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TOP 075 KULTUR I n der Kurpfalz lebt ein bescheidener Politologe und Historiker mit einer Sammlung von historischen Artefakten, die weit über die Grenzen dieses Landes einzigartig sein dürfte: Dr. Peter Kaiser (38), gebürtiger Heidelberger, arbeitet für den Landtagsabgeordneten Georg Wacker und lebt in seiner Freizeit ein erstaunliches Hobby aus: er sammelt mit unglaublicher Leidenschaft historische Artefakte mit Geschichte. Hinter dem zerbrochenen Teller in seiner Hand (Foto 5) steckt beispielsweise eine lange Story. Das erste Stück, das Kaiser uns zeigt, ist ein Tellertorso von der unglückseligen „RMS Empress of Ireland“. Der Untergang dieses kanadischen Schiffes im Jahr 1914, war die weltweit größte Schlagzeile vor dem ersten Weltkrieg und zog mehr Menschen in den Tod, als nur zwei Jahre zuvor die Titanic. Aus dem Fundus der, 70 Jahre später geborgenen Teile, liegt nun eine Objekt vor uns. Peter Kaiser erzählt uns die Geschichte dieses Tellers, als hätte er selbst vor dem Untergang davon gegessen. Aber nicht nur die Geschichten aus der aktiven Zeit der Gegenstände sind für ihn von Bedeutung. Mit Akribie studiert er auch die genaue Herkunft. ner Bilderrahmen mit indischen Verzierungen und Tierornamenten, der einst einem briti- schen Lord gehörte, der diesen an Bord zurück lassen musste, bevor die „Medina“ von einem deutschen U-Boot 1917 versenkt wurde. 1987 wurden Teile des Schiffes geborgen- darunter auch dieses einzigartige Stück. Die „RMS Olympic" war das Schwesterschiff der „RMS Titanic“ und galt lange Zeit als das edelste Passagierschiff der „White Star Line“. Kapitän Edward John Smith, der mit der Titanic unterging, war der erste Kapitän auf der Olympic, die nur kurz vor der Titanic vom Stapel lief. Nach einer turbu- lenten Zeit als Truppentransporter im 1. Weltkrieg erlebte das Schiff nach dem Krieg eine Blütezeit. In den 20er Jahren war sie sehr populär und hatte viele reiche und berühmte Passagiere an Bord, darunter Charlie Chaplin, Mary Pickford und Douglas Fairbanks, sowie Prinz Edward (zu der Zeit Prince of Wales). Zu ihrer Attraktivität verhalf ihr unter anderem, dass sie der Titanic zum Verwechseln ähnlich war. Von diesem berühmten Schiff, das trotz aller Unbill in ihrem langen Leben nicht versank, sondern abgewrackt wurde, hat Dr. Peter Kaiser eine Holzleiste aus einer Kabine der ersten Klasse (Foto 4) sowie einen Briefbeschwerer, gegossen aus dem Metall der Olympic (Foto 9), ersteigert. Beindruckend ist auch, wenn man einen Teller in der Hand hält, von dem königliche Hoheiten gegessen haben. So wie beim Teller des gro- ßen Staatsdinners aus dem Besitz des britischen Königs Edward VII. (Foto 6). Dieser Teller wurde auf seiner königlichen Yacht „Victoria & Albert II“ eingesetzt. Sie war eine dampfgetriebene Yacht mit seitlichen Schaufelrädern und hatte eine Gesamtlänge von 120 m. Der Stapellauf erfolgte am 16. Januar 1855. Ihre Dienstzeit als Königliche Staatsyacht dauerte von 1855 bis zum Jahr 1900. Die königliche Familie hat also mit Sicherheit von diesem Teller gespeist- ein kleines Stück Porzellan mit großer Geschichte.Auch auf der königlichen Yacht „HMY Osborne“ speiste der Kronprinz von Wales und spätere britische König Edward VII am Ende des 19. Jahrhunderts von einem Service, aus dem Peter Kaiser eine Tasse in Händen hält (Foto 13). „Lalique“ ist auch heute noch ein großer Name bei hochwerti- gen Glasprodukten. Auf der „France“ wurden in der ersten Klasse natürlich nur die allerfeinsten Gläser verwendet. Eines davon, ein Prachtstück in Kobaltblau, mundgeblasen, steht nun vor uns auf dem Tisch. Die „France“, die spätere „Norway“, war einst eines der elegantesten Schiffe der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts und der zweitschnellste Altlantikliner der Welt. Welcher Vorbesitzer hat es vom Vorvor-Besitzer erhalten und warum. „Die Provenienz ist ganz wichtig bei allen Stücken. Von vielen Dingen, besonders von Autographen, gibt es gute Fälschungen zu hohen Preisen. Das muss man genau prüfen“, so Kaiser. Somit ist jedes seiner seltenen Artefakte mit Zertifikaten und zum Teil sehr persönlichen Briefen ausge- stattet, die die Herkunft und die Geschichte der Teile belegt. Besonders angetan haben es ihm Stücke von berühm- ten Schiffen. Was Kaiser zusammengetragen hat, stünde manchem Museum gut zu Gesicht. An der Wand hängt ein unscheinbares Holzregal, das aber einst in der ersten Klasse der „RMS Queen Elisabeth“, dem bis in die 60er Jahre größ- ten Schiff der Welt, zu finden war. Auch ein „Finger Bowl“, ein Wassergefäß zum Reinigen der Finger während des Dinners, das auf der „RMS Queen Mary“ Dienst tat, nennt er sein Eigen. Dieses Schiff hielt lange das „Blaue Band“, was die Auszeichnung für die schnellste Atlantik-Überquerung war. Aus dem Wrack der „RMS Medina“ stammt ein blecher- 074 TOP Von der Titanic-Kohle bis zur Kaiserlichen Yachtflagge: EINE GESCHICHTSSTUNDE DER GANZ BESONDEREN ART KULTUR 16. 4. 13. 6. 12. 5. 20. 2.

