablauf: 28.4.1948).2) Der Autor Clemens Vollnhals hat die Namen der Betroffenen geändert.

Evangelische Kirche entlässtalle evangelischen Mitarbeiter jüdischer Herkunft

8.5.1936 - Der evangelische Reichskirchenausschuss lässt bei den Landeskirchen die Namen aller"nichtarischen Pfarrer" erheben. Auch ohne formelle Einführung des Arierparagraphen in manchen Kirchen werdenin den folgenden Jahren alle Betroffenen entlassen.

Mai 1936 - Der Stürmer zitiert Adolf Hitlers Mein Kampf: "Die Juden sind keine Religionsgemeinschaft."

Anmerkung: Mit einer solchen Aussage lassen sich trotz formeller "Religionsfreiheit" bestimmte Religionsgemeinschaftenvon der Religionsfreiheit ausklammern, diskriminieren und verfolgen, eine Methode, die in den 80er- und 90er-Jahrenwieder von kirchlichen Sektenbeauftragten angewendet wird.

28.5.1936 - Die Vorläufige Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beklagt in einer geplanten Denkschrift anHitler zahlreiche Einschränkungen der kirchlichen Arbeit.In einem der Abschnitte kritisiert sie, dass Hitler die religiöse "Würde des Volkspriesters" zukommt, "ja des Mittlerszwischen Gott und Volk".

Anmerkung: Die Mittlerschaft zwischen Gott und Volk hatten sich seit Jahrtausenden nur die Priester und Pfarrer selbstzugesprochen. Jesus von Nazareth sprach davon aber nicht. Nach der Lehre des Jesus, des Christus, braucht der Menschkeinen Mittler zu Gott, das Reich Gottes sei "in" jedem Menschen selbst.

Juni 1936 - Die ursprüngliche Fassung der Denkschrift vom 28.5.1936 wollte Hitler auch darauf hinweisen,dass "ein Antisemitismus", "der zum Judenhass verpflichtet", gegen das christliche Gebot der Nächstenliebeverstößt (zit. nach Denzler/Fabricius, a.a.O., S. 160 f.). Doch die Bekennende Kirche streicht den Satz für dienachfolgende Kanzelabkündigung heraus. Ebenfalls herausgestrichen wird die Passage über das Leid in den KZs.

Anmerkung: Auch wenn die später gestrichene Passage gegen den Judenhass aus guten Motiven formuliert wurde - selbstein engagierter kirchlicher Antisemit hätte sie unter Umständen befürworten können. Denn für viele gilt: Ja zurJudenverfolgung, aber nicht aus Hass!Eine zu dieser Einstellung vergleichbare Haltung ist auch aus der Inquisition bekannt. Der Inquisitor beteuert, dass ernichts gegen sein Opfer habe und es sogar liebe. Und Folterungen konnten damit begründet werden, die einem"unbußfertigen" Opfer angeblich drohende ewige Verdammnis sei viel schlimmer.

Oktober 1936 - Die im Sinne der Bekennenden Kirche "intakten" evangelischen Landeskirchen in Bayern,Württemberg und Hannover distanzieren sich auch von den übrig gebliebenen Passagen der Denkschrift anHitler, in der die Einschränkung kirchlicher Arbeit beklagt wird. Stattdessen lassen die Landesbischöfe Hans Meiser,Theophil Wurm und August Marahrens von allen Kanzeln das Zusammenstehen "unserer Kirche" "mit dem ganzendeutschen Volk" verkünden (Vollnhals, a.a.O., S. 131).

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1936 - Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern veröffentlicht ein Gebet Adolf Hitlers unter der Überschrift EinWort des Führers:"Herr, du siehst, wir haben uns geändert. Das deutsche Volk ist nicht mehr das Volk der Ehrlosigkeit, der Schande,der Selbstzerfleischung, der Kleinmütigkeit und Kleingläubigkeit. Nein, Herr, das deutsche Volk ist wieder stark inseinem Willen, stark in seiner Beharrlichkeit, stark im Ertragen aller Opfer. Herr, wir lassen nicht von dir. Nun segneunseren Kampf um unsere Freiheit und damit unser deutsches Volk und Vaterland" (S. 158).

1937

16.1.1937 - Der Evangelisch-Lutherische Landeskirchenrat in München versendet das Gutachten Die evangelischeGemeinde und die Judenfrage, das Landesbischof Meiser 1926 als Rektor des Predigerseminars geschrieben hat, analle evangelischen Dekanate. Im Anschreiben dazu heißt es: "Es ist selbstverständlich, dass sich der HerrLandesbischof nicht auf jede Formulierung des Artikels auch jetzt noch festlegen würde ... Wenn aber in der AgitationAnwürfe gegen den Herrn Landesbischof wegen des Artikels gemacht werden, sollen die Herren Dekane Einblick inden wahren Sachverhalt haben, damit falsche Behauptungen richtig gestellt werden können" (zit. nach "Er liebte seineKirche", a.a.O., S. 60, Anm. 32; Auszüge aus dem Gutachten: siehe im Anhang). Vermutlich wurden vonnationalsozialistischer Seite einige Passagen angegriffen, die sich judenfreundlich deuten lassen.

Anmerkung: Gemäß der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre ist es Aufgabe der Kirche, auch den Staat ethisch zu belehren.

Viele Deutsche sind neidisch, wenn einzelne Juden vermögender sind als sie. Doch im Unterschied zu denBeurteilungen im Gutachten des Landesbischofs machen viele Bürger positive Erfahrung mit jüdischenMitbürgern.Dafür gibt es zahllose Beispiele, von denen - stellvertretend für viele - auf zwei kurz hingewiesen wird:Beispiel Dr. Arnold Loevry aus Ansbach: "Er war eine ´Seele von Mensch` und ein kompetenter Arzt zugleich. Mansagt, dass er einer der wenigen Ärzte war, die ärmere Menschen - auch Christen - kostenlos behandelten. Eigentlichging jeder gern zu ihm ... Und auch die Kinder mochten ihn besonders gern, weil er immer Schokoladenplätzchenausteilte" (Diana Fitz, a.a.O., S. 92).Beispiel Ludwig Dietenhöfer aus Ansbach: "Wie sehr sich die Juden im Vereinsleben engagierten, beweist auch dieGroßzügigkeit von Ludwig Dietenhöfer, der in seiner Funktion als Kassier des Sportvereins viele Fahrten undVeranstaltungen aus eigener Tasche finanzierte. Er galt - wie das Gros der Ansbacher Juden - als einwandfreierGeschäftsmann und hochanständig" (Diana Fitz, a.a.O., S. 88).Im Gutachten ihres lutherischen Landesbischofs lesen die evangelischen Ansbacher aber über die Ethik der Judenpauschal nur Negatives, z. B.: "Mag die Moral der Juden nichts anderes sein als stinkende Unmoral ..."

Ludwig Dietenhöfer flieht 1936 von Ansbach zunächst nach Nürnberg und wandert später nach Israel aus. ArnoldLoevry emigriert 1937 von Ansbach nach New York. Landesbischof Meiser wird 1951 Ehrenbürger von Ansbach.

Ab 1937 - Juden dürfen an deutschen Universitäten keinen Doktortitel mehr erwerben.

27.1.1937 - Dank und Fürbitte für Adolf Hitler in den evangelischen Gottesdiensten: Das Fürbittengebet sollfolgendermaßen lauten: "... Wir danken Dir, Herr, für alles, was Du in Deiner Gnade ihm bisher zum Wohleunseres Volkes hast gelingen lassen ... Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."

Ab 1937 - Bedingt durch das Bekenntnis zum Nationalsozialismus innerhalb der "Bekennenden Kirche" werden die"Deutschen Christen" von den Nationalsozialisten ab 1937 mehr und mehr fallengelassen. Die BekennendeKirche gewinnt an kirchlichem Einfluss.

Anmerkung: Ab 1939 steht in der Bekennenden Kirche die Kriegsbegeisterung im Vordergrund. Gleichzeitig beginnt derHolocaust an den Juden.

Mitte Februar 1937 - Das jüdischstämmige evangelische Kirchenmitglied Friedrich Weißler stirbt im KZSachsenhausen an den Folgen von schlimmen Folterungen. Der ehemalige Landgerichtsdirektor von Magdeburg tratzu Beginn des Dritten Reiches der Bekennenden Kirche bei und arbeitete dort seither als Jurist. 1936 wird er wegenvermeintlichen "Vertrauensbruchs" unehrenhaft entlassen, weil er angeblich die oben erwähnte Denkschrift (siehe z. B.Juni 1936) in die Schweiz gebracht haben soll. Untersuchungen ergaben aber, dass er damit nichts zu tun hatte. Die"Bekennende Kirche" hatte jedoch auf diese Weise ihr "rassisches" Problem (da ihr aktives Mitglied aus einerjüdischen Familie stammte) "gelöst". Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bedauerte, dass Weißler erst imJahr 2005 mit einer Gedenktafel mit der Aufschrift "Von seiner Kirche verlassen" in Sachsenhausen bedacht wurde(Der Tagesspiegel, 20.2.2005).

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Ein leitender evangelisch-lutherischer Diakonie-Arzt fordert dazu auf,Behinderte umbringen zu lassen

5.4.1937 - Der leitende Arzt der evangelischen Neuendettelsauer Fürsorgeheime, der Lutheraner Dr. RudolphBoekh, über die Diskussion zur Vernichtung angeblich lebensunwerten Lebens: "Diese Verzerrung desmenschlichen Antlitzes" sei "dem Schöpfer zurückzugeben".Und: "Die Entscheidung, ob ein Mensch vernichtet werden soll, steht allein dem Mann zu, der unter Berufungauf den Schöpfer die Gewalt in seiner Hand hat ... Das kann und darf allein der Führer" (zit. nach Klee, Die SAJesu Christi, a.a.O., S. 180).Dr. Boekh war 10 Jahre Oberarzt der evangelischen Diakonieeinrichtungen in Bethel und kam auf Empfehlung desdortigen Pastors Friedrich von Bodelschwingh im Jahr 1936 nach Neuendettelsau. Während in dem fränkischen Ortdie knapp 2.000 der Kirche anvertrauten Behinderten im Frühjahr 1937 noch vielfach fröhlich und unbeschwert ihrenAlltag leben (es gibt Filmaufnahmen aus dieser Zeit, die dies eindrücklich belegen), hat der ärztliche Leiter derkirchlichen Einrichtung schon ihr Todesurteil gefällt (vgl. Zeitablauf: 1939 und 19.7.1940). (PS: EineZusammenstellung aller Informationen zu der Ermordung Behinderter finden Sie hier)

Juni 1937 - Das nationalsozialistische Kampfblatt Der Stürmer beklagt: "Vielfach kommt es auch vor, dass sich derJude nach außen hin von seinem Geschäft zurückzieht und dafür einen so genannten ´Deutschen` als Strohmanneinsetzt. Er gibt ihm das Geld und die nötigen Anleitungen dazu, wie die Öffentlichkeit zu täuschen ist" (Ausgabe Nr.26).Weiterhin heißt es: "Um zu vermeiden, dass Nationalsozialisten irrtümlich mit Juden Geschäfte machen, bringt derStürmer immer wieder Meldungen über jüdische Firmen."

Anmerkung: 50-60 Jahre später wenden kirchliche Sektenbeauftragte dieselbe Methode an, indem sie Firmen öffentlichbrandmarken, die angeblich oder tatsächlich unter dem Einfluss einer so genannten "Sekte" stehen.

1937 - Der bekannte evangelische Theologieprofessor Werner Elert fordert die biologische Reinhaltungdeutschen Blutes: "Es braucht kaum hinzugefügt werden, dass der Christ aus diesem Grunde, gerade weil er sich hierdem Schöpfer verpflichtet weiß, mit entschlossenem Ernst auch für die biologische Reinhaltung des deutschen Bluteseinzusetzen hat, die heute durch unsere Gesetzgebung gefordert und gefördert wird" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 68f.).

1937 - Auch die beiden später prominenten Kirchenführer Otto Dibelius (Ratsvorsitzender der EKD von 1949-1961)und Martin Niemöller (Präsident der Evangelischen Kirche von Hessen-Nassau 1947-1966) fordern in ihrem BuchWir rufen Deutschland zu Gott die Reinhaltung des Blutes:Im Eingangskapitel heißt es zunächst über Italien: "Der Faschismus hat von Anfang an eine positive Einstellung zumChristentum genommen" (S. 13). Und dann weiter über die Deutschen: "Dass wir der Stimme unseres Blutes treubleiben und damit Gottes Willen erfüllen - darauf kommt es an. Das bedeutet zunächst, dass wir unser Blut reinhalten" (S. 26, zit. nach idea-spektrum Nr. 32/33/2006).

Ein evangelisch-lutherischer Oberkirchenrat der Bekennenden Kirche: "DieJuden gehören hinausgepeitscht!"

1937 - Der evangelisch-lutherische Kreisdekan und Oberkirchenrat D. Otto Bezzel aus Bayreuth, der derBekennenden Kirche und dem Führungsstab Meisers in München angehört, fordert in einer Predigt in derErlöserkirche in Bamberg: "Die Juden sind die Zerstörer und gehören hinausgepeitscht" (zit. nach EvangelischesSonntagsblatt in Bayern Nr. 42/1988, S. 15). Von einer Beanstandung der Forderung durch den Landesbischof istnichts bekannt. Ca. ein Jahr später beginnt mit der Reichspogromnacht das "Hinauspeitschen" der jüdischenMitbürger.

Anmerkung: Kreisdekan D. Otto Bezzel wird 1947 zum Personalreferenten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayernbefördert. Damit ist er neben den Landesbischöfen Hans Meiser (bis 1955) bzw. Hermann Dietzfelbinger (ab 1955) dereinflussreichste Mann der Kirchenleitung nach dem Krieg.

20.7.1937 - Landesbischof Meiser untersagt einem anderen evangelischen Kirchenmitglied jüdischer Herkunftden Besuch der Männerabende, die dieser bis dahin viele Jahre regelmäßig besuchte. Den Gottesdienst undandere Veranstaltungen könne er aber weiter besuchen. Der Mann war seit 1905 Mitglied in der evangelischen Kircheund zählte zu den aktivsten Mitarbeitern. Vor der endgültigen Entscheidung des Landesbischofs untersagte ihm bereitsOberkirchenrat Schieder in Absprache mit den Pfarrern vor Ort den Besuch der Männerabende.

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Nachdem am 10.10.1937 ein Pfarrer bei einem "Bekenntnisgottesdienst" der "Bekennenden Kirche" predigt, dass"Ehen zwischen Juden und Ariern Sünde seien", tritt der Deutsche jüdischer Herkunft, der mit einer Deutschen"arischer" Herkunft verheiratet ist und mit ihr drei gemeinsame Kinder hat, aus der Kirche aus (Vollnhals, a.a.O., S.245).Zu Beginn des Jahres 1937 hatte Landesbischof Meiser sein Gutachten zur Judenfrage von 1926 erneut versendenlassen. Darin wendet auch er sich deutlich gegen Ehen zwischen Deutschen und Juden. Meiser wörtlich: "Gott hatjedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit esseine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen lässt ..." (vgl. Anhang)

Anmerkung: Auch der in Sachsenhausen ermordete bekennende Protestant jüdischer Herkunft Friedrich Weißler (sieheMitte Februar 1937) lebte in seiner solchen "unterwertigen Mischlingsbildung", da er mit der Tochter eines evangelischenPfarrers "arischer" Herkunft verheiratet war. Und selbst wenn eine "arische" Frau - hypothetisch gesprochen - mit Jesusvon Nazareth verheiratet gewesen wäre, wäre ihre Ehe aufgrund der Herkunft des Ehemannes lt. Landesbischof Meisereine solche "rassisch unterwertige" Verbindung gewesen.

August 1937 - Der Vertreter des Landesbischofs der Bremischen Evangelischen Kirche ruft dazu auf,Aktivitäten von Zeugen Jehovas umgehend an die Gestapo zu melden (Inge Marßolek / René Ott, Bremen imDritten Reich, Bremen 1986, S. 495, Anm. 105; zit. nach Garbe, a.a.O., S. 10).

1937 - Der bekannte Kopf der Bekennenden Kirche in Schleswig-Holstein, Oberkonsistorialrat und PastorWilhelm Halfmann gibt ein Buch mit dem Titel Die Kirche und der Jude heraus. Darin heißt es:"Die Kirche hat nicht die Aufgabe, in die Judengesetzgebung des Dritten Reiches einzugreifen. Vielmehr werden wirvon der Kirche aus der bald zweitausendjährigen Erfahrung mit den Juden sagen müssen: der Staat hat recht"(Wilhelm Halfmann, Die Kirche und der Jude, S. 13, zit. nach idea-spektrum Nr. 31/32/2006).

9.10.1937 - Adolf Hitler untersagt es der Kirche, Kirchengebäude nach nationalsozialistischen "Kämpfern" zubenennen - In Bremen-Sebaldsbrück wird der Grundstein für die evangelische Horst-Wessel-Kirche gelegt. "DerBremer Landesbischof der Deutschen Christen rechtfertigte diese seltsame Namensgebung damit, die Kirche habe denAnspruch darauf, den Pfarrersohn ´Horst Wessel an den ihrigen zu bezeichnen . Diese Vereinnahmung desNazi-Heiligen möchte Hitler indes nicht dulden, der es mit einem Führererlass untersagte, ´dass kirchliche Gebäudenach Kämpfern und Helden der nationalsozialistischen Bewegung benannt werden ." (Süddeutsche Zeitung,9.9.2009; Artikel von Johannes Wilms, der das Buch von Daniel Siemens, Horst Wessel, Tod und Verklärung einesNationalsozialisten, München 2009, bespricht; zu Horst Wessel siehe hier)

1938

Das ganze Jahr über - Zahlreiche weitere Verordnungen zur "Ausschaltung" der Juden, z. B. das Verbot, sichneu als Arzt oder Rechtsanwalt niederzulassen

Ab 1938 - Juden können nicht mehr Mitglieder der Evangelischen Kirche werden. Der kirchliche Arierparagraphwird in den meisten evangelischen Kirchen auch auf die bloße Mitgliedschaft ausgedehnt (in Thüringen z. B. ab dem10.2.1939). Das evangelische Programm der "Judenmission" wird damit allmählich eingestellt. In evangelischenLandeskirchen wird stattdessen damit begonnen, evangelisch getaufte Juden auszuschließen.

Februar 1938 - Die Wirtschaftsgruppe Einzelhandel lässt zwei Zettel drucken, die bei jedem Auftrag und bei jederLieferung beigelegt werden müssen:1.) "Der Auftrag ist nur erteilt unter der Voraussetzung, dass die Lieferfirma rein arisch ist."2.) "Ich versichere, dass die von mir vertretene Firma arisch ist."

12.3.1938 - Anschluss Österreichs an Deutschland

16.3.1938 - Österreichs Juden werden vom Stimmrecht ausgeschlossen, in Österreich beginnt eineVerhaftungswelle gegenüber Juden.

Neues Kirchengesetz: Alle evangelischen Pfarrermüssen den Treue-Eid auf Adolf Hitler schwören

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18.5.1938 - Landesbischof Meiser erlässt aufgrund des kirchlichen "Ermächtigungsgesetzes" von 1933freiwillig und ohne dazu gedrängt zu werden ein Kirchengesetz über den Treue-Eid der Pfarrer auf AdolfHitler. Das Ermächtigungsgesetz ermöglicht es Meiser seit 1933, kirchliche Gesetze ohne Zustimmung zu erlassenoder zu ändern. Das Kirchengesetz lautet:"Die Pfarrer der bayerischen Landeskirche haben als Träger eines öffentlichen Amtes folgenden Eid zu leisten:´Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches undVolkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen,so wahr mir Gott helfe ...` Das Gesetz tritt sofort in Kraft. Ev.- Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."

Anmerkung: Der Treue-Eid auf Hitler wird in allen evangelischen Kirchen als neues Gesetz eingeführt - auch in denen, wodie Kirchenleitung überwiegend zur "Bekennenden Kirche" gehört. Theoretisch ergänzt er den formalen Treue-Eid auf"Christus", praktisch ersetzt er ihn, da man ja nicht gleichzeitig Christus und Adolf Hitler gehorchen kann.Außerdem verlangen alle evangelischen Kirchen von den Pfarrern einen Ariernachweis, auch wenn einige denArierparagraphen nicht offiziell einführen.

1938 - Pfarrer Karl Steinbauer (1906-1988) lehnt den Treue-Eid auf Hitler und die Einreichung einesAriernachweises ab und bekommt deshalb Predigtverbot. Auch protestiert er dagegen, dass unter den Juden, die insKZ abtransportiert werden, auch jüdischstämmige Kirchenmitglieder sind. Das ganze Ausmaß derJudendiskriminierung und -verfolgung ist aber offenbar bei seinen Konflikten mit den Behörden nicht das Thema. Alseinziger evangelischer Pfarrer aus Bayern muss er 1939 für einige Monate ins KZ. Auch aus anderen evangelischenLandeskirchen gibt es nur wenige Pfarrer im KZ. Nach Kriegsausbruch drängt es Pfarrer Steinbauer in denKrieg, und er meldet sich aus dem KZ freiwillig, um als Soldat dienen zu dürfen. Dazu schreibt er nach 1945: "Ichwollte in der Zeit der Kriegsnot als Soldat Schulter an Schulter mit meinen Brüdern und Schwägern und allenDeutschen stehen." Und Landesbischof Meiser setzt sich in einem Brief an die Gestapo dafür ein, dass Pfarrer KarlSteinbauer, der ihn als Bischof für seine Kirchenpolitik heftig kritisierte, das KZ in Richtung Front verlassen darf.Meiser wörtlich: "Ich kenne Steinbauer als aufrechten Deutschen, ... dessen Vaterlandsliebe, Lauterkeit und Tapferkeitgroß sind" (zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 36/2006). Die Nazis sind gerührt, und Steinbauer dankt esoffenbar mit Tötungen von vielen Russen. Dem Pfarrer wird für seine Leistungen an der Ostfront auf jeden Fall dasEiserne Kreuz I. und II. Klasse verliehen. Nach dem Krieg hilft Steinbauer mit, die Nazi-Pfarrer Keller und Heroldvor Gericht zu verteidigen (nach Mensing, a.a.O., S. 32.107; nach Vollnhals, a.a.O., S. 264.274).

Anmerkung: Von den sehr wenigen Pfarrern, die zeitweise in Konzentrationslagern waren, sind die meisten römisch-katholische Priester. Unter den Tausenden evangelischen Pfarrern wird von der Kirche oft auf Paul Schneider, bekannt alsder "Prediger von Buchenwald", verwiesen, der dort seit 1937 gefangen war und 1939 unter unklaren Umständen umsLeben kam. Allerdings hätte Schneider das KZ zuvor sofort verlassen können, wenn er seinem Ausweisungsbefehl aus derRheinprovinz Folge geleistet hätte (siehe auch hier).

17.6.1938 - Alle Juden müssen als zweiten Vornamen "Israel" bzw. "Sara" verwenden, wenn der erste Vornamenicht in dem Runderlass des Innenministeriums als jüdischer Vorname aufgeführt ist.

Anmerkung: Ein beliebter Vorname dieser Zeit bei Deutschen ist z. B. der Doppelname Adolf Martin - Adolf wie Adolf Hitler,Martin wie Martin Luther.

September 1938 - Die vier Landesbischöfe der Bekennenden Kirche Hans Meiser, August Marahrens, TheophilWurm und Julius Kühlewein entlassen vier leitende Pfarrer, ebenfalls aus der Bekennenden Kirche, aus demDienst. Die vier Pfarrer hatten für einen geplanten Gottesdienst angesichts der Kriegsgefahr ein allgemeinesBußgebet verfasst, das vor allem "die Wehrmacht vor kriegerischen Exzessen warnen sollte" (Landesbischof Wurm,zit. nach Juden-Christen-Deutsche 3/I, a.a.O., S. 54; Vollnhals, a.a.O., S. 131). Auch die "Pfarrerbruderschaft"der "Bekennenden Kirche" lehnt das Gebet ab. Der Krieg selbst wird dabei aber offenbar nicht als "unchristlich"betrachtet.

6.7.1938 - Auflösung jüdischer Grundstücks- und Immobilienagenturen sowie jüdischerHeiratsvermittlungsinstitute, die an Nichtjuden vermitteln (vgl. Konzil von Basel im Jahr 1434: Juden dürfennicht als Unterhändler bei Verträgen zwischen Christen, insbesondere nicht als Vermittler von Ehen auftreten).

25.7.1938 - Deutsche dürfen nicht mehr zu jüdischen Ärzten (vgl. Trullanische Synode im Jahr 692).

31.7.1938 - Jüdische Testamente, die das "gesunde Volksempfinden" beleidigen, dürfen für nichtig erklärtwerden (vgl. 3. Laterankonzil im Jahr 1179: Juden dürfen zum Christentum übergetretene Glaubensbrüder nichtenterben).

5.10.1938 - Jüdische Pässe werden mit dem Aufdruck "J" versehen.

Oktober 1938 - Kennzeichnung jüdischer Geschäfte - Die Schaufenster werden mit dem Wort "Judengeschäft"beschmiert.

8. / 9. / 10.11.1938 - Die Ermordung des Nazi-Diplomaten Ernst Eduard vom Rath in Paris durch einen jüdischenBürger löst in Deutschland die Reichspogromnacht bzw. Reichskristallnacht aus - Die Synagogen werden inBrand gesteckt ...

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Anmerkung: ... so wie es Luther in der Schrift Von den Juden und ihren Lügen fordert: Man soll ihre "Synagoga oderSchulen mit Feuer anstecken ... unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien..." (vgl. vorne: Luther; vgl. auch Konzil von Oxford im Jahr 1222: Verbot des Synagogenbaus)

Massenverhaftungen von JudenErste Massendeportation in KonzentrationslagerVielfach Panik unter den BetroffenenDie jüdische Bevölkerung Deutschlands wird zu einer "Sühneleistung" von einer Milliarde Reichsmarkverurteilt.Zu dem Ereignis wird in der Kirche und in der kirchlichen Presse überwiegend geschwiegen. Nur einzelne Pfarrerprotestieren, und wenigstens in einem Entwurf eines "Fürbittgebets" von den "Landesbruderräten" der BekennendenKirche wird der Juden gedacht. Doch welcher Betende hat auch etwas gesagt oder getan? Sehr viele Kirchenführerbegrüßen das Geschehen der Reichspogromnacht und die folgende Verschärfung der Judenverfolgungen bzw.reagieren sogar begeistert (siehe 23.11.1938).

12.11.1938 - Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben, z. B. inNürnberg:"Alle Schäden, welche durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen dasnationalsozialistische Deutschland am 8., 9., und 10. November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben undWohnungen entstanden sind, sind von dem jüdischen Gewerbetreibenden sofort zu beseitigen. Die Kosten derWiederherstellung tragen die Inhaber der betroffenen jüdischen Gewerbebetriebe und Wohnungen" (zit. nach: Judenin Nürnberg, Presse- und Informationsamt 1993, S. 54).In Bamberg und anderen Orten müssen die Israelitischen Kultusgemeinden auch den anschließenden Abriss ihrerdemolierten und verkohlten Synagogen bezahlen.

An Luthers Geburtstag brennen die Synagogen -ein evangelisch-lutherischer Landesbischof sieht darin

die "Krönung" eines "gottgesegneten" Kampfes

23.11.1938 - Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach schreibt auf Seite 2 im Vorwort seiner Neuauflage vonMartin Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen mit dem Titel Martin Luther über die Juden - Weg mitihnen! (Freiburg 1938)"Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. Vom deutschenVolke wird zur Sühne für die Ermordung des Gesandtschaftsrates vom Rath durch Judenhand die Macht derJuden auf wirtschaftlichem Gebiete im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der gottgesegneteKampf des Führers zur völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt ... In dieser Stunde muss die Stimme desMannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann,der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemitseiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden ..."

Anmerkung: Von der Schrift werden 150.000 Stück verkauft. Die Schrift Luthers Von den Juden und ihren Lügen erfährtauch durch andere Neuauflagen zahlreiche Verbreitung, z. B. durch die Volksausgabe von Hans-Ludolf Parisius. Lutherfordert darin z. B. das Verbrennen der Synagogen, das Zusammenfassen der Juden in Lagern, die Zwangsarbeit undTodesstrafen bei öffentlicher Religionsausübung (siehe vorne: So fordert es Martin Luther - So tun es dieNationalsozialisten). Dass einer der amtierenden Landesbischöfe der Proklamation des "Amtsbruders" Sassewidersprochen hat, ist nicht bekannt.

Ab November 1938 - Weitere Massendeportationen von Juden in Konzentrationslager

28.11.1938 - Die Lokalbehörden werden ermächtigt, Juden an bestimmten Tagen von den Straßen zuverbannen (vgl. 3. Synode von Orleans im Jahr 538: Juden dürfen sich in der Karwoche nicht auf der Straßezeigen).

