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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN Ergebnisbericht Act of the Conference on Rolle, Stellung und Haftung des Abschlussprüfers in der Europäischen Union 5 & 6 December 1996 Centre de Conférences Albert Borschette 36, rue Froissart 1040 Bruxelles

5 & 6 December 1996 Centre de Conférences Albert ...ec.europa.eu/internal_market/auditing/docs/liability/act...Dieses Dokument kann von der GD XV/D/3 wie folgt angefordert werden:

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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Ergebnisbericht Act of the Conference on

Rolle, Stellung und Haftung des Abschlussprüfers in der

Europäischen Union

5 & 6 December 1996

Centre de Conférences Albert Borschette36, rue Froissart1040 Bruxelles

Einleitender Vermerk

– 1 –

EINLEITENDER VERMERK

Dieses Dokument kann von der GD XV/D/3 wie folgt angefordert werden:

• - mittels eines Schreibens an die:

Europäische Kommission - GD XV/D/3

Rue de la Loi 200 - C107 02/058

1049 Brüssel / Belgien;

• - mittels eines Fax an die folgende Nummer: (+32-2)-299-3081 oder

• - über das "Website" der GD XV:

http://europa.eu.int./de/comm/dg15/dg15home.html

Vorwort

– 3 –

VORWORT

Diese Veröffentlichung enthält alle Reden und Einführungen, die auf der Konferenz zur"Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union"gehalten wurden, die von der Europäischen Kommission am 5. und 6. Dezember 1996in Brüssel anberaumt wurde. Diese Konferenz war Bestandteil desKonsultationsverfahrens, das von dem von der Kommission im Juli 1996veröffentlichten Grünbuch zu demselben Thema lanciert wurde.

Diese Konferenz zählte rund 200 Teilnehmer, und zum ersten Mal saßen diewichtigsten Regulierungsinstanzen des Abschlußprüfergewerbes, die verschiedenennationalen Verbände, die diesen Berufsstand vertreten, sowie die europäischenOrganisationen an einem Tisch, die die Abschlußprüfer und die wichtigsten Anwenderund Ersteller von Abschlüssen repräsentieren. Die vom Grünbuch in Gang gebrachteDiskussion über die gesetzliche Abschlußprüfung in Europa sowie diese Konferenzsind auf ein breites Interesse gestoßen. Über 100 Organisationen und Einzelpersonenhaben der Kommission ihre Stellungnahmen zum Grünbuch übermittelt. Unzweifelhaftist man sich weitgehend darin einig, daß der Rahmen für die Abschlußprüfung inEuropa verbessert werden muß. Aus diesem Konferenzbericht geht hervor, daß dieHauptakteure in diesem Bereich durchaus auf eine entsprechende Zusammenarbeit mitder Kommission vorbereitet sind.

Zur Ankurbelung einer weiteren Aussprache hält es die Kommission für zweckmäßig,den Ergebnisbericht über diese Konferenz einem breiteren Publikum zur Verfügung zustellen. Das letztendliche Ziel muß in einer Verbesserung der Qualität der gesetzlichenAbschlußprüfung in Europa und in einem Beitrag zur Schaffung eines echtenBinnenmarktes für Abschlußprüfungsdienstleistungen in Europa bestehen.

Brüssel, im Juni 1997

Karel Van HulleAbteilungsleiterAbteilung Finanzielle InformationenEuropäische Kommission

Inhaltsverzeichnis

– 4 –

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITENDER VERMERK ................................................................................1

VORWORT..............................................................................................................3

INHALTSVERZEICHNIS.......................................................................................4

KONFERENZPROGRAMM ...........................................................................................6

HERR MARIO MONTI GESETZLICHE ABSCHLUSSPRÜFUNG UND BINNENMARKT ...11

VORLÄUFIGE SCHLUSSFOLGERUNGEN DER KONFERENZ....................17

AUF DER KONFERENZ GEHALTENE REDEN...............................................................23

Herr John F. MoggEröffnungsansprache............................................................................................25

Herr Karel Van HullePräsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare ...............................29

Herr Jens RøderHerausforderungen an den europäischen Abschlussprüferberuf .............................37

Herr Jacques ManardoHerausforderungen für die grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften imeuropäischen binnenmarkt ....................................................................................45

Herr Philippe ArraouKMU und ihre Prüfer im europäischen Binnenmarkt.............................................49

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlussprüfers.............................57− Frau Marie-Charlotte Piniot .......................................................................59− Professor J.P. Percy ...................................................................................67− Frau Purificación Grajal Martin..................................................................77− Professor Dr. Werner Schülen....................................................................87

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden undBerufsvereinigungen.............................................................................................93

− Frau Sarah Brown......................................................................................95− Herr Gérard Riviere .................................................................................101− Dr. Burkhard Hense.................................................................................111− Herr Pasi Horsmanheimo .........................................................................119

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze ......................................................129− Herr Robert Roussey ...............................................................................131− Herr Professor Dr. Arnold Schilder ..........................................................137− Herr Professor Matteo Caratozzolo .........................................................141− Herr Claude Charron ...............................................................................177

Inhaltsverzeichnis

– 5 –

Podiumsdiskussion IV - Die stellung des Abschlussprüfers innerhalb derGesellschaft und die Rolle der Innenrevision.......................................................181

− Herr Brian Birkenhead .............................................................................183− Herr Bruno Martin Laprade ....................................................................189− Herr David Darbyshire .............................................................................193− Herr Jean-Pierre Garitte ...........................................................................199

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlussprüfers ..................209− Herr Professor Dr. Werner Ebke..............................................................211− Herr Ian Brindle.......................................................................................217− Herr Professor Dr. André Bindenga .........................................................223− Herr Henri Olivier....................................................................................227

ANHANG I -GRÜNBUCHROLLE, STELLUNG UND HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERSIN DER EUROPÄISCHEN UNION ......................................................233

Konferenzprogramm

– 6 –

KONFERENZPROGRAMM

DONNERSTAG5. Dezember

1996

1. 09H30 Einschreibung

2. 10H00 Begrüßung der TeilnehmerLeitung der KonferenzMs Susan BINNSDirektor der GD XV.DFreier Verkehr von Informationen,Gesellschaftsrecht und finanzielleInformationen

Eröffnung der KonferenzMr John MOGGGeneraldirektor der GD XVBinnenmarkt undFinanzdienstleistungen

3. 10H15 Präsentation der zum Grünbucherhaltenen KommentareMr Karel VAN HULLEAbteilungsleiter der GD XV.D.3

4. 10H45 Kaffeepause

5. 11H00 Herausforderungen an deneuropäischen AbschlussprüferberufMr Jens RÖDERPräsident der FEE

6. 11H15 Herausforderungen für die großenWirtschaftsprüfungsgesellschaften imEuropäischen BinnenmarktMr Jacques MANARDOVorsitzender der Europäischen Kontaktgruppe

7. 11H30 KMU und ihre Prüfer im europäischenBinnenmarktMr Philippe ARRAOUPräsident der EFAA

8. 11H45 Fragestunde

9. 12H30 Mittagspause

DONNERSTAG 10. 14H15 Die Rolle des gesetzlichen Abschlussprüfers :- Eine Definition der Abschlussprüfung

Konferenzprogramm

– 7 –

5. Dezember1996

- Inhalt und Form des BestätigungsberichtesPodiumsdiskussion

Mrs Marie-Charlotte PINIOTGeneral anwalt am Kassationshof , Frankreich

Professor JP PERCY"Auditing Practices Board", VereinigtesKönigreich

Mrs Purificación GRAJAL MARTINStellvert. Generaldirekt. Des Audit QualityControl Department der ICAC, Spanien

Professor Dr. Werner SCHÜLENUniversität Hohenheim, Stuttgart

11. 16H15 Kaffeepause

12. 16H45

Die Rolle der staatlichen Behörden undBerufsvereinigungenPodiumsdiskussion

Ms Sarah BROWNLeiterin der Abteilung Gesellschaftsrecht im"Department of Trade and Industry,"Vereinigtes Königreich

Mr Gérard RIVIEREPräsident des "Quality Control Committee,Compagnie Nationale des Commissaires auxComptes", Frankreich

Dr. Burkhard HENSEPräsident der Wirtschaftsprüferkammer,Deutschland

Mr Pasi HORSMANHEIMORechtsberater , Zentrale Handelskammer Finnland

13. 20H00 Abendessen

Konferenzprogramm

– 8 –

FREITAG6. Dezember

1996

14. 09H00 Leitung der Konferenz ,Ms Susan BINNS

Mr Mario MONTIMitglied der Kommissionverantwortlich für den Binnenmarkt

15. 09H15 Prüfungsstandards

Podiumsdiskussion

Mr Robert ROUSSEYPräsident des "International AuditingPractice Committee "(IAPC) bei der"International Federation ofAccountants"(IFAC)

Mr Arnold SCHILDEREhem. Vorsitzender des" NetherlandsInstitute of RegisteredAccountants"(NIVRA)

Mr Matteo CARATOZZOLOPräsident der Kommission fürRechnungslegungsgrundsätze , Italien

Mr Claude CHARRONPräsident des Ausschusses fürBerufsstandards bei der" CompagnieNationale des Commissaires aux Comptes,"Frankreich

16. 10H45 Kaffeepause

17. 11H15 Die Stellung des Abschlussprüfers innerhalbder Gesellschaft und die Rolle derInnenrevision

Podiumsdiskussion

Mr. Brian BIRKENHEADVorsitzender des "Committee on theFinancial aspects of corporategovernance,"Vereinigtes Königreich

Mr Bruno MARTIN LAPRADEPräsident des Komitees “Conseild’administration des sociétés cotées”,Frankreich

Mr David DARBYSHIREVizepräsident der FEE

Mr Jean-Pierre GARITTE

Konferenzprogramm

– 9 –

Vorsitzender des" Institute of InternalAuditors"

18. 12H45 Mittagspause

FREITAG

6. Dezember1996

19. 14H30 Die berufliche Haftung des Abschlussprüfers

Podiumsdiskussion

Professor Dr.Werner EBKEUniversität Konstanz, Mitglied des “ NewYork Bar and the American Law Institute”

Mr Ian BRINDLEMitglied der “European Contact Group”

Professor Dr. ANDRE BINDENGAMitglied des Vorstands der NIVRA,Niederlande

Mr Henri OLIVIERGeneraldirektor des "Institut des Réviseursd’Entreprises", Belgien

20. 16H00 Kaffeepause

21. 16H30 Vorläufige SchlussfolgerungenMs Susan BINNSDirektor of XV.D.

Mr Karel VAN HULLEAbteilungleiter DG XV.D.3

22. 17H00 Ende der Konferenz

Statutory Auditing and the Single Market Mario Monti

– 11 –

HERR MARIO MONTI∗

GESETZLICHE ABSCHLUSSPRÜFUNG UND BINNENMARKT

Ich wollte ursprünglich an der Abschlußsitzung dieser Konferenz teilnehmen, wasallerdings wegen wichtiger anderweitiger Verpflichtungen nicht möglich ist. So freueich mich, statt dessen die Beratungen des zweiten Konferenztages eröffnen zu können.Ich messe unserer Arbeit in den Bereichen Rechnungslegung und Abschlußprüfunggroße Bedeutung bei und wollte deshalb nicht versäumen, vor diesem für eine solcheKonferenz unter dem Dach der Kommission ungewöhnlich zahlreichen undsachverständigen Publikum das Wort zu ergreifen und Ihnen zu versichern, welchgroßes persönliches Interesse ich den Ergebnissen dieser Konferenz und auch derumfassenden Konsultation zum Grünbuch entgegenbringe.

Das wirtschaftliche Rechnungs- und Prüfungswesen spielt eine grundlegende Rolle füreinen effizienten Binnenmarkt. Die Erarbeitung, Veröffentlichung und umfassendeVerbreitung von Daten des Rechnungswesens der Unternehmen ermöglichen es denWirtschaftsteilnehmern, geeignete Entscheidungen zu treffen, und bilden dieunabdingbare Grundlage für eine sachgemäße Unternehmensführung. Die vongeprüften Abschlüssen gebotene Gewähr erhöht das Vertrauen all derjenigen, diegeschäftlich mit Unternehmen zu tun haben.

Wenn wir einen starken Binnenmarkt aufbauen wollen, müssen wir folglich dafürsorgen, daß angemessene Rechnungslegungs- und Prüfverfahren angewendet werden.Außerdem sollten wir die Bedingungen dafür schaffen, daß Buchsachverständige ihreDienstleistungen ungehindert in ganz Europa erbringen können.

Jedoch nicht nur in Europa nehmen die wirtschaftsprüfenden Berufe unter den freienBerufen eine wichtige Stellung ein. Es ist deshalb kein Zufall, daß mit Beginn derDiskussionen über die Liberalisierung der Ausübung der freien Berufe in der WTO dieBerufsgruppe der Buchsachverständigen als erste auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Für die Kommission besteht die besondere Bedeutung des wirtschaftlichen Rechnungs-und Prüfungswesens in seinem Anteil an der Schaffung der notwendigenFunktionsbedingungen für den Binnenmarkt. Deshalb dürfte es angebracht sein, daß ichetwas zum Binnenmarkt generell sage und außerdem darüber spreche, welchen Platzdas Rechnungs- und Prüfungswesen in diesem Rahmen einnimmt.

Der Binnenmarkt wurde 1992 - in Anführungszeichen - "vollendet". Die Kommissionhat gerade eine umfassende Einschätzung der Ergebnisse des 92er Programmsdurchgeführt, und es besteht kein Zweifel daran, daß der Binnenmarkt nunmehr eineunumkehrbare Realität mit beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen darstellt.

Allerdings sind wir bei weitem noch nicht am Ziel, was seine Vollendung und die volleAusschöpfung seines Potentials anbelangt. Unsere weitere Arbeit am Binnenmarkt geht

∗ Für den Binnenmarkt zuständiges Kommissionsmitglied

Statutory Auditing and the Single Market Mario Monti

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von drei Prioritäten aus, und zwar der Anwendung, Vereinfachung und Vollendung desRechtsrahmens.

Die Anwendung ist selbstverständlich eine Grundvoraussetzung, wenn dieRechtsvorschriften zum Binnenmarkt nicht wirkungslos bleiben sollen. DieKommission hat deshalb nicht gezögert, Verfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten,die die Binnenmarkt-Richtlinien verspätet oder falsch anwenden oder die gegen die imEG-Vertrag selbst enthaltenen Binnenmarktsvorschriften verstoßen. Es sind eine Reihevon Studien in Auftrag gegeben worden - u.a. auch über die wichtigstenBilanzrichtlinien -, um unsere Erkenntnisse darüber zu verbessern, inwieweit diegemeinschaftlichen Rechtsvorschriften angewendet werden, und um auf der Grundlagevon Erfahrungswerten feststellen zu können, ob bestimmte Veränderungen derVorschriften erforderlich sind.

Was die Vereinfachung betrifft, so verfolgt die Kommission dieses Ziel schon seitgeraumer Zeit. In den letzten Jahren haben wir die sogenannte SLIM-Methode(Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt) entwickelt, nach dereinzelstaatliche Verwaltungen, die Kommission sowie die Anwender vonRechtsvorschriften zusammenkommen, um einfachere Vorschriften zu erarbeiten. Ichmöchte jedoch betonen, daß der Prozeß der Rechtsharmonisierung an sich bereits einProzeß der Vereinfachung und Deregulierung ist. Unnötige Hindernisse für denMarktzugang und für den grenzübergreifenden Geschäftsverkehr ergeben sichhauptsächlich wegen übermäßig detaillierter oder nicht angeglichener einzelstaatlicherRechtsbestimmungen.

Und schließlich müssen wir den rechtlichen Rahmen vollenden. Bestimmte wichtigeTeile des Programms von 1992 sind immer noch nicht realisiert, so z.B. der Wegfallder Personenkontrollen an den Binnengrenzen, bestimmte Besteuerungsaspekte sowieeinige gesellschaftsrechtliche Vorschläge. Es besteht weiterhin Handlungsbedarf zueiner Reihe von Fragen, die äußerst wichtig für die künftige Wirtschaft sind und die dieInformationsgesellschaft, die Biotechnologie und die Dienstleistungen betreffen. Undnicht zuletzt gilt es, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Einführung derEinheitswährung zu schaffen. Dazu gehören auch eine Reihe von Fragen derRechnungslegung, die in diesem Zusammenhang noch geregelt werden müssen.

Die Anstrengungen zur Stärkung des Binnenmarktes sollten, wo immer dies notwendigund möglich ist, in enger Verbindung mit umfassenderen internationalen Bestrebungendurchgeführt werden. Eine solche Übereinstimmung der europäischen mit derinternationalen Harmonisierung muß das Ergebnis eines Prozesses sein, in dem die EUeine aktive Rolle spielt. Sie kann nicht einfach passiv die auf internationaler Ebenevereinbarten Vorschriften und Regelungen übernehmen. Wir müssen uns an derGestaltung dieser Vorschriften und Regelungen beteiligen und diesen Prozeß kritischbegleiten.

Sie werden sicher mit mir übereinstimmen, daß das neue Konzept der Kommission imBereich der Rechnungslegungsgrundsätze ein gutes Beispiel für die Anwendung dereben von mir beschriebenen Vorgehensweise ist. Ich führe gerade das Rechnungswesenoft als Beispiel für die gelungene Anwendung meines allgemeinenbinnenmarktpolitischen Ansatzes an.

Die von der Kommission letztes Jahr eingeleitete neue Strategie auf dem Gebiet derRechnungslegung soll die Herausbildung von internationalen Normen fördern und

Statutory Auditing and the Single Market Mario Monti

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gleichzeitig zu einer stärkeren Harmonisierung der Praktiken in der Gemeinschaftführen, und zwar vorrangig durch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen derKommission und den Mitgliedstaaten und weniger auf der Grundlage neuergemeinschaftlicher Rechtsvorschriften. Ich kann sagen, daß ich mit den bisherigenErgebnissen dieser Verfahrensweise sehr zufrieden bin. Dank gemeinsamerStandpunkte zu internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen können wir Klarheit zubestimmten Unterschieden in der Auslegung und Anwendung der Bilanz-Richtlinienerlangen. Damit wird es möglich, den mit den Bilanz-Richtlinien eingeleitetenHarmonisierungsprozeß weiterzuentwickeln, was letztlich zu einer besserenUmsetzung dieser Richtlinien führen wird.

Ausgehend von diesen Vorstellungen beabsichtige ich, im nächsten Jahr eineauswertende Mitteilung herauszugeben, in der bestimmte Aspekte der Bilanz-Richtlinien auf der Grundlage der vom Kontaktausschuß zu den Bilanz-Richtliniengeleisteten Arbeit geklärt werden sollen.

Sie befassen sich auf dieser Konferenz unter anderem mit der Frage, ob den imRechnungswesen unternommenen Anstrengungen nunmehr analoge Bemühungen imPrüfungswesen folgen sollten. Wenn gute Rechnungslegungsverfahren nicht mit ebensoguten Prüfverfahren ergänzt werden, sind keine befriedigenden Ergebnisse möglich.Erst durch die Prüfung erhalten Abschlüsse die öffentliche Glaubwürdigkeit, die fürihre umfassende Nutzung unerläßlich ist. In dieser Beziehung obliegt denAbschlußprüfern eine beträchtliche Verantwortung, denn sie müssen der Öffentlichkeitdie Gewißheit geben, daß die Abschlüsse ordnungsmäßig erstellt sind.

Es scheint mir für den wirtschaftsprüfenden Beruf von großer Bedeutung zu sein, daßKlarheit darüber herrscht, was vernünftigerweise von der Pflichtprüfung erwartetwerden kann. Auch müssen die Bürger klare Vorstellungen davon haben, welcheAnsprüche sie an eine Abschlußprüfung stellen können.

Mangelnde Klarheit darüber führt zu Diskrepanzen in der Erwartungshaltung. Damitsind Sie bestens vertraut, da es sich um ein spezielles Problem im Prüfungswesenhandelt. Derartige Diskrepanzen tragen dazu bei, das Vertrauen zu untergraben, undgerade eine Beeinträchtigung des Vertrauens in die Prüfungsfunktion können wir nichtzulassen.

Die Harmonisierung in Europa erstreckt sich nur in begrenztem Maße auf dasPrüfungswesen. Die Einführung einer Prüfpflicht ohne Festlegung der bei der Prüfunganzuwendenden Normen ist keine befriedigende Lösung. Auf internationaler Ebenesind vom International Auditing Practices Committee der International Federation ofAccountants internationale Prüfungsgrundsätze erarbeitet worden. Eine der auf dieserKonferenz zu debattierenden Fragen ist, was wir von diesen Grundsätzen übernehmenkönnen. In Übereinstimmung mit der neuen Strategie auf dem Gebiet derRechnungslegung wäre es logisch, uns nach den Arbeiten zu richten, die bereits aufinternationaler Ebene durchgeführt wurden. Doch wie ich bereits ausführte, können wirden internationalen Gremien zur Entwicklung von Normen nicht einfach freie Handlassen. Wir müssen die nötigen Vorkehrungen treffen, um zu sichern, daß dieinternationalen Prüfungsgrundsätze in Übereinstimmung mit den Anforderungen desBinnenmarktes stehen.

Statutory Auditing and the Single Market Mario Monti

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Ehe ich zum Schluß komme, möchte ich noch auf zwei im Grünbuch angesprocheneAspekte eingehen, die mir besonders wichtig erscheinen. Es handelt sich um dieUnabhängigkeit und die Niederlassungsfreiheit.

Was die Unabhängigkeit anbetrifft, so ist die Kommission mit der gegenwärtigenSituation nicht zufrieden. Bereits im Zusammenhang mit der 8. Richtlinie hatte dieKommission erklärt, daß sich bezüglich der Unabhängigkeit der Pflichtprüferwahrscheinlich weitere Harmonisierungsmaßnahmen erforderlich machen würden. Mirist bewußt, daß der Begriff Unabhängigkeit in den Mitgliedstaaten unterschiedlichinterpretiert wird. Ich bin deshalb überzeugt, daß die Erarbeitung einesGrundsatzrahmens zur Unabhängigkeit ein wichtiger Schritt auf dem Wege zurBildung eines Binnenmarktes für Prüfungsleistungen wäre. Überdies halte ich es fürschwierig, ohne ein gewisses Maß an Übereinstimmung zur Unabhängigkeit Ergebnissehinsichtlich der Haftpflicht zu erzielen. Aus diesem Grund begrüße ich die Haltung desBerufsstandes zu dieser Frage, wie sie insbesondere von der FEE zum Ausdruckgebracht wird. Wir hoffen, daß die FEE ein klares Aktionsprogramm zurWeiterführung ihres Engagements auf den Weg bringt.

Die Frage der Niederlassungsfreiheit betrifft eines der Grundprinzipien desBinnenmarktes. Wenn wirklich ein Binnenmarkt für Prüfungsleistungen errichtetwerden soll, dann ist zu gewährleisten, daß sowohl die einzelnen Prüfer als auchPrüfungsfirmen innerhalb der Gemeinschaft ungehindert am freien Personen- undDienstleistungsverkehr teilhaben können. Nach Meinung der Kommission gibt eskeinen überzeugenden Grund, weshalb die Vertragsbestimmungen nicht volleAnwendung auf den Handel mit Prüfungsleistungen finden sollten.

Im Grünbuch werden die Probleme angesprochen, die es in dieser Hinsicht noch gibt.Diejenigen Mitgliedstaaten, die die Gemeinschaftsmaßnahmen restriktiv anwenden,sollten sich die wirtschaftlichen Vorteile vor Augen halten, die sich langfristig aus derFreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit ergeben. Dazu gehört auch, daß einstärkerer Wettbewerb, ergänzt durch geeignete Prüfungsnormen, zu besserenPrüfleistungen führt.

Ich erwähnte bereits, daß sich auf internationaler Ebene die WTO mit derLiberalisierung der Tätigkeit von Buchsachverständigen befaßt. Es wird natürlich einegewisse Zeit dauern, ehe konkrete Lösungen gefunden werden. Wir müssen jedoch diein Europa noch bestehenden beträchtlichen Unterschiede deutlich verringern, wenn wirerfolgreich verhandeln wollen. Eine zu starke Betonung der nationalen Besonderheitengefährdet nicht nur die Schaffung eines Binnenmarktes, sondern hindert uns auchdaran, bei den Verhandlungen mit unseren Handelspartnern das volle Gewicht der EUeinzubringen.

Ehe ich Sie nun Ihren heutigen Beratungen überlasse, möchte ich Ihnen für IhreTeilnahme an dieser Konferenz und für den Beitrag danken, den Sie damit für dieErarbeitung eines Arbeitsprogramms auf diesem wichtigen Gebiet leisten. Wir wissenaus dem Grünbuch, daß noch viel zu tun bleibt im europäischen Prüfungswesen. DasWichtigste ist, Prioritäten zu setzen und festzulegen, wer was zu tun hat. Fürbesonders wichtig halte ich die Bereitschaft der Berufsgruppe der europäischenBuchsachverständigen, in dieser Hinsicht eine aktivere Rolle zu spielen, und ich werdemich dafür einsetzen, daß die Vertreter des Berufsstandes und gegebenenfalls andereprivate Organisationen, die ein besonderes Interesse an diesen Fragen haben, eng in allegemeinschaftlichen Folgemaßnahmen einbezogen werden, die sich aus dem Grünbuch

Statutory Auditing and the Single Market Mario Monti

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und dieser Konferenz ergeben. Ich hoffe, daß wir aus den Beratungen dieser beidenTage eindeutige Schlußfolgerungen über den weiteren Weg ableiten können, damit sobald wie möglich konkrete Maßnahmen möglich sind.

Ich wünsche Ihnen einen guten Fortgang der Konferenz und danke Ihnen für IhreTeilnahme und Ihre nützlichen Meinungsäußerungen.

Vorläufige Schlußfolgerungen der Konferenz

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VORLÄUFIGE SCHLUSSFOLGERUNGEN DER KONFERENZ1

1. ALLGEMEINES

Auch wenn in der Konferenz nicht auf alle im Grünbuch aufgeworfenen Fragen imeinzelnen eingegangen werden konnte, wurden jedoch die wichtigsten Punkte, die denPrüferberuf in der Europäischen Union betreffen, behandelt.

Aufgrund der verschiedenen Podiumsdiskussionen konnten einige Kommentare nochnäher beleuchtet werden, die bereits als einige der zahlreichen Reaktionen auf dasGrünbuch eingegangen waren.

In seiner Rede hat Kommissionsmitglied Monti den Schwerpunkt auf die Bedeutungdes Prüferberufes im Rahmen des Binnenmarktes gelegt. Dabei hat er angeregt, auchim Prüfungswesen einen Ansatz zu verfolgen, der in gewisser Weise dem entspricht,den die Kommission hinsichtlich der Neuen Rechnungslegungsstrategie eingeschlagenhat. Auch hat er davor gewarnt, den internationalen Normungseinrichtungen - undinsbesondere dem Internationalen Verband der Buchsachverständigen - einfach freieHand zu lassen. Die EU muß sich selbst so organisieren, daß sie sicherstellen kann, daßdie internationalen Prüfungsgrundsätze dem entsprechen, was im Binnenmarktangewandt werden soll.

Darüber hinaus hat Kommissionsmitglied Monti die Aspekte Unabhängigkeit undNiederlassungsfreiheit besonders hervorgehoben und die Antwort des Berufsstands aufdie Unabhängigkeit begrüßt sowie ausgeführt, daß er von der FEE ein klaresAktionsprogramm als Folgemaßnahme zu ihrer Verpflichtung erwarten würde, einenGrundsatzrahmen für die wesentlichen Grundsätze zu formulieren. In bezug auf dieNiederlassungsfreiheit konnte Kommissionsmitglied Monti keinen überzeugendenGrund dafür sehen, weshalb die Vertragsbestimmungen nicht volle Anwendung auf dasAngebot von Prüfungsdienstleistungen finden sollten. Er verwies auch darauf, daß einezu starke Betonung der nationalen Besonderheiten nicht nur die Schaffung einesBinnenmarkts gefährdet, sondern auch die EU daran hindert, bei den Verhandlungenmit ihren Handelspartnern - insbesondere im Rahmen der WTO - ihr volles Gewicht indie Waagschale zu werfen.

In seiner Eröffnungsansprache schlug Herr Mogg, Generaldirektor für Binnenmarktund Finanzdienste, die Einführung eines Mechanismus vor, der möglicherweise imRahmen des Kontaktauschusses für Richtlinien der Rechnungslegung bewerkstelligtwerden sollte. Dieser Mechanismus soll vor allem die Prüfungsfragen betreffen.Überdies unterstrich Herr Mogg die Notwendigkeit der Einhaltung der Vorschriften,auf die man sich geeinigt hatte. So sei es nicht genug, nur die Vorschriften oderNormen festzulegen, sondern es müsse auch gewährleistet werden, daß diezugrundegelegten Bestimmungen in der Praxis auch tatsächlich angewandt würden.

1 Vorgelegt von Frau Susan Binns und Herrn Karel Van Hulle im Namen der

Kommissionsdienststellen

Vorläufige Schlußfolgerungen der Konferenz

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2. PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE UND BESTÄTIGUNGSVERMERK

Der Vorschlag zur Einrichtung eines Systems zur Erörterung der Prüfungsgrundsätzeauf EU-Ebene wurde weitgehend unterstützt. Es wurde angeregt, zu diesem Zweckeinen technischen Unterausschuß des Kontaktausschusses für Richtlinien derRechnungslegung einzusetzen.

Dieser technische Unterausschuß würde folgendes Mandat haben:

• Überprüfung der bestehenden internationalen Prüfungsgrundsätze und Analyse, obsie möglicherweise in einem EU-Rahmen auf der Grundlage vorbereitenderArbeiten anwendbar sind, die zuvor von diesem Berufsstand zu leisten wären;Überlegung, ob die Anwendung dieser internationalen Prüfungsgrundsätze denBedarf an Prüfungsgrundsätzen in der EU voll abdecken würde oder ob nochweitere Lücken zu füllen wären;

• Koordinierung der Standpunkte zu Arbeitspapieren und anderen Unterlagen, dievon dem "International Auditing Practices Committee" der IFAC vorgelegtwerden;

• Prüfung der Berichte seitens des Berufsstands über die Einhaltung der vereinbartenGrundsätze und eventuelle Vorlage von Verbesserungsvorschlägen;

• Prüfung des Grundsatzrahmens für die wesentlichen Grundsätze auf dem Gebietder Unabhängigkeit, den die FEE entwickeln will.

Durch den Unterausschuß wird der Berufsstand ständig gehalten sein, seinerVerpflichtung nachzukommen, Abschlußprüferfragen auf der Grundlage derSelbstregulierung zu lösen.

Der technische Unterausschuß würde sich aus Vertretern der Mitgliedstaatenzusammensetzen. Es wäre empfehlenswert, daß diejenigen Mitgliedstaaten, in deneneine Normungseinrichtung auf dem Gebiet der Abschlußprüfung besteht, einenVertreter dieser Einrichtung in ihre Delegation entsenden. Der europäischenAbschlußprüferbranche käme eine Schlüsselrolle zu, und es wäre deshalb für sie vongrößter Bedeutung, in dem Unterausschuß vertreten zu sein. Zu debattieren wäreferner, welche anderen interessierten Parteien auch zur Teilnahme in demUnterausschuß aufgefordert werden sollten.

Die FEE hat die Aufgabe übernommen, die Einhaltung der internationalenPrüfungsgrundsätze in den Mitgliedstaaten zu überprüfen. Es wird vorgeschlagen, daßdie FEE dem technischen Unterausschuß über die Ergebnisse ihrer UntersuchungBericht erstattet.

3. ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND BERUFSVEREINIGUNGEN

Allgemein war man sich darin einig, daß die Beaufsichtigung desAbschlußprüferberufes von der Branche selbst übernommen werden sollte, allerdingsunter staatlicher Kontrolle. Dies ergibt sich aus der Achten Richtlinie, die dieMitgliedstaaten dazu anhält sicherzustellen, daß die Abschlußprüfer ihren Aufgabenmit ordentlicher Sorgfalt und in voller Unabhängigkeit nachkommen.

Die FEE hat vorgeschlagen, das System der Qualitätskontrolle im Bereich derAbschlußprüfung in den Mitgliedstaaten zu überprüfen. Man hat sich darauf

Vorläufige Schlußfolgerungen der Konferenz

– 19 –

verständigt, daß die FEE sodann ihre Ergebnisse dem technischen Unterausschußübermittelt, der wiederum dem Kontaktausschuß Bericht erstatten soll. Letzter würdedann darüber befinden, ob es weiterer Initiativen auf EU-Ebene in diesem Bereichbedarf.

4. STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS INNERHALB DER GESELLSCHAFT UNDDIE ROLLE DER INNENREVISION

Man war sich darin einig, daß die Rolle des Abschlußprüfers im weiterenZusammenhang der Unternehmensverfassung gesehen werden sollte. Dabei wurde dieAuffassung vertreten, daß es für die EU nicht wünschenswert wäre, verbindlicheRechtsvorschriften in diesem Bereich zu erlassen.

Es wurde vorgeschlagen zu prüfen, ob die verschiedenen Vorschläge, die Gegenstandder Reaktionen auf das Grünbuch und auf die Konferenz waren und Bereiche wie dieInnenrevision und den Prüfungsausschuß betrafen, nicht eventuell Gegenstand einerEmpfehlung der Kommission auf dem Gebiet der Unternehmensverfassung seinkönnten. Ob es überhaupt einer solchen Empfehlung bedarf, muß in einer weiterenKonsultationsrunde geklärt werden.

5. BERUFLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Allgemein war man sich darin einig, daß die Frage der beruflichen Haftung äußerstkomplex ist und einer weiteren Prüfung bedarf, und zwar unbeschadet der Klärung derFrage, ob weitere Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind oder nicht.

Dieses Thema wird Gegenstand einer detaillierteren Untersuchung im Rahmen einerStudie sein, die die Kommission nächstes Jahr lancieren wird. Mit Hilfe dieser Studiesollen die Systeme der zivilrechtlichen Haftung in den Mitgliedstaaten untersuchtwerden, um der Kommission Anhaltspunkte dafür zu geben, ob es einer weiteren EU-Initiative in diesem Bereich bedarf oder nicht.

6. SONSTIGES

Auf eine Reihe von im Grünbuch angesprochenen Fragen wurde auf dieser Konferenznicht spezifisch eingegangen. Auf der Grundlage der zum Grünbuch eingegangenenKommentare und der in den letzten zwei Tagen geführten Gespräche schlägt dieKommission die folgenden Maßnahmen vor:

6.1 Berufliche Qualifikation

Allgemein ist man sich darin einig, daß der gesetzliche Abschlußprüfer über ein hohesMaß an beruflicher Qualifikation verfügen muß. Die Achte Richtlinie wird für flexibelgenug gehalten, um auf Ebene der Mitgliedstaaten neue Bereiche einführen zu können,die in die Prüfung der beruflichen Qualifikation einbezogen werden sollten.

Es wurde vorgeschlagen, die Möglichkeit einer engeren Koordinierung der Lehrplänefür die Ausbildung von Abschlußprüfern zu untersuchen. Die Einrichtung einesStändigen Ausschusses auf dem Gebiet der Ausbildung auf EU-Ebene wäre hieraufvielleicht eine gute Anwort und könnte zu einem allgemeinen Anheben des

Vorläufige Schlußfolgerungen der Konferenz

– 20 –

Ausbildungsniveaus in allen Mitgliedstaaten führen. Die Kommission wird diepraktischen Aspekte der Einrichtung eines solchen Ausschusses prüfen und demKontaktausschuß sodann Bericht erstatten. Außer Frage steht, daß sowohl derakademischen Welt als auch der Abschlußprüferbranche in einem solchen Ausschußeine bedeutende Rolle zukäme.

6.2 Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr imAbschlußprüferbereich

Der Kontaktausschuß wird gebeten werden, einige Fragen zur Auslegung von Artikel 2der Achten Richtlinie zu prüfen, bei denen der Eindruck besteht, daß derRichtlinientext von den Mitgliedstaaten zu restriktiv umgesetzt wurde.

Um die praktische Durchführung der allgemeinen Richtlinie auf dem Gebiet dergegenseitigen Anerkennung zu verbessern, wird vorgeschlagen, im nächsten Jahr eineSondersitzung der Koordinatoren der Mitgliedstaaten und des Kontaktausschusses fürRichtlinien der Rechnungslegung anzuberaumen, um die praktischen Schwierigkeitenzu erörtern, die im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit und dem freienDienstleistungsverkehr im Abschlußprüferbereich aufgetreten sind.

Die Abschlußprüferbranche wird aufgefordert sein, dieser Sitzung beizuwohnen undüber ihre Erfahrungen zu berichten.

Die Kommission begrüßt den Vorschlag der FEE, die Probleme zu beleuchten, die mitder Verwendung des in einem Aufnahmeland erworbenen Titels durch einenausländischen Abschlußprüfer einhergehen.

Überdies wiederholt die Kommission ihr Angebot, eine sektorale Richtlinievorzuschlagen, sofern die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind:

• festgelegter Standpunkt des Berufsstandes zu einem Vorschlagsentwurf;

• Einigkeit zumindest der Mehrheit der Mitgliedstaaten über diesen Entwurf;

• Verbesserung des allgemeinen Systems, und zwar sowohl in bezug auf dieAbschlußprüfergesellschaften als auch in bezug auf einzelne Abschlußprüfer.

In diesem Zusammenhang bittet die Kommission die FEE, neue Vorschlägevorzulegen, die den Eignungstest für Wanderarbeitnehmer weniger beschwerlichmachen könnten, die den Titel ihres Herkunftslandes führen und mit einemAbschußprüfer im Aufnahmeland zusammenarbeiten.

6.3 Abschlußprüfung kleiner Unternehmen

Allgemein ist man sich darin einig, daß sowohl für große als auch für kleine undmittlere Unternehmen die gleichen Prüfungsgrundsätze gelten sollten. Überdies wirddie Auffassung vertreten, daß kleine Unternehmen nicht einer obligatorischenAbschlußanforderung unterworfen und mittlere Unternehmen nicht von dergesetzlichen Abschlußprüfung befreit werden sollten.

Die gleichen Anforderungen in bezug auf die Unabhängigkeit, die für die gesetzlichenAbschlußprüfungen im allgemeinen gelten, sollten auch auf die Abschlußprüfungenkleiner Gesellschaften Anwendung finden.

Die Rolle der Abschlußprüferbranche in bezug auf die KMU sollte in einem breiterenKontext als nur dem der gesetzlichen Abschlußprüfung gesehen werden. In diesem

Vorläufige Schlußfolgerungen der Konferenz

– 21 –

Zusammenhang könnte unter Umständen auch untersucht werden, inwiefern dieAbschlußprüferbranche den KMU besser behilflich sein könnte.

Reden

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AUF DER KONFERENZ GEHALTENE REDEN

Dieser Abschnitt enthält den vollen Text der Beiträge, die von den verschiedenenRednern für die Konferenz geliefert wurden, und zwar in der Reihenfolge, wie dieReden gehalten wurden.

Eröffnungsansprache des Generaldirektors der GD XV John F. Mogg

— 25 —

HERR JOHN F. MOGG∗

ERÖFFNUNGSANSPRACHE

Diese Konferenz ist eine erste und wahrscheinlich auch einmalige Zusammenkunft derwichtigsten Akteure im Bereich der Abschlußprüfung in Europa. Sie ist deshalb inmehrfacher Hinsicht ein besonderes Ereignis, und ich freue mich ganz besonders, dieseKonferenz heute eröffnen zu können.

Angesichts der so zahlreich versammelten Vertreter der europäischenBuchsachverständigen möchte ich zunächst betonen, wie sehr die Kommission dieausgezeichnete Zusammenarbeit mit Ihnen schätzt. Wenn ich feststelle, daß dieKommission sich voll bewußt ist, welchen bedeutenden Beitrag die Branche derBuchsachverständigen zur Wirtschaft insgesamt und insbesondere zum Binnenmarktleistet, dann will ich Ihnen damit keineswegs schmeicheln. Unser Grünbuch, dieseKonferenz und die heutige Anwesenheit von uns allen sind Ausdruck der Bedeutung,die wir alle den Ihnen übertragenen Aufgaben beimessen, insbesondere der Aufgabeder Pflichtprüfung, die ihren Zweck nur erreichen kann, wenn sie entsprechend denhöchsten fachlichen Maßstäben durchgeführt wird.

In den zum Grünbuch eingegangenen Stellungnahmen sind - und dies ist eigentlichnicht überraschend - weitgehende Übereinstimmungen zu erkennen. So haben wir nichtnur gleiche Auffassungen hinsichtlich der Wichtigkeit der Pflichtprüfung, sondernbegrüßen auch übereinstimmend alle Maßnahmen zur ihrer qualitativen Verbesserung.Dies würde das Vertrauen in die Abschlüsse erhöhen und wäre somit für Investoren,Gläubiger, Geschäftspartner sowie alle, die mit Unternehmen zu tun haben, vonVorteil. Zahlreiche Kommentatoren haben sich für eine Verbesserung derRahmenbedingungen für Abschlußprüfungen in der Europäischen Unionausgesprochen.

Wie bereits im Grünbuch ausgeführt, sind diese Rahmenbedingungen mangelhaft, unddie entsprechenden europäischen Rechtsbestimmungen weisen zahlreiche Lücken auf.So gibt es keine einheitliche Definition der Pflichtprüfung. Es besteht keineÜbereinstimmung hinsichtlich der anzuwendenden Prüfungsgrundsätze. Es gibt keinegemeinsame Festlegung zum Mindestinhalt des Bestätigungsvermerks.

Das Fehlen europäischer Rechtsvorschriften an sich ist natürlich noch keinausreichender Grund für die Einleitung von rechtsetzenden Maßnahmen. Wir müssenuns über die zu erreichenden Ziele klarwerden und dann gemäß demSubsidiaritätsprinzip prüfen, was für eine Maßnahme auf welcher Ebene geeignet ist,die festgelegten Ziele am effektivsten zu erreichen.

Die Reaktionen auf das Grünbuch lassen einen erfreulichen Grad an Übereinstimmungzu folgenden Zielen erkennen: Die Pflichtprüfung in der EU sollte ausgeführt werden:

• von hinreichend qualifizierten Fachkräften;

• unter Gewährleistung deren Unabhängigkeit;

∗ Generaldirektor der GD XV Binnenmarkt und Finanzdienste

Eröffnungsansprache des Generaldirektors der GD XV John F. Mogg

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• auf der Grundlage einer gemeinsamen Definition dessen, was die Prüfung zubeinhalten hat;

• gemäß einer Reihe von gleichwertigen Regeln und Grundsätzen, die nicht nur inganz Europa gelten, sondern auch international anerkannt sind;

• und mit der Gewißheit, daß diese Regeln und Grundsätze eingehalten werden.

Umstritten ist lediglich, auf welche Weise diese Ziele zu erreichen sind.

In einigen Stellungnahmen werden zur Definition der Pflichtprüfung sowie des Inhaltsdes Bestätigungsvermerks rechtsetzende Maßnahmen auf europäischer Ebenegefordert. Ich möchte hier eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Kommission nichterwartet, mit der Einleitung von rechtsetzenden Maßnahmen beauftragt zu werden.Wenn wir zu einer effizienten Lösung ohne den Erlaß von Rechtsvorschriften kommenkönnten, wäre ich darüber nur erfreut.

Die Kommission verfolgt hier ein ähnliches Konzept wie seinerzeit auf dem Gebiet derRechnungslegung, wo die Erarbeitung unserer neuen Strategie in starkem Maße durchdie Notwendigkeit eines flexiblen Herangehens beeinflußt wurde. Falls erforderlich,werden wir Änderungen an den Bilanz-Richtlinien vorschlagen, doch wollen wir erstabwarten, wie weit wir ohne Rechtsakte kommen. Ich bin der Meinung - und ichglaube, dies ist die vorherrschende Meinung - daß sich das neue Konzept auf demGebiet der Rechnungslegung gut bewährt.

In zahlreichen Einsendungen zum Grünbuch wurde die Auffassung vertreten, daßMaßnahmen dem Berufsstand überlassen werden sollten. Es wurde darauf verwiesen,daß der Berufsstand sich z.B. mit dem Problem der Grundsätze beschäftigt hat, indemer sich auf internationaler Ebene auf eine Reihe von internationalenPrüfungsgrundsätzen einigte. Wie im Fall der Grundsätze für die Rechnungslegungbegrüßt die Kommission das Bestehen internationaler Prüfungsgrundsätze, und wirstimmen mit denen überein, die darin die beste Grundlage für die Erarbeitung vonGrundsätzen in der Europäischen Union sehen.

Es kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die internationalenPrüfungsgrundsätze vollständig dem Bedarf der EU an Prüfungsgrundsätzenentsprechen. Diese Frage ist noch nicht systematisch und umfassend untersuchtworden. Und es ist ebenfalls nicht sicher, ob der europäische Einfluß auf dieAufstellung dieser Grundsätze so stark ist, wie er sein könnte. Man kann sich schwervorstellen, welche europäische Meinung im IFAC-Prozeß vertreten wird, da es keinenMechanismus für die Herausbildung einer solchen Meinung gibt.

Unserer gegenwärtigen Auffassung nach würde die Berücksichtigung internationalerPrüfungsgrundsätze im europäischen Kontext höchstwahrscheinlich keineSchwierigkeiten mit sich bringen. Dies gilt insbesondere für die technischen Aspekteder Prüfung. Weniger zutreffen könnte es allerdings auf die Definition derPflichtprüfung und auf den Inhalt des Bestätigungsvermerks.

Wenn von der Notwendigkeit gesprochen wird, daß mehr als gegenwärtig getanwerden muß, bedeutet dies in keiner Weise eine Herabsetzung der Arbeit desBerufsstandes zur Frage der Prüfungsgrundsätze. Diese Arbeit ist im Gegenteil vongrundlegender Bedeutung und muß den Kern jeglicher künftiger Maßnahme zurVerwirklichung unserer gemeinsamen Ziele bilden. Niemand kann der Meinung sein, esgäbe nichts zu verbessern. Zudem sollten wir nicht vergessen, daß die Pflichtprüfung

Eröffnungsansprache des Generaldirektors der GD XV John F. Mogg

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im öffentlichen Interesse vorgeschrieben wurde: Die Kommission ist der Meinung, daßdie Öffentlichkeit mehr erwartet, als daß dem Berufsstand, so gut seineSelbstverwaltung auch funktionieren mag, die Arbeit allein überlassen bleiben darf.

Ich möchte daran erinnern, daß es nicht nur um eine Einigung über den Inhalt derRegeln bzw. Grundsätze geht. Wir haben auch dafür zu sorgen, daß dieangenommenen Regeln befolgt werden, daß sie in allen Mitgliedstaaten wirksam in derPraxis angewendet werden. Wer könnte behaupten, daß dies bereits der Fall ist?

Wenn wir eine Lehre aus unseren Erfahrungen mit dem Binnenmarkt gezogen haben,dann doch die, daß es nicht ausreicht, sich Regeln zu geben. Ein Großteil unsererArbeit besteht darin, für eine effektive Anwendung der Regeln zu sorgen. Es ist nichtzu erwarten, daß dies im Falle der Prüfungsgrundsätze anders sein könnte.

Der Berufsstand versichert uns - wie nicht anders zu erwarten -, daß er die Dinge imGriff hat und daß beträchtliche Arbeit auf die Überprüfung der Einhaltung derVorschriften sowie die Qualitätskontrolle verwendet wird. Zu fordern, daß mehr alsdas notwendig ist, bedeutet nicht, diese Versicherungen bestreiten oder ihre Bedeutungherabsetzen zu wollen. Es geht darum, den richtigen Weg zur Umsetzung unsererfestgesetzten Ziele zu finden. Wenn wir nicht höhere Ansprüche an die Erfüllung derRegeln stellen, wird die Erwartungslücke nicht geschlossen werden können.

Wenn auf europäische Rechtsetzungsmaßnahmen verzichtet werden soll, müssen wirzumindest gewährleisten, daß sich alle Beteiligten, die auf einzelstaatlicher EbeneEntscheidungsbefugnis im Prüfungswesen innehaben, für die Einhaltung dervereinbarten Regeln einsetzen. Dafür könnten legislative Maßnahmen aufeinzelstaatlicher Ebene erforderlich sein, auch wenn es keine Rechtsvorschriften aufEU-Ebene gibt.

Die Notwendigkeit eines strengeren europäischen Rahmens für das Prüfungswesen unddie Suche nach geeigneten Realisierungsmöglichkeiten haben uns zwangsläufig zu derVorstellung geführt, im Prüfungswesen einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie bei dererfolgreichen Entwicklung von Rechnungslegungsgrundsätzen. Wäre dies einepraktikable Methode und würde sie uns helfen, unsere Ziele zu erreichen?

Der größte Unterschied zwischen dem Prüfungswesen und dem Rechnungswesenbesteht natürlich darin, daß es auf europäischer Ebene keine abgestimmten Regeln oderGrundsätze für das Prüfungswesen gibt. Dies ist in gewisser Weise ein Vorteil, dennwir sind dadurch weniger gebunden als im Rechnungswesen, wo wir gehalten sind, dendurch die Bilanz-Richtlinien geschaffenen Rechtsrahmen aufrechtzuerhalten.Andererseits ist das Fehlen von ähnlichen gemeinsamen Regeln im Prüfungswesen keinZufall. Rechtsvorschriften sind hier wahrscheinlich nicht erforderlich, was jedoch nichtdazu führen darf, daß es keinen gemeinsamen europäischen Standpunkt zu diesenFragen gibt. Wenn wir der Auffassung sind, daß wir im europäischen Kontextanzuwendende Regeln oder Grundsätze brauchen, dann brauchen wir auch einrepräsentatives Gremium, in dem ein gemeinsamer Standpunkt erarbeitet werden kann.Wir brauchen ein maßgebliches Gremium, in dem die Ergebnisse der bisherigen Praxisdes Berufsstandes geprüft und - wie zu hoffen ist - bestätigt werden.

Diesbezüglich können wir aus dem im Rechnungswesen angewendeten Konzept einigenützliche Lehren ziehen. Die Arbeit, die - wie ich es nennen will - unterhalb derKontaktausschußebene geleistet wurde und weitergeführt wird, zeigt, daß wir durchdie Einrichtung eines ähnlichen Gremiums für das Prüfungswesen alle erforderlichen

Eröffnungsansprache des Generaldirektors der GD XV John F. Mogg

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Elemente vereinigen können: die Informationen der zuständigen staatlichen Behörden;die Sachkenntnis des Berufsstandes; sowie Ergebnisse, die sowohl flexibel als auchmaßgeblich sind.

Solch ein Gremium wäre auch die geeignete Stelle, um gegebenenfalls festzustellen, obsich doch noch Rechtsvorschriften erforderlich machen. Es würde die Erkenntnisse desBerufsstandes zu Fragen wie der Einhaltung prüfen und dem KontaktausschußEmpfehlungen übermitteln, wenn es weitere Maßnahmen für erforderlich hält.

Abschließend möchte ich den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die mit demGrünbuch eingeleitete umfassende Konsultation zusammen mit dieser Konferenz zueinem bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zu einer Erhöhung der Qualität derAbschlußprüfungen in der ganzen Europäischen Union werden möge. Wenn wir unsjetzt über die geeigneten Maßnahmen einigen, werden wir sowohl zum Abbau derErwartungslücke beitragen als auch der Europäische Union die erforderlichen Mittel andie Hand geben, damit sie einen wirkungsvolleren Beitrag zur internationalenHarmonisierung leisten kann.

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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HERR KAREL VAN HULLE∗

PRÄSENTATION DER ZUM GRÜNBUCH EINGEGANGENEN KOMMENTARE

1. ALLGEMEINES

Bis Ende November erhielten wir 52 Stellungnahmen zum Grünbuch aus insgesamt 13der 15 EU-Mitgliedstaaten. Der größte Teil davon stammt von Einrichtungen desBerufszweiges und von Wissenschaftlern. Acht Mitgliedstaaten (Dänemark,Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich)gaben offizielle Stellungnahmen ab. Auch von der Schweiz ging eine offizielleStellungnahme ein. Des weiteren erhielten wir eine Meinungsäußerung von einemnorwegischen Fachinstitut.

Abgesehen von diesen einzelstaatlichen Stellungnahmen äußerten sich auch 12europäische Organisationen im Namen ihrer Mitglieder. Und schließlich erhielten wirebenfalls Stellungnahmen vom EU-Ausschuß der Amerikanischen Handelskammer inBelgien sowie von der IFAC.

Es wäre unrealistisch, wollte man zu diesem Zeitpunkt einen eingehenden Überblicküber die zahlreichen Meinungsäußerungen geben. Sie belaufen sich auf insgesamt ca.500 Seiten, und einige von ihnen gingen erst in den letzten Tagen ein. Um dieStellungnahmen einem möglichst großen Kreis zugänglich zu machen, haben wir einigemit in Ihre Konferenzunterlagen aufgenommen. Darüber hinaus haben wir vor, sie überInternet zugänglich zu machen. Einzelheiten dazu finden Sie auf einem speziellen Blattin Ihren Konferenzunterlagen. Wenn Sie möchten, daß Ihre Stellungnahme in unsereWebsite aufgenommen wird, beachten Sie bitte die Hinweise auf diesem Blatt.

In den meisten Stellungnahmen wird das Grünbuch begrüßt und als interessantes undausgewogenes Dokument bezeichnet. Viele Kommentatoren sind der Meinung, daß dieDiskussion über die Rolle der Abschlußprüfer schon längst fällig war. In einerStellungnahme wird die Meinung vertreten, daß es dem Grünbuch an Kühnheit fehleund es relativ zurückhaltend abgefaßt sei. Dazu ist anzumerken, daß ein Grünbuchnicht der Unterbreitung von Vorschlägen dient, sondern vielmehr Anstoß zurDiskussion sein soll.

Erstaunlich an den Stellungnahmen ist, daß der Binnenmarktaspekt faktisch durchwegnicht zur Sprache kommt. Überall wird auf einzelstaatliche Probleme und dieinternationale Ebene eingegangen. Es findet jedoch keine Diskussion überGemeinsamkeiten in Europa und die Möglichkeiten statt, die ein europäischer Marktfür Abschlußprüfungen bieten würde. Dies zeigt, daß wir von einem "europäischenAbschlußprüfer" noch weit entfernt sind.

Es besteht Einhelligkeit darüber, daß die Strategie, die die EU auf dem Gebiet derRechnungslegung verfolgt, auch auf den Bereich der Abschlußprüfungen Anwendungfinden sollte. In Anbetracht der Unterschiede, die in den Rahmenbedingungen dereinzelnen Mitgliedstaaten bestehen, sollte die geeignete Handlungsebene gewählt

∗ Abteilungsleiter GD XV/D-3 Finanzielle Informationen - Rechnungslegungsgrundsätze

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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werden, und die erforderlichen Maßnahmen sollten unter Beachtung desSubsidiaritätsprinzips ergriffen werden. Soweit wie möglich müssen Initiativenergriffen werden, die nicht notwendigerweise Rechtsetzungsmaßnahmen auf EU-Ebenebeinhalten.

Eine deutliche Mehrheit der Einsender spricht sich dafür aus, die internationalenPrüfungsgrundsätze (International Auditing Standards - ISA) als Grundlage fürentsprechende Rahmenvorgaben auf EU-Ebene zu verwenden. In einigenStellungnahmen wird jedoch unterstrichen, daß eine Überprüfung der bestehendenGrundsätze erforderlich ist, daß es Zusätze von seiten der EU geben kann und daß eineigenständiger europäischer Beitrag zur internationalen Harmonisierungsdebattenotwendig ist.

2. DIE ROLLE DES ABSCHLUSSPRÜFERS

2.1 Definition der Pflichtprüfung

2.1.1 Abschlußprüfung und Prüfungsgrundsätze

Zahlreiche Kommentatoren stimmen darin überein, daß es eine Definition derPflichtprüfung geben müsse. Diese Definition sollte allerdings hinreichend flexibel sein,um die Konzipierung neuer Grundsätze als Antwort auf neue Entwicklungen und neuentstehende Bedürfnisse zu ermöglichen. In einigen Stellungnahmen wirdvorgeschlagen, die Definition der IFAC zu verwenden. Dies dürfte jedoch schwierigsein, da die IFAC nicht die Pflichtprüfung selbst, sondern nur deren Ziele definiert.

Allgemein zu den Prüfungsgrundsätzen wird in mehreren Einsendungen die Errichtungeines Konsultativgremiums auf EU-Ebene vorgeschlagen, das sich mit den bestehendeninternationalen Prüfungsgrundsätzen (ISA) befaßt und Stellungnahmen zu Entwürfenund anderen vom International Auditing Practices Committee der IFACherausgegebenen Materialien abgibt. In einer Stellungnahme wird dies jedoch striktabgelehnt und gefordert, "die EG sollte nicht versuchen, die marktbestimmtenEntwicklungen eines sich selbst verwaltenden Berufsstandes, der dem öffentlichenInteresse zuverlässig dient, zu beeinflussen. Die Bürokratie muß in Grenzen gehaltenwerden. Die EG sollte ähnlich der Securities and Exchange Commission in den USAlediglich eine überwachende Rolle spielen".

Es wird vorgeschlagen, die Mitgliedstaaten sollten ihre einzelstaatlichen Regelungenzur Festlegung der Prüfungsgrundsätze im Sinne einer Harmonisierung auf derGrundlage der ISA überprüfen. In einigen Stellungnahmen wird die Meinung vertreten,die europäischen Besonderheiten erforderten speziell auf die Gegebenheiten der EUzugeschnittene Vorschriften, so daß eine bloße Überarbeitung der bestehenden ISAnicht ausreichend sei. In anderen wiederum wird die Notwendigkeit europäischer odereinzelstaatlicher Lösungen bestritten. Zahlreiche Kommentatoren betonen jedoch, daßangesichts der Unterschiedlichkeit der Systeme der Unternehmensführung in der EUdie Gleichwertigkeit der Abschlußprüfungen voraussetzt, daß entweder sowohl dieAbschlußprüfungen als auch die Systeme der Unternehmensführung harmonisiertwerden oder daß unterschiedliche Prüfungsgrundsätze entsprechend den speziellenSystemen der Unternehmensführung in den Mitgliedstaaten erarbeitet werden.

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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Der Rückgriff auf eine Richtlinie für die Harmonisierung wird von den meistenKommentatoren nicht als eine geeignete Lösung angesehen. Bezüglich der Definitionder Pflichtprüfung ist die Lage jedoch etwas anders. Einige Kommentatoren sind derMeinung, daß hier ein Rechtsakt in der einen oder anderen Form erforderlich seinkönnte. Im allgemeinen herrscht jedoch die Ansicht vor, daß eine Richtlinie keinehinreichend rasche und flexible Lösung für eine Entwicklung bietet, die noch nichtabgeschlossen ist.

Was die ISA im allgemeinen betrifft, so bietet die FEE an, eine eingehendeUntersuchung über ihre Anwendung in den Mitgliedstaaten durchzuführen.

2.1.2 Pflichten des Abschlußprüfers

In zahlreichen Stellungnahmen wird übereinstimmend die Meinung vertreten, daß derAbschlußprüfer Pflichten entsprechend den Erwartungen der Öffentlichkeitübernehmen sollte, insofern ein eindeutiger Konsens zu diesen Erwartungen bestehtund insofern Klarheit darüber herrscht, daß der Prüfer die dafür erforderlichenFähigkeiten besitzt bzw. erwerben kann. Andererseits sollten die Kosten für dieErhöhung der Pflichten des Abschlußprüfers gegen die sich daraus ergebenden Vorteileabgewogen werden. Die meisten Kommentatoren betonen, daß die Kernfunktion desAbschlußprüfers aufrechterhalten werden muß, d.h. zu beurteilen, ob die Abschlüsseein wahres und angemessenes Bild vermitteln.

2.1.3 Die Erwartungslücke

Es besteht im wesentlichen Einigkeit darüber, daß das Fehlen einer gemeinsamenDefinition der Rolle des Abschlußprüfers zum Entstehen einer Erwartungslückebeiträgt. Der Abbau dieser Erwartungslücke ist wichtig, insbesondere bei den Kennernder Materie. Die Beseitigung von falschen Vorstellungen in der Öffentlichkeit imallgemeinen ist zwar ein anzustrebendes Ziel, doch schwer zu verwirklichen und dahernicht als oberste Priorität einzuordnen.

2.1.4 Betrugsdelikte

Zahlreiche Kommentatoren unterstreichen, daß die gezielte Suche nach betrügerischenHandlungen nicht als Bestandteil der Rolle des Abschlußprüfers angesehen werdenkann. Die Aufdeckung von Betrugsfällen kann nur eine zweitrangige Aufgabe sein. DieHauptverantwortung für die Verhinderung und Aufdeckung von Betrug liegt bei dengesetzlichen Vertretern des Unternehmens.

Wenn der Abschlußprüfer Unregelmäßigkeiten feststellt, sollte er natürlich darüberberichten. Keine Einhelligkeit besteht jedoch darüber, was im Bestätigungsvermerküber die Innenrevision gesagt werden soll und welche Informationen dem ausführlichenPrüfungsbericht vorbehalten bleiben sollten.

Generell scheint die Notwendigkeit zu bestehen, die Rolle des Abschlußprüfers imHinblick auf Betrugsdelikte zu klären. Mehrere Kommentatoren (Niederlande,Schweden) verweisen in diesem Zusammenhang auf besondere Entwicklungen in ihrenLändern.

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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2.1.5 Fortführung der Unternehmenstätigkeit/Solvenz der Gesellschaft

In den Stellungnahmen wird es als berechtigt angesehen, vom Vorstand eine öffentlicheErklärung zu verlangen, in der er sich dazu äußert, ob die Voraussetzungen für dieFortführung der Unternehmenstätigkeit weiterbestehen. Gleichzeitig wird jedochanerkannt, daß es den Abschlußprüfern kaum möglich sein dürfte, denErmessensspielraum der Unternehmensführung zu beurteilen. Es bestehen beträchtlicheBedenken, daß die Stellung eines Klienten durch vorzeitige Informationen überProbleme hinsichtlich der Fortführung der Unternehmenstätigkeit beeinträchtigtwerden könnte. Zahlreiche Kommentatoren verweisen auf die in der IFAC zu diesemThema laufenden Diskussionen. Einige Kommentatoren sind von der Wichtigkeitdieses Aspekts überzeugt und vertreten die Auffassung, daß der Abschlußprüfer hiereine bedeutende Rolle zu spielen hat.

2.2 Bestätigungsvermerk (Prüfungsbericht)

Eine Einigung über die Definition der Pflichtprüfung dürfte den Weg ebnen für einenKonsens über den Mindestinhalt des Bestätigungsvermerks. ZahlreicheKommentatoren schlagen eine Harmonisierung des Wortlauts desBestätigungsvermerks vor. Andererseits bestehen jedoch Bedenken, daß es durchvorgeschriebene Wendungen oder Sätze früher oder später zu Konflikten kommenkann, wenn internationale Prüfungsgrundsätze verändert werden.

Im allgemeinen sprechen sich die meisten Kommentatoren dafür aus, dieinternationalen Prüfungsgrundsätze (ISA 700) als Ausgangspunkt zu verwenden. Esbesteht keine Einigkeit darüber, ob der Mindestinhalt des Bestätigungsvermerksvorgeschrieben oder der Selbstverwaltung überlassen werden sollte.

Eine mögliche Initiative sollte jedoch auf den Bestätigungsvermerk beschränkt bleiben.Der für die Unternehmensleitung bestimmte ausführlichere Prüfungsbericht wird alsnützliches Hilfsmittel angesehen, sollte jedoch nicht Gegenstand einer Harmonisierungsein.

3. STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

3.1 Qualifikation des Abschlußprüfers

Zahlreiche Kommentatoren halten es für dringend erforderlich, dieAusbildungsanforderungen zu harmonisieren. Es sollte Studenten in Europa nichtmöglich sein, sich den Mitgliedstaat mit den geringsten Ausbildungsanforderungenherauszusuchen und dort ihre Qualifikationen zu erwerben.

Die 8. Richtlinie wird allgemein als ausreichend flexibel angesehen, um künftigenEntwicklungen Rechnung tragen zu können. Die meisten Kommentatoren erachten esnicht für erforderlich, die in Artikel 6 der Richtlinie enthaltene Aufstellung vonSachgebieten zu aktualisieren.

Es gibt zahlreiche nachdrückliche Hinweise auf die Vorteile und die Notwendigkeiteiner beruflichen Fortbildung, die im Grünbuch überhaupt nicht erwähnt worden ist.

Nach dem Beispiel der USA wird vorgeschlagen, in Europa einen Ständigen Ausschußfür die Ausbildung im Rechnungswesen zu errichten, über den die Berufsgruppe engmit den einschlägigen wissenschaftlichen Bereichen zusammenarbeiten kann.

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3.2 Unabhängigkeit des Abschlußprüfers

Es besteht Einmütigkeit darüber, daß es zweckmäßig sei, den Grundsatzrahmen für dieUnabhängigkeit auf EU-Ebene abzustecken. Die FEE hat dazu einen speziellenVorschlag unterbreitet.

Während einige Kommentatoren die Auffassung vertreten, daß ein Mindestmaß anUnabhängigkeit mit rechtsetzenden Maßnahmen gesichert werden sollte, gibt es auchdie Meinung, daß Vorschriften oder gar Gesetze zur Festlegung der Unabhängigkeitungeeignet sind, da Unabhängigkeit eine Geisteshaltung sei.

Da die Entscheidung über die Bestellung von Abschlußprüfern und dasPrüfungshonorar in der Regel von der Unternehmensleitung getroffen wird, sind einigeKommentatoren der Meinung, daß die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers gestärktwürde, wenn diese Entscheidung bei den Aktionären oder dem Prüfungsauschuß läge.Einige Kommentatoren unterstreichen, daß durch die Bestellung von Abschlußprüfernauf der Grundlage von Ausschreibungen der freie Wettbewerb auf dem Markt fürPrüfungsleistungen gefördert wird. Sie sind jedoch auch der Meinung, daß Angebotezu Dumpingpreisen, bei denen der Abschlußprüfer darauf spekuliert, die Differenz austatsächlichen Prüfungskosten und erhobenen Gebühren durch andereBeratungsleistungen wettmachen zu können, vermieden werden sollten. Der Preisscheint nicht der Hauptgrund für einen Wechsel des Abschlußprüfers zu sein, sondernvielmehr die Unzufriedenheit mit der Qualität der erbrachten Leistung.

