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Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
4. Herausforderungen
Inhalte dieses Abschnitts
4.1 Ökonomische Evaluation
• Kosten-Effektivitäts-Analyse
• Kosten-Nutzwert-Analyse
• Ökonomische Evaluation in Deutschland
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
4.1 Ökonomische Evaluation
Warum ökonomische Bewertung von Leben und Gesundheit?
Die gesetzliche Krankenkasse/nationaler Gesundheitsdienst entscheidet beispielsweise über:
(neue) Therapien (neue) Pharmazeutika (neue) medizinische Hilfsmittel
Eine sinnvolle Politikregel muss die Entscheidungen auf Basis eines Vergleichs von Vor- und Nachteilen treffen
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Beispiele aus dem Gesundheitsbereich
• Sollte ein Krankenversicherer eine mobile Herzeinheit vor-halten, um die Sterblichkeit bei Herzinfarkten zu reduzieren?
• Oder wäre es eher empfehlenswert, in eine Medikamenten-therapie zur Blutdruckreduktion zu investieren?
• Eventuell aber wäre auch eine (präventive) Operation ratsam
• Wenn ja, welche Operation? Die minimal-invasive Ballon-Dilatation oder doch besser eine Bypass-Operation?
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Notwendigkeit Nutzen in Geld zu messen
• Die Kosten von Projekten oder neuen Prozeduren werden typischerweise in Geldeinheiten gemessen
• Um zu einer Entscheidung über die Vorteilhaftigkeit zu gelangen müssen wir den Nutzen ebenfalls in Geld messen
• Im Gesundheitskontext bedeutet das nichts anderes als dass wir den Wert von Gesundheit und Leben ebenfalls in Geld messen müssen
• Nur so gelangen wir zu einer „vernünftigen“ Zusammensetzung des Leistungspakets der Krankenversicherung
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Kosten-Nutzen-Analyse als Goldstandard
• Drei unterschiedliche Ansätze
Kosten-Effektivitäts-Analyse (Cost-Effectiveness Analysis, CEA) Kosten-Nutzwert-Analyse (Cost-Utility Analysis, CUA) Kosten-Nutzen-Analyse (Cost-Benefit Analysis, CBA)
• Nur die Kosten-Nutzen-Analyse erlaubt eine Entscheidung darüber, ob eine Leistung generell bereit gestellt werden sollte
• International ist dieses Verfahren jedoch unüblich, weshalb wir uns auf den Standard – die ersten beiden Verfahren – beschränken werden
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Kosten-Effektivitäts-Analyse (CEA)
• Wird die CEA verwendet, dann wird die positive Wirkung auf einer eindimensionalen natürlichen Skala gemessen
• Unterstellen Sie zwei Medikamente A und B , die beide den Blutdruck eines Patienten senken
• Die CEA sieht nun die Senkung des Blutdrucks (in mm Queck-silbersäule) als positive Wirkung an. Nebenwirkungen werden ignoriert
• Um zu einer Entscheidung zu gelangen, muss die Versicherung wissen, ob die Medikamente nur voneinander unabhängig sind oder ob sie sich auch gegenseitig ausschließen.
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CEA für unabhängige Alternativen
• Es seien ic die Kosten der Alternative ,i A B=
• Die durchschnittliche positive Wirkung von Alternative i ist ib ,
,i A B=
• Das durchschnittliche Kosten-Effektivitäts-Verhältnis ist dann:
• Wenn A BACER ACER< ,
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CEA für unabhängige Alternativen
Maßnahme Kosten Wirkung ACER Z 150.000 1.850 x 100.000 1.200 Y 120.000 1.350
Vorhandenes Budget Implementierung <150.000 150.000-249.999
250.000-369.999
ab 370.000
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CEA für sich ausschließende Alternativen 1
• Kosten und positive Wirkung sind weiterhin ic und ib
• In diesem Beispiel macht es wenig Sinn, die Alternativen als unabhängig zu betrachten, da beide Medikamente auf dasselbe Ziel abstellen - die Senkung des Blutdrucks
• Angenommen B Ac c> . Sind die Zusatzkosten gerechtfertigt?