3.12.1938 - Zwangsarisierung jüdischen Haus- und GrundbesitzesJuden müssen Häuser und Grundstücke zu Spottpreisen verkaufen. Wer vor 1938 ein "Judenhaus" kaufte, wurde nochals "Judenfreund" verschrien. Jetzt bedienen sich immer mehr dank der "günstigen" Angebote. Umgekehrt ist es nichterlaubt, den jüdischen Mitbürgern zu verkaufen (vgl. Synode von Ofen im Jahr 1279: Christen ist es nicht erlaubt,Grund und Boden an Juden zu verkaufen oder zu verpachten) .

Massendeportationen und Misshandlungen von Juden in den KZs - die

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evangelischen Bischöfe möchten dazu nichts sagen.

12.12.1938 - Pfarrer Heinrich Grüber, der sich für getaufte Juden einsetzt, schildert den evangelischen Bischöfen,darunter Landesbischof Meiser, auf dem Kirchentag in Berlin-Steglitz die Lage in den Konzentrationslagern. DerKirchentag wird gebeten, eine Erklärung dazu zu verabschieden. Die Bischöfe hörten Grüber zwar eine Zeitlang zu,gingen dann aber zur "Tagesordnung" über, ohne eine Erklärung zu verabschieden. Grüber schreibt:"Vielleicht schilderte ich den versammelten Bischöfen die Misshandlungen, denen KZ-Häftlinge ausgesetztwurden, etwas zu ausführlich. Ich hörte jedenfalls, wie einer der Würdenträger sagte: ´Wir müssen nunlangsam zum zweiten Punkt der Tagesordnung übergehen.` Der Vorsitzende der Konferenz, Bischof TheophilWurm ... geleitete mich zur Tür und sagte: ´Ich danke Ihnen im Namen der Brüder und wünsche Ihnen und Ihrer ArbeitGottes Segen.` Das war eine der ganz großen Enttäuschungen, die ich erlebt hatte" (zit. nach Juden-Christen-Deutsche, Band 1).

28.12.1938 - Juden müssen in bestimmten Häusern konzentriert werden.

Anmerkung: ... so ähnlich wie es Luther in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen fordert: "... dass man ihre Häuserdesgleichen zerbreche und zerstöre ... Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder einen Stall tun" (vgl. vorne: Luther;vgl. auch die Synode von Narbonne im Jahr 1050. Gemäß dem Synodenbeschluss ist es Christen nicht erlaubt, beiJuden zu wohnen).

1939

Januar 1939 - Die evangelischen Landeskirchen setzen je einen Pfarrer für die "Betreuung" von "nichtarischen"Christen ein, die flächenmäßig sehr große bayerische evangelische Landeskirche zwei (wohl wegen der großenEntfernung von Ober- oder Unterfranken nach München). So gab eine "Hilfsstelle für nichtarische Christen" inNürnberg und eine in München, doch zur Verdeutlichung: nicht etwa für Juden, sondern nur für die eigenenKirchenmitglieder jüdischer Herkunft.Der Nürnberger Leiter, Pfarrer Hans-Werner Jordan (1908-1978), der ein jüdisches Großelternpaar hatte, bezeichnetediese "Hilfsstellen" Landesbischof Meiser gegenüber jedoch als "Morphium für das Gewissen der Kirche" undbeklagte mangelnde Unterstützung. Ein nicht selbst im Sinne der NS-Gesetzgebung "belasteter" Pfarrer wie er (der als"Halbjude" galt) hätte weit mehr bewirken können. Dieser stand auch bereit. Doch Pfarrer Karl Nagengast, der bereitsehrenamtlich in diese Richtung arbeitete, "bootete die Landeskirche aus, ohne ihn überhaupt anzuhören". UndKreisdekan Julius Schieder "wies Jordan bei dessen Antrittsbesuch an, auf keinen Fall seine Pfarrerskollegen zubesuchen. Die Eröffnung der Hilfsstelle war daher wohl nicht zuletzt ein taktisches Manöver. Sie diente alsmoralisches Feigenblatt und half, den nicht den braunen Rassenvorgaben entsprechenden Pfarrer, den man auf seinerPfarrstelle im schwäbischen Steinheim als nicht mehr haltbar ansah, aus dem Verkehr zu ziehen" (EvangelischesSonntagsblatt Nr. 13, 29.3.2009). Besser soll es allerdings in München gewesen sein.Dass die beiden Hilfsstellen zusammen die Auswanderung von 126 jüdischstämmigen Protestanten organisierten,wird später Landesbischof Hans Meiser als angebliches "Verdienst" angerechnet und als Argument für dieBeibehaltung der "Meiserstraßen" genannt. Angeblich hätte er 126 "verfolgten Menschen" "das Leben gerettet"(Landesbischof Johannes Friedrich, zit. nach Süddeutsche Zeitung, 12.7.2007). Den 100. Geburtstag Jordans ließman demgegenüber "verstreichen" (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 13, 29.3.2009) (mehr dazu siehe hier).

Zur Gesamtsituation: "Der Forschungsstand lässt erkennen, dass die große Mehrheit der Christen jüdischerHerkunft von den evangelischen Mitchristen kaum etwas zu erwarten hatte. Sie teilte auch in dieser Hinsicht dasSchicksal der Juden ... Der betroffene Personenkreis dürfte etwa 400.000 umfasst haben ... Niemand weiß bis heute,wie viele Christen jüdischer Herkunft unter den Ermordeten waren." (dpa-Meldung vom 8.12.1998 anlässlich derBuchankündigung von Ursula Büttner, Martin Greschat, Die verlassenen Kinder der Kirche, Göttingen 1998)

Ab 1939 - Immer mehr Orte sind "judenfrei", die Grundstücke sind in "arischen Besitz" übergegangen.

Februar 1939 - Juden müssen ihre Juwelen und Schmuckgegenstände abliefern ...

Anmerkung: ... wie es Luther in der Schrift Von den Juden und ihren Lügen fordert: "... nehme ihnen alle Barschaft undKleinod an Silber und Gold" (vgl. vorne: Luther).

Elf evangelische Bischöfe bzw. Kirchenführer bekennen:

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Die Nationalsozialisten führen das Werk Martin Luthersnach der weltanschaulich-politischen Seite fort

März 1939 - Godesberger Erklärung der evangelischen Landeskirchenleiter, Deutschen Christen sowie Pfarrernund Laien aus anderen kirchlichen Kreisen. Die Erklärung wendet sich indirekt gegen den politischen Machtanspruchdes Vatikan und stellt die politische Macht des Nationalstaates gemäß der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre (sieheAnhang) heraus. Sie ist von elf Kirchenführern unterzeichnet und wird am 4.4.1939 im Gesetzblatt der DeutschenEvangelischen Kirche abgedruckt. Darin heißt es:"Der christliche Glaube ist der unüberbrückbare Gegensatz zum Judentum."Und: "... Indem der Nationalsozialismus jeden politischen Machtanspruch der Kirchen bekämpft und die demdeutschen Volke artgemäße nationalsozialistische Weltanschauung für alle verbindlich macht, führt er das WerkMartin Luthers nach der weltanschaulich-politischen Seite fort und verhilft uns dadurch in religiöser Hinsicht wiederzu einem wahren Verständnis christlichen Glaubens" (zit. nach Ernst Klee, Die SA Jesu Christi, Die Kirche im BanneHitlers, S. 139).

Frühjahr 1939 - Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer schreibt an den englischen Bischof GeorgeBell, dass er nicht dagegen protestiert, dass in Deutschland immer mehr Männer zum Kriegsdienst einberufenwerden. Bonhoeffer wörtlich: "So würde ich meinen Brüdern [in der Bekennenden Kirche] einen ungeheuren Schadenzufügen, wenn ich in diesem Punkt Widerstand leistete." Ab 1940 arbeitet Bonhoeffer beim deutschen Geheimdienstund ist dort aktiv an einem "militärischen Widerstandskreis" gegen Hitler beteiligt, der einen Umsturz plant. 1943wird er deswegen verhaftet, 1945 hingerichtet.Über die Situation im Frühjahr 1939 schreibt der Biograph Eberhard Bethge: "Konnte Bonhoeffer mit einerKriegsdienstverweigerung seine jetzt so angeschlagene ... Bekennende Kirche belasten, so sie das weder gutheißennoch decken wollte? Tatsächlich gingen bei Kriegsausbruch aus den Reihen der Bruderräte [der BekennendenKirche] Blätter an die Theologen in Kasernen und Schützengräben, in denen es hieß, Kriege seien nicht dieSache des einzelnen, sondern der Regierungen, und man solle getrost ein guter Soldat sein" (zit. nach EberhardBethge, Bonhoeffer, Rowohlts Monographien, Reinbek 1976, S. 72).

März 1939 - Der Leiter der Nürnberger "Hilfsstelle für nichtarische Christen" (siehe hier), Pfarrer Hans-WernerJordan fordert von Landesbischof Hans Meiser ein (wenn schon nicht für die Juden, dann wenigstens) öffentlichesEintreten für "nicht arische Christen". Meiser tat es nicht.

22.4.1939 - Die Junge Kirche (Halbmonatsschrift für reformatorisches Christentum), die Zeitschrift der"Bekennenden Kirche", sendet eine Ergebenheitsadresse an Adolf Hitler zu dessen 50. Geburtstag:"Es ist heute dem Letzten offenbar geworden, dass die Gestalt des Führers, mächtig sich durchkämpfend durch alleWelten, Neues mit innerem Auge schauend und seine Verwirklichung erzwingend, auf den wenigen Seiten derWeltgeschichte genannt ist, die den Anfängern einer neuen Zeit vorbehalten sind. Die deutsche Sendung in dieVölkerwelt ist von einer mächtigen und festen Hand die Waagschale der Geschichte geworfen ... Wir bitten Gott, denFührer zu segnen" (Junge Kirche, Heft 8 vom 22.4.1939, zit. nach idea-spektrum Nr. 31/32/2006).

6.5.1939 - Elf evangelische Landeskirchen gründeten im Gasthof der Wartburg in Eisenach das Institut zurErforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben, im Volksmund"Entjudungsinstitut" genannt."Ein Förderkreis mit Mitgliedern aus dem gesamten Deutschen Reich unterstützte die Arbeit finanziell. Die elfGründer- und Trägerkirchen waren: Altpreußen, Sachsen, Nassau-Hessen, Schleswig-Holstein, Thüringen,Mecklenburg, Pfalz, Anhalt, Oldenburg, Lübeck und die neudeutsche Evangelische Kirche in Österreich ... Inzahlreichen Arbeitskreisen waren fast 200 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter tätig, unter ihnen Professoren,Pfarrer, Lehrer, Schriftsteller, die teilweise aus den Landeskirchen stammten, die ursprünglich die Institutsgründungnicht unterstützt hatten" (Heinrich W. Hebeler in: Israel heute Nr. 26/2005).

Bekennende Kirche: Ernste Rassenpolitik zur Reinhaltung unseres Volkeserforderlich

31.5.2009 - Die Bekennende Kirche unter der Federführung der Landesbischöfe Hans Meiser und Theophil Wurmgibt als Antwort auf die Godesberger Erklärung der Deutschen Christen vom 4.4.1939 eine eigene öffentlicheErklärung heraus, in der es heißt: "Die Evangelische Kirche ... fordert von ihren Gliedern, treuen Dienst in dieser[staatlichen] Ordnung und weist sie an, sich in das völkisch-politische Aufbauwerk des Führers mit voller Hingabeeinzufügen" Weiter heißt es darin: "Im Bereich des völkischen Lebens ist eine ernste und verantwortungsbewussteRassenpolitik zur Reinerhaltung unseres Volkes erforderlich" (zit. nach Hans Erler, Ansgar Koschel, Der Dialogzwischen Juden und Christen, Frankfurt am Main, New York 1999, S. 135 f.).

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1.9.1939 - Deutschland beginnt mit dem Angriff auf Polen den 2. Weltkrieg.

Ab 1.9.1939 - Die als staatsfeindliche "Sekte" von Staat und Kirche verfolgten Zeugen Jehovas verweigern denKriegsdienst. Sie berufen sich auf das Gebot "Du sollst nicht töten". Der erste Kriegsdienstverweigerer inDeutschland, ein Zeuge Jehovas, wird am 15.9.1939 im KZ Sachsenhausen hingerichtet.

Ab September 1939 - Kriegsbegeisterung in der Bekennenden Kirche. Die Kritik an der Kirchenpolitik derNationalsozialisten nimmt stark ab.

September 1939 - Juden wird der Besitz von Rundfunkgeräten verboten.

21.9.1939 - Juden dürfen nur noch in Judenvierteln wohnen. So hat es auch die Kirche seit dem Mittelalter mit derjüdischen Bevölkerung gehalten (z. B. lt. Beschluss der Synode von Breslau im Jahr 1267) .

Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei zum Erntedankfest:Dank für die reiche Ernte auf den polnischen Schlachtfeldern!

29.9.1939 - Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei sendet allen Landeskirchen eine Kanzelabkündigungzum Erntedankfest zu: Darin wird Gott für die "reiche Ernte auf Feld und Flur" gedankt und für die "nichtweniger reiche Ernte" auf den polnischen Schlachtfeldern (zit. nach Süddeutsche Zeitung, 26.11.1998). Weiterheißt es über Gott: "Wir danken Ihm, dass ER unseren Waffen einen schnellen Sieg gegeben hat" (zit. nachVollnhals, a.a.O., S. 131).

Anmerkungen: 1) Die deutsche Wehrmacht verübte auch Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung.2) In Bayern weist Landesbischof Meiser alle evangelischen Pfarrer an, die Kanzelabkündigung zu verlesen.3) Kriegsbegeisterung auch in der römisch-katholischen Kirche. Beispiel: Der am 9.10.2005 selig gesprochene ClemensAugust Kardinal von Galen aus Münster.

22.10.1939 - Zeugen Jehovas legen eine Flugschrift mit dem Titel Krieg oder Frieden? vor die Tür einesevangelischen Vikars aus dem Münsterland. Der Vikar verständigt sofort die Polizei und teilt mit, wer nach seinerMeinung als Täter in Frage kommen könnte (Bundesarchiv R 60 II/33, Bl. 2-5; zit. nach Garbe, a.a.O., S. 10) .

30.10.1939 - Landesbischof Meiser und der Landeskirchenrat geben Richtlinien für die evangelischeVerkündigung im Krieg heraus. In den Richtlinien heißt es:"Wir spüren hinter dieser ernsten Wirklichkeit Gottes gewaltige Hand ... Wir haben den einzelnen wie dieGemeinde vor allem stark zu machen, dass sie wirklich tun können, was ihre Pflicht und Schuldigkeit ist, dass sietapfer und treu sein können in dem Stande, in den sie der Herr berufen hat" (zit. nach Amtsblatt, a.a.O.).

Anmerkung: Bischöfe, die Mitglieder des Landeskirchenrates und ein Großteil der übrigen Amtsträger, die von den Kanzelnüber den Krieg predigen, sind selbst vom Kriegsdienst befreit. Viele Pfarrer melden sich allerdings aus Kriegsbegeisterungfreiwillig an die Front.

November 1939 - Nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Adolf Hitler am 8.11.1939 durch Georg Elser imBürgerbräukeller in München [stattdessen starben versehentlich acht Anhänger Hitlers] läuten in ganz Deutschland dieKirchenglocken zu "Dankgottesdiensten" für die Bewahrung des Führers. "Nuntius Cesare Orsegnio überbringt diepersönlichen Glückwünsche von Papst Pius XII." (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 46, 15.11.2009). Adolf Hitlerund die Parteispitze der NSDAP hatten den Versammlungsort wegen schlechten Wetters früher als geplant verlassen,um zurück nach Berlin zu reisen.

Speziell die "Bekennende Kirche" ist entsetzt über das Attentat und lässt in ihrem Organ Junge Kirche z. B.verlauten: "Der frevelhafte Anschlag auf das Leben des Führers in München hat ... alle Kreise des deutschen Volkesmit tiefem Entsetzen und Empörung erfüllt ... Im Interesse des ganzen deutschen Volkes und aller Aufrechtdenkendenin der Welt liegt es, dass die Urheber des Attentates gefunden und gerecht bestraft werden und dass es gelingt,die intellektuellen Anstifter nachzuweisen ... Im Verfolg dieses Attentates hat sich das nationalsozialistischeDeutschland noch fester und zum Siege entschlossen um seinen Führer geschart" (Junge Kirche, zit. nachidea-spektrum Nr. 31/32/2006).

Anmerkung: Der Schreiner und Uhrmacher Johann Georg Elser aus Königsbronn bei Heidenheim war ein Einzeltäter, der1938 zu der Überzeugung kam, nur durch den Tod Hitlers den aufziehenden 2. Weltkrieg verhindern zu können. Elser warMitglied der Naturfreunde. Er wurde nach einem zunächst geglückten Fluchtversuch an der Schweizer Grenzefestgenommen, und kam als "besonderer Schutzhäftling" in das KZ Sachsenhausen und von dort nach Dachau. Nach dem"Endsieg" war ein Schauprozess gegen ihn geplant. Auf persönliche Anordnung von Adolf Hitler wurde er am 9.4.1945 inDachau erschossen.Der berühmte Pfarrer und Kirchenpräsident der Bekennenden Kirche, Martin Niemöller, verleumdet Elser nach 1945

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öffentlich als angeblichen "SS-Mann", der im Auftrag der NSDAP ein fingiertes Attentat durchgeführt hätte. Dabei stütztener und einige andere sich nur auf Gerüchte. In einem Brief an den bekannten Theologen drückt die Mutter des Attentätersam 20.4.1946 "ihre Verzweiflung aus über die falschen Anschuldigungen gegen ihren Sohn" (Ev. Sonntagsblatt Nr. 46,15.11.2009). Elsers Familie wurde geschmäht, wie schon zuvor von den Nazi-Behörden, und seiner Schwester Maria Hirth,die man nach dem Attentat ebenfalls verhaftete, wurde von den Behörden der Bundesrepublik 1951 Haftentschädigungverweigert. Die Nazi-Staat hatte 1943 schon Elsers ganzes Vermögen und sein Erbe beschlagnahmt. Die ZEIT schreibt:"Gegen das Wort eines Kirchenpräsidenten kann sich eine einfache Handwerkerfamilie nur schwer wehren" (Nr. 2/2003).Die Kirche war sehr schnell wieder in alten Ehren, und Gegner des NS-Regimes wie Johann Georg Elser, die mit derKirche, außer dass sie formal durch die Säuglingstaufe Mitglied wurden, nichts zu tun hatten, werden bis heute in derBundesrepublik Deutschland nur wenig bis kaum beachtet (im Unterschied z. B. zu dem römisch-katholischen Adligen Grafvon Stauffenberg, dessen Attentat ca. 4 1/2 Jahre später ebenfalls scheiterte und dem protestantischen TheologenDietrich Bonhoeffer, de in die Attentatspläne eingeweiht war). Wenigstens die Verleumdung Elsers konnte später vonHistorikern aus der Welt geschaffen werden. Georg Elser hatte schon 1933 den Hitlergruß verweigert und war immer einGegner des Regimes. "Marie Elser starb 1960. Die[se] späte [allmähliche] Rehabilitierung ihres ... Sohns hat sie nicht mehrerlebt."

30.12.1939 - Juden wird die Benutzung von Speisewagen der Bahn untersagt (vgl. Synode von Elvira im Jahr306: Verbot der gemeinsamen Speiseeinnahme von Juden und Christen; vgl. Martin Luther: "Ich sollte mit einemsolchen verteufelten Maul essen, trinken oder reden? So möchte ich aus der Schüssel oder Kannen mich voller Teufelfressen und saufen, so mache ich mich gewiss damit teilhaftig aller Teufel, die in den Juden wohnen." siehe vorne:"So fordert es Martin Luther - so tun es die Nationalsozialisten").

1939 - Der evangelische Theologe D. Hans Lauerer, Rektor der evangelisch-lutherischen Behinderteneinrichtungen inNeuendettelsau, gibt mit Berufung auf die lutherische Zwei-Reiche-Lehre eine theologische Zustimmung für denbevorstehenden Massenmord an Behinderten: "... darum können wir Lutheraner nicht anders als grundsätzlichbejahend zum Staat, zu unserem Staat stehen. Von diesem Standpunkt aus haben wir kein Recht, es zu beanstanden,wenn der Staat ... die Tatsache minderwertigen Lebens konstatiert und auf Grund dieser Konstatierung dann auchhandelt" (Hans Lauerer, Das Menschenleben in der Wertung Gottes, 1939; zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi,a.a.O., S. 180 f.; siehe auch Anhang über die Zwei-Reiche-Lehre). (PS: Eine Zusammenstellung allerInformationen zu der Ermordung Behinderter finden Sie hier)

Anmerkung: Nach D. Hans Lauerer ist bis heute [2009] eines der beiden Wohnheime für Diakonissen in Neuendettelsau benannt. Diemörderische Heuchelei wird vor allem dadurch deutlich, dass auf der evangelischen Fachkonferenz für Eugenik 1931 in Treysabereits der Unterscheid zwischen "lebenswert" und "lebensunwert" gemacht wurde und dass die Verantwortlichen der Kirche dortschon über die eventuelle Tötung "lebensunwerten" Lebens debattierten - lange bevor die Nationalsozialisten die Ermordung von"minderwertigen Leben" durchführten.

PS: Der katholische Moraltheologe Joseph Mayer wies den Staat in einem mit kirchlicher Imprimatur (=Druckerlaubnis) versehenen Buch ja schon 1927 darauf hin, dass ein nicht "sozial Tüchtiger" "nötig und heilsam"getötet werden müsse, "damit das Gemeinwohl gerettet werde" (siehe dazu unsere Meldung oben). Der Staathabe die Pflicht, sich gegen solchen Untergang zu wehren und die Kirche habe "kein Recht, ihm in den Arm zufallen" (zit. nach Main-Post, 6.7.1985).Der Schriftsteller Ernst Klee fasst die Schuld der Kirchen an diesem Massenmord mit den Worten zusammen:"Beide Kirchen haben massiv dazu beigetragen, denn sie haben die Opfer als Opfer präpariert."

1940

Januar 1940 - Die Vernichtung "lebensunwerten" Lebens, auch "Euthanasie" genannt, beginnt. In denevangelischen Einrichtungen in Bayern erfolgt im April 1940 die "Erfassung" der Behinderten. Meistens werden diebetroffenen Menschen nach kurzer Zeit "vergast" (siehe hier). (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zuder grausamen Ermordung Behinderter finden Sie hier)

Frühjahr 1940 - Konfirmandenprüfung in der Evangelischen Kirchengemeinde Karlsruhe-Rüppurr. Der Pfarrer fragt:"Wie hat unser Führer Adolf Hitler in seiner letzten Rede unseren Reformator Martin Luther bezeichnet?" DerKonfirmand antwortet: "Einen großen Deutschen." Die Prüfung ist bestanden (Zeugenaussage liegt vor).

15.4.1940 - Bekanntmachung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum Führergeburtstag am20.4.1940: "Das ganze deutsche Volk fühlt sich an diesem Tage in besonderer Weise mit dem Manne verbunden, derdas Geschick des Großdeutschen Reiches mit starken Händen durch die Fährnisse des Krieges steuert. DieGemeinden unserer Landeskirche gedenken seiner in freudigem Dank und ernster Fürbitte. Sie geloben aufs Neue,den Dienst, zu dem sie der Herr berufen hat, mit ganzer Treue auszuführen. Sie sehen darin ihren Beitrag zumWerke des Führers, dass sie durch die Botschaft von Jesus Christus den deutschen Menschen hinführen zu denQuellen aller Kraft, ihn stark machen für den Kampf, ihn freudig machen zu allem Opfer ... Ev.-Luth.Landeskirchenrat; D. Meiser."

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Mai 1940 - Der Stürmer über die Juden: "Ihr Gott ist das Geld."

Anmerkung: Dies ist ein Vorwurf, den auch Sektenbeauftragte 50-60 Jahre später sinngemäß gegenüber denGlaubensgemeinschaften machen, die von ihnen bekämpft werden.

Der evangelisch-lutherische Landesbischof Meiser zu den Kriegserfolgen derdeutschen Armee:

"Wir stehen anbetend vor unserem Gott."

2.6.1940 - Landesbischof Meiser hält die Festpredigt zum 50jährigen Jubiläum der Rummelsberger Diakonie. Darinnimmt der Landesbischof zu den Überfällen Deutschlands auf Frankreich, Belgien und die Niederlande Stellungund zu der Besetzung Dänemarks und Norwegens:"Auf den Schlachtfeldern Flanderns, wo so oft schon Völker um ihr Schicksal gerungen haben, haben unsere Heereeinen Sieg errungen, wie er ähnlich in der Geschichte der Völker nicht gefunden wird ... Wir beugen uns vor derGröße dieser Stunde; wir stehend anbetend vor unserem Gott, der die Geschicke der Völker so majestätisch lenkt.Wir gedenken voll Ehrfurcht derer, die so Großes so kühn planten, und derer, die es so tapfer und wagemutigvollbrachten" (zit. nach: Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Diakonenanstalt Rummelsberg;zit. nach Gerhard Wehr, Gutes tun und nicht müde werden, München 1989, S. 175).

26.6.1940 - Landesbischof Meiser und der evangelische Landeskirchenrat rufen die Gemeinden dazu auf,"Adolf Hitler, dem Schöpfer und obersten Befehlshaber der sieggekrönten Wehrmacht", zu danken und füreinen"baldigen Endsieg" zu beten (Amtsblatt für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern rechts des Rheins).

Ab 1940 - Deportationen von Juden nach Osten in Gettos

30.6.1940 - Einer der leitenden Verantwortlichen der Bekennenden Kirche, Landesbischof August Marahrens ausHannover, gibt in einem Telegramm an Hitler der Hoffnung Ausdruck, dass "in ganz Europa unter Ihrer Führungeine neue Ordnung entstehe ..." (Vollnhals, a.a.O., S. 24)

Ab Juli 1940 - Selektion und Verlegung der Behinderten aus den Einrichtungen der bayerischen evangelischenDiakonie - in staatliche Einrichtungen und von dort in Vergasungsanstalten, v. a. in Hartheim bei Linz in Österreich(zum Mord durch Vergasung siehe hier). Aus keinem Fürsorgeheim Deutschlands werden dabei mehr Behinderte zurErmordung abgeholt wie aus den evangelischen Heimen in Neuendettelsau in Bayern. Anfangs freuen sich vieleBehinderte noch "in froher Erwartung eines Ausflugs". Als schließlich die Ermordungen bekannt werden,reagieren die Opfer unterschiedlich: "Manche sollen sich still in ihr Schicksal ergeben haben, andere flehen umihr Leben, wehren sich verzweifelt, weinen, schreien und klammern sich in ihrer Todesangst anOrdensschwester oder Pfleger, reißen ihnen fast die Kleider vom Leibe" (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film"Alles Kranke ist Last", a.a.O.). Die Aktionen dauern bis Anfang 1941. Auch Bischof Hans Meiser wird informiertund schweigt. Nach dem Krieg rechtfertigen sich Verantwortliche, "seelenlose Monster" seien von ihrem Leiden"erlöst" worden (Klee/Petrich, a.a.O.). (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu der ErmordungBehinderter finden Sie hier)

19.7. / August 1940 - Landesbischof Theophil Wurm wendet sich in einem Brief an Reichsinnenminister Frickhalbherzig bis unwillig gegen die Ermordung Behinderter in der württembergischen Vergasungsanstalt Grafeneck.Trotz Judenverfolgung, Krieg und anderem staatlichen Terror bescheinigt Wurm dem Führer und der Partei,bis jetzt auf "christlichem" Boden zu stehen. Dieser würde mit der "Ausrottung" der Behinderten aber verlassen,auch wenn Wurm dafür Verständnis signalisiert. Der Bischof rechtfertigt seinen "Protest" vom 19.7.1940 damit, dasser es "in erster Linie deshalb" tat, "weil die Angehörigen der betroffenen Volksgenossen [der Opfer] von der Leitungeiner Kirche einen solchen Schritt erwarten ... Dixi et salvavi animam meam" [= "Ich habe es gesagt und meine Seeleist gerettet" (so denkt der Bischof)] (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film "Alles Kranke ist Last", a.a.O.). Kein Wunder,dass dieser Pflicht-"Protest" nichts bewirkt.In Bethel/Westfalen werden die Behinderten allerdings nicht ermordet, obwohl auch der dortige Leiter Friedrich vonBodelschwingh kaum kräftiger protestiert hat.* Bodelschwingh im August 1940: "Sicher wäre es das Beste, wenn dieganze Maßnahme [die Ermordungen] sofort und vollständig eingestellt würde. Kann man sich dazu nicht entschließen,so muss ein geordnetes Verfahren festgelegt werden."** Bei einer Konferenz in Treysa im Jahr 1931 konnte sichBodelschwingh bereits vorstellen, Behinderte eigenhändig zu kastrieren und andere Kirchenführer befürwortetenbereits die späteren Ermordungen. Und schließlich vollzogen die Nationalsozialisten damit nur, was einzelneKirchenführer bereits 1931 in die Tat umsetzen wollten (siehe oben). Und so hatte der von Bodelschwinghstark geförderte ehemalige Betheler Oberarzt und Psychiater Dr. Rudolph Boekh aus Neuendettelsau erneutauch im Jahr 1937 die Ermordungen von den Nationalsozialisten gefordert. Dabei hatte der renommierte

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evangelisch-lutherische Mediziner dem "Führer" Adolf Hitler die Entscheidungsvollmacht zugesprochen (vgl.Zeitablauf: 1937). (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu der Ermordung Behinderter finden Siehier)

Anmerkungen:*1) In den evangelischen Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel holte man zwar die Behinderten nicht zur Ermordung ab. Doch esgeschah dort vielfach anderes Unrecht. So mussten von 1942-1944 z. B. eine unbekannte Zahl von Kriegsgefangenen und ca.150-180 Zwangsarbeiter dort hart arbeiten - Menschen die von der deutschen Armee in Osteuropa eingefangen und nachDeutschland verschleppt wurden. "Bethel war von Anfang an voll in das Zwangsarbeiter-System integriert" (Prof. MatthiasBenad, Leiter der Forschungsstelle für Diakonie und Sozialgeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel, zit. nach Ev.Sonntagsblatt für Bayern Nr. 39, 24.9.2000, S. 7). Und über Bethel soll nach dem Krieg teilweise auch die Flucht hochrangigerNationalsozialisten ins Ausland organisiert worden sein.**2) Manche Kirchen- und Diakonieführer unterschieden zwischen unterschiedlichen Graden der Behinderung und versuchten, dasLeben leichter Behinderter zu retten, indem sie die Ermordung schwerer Behinderter unterstützten.

