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KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 108 4.2 Turbulentes Brennen in thermonuklearen Super- novae Thermonukleare Supernovae: Nach der heute allgemein akzeptierten Vorstellung ist eine Supernova vom TypIa die thermonukleare Explosion eines vorwiegend aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehenden Weißen Zwerges, der sich in einem engen Doppelsternsystem befindet und eine Masse nahe an der Chandrasekharmasse besitzt (d.h. deutlich oberhalb der typischen Weißen Zwergmasse von 0.6 M ). Der Weiße Zwerg akkretiert Masse von dem Begleitstern und heizt sich dabei langsam auf. Schließlich kommt es im Zentrum des Weißen Zwergs zur Z¨ undung des thermonuklearen Brennstoffs durch die Schwerionenreaktionen 12 C+ 12 C (siehe z.B. Hillebrandt & Niemeyer, Ann. Rev. Astron. Astrophys. 38 (2000), 191). Die Ausbreitung des Brennens kann prinzipiell durch zwei verschiedene Typen von Brennfronten erfolgen, die beide sowohl im Labor (als chemische Brennfornten) als auch in der Astrophysik (als thermonukleare Brennfronten) auftreten k¨ onnen: – Detonation: Der Brennstoff wird durch starke Kompression zur Z¨ undung ge- bracht. Dies geschieht z.B. durch eine Stoßwelle, wobei die freigesetzte Energie die Stoßwelle wiederum antreibt. – Deflagration: Der Brennstoff z¨ undet infolge von W¨ armeleitung oder W¨ arme- diffusion, wobei der W¨ armestrom von der heißen Brennstoffasche herr¨ uhrt. ur das Verst¨ andnis der Ausbreitung von Brennfronten spielen mehrere Zeitskalen eine wichtige Rolle: Die undzeitskala gibt an in welcher Zeit sich die Temperatur des Brennstoffs um einen Faktor e erh¨ oht (e-folding time): τ T = T dT /dt C V T d nuc /dt . (4.5) Hierbei ist d nuc /dt die Energiefreisetzungsrate durch (Kern-) Reaktionen. Da thermonukleare Reaktionen zwischen geladenen Teilchen sehr empfindlich von der H¨ ohe der zu durchtunnelnden Coulomb-Barriere abh¨ angen, nimmt die Z¨ und- zeitskala sehr stark mit zunehmender Temperatur ab. Die Brennzeitskala gibt an in welcher Zeit sich die Menge des Brennstoffs um einen Faktor e reduziert: τ i = X i dX i /dt = Y i dY i /dt . (4.6) Hierbei sind X i und Y i = X i /A i der Massenanteil bzw. der Molanteil der Atom- sorte i mit dem Atomgewicht A i .

4.2 Turbulentes Brennen in thermonuklearen Super- novae · 2011. 7. 11. · agrations{Zweig (p 2 V 1) heiˇen. Die Existenz der beiden Zweige zeigt, dass die Erhaltungss

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  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 108

    4.2 Turbulentes Brennen in thermonuklearen Super-

    novae

    Thermonukleare Supernovae: Nach der heute allgemein akzeptierten Vorstellung isteine Supernova vom Typ Ia die thermonukleare Explosion eines vorwiegend aus Kohlenstoffund Sauerstoff bestehenden Weißen Zwerges, der sich in einem engen Doppelsternsystembefindet und eine Masse nahe an der Chandrasekharmasse besitzt (d.h. deutlich oberhalbder typischen Weißen Zwergmasse von 0.6M�). Der Weiße Zwerg akkretiert Masse von demBegleitstern und heizt sich dabei langsam auf. Schließlich kommt es im Zentrum des WeißenZwergs zur Zündung des thermonuklearen Brennstoffs durch die Schwerionenreaktionen12C + 12C (siehe z.B. Hillebrandt & Niemeyer, Ann. Rev. Astron. Astrophys. 38 (2000),191).