In einigen Stellungnahmen werden multidisziplinäre Firmen als die natürliche Antwortauf die Bedürfnisse des Marktes angesehen. Deren Gründung sollte deshalb nichtunnötig behindert werden. In dem Fall, daß neben der Abschlußprüfung weitereLeistungen für das geprüfte Unternehmen erbracht werden, sind bestimmteSicherungen zur Wahrung der Unabhängigkeit des Prüfers erforderlich. Nicht alleKommentatoren sind jedoch der Meinung, daß die Offenlegung der für zusätzlicheLeistungen eingenommenen Honorare eine gute Lösung sei. BestimmteKommentatoren sprechen sich nachdrücklich gegen die Gründung vonmultidisziplinären Firmen aus, da es dadurch zu einem unfairen Wettbewerb zwischenRechtsanwälten und Buchsachverständigen komme.

Einige Kommentatoren betonen, daß eine Aufstellung der Abschlüsse in Kombinationmit der Prüfung dieser Abschlüsse kein Problem darstelle. Andere wiederum sind derMeinung, daß dies nicht erlaubt sein solle, obgleich nicht feststeht, wo die Aufstellungbeginnt.

Von einigen Kommentatoren wird betont, es sei nicht akzeptabel, daß Innenrevision(für die Unternehmensleitung) und Abschlußprüfung (für externe Zwecke) vonderselben Prüfungsgesellschaft durchgeführt werden. Es besteht allgemeineÜbereinstimmung darüber, daß der Abschlußprüfer vermeiden müsse, in dieUnternehmensführung oder in Entscheidungsprozesse des Auftraggebers einbezogenzu werden.

Die Begrenzung des Anteils eines Auftraggebers am Auftragsvolumen einesAbschlußprüfers wird generell als ein probates Mittel zur Gewährleistung derUnabhängigkeit angesehen. Allerdings reichen die Vorschläge für eine Obergrenze vonunter 10% bis 50%.

Ein turnusmäßiger Wechsel der Prüfungspartner wird von einigen Kommentatoren beigroßen Prüfungsgesellschaften befürwortet. Bei kleinen Prüfungsfirmen wird dies

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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jedoch für unzweckmäßig und impraktikabel gehalten. Die Vertreter der Wirtschaftkönnen sich mit der Vorstellung eines turnusmäßigen Wechsels der Prüfungspartnernicht anfreunden.

3.3 Die Stellung des Abschlußprüfers im Unternehmen

Die Errichtung eines Prüfungsausschusses und die Einführung einesInnenrevisionssystems sollten nach allgemeiner Auffassung der Unternehmensführungüberlassen bleiben. Es besteht kein Bedarf an rechtsetzenden Maßnahmen auf EU-Ebene, mit denen die Einrichtung eines Prüfungsausschusses oder die Einführung einesInnenrevisionssystems in bestimmten Gesellschaften vorgeschrieben würde. Hingegenherrscht die Meinung vor, daß sich die Herausgabe einer Empfehlung durch die EU aufdiesem Gebiet durchaus als nützlich erweisen könnte.

Der Vorschlag zur Begrenzung des Prüfungszeitraums auf mindestens 3 und höchstens6 Jahre findet gewisse Zustimmung, wird aber nicht von der überwältigenden Mehrheitbefürwortet.

Wie bereits angeführt, betonen zahlreiche Kommentatoren den Zusammenhangzwischen der Harmonisierung der Prüfungsgrundsätze und der Strukturen derUnternehmensführung.

3.4 Die Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen

Es scheint Übereinstimmung darüber zu herrschen, daß in jedem Mitgliedstaat einunabhängiges Qualitätskontrollsystem bestehen sollte, welches die ordnungsmäßigeDurchführung der Pflichtprüfungen überwacht. Auch hier bietet die FEE an, die bereitsin den Mitgliedstaaten bestehenden Qualitätskontrollsysteme zu überprüfen.

Ein Kommentator ist der Auffassung, daß die Qualitätskontrolle auf europäischerEbene vorgesehen werden sollte. Dies sei der beste Weg, um die qualitativeGleichwertigkeit der Prüfungen zu sichern.

4. DIE ZIVILRECHTLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUßPRÜFERS

Nach Meinung des Berufsstandes stellt die fehlende Regelung der zivilrechtlichenHaftung des Abschlußprüfers in einigen Mitgliedstaaten sowohl ein ernsthaftesProblem für den Berufsstand als auch eine beträchtliche Gefährdung für denFortbestand eines wettbewerbsfähigen und qualitativ hochstehenden Prüfungswesensdar. Die gegenwärtige Situation, in der Abschlußprüfer als einzige Partei mit einerBerufshaftpflichtversicherung als derjenige angesehen wird, der für den gesamtenSchaden in Anspruch genommen werden kann, ist offensichtlich unfair und mußdeshalb verändert werden. Ausgehend von einer eigens durchgeführten Studie sindEmpfehlungen zu erarbeiten, wie die Haftung des Abschlußprüfers auf Summen zubegrenzen ist, die seinem Grad an Fahrlässigkeit entsprechen.

Die Kommentatoren aus der Branche der Buchsachverständigen bedauern, daß dasGrünbuch keine klare Aussage darüber enthält, daß eine Regelung derHaftpflichtsbegrenzung auf EU-Ebene erfolgen sollte.

Die meisten der sonstigen Einsender sind der Auffassung, daß es nicht gerechtfertigtsei, die berufliche Haftpflicht von Abschlußprüfern im Unterschied zu anderen Berufen

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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zu begrenzen. Diese Kommentatoren heben insbesondere hervor, daß eineHaftungsbegrenzung nicht im öffentliche Interesse liegt.

5. DIE PFLICHTPRÜFUNG IN KLEINEN GESELLSCHAFTEN

Einige Kommentatoren sehen Abschlußprüfungen in kleinen Unternehmen als unnötigan, da die damit verbundenen Kosten aus der Sicht des öffentlichen Interesses nichtgerechtfertigt sind. Andere Kommentatoren hingegen halten die Pflichtprüfung inkleinen Unternehmen für äußerst wichtig, da deren interne Kontrollmechanismen kaumumfassend sein dürften.

Die Forderung, daß die Aufstellung der Abschlüsse und deren Prüfung vonunterschiedlichen Berufsangehörigen durchzuführen sind, wird allgemein als eineunangemessene Lösung betrachtet.

Es besteht anscheinend Einmütigkeit darüber, daß für Unternehmen allerGrößenordnungen die gleichen Prüfungsgrundsätze gelten sollten.

Die Kommentatoren, die die Abschlußprüfer von KMU vertreten, bedauern, daß dasGrünbuch keine allgemeine Einschätzung der Rolle enthält, die derBuchsachverständige in KMU als fachlicher Berater spielen kann und soll.

6. PRÜFUNGSVORSCHRIFTEN FÜR KONZERNE

Die meisten Kommentatoren stellen fest, daß es nur wenige Prüfungsgrundsätze gibt,die sich speziell auf die Pflichtprüfung von Konzernen beziehen. In einigenStellungnahmen wird die Auffassung vertreten, die bestehenden IFAC-Regeln seienausreichend, während andere Kommentatoren weitere Regeln für notwendig halten, dievorzugsweise von der IFAC entwickelt werden sollten.

Obgleich mehrere Kommentatoren es für angebracht halten, daß ein Konzern vondemselben Abschlußprüfer (oder derselben Prüfungsgesellschaft) geprüft wird, sind diemeisten Kommentatoren der Auffassung, daß dies nicht vorgeschrieben werden sollte.

7. DIE NIEDERLASSUNGS- UND DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT

Maßnahmen zur Beseitigung von ungerechtfertigten Beschränkungen, die sichwettbewerbsbehindernd und kostensteigernd auf die Leistungserbringung auswirkenkönnen, werden allgemein unterstützt.

Einige Kommentatoren halten eine Klarstellung von Artikel 2 der 8. Richtlinie -möglichst durch den Kontaktausschuß - für erforderlich, damit einzelstaatlicheAnforderungen, die über die Anforderungen aus diesem Artikel hinausgehen, beseitigtwerden können.

Insbesondere die FEE fordert eine Sektorrichtlinie zur weiteren Liberalisierung derDienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowohl für freiberuflich praktizierendeBerufsangehörige als auch für Prüfungsgesellschaften. In einer solchen Richtlinie sollteauch die gegenseitige Anerkennung der Prüfungsgesellschaften geregelt werden.

Präsentation der zum Grünbuch eingegangenen Kommentare Karel Van Hulle

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8. FAZIT

Abschließend möchte ich all denen danken, die Stellungnahmen zum Grünbucheingeschickt haben. Diese Stellungnahmen stellen wichtiges Material dar, das in denkommenden Monaten noch eingehender ausgewertet wird.

Obgleich in den Meinungsäußerungen zahlreiche Fragen angeschnitten werden undnicht immer in gleicher Richtung argumentiert wird, glaube ich doch, daß sich folgendeeindeutige Hauptaussagen ableiten lassen: Es besteht allgemeine Übereinstimmungüber die Wichtigkeit der Funktion der Abschlußprüfung sowie darüber, daß die EUeinen Bezugsrahmen im Prüfungswesen braucht und dieser weitgehend auf denbestehenden internationalen Grundsätzen aufbauen sollte.

Herausforderungen an den europäischen Abschlußprüferberuf Jens Røder

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HERR JENS RØDER∗

HERAUSFORDERUNGEN AN DEN EUROPÄISCHEN

ABSCHLUSSPRÜFERBERUF

Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Ihnen die Ansichten der Fédération desExperts Comptables Européens zum Grünbuch der Kommission "Rolle, Stellung undHaftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union" darzulegen. Ich möchtedeshalb zunächst der Kommission für ihre freundliche Einladung danken. Die FEEvertritt die Meinung der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer, einschließlich derPflichtprüfer, in Europa. Die ihr angehörenden 34 führenden Institute aus 22 Ländernvertreten ca. 350 000 Fachleute, die Prüf- und Beratungsleistungen für Unternehmenjeder Art und Größe, vornehmlich jedoch KMU, erbringen.

Die Zukunft unserer Berufsgruppe ist derzeit Gegenstand intensiver Debatten, undunsere Rolle wird, insbesondere was die Bestätigungsfunktion des Pflichtprüfersbetrifft, in den nächsten Jahren, d.h. noch vor der Jahrtausendwende, neu bestimmt.Die FEE betrachtet das Grünbuch der Kommission als eine höchst bedeutendeInitiative zur Entwicklung der künftigen Pflichtprüfung in Europa und zur Bestimmungdes Platzes des europäischen Berufsstandes vor dem Hintergrund einer wachsendenwirtschaftlichen Globalisierung. Die FEE begrüßt das Grünbuch und unterstützt dieZiele der Kommission, wie sie von Kommissar Monti dargelegt wurden, d.h. daß dieAbschlußprüfungen in ganz Europa den höchsten fachlichen Ansprüchen gerechtwerden müssen, wobei es die neuesten internationalen Entwicklungen zuberücksichtigen gilt, und daß bei der Prüfungstätigkeit die Vorteile des Binnenmarktesvoll und ganz zum Tragen kommen sollten.

Die FEE hat ihre Empfehlungen zu den meisten der nunmehr im Grünbuchangesprochenen Fragen bereits in ihrer Studie über "Die Rolle, Stellung und Haftungdes Abschlußprüfers in der EU" vom Januar 1996 dargelegt. Die Standpunkte der FEEbasieren auf den umfangreichen Arbeiten, die über lange Jahre hinweg nicht nur in dereigenen Organisation, sondern auch in den Vorgängerorganisationen undMitgliedsvereinigungen geleistet worden sind, insbesondere zu den Pflichten, derUnabhängigkeit und der Unbefangenheit der europäischen Wirtschaftsprüfer sowie zuihrem Recht auf Berufsausübung. In ihrer an die Kommission übermitteltenschriftlichen Stellungnahme unterstützt die FEE das Hauptanliegen des Grünbuchs undstellt mit Genugtuung fest, daß das Grünbuch eine Reihe ihrer eigenen Vorschlägeaufgreift.

Die Pflichtprüfung ist eine im öffentlichen Interesse ausgeführte Tätigkeit. InAnerkennung dieser Tatsache gibt es in allen EU-Mitgliedstaaten einen gemeinsamenRahmen in Form der Bilanzrichtlinien, der eine Pflichtprüfung vorschreibt. Desweiteren wird in der 8. Richtlinie die Zulassung von Pflichtprüfern geregelt. Durch dasVorhandensein dieser gemeinsamen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene wird dieBedeutung der Jahresabschlüsse der Unternehmen unterstrichen. Die Pflichtprüfung ist

∗ Präsident der "Fédération des Experts Comptables Européens" (FEE)

Herausforderungen an den europäischen Abschlußprüferberuf Jens Røder

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außerdem ein wesentliches Element des Systems der Unternehmensführung. Diegrundlegende Aufgabe des Pflichtprüfers besteht darin, den Anteilseignern desgeprüften Unternehmens zu bestätigen, daß die ihnen von den gesetzlichen Vertreternvorgelegten Abschlüsse ein wahres und angemessenes Bild vermitteln. Darüber hinausverleiht die Pflichtprüfung den von Dritten verwendeten Finanzinformationen einehöhere Glaubwürdigkeit. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, daß die FEE es inÜbereinstimmung mit dem Grünbuch gegenwärtig nicht für erforderlich hält, die in der4. Richtlinie vorgesehenen Größenmerkmale zu verändern, nach denen kleineGesellschaften durch die Mitgliedstaaten von der Pflichtprüfung befreit werdenkönnen. Die Systeme der Unternehmensführung sind in ganz Europa unterschiedlich,und die Pflichtprüfung ist nur ein, wenn auch wichtiges Element in einzelstaatlichenSystemen der Unternehmensführung, nach denen sich die jeweilige Rolle derVorstandsmitglieder, Abschlußprüfer, Aktionäre und sonstigen Anteilseigner richtet.Es kommt folglich darauf an, die Pflichtprüfung im Zusammenhang mit dem jeweiligenSystem der Unternehmensführung zu betrachten.

Die FEE ist der Meinung, wie auch im Grünbuch festgestellt, daß die Gewährleistungder Qualität der Abschlußprüfung von grundlegender Bedeutung für das reibungsloseFunktionieren der Marktwirtschaft ist. Durch den Bestätigungsvermerk desAbschlußprüfers wird die Glaubwürdigkeit der Abschlüsse erhöht, und dank dergrößeren Verläßlichkeit der geprüften Abschlüsse lassen sich auf ihrer Grundlagefundiertere Entscheidungen treffen. Nach Auffassung der FEE wird die Qualität derAbschlußprüfungen am besten durch die ordnungsgemäße Anwendung derPrüfungsgrundsätze und des für den Berufsstand geltenden Verhaltenskodex gewahrtund garantiert. Aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Globalisierung werdenPrüfungsgrundsätze erforderlich, die international anerkannt und angewendet werden.Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer harmonisierten Anwendung solcherinternationaler Prüfungsgrundsätze in ganz Europa. Dies muß dann auch seinenNiederschlag in der Qualität finden, und die FEE ist der Meinung, daß größereAnstrengungen zur Erläuterung der Funktionsweise von Qualitätskontrollsystemen beiAbschlußprüfungen sowie generell bei der Unternehmensführung und zur Darstellungder durch die Anwendung solcher Systeme erzielten Ergebnisse unternommen werdenmüssen.

Obgleich die FEE im allgemeinen mit dem Grünbuch übereinstimmt, gibt es auch eineReihe von Punkten, bei denen unserer Auffassung nach die von der Kommission zurDiskussion gestellten Initiativen nicht notwendigerweise die geeignetsten sind. Wirmöchten diesbezüglich andere konstruktive Initiativen zur Pflichtprüfung vorschlagen.

1. STÄRKERE KONZENTRATION AUF DIE PRÜFUNGSZIELE UND DENPRÜFUNGSVERMERK ALS AUF DIE GESETZLICHE DEFINITION DERPFLICHTPRÜFUNG

Im Grünbuch wird eine gesetzliche Definition der Pflichtprüfung gefordert, weil diesesich günstig auf die Harmonisierung der Pflichtprüfung in Europa auswirken würde,und zwar hinsichtlich der Rolle des Prüfers, der Art und Weise der Durchführungseiner Arbeit, der Darstellung von deren Ergebnissen und der Qualität derPflichtprüfung insgesamt. Die FEE stimmt diesen Zielen zu und kann auch die imGrünbuch enthaltene Argumentation nachvollziehen. Wir sind jedoch der Meinung, daß

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eine gesetzgeberische Lösung, wie sie im Grünbuch diskutiert wird, nicht unbedingt diebesten Ergebnisse erbringt. Wie im Grünbuch angeführt, sind die in denMitgliedstaaten angewendeten Prüfungsgrundsätze oft direkt an die ISA angelehnt.Angesichts dieser Tatsache kann man sich zu Recht die Frage stellen, welchezusätzliche Garantie aus einer gesetzlichen Festlegung auf EU-Ebene erwachsenwürde. Erstens könnte eine gesetzliche Bestätigung auf EU-Ebene nur auf derGrundlage gemeinsamer allgemeiner Mindestgrundsätze erfolgen, die an sich zu keinerHarmonisierung von Form und Inhalt des Prüfungsvermerks in den Mitgliedstaatenführen würden. Die bestehenden Unterschiede resultieren vielfach aus einzelstaatlichenUnterschieden im Gesellschaftsrecht, und den Mitgliedstaaten könnte wohl kaumverboten werden, spezielle nationale Anforderungen zu stellen, die über dengemeinsamen EU-Kernbestand hinausgehen. Zweitens ist nicht erwiesen, daß dieseUnterschiede auch zu Qualitätsunterschieden bei der Durchführung der Pflichtprüfungin den einzelnen Mitgliedstaaten führen. Die FEE ist zudem der Ansicht, daß es nichtrealistisch wäre, die Aufstellung und Anwendung rein europäischerPrüfungsgrundsätze zu betreiben, während parallel dazu die von der Kommissionangenommene neue Strategie auf dem Gebiet der Rechnungslegung weiterentwickeltwird.

Auch der Flexibilität ist die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. Die FEE ist derMeinung, daß die Erhöhung der Qualität und der Kenntnis der Pflichtprüfung ambesten dadurch erreicht wird, indem man die Ziele der Prüfung festlegt und sichdarüber einigt, wie die Prüfer ihre Schlußfolgerungen den Nutzern der Abschlüssemitteilen. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer konnte in dieser Beziehung bereitsbeträchtliche Fortschritte erzielen und wird auch weiterhin daran arbeiten. Der Ansatzdes Berufsstandes gewährleistet die Flexibilität, die zur Anpassung der Prüfungszieleund der Darstellung der Prüfungsergebnisse an sich verändernde Erwartungenerforderlich ist. Eine gesetzliche Definition der Pflichtprüfung auf EU-Ebene über dasin bestimmten Mitgliedstaaten bereits Bestehende hinaus scheint nicht erforderlich undkönnte die Flexibilität beeinträchtigen.

Die Standpunkte der FEE zu den zentralen Themen Betrugsdelikte, Fortführung derUnternehmenstätigkeit und interne Kontrollen werden vom Vizepräsidenten der FEE,Herrn David Darbyshire, während des Rundtischgesprächs zur Thematik "Stellung desPflichtprüfers innerhalb des Unternehmens und Rolle der Innenrevision" dargelegt. Ichwerde deshalb hier nicht weiter darauf eingehen.

2. BESTÄTIGUNG DER INTERNATIONALEN PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE ALSGRUNDLAGE DER PFLICHTPRÜFUNG

Das International Auditing Practices Committee (IAPC) hat mit seiner Arbeit, an dereuropäische Mitglieder seit langem in bemerkenswertem Maße beteiligt sind,beträchtliche Fortschritte bei der Verbesserung und Harmonisierung derPrüfungsgrundsätze bewirkt. Die ständige Anwendung der InternationalenPrüfungsgrundsätze (ISA) wird in gleicher Weise wie die Anwendung derInternationalen Rechnungslegungsgrundsätze dazu beitragen, daß europäischeUnternehmen Kapital sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU aufnehmen können.

Die FEE ist der Meinung, daß die vom IAPC gemachten Fortschritte im Grünbuchnicht voll anerkannt werden, und ist bereit, sowohl die bereits erfolgte Annäherung der

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einzelstaatlichen Grundsätze als auch die andauernden Bemühungen um weitereFortschritte näher aufzuzeigen. Eine erhöhte Transparenz auf diesem Gebiet wäre derweiteren Umsetzung dienlich. Angesichts der vom Berufsstand bereits erreichtenFortschritte ist die FEE überzeugt, daß ein weiteres regierungsamtliches Gremium aufEU-Ebene zur Kontrolle der konkreten Annahme und Anwendung derPrüfungsgrundsätze in den Mitgliedstaaten nicht erforderlich ist. SindPrüfungsgrundsätze erst einmal international festgelegt und einzelstaatlich umgesetzt,dann muß mit den bestehenden Qualitätskontrollsystemen gesichert werden, daß dieGrundsätze durch die Pflichtprüfer auch tatsächlich in der Praxis angewendet werden.Die Veröffentlichung der Ergebnisse von Qualitätskontrollmaßnahmen wird dasVertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Abschlußprüfer verstärken.

3. ÜBEREINSTIMMUNG DER VERANTWORTUNG DES ABSCHLUßPRÜFERS MIT DENVON IHM EINGEGANGENEN RISIKEN UND DER ENTSPRECHENDEN VERGÜTUNG

Das Risiko von Abschlußprüfern, gerichtlich verklagt zu werden, wächst in dergesamten EU und führt damit zu Kosten, die in keinem Verhältnis zu ihrem Teil derVerantwortlichkeit für den verursachten Schaden stehen. Dadurch wird jeglicheAusdehnung der Pflichten des Abschlußprüfers auf Bereiche, die naturgemäßunsicherer oder risikobehafteter sind, in Frage gestellt. Da die Abschlußprüfer folglichbestrebt sind, mit hohen Risiken behafteten Rechtssystemen auszuweichen, und Klägerden für ihre Interessen günstigsten Gerichtsstand wählen, ergeben sich zwangsläufigVerzerrungen des Binnenmarktes. Diese Situation wird sich mit wachsenderNiederlassungsfreiheit und grenzüberschreitender Tätigkeit der Abschlußprüfer nochverschärfen. Besondere Risiken ergeben sich aus der Tatsache, daß sich derPrüfungsvermerk bei konsolidierten Abschlüssen auf die Geschäftstätigkeit einesKonzerns in mehreren unterschiedlichen Rechtssystemen beziehen kann. Die FEEbegrüßt, daß dieses Problem im Grünbuch angesprochen wurde, bedauert jedoch dieoffensichtliche Schlußfolgerung, daß diese Frage zu komplex sei, als daß sie eineAktion auf EU-Ebene rechtfertige. Die Frage ist in der Tat schwierig und hängt mitden unterschiedlichen nationalen Rechts- und Gerichtssystemen der EU-Länderzusammen. Die FEE ist jedoch der Auffassung, daß man sich unbedingt weiter mitdiesem Problem befassen muß.

4. ENTWICKLUNG UND ANWENDUNG EINES KODEX VON GRUNDPRINZIPIEN ZURUNABHÄNGIGKEIT UND UNBEFANGENHEIT

Nach dem Gesellschaftsrecht der EU und der Mitgliedstaaten ist die Pflichtprüfung vonunabhängigen Abschlußprüfern durchzuführen. Die Prüfer haben nachzuweisen, daß sieihre Arbeit unbefangen leisten. Aus diesem Grund sind vom Berufsstand derWirtschaftsprüfer in ganz Europa entsprechende berufsständische Regeln entwickeltworden. Die FEE hat in ihrem Positionspapier von 1995 einen gemeinsamen Rahmenzur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Prüfers dargelegt. Siestimmt mit dem Grünbuch überein, daß dieser Rahmen weiterentwickelt werden sollte,und erklärt sich bereit, einen gemeinsamen Kodex von Grundprinzipien zu erarbeiten.

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5. UNTERSTÜTZUNG DER VOM BERUFSSTAND UNTERNOMMENEN SCHRITTE ZURSICHERUNG DER QUALITÄT DER ABSCHLUßPRÜFUNGEN

Die FEE stellt mit Zufriedenheit fest, daß die Abschlußprüfer im Grünbuch hinsichtlichder Qualität der Abschlußprüfungen als einheitliche Berufsgruppe angesehen werden.Das Urteil des Prüfers muß überall die gleiche Verläßlichkeit aufweisen. DerBerufsstand hat in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte bei der Errichtung vontransparenten Qualitätssicherungssystemen - entweder auf der Grundlage derRechtsbestimmungen oder aus eigener Initiative - gemacht. Dies zeigt, daß dieeinheitliche Anwendung von Prüfungsgrundsätzen und berufsethischen Anforderungenam besten innerhalb der berufsständischen Strukturen gewährleistet werden kann. DieFEE ist der Auffassung, daß sich die diesbezüglichen Erfolge des wirtschaftsprüfendenBerufsstandes durchaus mit denen anderer Berufe vergleichen können und daß dasGrünbuch diese Ergebnisse stärker anerkennen sollte. Wir sind ebenfalls bereit, weiteran der Annäherung der einzelstaatlichen Qualitätssicherungssysteme zu arbeiten, umein gemeinsames Qualitätssicherungssystem nicht nur im Rahmen der EU-Mitgliedstaaten, sondern europaweit zu schaffen. Dies setzt voraus, daß dieÖffentlichkeit stärker mit den in den einzelnen Ländern vorhandenen Systemen vertrautgemacht wird. Gegenwärtig gibt es noch Länder, in denen die Berufsverbände von denstaatlichen Behörden nicht die erforderlichen Vollmachten zur Zulassung vonAbschlußprüfern erhalten haben. Hier sollte zumindest gewährleistet werden, daß dasQualitätssicherungssystem den Berufsverbänden untersteht.

6. FESTLEGUNG DER ADRESSATEN DER ERGEBNISSE DER ABSCHLUßPRÜFUNG

Das direkte Urteil des Abschlußprüfers ist im Bestätigungsvermerk für die geprüftenAbschlüsse enthalten. Durch die Veröffentlichung dieses Vermerks zusammen mit denAbschlüssen wird die Gleichbehandlung aller Nutzer dieser Abschlüsse gewährleistet.Die Berichterstattung zu bestimmten im Grünbuch angesprochenen sensiblen Aspektenerfordert jedoch sorgfältige Abwägung, um die Wahrung des öffentlichen Interessesauf die bestmögliche Weise zu gewährleisten. Für die Berichterstattung desAbschlußprüfers gibt es mehrere Möglichkeiten (öffentlicher Bestätigungsvermerk, fürdie betrieblichen Aufsichtsgremien bestimmter ausführlicher Prüfungsbericht, Berichtan die Unternehmensführung, Meldung an die Aufsichtsbehörden, Meldung an dieStaatsanwaltschaft usw.). Die Entscheidung darüber, welche Form unter den jeweiligenUmständen angemessen ist, ist nicht leicht. Im Grünbuch sind keine Vorschlägedarüber enthalten, wie und an wen über die angesprochenen Fragen zu berichten ist.Die FEE ist der Meinung, daß eine Klarstellung sowohl im Interesse derUnternehmensführung als auch aus Haftungsgründen erforderlich ist.

7. GEWÄHRLEISTUNG DES ZUGANGS DER ABSCHLUßPRÜFER ZU ALLEN FÜR DIEPRÜFUNG ERFORDERLICHEN INFORMATIONEN

Der Binnenmarkt fördert grenzübergreifende Handelsgeschäfte und Investitionen.Diese werden in zunehmendem Maße von Konzernen getätigt, deren Unternehmen inunterschiedlichen Rechtsordnungen angesiedelt sind. Konzerne haben konsolidierteAbschlüsse zu erstellen, die wiederum geprüft werden müssen. Aufgrund desräumlichen Geltungsbereichs der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zurAbschlußprüfung gelten diese definitionsgemäß jedoch nur für einheimischeWirtschaftseinheiten, was zur Folge hat, daß Konzernabschlußprüfer nicht in jedem

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Fall einen gesetzlichen Anspruch auf den Zugang zu Informationen im Auslandbesitzen. Die FEE begrüßt, daß das Grünbuch diese Frage anspricht, ist jedoch nichtder Meinung, daß die Lösung in Prüfungsnormen oder -grundsätzen liegt. Sie istvielmehr der Auffassung, daß entsprechende Rechtsvorschriften für Konzerne,wahrscheinlich auf EU-Ebene, erforderlich sind.

8. EINORDNUNG DER ABSCHLUßPRÜFUNG IN DAS GESAMTSYSTEM DERUNTERNEHMENSFÜHRUNG

Die Abschlußprüfung ist ein Teil des Systems der Unternehmensführung, das auch diePflicht der Unternehmensleitung und der gesetzlichen Vertreter zur Kontrolle ihrerUnternehmen sowie zur Erstellung und Veröffentlichung von Abschlüssen umfaßt. DieFEE begrüßt die im Grünbuch getroffene Feststellung, daß jegliche Diskussion übereine Regulierung der Pflichtprüfung in diesem umfassenden Rahmen zu erfolgen hat.Es dürften jedoch nur geringe Chancen dafür bestehen, durch Rechtsvorschriften aufEU-Ebene die jeweilige Rolle und Verantwortung der einzelnen an derUnternehmensführung Beteiligten zu klären. Die FEE ist der Auffassung, daß dieHäufigkeit und somit das Risiko von Rechtsstreitigkeiten weiter anwachsen werden,solange die Rolle und die Pflichten der an der Unternehmensführung Beteiligten nichteindeutig geklärt sind. Die FEE wird sich weiterhin mit anderen Interessenten an derlaufenden Debatte über Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmensführungbeteiligen.

9. NIEDERLASSUNGS- UND DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT

Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit über die Landesgrenzen hinaus gehörtzu den im Römischen Vertrag genannten Grundvoraussetzungen für den freienVerkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Im Rahmen desgeltenden Gemeinschaftsrechts ist die Richtlinie 89/48/EWG zur gegenseitigenAnerkennung der Hochschuldiplome die einzige Maßnahme, die eine gewisseLiberalisierung des Berufs des Wirtschaftsprüfers ermöglicht. Die FEE vertritt dieAuffassung, daß diese Richtlinie aus folgenden Gründen nicht ausreicht, um einenwirklichen Binnenmarkt für Prüfungsleistungen zu schaffen:

• Sie geht nicht auf Prüfungsgesellschaften ein, obwohl die meisten Wirtschaftsprüferin der EU innerhalb solcher Gesellschaften tätig sind.

• Sie befaßt sich nicht mit der Freiheit, grenzüberschreitende Dienstleistungen ohneNiederlassung im Ausland zu erbringen.

Vor einigen Jahren hat die FEE die Annahme einer sektoralen Liberalisierungsrichtliniefür den Beruf der Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen, die die spezifische Struktur und dieBedürfnisse des Berufsstandes berücksichtigt und somit sicherstellt, daß die Vertreterder wirtschaftsprüfenden Berufe und somit die Nutzer dieser Dienstleistungen in denvollen Genuß der Vorteile des Binnenmarktes kommen. Diesem Vorschlag liegen zweiHauptanliegen zugrunde:

• Erleichterung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen sowohldurch einzelne Wirtschaftsprüfer als auch durch Firmen unter gebührenderBerücksichtigung der Besonderheiten der Pflichtprüfungsfunktion.

Herausforderungen an den europäischen Abschlußprüferberuf Jens Røder

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• Ermöglichung der gegenseitigen Anerkennung von Firmen der Branche durchGewährleistung der freien Wahl der Rechtsform für die Ausübung der Funktion desAbschlußprüfers.

Um sicherzustellen, daß eine weitere Liberalisierung auch zukünftig mit dem Schutzdes öffentlichen Interesses einhergeht, sind bei der Erarbeitung der Vorschläge derFEE folgende wesentliche Grundsätze beachtet worden:

• Notwendigkeit des Erwerbs der Berufsbezeichnung des Gastlandes.

• Anwendung der Vorschriften des Gastlandes in Fällen, in denen einBerufsangehöriger nicht in dem Mitgliedstaat praktiziert, in dem er das Recht aufFührung seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung erworben hat.

Die Kommission müßte nunmehr klarstellen, inwieweit sie mit den Vorschlägen derFEE übereinstimmt und ob sie bereit ist, auf dieser Basis eine sektorale Richtlinie fürden Wirtschaftsprüferberuf vorzuschlagen.

10. FAZIT

Die FEE unterstützt die Ziele der Kommission, weil sie diese befürwortet. Die FEEschlägt deshalb vor:

• nachzuweisen, daß die Annäherung der einzelstaatlichen Prüfungsgrundsätze an dieinternationalen Prüfungsgrundsätze bereits begonnen hat, sowie die zur Erzielungweiterer Fortschritte unternommenen weiteren Schritte aufzuzeigen;

• einen Kodex von Grundprinzipien zur Unabhängigkeit und Unbefangenheit zuerarbeiten;

• weitere Schritte zu unternehmen, um die Annäherung der einzelstaatlichenQualitätskontrollsysteme voranzubringen;

• die Debatte zu Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmensführungweiterzuführen;

• ihre Arbeit an einer sektoralen Richtlinie für den Berufsstand der Wirtschaftsprüferfortzusetzen, um die in den Artikeln 52 und 59 des Römischen Vertragsenthaltenen Grundsätze zu bekräftigen und umzusetzen, so daß ein Binnenmarktfür Wirtschaftsprüferleistungen entsteht.

Ich bin sicher, daß Einigkeit über die Ziele der Pflichtprüfung herrscht, und ich habedie Überzeugung, daß es durch die vereinten Anstrengungen aller heute hierAnwesenden gelingen wird, diese zu erreichen.