Juli 1940 - Juden werden als Fernsprechteilnehmer ausgeschlossen. Sie dürfen kein Telefon mehr besitzen.

1940 - Ein Gedächtnisprotokoll über die Ordnung der evangelischen Kirche im Warthegau an der polnischenGrenze aus dem Jahr 1940 soll nach kirchlichen Angaben die "streng geheime" Vorstellung in Adolf HitlersParteikanzlei (Leiter: Martin Bormann) für das Verhältnis von Staat und Kirche nach dem Krieg widerspiegeln.Demnach sollten die staatlich privilegierten Kirchen dezentralisiert und zu normalen Vereinen werden, wo nur nochErwachsene Mitglieder werden dürften und nicht mehr Säuglinge durch die Taufe. Die staatlichen Subventionen andie Kirchen sollten gestrichen werden, und die Kirchen dürften nur noch ihre Kirchengebäude als Eigentum behalten.Dieses schillernde Dokument dient der Kirche seit 1945 dazu, an der Legende einer angeblichen Opferrolle imnationalsozialistischen Staat zu stricken. Ein teilweise ähnlicher Inhalt ist steht in einer Geheimen Kommandosachedes Sicherheitsdienstes RFSS vom 15.2.1938 (wo es jedoch auch um eine "Bekämpfung des Sektenwesens" geht,welche die Kirche sonst einvernehmlich mit dem NSDAP-Staat durchführte) und in einem Brief von Martin Bormann,dem Leiter der Parteikanzlei der NSDAP, aus dem Jahr 1941. Der Entwurf für den Warthegau wird vonKirchenvertretern gelegentlich sogar als Modell einer "Endlösung" der Kirchenfrage nach dem Krieg gedeutet (soz. B. in: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Band V, Hrsg. Heiko A. Obermann u. a., Neukirchen 1999,S. 141; Geheime Kommandosache auf S. 141-144; Brief von M. Bormann auf S. 145-147 und Protokoll auf S. 156f.). Damit wird versucht, das Thema zumindest sprachlich auf eine Stufe mit der so genannten "Endlösung derJudenfrage" durch den Holocaust zu stellen. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, inwiefern es sich bei den vorhandenenDokumenten wirklich um ausgereifte Pläne handelt, die das gesamte Deutsche Reiche betreffen würden und denenvon maßgeblicher Seite bereits zugestimmt wurde. Außerdem ist bei der engen Verflechtung von Nationalsozialismusund Kirchen mehr als zweifelhaft, ob ein solches "Modell" auch nur annähernd eine Chance gehabt hätte.

Anmerkung: Und inwiefern dies zudem eine heutige Verhöhnung der tatsächlichen Opfer ist, mag jeder selbst entscheiden.

September 1940 - Der Stürmer wirft den Juden vor, den Glauben für wirtschaftliche Ziele zu missbrauchen: "DieJuden sind nämlich gar keine Glaubensgemeinschaft, sondern ein Bund zur Vertretung wirtschaftlicher undpolitischer Interessen."

Anmerkung: Ein Verleumdungsmuster, das ca. 50-60 Jahre später wieder von kirchlichen Sektenbeauftragten gegenandere Glaubensgemeinschaften eingesetzt wird (vgl. Zeitablauf: Mai 1936).

24.12.1940 - Juden müssen als Ersatz für die den Mitgliedern der NSDAP auferlegten Parteispenden eine"Sozialausgleichsabgabe" zahlen.

1941

Zyklon B

April 1941 - Lebensmittel, welche Juden aus dem Ausland zugeschickt bekommen, werden von ihrenLebensmittelrationen abgezogen.

April 1941 - Die ehemals evangelische Familie Kusserow aus Bad Lippspringe, die sich den Zeugen Jehovasangeschlossen hat, wird wegen ihres Glaubens enteignet, die Familienmitglieder kommen ins KZ. Für den Fall, dasssie ihrem neuen Glauben wieder "abschwören" und z. B. wieder evangelisch werden, wird ihnen die Entlassungaus dem KZ zugesichert. Dies tun sie nicht (nach "Lila Winkel", a.a.O.).

22.6.1941 - Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion - Die deutsche Armee hatte das rückhaltloseVertrauen aller Bischöfe. Zu ihren Verbrechen siehe aktuell [2008] z. B.http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3313/_absondern_erschiessen.html

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Sommer 1941 - Beginn der alliierten Fliegerangriffe auf Deutschland

Juli 1941 - Sofortige Massenerschießungen von verhafteten Juden

3.8.1941 - Der katholische Bischof Clemens August von Galen prangert als einziger deutscher Bischof in einerPredigt die Vernichtung Behinderter an. Auf der anderen Seite treibt er die Deutschen in den Krieg (siehe dazu DerTheologe Nr. 27 über den "Kreuzzugsprediger" von Galen). Aus Rücksicht auf den Protest von Galens finden dieVernichtungsaktionen (von weiteren ca. 30.000 Behinderten) seither mehr im Geheimen statt. So lässt man z. B. inIrsee im Allgäu, wo die Nonnen von der "Kongregation des Heiligen Vinzenz von Paul" einen großen Teil desPersonals stellen, behinderte Kinder darauf hin nicht mehr vergasen, sondern auf staatliche Anordnung hin verhungern(was nach ca. drei Monaten zum Tod führen sollte) oder vergiften (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film "Alles Krankeist Last", a.a.O.).Als Töterin wurde in Irsee vor allem die evangelische Krankenschwester Pauline Kneissler eingesetzt, die vor demKrieg im Kirchenchor sang und evangelischen Kindergottesdienst hielt und schon in den VergasungsanstaltenGrafeneck auf der Schwäbischen Alb und in Hadamar bei Limburg zuvor Tausende von Menschen mit der Giftspritzetötete. Sie teilte dem Klinikseelsorger jeweils mit, welchem Behinderten er die katholischen Sterbesakramentegeben soll. Nachdem der Priester jeweils seinen "Dienst" getan hatte, brachte sie den Behinderten um.

Anmerkung: Die evangelische Massentöterin Pauline Kneissler wurde nach dem Krieg zu vier Jahren Haft verurteilt und beschwertesich über dieses Urteil. So rechtfertigt sich die Krankenschwester 1947 mit den Worten: "Mein Leben war Hingabe und Aufopferung,... nie war ich hart zu Menschen ... Dafür muss ich heute leiden und leiden" (http://www.rav.de/infobrief94/mueller2.htm).Alle Verbrecher im staatlichen Auftrag hatten dabei die Rückendeckung der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland), die in einemBeschwerdebrief an die US-Militärregierung vom 26.4.1946 z. B. schrieb: "Dabei waren Handlungen und Gesinnungen, die heuteverurteilt werden, vom damaligen Gesetzgeber als rechtmäßig und gut eingeschätzt. Hierdurch wird das Rechtsempfindenerschüttert und von den Angeklagten eine Rechtseinsicht verlangt, die man nicht erwarten kann" (zit. nach Amtsblatt derEvang.-Luth. Kirche in Bayern). (PS: Eine Zusammenstellung aller Informationen zu der Ermordung Behinderterfinden Sie hier)

1.9.1941 - Einführung des Judensterns (vgl. 4. Laterankonzil im Jahr 1215: Juden müssen einUnterscheidungszeichen an ihrer Kleidung tragen)

3.9.1941 - Erste Probevergasungen mit "Zyklon B" in Auschwitz

15.9.1941 - Allen Juden vom 6. Lebensjahr an wird es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne Judenstern zuzeigen. Und Juden dürfen nur noch mit schriftlicher polizeilicher Erlaubnis ihren Wohnort verlassen.

Evangelische Landeskirchen berufen sich auf Lutherund fordern "schärfste Maßnahmen" gegen die Juden

als den "geborenen Welt- und Reichsfeinden"

September 1941 - Gemeinsame Erklärung zur Anordnung über die Einführung des Judensterns derLandeskirchen Sachsen, Hessen-Nassau, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Anhalt, Thüringen und Lübeck:"Als Glieder der deutschen Volksgemeinschaft stehen die unterzeichneten deutschen evangelischen Landeskirchen undKirchenleiter in der Front dieses historischen Abwehrkampfes, der u. a. die Reichspolizeiverordnung über dieKennzeichnung der Juden als der geborenen Welt- und Reichsfeinde notwendig gemacht hat. Wie schon Dr. MartinLuther nach bitteren Erfahrungen die Forderung erhob, schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen,und sie aus deutschen Landen auszuweisen. Von der Kreuzigung Christi bis zum heutigen Tage haben die Judendas Christentum bekämpft oder zur Erreichung ihrer eigennützigen Ziele missbraucht oder gefälscht. Durch diechristliche Taufe wird an der rassischen Eigenart eines Juden, seiner Volkszugehörigkeit und seinembiologischen Sein nichts geändert" (zit. nach U. Dreyer in: idea-spektrum Nr. 11/1996).Vgl. Luthers Spott über die Taufe von Juden: "Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücken führen,einen Stein um den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams" (Tischreden Nr.1795; zit. bei Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden - Weg mit ihnen! Freiburg 1938, S. 14).

Ab Oktober 1941 - Deportationstransporte deutscher Juden in die Vernichtungslager; Massenvergasungen

24.10.1941 - Verbot freundschaftlicher Beziehungen von Deutschen zu Juden

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Evangelisch-lutherischer Pfarrvikarbildet Heckenschützen im Töten aus

Herbst 1941 - Ein junger evangelisch-lutherischer Pfarrer, damals "Pfarrvikar" genannt, lehrt an der Front, wieman aus dem Hinterhalt Menschen umbringt. Der Vikar, gleichzeitig Hauptmann der Wehrmacht, berichtet: "Dannziehe ich mit dem ersten ´Jäger` los und entdecke in meinem Fernglas in einem schmalen Durchblick in etwa 400 mEntfernung einen russischen Soldaten, der dort offenbar den Verkehr regelt. Ich sage zu meinem Mann: ´So, denschießt du ab!` Darauf er: ´Nö, dös ko i net; der kämpft ja net. Bloß a so abknall´n, dös geht do net.` Und ich: ´Wanndu´s net kannst, tue ich es. Gib mir dei Jagdgewehr her!` Und ich schieße - und treffe - und mein Hannes sagt: ´Jetzt,wo du mir dös vorgemacht hast, jetz ko i´s a.` Und ich gebe ihm das Gewehr wieder und lass ihn weiter jagen` undgehe hinein in meinen Unterstand und lege mich auf meinen Platz, dass mich niemand beobachten kann, weil mir soübel ist und ich weinen muss: Nicht darüber, dass ich einen Russen angeschossen, vielleicht sogar getötet habe; aber -ich habe einem Menschen sein Gewissen zerstört, und das ist furchtbar. Und dennoch - wäre ich wieder in derselbenLage, so machte ich es trotz allem wieder genauso" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 207) .

Anmerkung: Die Rechtfertigungsworte des Pfarrvikars, der sich freiwillig an die Front meldete, stammen vermutlich aus derZeit nach 1945. Die Erschießungen wären auch eine Vergeltung für russische Scharfschützentätigkeiten (wohlgemerkt: imüberfallenen Russland und nicht etwa in Deutschland) gewesen.

5.12.1941 - Erster Einsatz der berüchtigten Gaswagen, bei welchen die Auspuffgase ins Wageninnere gelenktwerden, bis alle Businsassen tot sind.

22.12.1941 - Die Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche fordert alle evangelischenLandeskirchen auf, die kirchlich getauften Juden "auszuscheiden", wie dies die Thüringer Landeskirche durcheine Kirchengesetz bereits beschlossen hat. Wörtlich heißt es:"Der Durchbruch des rassischen Bewusstseins in unserem Volk, verstärkt durch die Erfahrungen des Krieges undentsprechende Maßnahmen der politischen Führung, haben die Ausscheidung der Juden aus der Gemeinschaft mit unsDeutschen bewirkt ... Wir bitten daher im Einvernehmen mit dem Geistlichen Vertrauensrat der DeutschenEvangelischen Kirche* die obersten Behörden [aller Landeskirchen], geeignete Vorkehrungen zu treffen, dass diegetauften Nichtarier dem kirchlichen Leben der deutschen Gemeinde fernbleiben. Die getauften Nichtarier werdenselbst Mittel und Wege suchen müssen ..." (Kirchliches Jahrbuch Nr. 482, zit. nach Kirchen- undTheologiegeschichte in Quellen, Band V, Hrsg. Heiko A. Obermann u. a., Neukirchen 1999, S. 163)

Anmerkung: Zu dieser Zeit wurden in den deutschen Städten die evangelisch und katholisch "getauften Nichtarier"zusammen mit den übrigen Juden schon seit Monaten zu den Massenvergasungen verschleppt. Die oberste Kirchenleitunggab ihnen praktisch noch eine Art "Hausverbot" mit ins letzte Reisegepäck.

* Der "Geistliche Vertrauensrat" wurde am 31.8.1939 ins Leben gerufen mit den Mitgliedern: Dr. Friedrich Werner(Kirchenkanzlei), Landesbischof August Marahrens (Landeskirche Hannover), Landesbischof Walter Schulz (LandeskircheMecklenburg), Oberkonsistorialrat Johannes Hymmen (Altpreußische Union, Berlin), Professor Dr. Otto Weber(Reformierte Kirche, Göttingen). Ob sich bis 1941 an der Besetzung etwas geändert hat, ist nicht bekannt.

1942

Kirchliches Schweigen zur "Endlösung" der "Judenfrage":Der "feindlichen Propaganda" keinen Stoff liefern

Januar 1942 - Die noch verbliebenen Juden müssen alle Pelz- und Wollsachen bei den deutschen Behördenabliefern.

20.1.1942 - Wannsee-Konferenz: Der bereits in Gang befindliche Massenmord an allen Juden wird neubesprochen und koordiniert. Die Vernichtung ist in vollem Gang.

6.2.1942 - Landesbischof Theophil Wurm aus Stuttgart protestiert in einem Schreiben an die Deutsche EvangelischeKirchenkanzlei in Berlin dagegen, dass evangelische Kirchenmitglieder jüdischer Herkunft nicht als vollwertigeEvangelische behandelt und teilweise aus der Kirche ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang rechtfertigt eraber die Rassegesetzgebung des NS-Staates und weist auf die evangelischen Inspiratoren dieser Weltanschauung hin:"Von keiner evangelischen Kirche ist dem Staat das Recht bestritten worden, zum Zwecke der Reinhaltung desdeutschen Volkes eine Rassegesetzgebung durchzuführen. Führende Männer der evangelischen Kirche ... habeneinst zuerst auf die Gefahren hingewiesen, die dem deutschen Volk aus der jüdischen Überfremdung aufwirtschaftlichem, politischem und kulturellen Gebiet drohen" (zit. nach idea-spektrum Nr. 31/32/2006).

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12.3.1942 - Der württembergische Landesbischof Theophil Wurm aus Stuttgart erläutert demNazi-Reichskirchenminister, warum die Kirche zum Völkermord an den Juden weitgehend schweigt:"Die christlichen Kirchen haben in der Ablehnung solcher Dinge große Zurückhaltung geübt, um der feindlichenPropaganda keinen Stoff zu liefern" (zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O., S. 154).

1942 - Die rheinische Landeskirche verrät den Nationalsozialisten das Versteck ihres jüdischstämmigenPfarrers Ernst Flatow. Flatow wird darauf hin von der Gestapo erst ins Warschauer Ghetto verschleppt und später inTreblinka vergast (Spiegel online, 18.2.2008; siehe auch oben: 1933).

Mai 1942 - Juden wird es verboten, Hunde, Katzen oder Vögel als Haustiere zu halten.

Juni 1942 - Beginn der Massenvergasungen von Juden im Konzentrationslager Auschwitz

1942 - 1943 - Der evangelisch-lutherische Pastor und frühere Propst von Neumünster und Segeberg ErnstSzymanowski (der sich ab 1941 "Ernst Biberstein" nennt) befiehlt als Chef des Einsatzkommandos 6 inRostow/Ukraine die Ermordung von 2.000 - 3.000 Menschen, meist Juden. Szymanowski wechselte bereits 1936vom kirchlichen Dienst in die SS, behielt aber seine Amtsbezeichnung "Pfarrer" bei. Vor demKriegsverbrecherprozess in Nürnberg leugnet er später weitgehend seine Taten, gibt jedoch zu, bei früherenMassenmorden dabei gestanden zu sein. Die Gaswagen hielt er "aus humanitären Gründen für angebrachter" alsMaschinengewehr-Salven. "Sie ist menschlich angenehmer. Die Leichen machen einen ruhigen und friedlichenEindruck". Auf die Frage nach möglichen geistlichen Zeremonien vor der Hinrichtung erklärt der Theologe: "Ich binauch als Pfarrer nicht verpflichtet, Menschen zu bekehren. Es ist nicht meine Art, mich aufzudrängen. Außerdem mussich hier ein Wort anführen, das vielleicht nicht ganz der Würde des Gerichts entspricht: ´Man soll Perlen nicht vor dieSäue werfen`" (Der Spiegel, 13.12.1947).Der Lutheraner Biberstein wird als Kriegsverbrecher 1948 schließlich zum Tode verurteilt und 1955 zu lebenslangerHaft begnadigt. Im gleichen Jahr bittet er seine Landeskirche, sich für seine Freilassung einzusetzen. Im Jahr 1957wird er dann auf Antrag der evangelischen Landeskirche Schleswig-Holsteins tatsächlich freigelassen und wieder inden kirchlichen Dienst bei der Kirchenverwaltung in Neumünster übernommen, wo er eine Zeitlang beschäftigt bleibt,bevor er wieder außerhalb der Kirche verschiedenen Arbeiten nachgeht. Die Kirche, die den ehemaligen Propst wiederanstellte, bezweifelte die Urteilsfähigkeit des Nürnberger Gerichtshofs.

Herbst 1942 - Die deutsche Wehrmacht rückt im Osten bis auf Stalingrad vor.

9.9.1942 - Vorschlag der Parteikanzlei der NSDAP an das Justizministerium, Juden die Erhebung vonZivilklagen zu verbieten (vgl. 3. Laterankonzil im Jahr 1179: Juden dürfen Christen nicht anklagen und könnennicht Zeugen gegen Christen sein).

Evangelisch-lutherischer Pfarrer schlägt den Nazisdas Aufhängen von Juden vor und den evtl. Vollzug

der "Endlösung" an den Juden in einer Nacht

11.9.1942 - Der evangelisch-lutherische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus Larrieden/Franken schlägt in einemBrief an den Herausgeber des Nazi-Blattes Der Stürmer, Julius Streicher, vor, für jeden deutschen Zivilisten, derdurch alliierte Bombenangriffe ums Leben gekommen ist, zehn Juden aufzuhängen. Ein weiterer Vorschlag: "Wennder Feind nicht innerhalb 24 Stunden unsere Friedensbedingungen annimmt, wird eine Bartholomäusnachtveranstaltet und kein Jude verschont. Schade ist es um keinen" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 209).

Anmerkung: Bei der so genannten "Bartholomäusnacht" - benannt nach dem Namenstag des Bartholomäus - vom 23. aufden 24.8.1572 wurden in Frankreich Tausende von protestantischen Hugenotten ermordet.Die Nazis erfüllen die Forderung des Pfarrers nach Vollzug der "Endlösung" innerhalb nur einer Nacht noch nicht. Anfang1945 predigt Pfarrer Auer, dass der Heiland "dem Weltgeschehen eine wunderbare Wendung geben könne", den SiegNazi-Deutschlands im Krieg.Von einer Beanstandung der Äußerungen des Pfarrers durch die Kirchenleitung ist nichts bekannt. Auch Pfarrer Auer(Jahrgang 1877) wird von der Kirchenleitung 1945 zusammen mit anderen ehemaligen nationalsozialistischen Pfarrern vonder Kirche 1945 pauschal gerechtfertigt. Er geht 1945 in Ruhestand und stirbt 1970.

31.12.1942 - Wie zahllose andere evangelische Pfarrer mobilisiert ein Pfarrer aus Oberfranken die Kirchengemeindein seiner Silvesterpredigt für den Einsatz an der Ostfront (nach Mensing, a.a.O., S. 208).

1943

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1.2.1943 - Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern - Bekanntmachung: Betreff: "Judenmatrikeln": "Nachdem im Kirchl. Amtsblatt Nr.1 bekannt gegebenen Runderlass des Reichsjustizministeriums und Reichsministers desInnern vom 28.12.1942 Ziff.3c sind die von kirchlichen Stellen aufbewahrten Register über Personenstandsfälle vonJuden an das Reichssippenamt Berlin abzuliefern ... Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."

Februar 1943 - Das deutsche Heer kapituliert in Stalingrad.

Februar 1943 - Eine 61jährige Bäuerin aus der Nähe von Hilpoltstein/Bayern wird wegen einer kritischenBemerkung denunziert und zu 16 Monaten Haft verurteilt. Der evangelische Gemeindepfarrer Herold,Mitglied der NSDAP, Träger des goldenen Parteiabzeichens und Vertreter der "Bekennenden Kirche", stelltsich auf die Seite der Denunzianten (vgl. den Freispruch für Pfarrer Herold; Zeitablauf: 1948).

Anmerkung: Vgl. auch Martin Luthers Aufforderungen zu Denunziation in "Der Theologe" Nr.3 - "So spricht Martin Luther -so spricht Jesus von Nazareth". / Martin Luther droht Bürgern mit der Todesstrafe, die z. B. einen Angehörigen einer"Sekte" nicht denunzieren, der ohne offiziellen Auftrag der Kirche predigt. / Für den Prediger selbst fordert Luther ohnehindie Todesstrafe.

22.2.1943 - Die Studenten Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst werden in München enthauptet. Die beidenGeschwister Scholl wurden von einem Hausmeister der Universität einige Tage vorher dabei ertappt, Flugblättergegen den Krieg ausgelegt zu haben.

Ostern 1943 - Eine Gruppe evangelischer Kirchenmitglieder schreibt an Landesbischof Meiser: "Als Christenkönnen wir es nicht länger ertragen, dass die Kirche in Deutschland zu den Judenverfolgungen schweigt" (zit.nach Denzler Fabricius, a.a.O., S. 165 f.). Landesbischof Meiser in Bayern und alle anderen Kirchenleitungenschweigen jedoch weiter.

Anmerkung: Ob die Mitglieder daraufhin ausgetreten sind, ist nicht bekannt.

16.7.1943 - Landesbischof Wurm will sich nach langem Schweigen in einem Brief an Hitler wenigstens für dieso genannten "privilegierten" Nichtarier einsetzen, das sind evangelische oder katholische Juden."Im Namen Gottes und um des deutschen Volkes willen sprechen wir die dringende Bitte aus, die verantwortlicheFührung des Reiches wolle der Verfolgung und Vernichtung wehren, der viele Männer und Frauen im deutschenMachtbereich ohne gerichtliches Urteil unterworfen werden. Nachdem die dem deutschen Zugriff unterliegendenNichtarier in größtem Umfang beseitigt sind, muss auf Grund von Einzelvorgängen befürchtet werden, dass nunmehrauch die bisher noch verschont gebliebenen so genannten privilegierten Nichtarier erneut in Gefahr sind, in gleicherWeise behandelt zu werden" (zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O., S. 153).Zu diesem Zeitpunkt sind aber die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka aber schon wiedereingeebnet, die Vernichtung dort schon vollzogen.Heinz Brunotte von der evangelischen Kirchenkanzlei schreibt: "Von der Mitte des Jahres 1943 an schweigen dieAkten der Kirchenkanzlei. Mit der Verschleppung der letzten deutschen Juden in die Vernichtungslager erloschdas Problem einer kirchlichen Betreuung evangelischer Nichtarier" (zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O.,S. 154).

1943 - Der Antisemitismus in den Predigten der Mehrheit der Pfarrer geht weiter. Z. B. predigt am 18.7.1943 einevangelischer Pfarrer über "die Juden, diese geschworenen Christushasser" (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 203).

Landesbischof August Marahrens von der Bekennenden Kirche fordert"unbedingte Hingabe" für den Krieg

20.7.1943 - Der hannoversche Landesbischof August Marahrens von der Bekennenden Kirche fordert unbedingteHingabe für den Krieg:"Wir stehen in einem unseren ganzen Einsatz fordernden Krieg, und dieser Krieg muss in unbedingter Hingabe freivon Sentimentalität geführt werden" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 24 f.).

16. / 17.10.1943 - Die Synode der Bekennenden Kirche der Altpreußischen Union erklärt zum 5. Gebot im Sinneder lutherischen Zwei-Reiche-Lehre (siehe Anhang):"Gott hat den Menschen den Auftrag gegeben, den Mörder, den Übertreter seines Gebotes , zu töten. Er hat dieObrigkeit zu diesem Zweck als Dienerin der Gerechtigkeit eingesetzt ... dass solche Befehle [zur Hinrichtung] zurErhaltung des Lebens in der Gemeinschaft der Menschen und Völker notwendig sind, offenbart den Fluch der Sünde... Über die Tötung des Verbrechers und des Feindes im Kriege hinaus ist dem Staat das Schwert nicht zur

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Handhabung gegeben. Vernichtung von Menschen, lediglich weil sie Angehörige eines Verbrechers, alt odergeisteskrank sind oder einer anderen Rasse angehören, ist keine Führung des Schwertes, das der Obrigkeit von Gottgegeben ist" (zit. nach Denzler/Fabricius, Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt/M. 1993, S. 317 f.).

Anmerkungen: 1) Gott hat den Menschen nicht den Auftrag gegeben, Mörder zu töten, und Er hat auch nicht den Krieggelehrt. Die Amtskirchen haben Ihm das nur unterstellt. Das Gebot heißt "Du sollst nicht töten" - ohne Ausnahme.2) Wahrscheinlich wird indirekt auch die Judenvernichtung kritisiert (der Holocaust war jedoch zu einem großen Teilbereits vollzogen; siehe z. B. hier), obwohl von den Juden nicht gesprochen wird. Allerdings werden die Juden in derGesellschaft vielfach auch als "Verbrecher" am deutschen Volk gesehen, und Martin Luther betrachtet schon dieDurchführung jüdischer Gottesdienste als todeswürdige Verbrechen (vgl. Luther: "...dass man ihnen verbiete, bei uns ...öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren bei Verlust Leibes und Lebens ..."). Ein Großteil derJudenvernichtung ist außerdem schon vollzogen.

20.12.1943 - Der evangelische Landesbischof Wurm ändert sein gezieltes Schweigen (vgl. 12.12.1938, 12.3.1942und 16.7.1943) und schreibt an Reichsminister Lammers:"... dass wir Christen diese Vernichtungspolitik gegen das Judentum als ein schweres und für das deutsche Volkverhängnisvolles Unrecht empfinden ... Unser Volk empfindet vielfach die Leiden, die es durch die feindlichenFliegerangriffe ertragen muss, als Vergeltung für das, was den Juden angetan wurde" (zit. nach Klee, Die SA JesuChristi, a.a.O., S. 154). Die Worte werden von Landesbischof Wurm in der kommenden Zeit offenbar öffentlich nichtwiederholt. Sie bleiben ein Einzelfall.

1944

Ein evangelischer Kirchenpräsident und Bischof:Den Himmel mit Blutvergießen gewinnen

1.1.1944 - Aufruf zur Jahreswende des Präsidenten und späteren Bischofs der Thüringer Evangelischen KircheHugo Rönck:"Über Jahrhunderte hinweg mahnt uns das Vermächtnis Martin Luthers: ´Solch wunderliche Zeiten sind jetzt, dass einVolk den Himmel eher mit Blutvergießen gewinnen kann, denn anders sonst mit Beten` ... Heil Hitler"(Thüringer Kirchenblatt Nr. 1/1944).