4. EINE GESCHICHTSSTUNDE DER GANZ BESONDEREN ART · der Außenhaut der Titanic (Foto 7) und hier habe ich ein paar kleine Stückchen Kohle (Foto 8), die aus dem Wrack geborgen wurden“,

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In der Kurpfalz lebt ein bescheidener Politologe und Historiker mit einer Sammlung von historischen Artefakten, die weit über die

Grenzen dieses Landes einzigartig sein dürfte: Dr. Peter Kaiser (38), gebürtiger Heidelberger, arbeitet für den Landtagsabgeordneten Georg Wacker und lebt in seiner Freizeit ein erstaunliches Hobby aus: er sammelt mit unglaublicher Leidenschaft historische Artefakte mit Geschichte.

Hinter dem zerbrochenen Teller in seiner Hand (Foto 5) steckt beispielsweise eine lange Story. Das erste Stück, das Kaiser uns zeigt, ist ein Tellertorso von der unglückseligen „RMS Empress of Ireland“. Der Untergang dieses kanadischen Schiffes im Jahr 1914, war die weltweit größte Schlagzeile vor dem ersten Weltkrieg und zog mehr Menschen in den Tod, als nur zwei Jahre zuvor die Titanic. Aus dem Fundus der, 70 Jahre später geborgenen Teile, liegt nun eine Objekt vor uns. Peter Kaiser erzählt uns die Geschichte dieses Tellers, als hätte er selbst vor dem Untergang davon gegessen. Aber nicht nur die Geschichten aus der aktiven Zeit der Gegenstände sind für ihn von Bedeutung. Mit Akribie studiert er auch die genaue Herkunft.

ner Bilderrahmen mit indischen Verzierungen und Tierornamenten, der einst einem briti-schen Lord gehörte, der diesen an Bord zurück lassen musste, bevor die „Medina“ von einem deutschen U-Boot 1917 versenkt wurde. 1987 wurden Teile des Schiffes geborgen- darunter auch dieses einzigartige Stück.

Die „RMS Olympic" war das Schwesterschiff der „RMS Titanic“ und galt lange Zeit als das edelste Passagierschiff der „White Star Line“. Kapitän Edward John Smith, der mit der Titanic unterging, war der erste Kapitän auf der Olympic, die nur kurz vor der Titanic vom Stapel lief. Nach einer turbu-lenten Zeit als Truppentransporter im 1. Weltkrieg erlebte das Schiff nach dem Krieg eine Blütezeit. In den 20er Jahren war sie sehr populär und hatte viele reiche und berühmte Passagiere an Bord, darunter Charlie Chaplin, Mary Pickford und Douglas Fairbanks, sowie Prinz Edward (zu der Zeit Prince of Wales). Zu ihrer Attraktivität verhalf ihr unter anderem, dass sie der Titanic zum Verwechseln ähnlich war. Von diesem berühmten Schiff, das trotz aller Unbill in ihrem langen Leben nicht versank, sondern abgewrackt wurde, hat Dr. Peter Kaiser eine Holzleiste aus einer Kabine der ersten Klasse (Foto 4) sowie einen Briefbeschwerer, gegossen aus dem Metall der Olympic (Foto 9), ersteigert.