• Inkrementelles Kosten-Effektivitäts-Verhältnis
Alle Prozeduren können entsprechend ihres ICERs gerankt werden lege Schwellenwert für Erstattung fest
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CEA für sich ausschließende Alternativen 2
Maßnahme Kosten Wirkung dK dW ICER P1 125.000 1.300 P2 100.000 1.500 P3 160.000 2.000 P4 140.000 2.200 P5 170.000 2.600
Eliminierung von teureren und weniger wirksamen Alternativen
Maßnahme Kosten Wirkung dK dW ICER
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CEA für sich ausschließende Alternativen 3
Eliminierung von dominierten Alternativen
Maßnahme Kosten Wirkung dK dW ICER
Implementierung nun abhängig vom Budget, wenn
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Probleme mit der CEA
• Es ist egal, wer von der positiven Wirkung profitiert und wer die Kosten dafür zu tragen hat
• CEA ist nicht sachgerecht, wenn die Alternativen Wirkungen in mehr als einer Richtung entfalten
• Die CEA ist nur in der Lage Alternativen zu ranken
• Ist nicht in der Lage zu entscheiden, ob Alternativen erstattet werden sollten. Schließlich könnten die positiven Wirkungen minimal sein (bei sehr hohen Kosten)
• CEA kann ein Gesundheitsbudget alloziieren, nicht jedoch dessen Größe bestimmen
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Kosten-Nutzwert-Analyse (CUA)
• Die CUA löst das Problem der Ein-Dimensionalität, indem alle Gesundheitseffekte (in aggregierter Form) berücksichtigt werden
• Dabei handelt es sich notwendiger Weise um ein Nutzenmaß. Das bekannteste Nutzenmaß:
Quality-Adjusted Life Years (QALYs)
• Wie bei der CEA auch, kommt es beim Vergleich von Alternativen darauf an, ob sich diese wechselseitig ausschließen oder ob sie unabhängig sind
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Kosten-Nutzwert-Analyse (CUA)
• Für unabhängige Alternativen ist der durchschnittliche Kosten-Nutzwert maßgebend
• Schließen sich die Alternativen wechselseitig aus, so müssen wir den inkrementellen Kosten-Nutzwert betrachten
• Der ICUR hebt die Notwendigkeit hervor, den Nutzen auf einer kardinalen Skala zu messen (Differenz)
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CUA – Vorteile und Probleme
• Im Gegensatz zur CEA können nun unterschiedliche Effekte berücksichtigt werden (z. B. auch Nebenwirkungen)
• Wie bei der CEA ist es unerheblich, wer den Nutzen bekommt und wer für die Intervention bezahlt
• Es ist nur ein ranking möglich. Keine Entscheidung kann hinsichtlich der Aufnahme ins Leistungspaket getroffen werden
• Budgetaufteilung, nicht die Größe kann bestimmt werden
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Wie misst man das U in CUA
• Die sogenannten QALYs haben sich als internationaler Standard durchgesetzt
• Beachten Sie, dass der Nutzen in Nutzeneinheiten und nicht in Geld gemessen wird
• Eigentliches Ziel bleibt die Bewertung des Nutzens in Geld
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
QALYs – Quality Adjusted Life Years
• Es gibt 1,...,h m= Gesundheitszustände hH (zur Vereinfachung
seien alle Zustände chronisch)
• hT ist die Dauer, die ein Individuum in Zustand h verbringt
• Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von ( , )h hH T ist
[ ]0,1hπ ∈
• Die Nutzenbewertung des Zustands hH sei
• Dann berechnen sich die QALYs wie folgt
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QALYs – Umrechnung kranker in gesunde Zeit
Ein Leben für x in Gesund-heitszustand 1H ergibt
einen Nutzen von 1( )v H x,
wobei 1( )v H der Nutzen
des Gesundheitszustands ist. Der Tod ist auf Null, perfekte Gesundheit auf 1 normiert. Damit wird des selbe Nutzen generiert durch: 1 1( , ) ( )t x H v H x=
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Umrechnung von Gesundheitsänderungen in QALYs
Ökonomische Evaluation in Deutschland
• Ökonomische Evaluation gibt es in Deutschland schon recht lange. So ist bereits in der Reichversicherungsordnung von 1914 von notwendigen und wirtschaftlichen Leistungen die Rede, die im Leistungskatalog enthalten sind
• Seit 2004 gibt es zwei zuständige Institutionen
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) mit Vertretern der Leistungserbringer, der Krankenkassen und Unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits-
wesen (IQWiG)
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Ökonomische Evaluation in Deutschland
• Der Gemeinsame Bundesausschuss beurteilt Nutzen und Kosten einzelner Prozeduren oder Medikamente anhand von internationalen Evaluationsstudien
• Sind diese unzureichend, so kann das IQWiG beauftragt werden
• Die gilt auch für Medikamente
• Bisher war es so, dass alle zugelassenen Medikamente auch von der GKV erstattet wurden – egal zu welchem Preis
• Die ist nun nicht mehr so. Ursprünglich war geplant, dass das IQWiG eine Preisobergrenze festlegt. Es kam anders…
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Ansatz des IQWIG 1/6
Alle Alternativen werden in einem Kosten-Nutzen-Diagramm dargestellt
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Der Ansatz des IQWIG 2/6
B und E werden dominiert und deshalb eliminiert..
Die Effizienz-grenze ist blau.
Erweiterte Dominanz elimi-niert C.
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Der Ansatz des IQWIG CEA 3/6
1: Zu teuer gege-ben den Nutzen
2a: Nutzen ge-ringer als bisher beste Alternative aber billiger
2b: besser und billiger
3: was macht man in diesem Bereich?
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Der Ansatz des IQWIG CEA 4/6
Idee ist eine Interpolation
Produkte oberhalb der rote Linie sind effektiv, solche darunter nicht
Ansatz wurde heftig kritisiert
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Der Ansatz des IQWIG CEA 5/6
Simple Manipu-lation des Ansat-zes ermöglicht dem Pharma-unternehmen eine Ausdeh-nung des Preis-erhöhungsspiel-raums
Kerstin Roeder, Einführung in die Gesundheitsökonomik, WS 2011/2012 4. Herausforderungen
Der Ansatz des IQWIG CEA 6/6
• Manipulation
• Könnte ungerecht sein, da Methode für jede Indikation Anwendung findet ohne dass dabei ein vergleichbares Nutzenmaß herangezogen würde
• Ökonomische Evaluation wird nicht generell vorgenommen (im Bereich der Pharmazeutika), sondern nur wenn die Preisver-handlungen scheitern