    • Die Ausbreitung des Brennens kann prinzipiell durch zwei verschiedene Typenvon Brennfronten erfolgen, die beide sowohl im Labor (als chemische Brennfornten)als auch in der Astrophysik (als thermonukleare Brennfronten) auftreten können:

    – Detonation: Der Brennstoff wird durch starke Kompression zur Zündung ge-bracht. Dies geschieht z.B. durch eine Stoßwelle, wobei die freigesetzte Energiedie Stoßwelle wiederum antreibt.

    – Deflagration: Der Brennstoff zündet infolge von Wärmeleitung oder Wärme-diffusion, wobei der Wärmestrom von der heißen Brennstoffasche herrührt.

    • Für das Verständnis der Ausbreitung von Brennfronten spielen mehrere Zeitskaleneine wichtige Rolle:

    – Die Zündzeitskala gibt an in welcher Zeit sich die Temperatur des Brennstoffsum einen Faktor e erhöht (e-folding time):

    τT =T

    dT/dt≈ CV T

    d�nuc/dt. (4.5)

    Hierbei ist d�nuc/dt die Energiefreisetzungsrate durch (Kern-) Reaktionen. Dathermonukleare Reaktionen zwischen geladenen Teilchen sehr empfindlich vonder Höhe der zu durchtunnelnden Coulomb-Barriere abhängen, nimmt die Zünd-zeitskala sehr stark mit zunehmender Temperatur ab.

    – Die Brennzeitskala gibt an in welcher Zeit sich die Menge des Brennstoffs umeinen Faktor e reduziert:

    τi =Xi

    dXi/dt=

    YidYi/dt

    . (4.6)

    Hierbei sind Xi und Yi = Xi/Ai der Massenanteil bzw. der Molanteil der Atom-sorte i mit dem Atomgewicht Ai.

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 109

    – Die Schalllaufzeit gibt an in welcher Zeit in einem Gebiet der Größe δr einDruckausgleich stattfindet:

    τhyd =δr

    cs. (4.7)

    • Thermonukleare Detonationen findet man in der Astrophysik nur in entarteter Mate-rie. In diesem Fall bewirkt die Temperaturerhöhung (infolge der Kernreaktionen) kei-ne merkliche Druckerhöhung und damit keine Ausdehnung und Kühlung der Brenn-region. Stattdessen steigt die Temperatur solange an, bis die Entartung aufgehobenwird. Dann aber ist die Energieerzeugung bereits so hoch, dass hydrodynamischeBewegungen zu langsam sind (τT < τhyd), um eine Explosion zu verhindern.

    Ist die resultierende Stoßwelle stark genug, um weiteren Brennstoff durch Stoßkom-pression über seine Zündtemperatur hinaus zu erhitzen, entsteht eine Detonations-welle, die aus einem Stoß und aus einer sich unmittelbar daran anschließenden Re-aktionszone besteht, wo der Brennstoff

    ”verbrennt“ (τi > τT ).

    • Betrachtet man (in nullter Näherung) thermonukleare Brennfronten als Dis-kontinuitäten in einer Strömung, so lassen sich ganz analog zum rein hydrodyna-mischen Fall (siehe Kap. 2.5) Sprungbedingungen aus den Erhaltungssätzen für Mas-se, Impuls und Energie ableiten, die die hydrodynamischen Größen erfüllen müssen(siehe z.B. Courant & Friedrichs, 1948).

    – Während die Sprungbedingungen (2.53), die aus der Massen- und Impulserhal-tung folgen, unverändert auch für Brennfronten gelten, lautet die Bedingung fürdie Energieerhaltung

    1

    2(u1 − vD)2 + E1 + p1τ1 =

    1

    2(u2 − vD)2 + E2 + p2τ2 , (4.8)

    wobei vD die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Brennfront ist. E ≡ ε̃ + B istdie Summe aus innerer Energie (pro Masse) und der durch die thermonuklearen(oder chemischen) Reaktionen freigesetzten Bindungsenergie (B < 0) pro Masse.