Herausforderungen für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Europäischen BinnenmarktJacques Manardo

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HERR JACQUES MANARDO∗

HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE GROSSEN

WIRTSCHAFTSPRÜFUNGSGESELLSCHAFTEN IM EUROPÄISCHEN

BINNENMARKT

Die von mir hier vertretene Gruppe arbeitet an dieser Sache seit mehr als drei Jahren.In Ihren Unterlagen finden Sie unsere Antwort auf das Grünbuch. Darin werden diemeisten der von der Kommission im Grünbuch vertretenen Auffassungen begrüßt. Ichmöchte an dieser Stelle nicht unsere Stellungnahme im einzelnen darlegen, sondern derBitte unserer Vorsitzenden, Frau Binns und von Herrn Van Hulle entsprechen undIhnen kurz unsere Bewertung der Herausforderungen bei der Ausübung unseresBerufes darlegen, und Ihnen erläutern, warum wir diese Gruppe gebildet und eineReihe von Empfehlungen ausgesprochen haben.

Wie von Jens Röder bereits ausgeführt wird unsere Tätigkeit heutzutage überwiegendin Firmen ausgeübt. Wir hielten es deshalb für wichtig, daß sich diese Firmen alsWirtschaftsakteure äußern. Da man mich gebeten hat, von den großen Prüferfirmen zusprechen, möchte ich zuallererst betonen, daß nach unserer Auffassung keine großenUnterschiede zwischen den Herausforderungen bestehen, vor denen sowohl die großenwie auch die kleinen Firmen stehen. Die Begriffe groß und klein sind für uns hier keinausschlaggebender Gesichtspunkt.

Wir haben also im Sommer 1993 eine Gruppe gebildet bestehend aus 8 ausgewähltengroßen Firmen, die man auch die Großen Sechs plus BDO und GRAND THORTONnennt. Daraufhin haben wir jede dieser Firmen gebeten, einen Vertreter zu benennen inder Absicht, über diesen die Mehrzahl der europäischen Länder zu erfassen. Es ist unsin diesen 3 Jahren gelungen, ein Dutzend Länder zu erfassen und den Anliegen undInteressen der Firmen aus diesen verschiedenen Ländern Ausdruck zu verleihen. Dieswar für uns eine spannende Arbeit. Wir hatten uns zuerst die Aufgabe gestellt, denGegenstand unserer Arbeiten zu erfassen, ihn zu definieren und ein Inventar zuerstellen. Anschließend ging es darum, Einigkeit über die Antworten auf dieFragepunkte zu erzielen und gemeinsam einen Modus für ihre Inangriffnahme zufinden.

Hiervon ausgehend haben wir versucht, gemeinsam zu analysieren, warum sich imLaufe der Jahre die sogenannte “Erwartungslücke” gebildet hat. Der hauptsächlichevon den im Wesentlichen fünf Faktoren, die Sie alle mit mehr oder weniger Glückerlebt oder erlitten haben, ist die Globalisierung der Unternehmen, mit der eineDeregulierung einhergegangen ist. Dies alles hatte tiefgreifende Auswirkungen auf dieErwartungshaltung der Benutzer von Jahresabschlüssen. Die zweite Umwälzung wardie technische Revolution, die zu einer beinahe brutalen und umfassendenDematerialisierung der Transaktionen geführt hat mit z.B. Passiva in Tokyo und Aktivain London, die sich in vielen Fällen nicht einmal ausgleichen. Diese technische

∗ Vorsitzender der Europäischen Kontaktgruppe

Herausforderungen für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Europäischen BinnenmarktJacques Manardo

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Umwälzung hat außerordentliche Folgen gehabt. Ein dritter Faktor war dietiefgreifende Wirtschaftskrise in einigen europäischen Ländern, die bei denWirtschaftsteilnehmern außerordentliche Spannungen, Infragestellungen und auchspektakuläre Bilanzfälschungen bewirkt hat. Ein weiteres in ganz Europa und auchweltweit zu beobachtendes Phänomen sind die Privatisierungen, die im Typus undVerhalten der Investoren einen tiefgreifenden Wandel verursacht haben. DieUnternehmen ebenso wie wir Bilanzprüfer haben sehr schnell gemerkt, daß unsereFachsprache, die sich im Dialog mit den klassischen Geldgebern der Unternehmen, d.h.in Kontinentaleuropa überwiegend den Banken und Finanzinstituten entwickelt hat, unsnicht auf die Kommunikation mit einem ganz neuen Aktionärskreis vorbereitet hatte.Die fünfte große Herausforderung in Europa mehr noch als in Nordamerika ist dieVielzahl der Rechtsvorschriften und das Fehlen gemeinsamer Normen, was auch vonunseren Partnern in Ostasien zunehmend als Problem empfunden wird.

Diese 5 Hauptursachen haben die Märkte, in denen wir tätig sind, verändert und dieErwartungshaltungen umgewälzt. Die Bedingungen haben sich grundlegend gewandelt,und wir haben die stabilen Rahmenbedingungen verloren, die den einzelnenWirtschaftsteilnehmern Anhalt waren. Auf diese Herausforderung mußte eine Antwortgefunden werden! Die drei großen Wirtschaftsbeteiligten auf dem Markt, d.h. dieUnternehmen, die Institutionen und Aufsichtsbehörden und schließlich die Mitgliederunseres Berufsstandes haben darauf entschlossen reagiert. Auf Unternehmensebenesind in einer Reihe von Ländern Maßnahmen zum Ausbau derUnterrnehmensverfassung und der buchhalterischen Grundsätze ergriffen worden. ImBereich der Bilanzen und Abschlüsse war Europa erheblich im Rückstand und wieseine außerordentliche Vielfalt auf. Die Unternehmen haben darauf reagiert.

Doch auch die Aufsichtsbehörden und Institutionen sind tätig geworden. Es kam nichtnur zu einer Stärkung von IOSCO, sondern auch zu Bemühungen für aufeinanderabgestimmte internationale Bilanzierungsnormen. Aber auch die dritte Gruppe derWirtschaftsakteure, nämlich die Prüferfirmen mußten sich organisieren. Wir hattenzwar schon seit langem gemeinsam Überprüfungsnormen aufgestellt, mußten jedochweitergehen, da trotz der Bemühungen der Unternehmen, der Aufsichtsbehörden, derInstitutionen und Firmen die Kluft zwischen den neuartigen Erwartungen des Marktesund unseren gemeinsamen Antworten immer größer geworden ist.

Dabei wollten wir zuerst klarstellen, daß wir als Bilanzprüfer eine Doppelfunktionwahrnehmen. Diese Doppelfunktion existiert, selbst wenn man sie negieren odervergessen möchte. Die Bilanzprüfer sind zuallererst dem Markt gegenüber verpflichtet,um die Finanzinformationen glaubhaft zu machen und einer Meinung Ausdruck zuverleihen. Angesichts der technischen Herausforderungen der Globalisierung haben wirjedoch auch die Aufgabe, die Unternehmen bei ihrer Wanderung zu begleiten. Deshalbsahen wir uns im Laufe der Jahre nicht aus strategischer Absicht oder auswirtschaftlichen Zwängen veranlaßt, disziplinübergreifende Firmen mit dernotwendigen Kompetenz zur Bewältigung der neuen Herausforderungen aufzubauen.Als Berufsstand haben wir diese zweifache Funktion, doch unser Maßstab ist dieVerpflichtung, den sich verändernden Erwartungshaltungen der Investoren und derBenutzer der Jahresabschlüsse zu entsprechen. Unsere wichtigste Verantwortunggegenüber den Investoren ist unser Beitrag zur Schaffung von mehr Sicherheit in denMärkten. Wir haben uns deshalb intensiv gefragt, ob unsere Arbeit in den Prüferfirmeneffizient und konzentriert genug war, um diesem Bedarf an Sicherheit zu entsprechen.Dabei mußten wir feststellen, daß dies nicht der Fall war und daß wir unsere Normen

Herausforderungen für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Europäischen BinnenmarktJacques Manardo

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und Vorschriften weiter verbessern müssen. Wir haben erkannt, daß wir zuerst vorunserer eigenen Tür kehren mußten und erst danach Empfehlungen gegenüber denAufsichtsgremien, den Regierungen der einzelnen Länder, in denen wir tätig sind, undgegenüber der Kommission aussprechen konnten. Unsere Empfehlungen in Erwiderungauf das Grünbuch und unsere Tätigkeiten in verschiedenen Ländern, um denGesetzgeber zu informieren und an der Fortentwicklung mitzuwirken, sind nur derzweite Bestandteil von Maßnahmen, die wir bei uns selbst durchführen müssen, da wirerst dann Empfehlungen aussprechen können, wenn unser eigenes Verhalten tadellosist. Wir haben zuallererst einen Verhaltenskodex definiert. Es mag wohl einige Leserunserer Berichte überraschen, doch wir wollten zuerst wissen, ob wir in der Lage sind,unsere Funktionsweise zu verbessern. Auch wenn wir über die Normenhöhe unseresBerufsstandes stolz sein mögen, hielten wir es für erforderlich, zuerst unsereBerufspraxis zu verbessern. Wie Sie aus diesem Dokument ersehen können, haben wireine Reihe von Empfehlungen zu schwierigen Fragen ausgearbeitet, die wir in unserenFirmen umsetzen sollten, und die in der Regel weitergehen als die in den einzelnenLändern bestehenden Berufsnormen. Dies betrifft z.B. Fragen wie die Finanz- undGeschäftsbeziehungen zwischen dem Prüfer und seinem Klienten. Wir mußten mitErstaunen feststellen, daß in einigen Ländern Beziehungen nicht verboten sind, die überdas reine Geschäftsverhältnis hinausgehen. Wir haben sehr genaue Regeln für dieHonorarberechnung ausgearbeitet, weil wir der Auffassung sind, daß wir als Prüfernicht für den Erfolg des Unternehmens tätig sein sollten. Wir haben auch untereinanderRegeln über annehmbare Honorarsätze erarbeitet, was ein äußerst heikles Vorgehenwar, da man uns angesichts des gesunden Wettbewerbs zwischen den acht Firmen keinKartellverhalten soll vorwerfen können. Wir haben außerdem versucht, unsereVorgehensweise in Bereichen wie der Meinungserkundung zu verbessern. Auch warenwir bestrebt, strenge Regeln für die Rotation der Firmenpartner aufzustellen. In diesemPunkt glauben wir, daß ein Sozius nach fünf bis sieben Jahren zwar eine klareÜbersicht erlangt, daß sich diese Sicht jedoch eintrüben kann. Wir befürworten deshalbdie Rotation. Wir möchten auch gewährleisten, daß bei sämtlichen Buchprüfungen dieMeinung eines zweiten Partners eingeholt wird und daß wir optimal ausgebildeteMitarbeiter haben; deshalb haben wir unsere Lehrbücher beiseite gelegt. Wir wolltensichergehen, daß die acht Firmen diese Regeln nicht nur als Berufsvorschriften,sondern auch als Vorgaben für ihre Berufspraxis benutzen. Die geringen nochvorzunehmenden Anpassungen wurden von uns vorgenommen.

Ein weiteres großes Anliegen war es für uns, den Benutzererwartungen besser zuentsprechen. Wir haben eine Vielzahl von Erwartungen ausgemacht und davon drei inden Mittelpunkt unserer Bemühungen gerückt. Die erste Erwartung betrifft dieAngaben zur finanziellen Vorausschau. Wir glauben nicht, daß die Texte und Praktikenin diesem Bereich auf der Höhe der Zeit sind, da sich die Investoren zwar immer nochfür die vergangenen Dinge interessieren, jedoch zunehmend Aufschluß über diezukünftige Entwicklung haben wollen. Wir müssen zwar unsere Auffassung über dieGültigkeit der Zahlen zum "laufenden Unternehmen", die für die Märkte vonBedeutung sind, mit einiger Sicherheit darlegen, jedoch auch etwas weitergehen undkohärente Parameter für vernünftige Hypothesen entwickeln. Kurz gesagt, wir müssenuns zu den Unternehmensannahmen äußern, vorausgesetzt, die Erwartungshaltung derBenutzer ist vernünftig und die Verantwortung der Prüfer in diesem Bereich wirdeindeutiger festgelegt. Wie von Herrn Van Hulle soeben herausgestellt, haben wir aucheine weitere große Forderung des Marktes ausgemacht. Selbst wenn unsere Tätigkeitnur nebenbei auf das Aufspüren von Bilanzfälschungen und Unregelmäßigkeiten

Herausforderungen für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Europäischen BinnenmarktJacques Manardo

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abgestellt ist, haben wir dennoch die Verantwortung, auf Fehler, Fälschungen undUnregelmäßigkeiten hinzuweisen, was zweifellos einen Arbeitsaufwand erfordert. Wirglauben, daß die Abschlußprüfer in diesem äußerst empfindlichen Bereich eineangemessene, jedoch keine absolute Zusicherung geben müssen. Auch hier müssenUnternehmen, Aufsichtsbehörden und wir als Berufsstand gemeinsam vorgehen, um einhohes Maß an Verantwortung zu erreichen und anspruchsvolle Normen zu entwickeln.Der dritte Bereich, wo nach unserer Auffassung Handlungsbedarf besteht, ist dieKonzernprüfung, um den Prüfer in die Lage zu versetzen, sich eine Gesamtschau überalle Teile des Konzerns verschaffen zu können.

Einige Punkte unseres Verhaltenskodex können hier ausgelassen werden. Wir sind mitden Vorschlägen und Vorstellungen des Grünbuchs weitestgehend einverstanden. Indem zweiten Kapitel haben wir eine Reihe von Bereichen herausgestellt, wo in einigenMitgliedstaaten die unterschiedlichsten Rechts- und Verwaltungsvorschriften angepaßtwerden müßten. Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Wir sind der Auffassung, daßim Bereich der Unternehmensverfassung die Rolle des Vorstandes wie desAufsichtsrates eindeutiger definiert werden müßten, und daß die Beziehungenzwischen internen Revisoren und externen Bilanzprüfern ebenfalls genau festgelegtwerden müßten. Wie Sie wissen, wird in vielen Ländern an diesem Punktaufsichtsrechtlich gearbeitet. Die Harmonisierung der buchhalterischen Grundsätze istein zweiter Bereich, wo die Vorschriften der einzelnen Länder flexibler gestaltetwerden müssen, um die Anwendung internationaler Normen zu ermöglichen. Wirbegrüßen ganz besonders die von der Kommission hierfür gemachten Vorschläge.Unsere Firmen sind entschlossen, auf eine Angleichung zur Einführung internationalerGrundsätze hinzuwirken. Wir haben auch eine Reihe von Vorschlägen zurHarmonisierung und Konvergenz der Überprüfungsnormen zu machen. Auch glaubenwir, daß in einigen Ländern die zivil- oder strafrechtliche Berufshaftung der Überprüferbesser definiert werden muß und daß in Ländern wie Deutschland oder Frankreich einangemessenes Verhältnis zwischen Haftung und verursachtem Schaden hergestelltwerden müßte. Dabei könnten einige Länder als Modell dienen.

Dies sind also die beiden großen Bereiche, in denen wir gearbeitet haben: EinVerhaltenskodes, damit wir dem Markt ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistenkönnen, und eine Reihe von Empfehlungen. Dies war unsere Antwort auf dasGrünbuch. Wir begrüßen es, dazu aufgefordert worden zu sein, was für uns eine großeEhre war und wofür wir uns bedanken. Wir hoffen, gemeinsam mit den verschiedenenMarktakteuren darauf hinwirken zu können, die Glaubwürdigkeit der Finanzmärkte,die Lesbarkeit der Abschlüsse und die Zufriedenheit der Benutzer zu erhöhen.

KMU und ihre Prüfer im Europäischen Binnenmarkt Philippe Arraou

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HERR PHILIPPE ARRAOU∗

KMU UND IHRE PRÜFER IM EUROPÄISCHEN BINNENMARKT

1. EINFÜHRUNG

Die Fédération Europénne des Experts Comptables et Commissaires aux Comptes dePME (Europäischer Verband der Rechnungssachverständigen und Abschlußprüfer fürKMU, EFAA), der vorzustehen ich die Ehre habe, besteht seit nunmehr zwei Jahrenund vereint in sich zehn Berufsverbände aus zehn Ländern, von denen zwei nicht derEuropäischen Union angehören. Sie vertreten 43 000 Berufsangehörige- Rechnungssachverständige oder Abschlußprüfer -, die ihren Auftrag bei kleinen undmittleren Unternehmen erfüllen. In der Qualifikation unterscheiden wir uns nicht vonunseren Berufskollegen, die bei großen Unternehmen tätig sind, denn für jedes Landgilt ein einheitlicher Abschluß, und die Bedingungen für die Berufsausübung sind füralle gleich.

Es liegt an den Merkmalen des Marktes, daß wir für die KMU arbeiten und auch selbstzum Mittelstand, wenn nicht gar zu den Kleinstunternehmen gehören.Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, daß Unternehmen mit unter 250 Beschäftigten(das Kriterium für ein mittelständisches Unternehmen) 99,8 % aller Unternehmen inEuropa ausmachen und daß allein der Anteil von Unternehmen mit weniger als10 Beschäftigten (das Kriterium für ein Kleinstunternehmen) 92 % beträgt.

In dem Bestreben, die großen Auseinandersetzungen auf die eigentliche Realitätzurückzubringen, wünschen wir uns, daß diese Zahlen in den Debatten, die ja nicht nurunseren Berufsstand, sondern auch die Unternehmen angehen, unbedingtBerücksichtigung finden. Denn es würde zu nichts führen, wollten wir nur unsereeigenen Interessen vertreten und dabei die unserer Kunden übersehen. Zu diesemZweck arbeiten wir mit europäischen Organisationen zusammen, so mit derEuropäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME)oder mit dem Europäischen Sekretariat der freiberuflich Tätigen im intellektuellen undsozialen Bereich (SEPLIS), aber auch mit Bankeinrichtungen, die sich speziell mit demMittelstand befassen.

Wir möchten den engen Rahmen des Berufsstands sprengen und gemeinsam mit allenin unserem Umfeld tätig sein, um somit wahrhaft bürgernah vorzugehen. Sie werdenalso sicher verstehen, daß ich mich in meinem Vortrag auf den Mittelstand und denfreien Berufsstand der Wirtschaftsprüfer beschränke und daß wir das Grünbuchausschließlich unter diesem Aspekt analysiert haben.

Wir stehen voll und ganz dahinter, wenn die Europäische Kommission dieBerufsausübung zu regeln beabsichtigt. Einerseits, weil dies zum Zeitpunkt derAbfassung der 8. Richtlinie nicht vereinbart werden konnte und zeitlich aufgeschobenwerden mußte. Seit mehr als zwölf Jahren haben sich die Dinge wie auch das Denkenweiterentwickelt, und für eine solche Regelung sind bessere Bedingungen herangereift.

∗ Vorsitzender des Europäischen Verbandes der Rechnungssachverständigen und Abschlußprüfer

für KMU

KMU und ihre Prüfer im Europäischen Binnenmarkt Philippe Arraou

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Andererseits erfolgt die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen zwischenMitgliedstaaten nicht so, wie sie sollte und wie es vorgesehen worden war.

Die Schwierigkeiten ergeben sich aus den von Land zu Land auftretendenUnterschiedlichkeiten sowohl hinsichtlich der beruflichen Erstausbildung desWirtschaftsprüfers als auch anschließend in bezug auf seine Fortbildungspflicht, fernerbei der Qualitätskontrolle, bei den Regeln für seine Unabhängigkeit, beim Begriff derHaftung und nicht zuletzt bei der Definition der Prüfung an sich wie auch hinsichtlichdes Inhalts des Bestätigungsvermerks.

Zweifelsohne wären alle diese Problem mit der Harmonisierung zu lösen. Sobald injedem Land der Gemeinschaft der Berufsabschluß der gleiche ist, sobald sich dieBedingungen für die Berufsausübung nicht mehr voneinander unterscheiden und wiralle den gleichen Auftrag auszuführen haben, wird es nicht nur bei der gegenseitigenAnerkennung der Hochschuldiplome, sondern auch bei der Freizügigkeit keineProbleme mehr geben; denn vergessen wir nicht, daß im Vertrag von Maastricht derfreie Verkehr von Dienstleistungen wie auch von Waren vereinbart worden ist. Dies istein politischer Wille, auf den wir uns einzustellen haben und dem wir Rechnung tragenmüssen.

Doch gestatten Sie mir, darauf hinzuweisen, daß die Regeln des Liberalismus, die ohneweiteres auf den freien Warenverkehr anwendbar sind, nicht für die Freizügigkeit derAngehörigen eines Berufsstands gelten können, die sich in ihrem Wirken vonBerufsethos und Berufspflichten leiten lassen. Es liegt im allgemeinen Interesse, andiesen Bedingungen für die Berufsausübung weiterhin festzuhalten.

"DAS EUROPA DES BERUFSSTANDS DER RECHNUNGSSACHVERSTÄNDIGEN UND ABSCHLUSSPRÜFERENTSTEHT ALSO DURCH REGELUNG UND NICHT DURCH LIBERALISIERUNG".

Den Berufsvereinigungen liegt vor allem daran, an dieser Debatte teilzunehmen und sienicht den Regierungsorganisationen oder dem marktbestimmten Sektor zu überlassen.

Aus diesem Grunde begrüßen wir ganz besonders das Verfahren des Grünbuchs, dasdie Möglichkeit bietet, uns Gehör zu verschaffen, und wir freuen uns auch über denWillen der Europäischen Kommission, eine echte Debatte einzuleiten.

Wir stehen ihr dafür gern zur Verfügung und versichern sie unserer Mitwirkung anihrer Arbeit.

Wir wissen die von der Kommission mit diesem Grünbuch geleistete Arbeit zuschätzen. Die Bestandsaufnahme für den Beruf des Abschlußprüfers entspricht derRealität, und wir unterstützen ohne Einschränkung das Dokument insgesamt.

Wir haben zu allen Kapiteln eine Antwort gegeben, denn die Schlußfolgerungen desGrünbuchs waren zumeist in die Frageform gekleidet.

Wir haben Wünsche geäußert; wir haben uns auch einige Anregungen gestattet, die ichhier noch einmal darlegen möchte, und wir sind vor allem auf den Teil zu den KMUeingegangen, der uns besonders am Herzen liegt, wie ich bereits erwähnte.

Gehen wir nun auf die Hauptpunkte des Grünbuchs ein.

2. AUSBILDUNG

Wir sind voll und ganz dafür, daß eine berufliche Erstausbildung von hohem Niveau zuerfolgen hat. Der Prüfer muß die erforderliche Qualifikation für alle

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Unternehmensbereiche besitzen, vielleicht sogar mehr noch in einem kleinen odermittleren Unternehmen als in einem Großunternehmen, da innerhalb eines KMU nichtimmer die jeweils erforderliche Sachkenntnis und die internen Kontrollverfahrenanzutreffen sind, auf denen unser Prüfungsauftrag aufbauen kann.

Schon die Definition des Auftrags und die Rolle des Abschlußprüfers in derGesellschaft machen eine anspruchsvolle Ausbildung zwingend erforderlich.

Um auf die im Grünbuch aufgeworfene Idee einzugehen, es scheint uns wichtig, dieseAusbildung der Tätigkeit unserer Unternehmen anzupassen und damit auch den Teil,der die Internationalisierung des Handelsverkehrs betrifft, vor allem innerhalb desBinnenmarktes auszubauen.

3. EINHEITLICHE GRUNDSÄTZE

Die europaweite Durchsetzung von Prüfungsgrundsätzen geht nicht ohneBerücksichtigung der bereits bestehenden anerkannten und angewendeteninternationalen Grundsätze. Würde man sie übergehen oder ablehnen, dann hätte diesauf unliebsame Weise zur Folge, daß gerade zu einer Zeit, da die Unternehmenweltweit agieren, Europa in eine Randstellung gedrängt würde.

Wir sind also nicht gegen die im Grünbuch dargelegte Idee, sie als Ausgangspunkt zunehmen. Aber wir halten es für nützlich, Überlegungen darüber anzustellen, ob es einereuropäischen Spezifik bedarf; wenn auch die Bewertungsgrundsätze allgemeinakzeptiert sind, so gibt die Aufmachung der Abschlüsse doch umsomehr Anlaß zurAuseinandersetzung, denn sie kann nicht ohne einen kulturellen Ansatz erfolgen, unddas ist ein Thema, bei dem Europa keine Konzessionen machen darf.

Außerdem sind wir besorgt hinsichtlich der Konsequenzen neuer Grundsätze für dieKMU. Aus Erfahrung wissen wir, daß bei Regelungen eigentlich immer von denkompliziertesten Situationen ausgegangen wird, nämlich nach dem Prinzip "Das Großeschließt das Kleine ein", was Anforderungen zur Folge haben kann, die für einenKleinbetrieb unangemessen sind.

Daher möchten wir diese Grundsätze unter Beachtung der Auswirkungen auf die KMUuntersuchen.

4. DEFINITION DER PFLICHTPRÜFUNG

Im Grünbuch wird die Frage aufgeworfen, ob nicht der Umfang der Abschlußprüfungum die Prüfung des sozialen Verhaltens und eine umweltpolitische Prüfung erweitertwerden solle. Wir bekräftigen, daß wir willens sind, uns auch mit diesen neuenGebieten zu befassen, denn die Anforderungen an die Unternehmen können hier nurnoch größer werden, und es scheint logisch, daß mit der gesamten Aufsicht derjenigebetraut wird, der bereits einen Prüfungsauftrag im Unternehmen ausführt und diesesbestens kennt. Dann ist es an ihm, zur ordnungsgemäßen Erfüllung seines Auftragsentsprechende Fachleute hinzuzuziehen, wobei allerdings darauf zu achten ist, daß sichnicht weitere Berufe herausbilden und nicht weitere Prüfer Eingang in dasUnternehmen finden.

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5. UNABHÄNGIGKEIT

Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers ist für das gesamte System entscheidend. Siemuß um jeden Preis aufrechterhalten bleiben, denn wenn dieses grundlegende Prinzipangetastet würde, käme sozusagen der Wurm ins Holz, und das hätte die Schwächungdes Berufsstands und dann unvermeidlich sein Verschwinden zur Folge.

Wodurch ist diese Unabhängigkeit heute gefährdet? Durch die finanzielle Beziehung,die den Abschlußprüfer an seinen Kunden bindet und die seiner UnbefangenheitAbbruch tun kann. Was uns schwerwiegend scheint, das ist die Interessenvermischungbei verwandten Gesellschaften, die der gleichen Gruppe angehören und von denen einedie Abschlüsse prüft und die andere oder die anderen in einer Vielzahl von allgemeinbekannten unterschiedlichen Bereichen tätig wird. Wenn sich diese Praxis auch in dengroßen Unternehmensgruppen und den internationalen Kapitalzusammenschlüssenallgemein durchgesetzt hat, so muß ich doch sagen, daß sie für die kleinePrüfungsgesellschaft nicht in Frage kommt, in dem der Abschlußprüfer oftmalsfreiberuflich tätig ist.

Uns kommt es darauf an, den menschlichen Charakter des Prüfungsauftrags und desBerufsstands zu wahren, denn das entspricht der europäischen Kultur, und zwar zumeinen aufgrund ihrer Traditionen, zum anderen aufgrund der Merkmale ihrerWirtschaft, die im wesentlichen vom Mittelstand getragen wird.

Die Personalisierung des Abschlußprüferauftrags muß die Antwort Europas auf dieProbleme sein, die im Zuge der Internationalisierung aus Übersee herüberkommen.

So gesehen, ist natürlich der Vorschlag, den Prüfungsauftrag an die in einerGesellschaft zusammengeschlossenen Prüfer turnusmäßig zu vergeben, schlichtweginakzeptabel. Dies wäre eine Brüskierung der überwiegenden Mehrheit desBerufsstands, der sich aus Freiberuflern zusammensetzt.

Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers wird in den Mitgliedstaaten unterschiedlichgehandhabt; nach manchen nationalen Rechtsvorschriften ist dem Prüfer eineumfangreichere Tätigkeit als nur die reine Pflichtprüfung gestattet. Es scheintschwierig zu sein, die betreffenden Vorschriften kurzfristig abzuändern, und auch wennwir eine europaweite Harmonisierung in diesem Bereich befürworten, meinen wir, daßes noch einige Zeit dauern wird, bis wir zu einem Konsens gelangen.

Allerdings möchten wir anregen, daß in den Ländern, in denen es dem Abschlußprüfergestattet ist, über die Abschlußprüfung hinaus weitere Aufträge zu übernehmen, derPrüfungsbericht im einzelnen den genauen Umfang des Auftrags angibt.

Was die Beeinflussung der unabhängigen Haltung des Abschlußprüfers durch diefinanzielle Beziehung anbelangt, so denken wir, daß sie abgeschwächt oder garüberwunden werden könnte, wenn die Art der Honorarberechnung und warum nichtgar die Art der Bezahlung dieser Honorare geregelt würde.

Die Markttendenz geht ja gegenwärtig dahin, mit Ausschreibungen zu arbeiten undselbstverständlich immer dem kostengünstigen Anbieter den Auftrag zu erteilen. Dasgeht zu Lasten der Prüfungsqualität und hat die unausweichliche und äußerstbedauerliche Folge, die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers zu untergraben, denn dieihm zugebilligten geringen Mittel erlauben ihm nicht, seinen Auftrag gründlichauszuführen. Es ist höchste Zeit, der Dumping-Politik einen Riegel vorzuschieben, und

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das könnte durch die Einführung genauer Vorschriften für die Honorarberechnunggeschehen.

Um uns herum gibt es reglementierte Berufe, in denen nach Gebührenordnungverfahren wird. Machen wir es ebenso. Es wird nicht leicht sein, sich darüber zuverständigen, doch packen wir es wagemutig an, denn wenn wir den Markt alleinagieren lassen, wird uns die Sache so weit entgleiten, daß der Inhalt desPrüfungsauftrags und damit der Sinn des Gesetzes verfälscht werden.

Es gibt Erfahrungen in einigen Mitgliedstaaten, die eine Untersuchung wert sind.

6. ZEITLICHE BEGRENZUNG DES PRÜFUNGSAUFTRAGS

In dem Bestreben, diese der Ausführung des Auftrags so dienliche Unabhängigkeit desAbschlußprüfers zu bewahren, wurde der Gedanke zur Sprache gebracht, eine zeitlicheBegrenzung einzuführen.

Wir halten nichts von derartigen Festlegungen, die übrigens in einigen Mitgliedstaatenwieder aufgegeben wurden. Außerdem würde dies für die KMU zusätzlicheunannehmbare Kosten mit sich bringen, da sich der Zeitaufwand für jeden neuen Prüferzunächst erhöhen würde, weil er sich erst mit dem Unternehmen vertraut machenmüßte.

7. QUALITÄTSKONTROLLE

Der Erlaß von Regelungen und die Festlegung der Bedingungen für dieBerufsausübung allein nützen gar nichts, wenn diese nicht von den betroffenenBerufsangehörigen in die Praxis umgesetzt werden.

Gut ist eine Regelung nur, wenn sie für die Nichteinhaltung Sanktionen vorsieht,womit ich auf die Qualitätskontrolle zu sprechen komme. Es ist selbstverständlich, daßsie zu den Spielregeln gehört und daß sie jeder Abschlußprüfer akzeptieren muß.

Wir sind unbedingt für die Qualitätskontrolle, denn unseres Erachtens bietet sie dieGewähr für die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten und schützt somit auch dasAnsehen des Berufes. Wir sind allerdings der Auffassung, daß diese Kontrollen vonden Berufsangehörigen selbst durchgeführt werden sollten, d.h. von denOrganisationen, die mit der Berufsgerichtsbarkeit beauftragt sind.

8. HAFTUNG

Schließlich das Thema der Haftung, zu dem ich wohl nichts Neues sage, wenn icherkläre, daß sich in den letzten Jahren eine dramatische Entwicklung vollzogen hat, diein der Zukunft nur noch zunehmen kann. Die Pflichtversicherung ist eine gute Sache,denn sie trägt zum Ansehen des Berufes und zur Sicherheit unserer Kunden bei.Umgekehrt wirkt sie sich aber auch erleichternd auf die Inanspruchnahme derHaftpflicht aus.

Im Grünbuch wird ausgeführt, wie schwierig es sein dürfte, eine Haftungsbegrenzungzu erreichen, zumal andere freie Berufe vor uns damit gescheitert sind. Aber wirmüssen sie dennoch verlangen und sie zu erwirken suchen.

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Wir müssen aus der strafrechtlichen Haftung heraus, der wir für unlautereMachenschaften unserer Kunden unterliegen. Für uns dürfte nur eine zivilrechtlicheHaftung mit Begrenzung auf den Ersatz für Schäden in Frage kommen, die durch einenFehler in Ausübung des Berufs verursacht wurden.

Wenn das Prinzip der Haftungsbegrenzung für den Gesetzgeber inakzeptabel ist, dannsuchen wir doch nach Mitteln und Wegen, um auf anderem Wege dahin zu gelangen.In diesem Zusammenhang meinen wir, daß die Regelung des Inhalts der Pflichtprüfungdurchaus der Sache der Haftungsbegrenzung für den Berufsangehörigen dient. Miteiner genaueren Definition des Prüfungsauftrags lassen sich auch die Grenzen derHaftung abstecken. Außerdem ist es unbedingt erforderlich, die Aufgabenverteilunggenau festzulegen und das Unternehmen darauf hinzuweisen, daß die Rechnungslegungseine Sache ist.