Anmerkung: Der von den Kirchen maßgeblich mit angeheizte Krieg führte die Menschen in Scharen zurück in die Kirche.So sagte z. B. der damalige Offizier Günther Strahl in einem Interview: "Je länger der Krieg dauerte, je christlicher wurdendie Gedanken und je voller die Kirchen" (zit. nach Weihnachtsbaum und Hakenkreuz, Dokumentation, MDR 2002).Bischof Hugo Rönck erhielt nach dem Krieg 1947 wieder eine Pfarrstelle in Eutin und blieb dort bis zu seinem Ruhestand1976 unangefochten im Amt. Er starb 1990.

18.4.1944 - Bekanntmachung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern: Seelsorge an Sterbenden: "Wirleben in einer Zeit des großen Sterbens ... In einer solchen Zeit wächst der Kirche die Aufgabe zu, die Menschen an denTod zu mahnen, sie aber auch zu lehren, wie Christen sterben sollen." Es folgt ein Hinweis auf die Bibelstelle, "dassChristus unser Leben und Sterben Gewinn ist ... Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser" (zit. nach Amtsblatt derEvang.-Luth. Kirche in Bayern).

20.7.1944 - Das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg (*15.11.1907) und anderen Tätern geplante unddurchgeführte Attentat auf Adolf Hitler scheitert.

23.7.1944 - Predigt des Präsidenten der Thüringer Evangelischen Kirche Hugo Rönck. Er vergleicht Luther undHitler:"Kaum wüsste man neben dem Thüringer Bauernsohn Martin Luther noch einen anderen Deutschen zu nennen, der sowie Adolf Hitler in begnadeter, schöpferischer Vollmacht berufen war, seiner Zeit und kommenden Jahrhunderten denStempel seines wahrhaft revolutionären Wesens aufzuprägen" (Thüringer Kirchenblatt Nr. 15/1944).

30.7.1944 - Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei und der Geistliche Vertrauensrat der EvangelischenKirche (Mitglieder siehe hier) bekunden, dass sich das deutsche Volk "mit Empörung und Abscheu" von der Tat des20. Juli 1944 abwendet, und sie huldigen Hitler mit Treuetelegrammen. Wörtlich heißt es: "Aus tiefem Herzendanken wir dem Allmächtigen für die Errettung des Führers und bitten ihn, Er möge ihn weiterhin in seinen Schutznehmen. Mit dieser Bitte soll sich das Gelöbnis neuer Treue und der Entschluss verbinden, uns ernster noch alszuvor der unerbittlichen Forderung der Zeit zu unterwerfen, für die der Führer rastlos sein Alles einsetzt. - DieDeutsche Evangelische Kirchenkanzlei und der Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche habennach dem Anschlag auf das Leben des Führers in Treuetelegrammen an ihn den Dank gegen Gott für die gnädigeBewahrung Ausdruck verliehen" (Das Evangelische Deutschland, 30.7.1944).

Anmerkung: Die Fortsetzung des Krieges wird weiteren Hunderttausenden Menschen das Leben kosten, z. B. bei der

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Bombardierung deutscher Städte (zur These, Meiser hätte das Attentat befürwortet, siehe hier).

August 1944 - Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern verschickt einenantisemitischen Vortrag des Tübinger Theologieprofessors Gerhard Kittel als "Berufshilfe" an alleevangelischen Pfarrer (Vollnhals, a.a.O., S. 132)."Zu diesem Zeitpunkt wusste er [Landesbischof Meiser] aber schon, was sich in den Vernichtungslagern in Osteuropaabspielte" (Thomas Greif in Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 20/2009).

1945

Überlebende Juden:"Eine wankende Masse dunkler Haut und Knochen"

13.2. / 14.2.1945 - Bei den alliierten Luftangriffen auf Dresden kamen ca.25.000 Menschen ums Leben. Zerstört wurde dabei auch die evangelisch-lutherische Frauenkirche, aus der - wie aus allen deutschen evangelischenKirchen - jahrelang Predigten für den Krieg gehalten worden sind Die Ruineder Kirche diente in der DDR folgerichtig als ein "Mahnmal gegen Krieg undZerstörung".Eine Bombe warf auch das große Denkmal von Martin Luther, dem"Propheten der Deutschen" (siehe hier), vom hohen Sockel (SLUBDresden/Abt. Deutsche Fotothek, www.deutschefotothek.de / Richard Petersen.; Luther im Bild rechts unten am Boden) - ein Symbol dafür, wohin dieLehre Martin Luthers gegenüber den jüdischen Mitbürgern und die Lehre und

das Tun der evangelischen Kirche führte.

15. / 16.4.1945 - Die Engländer befreien das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Dazu der britischeMilitärrabbiner Hardman über seine Erlebnisse:"Als wir weiterliefen, begegneten wir dem, was mir die Überlebenden des Holocaust zu sein schienen - einewankende Masse dunkler Haut und Knochen, zusammengehalten nur durch filzige Lumpen. ´Mein Gott, die Totengehen , schrie ich laut, aber ich erkannte meine Stimme nicht wieder. ´Sie sind nicht tot , sagte das Mädchen. ´Aber siewerden es bald sein`" (zit. nach Königseder/Wetzel, Lebensmut im Wartesaal, Frankfurt 1994, S. 13 f.).

Anmerkung: Trotz der Hilfe sterben alleine in Bergen-Belsen in den nächsten Monaten 13.000 Lagerinsassen, die dasKriegsende zunächst überlebten, an den Folgen der Haft.

3.5.1945 - Die Amerikaner befreien das Konzentrationslager Mauthausen. Ein US-Soldat über die Menschendort:"Ihre Beine und Arme waren wie Stöcke mit ´riesigen angeschwollenen Gelenken ... Ihre Augen lagen so tief inden Höhlen, dass es aussah, als ob sie blind wären , erinnert er sich. Wenn sie sich bewegten, war dies mit einerschleichenden Langsamkeit, die sie aussehen ließ wie riesige lethargische Spinnen. Viele lagen in ihren Kojen wieTote" (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 15).

8.5.1945 - Kapitulation Deutschlands

Ab Mai 1945 - Die Siegermächte beginnen mit Prozessen gegen Nazi-Verbrecher. Aus Unkenntnis über die Haltungder evangelischen Kirche in den vergangenen Jahren und in der Gegenwart bitten die Amerikaner am Beginn ihrerErmittlungen immer wieder die evangelische Kirche um Hilfe und fragen die Pfarrer um Rat. Dies wird von derKirche ausgenutzt, um einerseits Verbrechen von Kirchenanhängern zu rechtfertigen und die Betroffenen zu"entlasten" und um andererseits Gegner der Kirche durch die Militärregierung verurteilen zu lassen.Beispiel Coburg/Bayern: Der evangelische Dekan setzt sich für den Nazi-Kreisleiter ein, da er auch ein"Verfechter kirchlicher Interessen" war. Bei einem Lehrer, der kein NSDAP-Mitglied war, betreibt derlutherische Dekan aber die Entlassung aus dem Dienst. Der Lehrer hatte während der Nazi-Zeit die Kirchescharf angegriffen (Vollnhals, a.a.O., S. 135).

9.5.1945 - Die USA bitten Landesbischof Meiser um Zusammenarbeit und um Personalvorschläge "für höhereund höchste Staatsämter". So bringt die Evangelisch-Lutherische Kirche z. B. den Vizepräsidenten desLandeskirchenrates, Oberkirchenrat Dr. Hans Meinzolt, gleich als "Staatsrat im Kultusministerium" unter. Damit istein Kirchenmann ab 1945 oberster Verwaltungsbeamter der neuen bayerischen Staatsregierung (nach Vollnhals,a.a.O., S. 135 f.). Ähnliches geschieht auch in anderen Regionen Deutschlands.

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Die evangelische Kirche rechtfertigt sich und alle ihre Amtsträger

10.5.1945 - Landesbischof Theophil Wurm hält in Stuttgart einen "Gottesdienst" und rechtfertigt dasVerhalten der Kirche:"Es hat von Seiten der beiden christlichen Kirchen nicht an Versuchen gefehlt, die Regierung an ihre Verantwortungvor Gott und vor den Menschen zu erinnern. Aber diese Mahnungen wurden entweder nicht beachtet oder alsEinmischung in staatliche Angelegenheiten zurückgewiesen" (zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O., S. 160).

11.5.1945 - Landesbischof Theophil Wurm: "Nicht klagen und anklagen, sondern vergeben und helfen ist dasGebot der Stunde" (zit. nach Klee, Die SA Jesu Christi, a.a.O., S. 160).

Anmerkung: So engagiert sich Landesbischof Wurm z. B. ab 1951 im Vorstand der Stillen Hilfe für Kriegsgefangene undInternierte, Seite an Seite mit Gudrun (genannt "Püppi") Himmler, der Tochter des gefürchteten SS-Chefs HeinrichHimmler. Die "Stille Hilfe" gilt als "getarnte Nazi-Organisation", "die noch heute diskret aber wirkungsvoll die Drähte imbraunen Netzwerk zieht" (Abendzeitung Nürnberg, 5.4.2006).

Ab 1945 - "Rom ist in den Nachkriegsjahren der beliebteste Wallfahrtsort flüchtiger Nazis. In der Ewigen Stadt findensie Unterschlupf und falsche Papiere zur Flucht ins Ausland" (Ernst Klee, in: Persilscheine und falsche Pässe,Frankfurt am Main 1991, S. 25).Dank katholischer Hilfe können z. B. der Organisator der "Endlösung", das evangelische KirchenmitgliedAdolf Eichmann, und der Katholik und Auschwitz-Arzt Josef Mengele nach Südamerika fliehen.Eichmann, der als Jugendlicher im CVJM (= Christlicher Verein Junger Menschen) tätig war, sagt dazu am14.5.1961: "Ich erinnere mich in tiefer Dankbarkeit an die Hilfe katholischer Priester bei meiner Flucht aus Europaund entschied, den katholischen Glauben zu honorieren, indem ich Ehrenmitglied wurde."

Anmerkung: Eichmann bleibt offiziell evangelisch, trägt aber in seinen argentinischen Pass "katholisch" ein, was er alsEhrenmitgliedschaft auffasst.

Juni 1945 - Martin Niemöller, der Vorsitzende des Pfarrernotbundes und einer der Sprecher der "BekennendenKirche", erläutert, wie er sich aus dem "Prominenten-Bunker" im KZ Dachau (mit besseren Bedingungen als inanderen KZs) bei Kriegsausbruch freiwillig zur Kriegsmarine meldete. Er habe als Lutheraner für sein Vaterlandkämpfen müssen. Eine demokratische Regierungsform komme für die Deutschen aus seiner Sicht nicht inFrage:"The Germans like to be governed" (= "Die Deutschen möchten regiert werden.") (zit. nach Ernst Klee, Persilscheine,a.a.O., S. 11).

Anmerkung: Die Nazis ließen Martin Niemöller 1939 nicht an die Front. 1947 wird er Kirchenpräsident der EvangelischenKirche von Hessen-Nassau. Zusammen mit den Landesbischöfen Hans Meiser, Theophil Wurm und anderen ist er 1945auch Mitbegründer der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Schuld von Kirchenmitgliedern: Vorsicht vor den Amerikanern!

30.6.1945 - Absprachen der Kirchenverantwortlichen mit Landesbischof Meiser hinsichtlich ihres Verhaltens beider "Vernichtung unwerten Lebens". Dazu Pfarrer Ratz aus Neuendettelsau an Pfarrer Harleß aus Bruckberg:"Wie ich neulich von Frau Dr. Asam-Bruckmüller hörte, interessieren sich die Amerikaner sehr für die Sache. Esscheint auch, dass sie versuchen, einen verantwortlichen Mann zur Rechenschaft zu ziehen. Da ist es natürlich nötig,dass unsere Angaben über das, was wir taten, übereinstimmen. Als in dieser Woche Herr Landesbischof Meiserhier war, wurde auch über diese Sache gesprochen und auch von ihm betont, wie nötig es sei, gerade in diesen Dingenmöglichst Vorsicht walten zu lassen" (zit. nach: Müller/Siemen, Warum sie sterben mussten, Leidensweg undVernichtung von Behinderten aus den Neuendettelsauer Pflegeanstalten im "Dritten Reich", Neustadt/Aisch 1991,S. 168 f.).Am 26.2.1946 können "die Pflegeanstalten Neuendettelsau teilweise wieder ihren früheren Zweckbestimmungenzugeführt werden. Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser" (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern). (PS: EineZusammenstellung aller Informationen zu der Ermordung Behinderter finden Sie hier)

Seit 1945 - Landesbischof Meiser setzt sich für Kriegsverbrecher ein. Immer mehr Kriegsverbrecher wenden sichdeshalb an den Bischof. Meiser bleibt bis zu seinem Ruhestand 1955 als Landesbischof unangefochten im Amt.

6.7.1945 - Bitte von SS-Sturmbannführer Dr. Matuscyk, die SS-Männer in die Seelsorge einzuschließen, damitsie dem Volke nicht verloren gehen."An Seine Excellenz Landesbischof Meiser ..."Die SS-Männer seien "geblendet von dem Strohfeuer eines nationalen Aufstiegs" gewesen.

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"... wir sollten der auserlesene Orden der Nation sein ..." Nun müssten die SS-Männer "den Weg zum Kreuz Christiwieder zurückfinden ... Was Körper und Geist anbetrifft, so stellte die SS im großen und ganzen eine gute Auslesedar."Der "ergreifende Bericht" erinnert die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern an den Ruf des Paulus:"Komm herüber und hilf uns." Deshalb soll alles geschehen, was getan werden kann. Landesbischof Meiser vermeidetwegen der amerikanischen Militärregierung eine direkte Antwort, lässt aber Dr. Matuscyk das Christuswortausrichten: "Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinaus stoßen" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 11 f.).

20.7.1945 - Auf Initiative der Evangelischen Kirche erfolgt ein scharfer Protest von Landesbischof Meiser undKardinal Faulhaber gegenüber der Militärregierung. Die Forderungen:- Keine pauschale Verurteilung ehemaliger Parteigenossen- Keine pauschale Verurteilung von SS-Leuten- Freilassung der inhaftierten Bankiers und IndustriellenDie Kirchenführer beklagen, "... wie schwer diese Industriellen, zum Teil höheren Alters, unter den Entbehrungen derGefängnisse und ihre Familien unter dieser Trennung leiden" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 14). Dasunsagbare Leid in den jüdischen Familien war Landesbischof Meiser einige Jahre zuvor jedoch kein einziges Wortwert, und er kritisierte andere scharf, die wenigstens überlegten, vielleicht etwas zu sagen (siehe 23.-26.9.1935).

Auch nach dem Holocaust: Der Antisemitismus lebt weiter

Sommer 1945 - Nur wenige jüdische Bürger überleben den Holocaust. Sie leben in Lagern, z. T. hinter Stacheldraht inden früheren Konzentrationslagern, zusammen mit anderen DPs (= Displaced Persons = Menschen, die aufgrund desKrieges ihren Wohnsitz verloren hatten).Die jüdischen Lagerbewohner leiden unter dem Antisemitismus von deutschen Lagerinsassen. Sie bekommenoft zu wenig Nahrung oder Kleidung.

24.8.1945 - Bericht des amerikanischen Kommissars Harrison über die Situation der Juden in den Lagern:"Viele jüdische Displaced Persons hatten Ende Juli nichts anderes zum Anziehen als ihre Konzentrationslager-Kleidung - ein hässlicher gestreifter Pyjama -, während andere es verständlicherweise als Schikane betrachteten, dassman sie sogar zwang, deutsche SS-Uniformen zu tragen ... Abgesehen davon, dass sie die Gaskammern, Foltern undandere Formen des gewaltsamen Todes nicht mehr fürchten müssen, hat sich wenig verändert" (zit. nachKönigseder/Wetzel, a.a.O., S. 36).

1945 - Landesbischof Meiser unterstützt die Verteidigung der deutschen Kriegsverbrecher. Er spricht sich z. B.mit Dr. Dix ab, Verteidiger der Kriegsverbrecher der IG-Farben. Dix an Meiser: "In der grundsätzlichen Frage, diewir in Fischen besprachen, werde ich mich melden, sobald die prinzipiellen Unterlagen für den Flick-Prozessvorliegen" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 69).

1945/1946 - Kircheneintrittsbewegung in Deutschland - Viele sprechen von der "Stunde der Kirche".

4.9.1945 - Der evangelisch-lutherische Dekan Georg Merz aus Würzburg erklärt, ein "dumpfes Empfinden"führe die Menschen zurück in die Kirche, über das nur "ganz wenige" hinauskommen werden.Merz wörtlich: "... dass sich die Kirche nicht umzustellen braucht, dass ihre gottesdienstliche Ordnung, ihre Lieder,ihr Katechismus die gleichen bleiben ... empfinden sicherlich die meisten als einen Abglanz der Ewigkeit, die demWerk der Kirche Gehalt und Bestand gibt" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 134).

8.9.1945 - Hermann Vogel, während der NS-Zeit Regierungsdirektor im Bayerischen Staatsministerium desInneren, nach Kriegsende aus dem Staatsdienst entfernt, schreibt an Landesbischof Meiser:Der Nationalsozialismus sei schließlich "gestützt auf demokratische Wahlzettel" formal legal zur Herrschaftgekommen. Die Entfernung aus dem Dienst sei Unrecht. "Ist diese Verfolgung nicht fast schlimmer wie dieVerfolgung Andersdenkender durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933?" (zit. nach Klee, Persilscheine,a.a.O., S. 17)

10.9.1945 - Die jetzt veröffentlichte Gefallenenliste vom 27.4.1945 im Amtsblatt der Ev.-Luth. Kirche in Bayernhat eine neue Überschrift: Statt "Im Dienst für Führer und Vaterland haben ihr Leben hingegeben" heißt es jetzt: "Inden letzten Kriegsmonaten sind gefallen". Der Nachsatz ist gleich geblieben: "Daran haben wir erkannt die Liebe, dassEr [Christus] sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. 1. Joh. 3, 16; D.Meiser."

1945 - Matthäus Karrer, ehemaliger NSDAP-Ortsgruppenleiter, schreibt im Namen aller inhaftierten NSDAP-Ortsgruppenleiter, darunter viele evangelische Gemeindeglieder, an Landesbischof Meiser:Schmerzlich empfänden sie nun, dass niemand gegen das Unrecht ihrer Internierung die Stimme erhebe. Wir erkennen

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nicht an, "dass unsere untergeordnete Tätigkeit der Vergeltung wert ist" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S.17 f.).

1945 - Ehemalige Gestapo-Beamte, darunter evangelische Gemeindeglieder, schreiben an LandesbischofMeiser: "Grundsätze des Berufsbeamtentums wie Pflichterfüllung, Gehorsam, Wahrheitsliebe und Ehrlichkeitwaren uns Richtschnur bei allen unseren Amtshandlungen." Von Verbrechen hätten sie erst aus der Zeitungerfahren (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 18 f.).

1945 - Ein evangelischer SS-Unteroffizier aus Hammelburg schreibt an Landesbischof Meiser: "Alles, was manuns vorwerfen kann, ist ein politischer Irrtum." Von den Verbrechen hätten sie erst aus Presse und Rundfunkerfahren (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 19).

Kommentar des Schriftstellers Ralph Giordano zu allen Selbstrechtfertigungen: "Es war zum Gotterbarmen"(zit. nach: 50 Jahre das Beste vom "Stern" aus dem Jahr 1951; erschienen 1997).

Gutachten der Evangelischen Kirche:"Klares kompromissloses Eintreten" für NSDAP-Pfarrer

ist "stellvertretender Kampf für das ganze Volk"

Oktober 1945 - Ein vom Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Auftrag gegebenesGutachten des früheren Leiters der Apologetischen Centrale in Berlin und derzeitigen Dekans von Erlangen,Walter Künneth, erscheint. Künneths Gutachten behandelt die Nazi-Vergangenheit von evangelischen Pfarrern. Erkommt dabei zu dem pauschalen Ergebnis:Der Beitritt von Pfarren zur NSDAP sei "aus einer ethisch einwandfreien, das Beste erstrebenden Gesinnungerwachsen." Ein "klares kompromissloses Eintreten" der Kirche "für ihre Pg.-Geistlichen" (Anmerkung: =Parteigenossen-Geistlichen = NSDAP-Geistlichen) sei als "stellvertretender Kampf für das ganze Volk" zuwerten. Die Kirche dürfe nicht schweigen, wenn die Amerikaner versuchten, einen NSDAP-Pfarrer zuverurteilen.Wenn z. B. Wehrmachtsoffiziere oder andere Nazi-Funktionäre der "Erfüllung ihrer Staatsbürgerpflichten"gemäß der Bibel nachgingen, sei dies christlich gerechtfertigt. Künneth wörtlich: "Was 1933 kirchlich erlaubtwar, kann 1945 kirchlich nicht verboten sein" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 142 f.).

Anmerkung: Im Jahr 1933 forderte Künneth in einem für die Evangelische Kirche Deutschlands geschriebenen Gutachtendie "Ausschaltung der Juden als Fremdkörper im Volksleben" (siehe Zeitablauf: 1933).Künneths Gutachten sind jeweils wegweisend für die Haltung der Kirche zu diesem Thema. 1946 wird Künneth zumHonorarprofessor für Evangelische Theologie an der Universität Erlangen ernannt, 1953 zum ordentlichen Professor, woer bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1969 und darüber hinaus lehrt. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern verleihtihm den Ehrentitel "Kirchenrat".Und vom Freistaat Bayern erhält Künneth den Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst und den BayerischenVerdienstorden. In der Todesanzeige des Freistaats Bayern für Künneth bezieht sich Ministerpräsident Edmund Stoibernur auf die weltanschauliche Auseinandersetzung Künneths mit Alfred Rosenberg über die lutherische Lehre und erklärt:"Walter Künneth war ein Mann der Heiligen Schrift. Aus ihr schöpfte er den Bekennermut und dieUnerschrockenheit, die er der nationalsozialistischen Ideologie und dem Zeitgeist nach 1945 entgegensetzte"(Süddeutsche Zeitung, 29.7.1997; vgl. Zeitablauf: 1935).

16.10.1945 - Der Berichterstatter der Bayerischen Staatsregierung Etzel schreibt an den ersten MinisterpräsidentenWilhelm Hoegner, dass in den Kirchen Stimmung zugunsten der Nazis gemacht werde. Am Beispiel seinerBeobachtungen in Bamberg berichtet er, die Pfarrer versuchten "falsches Mitleid" zu erregen, ein katholischerPfarrer mache z. B. "aus Nazis Märtyrer". Die öffentliche Meinung wird durch die "Klerikalen" "vergiftet undzersetzt" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 139).

19.10.1945 - Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird nach Verlesen des allgemein gehaltenenso genannten Stuttgarter Schuldbekenntnisses vor Vertretern des Weltkirchenrats als Gesprächspartner wiederinternational anerkannt. In dem Bekenntnis heißt es:"Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der imnationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, dass wirnicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben."Das Bekenntnis ist unter anderem unterzeichnet von den Landesbischöfen Hans Meiser und Theophil Wurm, demBerliner Bischof und späteren EKD-Vorsitzenden Otto Dibelius und dem späteren Kirchenpräsidenten MartinNiemöller.

Zum Stuttgarter Schuldbekenntnis sagt Martin Niemöller am 27.5.1971: "Bei uns in der evangelischen

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Christenheit Deutschlands ist das Stuttgarter Schuldbekenntnis zunächst ohne ein vernehmbares Echogeblieben, hat vielmehr erheblichen und sehr lauten Widerspruch gefunden, und zwar von allen Seiten ... Manhätte wohl erwarten dürfen, dass sich die Unterzeichner der Stuttgarter Erklärung in ihrer Verkündigung für die hierbezeugte Schuld offen, klärend und aufklärend eingesetzt haben würden. Aber das ist leider, aufs Ganze gesehen,unterblieben. Und so endete diese ... Schulderklärung als ein für die Christenheit in Deutschland fast bedeutungslosesIntermezzo und wurde als ein gelungener taktischer Schachzug registriert, durch den sich die Evangelische Kirchein Deutschland ihre ökumenische Anerkennung wieder verschafft hatte. Der neue Anfang, von dem die Erklärung sohoffnungsvoll, zuversichtlich und entschlossen gesprochen hatte, blieb denn auch aus" (Vortrag im evangelischenGemeindehaus in Wetzlar-Niedergirmes). Die Juden werden ohnehin mit keinem Wort erwähnt.

5.11.1945 - General Dwight D. Eisenhower an US-Präsident Harry Truman über die Situation der überlebendenJuden in den Konzentrationslagern: "... kann ich Ihnen versichern, dass die meisten unbefriedigenden, von Harrisonangeführten Zustände, nicht mehr bestehen" (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 44; vgl. Zeitablauf: 24.8.1945).

28.11.1945 - Brief des Landsberger Stadtrates für das Wohnungsamt an den Staatskommissar für die Betreuungder Juden in Bayern, Hermann Aumer:"Der Expansionstrieb der hiesigen Juden und deren Methoden zur Erlangung ihrer Ziele nimmt Formen an, die überkurz oder lang zu einer nicht wieder gutzumachenden Episode führen, das zu verhindern sämtliche verantwortlicherStellen vordringlichste Aufgabe sein dürfte."Nach Auflistung der unbestätigten Anschuldigungen heißt es: "Hier kann nur rücksichtslosester Zugriff durch dasWohnungsamt Abhilfe schaffen, wie bereits durchgeführt, da ansonsten die ganze Vorstadt in kürzester Zeit ein Gettosein würde" (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 219 f.).

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beklagtneue Grenzziehung im Osten: Vergleichbar dem Holocaust

28.11.1945 - Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vergleicht in einem Offenen Brief an dieChristen in England die geplante Verschiebung der deutschen Ostgrenze mit dem Holocaust:"Das deutsche Volk auf einen noch engeren Raum zusammenzupressen und ihm die Lebensmöglichkeitenmöglichst zu beschneiden, ist grundsätzlich nicht anders zu bewerten als die gegen die jüdische Rassegerichteten Ausrottungspläne Hitlers" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 39).

21.12.1945 - Der Landrat des Kreises Wolfratshausen beschuldigt die Juden, besonders intensivenSchwarzhandel zu treiben und damit ein Vermögen zu verdienen: "Der Geldbesitz der Genannten geht bei denEinzelnen in die Zehntausende" (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 136; lt. Buchautoren eine "absurdeVerleumdung").US-General Clay stellt richtig, die jüdischen Displaced Persons fallen, "verglichen mit anderen Displaced Personsoder gar der deutschen Bevölkerung, nicht besonders auf."

1946

KZ-Personal aus "ordentlichen Gemeindegliedern"

Landesbischof Meiser beklagt das "Unrecht" gegenüber KZ-Personal:Zahlreiche Betroffene wurden, "ohne befragt zu werden, als Soldaten zum Lagerdienst abkommandiert", wo sie"Befehle zu vollziehen hatten". "Eine Reihe von sehr ordentlichen Gemeindegliedern der verschiedenen Kirchenwaren unter ihnen, auch ein Diakon" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 59 f.).

15.3.1946 - Landesbischof Meiser erklärt, dass das allgemein gehaltene Stuttgarter Schuldbekenntnis "den Trostder Vergebung" vorbereiten will. Ein Wort über die Kriegsschuld lehnt er ab."Die Propaganda ... hat sich nun aber der Erklärung bemächtigt und den Eindruck erweckt, als habe die Kirche vordem Forum der Welt Stellung zur Schuldfrage genommen ... Die Stuttgarter Erklärung nimmt nicht zur Frage derpolitischen Kriegsschuld als solcher Stellung ... Die Stuttgarter Erklärung scheidet die Kirche nicht vom Volk,sondern nimmt Kirche und Volk solidarisch zusammen ... Die Stuttgarter Erklärung will gegen den Hass derVergeltung den Trost der Vergebung setzen und so dem Geiste Gottes Raum geben, der neue Gemeinschaft schenkt.München, 6. März 1946. Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser" (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern).

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April 1946 - Der in Bayern eingesetzte US-Captain Alfredt Pundt beklagt, die Evangelisch-Lutherische Kirchesabotiere bewusst die Ahndung von Nazi-Verbrechen und Vergehen der evangelischen Pfarrer. Er bittet ummehr Personal, um dennoch wirkungsvoll Aufklärungsarbeit machen zu können. Als Notmaßnahme beschließt dieMilitärregierung schließlich, zehn der schlimmsten Fälle bei den Nazi-Pfarrern auszuwählen. Doch LandesbischofMeiser und die Kirchenleitung rechtfertigen auch diese zehn mit Nachdruck und bekämpfen alle Versuche, einenPfarrer juristisch zu belangen (Vollnhals, a.a.O., S. 148; vgl. Pfarrer Keller; 25.9.1946).

Schreiben der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD):Wie kann heute Unrecht sein, was gestern Recht war?