Beindruckend ist auch, wenn man einen Teller in der Hand hält, von dem königliche Hoheiten gegessen haben. So wie beim Teller des gro-ßen Staatsdinners aus dem Besitz des britischen Königs Edward VII. (Foto 6). Dieser Teller wurde auf seiner königlichen Yacht „Victoria & Albert II“ eingesetzt. Sie war eine dampfgetriebene Yacht mit seitlichen Schaufelrädern und hatte eine Gesamtlänge von 120 m. Der Stapellauf erfolgte am 16. Januar 1855. Ihre Dienstzeit als Königliche Staatsyacht dauerte von 1855 bis zum Jahr 1900. Die königliche Familie hat also mit Sicherheit

von diesem Teller gespeist- ein kleines Stück Porzellan mit großer Geschichte.Auch auf der königlichen Yacht „HMY Osborne“ speiste der Kronprinz von Wales und spätere britische König Edward VII am Ende des 19. Jahrhunderts von einem Service, aus dem Peter Kaiser eine Tasse in Händen hält (Foto 13).

„Lalique“ ist auch heute noch ein großer Name bei hochwerti-gen Glasprodukten. Auf der „France“ wurden in der ersten Klasse natürlich nur die allerfeinsten Gläser verwendet. Eines davon, ein Prachtstück in Kobaltblau, mundgeblasen, steht nun vor uns auf dem Tisch. Die „France“, die spätere „Norway“, war einst eines der elegantesten Schiffe der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts und der zweitschnellste Altlantikliner der Welt.

Welcher Vorbesitzer hat es vom Vorvor-Besitzer erhalten und warum. „Die Provenienz ist ganz wichtig bei allen Stücken. Von vielen Dingen, besonders von Autographen, gibt es gute Fälschungen zu hohen Preisen. Das muss man genau prüfen“, so Kaiser. Somit ist jedes seiner seltenen Artefakte mit Zertifikaten und zum Teil sehr persönlichen Briefen ausge-stattet, die die Herkunft und die Geschichte der Teile belegt.

Besonders angetan haben es ihm Stücke von berühm-ten Schiffen. Was Kaiser zusammengetragen hat, stünde manchem Museum gut zu Gesicht. An der Wand hängt ein unscheinbares Holzregal, das aber einst in der ersten Klasse der „RMS Queen Elisabeth“, dem bis in die 60er Jahre größ-ten Schiff der Welt, zu finden war. Auch ein „Finger Bowl“, ein Wassergefäß zum Reinigen der Finger während des Dinners, das auf der „RMS Queen Mary“ Dienst tat, nennt er sein Eigen. Dieses Schiff hielt lange das „Blaue Band“, was die Auszeichnung für die schnellste Atlantik-Überquerung war.

Aus dem Wrack der „RMS Medina“ stammt ein blecher-

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Von der Titanic-Kohle bis zur Kaiserlichen Yachtflagge:

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Ein besonders seltenes Weinglas aus den Erste- Klasse- Suiten von der legendären „Normandie“, dem elegantesten Schiff der 30er Jahre, gehört ebenso zu Kaisers Sammlung, wie eine Kaffeetasse von Bord der legendären „Andrea Doria“, die einst als größtes und schnellstes Schiff der italienischen Flotte jener Zeit galt und 1956 nach einer Kollision versank.

Ein Frühstücksteller (Foto 12) des Erste-Klasse-Services der „RMS Adriatic“, ist eines der besonderen Highlight aus dieser Sammlung. Der Teller ist perfekt erhalten und gleicht denen, die später auf der „RMS Titanic“ Verwendung fanden vollkommen. Auch das hand-gemalte „White-Star-Line-Logo“ im Zentrum des Tellers ist noch wunderbar erhalten.