    – Analog zu Stoßwellen (siehe 2.5) definiert man eine Hugoniot–Funktion fürdas verbrannte Material

    H2(τ, p) ≡ E2(τ, p)− E2(τ1, p1) + (τ − τ1)p+ p1

    2. (4.9)

    Damit läßt sich die verallgemeinerte Hugoniot–Gleichung (4.8 nach Elimina-tion der Geschwindigkeiten; siehe 2.61 bzw. 2.62 für die entsprechenden hydro-dynamischen Beziehungen) in der Form

    H2(τ, p) = E1(τ1, p1) − E2(τ1, p1) (4.10)

    schreiben (siehe z.B. Courant & Friedrichs 1948). Man beachte, dass für exo-therme Reaktionen H2 > 0 gilt und dass E1 und E2 unterschiedliche Funk-tionen sind.

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 110

    Abbildung 4.14: Hugoniot-Kurve für Detonationen und Deflagrationen (Beachte: V ≡ τ ≡1/ρ)

    – Nehmen wir an, das spezifische Volumen τ1 und der Druck p1 des unverbranntenGases seien gegeben, aber nicht die Geschwindigkeit vD der Brennfront. Dannsind Druck und spezifisches Volumen des verbrannten Gases durch die Hugoniot–Gleichung (4.10) für alle Reaktionen, die den drei Erhaltungssätzen genügen,verknüpft. Allerdings gibt es wegen

    p2 − p1τ2 − τ1

    < 0 , (4.11)

    was aus (2.59) folgt, nicht für alle Werte von p und V , die (4.10) erfüllen,auch einen entsprechenden Reaktionsprozess, der mit den drei Erhaltungssätzenkompatibel ist.

    Die Hugoniot–Kurve, d.h. der Graph aller Punkte in der (p, τ)–Ebene, die(4.10) und (4.11) erfüllen, ist in Abb. 4.14 dargestellt. Sie besitzt zwei getrenn-te Zweige, die Detonations- (p2 > p1 und V2 < V1) und Deflagrations–Zweig(p2 < p1 und V2 > V1) heißen. Die Existenz der beiden Zweige zeigt, dass dieErhaltungssätze mit zwei verschiedenen Arten von Prozessen verträglich sind.

    – Analog zum rein hydrodynamischen Fall bestimmt der Schnittpunkt vonRayleigh–Gerade (2.59) und Hugoniot-Kurve (4.10) den Zustand direkt hinterder Detonation (Deflagration). Allerdings muss man dazu erst eine Detonations-bzw. Deflagrations–Geschwindigkeit vorgeben, denn anders als bei Stößen, istdie Geschwindigkeit der Diskontinuität nicht durch die Sprungbedingungen

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 111

    festgelegt. Abhängig von der Detonations- bzw. Deflagrations–Geschwindigkeitschneidet die Rayleigh–Gerade die Hugoniot–Kurve in 0, 1 oder 2 Punkten(Abb. 4.14).

    Existiert kein Schnittpunkt, gibt es keine Detonation (Deflagration) für dievorgebene Detonations- bzw. Deflagrations–Geschwindigkeit. Im Falle von zweiSchnittpunkten existieren zwei Lösungen, die starken und schwachen Deto-nationen (Deflagrationen).

    – Starke Detonationen (schwache Deflagrationen) propagieren mit einerGeschwindigkeit (relativ zur Strömungsgeschwindigkeit direkt hinter der Front),die kleiner ist als die Schallgeschwindigkeit direkt hinter der Detonation (Defla-gration). Daher können Störungen, die in der Strömung hinter der Front entste-hen, die subsonisch propagierende Front erreichen. Die Lösung ist daher instabil.

    – Schwache Detonationen (starke Deflagrationen) propagieren superso-nisch relativ zur Strömung unmittelbar hinter der Front. Starke Deflagrationentreten in der Natur nicht auf und schwache Detonationen werden allgemein alsunphysikalisch angesehen außer unter ganz bestimmten Bedingungen (siehe z.B.Courant & Friedrichs 1948).

    – Detonationen, die in der Natur auftreten, entsprechen fast immer dem Fall,wo Rayleigh–Gerade und Hugoniot–Kurve genau einen Schnittpunkt besitzen.Für diese Chapman–Jouguet–Detonation bzw. Deflagration ist die Aus-breitungsgeschwindigkeit gleich der Summe aus Strömungsgeschwindigkeit undSchallgeschwindgkeit (direkt hinter der Front).