26.4.1946 - Schreiben der von Landesbischof Meiser mit gegründeten EKD an die AmerikanischeMilitärregierung gegen das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus:"Dabei waren Handlungen und Gesinnungen, die heute verurteilt werden, vom damaligen Gesetzgeber alsrechtmäßig und gut eingeschätzt. Hierdurch wird das Rechtsempfinden erschüttert und von den Angeklagteneine Rechtseinsicht verlangt, die man nicht erwarten kann.""Die christliche Kirche muss darauf aufmerksam machen, dass das Gesetz durch diese seine Grundhaltung nichtgeeignet ist, das Gewissen des deutschen Volkes zu treffen.""Zahlreiche Parteigenossen sind im Anfang der Entwicklung aus idealistischen Motiven in die Partei eingetreten, etwaweil sie sich ... eine Überwindung von Freidenkertum und Atheismus von einem Erstarken der nationalsozialistischenBewegung versprochen hatten ... Es gab auch vielerlei sachliche Gründe, die einen Austritt aus der Partei verboten, z.B. den Pfarrern, die sich ihr Recht zur Erteilung von Religionsunterricht in der Schule so lange wie irgend möglicherhalten mussten ..." (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)

April 1946 - Landesbischof August Marahrens aus Hannover verteidigt die SA. Die SA-Männer seien Opfergewesen."Sie erstrebten lediglich eine Erneuerung des deutschen Volkes auf vaterländischer Grundlage und wurden durch diespätere Entwicklung bitter enttäuscht ... Weil sich hier eine Möglichkeit der christlichen Verkündigung bot, fandensich auch überzeugte Christen und Theologen zur Mitgliedschaft in der SA bereit ..." (zit. nach Klee, Persilscheine,a.a.O., S. 16)

Anmerkung: Die SA war spätestens seit 1932 als gewalttätige Truppe bekannt, die z. B. in VersammlungenAndersdenkender einbrach. Die SA-Männer schlugen auf die Anwesenden ein und ermordeten auch gezielt politischeGegner (vgl. Zeitablauf: September 1933). Vgl. dazu: Landesbischof August Marahrens und Kirchen-Vizepräsident Hahneröffneten 1934 in Bevensen eine neue Theologenschule der Hannoverschen Landeskirche, deren Lehrgängesogar unter der Leitung eines SA-Führers stehen mussten (vgl. Zeitablauf: 20.1.1934; siehe auch Klee, Die SA JesuChristi, a.a.O., S. 72).

Julius Streicher, Herausgeber des "Stürmer",beruft sich auf Martin Luther

29.4.1946 - Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Blattes Der Stürmer, beruft sich bei denNürnberger Kriegsverbrecherprozessen auf "seinen großen Lehrer" Martin Luther: "Dr. Martin Luther säßeheute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch [Von den Juden und ihren Lügen] inBetracht gezogen würde. In dem Buch ´Die Juden und ihre Lügen` schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seienein Schlangengezüchte, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten ... Genau das habenwir getan!" (zit. nach Fritz May, Israel zwischen Blut und Tränen, Der Leidensweg des jüdischen Volkes, Aßlar1987, Bd. 3, S. 94 f.; siehe auch "Der Theologe Nr. 28" - Martin Luther - der größte Antisemit seiner Zeit)Vgl. Martin Luther: Er schrieb zwar nicht direkt "vernichten", doch er sprach davon, sich der "teuflischen Last derJuden" zu "entladen" und schrieb z. B.: "... und gehe mit ihnen um nach aller Unbarmherzigkeit wie [angeblich] Mosetat in der Wüste und schlug dreitausend tot, dass nicht der ganze Haufen verderben musste" (zit. nach Hans-JürgenBöhm, Die Lehre Martin Luthers, Ein Mythos zerbricht, Eigenverlag, Postfach 53, 91284 Neuhaus, S. 235) .

Anmerkung: Im Evangelischen Sonntagsblatt heißt es dazu, dass "manche Zeitgenossen [bereits] in den 1920er Jahren" in JuliusStreicher "gar einen ´neuen Luther` erkannt haben wollen" (Nr. 15/2008) .

Ende April 1946 - Generalleutnant Lucius D. Clay teilt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit,dass die Kirche seine Erwartungen enttäuschte:

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"Beispielsweise kann ein Geistlicher für ein Verbrechen ins Gefängnis geworfen werden und damit an der Ausübungseiner üblichen Funktionen verhindert werden. Dies würde nicht als eine Beeinträchtigung der Rechte der Kircheangesehen ... Die Amerikanische Militärregierung hat von Anfang an der vollkommenen religiösen Freiheit ihrevolle Unterstützung geliehen. Sie hat jedoch von den Kirchenführungen erwartet, dass sie mithelfen, allediejenigen aus führenden Stellungen in Deutschland zu beseitigen, die sich mit einer Parteiorganisationverbunden haben, die den Gesetzen Gottes nur äußerste Verachtung entgegengebracht und dieMenschenrechte mitleidlos zu Boden getreten haben" (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern).

2.5.1946 - Antwort der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) an Lucius Clay - "Die Entfernung vielerMenschen aus Ämtern ... zerstört wieder das langsam wachsende Rechtsempfinden ... Die Verkündigung derKirche, die sich um eine echte Umkehr des Volkes und eine wirkliche Reinigung vom Geist des Nationalsozialismusmüht, wird durch viele der heutigen Maßnahmen erheblich erschwert" (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirchein Bayern).

Evangelische Kirche verbietet den Pfarrern, den Alliierten bei derStrafverfolgung von NS-Verbrechen und -Vergehen zu helfen

1946 - Den evangelischen Pfarrern wird von der Kirche verboten, an der so genannten "Entnazifizierung"mitzuwirken.

Juni 1946 - Die Militärregierung ist machtlos gegenüber der Weigerung der evangelischen Kirche, Nazi-Pfarrergemäß den Kriterien der Behörden aus dem Dienst zu entlassen. Allein in Bayern fallen 156 Pfarrer undKirchenangestellte in die höchste "Entlassungskategorie". Doch Landesbischof Meiser, der nach wie vor diealleinige und uneingeschränkte Gesetzes- und Entscheidungsvollmacht in der Kirche innehat, rechtfertigt alle156 Betroffenen.Im Unterschied dazu hat die römisch-katholische Kirche die Urteile der Militärregierung in Bezug auf ihre Priesterakzeptiert (Vollnhals, a.a.O., S. 156).

Juli 1946 - Landesbischof Meiser gibt seine Führervollmachten in der Kirche an die neu gewählteLandessynode zurück mit der Versicherung, er habe sie nie missbraucht, vielmehr stets "zum Wohl unsererKirche" benutzt (zit. nach Erlanger Nachrichten, 27.8.1993).

1946 - Konrad Adenauer, 1945 Mitbegründer und seither Vorsitzender der CDU, über die Schuld der Bischöfe:"Im übrigen hat man aber auch gewusst - wenn man auch die Vorgänge in den Lagern nicht in ihrem ganzen Ausmaßegekannt hat -, dass die persönliche Freiheit, alle Rechtsgrundsätze mit Füßen getreten wurden, dass in denKonzentrationslagern große Grausamkeiten verübt wurden, dass die Gestapo, unsere SS und zum Teil auch unsereTruppen in Polen und Russland mit beispielloser Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. DieJudenpogrome 1933 und 1938 geschahen in aller Öffentlichkeit. Die Geiselmorde in Frankreich wurden von unsoffiziell bekannt gegeben. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass die Öffentlichkeit nicht gewusst habe, dassdie nationalsozialistische Regierung und die Heeresleitung ständig ... gegen die einfachsten Gebote verstießen. Ichglaube, dass, wenn alle Bischöfe alle miteinander an einem bestimmten Tage öffentlich von den Kanzeln aus dagegenStellung genommen hätten, sie vieles hätten verhindern können. Das ist nicht geschehen, und dafür gibt es keineEntschuldigung" (zit. nach Spiegel Nr. 34/1998).

Anmerkung: Es hat auch kein Bischof um Verzeihung gebeten. Eine gemeinsame Kanzelabkündigung in dem vonAdenauer genannten Sinne stand nie zur Diskussion.

1946 - Landesbischof Meiser stellt sich und die so genannte "Bekennende Kirche", der er angehört, in einemFlugblatt als Widerstandskämpfer gegen die Nazis hin. Das Flugblatt lässt er in hoher Auflage verteilen."Der Kampf der BK (= Bekennende Kirche) ... ging fort, solange das Dritte Reich bestand, und erweiterte sichgleichzeitig zu einem Kampf für Recht und Gerechtigkeit im Leben des ganzen Volkes und gegen alle Bedrückungund Vergewaltigung insbesondere gegen das Unrecht der Konzentrationslager, gegen die Ermordung vonGeisteskranken und gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden" (vgl. dazu den Beleg des Gegenteils z. B. beiZeitablauf: 23.-26.9.1935; 12.12.1938).Der Kirchenhistoriker Carsten Nicolaisen schreibt dazu ca. 50 Jahre später: " ... ein peinliches, der Wirklichkeit nichtstandhaltendes Dokument ... Die Bekennende Kirche hat sich in ihrer Mehrheit geradezu leidenschaftlich dagegengewehrt, sich in die politische Opposition zum nationalsozialistischen Staat drängen zu lassen" (zit. nach: Er liebtesein Kirche, a.a.O., S. 57).

25.9.1946 - Der evangelisch-lutherische NS-Pfarrer Keller wird freigesprochen. Keller trug das goldene NSDAP-Parteiabzeichen. In einem parteiinternen Beurteilungsbogen heißt es 1936 über ihn: "Kämpfer der alten Garde,

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zuverlässig und einsatzbereit ..." Und in einem Bericht einer studentischen Burschenschaft wurde ihm 1936 bestätigt,dass "sein unerschrockener Glaube an die nationalsozialistische Idee" Menschen mitreißen konnte (Vollnhals, a.a.O.,S. 268 f.). Innerhalb der Kirche war Keller ein Anhänger der Bekennenden Kirche, man sprach von einem"Bekenntnispfarrer". Letzteres ist mit ausschlaggebend für den Freispruch. Keller warb unter den Pfarrern auch für dieNSDAP. Mehrfach hielt er als Referent einen kämpferisch antisemitischen Vortrag auf Pfarrko nferenzen.Dabei warnte Keller vor der "völligen Weltherrschaft" des Judentums. 1946 legt Keller 23 kirchenamtlicheeidesstattliche Erklärungen zu seiner Rechtfertigung vor. Demnach hätte er seit 1930 "Widerstand" gegen dienationalsozialistische Weltanschauung geleistet.

Anmerkung: Der Autor Clemens Vollnhals hat den Namen des Betroffenen geändert.

1947

Der evangelisch-lutherische Generalfeldmarschall Wilhelm List, Wehrbefehlshaber auf dem Balkan,Militärverwaltung "Südost" und in dieser Eigenschaft auch für Wehrmachtsverbrechen auf dem Balkanverantwortlich, wendet sich an die Evangelische Kirche in Deutschland mit der Bitte um Hilfe für seine Verteidigung.Die EKD reagiert positiv und schreibt über List: "Hat Eintreten der Kirche voll verdient."Dazu Landesbischof Meiser unter Aktenzeichen 5.12.1947 / LKA Stuttgart, D1/308: List habe "in jeder Weise demDienst des Heeresgeistlichen die Wege geebnet."Und am 14.4.1948 schreiben die Landesbischöfe Meiser und Wurm über List, dass er sein Amt "stets so zu führenbestrebt war, dass er es vor Gott, seinem Gewissen und vor aller Öffentlichkeit jederzeit zu rechtfertigen vermochte"(Clemens Vollnhals, Die Hypothek des Nationalprotestantismus, in: Geschichte und Gesellschaft 1/1992, S. 60).List kommt "krankheitshalber" frei (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 168).

1947 - Auch ehemals höchste Nazi-Verantwortliche nutzen das von den Kirchen maßgeblich zu verantwortendeKlima der Selbstrechtfertigungen, um in eine Opferrolle zu gelangen, z. B. Hans Fritzsche, Ministerialdirektor imNS-Propagandaministerium, Chef-Rundfunkkommentator im Dritten Reich:"Ich bin von Verbrechern vom Schlage eines Hitler oder Goebbels getäuscht worden. Ich bin geistig genausomissbraucht worden, wie viele andere körperlich" (zit. nach Spiegel Nr. 5/1947).

Rechtfertigung für den NS-Finanzminister:Er war aktives Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche

1947 - Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern setzt sich für Lutz Graf Schwerin von Krosigk ein,Reichsfinanzminister von 1932-1945 und nach Hitlers Selbstmord vom 2.5.1945 bis zu seiner Verhaftung am23.5.1945 als "Leitender Minister" offizieller deutscher Regierungschef mit eigenem Kabinett. Er wurde bei denNürnberger Prozessen zu 10 Jahren Haft verurteilt. Schwerin von Krosigk war für die Enteignung der verfolgtenJuden zuständig und war zumindest am 12.9.1938 auch Teilnehmer der berüchtigten Gesprächsrunde imReichsluftfahrtministerium mit Goebbels und Göring. Dort wurden Maßnahmen der Judenverfolgung besprochen.Pfarrer Schuster von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Dachau schreibt an Landesbischof Meiser:"Schwerin von Krosigk war ein aktives Mitglied der evangelischen Kirche, der sonntäglich in die Kirche ging,seine Kinder in den Kindergottesdienst schickte und zu Konfirmationen im Namen der Gemeinde dieKonfirmanden in der Kirche ansprach."Landesbischof Meiser verspricht Kirchenrat Rusam am 19.4.1949, ein Gnadengesuch einzureichen. Krosigk kommtfrei und lebt bis zu seinem Tod im Jahr 1977 in Freiheit (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 9 f.171).

11.5.1947 - Landesbischof Meiser rechtfertigt das Denken "des deutschen Volkes" und bittet die evangelischenChristen im Ausland um Nahrungsmittelhilfe, um eine "Hungerkatastrophe" abzuwenden.Meiser schreibt dazu: "Liebe Brüder in Christus! 2 Jahre nach Niederwerfung des Nationalsozialismus sieht es [dasdeutsche Volk] noch Ungezählte unter kaum zu ertragenden Härten der Entnazifizierung und Internierung leiden.Die Massenaustreibungen aus dem Osten und die Zwangsverschleppungen nach dem Osten vermag es mit denGrundsätzen der Menschlichkeit nicht in Einklang zu bringen. Die derzeitige Grenzziehung im Osten muss ihm [demdeutschen Volk] als eine dauernde Bedrohung seiner Existenz erscheinen. Dies alles führt zu einer radikalenErschütterung des Rechtsgefühls, zu einer sich stetig steigernden Erbitterung, zu peinlichen Vergleichen zwischeneinst und jetzt, zu billigem Spott über die ´Ideale der Demokratie` und zu einer billigen Rechtfertigung des

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vergangenen Systems ..." (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)

13.6.1947 - Die von der Hungerkatastrophe (siehe 11.5.1947) bedrohten evangelischen Christen im Inlandfordert Landesbischof Meiser gleichzeitig zu Spenden für den Wiederaufbau von Kirchengebäuden auf:"Wir fordern hiermit alle Pfarrämter und Kirchengemeinden, die hierzu in der Lage sind, auf, aus freien, ihnen zurVerfügung stehenden Mitteln Spenden für den Wiederaufbau der beiden Nürnberger Kirchen zu leisten ... D.Meiser" (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern) .

Evangelisch-lutherischer Professor:Die Nationalsozialisten imitierten die katholische Kirche

1947 - Der evangelisch-lutherische Theologieprofessor Walter Künneth, der sich 1933 für Judenverfolgung undKrieg aussprach und mittlerweile als Honorarprofessor in Erlangen lehrt, veröffentlicht das Buch Der große Abfall.Darin wirft er den Nazis vor, von Gott abgefallen zu sein. Künneth spricht von "Imitation der Katholischen Kirche"und von einer "Verdrehung der Grundsätze der katholischen Kirche". Der Führer sei dem Papst vergleichbar, dieNazi-Hierarchie sei ähnlich wie die römisch-katholische Hierarchie gebildet, für das System desbedingungslosen Gehorsams und den "Orden der SS" seien die Jesuiten Vorbild gewesen.Künneth wörtlich: "Die durch die Machtherrlichkeit der katholischen Kirche einst ausgelösten Jugendträume Hitlersfinden in dem tief gegliederten Pyramidenbau der nationalsozialistischen Anti-Kirche ihre Erfüllung" (Der großeAbfall, Hamburg 1947, S. 142; Vergleich mit der katholischen Lehre: S. 142-145).

Anmerkung: Adolf Hitler ist bis zu seinem Tod katholisches Kirchenmitglied und zahlt immer pünktlich seinen Kirchenbeitrag(Spiegel online, 16.12.2004). Er wird nie exkommuniziert.

1947 - Das vom Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland am 8.8.1947 verfasste Darmstädter Wortwird von der EKD abgelehnt. In dem Darmstädter Wort heißt es zum Beispiel:"Wir haben es versäumt, die Sache der Armen und Entrechteten ... zur Sache der Christenheit zu machen" (zit. nachKlee, Persilscheine, a.a.O., S. 158).Die Juden werden ohnehin nicht erwähnt und es werden auch in dieser Gruppe weiterhin Vorwürfe gegen sie erhoben.Wegen der Selbstkritik wird die Erklärung im "Bruderrat" nur von wenigen Mitgliedern verabschiedet und findet auchnur "eine geringe Resonanz, die überwiegend negativ ausfiel" (zitiert nach Mensing, a.a.O. S. 218; vgl. Zeitablauf:1933; 1934). Der ehemalige nationalsozialistische Pfarrer Putz erklärt beim nachfolgenden Delegiertentreffen: "Wirkönnen das nicht von den Kanzeln verkündigen." Die Evangelische Kirche in Deutschland, EKD, lehnt die Erklärungwegen der Selbstkritik sowieso ganz ab.

1948

1948 - Das von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Auftrag gegebene Buch ApokalyptischesWetterleuchten erscheint im kirchlichen Selbstverlag. Das Buch mit Geleitwort von Landesbischof Meiser aus demJahr 1947 hat nach den Worten seines Verfassers Heinrich Schmidt, seit 1942 Kirchenrat, eine "apologetische Pflicht"zu erfüllen, nämlich die Rechtfertigung der Kirche gegenüber dem Vorwurf, sie hätte im Dritten Reich versagt(Mensing, a.a.O., S. 216 f.).

28.4.1948 - Nazi-Opfer Georg schreibt an die Berufungskammer II Nürnberg-Fürth. Der Grund für das Schreiben istder Freispruch des evangelisch-lutherischen Nazi-Pfarrers Bertram (vgl. Zeitablauf: 1936), dessen DenunziationGeorg ins Gefängnis brachte. Georg hatte 1936 ein kritisches Gedicht verfasst."Es macht gerade auf positive Christen einen niederschmetternden Eindruck, dass die Geistlichen, die so vielvon Schuld und Sühne reden, mit gewundenen Erklärungen und komplizierten Ausdeutungen kommen, stattoffen und mannhaft ihre Schuld einzugestehen und deren Folgen ebenso willig auf sich zu nehmen wie andere Pg(= Parteigenossen = NSDAP-Mitglieder), für die es keine zwei Berufungen gibt. Wenn die vorgesetzteKirchenbehörde zu dieser die christliche Bruderliebe verleugnenden Tat [= die Denunziation] aufgefordert hat, danngehört sie mit Fug und Recht ebenso vor die Spruchkammer ... Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, dass so vielePfarrer an einer Partei Gefallen finden konnten, deren Radau-Antisemitismus und wüstes Geschrei auf den Straßen´Juda verrecke! jedem anständigen Deutschen die Schamröte ins Gesicht trieben" (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S.249).

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Evangelische Kirche: Keine Wiedergutmachung an Opfern der Diktatur

Ab 1945 - Die Frage der Wiedergutmachung für Opfer der Nazi-Herrschaft wird in der kirchlichen Presseverschwiegen. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wird die "Wiedergutmachung" an Opfernebenfalls nie zum Thema gemacht (Vollnhals, a.a.O., S. 140).

15.7.1948 - Der niedersächsische Innenminister beschuldigt die immer noch im ehemaligen KonzentrationslagerBergen-Belsen lebenden Juden, es würden monatlich illegal 200 Tonnen Kaffee in das Lager geschleust. DieseBewohner hatten den Holocaust überlebt. Der zuständige britische Offizier spricht von absurden Anschuldigungen.Würden die Anschuldigungen stimmen, hätte jedes an einen jüdischen Überlebenden gerichtete Paket, auch ein Paketfür Kinder, 500 kg Kaffee enthalten müssen (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 207).

1948 - Hans-Ulrich Rudel, ehemaliger NS-Kampfflieger und der höchstdekorierte deutsche Soldat, flieht vor derStrafverfolgung wegen Kriegsverbrechen nach Rom. Im Rückblick schreibt er über die Hilfe der katholischenKirche für hochrangige Nazi-Kriegsverbrecher:"Man mag sonst zum Katholizismus stehen, wie man will. Was in diesen Jahren durch die Kirche, vor allem durcheinzelne menschlich überragende Persönlichkeiten innerhalb der Kirche, an wertvollem Menschentum unseres Volkesgerettet worden, oft vor dem sicheren Tode gerettet worden ist, soll billigerweise unvergessen bleiben" (zit. nachKlee, Persilscheine, a.a.O., S. 26).

November 1948 - Freispruch für den evangelisch-lutherischen NSDAP-Pfarrer Herold aus der Nähe vonHilpoltstein/Bayern: Herold war auch Leutnant der Wehrmacht und trug das goldene NSDAP-Parteiabzeichen "mitStolz", wie er selbst bei dem Verfahren zugibt. Kirchliche Gegner nannten ihn den "BK-SS´ler" (= den Bekennenden-Kirche-SS ler), was er als "Auszeichnung" verstand (Vollnhals, a.a.O., S. 263 f.). Der Gemeinderat des Ortes, andem Herold zuletzt die Pfarrstelle innehatte, schreibt 1947: "Es wird allgemein zum Ausdruck gebracht, dass wirkeinen Nazi-Pfarrer mehr auf der Kanzel haben wollen."Landesbischof Meiser rechtfertigt aber den Pfarrer und lobt ihn wegen seines Einsatzes für die "BekennendeKirche". Sein Verhalten war "kirchlich einwandfrei" (Vollnhals, a.a.O., S. 258 ff.; vgl. Herolds Verhalten bei derDenunziation einer Bäuerin: Zeitablauf: 1943).

1948 - Die meisten als "Entnazifizierung" bezeichneten Verfahren durch die alliierten Siegermächte werdenabgeschlossen. Die Maßnahmen gelten - hauptsächlich wegen des Widerstands der Evangelischen Kirche - alsgescheitert. Endgültig eingestellt werden die Verfahren im Jahr 1951 (siehe Zeitablauf).

1949

Eine evangelisch-lutherische Kirchengemeindeals getarnte Spendenwaschanlage

für die Verteidigung von NS-Verbrechern

Die evangelisch-lutherische Kirche finanziert in Nürnberg in der Mannertstraße zusammen mit der Caritas einBüro zur rechtlichen "Behandlung" von Kriegsverbrechern.Büroleiter ist Dr. Heinrich Malz, ehemaliger SS-Obersturmbannführer und 1944 persönlicher Referent vonErnst Kaltenbrunner, dem Vollstrecker der "Endlösung" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 79 ff.). Dr.Heinrich Malz wurde nach dem Krieg zunächst selbst per Fahndungsliste als Kriegsverbrecher gesucht. Doch erverbringt bald einen friedlichen Lebensabend in der evangelisch-lutherischen Diakonieanstalt in Rummelsberg(Abendzeitung Nürnberg, 5.4.2006).

Dr. Malz, Leiter des kirchlichen Büros zur Verteidigung von Kriegsverbrechern, 1949 - "So offensichtlichverbrecherisch" sei der "Führerbefehl" zur Judenvernichtung wegen der besonderen Bedingungen, "unterdenen die kriegerische Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus geführt werden musste", nicht gewesen.Er lehne es ab, "ein Strafgericht über jene als gerechtfertigt anzusehen, die in einer untergeordneten Befehlslage zumVollstrecker von Befehlen wurden" (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 80).

1949 - Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach in Deutschland: 23 % der Deutschen haben eine"demonstrativ-antisemitische" und "gefühlsmäßig-ablehnende" Haltung gegenüber Juden.

28.5.1949 - Der Parlamentarische Rat verabschiedet das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Darinheißt es:"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat oder

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Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden ..."(Art. 3 Abs. 3)"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sindunverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet" (Art. 4 Abs. 1 und 2).

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Nürnberg-St. Jobst im Stadtteil Erlenstegen dient als Spenden-Waschanlage zugunsten von NS-Verbrechern.Spenden sind zur "Förderung der historischen Arbeiten" eingegangen und werden "Für historische Aufgaben an Dr.Malz" wieder ausgebucht. Die Gelder gingen an Dr. Malz bzw. an den rechtsextremen Anwalt Dr. Rudolf Aschenauer(der 1980 in seinen "Eichmann-Memoiren" den Holocaust bezweifelte) und von ihm vertretene inhaftierteNS-Verbrecher. Zu den Spendern gehören Firmen wie Krupp, Stahlbau Rheinhausen, Siemag, Ruhrgas A.G., Stahl &Eisenbau (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 80 f.).

1950

Der Bamberger Flüchtlingsausschuss wehrt sich in einer Petition gegen die Unterbringung von Judenzusammen mit deutschen Heimatvertriebenen, "da es den Heimatvertriebenen nicht zugemutet werden kann, mitElementen unter einem Dach zu wohnen, die zu hohem Prozentsatz kriminell sind, keiner geregelten Arbeit nachgehenund denen weder an einer sittlichen Einordnung noch an einer Respektierung der staatlichen Autorität liege."Dazu der römisch-katholische Bamberger Oberbürgermeister, der sonst von "Gottesfurcht und Nächstenliebe"spricht: Die Juden seien die "Hauptwanzenträger", die "in einem der großen noch nicht verwendeten Stallgebäudeunterzubringen" seien (zit. nach Königseder/Wetzel, a.a.O., S. 220 f.; vgl. dazu Luthers Forderung, die Juden inStällen unterzubringen).

27.4.1950 - Erstmals formulierte die Synode der EKD in Berlin-Weißensee wenigstens eine Mitschuld amHolocaust: "Wir sprechen es aus, dass wir durch Unterlassen und Schweigen vor dem Gott der Barmherzigkeitmitschuldig geworden sind an dem Frevel, der durch Menschen unseres Glaubens an den Juden begangen worden ist"(zit. nach Tagesspiegel, 8.11.2000).Der Erklärung waren auf der Synode heftige kontroverse Debatten vorausgegangen, und sie sollte für die nächsten 50Jahre die einzige bleiben. Von einer Schuld wegen der Verbreitung des Antisemitismus, wegen derVerfolgungsaufrufe Martin Luthers und deren Verbreitung oder wegen aktiver Verleumdung und Diskriminierung bishin zum Aufruf zur Verfolgung war nicht die Rede. Erst im Jahr 2000 ergänzte die Synode in Braunschweig einenweiteren Aspekt, den der "Tradition". Die Kirche sei auch "durch ihre unheilvolle Tradition der Entfremdung undFeindschaft gegenüber den Juden hinein verflochten in die Vorgeschichte und Ermöglichung der systematischenVernichtung des europäischen Judentums" (Süddeutsche Zeitung, 8.11.2000) .Dass man gegenüber den als "Sekten" gebrandmarkten religiösen Minderheiten jedoch die unheilvolle Tradition vonVerleumdung, Diskriminierung bis hin zur beruflichen Existenzverzichtung fortsetzt, wird nicht erwähnt.

24.5.1950 - Der evangelische Pfarrer und SS-Oberscharführer Lenz sagt als Zeuge in dem Prozess über die ca.4.000 Toten des KZ Hersbruck zugunsten des letzten Lagerkommandanten Schwarz aus:Lenz erklärt: "Nach deutschem Recht war er kein Mörder", er duldete allerdings Morde und Grausamkeiten, weil erim "Befehlsnotstand" war. Der Kommandant wurde zum Tod verurteilt. Pfarrer Lenz, der auch der BekennendenKirche angehörte, arbeitete als Kommandaturschreiber im KZ und wurde bereits zuvor freigesprochen (HansFriedrich Lenz, Sagen Sie Herr Pfarrer, wie kommen Sie zur SS? Gießen 1982, S. 145-148.155-157).

1950 - Trotz ihrer maßgeblichen Schuld bzw. Mitschuld an der Hitler-Diktatur, am Weltkrieg und am Holocausterhebt sich Evangelische Kirche auch nach dem Krieg sogleich wieder gegenüber religiösen Minderheiten.Pfarrer Dr. Kurt Hutten (1901-1979) veröffentlicht das neue evangelische Standardwerk gegen "Sekten" mit demTitel Seher, Grübler, Enthusiasten. Darin erklärt er: "Die Sekten ... sind Töchter der Kirche. Und die Kirche alsMutter muss sich fragen, ob sie nicht selbst schuld daran trage, dass diese Töchter entstanden sind und so aus derArt schlugen" (zitiert nach Dr. Reinhard Hempelmann; Zum 100. Geburtstag von Kurt Hutten, EZW, 3/2001).Zehn Jahre später wird er zum ersten Leiter des "Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" ernannt, derNachfolgerin der Apologetischen Centrale im Dritten Reich, die in Zusammenarbeit mit dem Reichspropaganda- unddem Reichsinnenministerium Materialen zur Bekämpfung von Juden und Sekten erarbeitete (siehe hier).