Von über 40 berühmten Schiffen hat Peter Kaiser Artefakte in seiner Sammlung. Da darf natürlich die Titanic nicht fehlen. Das Unglückschiff, das 1912 spektakulär versank, hält noch bis heute einige Rätsel bereit. Fast kann man die Spannung spüren, die von Peter Kaisers Hand zu dem winzigen Plastikschächtelchen über-springt, das er uns vor die Nase hält: „Das ist ein kleines Stück von der Außenhaut der Titanic (Foto 7) und hier habe ich ein paar kleine Stückchen Kohle (Foto 8), die aus dem Wrack geborgen wurden“, erzählt Kaiser voller berechtigtem Stolz. Als Highlight zeigt er uns eine Weihnachtskarte mit der Unterschrift von Titanic-Kapitän Edward John Smith (Foto 1), der auf seinem Schiff den Tod fand. Unbedeutend scheinen die Artefakte in ihren banalen Behältnissen. Erst durch Kaisers Erzählungen werden sie zum Leben erweckt und vor unseren Augen zu Stücken der Weltgeschichte, die Gänsehaut und Ehrfurcht erzeugen.

Außer dem einzigartigen Autograph von Kapitän Smith hat Kaiser weitere 24 Autographen von Kapitänen berühmter Schiffe in seiner Sammlung. Unter anderem die Unterschrift von Kapitän Sir Arthur Rostron, der zur Zeit der Titanic-Katastrophe auf der „RMS Carpathia“ Dienst tat und somit zum Retter vieler Menschenleben wurde. „Mit glänzen Augen serviert Kaiser die beiden Unterschriften nebeneinander „Die beiden haben sich nie kennengelernt und doch waren sie sich für einen kurzen Moment im Leben so nah. Der eine fand den Tod, der andere rettete viele Menschen aus der Seenot!“

Das wohl größte und beeindruckendste Objekt aus Kaisers Schatztruhe ist die 4 qm große Standarte der Yacht „HMY Hohenzollern“, die bis 1914 für Kaiser Wilhelm II. im Dienst war. Auf Foto 16 kann man sehen, wo die Standarte bei Fahrten der „Hohenzollern“ mit Kaiser Wilhelm an Bord, angebracht war. Die Geschichte, auf welchen Wegen dieses einzigartige Stück deutscher Geschichte in den Besitz des Historikers kam, ist so fantastisch, wie die Geschichte der Hohenzollern selbst. Kaiser präsentiert uns die bestens erhaltene Standarte voller Stolz (Foto 15), packt sie dann aber wieder ein, denn zur Präsentation all seiner Pretiosen fehlen ihm die Wände und Vitrinen.

Irgendwann, so Kaiser, will er seine Stücke der Öffentlichkeit zugänglich machen, denn er sieht sie als Teil der Menschheitsgeschichte. „Mit jeder Unterschrift hat man einen Augenblick im Leben eines berühmten Menschen ein-gefangen und diesen kann man anfassen und greifen. Das ist etwas ganz Besonderes, das viele Menschen erleben sollten!“, so Peter Kaiser über seine Pläne für die Sammlung.

Über 150 Autographen von den berühmtesten Persönlichkeiten der Weltgeschichte zählen zu Kaisers Sammlung. Darunter Unterschriften von George VI., Kaiser Wilhelm I., Kaiser Wilhelm II., Edward VIII (Foto 20) sowie eine Ernennungsurkunde mit Unterschrift vom Bayernkönig Ludwig II. (Foto 18) und eine Weihnachtskarte an ein Patenkind von Prinz Charles mit seiner und Dianas Unterschrift (Foto 17).

Zum Abschluss bekommen wir ein Buch von Charles de Gaulle serviert (Foto 19), in dem ein Brief mit des-sen Unterschrift klebt. Welch ein unglaublicher Ritt durch die Geschichte, welch eine wunderbare Sammlung von Artefakten, die Stück für Stück einen kleinen Ausschnitt aus

den letzten zwei Jahrhunderten darstellen. Was für eine unverges-sliche Geschichtsstunde. Wie schön, dass es Menschen gibt, die nicht mit monetären Gedanken und Handelsabsichten an diese Dinge geraten, sondern sie erhalten und bewahren wollen- für unsere Nachfahren, die sich vielleicht auch noch in Jahrzehnten und Jahrhunderten für die kleinen Geschichten hinter der großen Geschichte interessieren, die unser Leben so lebenswert machen...

Text und Fotos: Thomas Henne

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