    • Die bisherigen einfachen Überlegungen zur Detonationsphysik basieren auf der impli-ziten Annahme, dass die Reaktionsraten unendlich schnell sind, d.h. dass die Frontkeine Dicke besitzt (Diskontinuität). Eine etwas genauere Beschreibung von Detona-tionsfronten gibt das Zeldovich-von Neumann-Doering (ZND) Modell, in demman annimmt, dass eine Detonation aus einem unendlich dünnen Stoß besteht, anden sich eine Reaktionszone endlicher Dicke anschließt.

    • Wir betrachten nun zwei Raumpunkte in einem Weißen Zwerg mit einem endlichenTemperaturgradienten. Da die Brennzeitskala am Raumpunkt mit der höheren Tem-peratur kürzer ist, wird der Brennstoff an diesem Punkt zuerst verbrennen, d.h. dasBrennen beginnt nicht überall simultan. Die unterschiedlichen Brennzeitskalen bewir-ken, dass sich die Grenze zwischen verbranntem und unverbranntem Material bewegt.Ist die entsprechende Geschwindigkeit größer als die lokale Schallgeschwindigkeit,verläuft das Brennen an verschiedenen Raumpunkten voneinander unbeeinflusst. DiePhasengeschwindigkeit dieses sogenannten Spontanbrennens ist durch

    Dsp =

    (dτidr

    )−1(4.12)

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 112

    gegeben. In C-O Weißen Zwergen hängt die Phasengeschwindigkeit extrem emp-findlich von der Zündtemperatur ab (Dsp ∝ Tα(dT/dr)−1 mit α ≈ 21 für die12C + 12C Rate und 0.6 ∼< T/10

    9 K ∼< 1.2). Im Falle einer isothermen Temperatur-verteilung wird sie unendlich groß.

    Ist der anfängliche Temperaturgradient in einem Gebiet des Weißen Zwergs kleingenug, wird die Phasengeschwindigkeit supersonisch, d.h. das entsprechende Gebietverbrennt komplett innerhalb einer Schalllaufzeit. Eine supersonische Expansion desverbrannten Gebiets ist die Folge. Dies kann dann möglicherweise zur Detonationeines großen Teils des Weißen Zwergs führen.

    • Deflagrationen propagieren üblicherweise mit stark subsonischen Geschwindigkeiten.Obwohl für

    ”dünne“ Deflagration dieselben Sprungbedingungen wie für Detonationen

    gelten, hängt die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Deflagrationen endlicher Dickevon der Effizienz des Wärmetransports ab. Ein weiterer wichtiger Unterschied zuDetonationen ist, dass in einer Deflagration sowohl der Druck als auch die Dichtedirekt hinter der Front geringer sind als vor der Front und dass (relativ zur Front)die Strömungsgeschwindigkeit zunimmt.

    • Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Deflagrationen kann nur grob geschätztwerden (siehe z.B. Landau & Lifschitz, Bd. VI). Im einfachsten Fall einer laminarenFront, die sich durch Strahlungsdiffusion oder Wärmeleitung ausbreitet, läßt sich dieDicke der Deflagration abschätzen, in dem man die Diffusionszeitskala τdiff gleich derBrennzeitskala τi setzt. Damit folgt für die Dicke der Front, d.h. die Diffusionslänge

    δ ∼√λ c τi , (4.13)

    wobei λ die mittlere freie Weglänge der Photonen oder Elektronen ist. Für die Ge-schwindigkeit der Deflagration gilt dann näherungsweise

    vD ∼δ

    τi∼√λ c/τi . (4.14)

    Für die 12C + 12C Reaktion findet man vD ≈ 30 km/s für ρ = 2×109 g cm−3. Die Aus-breitungsgeschwindigkeit läßt sich auch numerisch bestimmen: Für ρ = 2×109 g cm−3erhält man vD ≈ 50 km/s und für ρ = 5 × 108 g cm−3 ergibt sich vD ≈ 16 km/s. DieDicke der Brennfront beträgt in beiden Fällen ≈ 10−3 cm.

    • Turbulentes thermonukleares Brennen: (siehe z.B. Hillebrandt & Niemeyer,Ann. Rev. Astron. Astrophys. 38 (2000), 191).