Die Schaffung von Prüfungsausschüssen dürfte auch zu einer solchen Begrenzung derHaftung beitragen. Wir sind jedoch trotzdem nicht dafür, zum einen, weil dieseAusschüsse dann mit einem Teil des gegenwärtigen Auftrags des Abschlußprüfersbetraut werden, womit dessen Honorare spürbar heruntergingen, zum anderen, weilder mit einem Prüfungsausschuß verbundene zusätzliche Kostenaufwand für einmittelständisches Unternehmen unannehmbar ist.

9. KLEINE UND MITTLERE UNTERNEHMEN

Nach dem Grünbuch sollen die Mitgliedstaaten weiterhin selbst darüber entscheidenkönnen, ob sie KMU von der Pflichtprüfung befreien.

Das scheint uns vernünftig, nicht weil die KMU keine Prüfung nötig hätten - wirdenken eher das Gegenteil -, sondern weil wegen der grundlegenden Unterschiedezwischen den Mitgliedstaaten derzeit die Voraussetzungen für eine Harmonisierungoffenbar nicht vorliegen. Wir halten es also für klug, unter Wahrung desSubsidiaritätsprinzips hier noch von der nationalen Souveränität auszugehen.

Dennoch sind wir der Auffassung, daß die gleichen Gründe, die die Pflichtprüfung inGroßunternehmen rechtfertigen, auch für KMU gelten, nämlich Erleichterung derKapitalbeschaffung und Sicherheit von Dritten. Das Prinzip der Rechnungsprüfungliegt im allgemeinen Interesse. Es bedeutet Sicherung der gesamten Wirtschaftsketteund hilft dem Unternehmen durch die Glaubwürdigkeit, die es seiner Rechnungslegungverleiht. Das mittelständische Unternehmen macht hier keine Ausnahme. Ganz imGegenteil, die Prüfungspflicht wäre durch die KMU-Merkmale sogar gerechtfertigt:mangelnde Qualifikation des Personals aufgrund fehlender Mittel, geringe interneKontrolle, Konzentration der Aufgaben auf die Person des Unternehmensleiters.

Wir sind also eigentlich der Meinung, daß die Pflichtprüfung allgemein durchgesetztwerden müßte, doch aus den bereits genannten Gründen räumen wir ein, daß dies zumgegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Aussicht genommen werden kann.

Wir meinen hingegen, daß sich die Kommission für den Bedarf des Mittelstands anDienstleistungen sowie für die realen Gegebenheiten des Marktes derWirtschaftsprüfungsleistungen für KMU interessieren sollte.

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Der Klein- oder Mittelbetrieb braucht Dienstleistungen in der Rechnungslegung und insonstigen Bereichen, er braucht ständige Unterstützung und vor allem Beratung. Dasalles findet er in dem Berufsstand der Rechnungssachverständigen.

Der Rechnungssachverständige besitzt allgemeine Kompetenz und spielt somit einemaßgebliche Rolle beim mittelständischen Unternehmen. Er ist eine Schlüsselfigur,denn er leistet der Behörde Hilfe durch seine unterstützende Rolle beiSteuererklärungen und folglich bei der Steuererhebung, er hat wesentlichen Anteil ander wirtschaftlichen Ausgewogenheit dadurch, daß er dem Unternehmen sein Know-how zur Verfügung stellt und ihm bessere Chancen für die Weiterentwicklung oderganz einfach für sein Fortbestehen gibt.

Diese Dienstleistung ist auf europäischer Ebene aber in keiner Weise geregelt.

Wir möchten der Kommission folgende Frage stellen: Ist est vernünftig, diesen Marktungeregelt zu lassen, da man die Rolle kennt, die dem Berufsstand in der Gesellschaftzukommt? Die Beispiele für nationale Regelungen in einigen Mitgliedstaaten dürftennachahmenswert sein.

In jedem Fall scheint uns eine derartige Regelung eine sinnvolle Ergänzung zurBefreiung kleiner Unternehmen von der Pflichtprüfung zu sein, denn das Unternehmenwürde zwar nicht kontrolliert werden, aber erhielte Unterstützung durch einenhochqualifizierten Fachmann, der an bestimmte Berufspflichten gebunden ist, was zumgleichen Resultat führte - Glaubwürdigkeit für das Unternehmen und Wahrung desallgemeinen Interesses.

Wir hoffen, daß unsere Bitte Gehör findet und daß es in einer nächsten Debatte um dieTätigkeit des freiberuflichen Wirtschaftsprüfers außerhalb der gesetzlichenPflichtprüfung geht.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers

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PODIUMSDISKUSSION I - ROLLE DES GESETZLICHEN

ABSCHLUSSPRÜFERS

EINLEITUNG

Auch wenn durch mehrere Rechnungslegungsrichtlinien eine Prüfungsanforderungeingeführt wurde, gibt es in der Europäischen Union derzeit keine allgemein festgelegteDefinition der gesetzlichen Abschlußprüfung und auch keinen Konsens über den Inhaltdes Prüfungsberichts bzw. Bestätigungsvermerks.

Außer Frage steht auch, daß es in bezug auf die Rolle des gesetzlichenAbschlußprüfers eine Erwartungslücke gibt. Allgemein wird von ihm erwartet, daß ereine aktivere Rolle bei der Fortführung der Unternehmenstätigkeit und bei derAufdeckung von Betrug und anderen illegalen Tätigkeiten spielt. Der Berufsstand istsich wohl der Tatsache bewußt, daß er diesen Anforderungen zumindest zum Teilentsprechen muß, da sich daraus eine mögliche Haftung ergeben könnte.

Nach Auffassung der Europäischen Union ist zu klären, ob ein Binnenmarkt ohne einengewissen Grad an gemeinsamer Definition der gesetzlichen Abschlußprüfung und eineEinigkeit über den Inhalt des Prüfungsberichts/Bestätigungsvermerks zubewerkstelligen ist. Überdies ist zu klären, ob wir die Ziele, die wir uns im Rahmen derNeuen Rechnungslegungsstrategie für unsere globalen Marktteilnehmer gesteckthaben, auch ohne eine EU-weite Verbesserung der Prüfungsqualität erreichen können.

Von den Rednern auf dieser Konferenz möchte ich deshalb gerne wissen, ob ihrerAuffassung nach eine Einigkeit über die Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers aufeuropäischer Ebene wünschenswert oder erforderlich ist, und - wenn dies der Fall seinsollte - wie sie eine solche Einigkeit gern erzielen würden.

Kann man sich diesbezüglich die Arbeiten der IFAC zunutze machen? Oder gibt es inEuropa Besonderheiten, die in den IFAC-Grundsätzen nicht berücksichtigt sind und fürdie weitere Grundsätze entwickelt werden müßten, die europaweit zu gewährleistensind?

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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FRAU MARIE-CHARLOTTE PINIOT∗

RUNDTISCHGESPRÄCH ZUR ROLLE DES ABSCHLUßPRÜFERS

Lassen Sie mich zuallererst eine Frage beantworten, die Sie sich ganz gewiß stellenwerden.

Was macht ein Staatsanwalt an diesem Tisch?

Da ich derzeit der Handelsrechtskammer des Kassationsgerichtshofs angehöre, dürfenSie in meiner Anwesenheit einen weiteren Ausdruck der "Abschlußprüfung à lafrançaise" sehen.

Früher war ich im Justizministerium für Handelsrecht zuständig. Mein täglich Brot imübertragenen wie im wörtlichen Sinne, denn es war ja mein Job, war der Artikel 54Abs. 3g des Vertrags von Rom, der vorschreibt, soweit erforderlich dieSchutzbestimmungen zu koordinieren, die den Gesellschaften im Interesse derGesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind. Im Sinne dieses Artikels war ich ander Erarbeitung verschiedener Harmonisierungsrichtlinien auf dem Gebiet desGesellschaftsrechts beteiligt, darunter der 4. und der 7. Richtlinie. Diese begnügtensich damit, den Grundsatz aufzustellen, daß die Abschlußprüfung durch dazu befugtePersonen vorzunehmen ist. Zur gleichen Zeit wurden allerdings im nationalen Rechtverschiedene Ergänzungen zum Gesellschaftsrecht und zur Stellung desAbschlußprüfers verabschiedet.

Dann hatte ich wieder mit den Abschlußprüfern zu tun, als ich die Rechtsabteilung derBörsenaufsichtsbehörde leitete. Dem Kassationsgerichtshof obliegenRechtsentscheidungen in Fragen der zivil- oder strafrechtlichen Haftung derAbschlußprüfer, d.h. also der ordnungsgemäßen Erfüllung ihres Auftrages. Ichpersönlich habe mich in der Handelsrechtskammer von Zeit zu Zeit mit derzivilrechtlichen Haftung zu beschäftigen. Das soll morgen Gegenstand einesRundtischgesprächs sein.

Ich erzähle Ihnen dies alles, um deutlich zu machen, daß mein Beitrag hier nur einepersönliche Aussage ist und lediglich meine beruflichen Erfahrungen widerspiegelt, dieich bei verschiedenen Begegnungen mit Abschlußprüfern gemacht habe. Ich vertretealso weder die Staatsgewalt noch den französischen Berufsstand und spreche auchnicht in ihrem Namen.

Mit anderen Worten, ich werde vom Abschlußprüfer sprechen, wie man ihn von außenwahrnimmt.

Ebenso wie die Öffentlichkeit, und ich spreche hier von der Öffentlichkeit derAktionäre, erwarte ich sehr viel von diesem Fachmann in seiner Eigenschaft alsAußenprüfer oder Abschlußprüfer.

Zunächst wünsche ich mir, daß er bei all seinen Handlungen im Zusammenhang mitseinem gesetzlichen Auftrag das gesellschaftliche Interesse, oder wie es im Grünbuchheißt, das öffentliche Interesse im Auge haben möge. Dieses Interesse hat Vorrang vor

∗ Generalanwalt am französischen Kassationshof

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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den Einzelinteressen von Managern, Aktionären, Arbeitnehmern, Gläubigern,Schuldnern oder Bankiers und besitzt einen höheren Stellenwert.

Der Abschlußprüfer, dessen Aufgabe zu einem Amt auf Dauer geworden ist, würdejegliche Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn er den Anschein erweckte, als favorisiere erEntscheidungen, die das Management oder die Mehrheitseigner oder irgendeine anderePartei zum Schaden des Unternehmens begünstigen.

Im französischen Recht wird dieses Anliegen des gesellschaftlichen Interesses, das alsUnternehmensinteresse und auch öffentliches Interesse zu verstehen ist, durch zweiMaßnahmen illustriert, die auch im Grünbuch im Zusammenhang mit den Erwartungender Öffentlichkeit genannt werden:

• zum einen die Aufdeckung von Betrugshandlungen im Unternehmen;

• zum anderen die Aufdeckung von Unzulänglichkeiten im Unternehmen.

Von der französischen Herangehensweise an diese beiden Fragen möchte ich heutesprechen, um einen Beitrag zum Thema dieses Rundtischgesprächs zu leisten.

Hier gilt es, auf zwei Herausforderungen zu antworten, die heute von besondererTragweite sind. Da sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der Globalisierung derMärkte im Zusammenhang stehen, betreffen sie alle Staaten und alle Unternehmenunabhängig von ihrer Größe und ihren Besonderheiten, sowie alle Angehörigen dieserBerufsgruppe.

1. AUFDECKUNG UND OFFENLEGUNG VON BETRUGSHANDLUNGEN

Alle sind sich heute darin einig, daß Betrugshandlungen aufgedeckt werden müssen. InWahrnehmung der ständigen Aufgabe des Abschlußprüfers und der normalen oderangemessenen Sorgfaltspflicht wird dieser externe Kontrolleur automatischVeranlassung haben, bestimmte Unregelmäßigkeiten aufzudecken, bzw. er muß sichauf alle Fälle gemäß seinen beruflichen Normen in die Lage versetzen, dies zu tun.

Was ist zu tun, wenn Unregelmäßigkeiten entdeckt werden?

Die Antwort ist einfach: man muß sie denjenigen melden, die davon betroffen sind,Vorstandsmitglieder, Aktionäre, in Frankreich aber auch dem Staatsanwalt als demHüter des öffentlichen Interesses.

Diese Vorstellung wurde vor 60 Jahren, im Jahre 1936, in das französische Rechteingeführt; sie wurde 1966 bestätigt und ist 1996 unumstritten.

Allerdings ist diese Maßnahme nicht so leicht umzusetzen. Es ist keine so sehr"geschäftsfreundliche" Praxis gegenüber den Verantwortlichen des Unternehmens, dasder Auftraggeber des Abschlußprüfers ist, draußen die Schandtaten offenzulegen, dieman drinnen festgestellt hat.

Ich möchte nicht verhehlen, daß es Umsetzungsschwierigkeiten gab. DieAbschlußprüfer fühlten sich als Handlanger der Staatsanwaltschaft, Polizisten,Wachhunde usw. behandelt. Sie haben heftig protestiert und damals geltend gemacht,daß sie die einzigen ihrer Branche in Europa und sogar in der Welt seien, die diese sehreigenwillige Art von Sorgfaltspflicht wahrzunehmen hätten. Angesichts dieserfranzösischen Besonderheit war man schon versucht, zu rufen: "Die spinnen, dieseGallier!" Man muß dazu noch wissen, daß ein Abschlußprüfer, der Betrugshandlungen,

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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von denen er Kenntnis hat oder bei normaler Sorgfalt haben müßte, nicht aufdeckt,strafrechtlich belangt werden kann.

Dann kamen die Dinge zwischen den Prüfern und den Richtern aber wieder ins Lot,und man verständigte sich darauf, was notwendig und ausreichend sei, um das Ziel zuerreichen, das darin bestand, eher ein Mittel der Prävention als der Sanktion zuschaffen. Von der einen Seite gab es eine Empfehlung des Berufsverbandes an alleAbschlußprüfer und von der anderen ein Rundschreiben des Justizministeriums an alleStaatsanwälte, in dem klargestellt wurde, daß die Aufdeckung sich auf Verstöße zubeziehen habe, die durch den Prüfer in Ausübung seiner Aufgabe gemäß demGesellschaftsrecht entdeckt werden oder die schwerwiegende Folgen für dieUnternehmensabschlüsse haben. Der Abschlußprüfer muß auch überprüfen, ob es sichum ein schwerwiegendes und vorsätzliches Delikt handelt. Um offengelegt zu werden,genügt es nicht, daß ein Delikt schwerwiegend ist, derjenige, der es begangen hat, mußsich bewußt sein, daß er damit geltendes Recht verletzt.

Es hat sich auch die Gewohnheit herausgebildet, bereits im Vorfeld inoffizielleKontakte zum Gericht aufzunehmen, während das Justizministerium sich bemühte, diefinanzrechtlichen Kenntnisse der zuständigen Justizbeamten zu erhöhen.

Diese Verpflichtung zur Aufdeckung und Offenlegung von Betrugshandlungen wirdheute von den Prüfern ganz anders gesehen. Man kann sogar sagen, daß sich auf dieseWeise die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers gegenüber den Unternehmensleiternerhöht, die ja wissen, welche Verpflichtungen auf diesem lasten und welcheVerantwortung er trägt. Die Unternehmensleiter sind sich auch bewußt, daß esdurchaus in ihrem eigenen Interesse liegt, wenn jemand sie auf möglicheUnregelmäßigkeiten aufmerksam macht, für die sie haften müßten.

Auf diese Weise werden die besondere Stellung des Abschlußprüfers im Unternehmenund seine Unabhängigkeit gestärkt. Dazu ist noch zu sagen, daß im französischenRecht diese Unabhängigkeit besonders manifest wird, denn der Prüfer legt nach seinerBestellung einen Eid vor dem Appellationsgericht ab, was ein wichtiges Symboldarstellt.

So wurde trotz aller Schwierigkeiten aus einer delikaten Maßnahme eine nützlicheMaßnahme, die allgemein bekannt ist und verstanden wird. Zu verdanken ist dies dengemeinsamen Anstrengungen der Vertreter des Berufsstandes, denen es vorrangig umdie Glaubwürdigkeit ihres Standes ging, und der Vertreter der Staatsmacht, denenklargeworden ist, daß finanzrechtliche Fragen nicht auf die gleiche Weise abgehandeltwerden können wie Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung.

2. DIE AUFDECKUNG VON UNZULÄNGLICHKEITEN IM UNTERNEHMEN UND DASFRÜHWARNVERFAHREN

Lassen Sie mich nun etwas zur Aufdeckung und Prävention von Schwierigkeiten in denUnternehmen sagen.

Anfang der achtziger Jahre wurde in Frankreich eine Reform des Konkursrechtseingeleitet, nachdem man erkannt hatte, daß die gemeinschuldnerischen Verfahren imallgemeinen nicht rechtzeitig eingeleitet wurden und unabweichlich in den Konkursmündeten, da es für eine Sanierung zu spät war. Einige spektakuläre Firmenpleiten unddie große Zahl von Entlassungen veranlaßten die staatlichen Stellen sowie die Vertreter

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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der Unternehmen und der Wirtschaftsprüfer, über Verfahren nachzudenken, die es denUnternehmern ermöglichten, früher und rascher eine besorgniserregende Entwicklungihres Unternehmens und die Gefahr des Abrutschens in den Konkurs zu erkennen.Einige waren sich zwar dessen bewußt, schoben aber den Moment des Handelns nochhinaus. Andere, die eher optimistisch veranlagt waren, verschlossen die Augen vor derwahren Situation ihres Unternehmens.

Das Gesetz vom 1. März 1984 sah schließlich so etwas wie ein Frühwarnverfahren vor.Wichtig ist meines Erachtens, daß es hier um ein internes Verfahren geht. Die tragendeSäule dieses Verfahrens ist der Abschlußprüfer, und dies ist, wie wir sehen werden,keineswegs ein Zufall.

In dem ursprünglichen Entwurf war vorgesehen, daß der Abschlußprüfer diesesVerfahren einleiten, das heißt also die Manager alarmieren sollte, wenn bestimmteWarnleuchten rot aufblinkten: Verlust des Gesellschaftskapitals, starkerUmsatzrückgang, Wegbrechen von Absatzmärkten, Rückstände bei der Zahlung vonSozialabgaben und Steuern, Aufschub von Zahlungsfristen, Vertagung derHauptversammlung usw., wobei all diese Kriterien mit dem Wörtchen "insbesondere"versehen werden.

Es ergab sich, daß im Parlament gerade das Bilanzgesetz von 1983 behandelt wordenwar, mit dem die 4. Richtlinie und ihre Bilanzgrundsätze eingeführt werden sollten,darunter der Grundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ("going concern").Da war es nur noch ein Schritt - und der war rasch getan - zwischen den vorgesehenenKriterien und der Situationsbewertung für die Fortführung der Unternehmenstätigkeit.Deshalb sieht das Gesetz lediglich vor, daß der Abschlußprüfer die Tatsachenaufzudecken hat, die die Fortführung der Unternehmenstätigkeit gefährden könnten.

Diese Formulierung verdeutlicht den Zusammenhang mit der Aufgabe desAbschlußprüfers, der sich bei der Prüfung des Jahresabschlusses vergewissern muß,daß für die Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächlich Chancen bestehen. Hiergeht es also nicht um eine Einmischung in die Unternehmensführung, sondern um dieÜberprüfung einer Situation, die das Ergebnis des Zusammentreffens verschiedenerUmstände sein kann und von der die Wahl der richtigen Bilanzierungsmethodeabhängt.

Was das Verfahren selbst betrifft, so ist vorgesehen, daß der Abschlußprüfer zunächstden Vorstandsvorsitzenden unterrichtet, der seine Vorstellungen zu denSanierungsmaßnahmen vorträgt, dann den Vorstand und, wenn dies nicht ausreicht,ebenfalls die Hauptversammlung.

Es sei darauf hingewiesen, daß gemäß einem neuen Gesetz aus dem Jahre 1994 derAbschlußprüfer, wenn die Antworten seitens der Unternehmensleiter ihn nicht davonüberzeugen, daß keine Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens besteht,verpflichtet ist, darüber den Präsidenten des Handelsgerichts in Kenntnis zu setzen. Ineinem anderen Staat als Frankreich könnte dies auch jede andere Behörde sein. DerGrundgedanke war dabei, daß eine Behörde verständigt werden soll, die einenausreichenden Einfluß auf die Unternehmensleiter ausüben und sie zu den notwendigenMaßnahmen veranlassen könnte, sei es, um ein gemeinschaftliches Vergleichsverfahreneinzuleiten. Lassen Sie mich zwei Dinge unterstreichen:

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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• Erstens handelt es sich bei dieser Anrufung des Präsidenten des Handelsgerichts umein vertrauliches Verfahren, um zu verhindern, daß dieser Schritt das Unternehmenin eine noch schwierigere Situation bringt;

• zweitens wird dieses Präventivverfahren durch die Unternehmen begrüßt; gemäßeiner Umfrage, die 1989, fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Verfahrens, durch diePariser Industrie- und Handelskammer durchgeführt wurde, äußerten sich mehr als80 % der befragten Unternehmen positiv.

Sowohl was die Aufdeckung von Betrugshandlungen als auch von Unzulänglichkeitenbetrifft, setzt diese Aufwertung der Rolle des Abschlußprüfers voraus, daß er über dieMittel verfügt, um ihr gerecht zu werden und vor allem daß ihm Garantien gegebenwerden, damit er seine Tätigkeit in voller Unabhängigkeit ausüben kann

Damit sind wir bei der Frage der notwendigen Garantien für die Prüfer.

3. GARANTIEN FÜR DEN ABSCHLUSSPRÜFER

Die Rolle des Abschlußprüfers ist nicht einfach.

Nachdem er durch die Aktionärsversammlung ernannt wurde, d.h. in Wirklichkeitdurch die Unternehmensleitung, die seine Bestellung vorschlägt, kann er sichgezwungen sehen, weil für ihn das Interesse des Unternehmens Vorrang hat, dieHauptversammlung über Unregelmäßigkeiten zu unterrichten, die gegebenenfalls vondiesen Unternehmensleitern begangen wurden.

Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

• seine Unabhängigkeit: dies betrifft insbesondere die Unvereinbarkeitsregeln, wieauch die Vergütungsregeln;

• seine Kenntnis des Unternehmens: ihm muß, auch gegenüber Dritten, zu denen dasUnternehmen Geschäftsbeziehungen unterhält, ein umfassendes Zugangsrecht zuallen Informationen eingeräumt werden, die ihm die Wahrnehmung seinesPrüfungsauftrages ermöglichen, einschließlich der obengenannten neuen Aspekte;weiterhin gehören dazu Sanktionen im Falle der Verweigerung des Zugangs zu denverlangten Informationen durch die Unternehmensleiter;

• sein Schutz: es müssen in erster Linie die notwendigen Maßnahmen zur Aufhebungdes Berufsgeheimnisses ergriffen werden, d.h. die Verletzung der"Schweigepflicht", wenn eine "Redepflicht" besteht, um auf Betrugshandlungenund Versäumnisse aufmerksam zu machen; dazu gehört ferner der Ausschluß jederBerufshaftung für die Ergreifung von Maßnahmen nach der Aufdeckung vonBetrugshandlungen oder Versäumnissen, unabhängig von den Folgen dieserSchritte; ferner muß das Risiko ausgeschlossen werden, daß ihm sein Mandataufgrund der Positionen, zu denen er sich gezwungen sah, entzogen wird, indemvorgesehen wird, daß der Entzug des Mandats nur auf gerichtlichem Wege beiVorliegen entsprechender Gründe beschlossen werden kann.

Diese Garantien sind nach meiner Auffassung unerläßliche Voraussetzungen für dieWahrnehmung der Aufgaben des Abschlußprüfers im Unternehmen. Hier halte ichselbst Kapitel VI des Vorschlags zur 5. Richtlinie über die Abschlußprüfung fürunvollständig und nicht zukunftsträchtig. Was die gegenwärtige Debatte betrifft, die

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Marie-Charlotte Piniot

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hinsichtlich der beruflichen Normen so reich und interessant ist, so scheint sie mir dochzu diesem Aspekt der Garantien für den Abschlußprüfer wesentlich zurückhaltender zuverlaufen, und dies veranlaßt mich zu folgenden abschließenden Bemerkungen.

Die Veröffentlichung von Daten des Rechnungswesens in guter Qualität ist auf einemeuropaweiten, internationalen und weltweiten Markt von großer Bedeutung. DieGlaubwürdigkeit dieser Daten hängt von der Kontrolltätigkeit und der Rolle desAbschlußprüfers ab.

Die 8. Richtlinie regelt zwar das Problem der Qualifikation, scheint mir aber allein nichtausreichend zu sein, um eine homogene Qualität der Prüfung der Abschlüsse zugewährleisten.

Deshalb halte ich es für erforderlich, eine neue Stellungnahme der EuropäischenGemeinschaft zum Inhalt der Pflichtprüfung zu erarbeiten, die dann in Form einerRechtsvorschrift der Gemeinschaft konkretisiert wird.

Die im Grünbuch genannten beruflichen Normen haben das dreifache Verdienst, daß essie gibt, daß sie harmonisiert sind und daß sie eine hohe Qualität aufweisen.

Reichen sie aber aus, um den neuen Erwartungen gerecht zu werden, die ebenfalls imGrünbuch genannt wurden, d.h. den Erwartungen aller Anwender und Leser vonBilanzen aus den EU-Ländern?

Angesichts dieser Erwartungen und der Zwänge des öffentlichen Interesses stört michder notwendigerweise einseitige und private Charakter der genannten Normen etwas.Dies veranlaßt mich zu drei Bemerkungen.

Zunächst scheint es mir wichtig zu sein, daß seitens der Gemeinschaftsbehörden nichtnur Zustimmung zu diesen Normen signalisiert und auf sie verwiesen wird, sonderndaß die wesentlichen Grundsätze Eingang in einen Rechtsakt der Gemeinschaft finden,vor allem was die Regeln zu Unabhängigkeit und Berufsethos im Zusammenhang mitdem Status des Abschlußprüfers betrifft. Es ist ein Unterschied, ob man auf Regelnoder Grundsätze verweist, die von anderen aufgestellt wurden, oder ob man sie sich zueigen macht.

Meine zweite Bemerkung hat mit der Wirksamkeit dieser Normen gegenüber Drittenzu tun. Diese Normen betreffen die Aufgaben und Pflichten der Abschlußprüfer, abersie müssen noch durch die Rechte und Garantien ergänzt werden, die den Prüfern zugewährleisten sind. Die Beziehung "Prüfer-Geprüfter" ist keine Einbahnstraße. DenRechten und Garantien, auf die die Abschlußprüfer Anspruch haben, entsprechen aufder anderen Seite die Aufgaben und Verpflichtungen der Unternehmen und ihrerFührungskräfte, die diese also schulden. Nicht alle diese Verpflichtungen werden dieUnternehmen ohne weiteres akzeptieren. Deshalb meine ich, daß nur ein Engagementder Staaten in Form eines Rechtsakts der Gemeinschaft die Möglichkeit bietet, diebeiderseitigen Verpflichtungen genau festzulegen und ihre einheitliche Einhaltung inallen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Meine letzte Bemerkung hat mit der Perspektive der Umsetzung derNiederlassungsfreiheit zu tun. Ich will hier nicht von der Dienstleistungsfreiheitsprechen, die im Zusammenhang mit der Abschlußprüfung noch andere Problemeaufwerfen kann. Die Niederlassungsfreiheit setzt ebenfalls eine ausreichendeHarmonisierung des Inhalts der Pflichtprüfung sowie der Rechte und Pflichten derPrüfer und der Geprüften voraus. Lassen Sie mich hierzu ein Beispiel nennen, oder

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eher einen Präzedenzfall aus jüngerer Zeit, den der Richtlinie über Wertpapier-dienstleistungen und die Öffnung der Finanzmärkte. Dabei waren die Betroffenen,ebenso wie in unserem Falle mit dem Problem der Globalisierung und den Sicherheits-und Garantieerfordernissen konfrontiert. Nachdem auf diesem Gebiet 1977 einVerhaltenskodex zu Wertpapiergeschäften ausgearbeitet worden war, wurde zwanzigJahre später, als es darum ging, die Niederlassungsfreiheit umzusetzen, beschlossen,die in diesem Kodex verankerten Grundsätze in eine Richtlinie aufzunehmen, dieebenfalls die Rolle der verschiedenen Behörden zur Sicherung der Einhaltung derPflichten und Rechte jeder Seite vorsah und letztere präzisierte.

Was die Tätigkeit der Abschlußprüfer betrifft, so sind wir in der glücklichen Lage, daßes bereits berufliche Normen gibt, die ohne weiteres in einen solchen Verhaltenskodexumgewandelt werden könnten. Ich glaube aber, daß wir nicht 20 Jahre warten sollten,um die Fragen im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit zu regeln. Deshalbfrage ich mich, ob es nicht eine gute Methode wäre, alle mit der Abschlußprüfungzusammenhängenden Fragen unverzüglich anzugehen. Dazu gehören, wie ich bereitssagte, die Verpflichtungen der Prüfer gegenüber den geprüften Unternehmen, aberauch die Verpflichtungen, die die Unternehmen und die Behörden eingehen müssen,um den Abschlußprüfern die Garantien zu bieten, ohne die sie ihrer Aufgabe nicht vollgerecht werden können.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers J.P. Percy

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PROFESSOR J.P. PERCY∗

ROLLE DES GESETZLICHEN ABSCHLUSSPRÜFERS

Ich fühle mich durch die Einladung zu dieser bedeutenden Konferenz über die Rolledes Abschlußprüfers in Europa sehr geehrt. Insbesondere geht es hier um dieDefinition der Pflichtprüfung sowie um Inhalt und Form des Bestätigungsvermerks.

1. DIE BEDEUTUNG DER ABSCHLUSSPRÜFUNG

Eine unabhängige Abschlußprüfung ist für das Vertrauen in die Kapitalmärkte vonwesentlicher Bedeutung. Sie schafft meines Erachtens die Grundlage dafür, daßUnternehmen und Märkte in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Redlichkeitoperieren können. In der 4. Richtlinie und in allen europäischen Rechtsvorschriften istimmer wieder davon die Rede, daß der Abschluß ein “den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild” vermitteln muß. Dies ist ein hoher Anspruch, dem wir abergerecht werden müssen, wenn die Kapitalmärkte im Interesse des Gemeinwohls aufDauer blühen und gedeihen sollen.

Die Kommission ist zu ihrem Grünbuch zu beglückwünschen. Für das reibungsloseFunktionieren des Binnenmarkts ist zweifellos eine einheitliche Auffassung zur Rolleder Pflichtprüfung und zum Inhalt des Bestätigungsvermerks vonnöten. DerBestätigungsvermerk muß präzise und unmißverständlich abgefaßt sein, damit sich diedarauf angewiesenen Personen über die beabsichtigte Aussage, das abgegebene Urteilund dessen Grundlage im klaren sind.

In den letzten sechs Jahren war es mir vergönnt, dem Auditing Practices Board desVereinigten Königreichs anzugehören, der sich für das VK und Irland intensiv mit derkünftigen Rolle der Pflichtprüfung befaßt hat, und die Arbeiten zu dem Dokument“Auditing Into The Twenty-First Century” zu leiten, das von der Forschungsgruppedes Institute of Chartered Accountants of Scotland vorgelegt wurde, das in denbibliographischen Anhang zum Grünbuch aufgenommen wurde und alsDiskussionsgrundlage gedient hat. Bei der Gründung des Auditing Practices Boardwurde glücklicherweise besonders darauf geachtet, daß in diesem Gremium dieAdressaten der Jahresabschlüsse, darunter die Aufsichtsorgane, und die Angehörigender wirtschaftsprüfenden Berufe zu gleichen Teilen vertreten sind. Dadurch sahen sichdie Abschlußprüfer unmittelbar mit den Erwartungen der Nutzer konfrontiert, woraussich ein besseres Verständnis der zu lösenden Aufgaben ergab.

Vor gut einem Jahr veröffentlichte die International Task Force on CorporateGovernance unter meiner Leitung für die International Capital Markets Group eineAnalyse zur Unternehmensführung unter dem Titel “Who Holds The Reins?”(Wer hältdie Fäden in der Hand?). Zum einen zeigte diese Studie, daß der Pflichtprüfung imRahmen der Unternehmensführung ein hoher Stellenwert zukommt und dabeikulturelle Unterschiede zwischen den Ländern zu respektieren sind, zum anderen abergeht daraus die Bedeutung der Offenlegung eindeutiger Informationen zur ∗ "Auditing Practices Board" (Gremium für Prüfungspraktiken), Vereinigtes Königreich

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Unternehmensführung für die Unterrichtung der Investoren hervor. Auch das IAPCuntersucht diese Problematik, wobei eine Abstimmung mit den Ansichten des PublicOversight Board in den USA und den in anderen Ländern bestehenden Auffassungenerfolgt. Es geht also bei den hier erörterten Fragen nicht um eine rein europäischeAngelegenheit, sondern um ein internationales Thema, wie dies auch weitgehend imGrünbuch der Europäischen Kommission zum Ausdruck kommt.

2. DEFINITION DER PFLICHTPRÜFUNG

Ausgangspunkt für das im Juli vorgelegte Grünbuch war die Erkenntnis, daß zwar einezunehmende Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften zur Pflichtprüfung in derEuropäischen Union festzustellen ist, aber zwischen den Mitgliedstaaten divergierendeAuffassungen zur Rolle des Abschlußprüfers bestehen.