1951

Verdrängung

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1951 - Schließung fast aller Lager mit jüdischen Bewohnern bis 1951 und Auswanderung der Mehrheit derjüdischen Überlebenden

31.1.1951 - Die Amerikaner unter John McCloy amnestieren alle NS-Verbrecher bis auf sieben, die am7.6.1951 hingerichtet werden. Die sieben Hinrichtungen lösen eine bundesweite Protestwelle aus. Die "Ausrufungder deutschen Kollektivunschuld" (Ralph Giordano) wird gefordert.Umfragen ergeben, dass eine modifizierte Nazi-Regierung die Wahlen in Deutschland gewinnen würde (RalphGiordano in: 50 Jahre das Beste vom ´Stern` - 1951; Hamburg 1997).

Bilanz der so genannten "Entnazifizierung": Sie brachte das Gegenteil des Erwünschten. Nämlich "Entstrafung stattSühne, Rehabilitierung statt Haftbarmachung. Mehr noch: In manchen Behörden und Ämtern war die Zahl ehemaligerNSDAP-Mitglieder höher als während der NS-Herrschaft selbst" (Giordano, a.a.O.).

1.10.1951 - Beispiel Stadtoldendorf: Alle "Entnazifizierungsakten" werden verbrannt, einschließlich desvollständigen Mitgliederverzeichnisses der NSDAP und ihrer Gliederungen ("... denn alles, was Rang und Namen hat,steht darin.") (Giordano, a.a.O.).

1951 - Der mögliche Hintergrund der Begnadigung fast aller Kriegsverbrecher: Warum wurden 1951 die meistenverurteilten Kriegsverbrecher in die Freiheit entlassen und erhielten ihr Vermögen zurück? Es war Bundeskanzler"Adenauers Bedingung für Remilitarisierung und Westintegration der Bundesrepublik", so z. B. die HistorikerinSusanne Willems (in: Der entsiedelte Jude, 2002; zit. nach Netzeitung , 1.6.2005).

Anmerkung: Seit CDU-Kanzler Adenauer wuchsen auch die Subventionen an die beiden Großkirchen in unermesslicheHöhen, obwohl das neue Grundgesetz (Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung)bestimmte, die Staatsleistungen an die beiden Großkirchen durch eine entsprechende Gesetzgebung der Länder"abzulösen". Diese Gesetze führten aber - im Gegensatz zu dem beabsichtigten Sinn des Artikels - dazu, dass die Kirchenbis heute immer mehr bekommen (vgl. www.stop-kirchensubventionen.de).

1951 und folgende Jahre - "Das größte Wiedereingliederungswerk für Täter ..., das es je gegeben hat. Von wenigenAusnahmen abgesehen, werden sie nicht nur straffrei davonkommen, sondern ihre Karrieren auch unbeschadetfortsetzen" (z. B. der Kommentator der Nürnberger Gesetze, Globke, als Staatssekretär der Bundesregierung)(Giordano, a.a.O.).

Die Legende vom "sauberen Wehrmachtsrock": "1951 wird das Fundament für die kollektiven Lebenslügen einerVerdrängungsgesellschaft gelegt" (Giordano, a.a.O.).

1952

Erneute Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach:34 % der Deutschen haben eine "demonstrativ-antisemitische" und "gefühlsmäßig-ablehnende" Haltunggegenüber Juden (gegenüber 1949 eine Steigerung um 11 %).

14.8. / 16.8.1952 - Ein Skandalprozess, den der katholische CSU-Gründer und Justizminister Josef Müller("Ochsensepp") gegen den jüdischen Staatskommissar Philipp Auerbach führte (Staatskommissar von1946-1951), endete damit, dass Auerbach zu 2 1/2 Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt wurde. Darauf brachtesich Auerbach aus Verzweiflung um. Der Richter Josef Mulzer, unter den Nazis "Oberkriegsgerichtsrat", steckte mitdem Justizminister womöglich unter einer Decke (beide arbeiteten auch früher in derselben Rechtsanwaltskanzlei).Zudem: "Ein Beisitzer war ein ehemaliges Mitglied der SA. Der weitere Besitzer, der Vorsitzende, die Staatsanwälteund der psychiatrische Sachverständiger waren ehemalige NSDAP-Mitglieder"(http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Auerbach). Der verleumdende und anklagende katholische Minister arbeiteteseit 1939 in der Abwehrabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht in der Nähe des militärischen Widerstandsgegen Hitler und wurde in diesem Zusammenhang 1943 verhaftet und war 1945 Insasse im KZ Dachau."Über die Presse ließ Müller verlauten, es seien aufgrund gefälschter Dokumente insgesamt 1,3 Millionen DM an´Wiedergutmachungsgeldern` erschwindelt worden. Der implizite Vorwurf war eindeutig: Juden betrügen denbayerischen Staat im allgemeinen und den Steuerzahler im besonderen"(http://www.hagalil.com/archiv/2005/07/auerbach-2.htm).Philipp Auerbach nahm sich nach der Urteilsverkündung aus Verzweiflung mit Schlaftabletten das Leben. Zuvor hatteer die Konzentrationslager Buchenwald und Auschwitz überlebt. Zwei Jahre später wurde er vollständig rehabilitiert.Alle Anschuldigungen gegen Auerbach stellten sich als falsch bzw. erlogen heraus. Sein Ankläger, CSU-Chef"Ochsensepp" Müller, veröffentlichte 1975 seine Lebenserinnerung unter dem Titel Bis zur letzten Konsequenz. Ein

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Leben für Frieden und Freiheit.

Zuvor war Philipp Auerbach auch mit Landesbischof Hans Meiser aneinander geraten. Meiser forderte in nahezubeispielloser Instinktlosigkeit den jüdischen Staatskommissar auf, "in gleicher Weise wie für die jüdischen Opfer auchfür die Insassen der Internierungslager einzutreten" (Süddeutsche Zeitung, 21.10.2008), also fürNS-Kriegsverbrecher. Auerbach antwortete wörtlich: "Ich glaube, dass ihre Hinweise auf die grundsätzliche Haltungder christlichen Kirche einige Jahre früher bestimmt besser angebracht gewesen wäre," worauf sie Meiser empörte undauf die Betreuung von evangelischen Kirchenmitgliedern (!, also nicht etwa jüdisch Gläubigen) jüdischer Herkunftdurch die Kirche hinwies.

1956

8.6.1956 - Landesbischof i. R. Meiser stirbt im Alter von 75 Jahren. Auf dem Grabstein steht: Dilexit Ecclesiam (=Er liebte seine Kirche).

Anmerkung: Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hat seinen Sitz in München in der vieleJahre nach Landesbischof Meiser benannten Meiserstraße. Auch in Pullach, Schwabach, Schwandorf, Pfaffenhofen ander Ilm, Weiden, Bayreuth, Kulmbach und Ansbach sind weiterhin Straßen nach dem antisemitischen Landesbischofbenannt.Anfang 1999 wies der Verkehrsausschuss des Nürnberger Stadtrats zunächst einen Überprüfungsantrag einer Grünen-Stadträtin zurück, in dem es darum ging, die Bischof-Meiser-Straße umzubenennen. Einen ähnlichen Antrag hatten "DieGrünen" bereits 1998 in München eingebracht. Im Januar 2007 wurde die Bischof-Meiser-Straße in Nürnberg dann doch inSpitalgasse umbenannt, nachdem der öffentliche Druck größer wurde. Und im Jahr 2008 wurde die MünchnerMeiserstraße nach Luthers Frau in Katharina-von-Bora-Straße umbenannt (wobei unberücksichtigt blieb, dass sich MartinLuther nach seiner Heirat zu einem furchtbaren Gewaltmenschen entwickelte, der die Hinrichtung aller Andersdenkenderforderte; siehe dazu Der Theologe Nr. 3). Doch bis heute [2009] wurde die Umbenennung aufgrund einer Klage einesMeiser-Enkels verwaltungsmäßig nicht vollzogen.Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern sprach sich im Hinblick auf das Gesamtwerk Meisers zuvor gegenUmbenennungen aus (z. B. durch Oberkirchenrat Martin Bogdahn oder Synodenpräsident Dieter Haack), zog ihreWidersprüche aber schließlich zurück. Die Kirche hat auch eigene Einrichtungen nach dem antisemitischen Landesbischofbenannt, z. B. die Bischof-Meiser-Häuser in Hof an der Saale und Berolzheim bei Bad Windsheim. Das ehemaligeMeiser-Haus in Neuendettelsau trägt bereits seit 2006 nicht mehr den Namen Hans Meisers. In München-Obermenzingwird jedoch am 3./4.5.2008 der evangelische Gemeindesaal neu in "Hans-Meiser-Saal" umbenannt (siehe hier).

Inwiefern Meiser als Person ein typischer "Sohn der Kirche" war, erklärte der Theologieprofessor Berndt Hamm imJahr 2008 im Hinblick auf Meisers Lebenswerk. Professor Hamm führte aus, dass Meiser den "Rückhalt der Kirche"verloren hätte, wenn er sich tatsächlich gegen den NS-Staat gewandt hätte. Der Kirchenhistoriker Hamm wörtlich:"Bischof Meiser und sein Stab setzten kirchenpolitisch um, was die überwältigende Mehrheit der Pfarrer und Gemeindendachten und wünschten. Hätte er sich in regimekritischer Weise gegen das antisemitische Rassedenken, gegen Brutalität,Gewalt, Terror und Missachtung aller christlich-ethischer Prinzipien durch den NS-Staat gewandt, wäre ihm wohl derRückhalt der Kirche verloren gegangen" (Süddeutsche Zeitung, 21.10.2008).

1956 - Der evangelische Theologe Friedrich-Wilhelm Bautz veröffentlicht das Buch Verderbliche Irrlehren über fürdie Kirche unliebsame religiöse Minderheiten, als "Sekten" verleumdet. Bereits 1955 zog er in dem Buch Die ZeugenJehovas: eine Darstellung ihrer Geschichte und Lehre und ihre Beurteilung im Lichte der Bibel gegen die ZeugenJehovas zu Felde. Noch kurz zuvor wurden ca. 1.500 Zeugen Jehovas unter der Allianz von Nationalsozialisten undKirche ermordet. Bautz begründet 19 Jahre später das Biografisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL) (31Bände, je Band 210,00 €; Stand: 2010).

1959

Dezember - Anschlag auf die Kölner Synagoge als Auslöser einer neuen antisemitischen Welle in Deutschland:Es folgen innerhalb der nächsten vier Wochen 470 antisemitische Vorfälle. Mit dem Generationenwechsel in den60er-Jahren geht der Antisemitismus aber zunächst zurück.Seit Januar 1959 leisten einige Freiwillige in der Aktion Sühnezeichen Hilfsdienste z. B. in Israel oder Polen.

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60er- und 70er-Jahre

Antisemitismus schwelt weiter,Bekämpfung anderer religiöser Minderheiten nimmt zu

60er- und 70er-Jahre - Der Antisemitismus geht kurzzeitig zurück, die so genannte "Sektenbekämpfung" rücktin den Vordergrund.In der NS-Zeit übte Pfarrer Walter Künneth als Leiter einer "Apologetischen Centrale" die Funktion eines"Sektenbeauftragten" aus und schrieb z. B. antisemitische Gutachten. 1960 wurde Pfarrer Dr. Kurt Hutten der Leiterder Nachfolge-Organisation, der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen in Stuttgart (seit 1997 in Berlin).Pfarrer Dr. Kurt Hutten hatte sich bereits 1950 mit dem Werk Seher, Grübler, Enthusiasten als "Sektenexperte"profiliert (siehe hier).1962 veröffentlicht dann der evangelische Pfarrer und spätere Dekan Dr. Friedrich Wilhelm Schluckebier seinenSektenspiegel über die "Sekten" in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Er ist eine Zusammenfassungvon Publikationen, die der Theologe bereits seit 1956 veröffentlichte. Darin schreibt Pfarrer Dr. Friedrich WilhelmSchluckebier:"Es ist die Ursehnsucht des Menschen, ... auch die Katastrophen der Zukunft zu überdauern, bis einmal dieser armenausgebluteten Erde endlich Friede und ihren Menschen ein Leben in Glück, Harmonie und Wohlstand beschieden sei.Diese Utopie hetzte viele geistige Opfer ihrer Zeit in die Schreckens- und Glücksvisionen der Zeugen Jehovas,der Adventisten und Mormonen" (Sektenspiegel, Evangelischer Presseverband Kurhessen Waldeck, e.V., Kassel1962, S. 189, mit einem Geleitwort von Bischof D. Adolf Wüstemann). Das von dem Propheten Jesaja und auchJesus von Nazareth angekündigte Friedensreich bzw. "Reich Gottes" gilt der Kirche also einmal mehr als "Utopie", zudem "Opfer" hin "gehetzt" würden.

Doch noch erscheint die "Gefahr" für die Kirche überschaubar. Denn: "Die kirchliche Traditionsgebundenheit desHessen ist eine Ausstrahlung seines konservativen Stammescharakters, geformt durch Jahrhunderte lange strengeErziehung durch die landesfürstliche Kirchen- und Polizeizucht ... Gewiss ist jedenfalls, dass dieseVoraussetzungen, oberflächlich aufs Ganze gesehen, sektiererische Neigungen nicht begünstigen" (S. 16).

Den ersten kirchenamtlichen "Sektenbeauftragte" ernennt die evangelische Kirche dann jedoch bereits zwei Jahrespäter. Im Jahr 1964 führt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern dieses Kirchenamt dann wiederoffiziell ein und ernennt Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack aus Hof an der Saale zum ersten "Nachkriegs-Sektenbeauftragten", zuerst nebenamtlich, ab 1969 dann hauptamtlich.Und 1965 legt der evangelische Deutsche Verband für Gemeinschaftspflege und Evangelisation (Gnadauer Verband)das Buch Sieben Sekten des Verderbens von 1917 bzw. 1931 wieder auf. Diesmal allerdings "nur" unter dem TitelSieben Sekten.

Auch der Antisemitismus und die Abneigung gegenüber der jüdischen Gedankenwelt schwelt weiter innerhalb derKirchen, obwohl es ja nur noch wenige Juden in Deutschland gibt. So schreibt etwa Dr. Friedhelm WilhelmSchluckebier in seinem Sektenspiegel auch über "judaistisch-gesetzliche Sektenlehren" (S. 43) oder verweist auf seineAbhandlung Sabbat der Juden oder Sonntag der Christen? (S. 68). Doch das kirchliche "Feindbild" verlagert sichjetzt Jahr für Jahr mehr auf die "Sekten".

1967

Der Sektenbeauftragte und Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack führt in Bayern eine Sektenumfrage der Landeskirchedurch. Pfarrer Haack bezieht sich zunächst auf die letzte Umfrage von 1930 (siehe Zeitablauf) und erklärt: Dienichtkirchlichen Gemeinschaften müssen "bekannt" sein, "wenn die Kirche in diese pluralistische Gesellschaft` ihreBotschaft weitergeben und ihren Dienst erfüllen soll."Die jeweils aktualisierten Umfrageergebnisse dienen in den folgenden Jahren für umfangreiche Kampagnen gegenbestimmte Gruppen, und sie werden vielfach staatlichen Behörden mit der Bitte überreicht, Maßnahmen dagegen zuergreifen (Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Jahrgang 1967, S. 327).

In einem Brief gibt Pfarrer Haack später zu: "Wenn Sie bei mir auf Inquisition tippen, dann liegen Sie natürlichrichtig! Sehen Sie, auch die Inquisition ist moderner geworden und hält sich auch an die Grundsätze der fairenBerichterstattung. Nur sind ja oft die unterschiedlichsten Ansichten im Umlauf, was denn nun fair ist und was dennunfair sei" (zit. nach Brief an A. Emtmann von 30.4.1986; liegt der Redaktion vor).In seiner Erläuterung zur Sektenumfrage rät der Sektenbeauftragte: "Zur Beschaffung von Informationen

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empfehlen sich besonders Oberschüler und Jugendkreise. Diese kommen oft besser an die notwendigenInformationen heran als die Kirchenvorsteher" (zit. nach Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche inBayern, Jahrgang 1967, S. 327).

70er-, 80er- und 90er-Jahre

In den 70er-Jahren baut sich zuerst ein Netz evangelischer "Sektenbeauftragter" in allen evangelischen Landeskirchenauf, in den 80er-Jahren zieht die katholische Kirche mit "Sektenbeauftragten" in ihren Diözesen nach. Bald wird danndas Netz der modernen "Inquisitoren" noch engmaschiger gezogen, und es gibt nun auch konfessionelle"Sektenbeauftragte" einzelner Kirchenkreise und Dekanate. Vor allem in den 90er- Jahren nimmt die Zahl der"Sektenbeauftragten" noch einmal erheblich zu. Neu sind immer mehr "staatliche Sektenbeauftragte". Aufdiese Stellen berufen Behörden und Kommunen ebenfalls Vertreter der evangelischen und katholischenKirche. Eventuelle Ausnahmen sind nicht bekannt. In Linz/Oberösterreich wird im Frühjahr 2000 sogar der bisherigeSektenbeauftragte der römisch-katholischen Kirche zum staatlichen Sektenbeauftragten der oberösterreichischenLandesregierung ernannt.

Verschiedene Maßnahmen werden in der Bevölkerung durchgeführt. Hier wird nur skizzenhaft darauf hingewiesen, dadies ein Thema für eine eigene Untersuchung wäre (teilweise erfolgt in Der Theologe Nr. 12). Zu den Maßnahmengehören z. B.:

Öffentliche Vorträge von Kirchenvertretern, bei denen religiöse Minderheiten verleumdet werdenPlanmäßige Negativdarstellungen anderer Gruppen im staatlich finanzierten konfessionellen Religionsunterricht an

staatlichen SchulenNegative Stellungnahmen durch staatliche Vertreter, die ebenfalls der evangelischen oder katholischen Kirche

angehörenNegative Medienkampagnen

Bei allen Maßnahmen werden vielfach Unwahrheiten verbreitet.

Aufgrund der Unwahrheiten und Verleumdungen erfolgen weitere Maßnahmen gegen Gemeinschaften, gegenEinzelpersonen oder gegen Betriebe, in denen diese arbeiten, z. B.:

Behördliche Verbote, Informationsstände oder Büchertische aufzustellenVerweigern oder Streichen von öffentlichen ZuschüssenBenachteiligungen von Privatpersonen und Geschäftsleuten durch Behörden und GerichteBerufsverbote (Menschen müssen öffentlich erklären, keiner so genannten "Sekte" anzugehören, um bestimmte

Berufe auszuüben oder Aufgaben oder Rechte wahrnehmen zu können)Aufruf zum Boykott von GeschäftenKündigung von GeschäftsbeziehungenRufmordkampagnen gegen Firmen, indem man sie in die Nähe von "Sekten" bringt (weil sie z. B.

Geschäftsbeziehungen zu Firmen unterhalten, denen man ebenfalls vorwirft, mit einer "Sekte" in Verbindung zustehen

Verbot, Waren auf den dafür vorgesehenen Messen und Märkten zum Verkauf anzubietenUntersagung von AnzeigenschaltungenWeitere Werbeverbote (z. B. Verbote, Plakate aufzuhängen)Ablehnung von VermietungenErfassen von Anhängern religiöser Minderheiten durch so genannte "Bürgerinitiativen" (vgl. "Sektenumfrage" der

Kirche)Forderungen nach Kennzeichnungspflicht des religiösen Bekenntnisses in bestimmten Bereichen, z. B. in

Verkaufsläden und vieles mehr ...

Vgl. dazu das Buch der beiden Professoren Gerhard Besier (Ev. Theologie) und Erwin K. Scheuch (Soziologie), Dieneuen Inquisitoren - Religionsfreiheit und Glaubensneid, Zürich/Osnabrück 1999 (2 Bände), und das Buch desehemaligen Professors für Katholische Theologie und Religionsphilosophie, Hubertus Mynarek, Die neueInquisition - Sektenjagd in Deutschland, Mentalität, Motivation, Methoden kirchlicher und staatlicherSektenbeauftragter, Marktheidenfeld 1999, ISBN-Nr. 978-3-9808322-1-2 .

Oben skizzierte Maßnahmen werden von beiden großen Kirchen veranlasst.In der evangelischen Kirche steht im Hintergrund dieser Kirchenpolitik die Zwei-Reiche-Lehre , die von Lutherentwickelte Lehre eines Neben- und Miteinander zwischen Kirche (als Repräsentant des Reiches zur Rechten Gottes)und Staat (Reich zur Linken Gottes), in letzter Konsequenz zwischen evangelischer Kirche und totalitärem Staat, wie

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es in der NS-Zeit auch praktiziert wurde. Dies wird näher erläutert im Anhang.

90er-Jahre und das neue Jahrtausend

Auch der Antisemitismus nimmt wieder zu

1995

Einer dpa-Meldung zufolge steigen die antisemitischen Straftaten - entgegen der Entwicklung bei rechtsextremenStraftaten - sprunghaft an. Die Zahl stieg von 367 Delikten im Jahr 1991 auf 656 im Jahr 1993 und auf 1147 im Jahr1995, darunter ein Anschlag auf die Synagoge in Lübeck (Süddeutsche Zeitung, 8.2.1995).

1996

Die Chefredakteurin des Evangelischen Sonntagsblattes in Bayern, Johanna Haberer, gibt ein Buch überLandesbischof Meiser heraus mit dem Titel Er liebte seine Kirche. Darin schreibt der evangelische OberkirchenratBogdahn: "Oberstes Ziel Meisers war der Erhalt der Kirche ... In seiner Liebe zu seiner Kirche sah sich Meiser zurLieblosigkeit gegenüber Schwachen und Hilfsbedürftigen gezwungen ... Es ist bedauerlich, dass Meiser kaumRechenschaft über die zwölf Jahre als Bischof in der Zeit des Nationalsozialismus abgelegt hat" (Er liebte seineKirche, München, 1996, S. 14).

1997

1997 - Die Weigerung der Bewohner von Gollwitz/Brandenburg, 60 russischstämmige Juden aufzunehmen, entfachtdie Diskussion um den "Antisemitismus in Deutschland" neu. Einer der Wortführer der Bevölkerung, HorstSchmidt, ehrenamtlicher Mitarbeiter im evangelischen Kirchenrat des Ortes, sagt im Hinblick auf den Vorsitzendendes Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis: "Soll der Bubis doch die 60 Juden zu sich nehmen, genug Häuser hat erja!" (Süddeutsche Zeitung, 10.7.1997)

1998

6.3.1998 - Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, erklärt bei einem Vortrag inKassel, rund 30 % der deutschen Bevölkerung seien "latent oder manifest" antisemitisch eingestellt. "Heutebekennet man sich immer häufiger offen zum Antisemitismus" (zit. nach Main-Echo, 6.3.1998).

24.8.1998 - Der Staatsrechtler Prof. Dr. jur. Martin Kriele von der Universität Köln wendet sich mit eineröffentlichen Erklärung gegen die "Verfolgung" religiöser und weltanschaulicher Minderheiten in Deutschland. MartinKriele fragt: "Warum beschränkt man sich nicht darauf, gegen rechtswidriges Handeln, das gewiss auch beiMinderheiten vorkommt, mit rechtlichen Mitteln einzuschreiten?" (Brief liegt vor)

September 1998 - Einer der Ärzte im KZ Auschwitz, Hans Münch, rechtfertigt sein früheres Verhalten als SS-Arzt:"Ich kenne keinen frei lebenden Juden. Ich kenne nur Ausschwitz-Juden ... Juden auszumerzen, das war eben der Berufder SS damals ... Ich habe viele Leute gerettet, dadurch, dass ich ein paar Leute umgebracht habe ... Ich konnte an

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Menschen Versuche machen, die sonst nur an Kaninchen möglich sind ... Ein widerlicher Mensch ..., hat ausgeschautwie ein Jud ... Das waren ideale Arbeitsbedingungen, eine exzellente Laborausrüstung ... Die ganze Mannschaftmarschierte ins Gas ... Das war die übliche Therapie [bei Seuchenbekämpfung] ... Mengele und die anderen schicktenuns ihr Material, Köpfe, Leber, Rückenmark, was eben so anfiel ... Das war Dienst, und Dienst war Dienst, undSchnaps war Schnaps ... Das geht ganz schnell, ruhig an einem Platz zu leben, an dem Hunderttausende Menschenvergast werden. Das hat mich nicht belastet ... Ostjuden, ein furchtbares Gesindel ... Die Frau ... diese widerlichekleine Jüdin ... Sie müssen wissen, das Umbringen von Leuten, das war so selbstverständlich wie, dass man umsoundso viel Uhr das und das zu tun hat ... Ein paar Häftlinge herauspicken, die sonst ins Gas gehen. Dadurch habeich mir ein gutes Gewissen verschafft" (Der Spiegel, 28.9.1998).

Anmerkung: Auf dem aktuellen Foto im "Spiegel" sitzt Hans Münch vor einem Kruzifix, einem Symbol der Kirche (zurtiefenpsychologischen Bedeutung siehe hier).

September 1998 - Die Jüdin Tikva Bat Shalom aus Jerusalem stellt in einem Brief an die Zeitschrift Der Theologeheraus, dass "der Gott der Kirche nichts mit dem GOTT" zu tun hat, "der Himmel und Erde schuf". Sie schreibt:"Die Kirche nahm sich besonders all das [aus der Bibel] heraus, was gegen Juden zu verwenden war ... WorteGOTTES, mit denen Er Seine Kinder schalt. Begegneten den Kirchenchristen aber Verheißungen, die der EwigeSeinem Volk zugesagt hat, so bezogen sie diese auf die Kirche ..." ([email protected])

11.10.1998 - Papst Johannes Paul II. spricht die Karmeliterin Edith Stein, die 1942 im KZ ermordet wurde, als"Märtyrerin" heilig. Edith Stein war vom Judentum zum katholischen Glauben übergetreten. Jüdische Verbändeprotestieren gegen die Heiligsprechung. Denn Edith Stein wurde nicht getötet, weil sie Katholikin, sondern weil sieJüdin war.

22.-27.11.1998 - Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gibt hinsichtlich des Holocaust zu,"mitverantwortlich für das antijüdische Denken und Handeln" gewesen zu sein, "die es möglich gemacht oderzumindest toleriert haben, dass die Verbrechen ... möglich wurden." Sie erklärt weiter, dass die lutherische Kirche"sich von jedem Antijudaismus in lutherischer Theologie zu distanzieren" habe und dass "es zu den ureigenstenAufgaben der Kirche" gehöre, "sich von jeglicher Judenfeindschaft loszusagen". Die Fortsetzung der kirchlichen"Mission" an Juden ist - wie in anderen evangelischen Kirchen auch - umstritten.Am Eingang des Tagungsgebäudes verteilt die Gruppe Freie Christen ein Flugblatt mit dem Titel Es liegen nochmehr Leichen im Keller. Darin heißt es:"Nach über 50 Jahren entschuldigt sich die Lutherkirche für den Völkermord an den Juden. Und wo bleibt dieEntschuldigung für die Wiedertäufer, Bauern [im Bauernkrieg] und Hexen, die ... Luther ebenfalls auf dem Gewissenhat?!" Auch auf außerkirchliche Prediger, deren Hinrichtung Luther forderte, wird verwiesen. Es heißt weiter: "Mitder Entschuldigung gegenüber den jüdischen Mitbürgern - so wichtig und so überfällig sie war - kann dieLutherkirche nicht darüber hinwegtäuschen, wie hohl die moralische Fassade ist, mit der sie die Öffentlichkeittäuschte. Keiner anderen Organisation mit einem derartig blutigen Vorbild [Luther] würde man erlauben, sich inGesellschaft und Staat so ungeniert als moralische Autorität aufzuspielen ... Wo bleibt die Entschuldigung für denVernichtungsfeldzug, den dieselbe Kirche heute wieder gegen Andersgläubige führt? Gegen unbescholtene Mitbürger,die sie mit Hilfe ihres Einflusses in Rundfunkräten und Zeitungsredaktionen gesellschaftlich ausgrenzt undwirtschaftlich in den Ruin treibt, was nachweisbar geschieht" (vgl. Zeitablauf: 70er-, 80-er, 90er-Jahre).Hinsichtlich des Eingeständnisses einer Mitschuld gegenüber den jüdischen Bürgern heißt es weiter:"Haben die Seelen von Millionen ermordeter Juden dieser Kirche schon verziehen? So lange dies nicht der Fall ist,bleibt sie an ihre Opfer gebunden und in ihre schwere Schuld verstrickt ... Mit wohlfeilen Resolutionen kann sich dieLutherkirche weder von der Welt noch vor Gott aus der Affäre ziehen. Wo bleibt der Versuch derWiedergutmachung? Wer an einem Völkermord mitschuldig ist, sollte sich von Aktienpapieren und Kunstschätzentrennen, um wenigstens an den Nachkommen der Opfer einiges wieder gutzumachen."Aus geistiger Sicht wird die Situation im Hinblick auf die kirchliche Lehre von der ewigen Verdammnis wie folgteingeschätzt: "Die Kirche die so gern verdammt, hat sich selbst verdammt, und jeden, den sie per Taufe an sich bindet,zieht sie in diese Verdammnis hinein ... In der Bibel steht dazu: ´Du wirst nicht von dannen herauskommen, bis duauch den letzten Heller bezahlest` (Mt. 5, 26)" (Freie Christen für die Verfassung, Hiltrud Beil, Max-Braun-Straße2, 97828 Marktheidenfeld).An eine Wiedergutmachung denkt die Kirche aber nicht. Synodenpräsident Dieter Haack spricht sich z. B. dafür aus,die nach dem Antisemiten Hans Meiser benannten Straßen nicht umzubenennen. Und Landesbischof Hermann vonLoewenich erklärt, dass auch weiterhin das Bildnis des antisemitischen Bischofs im Amtszimmer des amtierendenLandesbischofs hängen wird.