    In einer thermonuklearen Supernovaexplosion ist das Brennen wegen der starkenTemperaturabhängigkeit der 12C + 12C Rate auf eine mikroskopisch dünne Schichtbeschränkt, die sich entweder in Form einer konduktiven, subsonischen Deflagration(Flamme) oder einer stoßgetriebenen, supersonischen Detonation ausbreitet (sieheoben).

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 113

    Beide Moden sind, wie eine lineare Stabilitätsanalyse zeigt, hydrodynamisch instabil.Im nichtlinearen Bereich werden die Flammen entweder durch Ausbildung zellularerStrukturen stabilisiert, oder sie werden turbulent. In beiden Fällen erhöht sich dieBrennrate (d.h. der Verbrauch an Brennstoff) infolge einer Vergrößerung der Flächeder Brennfront.

    In Simulationen thermonuklearer Supernovaexplosionen lassen sich weder Flammenoch Detonation auflösen, da sich die kleinste (Frontdicke) und die größte (Radiusdes Weißen Zwergs) relevante Längenskala um etwa einen Faktor 1010 unterscheiden.Daher sind Modelle zur ihrer Beschreibung erforderlich.

    – Mikroskopisch gesehen breitet sich das Brennen (im Falle einer Deflagration)in Form einer Flamme aus, die verbogen und gestreckt durch die Turbulenz mitder laminaren Diffusionsgeschwindigkeit (4.14) in Richtung der lokalen Flam-mennormalen propagiert.

    – Die makroskopische Strömung, die wegen ihrer extrem geringen Viskosität(Re� 1) stark turbulent ist, wechselwirkt mit der Flamme auf allen Skalen bishinunter zur Kolmogorov–Skala, 1 wo Reibungseffekte wichtig werden.

    – Die turbulente Energiekaskade wird durch Rayleigh–Taylor Instabilitäten(infolge des Auftriebs heißer

    ”Asche“) und durch Kelvin–Helmholtz Instabi-

    litäten (infolge von Scherströmungen) gespeist.

    – Das Brennen ist daher über das ganze turbulente Gebiet verteilt (”flame brush“).

    Die relevante minimale Längenskala lgibs heißt Gibson–Skala. Sie ist durch denvon der Turbulenz bedingten kleinsten Krümmungsradius der Flamme gegeben.

    –”flamelet“–Regime: Gilt δ � lgibs sind kleine Segmente der Flamme von der

    großskaligen Turbulenz unbeeinflußt und verhalten sich wie ungestörte laminareFlammen (Abb. 4.15).

    –”distributed“–Regime: Gilt δ � lgibs wird die Ausbreitung der Front durch

    die Geschwindigkeit der turbulente Elemete bestimmt, d.h. die effektive Aus-breitungsgeschwindigkeit des Brennes ist unabhängig von der laminaren Brenn-geschwindigkeit (Abb. 4.16).

    • In den zentralen Bereichen eines explodierenden Weißen Zwergs (d.h. bei hohen Dich-ten) findet das thermonukleare Brennen im

    ”flamelet“–Regime statt (Abb. 4.17 und

    4.18).

    Mit zunehmendem Radius, d.h. mit abnehmender Dichte wird die durch den WeißenZwerg propagierende Flamme dicker und langsamer, sodass die Turbulenz die Flam-

    1Das berühmteste Skalierungsgesetz der Turbulenztheorie ist das Kolmogorov’sche Gesetz über dieGeschwindigkeitsfluktuationen einer turbulenten Kaskade. Demnach skaliert im Falle von isotroper, stati-onärer Turbulenz die mittlere Geschwindigkeit v eines Turbulenzelements der linearen Dimension l gemäßv ∝ l1/3 (A.N. Kolmogorov, 1941 Dokl. Akad. Nauk. SSSR, 30, 299).

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 114

    Abbildung 4.15: Thermonukleare Verbrennung im”flamelet“–Regime. Die dünne gelbe

    Linie markiert die verwinkelte und unzusammenhängende laminare Flamme, die Brennstoff(rot) und Asche (blau) trennt. Die kleinsten Turbulenzelemente sind größer als die Dickeder Flamme, sodass die Verbrennung in einem ausgedehnten Bereich hinter der Flammestattfindet.