Trotz der 4., 7. und 8. Richtlinie und der Einzelrichtlinien für Finanzdienstleistungen istman sich nicht darüber einig, was eigentlich unter einer Pflichtprüfung zu verstehen ist.Die unterschiedlichen Vorstellungen zur Rolle des Abschlußprüfers haben sichaufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen in deneinzelnen Mitgliedstaaten herausgebildet. Natürlich haben die Ereignisse nach derRezession, die auf die Boomperiode der 80er Jahre folgte, die künftige Rolle derPflichtprüfung verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Im Grünbuch wird die IAPC-Definition der Pflichtprüfung zitiert: " The objective of anaudit is to enable the auditor to express an opinion on whether the financial statmentsare prepared, in all material respects, in accordance with an identified reportingframework".

Es läßt sich wohl kaum etwas dagegen einwenden, daß hier der Versuch unternommenwurde, die Zielsetzung der Pflichtprüfung in einem einzigen Satz zusammenzufassen.Doch scheint sie mir - gemessen an den Erfordernissen der Nutzer vonRechnungslegungsunterlagen - als nicht mehr ganz zeitgemäß. Der Abschlußprüfersollte nicht nur zu den Jahresabschlüssen Stellung nehmen, sondern auch zu anderenFragen, die für die künftige Ertragskraft und Solidität des Unternehmens von Belangsind. Um den veränderten Anforderungen der Nutzer gerecht zu werden, muß diePflichtprüfung in zweierlei Hinsicht definiert werden: unter dem Gesichtspunkt derErstellung von Abschlüssen und von der Warte der Unternehmensführung aus. Darauserklärt sich die Bedeutung der im Grünbuch angesprochenen Themen wie Fortführungder Unternehmenstätigkeit, betrügerische Manipulationen, interne Kontrolle,rechtlicher Rahmen und die Unternehmensführung berührende Fragen. So ist dieseDefinition zwar eine gute Ausgangsgrundlage, sollte aber um die Aufgaben erweitertwerden, die zur Deckung des Nutzerbedarfs notwendig sind.

Eine so einseitig angelegte Definition der Pflichtprüfung wird aber diesemvielschichtigen Vorgang (Prüfung, Materialsammlung, Beurteilung) nicht gerecht. Zuberücksichtigen ist auch die zweite Seite, d.h. die bei der Prüfung zu beachtendenGrundsätze. Im Vereinigten Königreich haben wir im “Auditor’s Code”(Abschlußprüferkodex) die neun für die Pflichtprüfung maßgeblichen Grundsätzezusammengefaßt. Dabei geht es um folgende Punkte: Rechenschaftspflicht, beruflicheSorgfalt, Objektivität und Unabhängigkeit, Sachverstand, Gründlichkeit,Urteilsvermögen, Klarheit, Zugewinn und den Grundsatz, daß ein Abschlußprüfer nurdann die Aufnahme des Bestätigungsvermerks in noch weitere Informationen

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers J.P. Percy

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enthaltende Schriftstücke zulassen sollte, wenn er davon überzeugt ist, daß diebetreffenden Informationen nicht zu den im Bestätigungsvermerk getroffenenFeststellungen im Widerspruch stehen und nach seiner Auffassung nicht irreführenderArt sind.

Unter den heutigen Gegebenheiten sollte es sich beim Abschlußprüfer um eine Personhandeln, die aufgrund ihrer Objektivität, Beharrlichkeit, Skepsis und Fairneß, vor allemaber wegen ihrer beruflichen Sorgfalt und umfassenden betriebswirtschaftlichenKenntnisse geachtet wird. Es sollte also jemand sein, der das zu prüfende Unternehmenrichtig beurteilen kann, sich an den realen Verhältnissen orientiert und innerlich sogefestigt ist, daß er auch mit einer Bewährungssituation fertig wird. Um eine solchehandelt es sich bei der Abfassung des für die Gesellschafter bestimmten Berichts überdie Jahresabschlüsse und andere Angelegenheiten, die in den Verantwortungsbereichder Unternehmensleitung fallen, deren Tätigkeit er ja eigentlich beurteilt und sich dabeisehr wohl der Tatsache bewußt ist, daß die Unternehmensleitung maßgeblich über dieBestellung und Vergütung des Prüfers entscheidet.

3. BERÜCKSICHTIGUNG DER GERECHTFERTIGTEN ANFORDERUNGEN UNDERWARTUNGEN DER ANWENDER

Die Aufgaben des Abschlußprüfers müssen sich nach den Anforderungen undErwartungen der Benutzer richten. Wer zählt zu den Anwendern? VeröffentlichteJahresabschlüsse sind allgemein zugänglich und können von den verschiedenstenInteressenten für eine Vielzahl von Verwendungszwecken herangezogen werden. Eserscheint weder sinnvoll noch praktikabel, bei der Definition der Pflichtprüfung diekonkreten Erfordernisse einzelner Anwender zu berücksichtigen. Die richtigeDefinition hängt davon ab, daß man sich voll auf den Auftraggeber einstellt.

Wie ich glaube, ist man sich weltweit auf den Kapitalmärkten darin einig, daß rechtlichdie Hauptadressaten der geprüften Jahresabschlüsse die Gesellschafter sind. DieGesellschafter ernennen den Abschlußprüfer, damit er sie unabhängig von derGeschäftsführung unterrichtet, so daß er vor allem ihre normalen Erwartungen erfüllenmuß.

Im Grünbuch werden eine Reihe von Erwartungen der Anwender genannt. Ich möchtemich hier aus Zeitgründen auf drei Punkte beschränken. Es geht darum, daß dieAbschlüsse in Ordnung sind, daß das Unternehmen nicht in Konkurs geht und daßkeine betrügerischen Machenschaften im Spiele sind.

4. DIE ORDNUNGSMÄßIGKEIT DER ABSCHLÜSSE

Dem Grünbuch zufolge müssen die Adressaten der Jahresabschlüsse nicht glauben, daßein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk die Ordnungsmäßigkeit desJahresabschlusses garantiert, doch kommt es überraschend häufig zuMißverständnissen. Im Grünbuch wird im Zusammenhang mit der Forderung, daß dieJahresabschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelnmüssen, der sich zwangsläufig ergebende Ermessenscharakter vieler Daten desRechnungswesens eingeräumt. Nach meiner Auffassung ist die Formulierung “ein dentatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild” nicht allein eine Feststellung zur Artund Vertretbarkeit der von der Unternehmensleitung gewählten Bilanzierungsmethode,

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers J.P. Percy

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sondern es geht um die Beurteilung der Frage, ob die Bilanzierungsmethode wirklichangemessen ist und den Gesellschaftern damit ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild vermittelt wird.

Ich las unlängst mit großem Interesse einen Bericht des amerikanischen PublicOversight Board, in dem allen Abschlußprüfern empfohlen wird, sich mitPrüfungsausschüssen nicht nur darüber zu beraten, ob die gewählteBilanzierungsmethode den breit gefaßten Vorgaben für eine den tatsächlichenVerhältnissen entsprechende Darstellung entspricht, sondern auch darüber, ob es sichdabei um die jeweils zweckmäßigste Bilanzierungsmethode handelt und wie vorsichtigdie Bilanzierung der Geschäftsführung ist.

Auch wenn die Erstellung von Abschlüssen mit Unsicherheiten und subjektivenVorstellungen behaftet ist und die Rechnungslegungsvorschriften eine wichtige Rollespielen, so steht doch außer Frage, daß es bei der Definition der Pflichtprüfung vorallem auf die Feststellung ankommt, ob der Abschluß ein den tatsächlichenVerhältnissen entsprechendes Bild vermittelt.

5. FORTFÜHRUNG DER UNTERNEHMENSTÄTIGKEIT

Wenn ein Unternehmen in Konkurs geht, heißt es oft: Wo waren eigentlich dieAbschlußprüfer? Angesichts des Verlusts von Kapitaleinlagen ist dies eineverständliche Reaktion, die nicht selten mit Verärgerung und rechtlichen Schrittengegen den Abschlußprüfer einhergeht.

Nun ist es auf jedem Kapitalmarkt so, daß manche Unternehmen florieren, anderehingegen wieder aufgeben müssen. Nach meiner Ansicht besteht das Problem für dieGesellschafter nicht in der Insolvenz, sondern in der nicht erfolgten Vorwarnung. DieAnteilseigner lieben keine Überraschungen, sondern wollen vom Abschlußprüferrechtzeitig informiert werden. Als ermutigenden Schritt betrachte ich die im Entwurfvorliegenden Grundsätze des International Accounting Standards Committee, in denendie Empfehlung ausgesprochen wird, daß die gesetzlichen Vertreter des Unternehmenssich ausdrücklich dazu äußern, ob zum Zeitpunkt der Bestätigung desJahresabschlusses die Voraussetzungen für den Fortbestand des Unternehmensgegeben sind, und daß sie bei Kenntnis wesentlicher Unsicherheitsfaktoren im Sinnevon Ereignissen oder Umständen, die den Fortbestand des Unternehmens in naherZukunft gefährden können, diese offenlegen sollten.

Das IAPC arbeitet in dieser Frage mit dem IASC zusammen und ist gegenwärtig dabei,den internationalen Prüfungsgrundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit zuaktualisieren. Allgemeinverständlich ausgedrückt geht es darum, daß die Anwendervon Jahresabschlüssen wohl einen Anspruch darauf haben, über möglicherweise innaher Zukunft eintretende Gefahren unterrichtet zu werden, und daß derAbschlußprüfer bei der Abgabe seines Urteils bedenkt, ob die offengelegtenSachverhalte die wirkliche Lage richtig widerspiegeln oder ob die Aufmerksamkeit derGesellschafter auf bestimmte Punkte gelenkt werden sollte.

Eine von der Auffassung der Kommission abweichende Position nehme ich in derFrage ein, daß die Anwender bei Zugrundelegung der Unternehmensfortführung imBestätigungsvermerk eine Aussage des Prüfers zur Solvenz erwarten. Sowohlinhaltlich gesehen als auch im Hinblick auf die erforderliche Prüfungstätigkeit ist es

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keineswegs dasselbe, ob man den Grundsatz der Unternehmensfortführung imZusammenhang mit der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissenentsprechenden Bildes betrachtet oder sich ausdrücklich zur Solvenz äußert. Wird einden tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt, so kann ich mir nichtvorstellen, daß eine gesonderte Beurteilung der Solvenz - wie auch immer dieseaussehen mag - für die Anwender einen zusätzlichen Nutzen bringt, der die erheblichenMehrkosten rechtfertigt.

6. BETRUGSDELIKTE UND DIE FRAGE DER INTERNEN KONTROLLE

Im Grünbuch heißt es, daß Prüfungen seit jeher mit der Aufdeckung vonUnregelmäßigkeiten verbunden sind. So manchen könnte dies zu der zynischenBemerkung veranlassen, daß Prüfungen wohl eher mit der Nichtaufdeckung vonUnregelmäßigkeiten verbunden sind.

Es handelt sich hier um einen Virus, um ein brennendes Problem. Im VereinigtenKönigreich erklären jetzt die gesetzlichen Vertreter im Jahresabschluß, daß es ihreSache ist, betrügerische Machenschaften zu verhindern und aufzudecken. Dennochmüssen die Abschlußprüfer im Einklang mit den internationalen Grundsätzenanerkennen, daß es auch zu ihren Aufgaben gehört, die Möglichkeit erheblich von dentatsächlichen Verhältnissen abweichender Angaben in den Jahresabschlüssen inBetracht zu ziehen, unabhängig davon, ob diese auf Betrug oder andere Gründezurückzuführen sind.

Das Grünbuch der Kommission steht mit dieser Auffassung weitgehend im Einklang.Wie dort zum Ausdruck gebracht wird, kann man von den Abschlußprüfern erwarten,daß sie im Bestätigungsvermerk das Vorhandensein von Kontrollsystemen zurVerhinderung und Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten festhalten und sich zu derenZweckmäßigkeit äußern.

Bei der Frage der internen Kontrolle geht es nicht nur um das Thema Betrugsdelikte,sondern überhaupt um die Bereitstellung hochwertiger Informationen für dieUnternehmensleitung. Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, der durch eine stürmischetechnologische Entwicklung gekennzeichnet ist, werden die am Bildschirm in Echtzeitverfügbaren Informationen noch an Bedeutung zunehmen. Nach meiner Ansicht wirdman künftig vom Wirtschaftsprüfer erwarten, daß er sich nicht nur zu denJahresabschlüssen selbst äußert, sondern auch zur Verläßlichkeit und Gestaltung derSysteme, die dafür die Informationen liefern. Die Beurteilung der internen Kontrolle istsomit für die weitere Entwicklung des Prüfungswesens von zentraler Bedeutung.

Bisher stand das Thema “Effektivität” im Mittelpunkt der Debatte zur internenKontrolle. Die Beurteilung der “Effektivität” einer solchen internen Kontrolle wirftaber wichtige Fragen auf, die einer Lösung bedürfen. Die Unternehmensleitungenmöchten natürlich wissen, welche Kosten damit verbunden sind, was eigentlich unter“effektiv” zu verstehen ist und über welche Schwachstellen berichtet werden soll. DenPrüfern geht es um die Formulierung und den Genauigkeitsgehalt einer solchenAussage. Bei dem Wort “effektiv” denkt man unwillkürlich an “narrensichere”Systeme. Auch erfolgt im Hinblick auf den Sicherheitsstandard keine Differenzierungnach Unternehmensformen.

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Ich möchte mich dem Thema daher von einem anderen Blickwinkel aus nähern. StellenSie sich einmal vor, dieses interne Kontrollsystem müßte so ähnlich funktionieren wiedie Sicherheitsanlage ihrer eigenen Wohnung, Fabrik oder Bank. Zweifellos würdenSie annehmen, daß für den Tresorraum einer Bank oder das Geschäft einesDiamantenhändlers eine leistungsfähigere Anlage benötigt wird als für eine Wohnungoder Fabrik. Schon aus Kostengründen verzichten die meisten aber darauf, in ihrerWohnung ein so ausgeklügeltes Sicherheitssystem zu installieren, wie es in Bankenüblich ist. Wir sind uns wohl auch darin einig, daß kein System völlige Sicherheitbietet. Auch die raffiniertesten Anlagen können Banküberfälle und Wohnungseinbrüchenicht gänzlich verhindern.

Auf einem Kapitalmarkt muß man immer damit rechnen, daß einzelne Personen nichtsunversucht lassen, um Informationen und Menschen aus Eigennutz für ihre Zwecke zumanipulieren. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu bewahren, müssen dieUnternehmensleitungen und die Abschlußprüfer ständig neue Systeme konzipieren, umderartige Praktiken auf ein Mindestmaß zu reduzieren und aufzudecken.

Nach meiner Meinung erwartet der Anwender billigerweise von den gesetzlichenVertretern eines Unternehmens, daß sie über ein zweckmäßiges eigenes System derinternen Kontrolle verfügen, das die Gefahr betrügerischer Machenschaften (oder dieGefahr einer unzureichenden Unterrichtung der Unternehmensleitung) weitgehendausschaltet, und daß sie die Leistungsfähigkeit des Systems kontrollieren. VomAbschlußprüfer ist berechtigterweise zu verlangen, daß er in seinem Bericht einenentsprechenden Vermerk macht, wenn die Gestaltung des Systems nicht denErfordernissen des Unternehmens entspricht und zudem keine ausreichende Kontrolleerfolgte. Ich begrüße daher die im Grünbuch der Kommission enthaltene, sorgfältigabgewogene Formulierung, daß die Einrichtung und Aufrechterhaltung des internenKontrollsystems in der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter liegt und daß derAbschlußprüfer im Bestätigungsvermerk eine Einschätzung zur Zweckmäßigkeit desSystems vornimmt.

All jene, die sich schon seit Jahren mit dieser Problematik befassen, sind sich zweifellosder Tatsache bewußt, daß es keine Patentrezepte gibt, zumal dieUnternehmensleitungen und Abschlußprüfer immer mit der Möglichkeit vonRechtsstreitigkeiten rechnen müssen. Die Frage bleibt aber weiterhin auf derTagesordnung und gehört nicht nur auf den Tisch der für die Prüfungsgrundsätzezuständigen Gremien, sondern auch jener Stellen, die mit Fragen derUnternehmensführung und mit Entscheidungshilfen für die Mitglieder vonLeitungsorganen befaßt sind.

7. INHALT UND FORM DES BESTÄTIGUNGSVERMERKS

In vielen Ländern ist es seit langem üblich, daß der Prüfer sein Gesamturteil zumJahresabschluß in einem einzigen Absatz zusammenfaßt. Dabei wurde häufig Kritik ander nur Eingeweihten verständlichen Sprache geübt.

Als Reaktion auf die Erwartungen der Anwender ist in jüngster Zeit eine Tendenz zuaussagefähigeren Bestätigungsvermerken festzustellen, in denen nicht nur eineBeurteilung der Jahresabschlüsse erfolgt, sondern auch die Aufgaben des Prüferserläutert und die der Beurteilung zugrunde liegenden Verfahren in allgemeiner Formdargelegt werden. Dies wurde in den Grundsätzen des IAPC verankert. Im Vereinigten

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Königreich haben wir die Unternehmensleitungen veranlaßt, ausdrücklich ihreVerantwortung für die Erstellung des Jahresabschlusses und für die Sicherung derVermögensverhältnisse zu erklären, was auch anderen Ländern anzuempfehlen ist.

Somit umfaßt der Bestätigungsvermerk, der ursprünglich nur einen Absatz ausmachte,jetzt in der Regel vier oder fünf Absätze. Nach meinem Dafürhalten ist dies aber erstder Beginn und nicht der Endpunkt einer Entwicklung. Es ist wohl künftig mit nochausführlicheren Bestätigungsvermerken zu rechnen, die nicht nur Informationen zurPrüfung des Jahresabschlusses enthalten, sondern auch Angaben zu anderen dieUnternehmensführung tangierenden Fragen. Der Bestätigungsvermerk wird nicht mehrals etwas Unumstößliches erachtet, sondern den sich verändernden Gegebenheiten undErfordernissen der Nutzer angepaßt. Damit der Bestätigungsvermerk den gewünschtenKommunikationseffekt erzielt, muß verstärktes Augenmerk auf den sinnvollen Dialogzwischen den Erstellern, Prüfern und Anwendern der Jahresabschlüsse gelegt werden.

Den Erwartungen kann nur dann besser entsprochen werden, wenn dieBerichterstattung auf hohem Niveau erfolgt. Es kommt jetzt darauf an, daß sich alleeuropäischen Staaten für einen gleichartigen Bestätigungsvermerk entscheiden, damitder Binnenmarkt weiter vorankommt und alle Nutzer nicht nur die getroffenenAussagen, sondern auch die Grundlagen und Umstände einheitlich beurteilen.

8. ROLLE DER INTERNATIONALEN GRUNDSÂTZE

Ich habe bereits eine Anspielung auf die Arbeiten des IAPC und dessen ständigwachsenden Einfluß auf die internationalen Grundsätze für das Prüfungswesen bei derEntwicklung harmonisierter Prüfungspraktiken gemacht.

Inzwischen verfügen wir über einen im wesentlichen kompletten Satz internationalerPrüfungsgrundsätze, die mehr und mehr von den Berufsständen in der ganzen Welt,auch in vielen Mitgliedstaaten, anerkannt oder als Grundlage für nationale Regelnbenutzt werden. Wir sind sicher, daß dies auch demnächst im Vereinigten Königreichund in Irland geschieht.

Deshalb begrüße ich den Vorschlag der Kommission, diese internationalen Grundsätzezur Basis für das europäische Prüfungswesen zu machen. Ich persönlich glaube nicht,daß irgendwelche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Rolle desAbschlußprüfers ausgesprochen europäisch oder nichteuropäisch sind. Alle imGrünbuch angesprochenen Fragen betreffen im wesentlichen das Prüfungswesen,Interessen der Geschäftswelt sowie der Anleger weltweit. Hier nach einerausgesprochen europäischen Antwort zu suchen, würde die Realitäten einer ständigmehr zusammenwachsenden Wirtschaft mit globalem Kapitalmarkt und globalemPrüfungswesen außer Betracht lassen.

Zusätzlich zu der Anerkennung der Grundsätze durch den Prüferberuf wurde einebesonders wichtige Initiative vom IAPC und der IOSCO, der internationalenOrganisation für das Börsenwesen, ergriffen. In nicht allzu ferner Zukunft könnte essein, daß IOSCO die internationalen Grundsätze für die Zulassung von Unternehmenan einer Börse weltweit anerkennt.

Die internationalen Aktivitäten im Bereich des Prüfungswesens des IAPC müssendynamisch und eingedenk einer sich ständig ändernden Welt durchgeführt werden.Daran müssen nicht nur die Abschlußprüfer beteiligt sein, sondern auch Anwender

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(zum Beispiel IOSCO) und Gesetzgeber (zum Beispiel EG-Kommission). Nur so kannein Rahmengeflecht für das Prüfungswesen zustande kommen, das den Fähigkeiten undMöglichkeiten der Abschlußprüfer sowie den Bedürfnissen und Erwartungen derAnwender entspricht.

9. FAZIT

Meine Ausführungen galten der Rolle des Abschlußprüfers. Es handelt sich dabei umeine wichtige Frage bei unseren Bemühungen um eine einheitliche Auffassung zurPflichtprüfung auf europäischer und hoffentlich auch globaler Ebene. Die Definitionder Abschlußprüfung muß nicht nur den berechtigten Erwartungen der Anwender imHinblick auf die Beurteilung der Jahresabschlüsse entsprechen, sondern auch anderefür die Unternehmensführung wichtige Fragen berücksichtigen. Es geht um dieAnerkennung allgemeiner Grundsätze des Prüfungswesens. Die Berichterstattung mußsich so entwickeln, daß eine hohe Aussagefähigkeit gegeben ist. Es ist nicht nur für denBinnenmarkt, sondern für den Weltmarkt von Bedeutung, daß in ganz Europa diegleichen Definitionen und Grundsätze der Berichterstattung gelten.

Es gibt bereits einen Kernbestand an internationalen Prüfungsgrundsätzen, die vomIAPC ständig aktualisiert werden, um den Anforderungen der Anwender und derBerufsangehörigen gerecht zu werden, und die möglicherweise von der IOSCO, derinternationalen Vereinigung der Wertpapieraufseher, übernommen werden. Ichbegrüße den Vorschlag der Kommission, diese Grundsätze zur Basis für dasPrüfungswesen in der Europäischen Union zu machen.

Die Formulierung von Grundsätzen ist eine komplizierte Angelegenheit, die imInteresse der Anwender dynamisch angegangen werden muß. Sie erfordert einenDialog zwischen den vielen Seiten, die sich für die Stärkung des Vertrauens in dieFunktion der Unternehmen und der Kapitalmärkte einsetzen. Das Grünbuch, dieStellungnahme der FEE und diese Konferenz stellen einen willkommen Beitrag zudiesem Prozeß dar. Ich möchte mich dafür bedanken, daß ich hier das Wort an Sierichten konnte, und sehe voller Interesse den weiteren Entwicklungen auf dem Weg insneue Jahrtausend entgegen.

10. ANLAGE: DER ABSCHLUßPRÜFERKODEX

Die neun Grundsätze unabhängiger Prüfungstätigkeit

RechenschaftspflichtEin Abschlußprüfer handelt im Interesse der Hauptadressaten, berücksichtigt aberzugleich die Belange der Allgemeinheit. Die Hauptadressaten ergeben sich aus der

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Satzung oder dem Prüfungsauftrag. Bei Kapitalgesellschaften sind die Gesellschafter inihrer Gesamtheit die Hauptadressaten.

Berufliche SorgfaltEin Abschlußprüfer läßt berufliche Sorgfalt walten und handelt bei der Wahrnehmungseiner Aufgaben nach den Grundsätzen der Ehrlichkeit, Fairneß und Wahrhaftigkeit.Vertrauliche Informationen, die ihm aufgrund seiner Prüfungstätigkeit zur Kenntnisgelangen, sind nur dann zu offenbaren, wenn das Allgemeinwohl oder eine gesetzlicheRegelung dies gebietet.

Objektivität und UnabhängigkeitEin Abschlußprüfer verhält sich unparteiisch. Er gibt seine Urteile unabhängig vomUnternehmen und dessen gesetzlichen Vertretern ab.

SachverstandEin Abschlußprüfer stützt sich auf den durch Qualifikation, Ausbildung undBerufserfahrung erworbenen Sachverstand. Dazu muß er mit der Erstellung vonAbschlüssen und mit betriebswirtschaftlichen Fragen gründlich vertraut sein und überdie für die Urteilsbildung nötige Sachkompetenz bei der Zusammenstellung undBeurteilung der zu prüfenden Unterlagen verfügen.

GründlichkeitEin Abschlußprüfer geht gründlich vor und legt die gebotene professionelle Skepsis anden Tag. Er unterzieht die in Ausübung seiner Tätigkeit erlangten Informationen undErläuterungen sowie alle sonstigen für die Durchführung der Prüfung herangezogenenUnterlagen einer kritischen Beurteilung.

UrteilsvermögenEin Abschlußprüfer beweist fachmännisches Urteilsvermögen und berücksichtigt imRahmen der geprüften Sachverhalte den Grundsatz der Wesentlichkeit.

KlarheitDer Prüfungsbericht enthält eindeutige Urteile und die für das Verständnis derabgegebenen Urteile notwendigen Informationen.

VerknüpfungEin Abschlußprüfer läßt nur dann die Aufnahme des Prüfungsberichts in Schriftstückemit weiteren Informationen zu, wenn er davon überzeugt ist, daß diese weiterenInformationen nicht zu dem im Prüfungsbericht getroffenen Feststellungen imWiderspruch stehen und nach seiner Auffassung nicht irreführender Art sind.

ZugewinnDer Abschlußprüfer erbringt durch seine Tätigkeit einen Zugewinn im Sinne einerhöheren Verläßlichkeit und Qualität der erstellten Abschlüsse. Er gibt den gesetzlichenVertretern bzw. leitenden Angestellten konstruktive Hinweise, die sich aus seinerPrüfungstätigkeit ergeben, und trägt damit zur effektiven Arbeitsweise desUnternehmens, der Kapitalmärkte und des öffentlichen Sektors bei.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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FRAU PURIFICACIÓN GRAJAL MARTIN∗

ROLLE DES GESETZLICHEN ABSCHLUSSPRÜFERS

1. EINLEITUNG

Unsere Untersuchung zur Form und zum Inhalt des Prüfungsberichts erfolgt imZusammenhang mit den Stellungnahmen zum Grünbuch der Europäischen Kommissionüber die "Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers".

Zu Beginn werden wir eine Reihe von allgemeinen Betrachtungen zum Prüfungsberichtanstellen. Anschließend gehen wir zu konkreten Aspekten seines Inhalts über undwerden uns auf die Elemente konzentrieren, die als wesentlich einzustufen sind. Indiesem Sinne werden jene Fragen zur "Erwartungslücke" untersucht, die unsererAnsicht nach Bestandteil eines späteren Prüfungsberichts sein können.

Zum anderen wäre es unserer Meinung nach angebracht, diesen für dieVergleichbarkeit der Daten des Rechnungswesens so wesentlichen Aspekt zuharmonisieren. Das Rechtsinstrument könnte unserer Auffassung nach eineGemeinschaftsrichtlinie sein, in der die Mindestinhalte entsprechend flexibel geregeltwerden, um die sich in diesem Bereich ergebenden Neuerungen berücksichtigen zukönnen, ohne daß eine Änderung der Richtlinie erforderlich wird.

2. ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN

Um das Thema unseres Beitrags abzugrenzen, sei zu Beginn hervorgehoben, daß wiruns auf die Prüfung des Jahresabschlusses beziehen und dabei auf weitere möglicheAbschlüsse, die unterschiedlicher Natur sein können, verweisen werden.

Alle Unternehmen, deren Umsatz, Aktivvermögen und Beschäftigtenzahl bestimmteWerte überschreiten, müssen sich obligatorisch einer Abschlußprüfung mit dem Zielunterziehen, die Informationen zur Finanzlage durchschaubar zu machen, damit dieAnwender dieser Angaben auf deren Verläßlichkeit vertrauen können. Daran läßt sicherkennen, welche Bedeutung der Art und Weise, in der das Prüfungsergebnis derAbschlußprüfung im Prüfungsbericht dargelegt wird, zukommt. Der Bericht über dieAbschlußprüfung wird damit zu einem Instrument, mit dem das fachliche Urteil desAbschlußprüfers zum Jahresabschluß nach außen, an die Gesellschafter und allgemeinan Dritte übermittelt wird. Da dieses Dokument folglich das Endergebnis der vomPrüfer durchgeführten Arbeit ist, wäre es außerordentlich wichtig, folgende Fragenbesonders zu berücksichtigen:

• Wie wird das Prüfungsergebnis des Prüfers übermittelt?

• Welche ganz konkreten Aspekte sind Bestandteil des Prüfungsberichts, d.h.welchen Inhalt soll er haben?

• Betrachtungen zum Aufbau und zur Form dieses Berichts. ∗ Stellvertretende Generaldirektorin des "Audit Quality Control Department" (Abteilung zur

Kontrolle der Prüfungsqualität) der ICAC, Spanien

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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Bei der Beantwortung dieser Fragen sind die Erwartungen der Anwender derInformationen zur Finanzlage, an die sie sich letztendlich richten, zu berücksichtigen.

3. KONKRETE ASPEKTE

3.1 Übermittlung des Prüfungsergebnisses des Abschlußprüfers. Umfangdes Prüfungsberichts. Bestätigungsvermerk oder Prüfungsbericht

Ein seit jeher strittiger Punkt im Zusammenhang mit dem Umfang des Prüfungsberichtist die Frage, ob es ein Prüfungsbericht oder ein Bestätigungsvermerk sein sollte. DieseFrage an sich ist unserer Meinung nach jedoch nicht losgelöst vom Inhalt oder denAspekten, die in den Prüfungsbericht aufgenommen werden sollten, zu beantworten.Folglich hängt der Umfang des Prüfungsberichts von den Aspekten ab, die unbedingteinzubeziehen sind.

Nach dieser wohl allgemein einleuchtenden Erläuterung sollte man auf dieVerständlichkeit und die Nützlichkeit der Finanzangaben eingehen, die in Abhängigkeitvon der jeweiligen Form des Prüfungsberichts gegeben werden. Unserer Auffassungnach, und dies scheint die allgemeine Tendenz zu sein, erwartet der Anwender von denPrüfungsberichten vor allem eine eindeutige Aussage darüber, ob die geprüftenAbschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-,Finanz- und Ertragslage des Unternehmens gemäß den allgemein anerkanntenPrüfungsgrundsätzen und insbesondere gemäß dem anzuwendenden Rechtsrahmenvermitteln. Ausgehend von der im Grünbuch erwähnten Erwartungslücke erwartet derAnwender der Finanzinformation jedoch noch "etwas mehr". So erwartet er, wienachfolgend noch genauer untersucht wird, daß ausdrücklich über die Fortführung derUnternehmenstätigkeit, über das interne Kontrollsystem, die Haftung für die Erstellungdes Jahresabschlusses sowie über Betrugsdelikte und Unregelmäßigkeiten unterrichtetwird, was erwiesenermaßen zu einem vom Umfang her übermäßig langen Dokumentführt.

Hinsichtlich der Prüfung des Jahresabschlusses sollte der Prüfungsbericht kurzgefaßtund möglichst vereinheitlicht sein sowie die wesentlichen Elemente beinhalten. Dasheißt, es sollte angestrebt werden, ihn kurz und eindeutig zu formulieren.

Ein ausführlicher Bericht wird im allgemeinen bei Prüfungen öffentlicher Einrichtungensowie bei sonstigen Prüfungen, die sich nicht auf Abschlüsse beschränken, angefertigtwerden.

3.2 Welche konkreten Aspekte gehören zum Prüfungsbericht, d.h. was soller beinhalten?

Es muß festgelegt werden, welches die wesentlichen Punkte sind, damit sie aufGemeinschaftsebene behandelt und harmonisiert werden können. In den folgendenAbsätzen dieses Punktes werden wir auf die Aspekte eingehen, die zu einemPrüfungsbericht gehören müssen.

• Information über die dem Prüfer hinsichtlich des Jahresabschlusses oder den Rech-nungslegungsunterlagen obliegende Verantwortung

Der Prüfungsbericht muß eindeutig darauf verweisen, daß die Erstellung desJahresabschlusses den Mitgliedern des Verwaltungsrates oder den gesetzlichen

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Vertretern der Gesellschaften obliegt und daß sie folglich auch für die Aufstellung,Aufrechterhaltung und Umsetzung der Vorschriften und Maßnahmen, die sie für dieVerläßlichkeit der Informationen in den geprüften Abschlüssen für zweckmäßig halten,verantwortlich zeichnen.

Zugleich sind die Anteilseigner und davon betroffene Dritte darüber zu informieren,daß sich die Arbeit des Prüfers darauf beschränkt, fachmännisch zu beurteilen, ob dervon ihm geprüfte Jahresabschluß den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

Folglich muß eine eindeutige Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten desAbschlußprüfers und denen der gesetzlichen Vertreter vorgenommen werden. DieseAspekte können im Rahmen des Absatzes zur Tragweite, auf die wir nachstehenddetaillierter eingehen, in den Prüfungsbericht aufgenommen werden.

3.3 Kurze Erläuterung zu der vom Prüfer angewendeten Methodik

Im Prüfungsbericht muß auf die angewandten fachspezifischen Vorschrifteneingegangen werden, um aufzuzeigen, ob der Abschlußprüfer alle darin vorgesehenenVerfahrensweisen entsprechend den jeweiligen Umständen berücksichtigt oder ob ereinige von diesen nicht berücksichtigt hat bzw. nicht berücksichtigen konnte (darunterist die geplante oder vorgesehene Verfahrensweise bzw. ein gleichwertigesAlternativverfahren zu verstehen). Im letztgenannten Fall müssen die entsprechendenEinschränkungen hinsichtlich der Tragweite berücksichtigt werden.