29.11.1998 - Die Würzburger Zeitung Prima-Sonntag weist unter der Überschrift Wo liegt der Ursprung desHolocaust? auf die "erschreckende Ausstellung" Ecclesia und Synagoga hin. Mit Hinweis auf Darstellungen in derkirchlichen Kunst heißt es: "So entstand aus dem Willen der christlichen Kirche, das Judentum in der geistigen undweltlichen Welt abzulösen, eine tödliche und erschreckende Macht der Symbole, die bis heute noch ... greift."

Dezember 1998 - In Deutschland mehren sich die Stimmen, das Thema "Holocaust" ruhen zu lassen. Gleichzeitigwächst "eine neue Qualität" des Antisemitismus. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass z. B. ein Mitglied desZentralrats der Juden ca. 50-80 antijüdische Reaktionen im Monat bekommt, die zunehmend "schamloser" werden.Außerdem: "Fast bei jedem öffentlichem Auftritt, ob es um das Holocaust-Mahnmal oder die Entschädigung der

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Zwangsarbeiter geht, wird er drei- bis viermal gefragt, ob man sich in Deutschland ´das` immer noch anhörenmüsse." "Das erlebt er jetzt alles auch in bürgerlichen Kreisen, von Menschen, die Anzug und Schlips und manikürteFingernägel haben" (7.12.1998).

1999

Evangelische Kirche wieder für den Krieg

März/April 1999 - Die führenden Vertreter der Evangelischen Kirche befürworten die BeteiligungDeutschlands am Kosovo-Krieg der NATO. Die Kirche betrachte den Krieg aufgrund ihrer"verantwortungspazifistischen Haltung" als äußerstes Mittel (Landesbischof Wolfgang Huber aus Berlin), bzw. ergelte als "einzig wirksames letztes Mittel" nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen (Der EKD-Ratsvorsitzende,Präses Manfred Kock). Und die Frau des bei den NATO-Truppen in Mazedonien eingesetzten evangelischenMilitärpfarrers Herbert Kampmann spricht aus, was viele denken und bekennt im Zusammenhang des Krieges: "Ichteile das Gottvertrauen meines Mannes" (zit. nach idea-spektrum Nr. 13/1999).

Anmerkung: Zum Vergleich: Auch im 2. Weltkrieg wurden die Angriffe Deutschlands von der Kirche befürwortet. Und aufdem Koppelschloss der Soldaten war der Satz eingraviert: "Gott mit uns!" (vgl. Zeitablauf: 1939 ff.)

März/April 1999 - Eine Bürgerinitiative Freie Christen für den Christus der Bergpredigt wendet sich "an allechristlichen Politiker" mit dem Aufruf: "Distanziert Euch vom Krieg oder nennt Euch nicht christlich!" (lt.Transparent am 3.4. in Berlin)In einem Offenen Brief heißt es dazu: "Jesus von Nazareth ... war ein konsequenter Pazifist, der Feindesliebepredigte und das Töten unter keinen Umständen erlaubte ... Glauben Sie im Ernst, dass Jesus von Nazareth CruiseMissiles und Tornados losschicken würde, um den Frieden herbeizubomben? ... Was Sie jetzt unterstützen, dient nichtder Beendigung einer humanitären Katastrophe, sondern ist ein Beitrag zur Eskalation des Tötens. Wir machen Siedarauf aufmerksam, dass Sie den christlichen Namen auf grobe Weise missbrauchen und das Volk dadurchtäuschen. Sie geben vor, dass es einen ´christlichen Krieg` geben könne. In Wirklichkeit verhöhnen Sie damitChristus. Die Kirchen sind aufgrund ihrer unchristlichen blutigen Geschichte nicht mehr in der Lage, Sie daraufhinzuweisen. Deshalb tun wir es ..."Auf Rückfrage gibt einer der Verantwortlichen, Moris Hoblaj, folgende Antwort: "Welches Vorbild geben diePolitiker, die sich ´christlich` nennen, dem jugoslawischen Präsidenten? Wenn die Milliarden für den Kriegstattdessen unmittelbar den Kosovo-Albanern in Jugoslawien zugute kämen - vielleicht würde dann auch derserbische Regierungschef seine Politik ändern" (Freie Christen für den Christus der Bergpredigt, Am Brechhaus 4,97828 Marktheidenfeld).

Sommer 1999 - Eine Initiative Ein Mahnmal für die Millionen Opfer der Kirche wird gegründet. Die Initiatorenschreiben: "Der Holocaust an den Juden im Dritten Reich wäre ohne die Jahrhunderte lange Vorbereitung durchkirchliche Hetze undenkbar gewesen." Namentlich genannt wird Martin Luther. Als weitere Opfer neben den Judenwerden unter anderem erwähnt: "Heiden", Kreuzzugsopfer, Inquisitionsopfer, Indianer, "Hexen", Sklaven und - injüngerer Zeit - von Pfarrern und Priestern "missbrauchte Kinder". In dem Aufruf heiß es: "Diese Verbrechen dürfensich niemals wiederholen. Deshalb fordern wir ein Mahnmal für die Opfer zu errichten als sichtbares Zeichen gegendas Vergessen. Das Denkmal soll ein Zeichen des Erinnerns, des Gedenkens und der Scham setzen, ein Zeichenunserer Trauer, auch ein Zeichen unserer Geschichte. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth stelltein der Aussprache des Deutschen Bundestages zum Holocaust-Mahnmal die Frage: ´Wie haltet ihr es mit den anderenOpfern?` Die Antwort für eine große Anzahl von Opfern soll dieses Mahnmal darstellen" (www.kirchenOpfer.de -30.7.1999).

2000 / 2001 / 2002

Ab 2000, v. a. ab Herbst 2001 - Die zunehmende Eskalation von Gewalt im Palästinakonflikt führt in Deutschlandzwar zur verstärkten Kritik an der Politik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern in den von Israelbesetzten Gebieten. Doch die vielfach unaufgearbeitete Geschichte des Dritten Reiches trägt entscheidend mitdazu bei, dass auch sachgerechte Kritik als "Antisemitismus" verdächtigt oder gar gebrandmarkt wird.Tatsächlicher Antisemitismus kann sich dahinter so gut wie lange nicht mehr verbergen.

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Gleichzeitig wird die Kriegsvorbereitung der USA gegen den Irak (Blut für Öl; Der Spiegel Nr. 3/2003) nahezuohnmächtig beobachtet. Und selbst ernannte Sprecher in der "Friedensbewegung" wie die Ex-Grünen-VorsitzendeJutta Ditfurth bemühen sich, engagierte Kriegsgegner wie z. B. den ehemaligen katholischen Theologieprofessor Dr.Hubertus Mynarek aus der Bewegung ausschließen zu wollen, weil sie ihn zu Unrecht des Antisemitismus verdächtigt(Junge Welt, 4.12.2002).Anders als im Kosovo-Krieg sprechen die deutschen Großkirchen Anfang 2003 zwar meist ein vorläufiges Neinzum Krieg, das jedoch aus taktischen Gründen nicht stabil ist. Die größte evangelische Kirche in den USA, dieBaptisten, ermuntern den US-Präsidenten Bush zum Krieg, da die Bedingungen für einen "gerechten Krieg" nach derLehre der Kirche bereits "übererfüllt" seien. Die USA kündigen an, jederzeit auch wieder Atombomben werfen zukönnen.

Anmerkung: Der EKD-Vorsitzende, Landesbischof Karl Otto Dibelius, erklärte in der Broschüre Militärkirche oderkirchlicher Friedensdienst (Potsdam 1957), selbst "die Anwendung einer Wasserstoffbombe sei vom christlichenStandpunkt aus nicht einmal eine so schreckliche Sache, da wir alle dem ewigen Leben zustreben." Wenn eine solcheBombe eine Million Menschen töte, so erreichten die Betroffenen "umso schneller das ewige Leben" (zit. nach ManfredGörtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Beck-Verlag, München 1999, S. 259).

Ein Holocaust-Überlebender warnt

23.6.2002 - Professor Ernö Lazarovits aus Budapest, Mitglied des Ungarischen Zentralrats der Juden undÜberlebender des Holocaust warnt die österreichischen Politiker vor der Diskriminierung religiöserMinderheiten. In einem Brief an Bundespräsident Dr. Klestil und an den Landeshauptmann von OberösterreichPühringer schreibt Professor Lazarovits:"Zwar lebe ich in Ungarn, aber ich habe auch schon einige Zeit in Oberösterreich ´gelebt , von 1944-1945 inMauthausen, wo ich am 4. Mai 1945 von der US-Armee befreit wurde. Auch bei der heurigen Gedenkfeier inMauthausen hatte ich wieder Gelegenheit, die Mahnung an die Menschen zu wiederholen. Rein menschlich gesehenkönnte ich auf Grund meiner Erlebnisse aus jener Zeit zumindest einen gewissen Groll gegenüber Österreich(ern)empfinden, soweit eben Ihr Land für die Geschehnisse verantwortlich zu machen ist. Dass mein Herz aber nicht vonGroll geleitet wird, sondern von der Sehnsucht nach Versöhnung und Verständigung, ist der Grund dafür, dass mirdurch den Herrn Bundespräsidenten Dr. T. Klestil im Jahr 2000 das ´Große Ehrenzeichen der Republik Österreich`verliehen wurde ... und von Deutschland erhielt ich das ´Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland .Dennoch ist mir etwas geblieben aus diesen leidvollen Erfahrungen des Konzentrationslagers - nämlich einegewisse Sensibilität und Sorge für Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugungen angefeindet werden.Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es mit der Judenverfolgung so begonnen hat, dass man uns zuerst schlechtgemacht hat, was im weiteren den Vorwand lieferte, die wohl auch Ihnen bekannten nächsten Schritte zusetzen. Heute werden Gedenkfeiern abgehalten und bei jeder dieser Veranstaltungen wird beschworen: so etwas darfnie wieder passieren!! Dem kann man nur beipflichten, jedoch muss man besonders ´den Anfängen wehren . Mitgroßer Beunruhigung muss ich daher feststellen, dass mit der, von der Katholischen Kirche und dem LandOberösterreich herausgegebenen CD-ROM mit dem Titel ´Auf der Suche nach dem Sinn` eine Behandlungvon Andersgläubigen praktiziert wird, die man im Ansatz als kollektives Schlechtmachen bezeichnen kann, sowie man uns seinerzeit den ´Judenstern` umhängte. Damals waren es ´nur` die Juden, heute sind es ´nur` die´Sekten` - wo ist der Unterschied? ... Bitte verzeihen Sie, wenn ich als Mitglied des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates meine tiefe innere Besorgnis so direkt zum Ausdruck bringe ... Mit freundlichen Grüßen aus Ungarn..." (Kopie des Briefes liegt vor)

2005 / 2006

10.5.2005 - In Berlin wird das Holocaust-Mahnmal eingeweiht. Über die Verantwortung der evangelischen (undauch der katholischen) Kirche am Holocaust wird geschwiegen.

Mai 2006 - Papst Benedikt XVI. besucht Auschwitz. Am 11.9.2009 erscheint darüber eine Dokumentation derZeitungDie Welt mit dem Titel: Der Versuch, aus Tätern Opfer zu machen(http://www.welt.de/politik/deutschland/article4510495/Als-Benedikt-XVI-aus-Taetern-Opfer-machen-wollte.html).

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2009

11.5.2009 - Papst Benedikt XVI. besucht die Gedenkstätte für Holocaust-Opfer Yad Vashem in Jerusalem.Dabei sagt er "kein Wort über die Haltung der Kirche zum Holocaust, über den Antijudaismus in derKirchengeschichte, der die Shoah erst ermöglicht hat. Er beschränkt sich darauf, das ´Mitleiden` der katholischenKirche mit den Opfern zu nennen ... Die nächsten Tage werden zeigen, wie Israel mit diesem Schweigen eines Papstesleben kann" (Spiegel online, 11.5.2009).

Anhang

Zusammenfassung:

"Deutsche Christen" und "Bekennende Kirche"gemeinsam für Judendiskriminierung und -verfolgung

Sowohl die "Deutschen Christen" als auch die "Bekennende Kirchen" unterstützen mehr oder weniger dieJudenverfolgungen. Der Gehorsam gegenüber Hitler ist für beide kein Widerspruch zum evangelischen Bekenntnis. InKonflikt zum Staat kommt die "Bekennende Kirche" nur dort, wo sie im Sinne der lutherischen Zwei-Reiche-Lehreauf der Selbstständigkeit der Landeskirchen gegenüber der Reichskirche beharrt und wo sie am evangelischenBekenntnis aus dem 16. Jahrhundert festhält und keine Änderungen vornimmt, wie es die "Deutschen Christen" tun.Nach kurzer Auseinandersetzung im Jahr 1934 akzeptieren Hitler und die Nationalsozialisten die Grundposition vonLandesbischof Meiser und gleich gesinnten Kirchenführern, und sie erkennen die Selbstständigkeit der dreievangelischen Kirchen in Bayern, Württemberg und Hannover an. Diese drei zählen deshalb zu den gemäß derlutherischen Lehre "intakt" gebliebenen, in den anderen Landeskirchen gibt es so genannte "bekennende" Flügel bzw."Bruderräte".

Für die jüdischen Mitbürger wirken sich die innerkirchlichen Auseinandersetzungen kaum aus. Trotz der AussageMeisers von 1926, "Judenmission" statt "Judenpogrom", werden in den beiden Lagern der evangelischenKirche Maßnahmen der Judendiskriminierung und -verfolgung gefordert oder befürwortet.

Umgekehrt werden die "missionierten" Juden in der Kirche nur als "Evangelische zweiter Klasse" anerkannt - mitweniger Rechten. Schließlich nimmt man sie teilweise überhaupt nicht mehr auf, bzw. es wird ihr Ausschlussgefordert. Zu diesem Zeitpunkt werden sie trotz ihres evangelischen Glaubens bereits vergast - zusammen mit dergroßen Mehrheit der übrigen Juden -, was die Diskussion über einen Ausschluss aus der Kirche schließlich erübrigt.

Dazu schweigen die evangelischen Kirchen - nach deren eigenen Worten, um die Nazis vor Kritik aus dem Ausland zuschützen. Nur Landesbischof Wurm aus Württemberg formuliert schließlich im Juli 1943 nach langem Schweigen einProtestwort. Doch abgesehen von der Frage, ob ein einzelnes "Protestwort" ohne Konsequenzen überhaupt etwasnützt - ist es ein schicksalhafter "Zufall", dass es erst erfolgte, als z. B. die Vernichtungslager Belzec, Sobibor undTreblinka schon eingeebnet sind?

Gutachten:

Hans Meiser -Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage

Vorbemerkung: Meiser ist im Jahr 1926 Leiter des Predigerseminars der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayernund bildet dort die angehenden evangelischen Pfarrer aus. 1928 wird er zum Oberkirchenrat ernannt und 1933 zumersten Bischof dieser Kirche. Meiser schreibt das Gutachten zu einer Zeit, in der die Juden in Deutschland noch nichtverfolgt werden. Nachfolgend wesentliche Aussagen des Gutachtens in Auszügen:

"Im Besitz der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung haben die Juden ihren Einfluss nur um so ungehemmter geltendgemacht ..."

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"... die Tatsache kann nicht bestritten werden, dass die Juden bis auf diesen Tag ein Sonderdasein unter den Völkernführen. Die letzten Ursachen ... können wir nur in religiösen Gründen finden ... Auf ein neues messianisches Reich,auf ein neues Jerusalem geht die Hoffnung."

"... sie haben eine Unmenge Sitten und Gebräuche bis zum eigenen Jargon; das alles wirkt als trennende Schrankezwischen ihnen und uns ... bei einer Gesamtwürdigung kann nicht in Frage kommen, was einzelne denken, esentscheidet die Haltung der typischen Vertreter."

"Mit einer meisterhaften Fähigkeit ausgestattet, überall den eigenen Vorteil wahrzunehmen, finden wir siehauptsächlich in Berufen, die ein schnelles Vorwärtskommen ermöglichen ... Ohne Übertreibung kann man sagen,dass sie sich den Löwenanteil an unserem Volksvermögen gesichert haben."

"Wir könnten diese Tatsache (Anmerkung: Die hier von Meiser vorgetragenen "Tatsachen", auch hinsichtlich des"Volksvermögens", entsprechen nicht der Wahrheit; siehe unten) ruhigen Blutes feststellen und uns mit ihrabfinden, wenn der Einfluss, den sich die Juden erobert haben, für unser Volk nicht ein so bedenklicher undunheilvoller wäre."

"Das Wort von den ´Judenzinsen` ist keine bloße Verleumdung."

"Wie nun im menschlichen Körper unrichtige Fettbildung und Fettverteilung, etwa die Bildung eines Fettherzens odereiner Fettniere, zur Todesursache werden kann, so kann auch eine abnorme Verteilung des Nationalvermögens einemVolke unmöglich zuträglich sein."

"Es ist oft betont worden, dass der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes an sich hat. Er istkritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend, produktiv ... Was dieser Geist schon gesündigt hat an unseremVolk, welch furchtbares Unwesen er ... treibt, ist kaum auszusagen. Nur mit tiefen Schmerz können alle wahrenFreunde unseres Volkes an alle diese Dinge denken."

"Eine Eindeutschung des Judentums ... erscheint als Widerspruch in sich selbst ... Radikal gesinnte Antisemitenempfehlen den entgegen gesetzten Weg. Nicht Assimilation des Judentums, sondern Bekämpfung des Judentums mitallen Mitteln, Zurückverweisung der Juden ins Ghetto, Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper - das ist dereinzig mögliche Weg zur Lösung der Judenfrage. Vor allem sind es rassehygienische Gesichtspunkte, die stark in denVordergrund gestellt werden. Von der antisemitischen Bewegung stark beeinflusst, sieht auch die völkischeBewegung in der Rassenfrage den Kernpunkt der Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung in einerFront."

"Es gilt hier der Grundsatz, dass die Treue gegen das eigene Volk eine ernsthafte Christenpflicht ist. Es liegt etwasdurchaus Berechtigtes in der Forderung nach Reinhaltung des Blutes. So wenig wir Mischehen etwa mitnaturalisierten Slaven gutheißen können, so wenig können wir Mischehen zwischen Deutsch-Stämmigen mit Judenbilligen. Schon der religiöse Gegensatz sollte Christen die Eingehung einer solchen Ehe verbieten, wie denn auchunsere Kirche solche Ehen von der kirchlichen Trauung ausschließt."

"Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit esseine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen lässt ... Darum können wir uns mitden völkischen Idealen weithin einverstanden erklären ..."

"Nun darf freilich die Betonung des Rassengegensatzes nicht in den Rassenmaterialismus ausarten, der uns in dervölkischen Bewegung weithin begegnet und der nun alles und jedes rassisch bedingt sein lässt und sich gebärdet, alskomme es nur auf die rechte Paarung an, dann werde man lauter edle und tüchtige Menschen erzeugen. Vor allemkönnen wir denen keine Gefolgschaft leisten, die die Juden bloß um ihrer Rasse willen von vornherein und ohneAusnahme als minderwertige Menschen ansehen. Es mag viele zweifelhafte Existenzen unter den Juden geben, aberwer könnte nicht auch edle, sittlich hoch stehende und verehrungswürdige Menschen unter ihnen nennen? Und werwollte behaupten, dass die Zugehörigkeit zur arischen oder nordischen Rasse von selbst vor all den üblenEigenschaften bewahrt, die man den Juden zum Vorwurf macht. Wenn das jüdische Volk so in Bausch und Bogenverurteilt wird, so vergessen gerade wir Christen nicht, dass dieses Volk imstande gewesen ist, das Volk derPropheten, das Volk Jesu, das Volk der Apostel zu sein. Auf keinen Fall lassen wir uns durch völkische Heißsporneunsere Wertschätzung des Alten Testamentes, das auch die Bibel Jesu war, rauben ... Und selbst wenn die jüdischeRasse eine minderwertige Rasse wäre, wissen wir Christen denn nichts von Rassenveredelung und Rassenerneuerung?Trauen wir es der Kraft des Geistes Gottes zu, dass er die Papuas und Hindus und Malayen neu machen kann, sollte ereinen Juden nicht erneuern können? ... Gerade wer von der Minderwertigkeit der jüdischen Rasse überzeugt ist, dürfte,wenn er nicht ein blinder Fanatiker ist, mit dem nicht zu rechten ist, nicht das Judenpogrom predigen, sondern müsstezur Judenmission aufrufen, weil in ihr die Kraft liegt, die Juden auch rassisch zu veredeln."

"Wer sich an den Realismus der jüdischen Lebensauffassung erinnert, die alles unter den Gesichtspunkt desGeldverdienens rückt, der alles, selbst die zartesten und innerlichsten Dinge wie Heirat und Ehe, zum Geschäft wird,wer den alles nivellierenden, die sittlichen Grundlagen unseres Volkstums zersetzenden, bis zur Laszivitätausschweifenden jüdischen Geist kennt, wie er uns in ungezählten Presseerzeugnissen aus jüdischer Feder wie einerstickender Brodem entgegenweht, der kann sich ein Bild davon machen, was unserem Volk drohte, wenn dieser

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Geist noch weiter als bisher schon um sich griffe und zum Gemeingut unseres Volkes würde ... Gegen diese Art der´Verjudung` unseres Volkes können wir nicht energisch genug ankämpfen."

"Wenn es Recht und Pflicht ist, dass zwischen den beiden großen christlichen Konfessionen in unserem Lande ... beider Bestellung der öffentlichen Stellen der Grundsatz der Parität gewahrt wird, dann kann es nicht unrecht sein, wennden Juden unseres Landes gegenüber der gleiche Grundsatz gehandhabt wird und sie zu öffentlichen Ämtern nur imVerhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl zugelassen werden ... Ganz entschieden wehren wir uns als Kinder christlicherEltern dagegen, wenn unsere Kinder dem Einfluss jüdischer Erzieher unterstellt werden ... Natürlich billigen wir dasgleiche Recht, das wir für uns fordern, auch den jüdischen Eltern zu und haben von uns aus nicht nur vollesVerständnis für den Kampf der Juden um Erhaltung ihrer jüdischen Schulen, sondern können sie in diesem Kampfauch mit ehrlicher Überzeugung unterstützen ... Doch wäre es immerhin schon ein Gewinn, wenn der seinerzeitigeAntrag Stöckers (des "Begründers" (Mensing, a.a.O., S. 276) des modernen kirchlichen Antisemitismus aus dem 19.Jahrhundert.; vgl. Zeitablauf: um 1900) zum Gesetz gemacht würde und alle leitenden Artikel in den Zeitungen mitvollem Namen gekennzeichnet werden müssten. Unser Volk wüsste dann wenigstens, wer die Gewährsmänner sind ..."

"Mag die Moral vieler Juden nichts anderes sein als stinkende Unmoral, wer zwingt uns denn, ihre Grundsätze zubefolgen und es ihnen gleichzutun oder gar sie zu übertreffen? Selbsthilfe ist oft die beste Hilfe. Darum scheint mirdiese sittliche Selbstschutzbewegung das Allernotwendigste zu sein, was wir in Bezug auf die Judenfrage zu tunhaben." ...

"Ich möchte nur auch hier mit allem Nachdruck betonen, dass kein Kampf um sittliche Güter mit unchristlichenMitteln geführt werden darf. Die widerliche Verhöhnung und niedrige Beschimpfung der Juden, wie sie uns vielfachin antisemitischen Hetzblättern begegnet, ist christlicher Kampfesweise unwürdig. Mögen sie vielen unter uns noch sounsympathisch sein, mögen es uns manche Juden noch so schwer machen, ihnen mit rechter christlicher Liebe zubegegnen, es gehört mit zu den größten Proben christlicher Liebe, sie auch denjenigen Israeliten zu erzeigen, die unsdurch Eitelkeit, Frechheit und Anmaßung herausfordern und beleidigen ... Auch die gewisseste Überzeugung, dassunserem Volk von Juden schon viel Schaden geschehen ist und noch fort und fort geschieht, entbindet uns nicht vonder Pflicht christlicher Nächstenliebe auch gegen unsere jüdischen Volksgenossen ... Der Kampf gegen das Judentumhat unter uns solche Formen angenommen, dass alle ernsten Christen förmlich genötigt sind, sich schützend vor dieJuden zu stellen, damit nicht der christliche Name vor aller Welt verunglimpft werde. Für uns sind auch die JudenMenschen, die Gott für sein Reich sucht und die an der Erlösung durch Christus Anteil haben sollen. Sind sie nochferne von Christus, so ist das kein Anlass, sie durch unsere Lieblosigkeit noch weiter von ihm wegzustoßen."

"Völlig beseitigen oder gar lösen werden wir die Judenfrage innerhalb dieses Geschichtsverlaufes nicht. Ihrerrestlosen Lösung steht das dunkle, rätselhafte Schicksal entgegen, dem Gott dieses Volk unterworfen ... hat ... Derewige Jude wird bleiben unter den Völkern bis ans Ende der Welt. Er stirbt nicht. Wir können ihn von seinem Fluchnicht befreien. Ruhelos und heimatlos zu bleiben ist sein Los. Aber er soll nicht sagen können, wenn er einst an dasEnde seiner Wanderfahrt gekommen ist, er habe nichts davon gespürt, dass er auf seinem Weg auch durch christlicheVölker gekommen sei. Wir wollen ihm so begegnen, dass er, wenn Gott dereinst den Fluch von ihm nimmt und er zurRuhe eingehen darf, seine Heimat da sucht, wo er die findet, die ihn in seinen Erdentagen mit Freundlichkeit gegrüßt,mit Selbstverleugnung getragen, durch hoffende Geduld gestärkt, mit wahrer Liebe erquickt, durch anhaltendeFürbitte gerettet haben."

Anmerkungen:

1) Insgesamt liegt der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung 1933 bei 0,76 %, davon hat ein Fünftelnicht die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern es handelt sich um Einwanderer aus Russland oder Polen. DerAnteil der jüdischen Erwerbstätigen in Handel und Verkehr liegt bei 2,5 %, im Bank- und Versicherungswesen bei 3%, bei Richtern und Staatsanwälten bei 2,8 %. Meiser erwähnt nicht, dass Juden bis 1918 bestimmte Berufe imöffentlichen Dienst verwehrt wurden (nach Juden-Christen-Deutsche 1, S. 82 f.).2) Das vollständige Gutachten im Original ist nachzulesen bei Eberhard Röhm / Jörg Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche 1, Stuttgart 1990, S. 350-362.3) Landesbischof Meiser bleibt auch nach Ende des Krieges als Landesbischof bis 1955 im Amt. Er entschuldigt sichweder für das Gutachten und für seine Folgen noch nimmt er das Gutachten zurück.

Hintergrund 1:

Der Holocaust und die kirchliche Lehrevon der ewigen Verdammnis

Die Nationalsozialisten haben nach anfänglichem Bekenntnis zum kirchlichen Christentum den Antisemitismus von

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seinen kirchlichen Wurzeln zu lösen versucht. Dies hat es der Kirche erleichtert, sich nach 1945 als "Opfer"darzustellen anstatt sich als Anstifter bzw. Vorläufer zu erkennen.Doch die "Endlösung" des Holocaust steht in vieler Hinsicht in Verbindung zum evangelischen undkatholischen Glauben.Mehrere Jahrhunderte lang werden die Juden als angebliche "Christusmörder" verfolgt. Zu unterschwelligenRachegefühlen kommt aber noch ein wesentlicher Aspekt der kirchlichen Lehre hinzu, der die Verfolgung bis zumTod erst begründet: Der katholische und der evangelische Glaube wähnen sich gemäß ihrer Dogmen undBekenntnisschriften im Besitz der selig machenden Wahrheit, und katholische und evangelische Kirche lehren bisheute die mögliche ewige Verdammnis für viele Andersgläubige. Deshalb lautet eine wesentliche Frage auch: Inwelcher Beziehung stehen der Holocaust und die Lehre von der ewigen Verdammnis?