    Abbildung 4.16: Thermonukleare Verbrennung im”distributed“–Regime. Die kleinsten

    Turbulenzelemente sind kleiner als die Dicke der Flamme, sodass die Turbulenzelemen-te in die Flamme (gelb, grün und hellblau) eindringen, die nicht mehr wohl definiert ist.Die Verbrennung findet innerhalb der Turbulenzelemente statt und turbulenter Energie-transport ist effektiver als der durch Wärmeleitung oder Strahlungsdiffusion.

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 115

    menstruktur zu beeinflussen beginnt und das thermonukleare Brennen schließlich im

    ”distributed“–Regime stattfindet.

    • Die Modellierung dieses Brennregimes einer thermonuklearen Supernova ist bishernoch nicht gelungen, da in diesem Fall weder das Kernbrennen noch das turbulenteMischen durch einfache Rezepte beschreibbar ist.

    Man verwendet stattdessen phänomenologische Modelle, die beim Erreichendes

    ”distributed“–Regimes aufgrund von Laborexperimenten und von theoretischen

    Überlegungen einen Übergang von einer Deflagration zu einer Detonation postulie-ren. Diese sogenannten

    ”delayed detonation“–Modelle ermöglichen die Nukleosyn-

    these mittelschwerer Elemente (Si, S, Ca) in den äußeren Schichten (ρ ∼< 107 g/cm3)

    des explodierenden Weißen Zwergs, da sich der Weiße Zwerg wegen der subsonischpropagierenden Deflagration bereits ausdehnen konnte, bevor seine Außenschichtendetonieren (eine thermonukleare Detonation bei höheren Dichten produziert nur Ele-mente der Eisengruppe, d.h. Fe, Co und Ni). Die resultierenden Expansionsgeschwin-digkeiten der mittelschweren Elemente stimmen gut mit Beobachtungsdaten überein.

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 116

    Model c3_2d_256, t=0.00s, ρ

    c = 2.90e+09g/cm3

    05.0•10 6

    1.0•10 71.5•10 7

    2.0•10 7

    r [cm]

    0

    5.0•10 6

    1.0•10 7

    1.5•10 7

    2.0•10 7

    z [cm]

    2.29e+08cm/s

    Model c3_2d_256, t=0.30s, ρ

    c = 1.75e+09g/cm3

    01.0•10 7

    2.0•10 73.0•10 7

    4.0•10 7

    r [cm]

    0

    1.0•10 7

    2.0•10 7

    3.0•10 7

    4.0•10 7

    z [cm]

    4.96e+08cm/s

    Model c3_2d_256, t=0.70s, ρ

    c = 3.34e+08g/cm3

    02.0•10 7

    4.0•10 76.0•10 7

    8.0•10 71.0•10 8

    1.2•10 81.4•10 8

    r [cm]

    0

    2.0•10 7

    4.0•10 7

    6.0•10 7

    8.0•10 7

    1.0•10 8

    1.2•10 8

    1.4•10 8

    z [cm]

    6.42e+08cm/s

    Model c3_2d_256, t=1.00s, ρ

    c = 6.77e+07g/cm3

    05.0•10 7

    1.0•10 81.5•10 8

    2.0•10 82.5•10 8

    3.0•10 8

    r [cm]

    0

    5.0•10 7

    1.0•10 8

    1.5•10 8

    2.0•10 8

    2.5•10 8

    3.0•10 8

    z [cm]

    Abbildung 4.17: 2D Simulation der zeitlichen Entwicklung der Geometrie einer thermonu-klearen Brennfront in einem Weißen Zwerg (Reinecke etal. 2002, Astron. Astrophys. 386,936).

  • KAPITEL 4. ANWENDUNGEN AUS DER ASTROPHYSIK 117

    t=0.0s t=0.15s

    t=0.3s

    t=0.79st=0.6s

    t=0.45s

    Abbildung 4.18: 3D Simulation der zeitlichen Entwicklung der Geometrie einer thermonu-klearen Brennfront in einem Weißen Zwerg (Reinecke etal. 2002, Astron. Astrophys. 386,936).