Ebenso kann es zweckmäßig sein, festzustellen, daß sich die Verfahrensweiseweitgehend auf statistischen Kriterien stützt, d.h. es sollte nicht erwartet werden, daßalle Geschäftsvorgänge der Gesellschaft geprüft werden.

Im Ergebnis der vorausgehenden Feststellungen sei hervorgehoben, daß nicht erwartetwerden kann, daß der Abschlußprüfer die Ordnungsmäßigkeit des von ihm beurteiltenAbschlusses bestätigt. Demgemäß ist der Anwender des Prüfungsberichts darüber zuinformieren, daß das Prüfungsergebnis auf Kriterien der Sachbezogenheit undAngemessenheit basiert und der Jahresabschluß in seiner Gesamtheit beurteilt wird.

3.4 Anmerkungen zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit/Solvenz desUnternehmens

Eine der Fragen, die unter den Anwendern von Abschlüssen die größteErwartungslücke hervorrief, steht im Zusammenhang mit der Fortführung derUnternehmenstätigkeit. Es wird nicht verstanden, daß Unternehmen in eine kritischeLage (Zahlungseinstellungen, Konkurse usw.) geraten, ohne daß die Abschlußprüfervorher auf die Möglichkeit hingewiesen haben, daß diese Situationen eintretenkönnten, sondern im Gegenteil die Abschlüsse uneingeschränkt bestätigt haben.

Das Grünbuch, das u.a. auf dem Cadbury- und dem Vienot-Bericht basiert und in demErgebnisse aus Befragungen verschiedener Anwender Berücksichtigung fanden, siehtzweckmäßigerweise vor, daß die gesetzlichen Vertreter in den Jahresabschlüssen dieAngaben machen, die über die künftige Solvenz des Unternehmens Auskunft geben. ImZusammenhang mit dieser Feststellung wird es für zweckmäßig erachtet, daß dieAbschlußprüfer die Angemessenheit dieser Information prüfen und dies imPrüfungsbericht zusammenhängend beurteilen, um einzuschätzen, ob das Unternehmenzur Fortführung der Unternehmenstätigkeit in der Lage ist. In diesem Zusammenhangist zu beachten, daß die Einschätzung über die Fortführung nicht nur auf Behauptungen

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oder auf von den gesetzlichen Vertretern ermittelte Parameter beschränkt sein darf,sondern in ihr auch die Gesamtsituation des Unternehmens und dessen Umfeld zuberücksichtigen sind.

Dieser Gedanke ist auf den ersten Blick sehr interessant. Jedoch sollte nichtverschwiegen werden, daß dies sicherlich eine sehr heikle Frage ist, da dieAbschlußprüfer hinsichtlich der Art und Weise, in der Zweifel bezüglich derFortführung der Unternehmenstätigkeit geäußert werden, sehr behutsam vorgehenmüssen. Letztendlich hängt dies davon ab, welchem Zweck die Prüfung desJahresabschlusses dient und welche Faktoren bei der Einschätzung über dieFortführung des Unternehmens zu berücksichtigen sind. Diesbzüglich ist der dabei inBetracht kommende Zeitraum erwähnenswert. Ein Zeitraum von 12 auf denAbschlußstichtag folgenden Monaten ist unserer Ansicht nach angemessen.

Darüber hinaus sollte unserer Auffassung nach besonders berücksichtigt werden, daß,um diesbezüglich keine falschen Erwartungen zu wecken, jegliche Äußerung imPrüfungsbericht über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit eindeutig sein sollte.Dem Anwender der Abschlüsse soll schließlich nicht der Eindruck vermittelt werden,daß bei der Bewertung der Frage der Fortführung der Unternehmenstätigkeit Faktenuntersucht werden, die vor dem Tag der Übergabe des Berichts gar nicht vorhersehbarwaren, während in Wirklichkeit Fakten und Informationen aus dem davorliegendenZeitraum geprüft werden, die Auswirkungen auf die Fortführung derUnternehmenstätigkeit haben können.

3.5 Das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten

Im folgenden werden wir darlegen, wie man bei Unregelmäßigkeiten bzw. Fehlern inden Abschlüssen verfahren kann.

Zu Beginn muß der Anwender der Abschlüsse darauf hingewiesen werden, daß derAbschlußprüfer nicht für die Aufdeckung aller möglicherweise in der zu prüfendenGesellschaft vorkommenden Unregelmäßigkeiten verantwortlich zeichnet. Das heißt,auch in dieser Frage werden die Kriterien der Sachdienlichkeit und Angemessenheit dergeprüften Angaben berücksichtigt. Zu diesem Zweck können wir dieUnregelmäßigkeiten in zwei Kategorien unterteilen: Einerseits Unregelmäßigkeiten, diewir als "materiell" bezeichnen können, die sich auf den Abschluß auswirken und beidenen sich der Abschlußprüfer vergewissern muß, daß sie in den Finanzinformationenauch korrekt behandelt werden. Zweitens gibt es Unregelmäßigkeiten"nichtmateriellen" Charakters, die der Abschlußprüfer der zuständigen Stelle zu meldenhat. Die Verwaltungsratsmitglieder und gesetzlichen Vertreter sind in diesem Fallverpflichtet, dies in den Abschlüssen zu vermerken. Im Prüfungsbericht werdenlediglich materielle Unregelmäßigkeiten erwähnt, die sich ganz erheblich auf diegeprüften Abschlüsse auswirken.

Da Unregelmäßigkeiten und deren Aufdeckung aufs engste mit dem internenKontrollsystem eines Unternehmens im Zusammenhang stehen, ist es erforderlich, daßdie Geschäftsführung, Leitung oder Verwaltung der Gesellschaft von vornherein diewesentlichen Ziele dieses internen Kontrollsystems formuliert und festlegt.

3.6 Die Einhaltung der Rechtsvorschriften durch das Unternehmen

Hinsichtlich der vom Abschlußprüfer vorzunehmenden Prüfung der Einhaltung derRechtsvorschriften durch das Unternehmen ist - soweit das Handelsgesetzbuch und die

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Bilanzierungsgesetze betroffen sind - zu sagen, daß im Prüfungsbericht die Verstößezu nennen sind, die für das den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild relevantsind, weil sie entweder quantitative Auswirkungen nach sich ziehen oder qualitativ fürdie Angemessenheit und das Verstehen der Finanzinformationen von Bedeutung sind.

Wie bereits im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten und deren Aufdeckunghervorgehoben, ist auch die Aufdeckung von Verstößen gegen Rechtsvorschriften aufsengste mit den internen Kontrollsystemen des Unternehmens, auf das anschließendeingegangen wird, verknüpft.

3.7 Anmerkungen zum internen Kontrollsystem

Im Grünbuch wird es für zweckdienlich erachtet, daß der Abschlußprüfer ausdrücklichüber die Sachdienlichkeit der internen Kontrollsysteme zu befinden hat. In diesemSinne wird darin angeführt: "Vom Abschlußprüfer kann durchaus erwartet werden, daßer im Bestätigungsvermerk (Prüfungsbericht) das Vorhandensein derartiger Systemefesthält und eine Einschätzung zu deren Zweckmäßigkeit vornimmt".

Diese Aussage des Grünbuchs stellt für den Finanzsektor einen völlig neuartigen,äußerst interessanten und sensiblen Aspekt dar, der unserer Ansicht nach jedochproblematisch ist, da es dabei um eine Bewertung eines Gebietes geht, dessenGrundsätze nicht eindeutig definiert sind. Von einigen Ausnahmen abgesehen, könnensich die eindeutige Nachweisführung und der Bezugsrahmen als Problem für denAbschlußprüfer erweisen. Hier müßte im Vorfeld festgelegt werden, welche objektivenParameter für ein zweckdienliches internes Kontrollsystem charakteristisch sind, undwelche Auswirkungen das Fehlen solcher Parameter nach sich zieht. Es müßteinsbesondere festgelegt werden, ob der Abschlußprüfer lediglich die interneRechnungsprüfung oder auch die administrative Kontrolle zu beurteilen hat und ob dieim Rahmen der Abschlußprüfung vorgesehenen Untersuchungen hinsichtlich derWirksamkeit der Kontrolle ausreichend sind.

Obgleich wir die Ansicht vertreten, daß der Abschlußprüfer die internenKontrollsysteme der Gesellschaft zu bewerten hat, scheint eine Präzisierung seinesHandlungsrahmens und seiner Verantwortlichkeiten angebracht zu sein.

Andererseits sind wir, was die Unternehmensführung betrifft, für die Einführung vonMaßnahmen, die eine Erweiterung des Umfangs der bestehenden internen Kontrolleermöglichen. Dabei wäre es unserer Auffassung nach zweckdienlich, ausgehend vonden im Cadbury-Bericht angestellten Überlegungen, in bestimmten UnternehmenPrüfungsausschüsse einzuführen.

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4. ANMERKUNGEN ZUM AUFBAU UND ZUR FORM DER PRÜFUNGSBERICHTE

Um die unabdingbare Harmonisierung auf diesem Gebiet zu erreichen, ist es unsererAuffassung nach angebracht, einheitliche Muster einzuführen, die die Mitgliedstaatenobligatorisch zu verwenden haben. Dies soll jedoch keinesfalls bedeuten, daß dienationale Gesetzgebung nicht jene Fragen einbeziehen kann, die sie inÜbereinstimmung mit den Orientierungen ihres speziellen Rechtssystems für notwendigerachtet.

Im Zusammenhang mit der Form des Prüfungsberichts wurde bereits darauf verwiesen,daß wir die Kurzform, d.h. den Bestätigungsvermerk für angemessen halten.

Im folgenden widmen wir uns den verschiedenen Aspekten, die unserer Meinung nachunter Verweis auf das Modell SAS-58 des Amerikanischen Instituts fürWirtschaftsprüfer (AICPA) im harmonisierten Muster für den Bestätigungsvermerk, indas die Fragen der Erwartungslücke einbezogen wurden, Berücksichtigung findensollten.

Im Bestätigungsvermerk müssen in erster Linie folgende Identifikationselementeangegeben werden:

• Bezeichnung "unabhängiger Bestätigungsvermerk der Jahresabschlußprüfung"

• Adressaten des Bestätigungsvermerks

• Name der den Bestätigungsvermerk unterzeichnenden Person bzw. Gesellschaft,deren Geschäftsadresse sowie weitere Angaben zur Identifikation

• Datum der Ausfertigung des Bestätigungsvermerks.

Es sollte zweitens die Tragweite der durchgeführten Prüftätigkeit unter Angabefolgender Punkte angegeben werden:

• Name des geprüften Unternehmens

• Nennung der geprüften Abschlüsse

• Angabe des der Prüfung unterzogenen Zeitraums

• Hinweis darauf, daß die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft für die Aufstellungder Abschlüsse und gegebenenfalls für die Einführung und Aufrechterhaltung desinternen Kontrollsystems verantwortlich sind

• Bestimmung der Tragweite des vom Abschlußprüfer im Rahmen einer Finanz-prüfung zu erteilenden Prüfungsurteils zu den Abschlüssen und gegebenenfalls zurinternen Kontrolle

• zusammenfassender Hinweis auf während der Prüfung zur Anwendung kommendePrüfungsgrundsätze- und verfahren; gegebenenfalls sind Einschränkungen zurTragweite (die in einem Unterabsatz behandelt werden) anzugeben

• Angabe der angewendeten Prüfungsgrundsätze

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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Drittens: Besondere Hinweise

Bei außergewöhnlichen Umständen muß der Bestätigungsvermerk einen Absatzenthalten, in dem auf bestimmte Informationen verwiesen wird, die zwar Bestandteildes Jahresabschlusses sind, die jedoch in spezieller Form hervorgehoben werden sollen.Dieser Absatz ist nicht als Vorbehalt zu sehen und beeinflußt folglich auch nicht dasPrüfungsurteil.

Viertens: Vorbehalte

Unserer Ansicht nach können im Rahmen des Bestätigungsvermerks Vorbehaltefolgendermaßen zum Ausdruck gebracht werden:

• Zwischenabsätze zwischen dem Absatz zur Tragweite und dem zum Prüfungs-ergebnis, in denen die entsprechenden Vorbehalte genannt werden

• Quantifizierung der Auswirkung auf den Jahresabschluß, die dieser Vorbehalt inFällen der Nichteinhaltung der Bilanzierungsgrundsätze und bei Einschränkungender Tragweite für den Jahresabschluß nach sich zieht.

Darüber hinaus sehen wir es als erforderlich an, die verschiedenen Arten vonVorbehalten zu harmonisieren. Diese Vorbehalte können sein:

• Einschränkungen zur Tragweite

• Nichteinhaltung der Bilanzierungsgrundsätze

• Unklarheiten

• andere als im vorhergehenden Geschäftsjahr angewandte Bilanzierungskriterien.

Fünftens: Fortführung der Unternehmenstätigkeit

Sollte eine ausdrückliche und durchgängige Beurteilung hinsichtlich der Anwendungdes Grundsatzes der Kontinuität oder Fortführung der Unternehmenstätigkeit inErwägung gezogen werden, muß ein Absatz in den Vermerk aufgenommen werden, indem die Fortführung oder gegebenenfalls die Nichtfortführung derUnternehmenstätigkeit explizit festgestellt und auf den Teil des Jahresabschlussesverwiesen wird, in dem die von den Verwaltungsratsmitgliedern festgelegtenSolvenzkriterien dargelegt sind.

Gibt es hinsichtlich der Fortführung der Unternehmenstätigkeit keine Probleme, giltdieser Absatz faktisch gesehen als Teil des Prüfungsurteils; im entgegengesetzten Fallist er als Vorbehalt zu betrachten.

Sechstens: interne Kontrolle

Sofern es für angemessen gehalten wird, ausdrücklich und durchgehend die interneKontrolle zu beurteilen, muß es einen Absatz geben, in welchem die Angemessenheitder Durchführung der internen Kontrolle durch die Verwaltungsratsmitgliederfestgehalten wird.

Gibt es im Zusammenhang mit der internen Kontrolle keine Probleme, gilt dieserAbsatz faktisch gesehen als Teil des Prüfungsurteils; im entgegengesetzten Fall ist erals Vorbehalt zu betrachten.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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Siebentens: Prüfungsurteil

Dieser Absatz ist der wesentliche und entscheidende Absatz des Bestätigungsvermerks.In ihm bringt der Abschlußprüfer entsprechend eines festgelegtenReferenzprüfungsrahmens sein fachmännisches Urteil über die Prüfung der ihmvorgelegten Unterlagen auf Übereinstimmung mit den festgelegtenBilanzierungsgrundsätzen zum Ausdruck.

Zu diesem Absatz gehören:

• Hinweis darauf, daß das Prüfungsergebnis die Angemessenheit und nicht dieRichtigkeit widerspiegelt;

• Vermerk, daß das Prüfungsergebnis auf allgemein anerkannten und im Handels-und Bilanzrecht enthaltenen Rechnungslegungsgrundsätzen basiert. Im Handels-und Bilanzierungsrecht muß logischerweise eindeutig geregelt sein, was unterallgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen zu verstehen ist.

• Vermerk, daß die Finanzinformationen ausreichend sind, um verstanden und inter-pretiert werden zu können;

• Verwendung des Terminus "excepto por" (unter Ausnahme von) zurKennzeichnung von Vorbehalten im Bestätigungsvermerk.

5. IN BETRACHT ZU ZIEHENDE ARTEN DES BESTÄTIGUNGSVERMERKS

Darüber hinaus wäre es unserer Ansicht nach angebracht, die Muster derBestätigungsvermerke je nach Art des im Vermerk zum Ausdruck gebrachtenPrüfungsergebnisses zu harmonisieren.

Es können folgende Bestätigungsvermerke in Betracht kommen:

Uneingeschränkte Bestätigung. Der Abschlußprüfer erklärt eindeutig und präzise,daß der Jahresabschluß in allen wichtigen Aspekten ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, des Betriebsergebnissesund der Kapitalflußrechnung vermittelt, alle erforderlichen Informationen zu seinemVerständnis und zu seiner Interpretation und den allgemein anerkanntenRechnungslegungsnormen und -grundsätzen entspricht, die in Übereinstimmung mitden im letzten Geschäftsjahr angewendeten stehen.

Eingeschränkte Bestätigung. Diese ist anwendbar, wenn der Abschlußprüfer zu derSchlußfolgerung gelangt, daß es Einschränkungen hinsichtlich der Tragweite derdurchgeführten Prüfung, Fehler oder Nichteinhaltungen der allgemein anerkanntenRechnungslegungsnormen und -grundsätze, einschließlich Fehlen notwendigerInformationen, Unklarheiten, Änderungen im Vergleich zu im letzten Geschäftsjahrangewandten und allgemein anerkannten Rechnungslegungsnormen und -grundsätzengibt, sofern sie in bezug auf den Jahresabschluß in seiner Gesamtheit von Bedeutungsind.

Negativer Vermerk (Adverse opinion). Dieser wird vermutlich zur Anwendungkommen, wenn der Jahresabschluß in seiner Gesamtheit gemäß den allgemeinanerkannten Rechnungslegungsnormen und -grundsätzen nicht ein den tatsächlichenVerhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage desgeprüften Unternehmens vermittelt. Um zu diesem Prüfungsurteil zu gelangen, mußder Abschlußprüfer Fehler, Nichteinhaltungen der allgemein anerkannten

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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Rechnungslegungsnormen und -grundsätze einschließlich Mängel in der Darstellungder Informationen feststellen, die seiner Meinung nach den Jahresabschluß in einemsehr bedeutenden Umfang oder in einer großen Anzahl von Kapiteln beeinträchtigen,so daß er letztendlich zu einem negativen Urteil gelangt.

Versagung des Bestätigungsvermerks. Ist es dem Abschlußprüfer nicht möglich, dieerforderliche völlige Gewißheit zu erlangen, um sich ein Urteil über den Jahresabschlußin seiner Gesamtheit zu bilden, ist der Bestätigungsvermerk zu versagen. DieVersagung des Bestätigungsvermerks erfolgt ausschließlich aufgrund von

• Einschränkungen zur Tragweite der Abschlußprüfung und/oder

• Unklarheiten von äußerster Wichtigkeit und in Größenordnungen, aufgrund dererder Abschlußprüfer zu keinem Urteil gelangen kann.

6. WIRTSCHAFTS- UND FINANZMINISTERIUM

Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung

Vorschlag eines Musters für den Bestätigungsvermerk

(offizielle Bezeichnung der Prüfungsgesellschaft)

Bestätigungsvermerk des Jahresabschlusses

An die Aktionäre der Gesellschaft XYZ, SA:

Der Jahresabschluß der Gesellschaft XYZ, AG, der aus der Bilanz zum 31. Dezember19.., der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Jahresbericht für das zumangegebenen Datum abgeschlossene Geschäftsjahr besteht, wurde von uns geprüft.

Die Erstellung des Jahresabschlusses und die Einführung und Aufrechterhaltung derinternen Kontrollsysteme obliegt den Verwaltungsratsmitgliedern der Gesellschaft.Unsere Verantwortlichkeit beschränkt sich darauf, den genannten Jahresabschluß inseiner Gesamtheit auf der Grundlage der gemäß den allgemein anerkanntenGrundsätzen durchgeführten Prüfung zu beurteilen. Diese umfaßten diestichprobenartige Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses und dieBewertung seiner Aufmachung, der angewandten Rechnungslegungsgrundsätze undder vorgenommenen Bewertungen sowie des von den Verwaltungsratsmitgliedern fürdie Finanzprüfung festgelegten internen Kontrollsystems.

Unser Prüfungsurteil bezieht sich ausschließlich auf den Jahresabschluß 19.. Am ..... ...erstellten wir (andere Abschlußprüfer) unseren (ihren) Prüfungsbericht zumJahresabschluß des Geschäftsjahres 19..-1, welchen wir (sie) mit dem ...Bestätigungsvermerk versehen.

Während des zum 31. Dezember 19.. abgeschlossenen Geschäftsjahres wurden inangemessener Art und Weise die von den Verwaltungsratsmitgliedern der Gesellschaftfestgelegten Grundsätze der internen Kontrolle in ihren wesentlichen Aspekteneingehalten.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Purificación Grajal Martin

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Der beigefügte Jahresabschluß wurde auf der Grundlage des Grundsatzes derKontinuität und Fortführung der Unternehmenstätigkeit gemäß den in Abschnitt ... desJahresberichts enthaltenen Solvenzkriterien erstellt. Dieser Grundsatz giltvoraussichtlich für die folgenden 12 Monate nach Abschluß dieses Geschäftsjahres.

Unserem Urteil nach vermittelt der Jahresabschluß zum Geschäftsjahr 19.. in allenwesentlichen Aspekten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild derVermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft XYZ, AG per 21. Dezember19.., des Betriebsergebnisses und der Kapitalflußrechnung für das mit dem Datumabgeschlossene Geschäftsjahr. Er enthält alle zu seinem Verständnis und zu seinerInterpretation erforderlichen Informationen und steht in Übereinstimmung mit den imletzten Geschäftsjahr angewendeten Normen und Grundsätzen.

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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PROFESSOR DR. WERNER SCHÜLEN∗

ROLLE DES GESETZLICHEN ABSCHLUSSPRÜFERS

1. VORBEMERKUNG

Die Notwendigkeit, sich auf EU-Ebene mit diesem Thema zu befassen, ergibt sich zumeinen aus der in der MARC-Studie (Abschnitte 2.3.5, 2.3.8 und 4.4.1) getroffenenFeststellung, daß insoweit zwischen den Mitgliedstaaten wesentliche Unterschiedebestehen, sowie zum anderen aus den auch im Grünbuch genannten Zielen:

• Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Prüfungsdienstleistungen

• Akzeptanz der von europäischen Abschlußprüfern testierten Abschlüsse auf deninternationalen Kapitalmärkten sowie

• Verringerung der sogen. Erwartungslücke, die nicht nur in Europa, sondernweltweit besteht.

Inhalt und Form des Bestätigungsberichts sollten deshalb in der EU vereinheitlicht undgleichermaßen auf diese drei Zielsetzungen ausgerichtet sein.

Da der Bestätigungsbericht über das Ergebnis der Abschlußprüfung zu informieren hat,setzt die Harmonisierung von Inhalt und Form des Bestätigungsberichts m.E. zwingendvoraus, daß auch die Durchführung der Abschlußprüfung nach einheitlichen oderzumindest vergleichbaren Grundsätzen erfolgt.

Die Zielsetzungen der internationalen Akzeptanz sowie der Verringerung der weltweitbestehenden Erwartungslücke sprechen m.E. eindeutig dafür, auf EU-Ebene Inhalt undForm des Bestätigungsberichts an international anerkannten Grundsätzen auszurichten.Derzeit sind dies zweifellos die International Standards on Auditing (ISAs) der IFAC,insbesondere der zentrale Standard „The Auditor’s Report on Financial Statements“(ISA 700).

2. STANDARDGRUNDSÄTZE HINSICHTLICH INHALT UND FORM

Das Grünbuch enthält eine Reihe von Aussagen über den Inhalt und dieVerständlichkeit, nicht jedoch zur Form des Bestätigungsberichts. Zur Form wirdlediglich ausgeführt, daß hierfür in allen Mitgliedstaaten die BerufsorganisationenVerlautbarungen erarbeitet haben (Abschn. 3.40 Grünbuch) und in verschiedenenMitgliedstaaten der Wortlaut mit der von IFAC erarbeiteten Fassung inÜbereinstimmung gebracht wurde (Abschn. 3.46 Grünbuch).

Nach ISA 700 (Tz. 5) enthält der Bestätigungsbericht bestimmte Elemente (Inhalte)und hat normalerweise folgenden Aufbau:

a) Überschrift

b) Adressat

∗ Universität Hohenheim, Stuttgart

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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c) Einleitender Abschnitt

d) Abschnitt zum Prüfungsumfang

e) Abschnitt zum Prüfungsurteil

f) Datum

g) Ort und

h) Unterzeichnung

Im folgenden sollen die diesbezüglichen Standardgrundsätze von IFAC kurz mit denAussagen im Grünbuch verglichen werden:

2.1 Zu (a) Überschrift

Hierzu finden sich im Grünbuch keine Ausagen. Das Anliegen von IFAC, daß derBestätigungsbericht eine geeignete Überschrift haben sollte, um ihn von den Berichtenanderer im Zusammenhang mit dem Abschluß unterscheiden zu können (ISA 700,Tz. 6), erscheint mir jedoch gerechtfertigt.

2.2 Zu (b) Adressat

In Abschn. 3.39 und 3.45 des Grünbuchs wird ausgeführt, daß sich der Abschlußprüfermit dem Bestätigungsbericht an die Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer sowiean die Öffentlichkeit wendet. Nach IFAC (ISA 700, Tz. 7) bestimmen sich dieAdressaten aus dem jeweiligen Auftrag oder den nationalen Vorschriften;üblicherweise sind entweder die Gesellschafter (shareholders) oder Vorstand undAufsichtsrat (board of directors) des geprüften Unternehmens die Adressaten.Grundsätzlich sollten Inhalt und Form des Bestätigungsberichts auf die Erwartungendes Adressatenkreises ausgerichtet sein. Da hiermit außerdem auch Fragen der Haftungdes Abschlußprüfers verbunden sein können, sollte m.E. auf EU-Ebene die Frage derAdressaten sorgfältig geprüft sowie näher definiert werden.

2.3 Zu (c) Einleitender Abschnitt

Dieser Abschnitt beinhaltet nach IFAC (ISA 700, Tz. 8) eine genaue Bezeichnung desgeprüften Abschlusses (Name des Unternehmens, Bilanzstichtag und Zeitraum, auf densich der Abschluß bezieht). Ferner soll dargelegt werden, daß der Abschluß in denVerantwortungsbereich der Unternehmensleitung fällt und daß der Abschlußprüfer,gestützt auf seine Prüfung, für die Erteilung eines Prüfungsurteils (opinion) zumAbschluß verantwortlich ist (ISA 700, Tz. 9). Die letzte Aussage deckt sichweitgehend mit der im Grünbuch (Abschn. 3.43), wonach aus dem Bestätigungsberichteindeutig hervorgehen muß, worin die Verantwortung des Abschlußprüfers für denAbschluß besteht. Die Klarstellung der Verantwortung von Unternehmensleitungeinerseits und Abschlußprüfer andererseits für den geprüften Abschluß erscheint auchmir im Hinblick auf die Erwartungslücke besonders wichtig. Die genaue Bezeichnungdes geprüften Abschlusses im Bestätigungsbericht dürfte selbstverständlich sein.

2.4 Zu (d) Abschnitt zum Prüfungsumfang

Im Grünbuch wird ausgeführt, daß im Bestätigungsbericht mehr Informationengegeben werden sollten über Umfang und Art der Prüfungstätigkeit (Abschn. 3.43)sowie darüber, was der Abschlußprüfer konkret getan hat und welche

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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Prüfungsgrundsätze er bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe befolgte (Abschn. 3.46).Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die Bestätigungsberichte in denMitgliedstaaten in der Regel Angaben darüber enthalten, ob der Abschlußprüfer alleNachweise erhalten hat, die er nach bestem Wissen und Gewissen für seineAbschlußprüfung als notwendig erachtet, und ob die Prüfung entsprechend denPrüfungsgrundsätzen erfolgt (Abschn. 3.41 Grünbuch). Diese Ausführungen deckensich im Grundsatz mit den Aussagen von IFAC, wonach zunächst die angewandtenPrüfungsgrundsätze zu nennen sind (ISA 700, Tz. 12) und ausdrücklich daraufhingewiesen werden soll, daß Planung und Durchführung der Prüfung zum Ziel haben,ein hinreichend sicheres Urteil darüber abgeben zu können, ob der Abschluß frei vonwesentlichen Fehlaussagen ist (ISA 700, Tz. 13). Darüber hinaus soll imBestätigungsbericht dargelegt werden, daß die Prüfung folgende Wesensmerkmalebeinhaltet:

• eine stichprobengestützte Prüfung der Nachweise für die Bilanzierung und für dieAngaben im Abschluß,

• die Prüfung der angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden,

• die Prüfung der wesentlichen Einschätzungen des Managements

• sowie eine Beurteilung der Gesamtaussage des Abschlusses (ISA 700, Tz. 14).

Es ist ferner ausdrücklich festzustellen, daß die vorgenommene Prüfung für denAbschlußprüfer eine hinreichend sichere Grundlage für das Prüfungsurteil bildet(ISA 700, Tz. 15).

Die von IFAC geforderten Aussagen dürften insoweit dem Anliegen des Grünbuchs,den Benutzern (users) des Bestätigungsberichts mehr Informationen über Umfang undArt der Prüfungstätigkeit zu geben, gerecht werden.

2.5 Zu (e) Abschnitt zum Prüfungsurteil

Zum erforderlichen Inhalt des Prüfungsurteils finden sich im Grünbuch keineAussagen. Es wird aber darauf hingewiesen, daß die Bestätigungsberichte in denMitgliedstaaten in der Regel Angaben darüber enthalten

• ob der Abschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true andfair view) der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt,

• ob der Abschluß den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht und

• ob der Lagebericht mit dem Abschluß im Einklang steht (Abschn. 3.41 Grünbuch).

Nach IFAC soll der Bestätigungsbericht ein klares Urteil des Abschlußprüfersenthalten, ob der Abschluß in Einklang mit den Rechnungslegungsvorschriften ein dentatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true and fair view / presented fairly, inall material respects) sowie ggfs. ob der Abschluß satzungsmäßigen (statutory)Anforderungen entspricht (ISA 700, Tz. 17). Sofern nicht offensichtlich, ist außerdemder Staat anzugeben, dessen Rechnungslegungsgrundsätze verwendet wurden(ISA 700, Tz. 22).

Die insoweit von IFAC geforderten Angaben dürften den Intentionen des Grünbuchsentsprechen. Von IFAC wird unmittelbar nicht gefordert, eine Aussage darüber zumachen, ob der Lagebericht mit dem Abschluß in Einklang steht, da dieser eineSonderheit des europäischen Rechts ist (vgl. Art. 46 der 4. Richtl. sowie Art. 36 der

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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7. Richtl.). Nach Art. 51 Abs. 1b) der 4. Richtl. sowie Art. 37 Abs. 2 der 7. Richtl. istder Lagebericht vom Abschlußprüfer gesondert darauf zu prüfen, ob er mit demAbschluß des betreffenden Geschäftsjahres in Einklang steht. IFAC schreibt lediglichvor, daß der Abschlußprüfer andere Informationen in Dokumenten, die den Abschlußenthalten, lesen soll (ISA 720, Tz. 2). Soweit diese nicht im Einklang mit demgeprüften Abschluß stehen, soll er hierüber gegebenenfalls im Bestätigungsbericht inForm einer Ergänzung berichten (ISA 720, Tz. 13). Diesbezüglich wären m.E. beieiner Überprüfung der ISAs auf notwendige Ergänzungen auf EU-Ebene ggfs.weitergehende Anforderungen zu stellen.

2.6 Zu (f) - (h) Datierung, Ort und Unterzeichnung

Auf diese mehr formalen Aspekte, die im Einzelfall auch materielle Bedeutung habenkönnen, wird im Grünbuch nicht eingegangen. Europäische Besonderheiten dürftenden Aussagen von IFAC nicht entgegenstehen. Danach ist der Bestätigungsbericht zumZeitpunkt der Beendigung der Prüfung zu datieren und der zu nennende Ort,normalerweise die Stadt, in der der Abschlußprüfer sein Büro unterhält (ISA 700,Tz. 23, 25). Zu unterzeichnen ist entweder mit dem Namen der Prüfungsgesellschaftoder mit dem persönlichen Namen des Abschlußprüfers oder ggfs. mit beiden(ISA 700, Tz. 26). Materielle Bedeutung haben diese Angaben insoweit, als hieraushervorgeht, bis zu welchem Zeitpunkt die Verantwortung des Abschlußprüfers sicherstreckt und wer die Verantwortung trägt. Eine Klarstellung ist deshalb anzustreben.Auch sollte der Bestätigungsbericht mit dem Berufssiegel versehen sein, um diehoheitliche Funktion der Abschlußprüfung deutlich zu machen.

3. HERVORHEBUNGEN (ZUSÄTZE) IM BESTÄTIGUNGSBERICHT

Nach IFAC ist - ohne daß das Prüfungsurteil davon berührt wird - unter bestimmtenVoraussetzungen eine Ergänzung des Bestätigungsberichts zulässig oder geboten. Diessoll vorzugsweise in einem gesonderten Abschnitt nach dem Abschnitt zumPrüfungsurteil geschehen. Hierbei soll auf Sachverhalte gesondert hingewiesen werden,die bereits ausführlicher im Abschluß selbst erläutert wurden. So ist z.B. zwingend aufgoing concern-Probleme hinzuweisen (ISA 700, Tz. 31). Darüber hinaus sollte im Falleweiterer wesentlicher Unsicherheiten im Hinblick auf den Eintritt künftiger Ereignisse,auf die das Unternehmen nicht direkt Einfluß nehmen kann, ein entsprechenderHinweis in Betracht gezogen werden (ISA 700, Tz. 32). Daneben sind noch weitereZusätze zugelassen (vgl. ISA 700, Tz. 35).