In der Vergangenheit wurden Millionen der vermeintlich ewig Verdammten auf Veranlassung der Kirche auchhingerichtet. Der kirchliche Glaube an die ewige Verdammnis ihrer Opfer trägt dabei entscheidend zum Abbauder Hemmschwelle gegenüber Folter und Mord bei. Was seien schon die paar Minuten Qual auf demScheiterhaufen gegenüber dem ewigen Höllenfeuer, das Gott angeblich dem Opfer sowieso bald bereitet? Dasvermeintlich "Positive" dabei aus kirchlicher Sicht: Die Hingerichteten können andere Katholiken und Evangelischenicht mehr "verführen", und ihr qualvoller Tod ist auch eine Abschreckung für Schwankende. Und außerdem hätteihnen die Kirche die große Chance gegeben, sich noch in letzter Minute, während die Flammen z. B. schon am Körperhoch züngeln, zum kirchlichen Glauben zu bekehren und auf dieser Weise ihrer angeblichen ewigen Verdammnis zuentgehen (vgl. dazu auch Der Theologe Nr. 19).Zu den vermeintlich ewig Verdammten und in vielen Pogromen zuvor Verfolgten gehören gemäß der Lehre MartinLuthers auch die jüdischen Mitbürger - und zwar dann, wenn sie nicht zum Christentum übertreten.

Anmerkung: Nach römisch-katholischer Lehre zählt es bis heute sogar zu den "unfehlbaren" Glaubenswahrheiten, dassjüdische Mitbürger "dem ewigen Feuer" verfallen, wenn sie die katholische Kirche kennen gelernt haben und nicht vorihrem Tod in diese übergetreten sind. Der Beleg dafür findet sich im offiziellen römisch-katholischen LehrbuchNeuner/Roos, Der Glaube der Kirche, Regensburg 1971, 13. Auflage 1992, Lehrsatz Nr. 381. So gesehen wäre derHolocaust aus römisch-katholischer Sicht nur das vergängliche irdische Feuer vor dem unvergänglichen "ewigen Feuer"gewesen, wobei die Juden in Deutschland vor jenem bewahrt worden wären, wenn sie kurz vor ihrer Vergasung oderErschießung noch die Religion ihrer katholischen Peiniger angenommen hätten. Hätten sie stattdessen die Religion ihreevangelischen Peiniger angenommen, hätte ihnen das nach römisch-katholischer Lehre auch im Jenseits nichts genützt.Und im Diesseits hatte es den jüdischen Mitbürgern sowieso nichts genützt, wenn sie evangelisch oder katholischgeworden sind, wie ja auch in der Dokumentation deutlich wurde. Sie wurden von den Kirchen in der Regel fallen gelassenund von den Machthabern genauso umgebracht wie alle anderen Juden.

Hintergrund 2:

Antijüdische Stellen im Neuen TestamentFür beide Großkirchen ist die Bibel verbindliches, reines und abschließendes Gotteswort. Zu Unrecht werfensie z. B. manchen religiösen Minderheiten "Antisemitismus" vor, während sie selbst in der Geschichte zu denschlimmsten Antisemiten gehörten (siehe z. B. diese Ausgabe des "Theologen") und sich bis heute nicht von demfurchtbaren Antisemiten Martin Luther (www.theologe.de/martin_luther_juden.htm) oder dem rassischenAntisemiten Hans Meiser distanzieren. Stattdessen stellt die evangelisch-lutherische Kirche vor allem MartinLuther weiter als Vorbild hin. Auch haben sich die Kirchen bis heute nicht von nachfolgenden Bibelstellendistanziert, von denen sie sich in der Vergangenheit u. a. zu wüstem Antisemitismus inspirieren ließen und zurgeistigen Vorbereitung des Holocaust. Sollen z. B. nachfolgende Stellen wirklich verbindliches, reines undabschließendes Gotteswort sein? Und wenn ja, kann dann ausgeschlossen werden, dass sich Kirchenanhängerirgendwann wieder darauf berufen?

Da sprach [angeblich] Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: "... Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach euresVaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit" (Johannes 8,31.44).

"Als sie [die Juden] aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er [Paulus] die Kleider aus und sprach zu ihnen: ´EuerBlut komme über euer Haupt" (Apostelgeschichte 18, 6).

Paulus: "Siehe aber zu: du heißest ein Jude ... Nun lehrst du andere, und lehrst dich selber nicht; du predigst, man sollenicht stehlen, und du stiehlst; du sprichst, man solle nicht ehebrechen, und du brichst die Ehe; dir gräuelt vor denGötzen, und du raubest Gott, was sein ist; du rühmest dich des Gesetzes, und schändest Gott durch Übertretung desGesetzes; denn ´eurethalben wird Gottes Name gelästert unter den Heiden , wie geschrieben steht" (Römer 2,17.21-24, nach der Lutherübersetzung von 1964; diese Bibelstelle wurde von der evangeli schen Kirche schoneinmal korrigiert, indem sie die einzelnen Vorwürfe mit Fragezeichen versehen hat; bei dem schwerwiegendenVorwurf am Schluss wurde die Bibelstelle jedoch nicht verändert).

Paulus: "Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; die Auserwählten [als die sich die Mitglieder der Kirche später

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betrachten] aber haben es erlangt. Die andern sind verstockt, wie geschrieben steht (Jesaja 29, 10): ´Gott hat ihneneinen Geist der Betäubung gegeben, Augen, dass sie nicht sehen, und Ohren, dass sie nicht hören, bis auf den heutigenTag.` Und David spricht (Psalm 69, 23-24): ´Lass ihren Tisch zur Falle werden und zu einer Schlinge und ihnen zumAnstoß und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihren Rücken beuge allezeit`"(Römer 11, 7-10).

Paulus: "Aber was mir Gewinn war [die jüdische Lehre und Überlieferung], das habe ich ... für Schaden erachtet. Ja,ich erachte es noch alles für Schaden ..., und ich erachte es für Dreck ..." (Philipper 3, 8)

Paulus: "Die haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht undsind allen Menschen Feind ... Aber der Zorn Gottes ist schon in vollem Maße über sie gekommen" (1. Thessalonicher2, 15 f.).

"Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maulstopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren, was nicht sein darf ..." (Titus 1, 10 f.)

Unser Vorschlag: Wenn es den Kirchen mit ihrer Distanzierung vom Antisemitismus ernst ist, dann sollten siesich zumindest von den oben ausgewählten sieben Bibelstellen distanzieren und diese aus den "Gottesworten"herausnehmen oder sie zumindest korrigieren.

Kommentar:

Die evangelisch-lutherische Zwei-Reiche-Lehreund ihre Bedeutung für die Judenverfolgung

und für das staatliche Handeln der Gegenwart

Immer wieder hörte und hört man im evangelischen Bereich von der "Zwei-Reiche-Lehre", wenn es um dasVerhältnis von Staat und Kirche geht. Wieso zwei Reiche, Staat und Kirche? Mit welchem Recht stellt sicheine Kirche neben den Staat? Welche Auswirkungen hat das für die anderen Religions- undGlaubensgemeinschaften in diesem Staat?

Mit Berufung auf die Zwei-Reiche-Lehre lehnen namhafte evangelische Theologieprofessoren z. B. die WeimarerDemokratie ab und bejahen die NS-Diktatur (z. B. Althaus, Elert). Die Bundesrepublik Deutschland ist vomGrundgesetz her wieder ein demokratischer Rechtsstaat. Doch im evangelischen Religionsunterricht werden dieSchüler nach wie vor in der "Zwei-Reiche-Lehre" unterwiesen, einem Modell, das weder in einer Demokratieentwickelt wurde noch für eine Demokratie taugt, wie nachfolgende Überlegungen verdeutlichen.

Wie wird nach dem Modell der "Zwei-Reiche-Lehre" regiert? Dazu im Jahr 1998 der Landesbischof i. R. Leich,von 1986-1990 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen: "Einerseits regiert Gott mit demEvangelium durch die Prediger der Kirche, um durch den Glauben Menschen auf ewig zu retten, andererseits mit demGesetz durch die Obrigkeit, um die Bösen zu strafen und das friedliche Zusammenleben der Bürger zu sichern. Dieeine Regierweise gilt im Reich Gottes, die andere im Reich der Welt. Aber in beiden ist ein und derselbe Herr amWerk" (zit. nach idea spezial Nr. 3/1998, S. 24).Handelt Gott also unterschiedlich, je nachdem, ob er im "Reich Gottes" (dem "Reich zur Rechten Gottes") tätig istoder im "Reich der Welt" (dem "Reich zur Linken Gottes")? Nach evangelischer Lehre wäre das so.Ein weiterer Aspekt der Zwei-Reiche-Lehre ist die gegenseitige Hilfe der beiden Reiche untereinander: Das von derKirche repräsentierte "Reich zur Rechten Gottes" hilft, vereinfacht gesprochen, dem "Reich zur Linken Gottes", demStaat, die äußere Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Kirche gibt dabei ethische Richtlinien vor. Und das "Reich zurLinken", der Staat, hilft umgekehrt der Kirche, damit diese den kirchlichen Glauben verkündigen und ihre Interessen inder Gesellschaft durchsetzen kann.In dieser evangelischen Konzeption ist kein Platz für die Religionsfreiheit mehrerer einander gleich geordneterGlaubensgemeinschaften, auch wenn es nicht an Versuchen fehlt, die Zwei-Reiche-Lehre auf den demokratischenRechtsstaat zu übertragen und weitere Religionsgemeinschaften zu tolerieren (wie zuletzt die jüdischen Gemeindenund kleinere Gemeinschaften, die sich an evangelische Vorstellungen angepasst haben). Von evangelischer Seiteunbehelligt bleibt auch der römisch-katholische Glaube, der ja "reformiert" wurde und mit dem man sich in derökumenischen Bewegung arrangiert hat. Nach der Zwei-Reiche-Lehre werden Andersgläubige aber grundsätzlichals Störung dieses Zusammenspiels von Staat und Kirche gesehen. Sie gelten bei Luther allein wegen ihresanderen Glaubens als "Aufrührer" und sollen deshalb hingerichtet werden. Denn diese Art von "Aufruhr", soLuther, bedeute eine Gefahr für den Staat.

Dieses kirchliche Denken hat sich bis in unsere Zeit hinein fortgepflanzt. Dabei geht es jedoch nicht wirklich um eine

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"Gefahr für den Staat", wie Kirchenvertreter heucheln, sondern faktisch um eine Gefahr für den Machtanspruch undden Einfluss der Kirche, da es für diese in einer freiheitlichen Demokratie eine Konkurrenzsituation gibt und ihreeinseitige Bevorzugung und massive Subventionierung durch den Staat infrage gestellt wird. Deshalb werden andereGemeinschaften als eine "Gefahr" für die Kirche betrachtet, v. a., wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben. Undso beschwören Kirchenvertreter und kirchliche Lobbyisten in der Politik (die Lobby der Kirche unter den Politikernbeträgt über 90 %) immer wieder die "Partnerschaft" zwischen Staat und Kirche, während Andersgläubige als"Sekten" verleumdet und bekämpft werden und nach einem Eingreifen des Staates gerufen wird.

Dabei dürfte der nach dem deutschen Grundgesetz weltanschaulich neutrale Staat die Großkirchen gar nichtbevorzugen und viele kleinere Gemeinschaften diskriminieren oder benachteiligen. Und für den Staat stellt sichhierbei die Frage: Hält er sich an seine Verfassung und verzichtet auf die Diskriminierung von Minderheiten? Ist eralso ein wirklicher Rechtsstaat? Oder verhält er sich verfassungswidrig und unterstützt die Kirche bei derBekämpfung von Minderheiten, wie er es schon oft in der Geschichte getan hat. Ist er also ein verkappterKirchenstaat?Staat und Kirche sind bis heute vielfach verfilzt (siehe auch Der Theologe Nr. 23). Und ihr starkes heutigesEngagement in Politik und Gesellschaft begründet die Kirche heute oft damit, dass sie es in der Nazi-Zeit leiderversäumt hätte, den Staat mehr zu beeinflussen.So schreibt z. B. Landesbischof Herman von Loewenich über einen seiner Vorgänger, Landesbischof Hans Meiser:"Es ist offensichtlich, dass er einem Verständnis der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre verhaftet war, das Staat undKirche strikt trennte, obwohl nach heutiger Auffassung Luther den Staat auch der Herrschaft und dem Gebot Gottesunterstellte" (Er liebte seine Kirche, a.a.O., S. 11). Was heißt das nun praktisch? Hier wird dem Staat letztlich mitdem Machtanspruch der Kirche gedroht, denn was die "Herrschaft Gottes" und seine "Gebote" bedeuten, dafürreklamiert die Kirche für sich die rechte Auslegung.Und was wäre denn geschehen, wenn Landesbischof Meiser die lutherische Zwei-Reiche-Lehre so verstanden hättewie sie sein Nachfolger von Loewenich heute versteht? Wie weit hätte der nationalsozialistische Staat bei derJudendiskriminierung bzw. -verfolgung dann gehen dürfen, wenn er sich einem so genannten "Gebot Gottes"unterstellt hätte, welches von den evangelischen Kirchen an ihn herangetragen worden wäre? Der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Otto Bezzel forderte 1937 z. B. das "Hinauspeitschen" der Juden.Die Kirche hat bei der Judenverfolgung nur angemahnt, dass die "Ausschaltung der Juden als Fremdkörper imVolksleben" (lt. Gutachten des damaligen "Sektenbeauftragten" Walter Künneth 1934) auf christliche Weise zugeschehen hätte. Was ist damit genau gemeint?

Martin Luthers steckte mit seiner Zwei-Reiche-Lehre einst den Rahmen für Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden undandere religiöse Minderheiten ab. Und so fordert Luther neben der Verfolgung und teilweisen Hinrichtung der Judendie Hinrichtung von Andersgläubigen, von so genannten "Wucherern", von Prostituierten, von als Hexenverleumdeten Frauen, von Predigern ohne amtskirchlichen Auftrag, und er droht Bürgern den Tod an, die diese nichtdenunzieren. Im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre erklärt Luther auch, dass der Christ dem Staat als Henker dienen kann.Und so ist es im Dritten Reich vielfach gewesen. Das evangelische Personal in den KZs bzw. den Vernichtungslagernhat sich z. B. damit gerechtfertigt, sich den Opfern gegenüber nicht bösartig verhalten zu haben. Und das führtschließlich zu der Frage: Ist ein evangelischer Henker vielleicht höflicher und zuvorkommender mit den Opfernals ein Henker, der keiner der beiden Großkirchen angehört? Wie weit darf ein evangelischer Judenverfolgergehen? Ist er im Unterschied zu nichtkirchlichen Antisemiten nur "frei von Hassgefühlen und Racheinstinkten",wie es der Theologe und Sektenbeauftragte Künneth 1934 in seinem Gutachten über die "Ausschaltung derJuden" formuliert? Und was hat das Opfer davon, ob es mit oder angeblich ohne Hass verfolg t wird?

Die Kirche handelt heute verfassungswidrig, wenn sie den Staat erneut zur Diskriminierung Andersgläubiger drängt.Sie handelt allerdings - wie in der NS-Zeit - treu ihrer eigenen Zwei-Reiche-Lehre, die letztlich im Widerspruch zurVerfassung eines demokratischen Rechtsstaates steht, der die Religionsfreiheit einander gleich geordneterGlaubensgemeinschaften garantiert.

Sind die kirchlichen Bekenntnisse zu den Grundwerten der demokratischen Verfassung heute also nurLippenbekenntnisse oder Arrangements mit dem Staat? Oder sind sie mittlerweile in einem korrigierten kirchlichenGlauben begründet? Sind dann die tiefer liegenden Wurzeln für kirchliche Intoleranz und VerfolgungAndersdenkender erkannt, bereut und bereinigt? Und hat man sich bei den Verbrechen um eineWiedergutmachung bemüht? Haben die Kirchenverantwortlichen einen Bewusstseinswandel wenigstens in einigenBereichen vollzogen?So versucht man heute z. B., die Reste der jüdischen Gemeinden als Verbündete zu gewinnen, und es kann gefragtwerden, ob man durch die "Sympathiewerbung" bei Juden bewusst oder unbewusst auchWiedergutmachungsforderungen vorbeugen will.Die evangelische Kirche gibt sich heute vielfach anders als während des Dritten Reiches. Z. B. bekommen heuteAusländer und Asylsuchende oft kirchliche Unterstützung, wobei allerdings zu bedenken ist, dass die kirchlicheSozialarbeit weitgehend staatsfinanziert ist.Durch einige Menschen guten Willens geschah in der NS-Zeit innerhalb der Kirche auch manches Positive, und esgeschieht auch heute. Doch welchem Gesamtziel dient dieses Positive? Wer steuert das Kirchenschiff und wohin?Gehen die Verantwortlichen in den Spuren des Jesus, des Christus? Und wenn nicht, wem folgen sie dann? Und wirdder Staat nur im Schlepptau der Kirchen gezogen, oder schafft er es wenigstens im 21. Jahrhundert, die Taue zukappen und mit dem Grundgesetz als Navigationsbuch selbst das Steuer in die Hand zu nehmen? Aufgrund der obigen

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Zusammenstellung aus dem 20. Jahrhundert kann sich das jeder selbst beantworten.

Quellen- und Literaturverzeichnis:- Abendzeitung Nürnberg, 5.4.2006- Amtsblätter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1928-1948- Böhm Hans-Jürgen, Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht; kostenlos erhältlich beimVerfasser: Eigenverlag, Postfach 53, 91284 Neuhaus

- Besier Gerhard, Scheuch Erwin K. (Hrsg.); Die neuen Inquisitoren, Religionsfreiheit undGlaubensneid, 2 Bd., Zürich/Osnabrück 1999

- Bethge Eberhard, Bonhoeffer, Rowohlts Monographien, Reinbek 1976- Beuys Barbara, Und wenn die Welt voll Teufel wär, Reinbek 1982- Der Spiegel Nr. 5/1947, Nr. 50/1947, Nr. 34/1998, Nr. 40/1998- Der Stürmer, Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit, Nürnberg; verschiedeneAusgaben

- Der Tagesspiegel, 8.11.2000, 20.2.2005- Denzler Georg, Fabricius Volker; Christen und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1993- Deschner Karlheinz, Ein Jahrhundert Heilsgeschichte - Die Politik der Päpste im Zeitalter derWeltkriege, von Leo XIII. 1878 bis Pius XI. 1939, Köln 1982

- Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche; herausgegeben im Gedenkjahr derAugsburgischen Konfession 1930, Göttingen 1982

- Die christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus, zit. nach http://www.humanist.de/kriminalmuseum/eugenik.htm- Die Welt, 11.9.2009- Die Zeit, Nr. 2/2003- dpa-Meldung vom 8.12.98: Buchankündigung: Büttner Ursula, Greschat Martin, Die verlassenen

Kinder der Kirche, Göttingen 1998- Eckart Dietrich, Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, München 1924- Erlanger Nachrichten, 27.8.1993- Erler Hans, Koschel Ansgar, Der Dialog zwischen Juden und Christen, Frankfurt - New York 1999- Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern, Jahrgänge 1928-1948- Evangelisches Sonntagsblatt für Bayern Nr. 42/1998, Nr. 39/2000, Nr. 36/2006, Nr. 19/2007,Nr. 30/2007, Nr. 15/2008, Nr. 13/2009, Nr. 20/2009, Nr. 45/2009, Nr. 15/2010

- Garbe Detlef, Glaubensgehorsam und Märtyrergesinnung, Die Verfolgung der Zeugen Jehovas imDritten Reich; in: EZW-Texte Nr. 145, Ev. Zentrale für Weltanschauungsfragen, Berl in 1999

- Görtemaker Manfred, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Beck-Verlag, München 1999- Göttinger Tagblatt, 6.8.1993- Fitz Diana, Ansbach unterm Hakenkreuz, Ansbach 1994- Frankenpost, 15.1.1999- Freie Christen für den Christus der Bergpredigt; Freie Christen für die Verfassung; Krieg inJugoslawien, 28.3.1999, Flugblatt o. J., Max-Braun-Straße 2, 97828 Marktheidenfeld

- Haack Friedrich-Wilhelm, Brief an A. Emtmann vom 30.4.1986- Haberer Johanna (Hrsg.), Er liebte seine Kirche, München 1996- Hamann, Brigitte, Hitlers Wien, Lehrjahre eines Diktators, München 1996- Hanauer Anzeiger, 9.11.1998- Heer Friedrich, Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität, München,Esslingen 1968

- Heer Friedrich, Gottes erste Liebe, Berlin 1981- Hempelmann, Reinhard, Dr., Zum 100. Geburtstag von Kurt Hutten, Evangelische Zentrale fürWeltanschauungsfragen, Berlin Nr. 3/2001

- Hentschel Volker, So kam Hitler, Schicksalsjahre 1932-1933, Düsseldorf 1980- Hitler Adolf, Mein Kampf, München 1933, 70. Auflage- idea-spektrum, Zeitschrift, Wetzlar Nr. 11/1996, Nr. 31/32/2006- Israel heute Nr. 26 / Februar 2005- Jaspers Karl, Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962- Jeversches Wochenblatt, 6.8.1993- Juden in Nürnberg, Presse- und Informationsamt Nürnberg 1993- Junge Kirche, Zeitschrift, Jahrgang 1934 u. a.- Junge Welt, 4.12.2002- Kertzer, David I., Die Päpste und die Juden, Berlin 2004- Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Band IV/2, Hans-Walter Krumwiede u. a. (Hrsg.),Neukirchen 1980

- Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Band V, Heiko A. Obermann u. a. (Hrsg.),Neukirchen 1999

- Klee Ernst, Die SA Jesu Christi, Frankfurt am Main 1989

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- Klee Ernst, Persilscheine und falsche Pässe, Frankfurt am Main 1991- Klee Ernst, Petrich Gunnar, Film "Alles Kranke ist Last", ARD 1988;

vgl. das gleichnamige Buch, Frankfurt am Main 1983- Königseder Angelika, Wetzel Juliane; Lebensmut im Wartesaal, Frankfurt am Main 1994- Kriele Martin, Erklärung für die Presse, 24.8.1998- Künneth Walter, Antwort auf den Mythus, Berlin 1935- Künneth Walter, Die Nation vor Gott, Berlin 1934- Künneth Walter, Der große Abfall, Hamburg 1947- Lazarovits, Ernö, Prof., Offener Brief an Bundespräsident Dr. Thomas Klestil, Österreich, vom23.6.2002

- Lenz Hans-Friedrich, Sagen Sie Herr Pfarrer, wie kommen Sie zur SS?, Gießen 1982- Lila Winkel, Video: Starlock Pictures Production, New York, 1991- Litell, Franklin H., Den Holocaust erfinden, Freiburger Rundbrief, Neue Folge 2/1997- Main-Echo, 6.3.1995- Main-Post, 6.7.1985- Main-Post-Extra, Gemeinsam ins Dritte Jahrtausend, März 1999- May Fritz, Israel zwischen Blut und Tränen, Der Leidensweg des jüdischen Volkes, Aßlar 1987- Mensing Björn, Pfarrer im Nationalsozialismus, Göttingen 1998- Müller Christine-Ruth, Siemen, Hans-Ludwig; Warum sie sterben mussten, Neustadt an der Aisch1991

- Mynarek Hubertus, Die neue Inquisition, Sektenjagd in Deutschland, Marktheidenfeld 1999- Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 1967; 1998- Neuner Josef, Roos Heinrich, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung,Regensburg 1971, 13. Auflage 1992 (katholisch)

- Nürnberger Nachrichten, 22./23.7.1997- Preradovich Nikolaus von, Stingl Josef, "Gott segne den Führer!", Leoni am Starnberger See 1986(2. Auflage)

- Rockenmaier Dieter W., Das Dritte Reich und Würzburg, Würzburg 1988 (3. Auflage)- Rechtssammlung der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, München 1998, 44. Ergänzungslieferung- Röhm Eberhard, Thierfelder Jörg; Juden-Christen-Deutsche, 5 Bände; Stuttgart 1990 ff.- Vierteljahresschrift der Luthergesellschaft, München 1933- Schluckebier, Friedrich Wilhelm, Dr., Sektenspiegel, Evangelischer Presseverband Kurhessen-Waldeck e.V., Kassel 1962

- Spiegel online, 16.12.2004, 18.2.2008, 11.5.2009- Staatsarchiv Marburg, Dokument 165/3943- Stern 5/95; 50 Jahre das Beste vom; Jahrgang 1951, Hamburg 1998- Steuerwald, Helmut, Die Kirche im Bann des Nationalsozialismus, http://www.hbb-bayern.de(Humanistisches Bildungswerk Bayern)

- Süddeutsche Zeitung, 10.7.1997, 29.7.1997; 7.11.1998; 26.11.1998; 8.11.2000; 21.10.2008;7.1.2009; 9.9.2009

- Twisselmann Hans-Jürgen, Satans System oder Gottes Zulassung auf Zeit. Zum Staatsverständnisder Zeugen Jehovas, in: EZW-Texte Nr. 145, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen,Berlin 1999

- Vollnhals Clemens, Evangelische Kirche und Entnazifizierung, München 1989- Wehr Gerhard, Gutes tun und nicht müde werden, München 1989- www.hagalil.com/archiv/2005/07/auerbach-2.htm- www.de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Auerbach- www.KirchenOpfer.de - 30.7.1999- www.verfolgte-schueler.org- Zahrnt Heinz, Die Sache mit Gott, dtv-Ausgabe, München 1976, 2. Auflage- Zinke Peter, All allem ist Alljuda schuld. Antisemitismus während der Weimarer Republik in Franken,

Nürnberg 2009

Die Stationen der Judenvernichtung sind überwiegend der Zeittafel in Juden-Christen-Deutsche (siehe oben:Röhm) entnommen, Band 1, S. 399-405. Einige der weiteren Informationen entstammen der Zeittafel in Christenund Nationalsozialisten (siehe oben: Denzler), S. 366-370 bzw. aus einer dpa-Meldung (zit. nach HanauerAnzeiger vom 9.11.1998). Die Hinweise auf die katholischen Synodenbeschlüsse finden sich ebenfalls in Juden-Christen-Deutsche, Band 1, S. 28-30.

Aufruf: Entschädigung

Die Kirchen sollen zahlen ...,

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... nicht der Staat, oder wir, seine Bürger. Über Jahrhunderte haben die Kirchen das Geld wehrloser Opfer [Juden,Andersgläubige, "Hexen", Indianer usw.] geraubt, und auch heute noch bekommen sie vom Staat [in Deutschland]jährlich ca. 14 Milliarden Euro Subventionen, die jeder von uns mitzahlen muss. Die Kirchen waren auch dieWegbereiter des Antisemitismus, dem Millionen jüdischer Mitbürger im letzten Jahrhundert zum Opfer fielen. AdolfHitler und Julius Streicher beriefen sich bei der Verfolgung der Juden auf Martin Luther, der auf furchtbare Weisegegen jüdische Mitbürger hetzte (siehe dazu Der Theologe Nr. 28). Nach dem antisemitischen Landesbischof Meisersind in vielen Städten noch immer Straßen benannt.Und haben die Amtskirchen das Eigentum der auf ihr Betreiben Verfolgten und Ermordeten, das sie vielfachbeschlagnahmt hatten, an deren Nachkommen zurückgegeben?

Anmerkungen: 1) Bei den ca. 14 Milliarden Euro handelt es sich weder um die Kirchensteuer noch um die weitgehendeStaatsfinanzierung kirchlicher Sozialeinrichtungen (noch einmal ca. 10 Milliarden Euro jährlich). Es sind die zusätzlichenSubventionen, die immer noch aus dem allgemeinen Steueraufkommen an die Kirchen bezahlt werden.2) Vgl. Martin Luther: Er fordert, dass man den Juden "nehme ... alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold" (siehevorne). Den Kirchen hingegen solle man Geld geben.

Damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt:

Archive öffnen!

Im Jahr 2002 hielten die evangelischen Landeskirchen immer noch Personalakten mit Informationen aus der Zeit desDritten Reiches verschlossen. Erst 50 Jahre nach dem Tod eines Amtsträgers wollen die Kirchen Akteneinsichtermöglichen, im Fall des 1956 verstorbenen Landesbischofs Hans Meiser war dies also erst im Jahr 2006. Wirfordern: Immer gleich alle Archive öffnen! Damit die ganze Wahrheit schneller ans Licht kommt!

PS: Noch immer gibt es viele Hans-Meiser-Straßen und hängt das Bischof-Meiser-Portrait in der Amtsstube desamtierenden Landesbischofs ...

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Der Text ist auch als Druckschrift erschienen und kann wie folgt zitiert werden:Zeitschrift "Der Theologe", Hrsg. Dieter Potzel, Ausgabe Nr. 4: Die evangelische Kirche und derHolocaust, Wertheim 1999, 3. Auflage 2004, zit. nach http://www.theologe.de/theologe4.htm, Fassungvom 17.8.2010; Impressum siehe hier

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