Im Grünbuch finden sich zu dieser Thematik unmittelbar keine Ausführungen. ImRahmen der Erörterung der allgemeinen Definition der Pflichtprüfung werden jedochverschiedene Aspekte angesprochen, denen bei der Prüfung besondereAufmerksamkeit gebührt, wie: Going Concern und Betrugsdelikte (Abschn. 3.36Grünbuch). Für den Fall, daß der Abschlußprüfer hierauf auch in seinemBestätigungsbericht eingehen soll, ist es m.E. zwingend erforderlich, daß - wie es auchbei IFAC zum Ausdruck kommt - das Management im Abschluß selbst zu diesenFragen eine Erklärung abgibt. Das Management sollte verpflichtet sein, gesondertdarzulegen, auf welchen Annahmen die going concern-Prämisse beruht und welcheRisiken diesbezüglich bestehen sowie hinsichtlich der Betrugsdelikte, ob einentsprechendes Internes Kontrollsystem eingerichtet und dessen Wirksamkeit überprüftwurde. Der Abschlußprüfer sollte insoweit nur zur Angemessenheit der

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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entsprechenden Erklärungen des Managements im Bestätigungsbericht Stellungnehmen müssen.

4. EINSCHRÄNKUNG DES PRÜFUNGSURTEILS , NICHTERTEILUNG EINESPRÜFUNGSURTEILS SOWIE NEGATIVES PRÜFUNGSURTEIL

Im Grünbuch wird diesbezüglich nur ausgeführt, daß es erforderlich wäre, etwaigeEinschränkungen deutlich zu vermerken (Abschn. 3.46 Grünbuch). Im Rahmen derOffenlegungsvorschriften der 4. Richtl. (Art. 48) und der 7. Richtl. (Art. 38) wirdjedoch z.B. verlangt, daß in den Fällen, in denen die Bestätigung eingeschränkt oderverweigert wurde, dies unter Angabe der Gründe ebenfalls bekanntzugeben ist.

Nach ISA 700 ist das Prüfungsurteil zu modifizieren bei Beschränkungen im Hinblickauf die Prüfungsdurchführung oder bei Meinungsverschiedenheiten über dieRechnungslegung (ISA 700, Tz. 36). Im ersten Fall ist das Prüfungsurteil unter Angabeder Beschränkungen und der möglichen Auswirkungen auf den Abschlußeinzuschränken (qualified opinion) oder - sofern wesentlich - nicht zu erteilen(disclaimer of opinion) (ISA 700, Tz. 43). Im zweiten Fall ist das Prüfungsurteilebenfalls einzuschränken (qualified opinion) oder - sofern wesentlich - einNegativvermerk (adverse opinion) zu erteilen (ISA 700, Tz. 45).

Die Möglichkeit der Nichterteilung eines Prüfungsurteils (disclaimer of opinion) oderErteilung eines Negativvermerks (adverse opinion) sollte m.E. auch auf EU-Ebenegeregelt werden. Um in diesen Fällen die Stellung des Abschlußprüfers zu stärken,sollten hieran ggfs. auch Rechtsfolgen geknüpft werden, z.B. daß in diesen Fällen derAbschluß nicht festgestellt werden kann.

5. ZUSÄTZLICHER PRÜFUNGSBERICHT

Im Abschn. 3.39 des Grünbuchs wird angesprochen, daß in der Regel unterschiedenwird zwischen dem Bestätigungsbericht (short form report) und dem ausführlichenPrüfungsbericht (long form report). Der ausführliche Prüfungsbericht sei für dieUnternehmensleitung bestimmt und normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Ein ausführlicher Prüfungsbericht ist derzeit in Europa in Österreich und Deutschlandvorgeschrieben. Hier dient er insbesondere der Unterstützung der Aufsichtsorgane beider Erfüllung ihrer Überwachungspflichten und hat sich insoweit bewährt. DieseFunktion kann er nur erfüllen, wenn er der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemachtwird. Der zusätzliche Nutzen, den ein ausführlicher Prüfungsbericht bietet, legt es m.E.nahe, den Prüfungsbericht auf EU-Ebene insgesamt vorzuschreiben.

6. SCHLUßBEMERKUNG

In den Erklärungen für das Ratsprotokoll zur Vierten Richtlinie heißt es in Nr. 17 zuArt. 47 Abs. 1: „Der Rat und die Kommission stellen fest, daß der Inhalt des Berichtsder mit der Abschlußprüfung beauftragten Person bis zu einer weiteren Koordinierungauf diesem Gebiet durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmt wird.“Nachdem nunmehr fast zwei Jahrzehnte vergangen sind und die MARC-Studie darlegt,daß immer noch gravierende Unterschiede bestehen, halte ich den Zeitpunkt für

Podiumsdiskussion I - Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers Werner Schülen

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gekommen, daß auf EU-Ebene - zur Erreichung der anfangs genannten Ziele - Inhaltund Form des Bestätigungsberichts durch eine EU-Richtlinie koordiniert werden. Basishierfür sollte ISA 700 sein. Um die notwendige Flexibilität im Hinblick auf künftigeEntwicklungen zu erhalten, sollte nur der Mindestinhalt des Bestätigungsberichtsvorgeschrieben werden. Festzulegen wäre z.B. der Adressatenkreis, Angaben über Artund Umfang der Prüfung sowie der erforderliche Inhalt des Prüfungsurteils.Berichterstattungspflichten z.B. bezüglich Going Concern, Internes Kontrollsystemsowie ggfs. Umwelt- und Sozialverhalten sollten nur dann verlangt werden, wenn dasManagement entsprechende Erklärungspflichten im Abschluß oder Lagebericht hat.Die Nichterteilung eines Prüfungsurteils sowie ein Negativvermerk sollten ausdrücklich- ggfs. mit Rechtsfolgen - vorgesehen sein. Auch sollte ein ausführlicherPrüfungsbericht, der der Unterstützung der Aufsichtsorgane dient und deshalb derÖffentlichkeit nicht zugänglich zu machen ist, vorgeschrieben werden.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen

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PODIUMSDISKUSSION II - ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND

BERUFSVEREINIGUNGEN

EINLEITUNG

Gemäß der Achten Richtlinie müssen die Abschlußprüfer von einer vom jeweiligenMitgliedstaat zu bestimmenden Behörde zugelassen sein. Diese Behörde mußsicherstellen, daß die als gesetzliche Abschlußprüfer zugelassenen Personen all denAnforderungen genügen, die von der Richtlinie vorgeschrieben sind, und daß sie diePrüfungen gemäß den Grundsätzen der beruflichen Integrität und der Unabhängigkeitdurchführen.

Ziel dieser Diskussionsrunde ist es, von den jeweiligen Rednern zu hören, wie dasSystem der Qualitätskontrolle in ihrem Land aufgebaut ist und welcheSchlußfolgerungen auf der Grundlage der in ihrem Land gemachten Erfahrungengezogen werden können.

Sollten auf EU-Ebene etwaige Maßnahmen ergriffen werden, um eine gleichwertigeQualitätskontrolle in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen? Kann auch auf anderemWege als auf dem gesetzgeberischen gewährleistet werden, daß die hohenPrüfungsgrundsätze nicht nur festgelegt, sondern auch eingehalten werden?

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Sarah Brown

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FRAU SARAH BROWN∗

ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND BERUFSVEREINIGUNGEN

1. EINFÜHRUNG

Ich halte die Initiative der Kommission zur Durchführung dieser Konferenz über dieRolle des Pflichtprüfers für sehr begrößenswert. Die MARC-Studie hat unserenKenntnisstand über die unterschiedlichen Praktiken in den einzelnen Mitgliedstaatenwesentlich verbessert, und im Grünbuch der Kommission werden zahlreiche wichtigeFragen angesprochen. Ich bin erfreut über die Gelegenheit, einen Beitrag zur Debatteüber diese Fragen leisten zu können.

Man hat mich gebeten, über das System der Qualitätskontrolle für die Tätigkeit derAbschlußprüfer im Vereinigten Königreich zu sprechen und dann auf die Frageeinzugehen, ob auf europäischer Ebene Lehren zu ziehen sind und Handlungsbedarfbesteht. Ehe ich dazu komme, möchte ich zunächst darauf eingehen, warum dieAbschlußprüfung so wichtig ist.

2. WARUM SIND ABSCHLUßPRÜFUNGEN VON BEDEUTUNG?

Abschlußprüfungen sind deshalb so bedeutsam, weil es auf verläßliche Abschlüsseankommt. Hierzu möchte ich aus dem Entwurf der Grundsatzerklärung desAccounting Standards Board zitieren: "Der Zweck der Abschlüsse besteht darin,Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zuliefern, die einem breiten Kreis von Nutzern die Einschätzung der Tätigkeit derUnternehmensleitung und das Fällen von wirtschaftlichen Entscheidungen erleichtern."Abschlüsse, die den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen, erleichtern denGeschäftsverkehr zwischen Unternehmen und bilden die Grundlage für fundierteInvestitionsentscheidungen. Im Endeffekt tragen sie zur Verringerung derKapitalkosten bei und erleichtern die Kapitalbeschaffung.

Abschlüsse sind jedoch nur zweckdienlich, wenn sie verläßlich sind. Und damit sindwir bei der Aufgabe des Abschlußprüfers. Die Unternehmensleitung hat für dieAufstellung der Abschlüsse zu sorgen. Doch in fast allen Ländern ist gesetzlichvorgeschrieben, daß zumindest größere Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit vonerheblicher Tragweite ist, ihre Abschlüsse von einem unabhängigen Abschlußprüferprüfen lassen müssen, der bestätigt, ob die Abschlüsse ordnungsgemäß aufgestellt sind.Im Vereinigten Königreich sind alle Unternehmen mit Ausnahme von Kleinstbetriebenverpflichtet, ihre Abschlüsse prüfen zu lassen.

Das Ziel der Pflichtprüfung besteht somit darin, den Wert der Abschlüsse für dieNutzer durch Erhöhung ihrer Verläßlichkeit zu steigern. Wer nun sind die Nutzer? DieAnteilseigner gehören zu den Hauptnutzern. Doch auch zahlreiche andere Personen ∗ Leiterin der Abteilung Gesellschaftsrecht im handels- und Industrieministerium, Vereinigtes

Königreich

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benötigen verläßliche Abschlüsse. Zu weiteren Nutzern gehören potentielle Investoren,tatsächliche und potentielle Gläubiger, Kreditgeber, Lieferanten, Beschäftigte,Aufsichtsbehörden und staatliche Stellen. Sie alle haben ein Interesse an verläßlichenfinanziellen Informationen.

Ich bin besonders auf diesen Punkt eingegangen, um aufzuzeigen, welch ein breiterPersonenkreis Interesse an Abschlußprüfungen und somit an der Qualität dieserPrüfungen hat. Dies ist eine Frage, die nicht nur die Berufsgruppe derWirtschaftsprüfer, die Berufsvereinigungen oder die staatlichen Behörden betrifft,sondern eine Frage, die die gesamte Wirtschaft berührt. Aus diesem Grund versuchenwir im Vereinigten Königreich, die Nutzer von Abschlüssen in die Diskussion über dieZukunft des Prüfungswesens einzubeziehen. Ich stelle erfreut fest, daß heute hier auchunterschiedliche Nutzer vertreten sind. Wir müssen stets dafür sorgen, daß auch ihreStimme Gehör findet.

3. DIE EINSCHLÄGIGEN BRITISCHEN REGELUNGEN

Vom britischen System zur Regelung der Abschlußprüfungen wird oft gesagt, esberuhe auf der beruflichen Selbstverwaltung. Dies ist eine zu starke Vereinfachung. DieBerufsgruppe der Wirtschaftsprüfer trägt zwar maßgeblich dazu bei, zu gewährleisten,daß von allen Mitgliedern angemessene Standesregeln eingehalten werden, doch würdeich dies als eine wesentliche Aufgabe jeder berufsständischen Vereinigung ansehen.Hinsichtlich der Abschlußprüfung findet die berufliche Selbstverwaltung jedochinnerhalb eines gesetzlichen Rahmens statt. Wir sehen es letztendlich als eine Aufgabedes Staates an, dafür zu sorgen, daß die Prüfungsqualität den legitimen Bedürfnissender Nutzer entspricht. Doch wir Regierungsvertreter nehmen nicht an, daß wir selbstam geeignetsten sind, um die Regeln zur Erreichung dieses Ziels zu konzipieren oderdurchzusetzen. Dazu benötigen wir das Fachwissen der Abschlußprüfer sowie dieHinweise der Unternehmen und der Nutzer.

Wie funktioniert nun unser System? Ich möchte mich heute auf die folgenden dreiAspekte konzentrieren:

• die Maßnahmen zur Beaufsichtigung der Abschlußprüfer

• die Maßnahmen zur Erarbeitung von Prüfungsgrundsätzen

• die Maßnahmen zur Stärkung der Autorität der Abschlußprüfer.

4. BERUFSAUFSICHT

Jeder Abschlußprüfer, der seinen Beruf im Vereinigten Königreich ausüben will, mußMitglied einer anerkannten Berufsvereinigung sein. Die Anerkennung setzt voraus, daßnur Prüfer mit der erforderlichen Qualifikation aufgenommen werden. DieBerufsvereinigung muß dem Minister nachweisen, daß sie über angemesseneRegelungen zur Fortbildung und zur Einhaltung der beruflichen Sorgfalt, derUnabhängigkeit und der fachlichen Anforderungen verfügt. Sie muß weiterhin überwirksame Regelungen zur Überwachung und Durchsetzung ihrer Vorschriften, zurUntersuchung von Beschwerden sowie - falls erforderlich - zur Verhängung vonDisziplinarmaßnahmen gegen die Mitglieder verfügen.

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Wir stehen mit den anerkannten Berufsvereinigungen in ständiger Verbindung. Wennnicht gewährleistet ist, daß eine bestimmte gesetzliche Vorschrift eingehalten wird,können wir bei Gericht einen Beschluß erwirken, mit dem die betreffendeBerufsvereinigung zur Änderung ihres Verhaltens veranlaßt wird. Falls erforderlichkönnen wir auch die Anerkennung der Berufsvereinigung widerrufen. Ich kannerfreulicherweise feststellen, daß wir diese Vollmachten noch nie in Anspruch nehmenmußten, doch trägt ihr Vorhandensein sicherlich dazu bei, daß die Aufmerksamkeit derfür die Selbstverwaltung Verantwortlichen nicht nachläßt.

Die Kriterien für die Anerkennung einer Berufsvereinigung beruhen natürlich auf der 8.Richtlinie und werden sich auch in Ihren eigenen Regelungen widerspiegeln. Die beidenAspekte unserer Regelung, auf die ich hier im einzelnen eingehen möchte, sindUnabhängigkeit und Kontrolle.

Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers ist von grundlegender Wichtigkeit. AufRegierungsebene besteht eine unserer wesentlichen Aufgaben darin, uns zu versichern,daß geeignete Maßnahmen getroffen sind, um die Unabhängigkeit des Abschlußprüferszu sichern. Die Unabhängigkeit hat jedoch zahlreiche Voraussetzungen: persönlicheEigenschaften wie Kompetenz, Integrität und Mut sowie das Vermeiden vonInteressenkonflikten und zu vertraulichen Beziehungen. Einige Grundanforderungenkönnen gesetzlich vorgesehen werden. Doch sind gesetzliche Vorschriften oft zunormativ. Sie schreiben detaillierte Anforderungen vor, die nicht immer erforderlichsind. Dadurch entstehen endlose Auslegungsprobleme. Und allzu oft sind sie leicht zuumgehen. Es ist effektiver, sich auf die zugrunde liegenden Prinzipien zu konzentrierenund zu sichern, daß diese eingehalten werden.

Damit sind wir bei der Kontrolle. Es reicht nicht aus, Vorschriften und Leitlinienlediglich aufzustellen. Es muß auch für ihre Einhaltung gesorgt werden. JedeBerufsvereinigung muß deshalb Kontrollmaßnahmen treffen, die u.a. die Überprüfungder jährlicher Berichte der Abschlußprüfer und ein Inspektionsprogramm, mit demjeder Prüfer mindestens einmal in sieben Jahren bzw. bei größerenPrüfungsgesellschaften in kürzeren Abständen erfaßt wird, beinhalten. Ich möchtebetonen, daß der Zweck dieser Maßnahmen in der Erhöhung des Qualitätsniveausdurch Weiterbildung sowie in der Verbreitung erprobter Praktiken, und nicht inSanktionen besteht.

Wir nähern uns jetzt dem Ende des ersten Zyklus von Kontrollbesuchen. DieReaktionen sind gemischt. In der Anfangszeit traten zahlreiche Probleme zutage,insbesondere bei kleineren Wirtschaftsprüfern, die wohl nicht mit der fachlichenEntwicklung Schritt gehalten hatten. Die häufigsten Fehlleistungen wurden umfassendbekanntgemacht, und erfreulicherweise ist festzustellen, daß das Qualitätsniveau imAnsteigen begriffen ist. Doch die Vermittlung der neuesten fachlichen Erkenntnissewird auch künftig erforderlich sein.

5. PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

Professor Percy hat bereits über die Zusammensetzung und die Tätigkeit des AuditPractices Board gesprochen. Ich möchte hier auf drei Punkte näher eingehen.

Erstens hat diese Einrichtung eine maßgebliche Rolle bei der Führung der Debatte überdie Rolle der Abschlußprüfung und die Prüfungsgrundsätze und deren künftige

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Ausgestaltung gespielt. Die fachgerechte Berufsausübung bedarf der Fortentwicklung,damit sie den veränderten Erfordernissen der Nutzer gerecht wird. Wir dürfen unsnicht an überalterte Vorschriften und Konzepte klammern.

Zweitens nimmt das Ziel der Erreichung der Kompatibilität der britischenPrüfungsgrundsätze und der internationalen Prüfungsgrundsätze immer größereBedeutung unter den Aufgaben des Board ein. Die Harmonisierung auf internationalerGrundlage ist ein erstrebenswertes Ziel, vorausgesetzt sie beruht auf höchstemfachlichen Niveau und nicht auf unvertretbar niedrigen Mindestvorschriften.

Drittens ist die Zusammensetzung des Audit Practices Board von ausschlaggebenderBedeutung, wenn sichergestellt werden soll, daß die Prüfungsgrundsätze dasöffentliche Interesse widerspiegeln. Als erstmals Prüfungsgrundsätze eingeführtwurden, betrachtete man sie als rein technische Angelegenheit und übertrug dieErarbeitung einem von der Berufsgruppe eingesetzten Gremium, dem fastausschließlich Abschlußprüfer angehörten. Die Ergebnisse mußten jeweils von allenBerufsvereinigungen bestätigt werden, was viel Zeit kostete. Zudem war zu bedenken,daß die Entscheidungen durch das Eigeninteresse der Prüfer beeinflußt werdenkönnten.

Vor fünf Jahren beschlossen die Berufsvereinigungen dann in anerkennenswerter Weisedie Errichtung des Audit Practices Board, das Prüfungsgrundsätze in eigener Regieverabschieden kann. Die Kommission besteht etwa zur Hälfte aus Abschlußprüfern. Zuden weiteren Mitgliedern gehören Unternehmen, Nutzer und Aufsichtsbehörden. Auchdie Regierungen des Vereinigten Königreichs und Irlands sind vertreten. Das Boardführt umfassende Konsultationen durch und achtet sorgfältig darauf, daß die Stimmeder Nutzer und das öffentliche Interesse berücksichtigt werden. Soweit mir bekannt ist,sind wir das einzige Land in der Welt, in dem die Belange der Allgemeinheit und derNutzer in dem Gremium vertreten sind, das die Prüfungsgrundsätze erarbeitet.

Trotzdem erachten wir es als notwendig, weitere Schritte zur Berücksichtigung deröffentlichen Belange und der Nutzerinteressen im Prüfwesen zu unternehmen.Gegenwärtig werden viele Mitglieder des Audit Practices Board von denBerufsorganisationen ernannt, so daß sich die Einrichtung gewissermaßen in deren"Besitz" befindet. In der Praxis hat das Board stets mit gutem Grund auf seineUnabhängigkeit gepocht. Doch könnte seine Stellung mißdeutet werden, was derAutorität schaden würde. Deshalb ist jetzt vorgeschlagen worden, die nochvorhandenen Bindungen an die Berufsvereinigungen zu beseitigen. Die Einzelheitendazu werden gegenwärtig erarbeitet, und es wird noch darüber debattiert, wie diekünftige Regelung im einzelnen aussehen soll. Es besteht jedoch Einhelligkeit darüber,daß das Board völlig unabhängig sein und auch so erscheinen muß und daß es dasöffentliche Interesse zu berücksichtigen hat. Natürlich müssen auch weiterhinbestimmte Mitglieder Abschlußprüfer sein - denn ohne ihr Fachwissen könnte dieseEinrichtung nicht ordnungsgemäß arbeiten -, doch wird es kein Gremium sein, in demdie Prüfer den Ton angeben.

6. FINANCIAL REPORTING REVIEW PANEL

Als nächstes möchte ich zur Stärkung der Autorität der Abschlußprüfer kommen. Endeder achtziger, Anfang der neunziger Jahre verhielten sich die Abschlußprüfer eindeutignachgiebiger gegenüber den Unternehmen, als es vom heutigen Standpunkt aus

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geboten erscheint. Dies war zum Teil auf das allgemeine finanzielle Klima zu jener Zeitzurückzuführen. Dabei drückten externe Prüfer oft ein Auge zu, wenn Unternehmenirreführende Bilanzen vorlegten. Wie konnte dies geschehen?

Meiner Meinung nach hatten die Unternehmen und die Abschlußprüfer die wichtigsteForderung, nämlich daß die Abschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild liefern müssen, aus den Augen verloren. Und wennAbschlußprüfer versuchten, konsequent zu sein, dann fehlte es ihnen an Unterstützung,um ihren Standpunkt durchzusetzen. Allzu oft galten fragwürdige Verfahrensweisen,die nicht ausdrücklich verboten waren, als akzeptabel. Wir sollten dies als Mahnungbetrachten, uns weniger auf detaillierte Vorschriften als auf allgemeine Grundsätze zuverlassen.

Doch diese Zeiten sind vorbei, obwohl wir natürlich stets wachsam sein müssen, damitsie nicht wiederkehren. Was hat sich verändert? Zwei bedeutende Faktoren. Durch dieArbeit des Accounting Standards Board hat sich die Qualität derRechnungslegungsgrundsätze beträchtlich erhöht. Im Ergebnis dieser Arbeit gibt esnunmehr viel eindeutigere Grundsätze und - zugegebenermaßen - auch zahlreiche neueVorschriften. Der Spielraum für subjektive Auslegungsmöglichkeiten bei derBilanzaufstellung wurde dadurch stark eingeengt.

Zweitens haben wir ein neues Gremium zur Durchsetzung der Vorschriften geschaffen- das Financial Reporting Review Panel. Seine Aufgabe besteht darin, alleBeschwerden hinsichtlich der Abschlüsse von Aktiengesellschaften zu prüfen. Kommtdas Panel zu dem Schluß, daß die Abschlüsse nicht den gesetzlichen Anforderungenbzw. den einschlägigen Bilanzierungsgrundsätzen entsprechen oder kein dentatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild liefern, kann es bei Gericht einenBeschluß auf Abänderung der Abschlüsse beantragen. Das Gericht kann beschließen,daß die gesetzlichen Vertreter die entsprechenden Kosten zu tragen haben. Bis jetztbrauchte das Panel sich jedoch noch in keinem Fall an die Gerichte zu wenden, da seineAutorität völlig ausreichte, um die Unternehmen zu einer freiwilligen Korrektur ihrerAbschlüsse zu bewegen. Dies ist eine sehr wirkungsvolle Sanktion, denn dieUnternehmen haben kein Interesse daran, bei einer Entscheidung des Panels zu ihrenUngunsten Negativschlagzeilen zu machen. Abschlußprüfer, die einen vom Panelbemängelten Abschluß durchgehen ließen, müssen mit disziplinarischen Maßnahmenseitens ihrer Berufsvereinigung rechnen. Dadurch ist nunmehr der Abschlußprüfer ineiner besseren Lage, sich gegen die Unternehmensleitung durchzusetzen, wenn dieseihn dazu bewegen möchte, von einem für richtig erachteten Standpunkt abzuweichen.

7. LEHREN FÜR ANDERE MITGLIEDSTAATEN UND HANDLUNGSBEDARF AUF EU-EBENE

Aus unseren Erfahrungen können meiner Meinung nach folgende Lehren gezogenwerden:

Erstens müssen wir uns stets vergegenwärtigen, daß die Abschlußprüfung demInteresse der Nutzer der Abschlüsse zu dienen hat. Bei allem, was wir tun, sind sieeinzubeziehen, und es ist darauf zu achten, daß ihre Belange berücksichtigt werden.Istdies nicht der Fall, verliert die Abschlußprüfung ihren Sinn.

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Zweitens werden einheitliche Prüfungsgrundsätze benötigt,die ständig zu aktualisierensind. Sie müssen sich mit den international geltenden Normen in Übereinstimmungbefinden. Es gibt keine speziellen Besonderheiten in der Europäischen Union. Wirsollten danach streben, eine Spitzenposition bei der Festlegung und Anwendung vonGrundsätzen einzunehmen, so daß die Abschlüsse unserer Unternehmen Vertrauen inder ganzen Welt genießen. Auf diese Weise stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Drittes haben die Regierungen die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß nicht nurVorschriften und Leitlinien gelten, die das höchste fachliche Niveau widerspiegeln,sondern daß auch Maßnahmen ergriffen werden, um deren Anwendung zugewährleisten. Wie diese Maßnahmen im einzelnen auszusehen haben, muß jederMitgliedstaat selbst entscheiden. Hier besteht kein Bedarf an Uniformität. Was in demeinen Land angemessen ist, muß nicht auch in den anderen angemessen sein undumgekehrt. Wichtig ist, daß das Ziel erreicht wird. Wir müssen uns auf die Ergebnissekonzentrieren, nicht auf die Methoden, mit denen sie erreicht werden.

Was ist schließlich auf EU-Ebene zu tun? Wir müssen uns nachhaltig für dieFertigstellung der Arbeit an den internationalen Prüfungsgrundsätzen einsetzen. Wirmüssen sicherstellen, daß der europäische Standpunkt in diesen Debatten gehört undberücksichtigt wird. Wir müssen zu einer gemeinsamen Auffassung zu Kernfragen wieder Unabhängigkeit des Abschlußprüfers gelangen.Wir müssen alle Mitgliedstaatenanhalten und überzeugen, dafür zu sorgen, daß diese Grundsätze nicht nur auf demPapier stehen, sondern in der Praxis zur Anwendung kommen. Dies müssen diePrioritäten sein. Wir brauchen keine neuen Vorschriften. Wir brauchen vor allem keineVorschriften, die verhindern, daß sich die fachliche Praxis in Übereinstimmung mit denBedürfnissen der Wirtschaft und dem Qualifikationsprofil der Prüfer weiterentwickelt.Wir benötigen hingegen eine gemeinsame Auffassung zu den Problemen, einegemeinsame Diskussion und die Propagierung der besten Erfahrungen.

Ich begrüße, daß die FEE die Verfahrensweisen in den einzelnen Mitgliedstaatenuntersuchen und einen gemeinsamen Kernbestand an Grundsätzen zur Unabhängigkeiterarbeiten will. Doch wie ich bereits anmerkte, ist die Abschlußprüfung eine zu ernsteAngelegenheit, als daß man sie allein den Abschlußprüfern überlassen könnte. Deshalbbegrüße ich den Vorschlag von Herrn Mogg zur Schaffung einer neuen Arbeitsgruppeim Rahmen des Kontaktausschusses, die alle interessierten Seiten umfassen soll. DieseKonferenz ist ein wertvoller erster Schritt. Auf dieser Grundlage sollten wir gemeinsamweiter voranschreiten.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Gérard Riviere

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HERR GÉRARD RIVIERE∗

ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND BERUFSVEREINIGUNGEN

Der Gedanke einer Kontrolle der Sorgfaltspflichten der Abschlußprüfer durch dieBerufsvereinigung ist alt, denn diese Kontrolle ist mit Artikel 66 des Dekrets vom12. August 1969 zur Regelung des "Berufsstands und der beruflichen Stellung vonAbschlußprüfern" festgelegt worden. Eine solche Überprüfung findet seitdem aufregionaler Ebene statt.

Im Jahre 1983 gelangte der Conseil national des commissaires aux comptes(Zentralvorstand der Abschlußprüfer) zu der Auffassung, daß die größtenGesellschaften auf zentraler Ebene einer vollständigeren Prüfung unterzogen werdenmüßten.

Die Compagnie nationale des commissaires aux comptes (französische Gesellschaft derAbschlußprüfer - CNCC) teilte der Börsenaufsichtsbehörde (COB) mit, daß sie dieAbsicht habe zu gewährleisten, daß die Abschlußprüfungen bei börsennotiertenfranzösischen Gesellschaften zweifelsfrei einem Qualitätsniveau, das dem der besteninternationalen Prüfungsgesellschaften gleichzusetzen ist, entsprechen. In diesemBestreben kam sie der Börsenaufsichtsbehörde entgegen, die ihrerseits wünschte, daßdie finanziellen Informationen der auf dem öffentlichen Kapitalmarkt Geldaufnehmenden französischen Gesellschaften genau so zuverlässig seien wie dieInformationen, die an den anderen großen Finanzplätzen zu erhalten sind. COB undCNCC waren zudem bestrebt, daß dieses Ziel im Rahmen einer ausschließlich vomBerufsstand selbst durchgeführten Kontrolle erreicht werde.

Diese gemeinsamen Anliegen führten zum Abschluß einer Vereinbarung im Jahre 1985,die vorsah, innerhalb von drei Jahren alle Akten der Abschlußprüfer vonbörsennotierten Gesellschaften zu überprüfen. Seither ist diese Vereinbarung zweimalverlängert worden; das letztemal im Jahre 1994.

Es sei darauf hingewiesen, daß das Bestehen einer mit den IAPC-Normenvergleichbaren Prüfungsordnung in Frankreich die Einführung einer solchenQualitätskontrolle ermöglicht hat.

Ehe wir näher auf die beiden Ebenen der Qualitätskontrolle eingehen, wollen wir nocheinmal die Ziele aufzeigen, die mit diesen Kontrollen erreicht werden sollen, und unsdie wichtigsten Zahlen vergegenwärtigen, an denen sich ablesen läßt, wie sehr derBerufsstand darum bemüht ist, solche Prüfungen auch durchzuführen.

1. DIE ZIELE DER QUALITÄTSKONTROLLE

Die zentrale Überprüfung der Berufstätigkeit dient dem gleichen Zweck wie die vonden regionalen Vorständen vorgenommene Tätigkeitsüberprüfung, d.h. alleAbschlußprüfer sollen zu einem einheitlichen, den gegenwärtigen Erfordernissen

∗ Präsident des Qualitätskontrollausschusses der Nationalen Gesellschaft der Abschlußprüfer,

Frankreich

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entsprechenden beruflichen Verhalten gebracht werden. Dabei handelt es sich imwesentlichen um eine Qualitätskontrolle. Nach außen hin ist entscheidend, daß demBestätigungsvermerk unabhängig von der Person des sie erteilenden Abschlußprüfersein gleicher Wert zuerkannt wird.

Abgesehen von einer Überprüfung der Sorgfaltspflichten soll mit der Qualitätskontrolleauch die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers abgesichert werden. Im Erreichen desgleichen berufswürdigen Verhaltens bei einem hohen Grad an Unabhängigkeit liegt alsoein Hauptziel der Tätigkeitsüberprüfung.

Abschlußprüfer sind zwar persönlich haftpflichtig, doch hinsichtlich der zivilrechtlichenFolgen ist die Situation etwas anders. Da der Abschlußprüfer aufgrund seinerZugehörigkeit zur CNCC den Schutz einer Gemeinschaftsversicherung genießt,begründet er mit seinen Handlungen außer seiner persönlichen Haftpflicht auch dieSolidarhaftung der Gemeinschaft. Daher muß die Tätigkeitsüberprüfung auch zu einerVerminderung der individuellen und gemeinschaftlichen Risiken führen.

Das Berufsbild hängt insgesamt auch von der ordnungsgemäßen Einhaltung derBerufsgrundsätze durch alle Abschlußprüfer ab.

So soll anhand der Tätigkeitsüberprüfung festgestellt werden können, ob dieBeurteilungen auch mit den in den Arbeitsunterlagen niedergelegten Schlußfolgerungenübereinstimmen und ob die Abschlußprüfer und ihre Hauptmitarbeiter eineausreichende Kenntnis der Wirtschaftsbereiche besitzen, in denen sie tätig werden.

Die Tätigkeitsüberprüfung, die in erster Linie als Instrument der Selbstdisziplin undnicht der Ahndung gedacht ist, soll Gelegenheit für einen kollegialen, konstruktivenDialog zwischen Abschlußprüfern und den Kontrollbeauftragten bieten, die ihrberufswürdiges Verhalten einzuschätzen haben.

Dieser Dialog ermöglicht jedem Abschlußrüfer, seine Einstellung zu denBerufsgrundsätzen zu überdenken und bringt somit seine Stärken und seine Schwächenzutage. Er ist für den Abschlußprüfer Anlaß zu Überlegungen hinsichtlich derVeränderung seines praktischen Vorgehens, das er sich sowohl für eine bessereAusführung des Auftrags als auch für die Verhinderung der einzugehenden Risiken zueigen machen muß. Letzten Endes bringt dieser Dialog den mit diesem Verfahrenvertraut gemachten Abschlußprüfer dazu, sich mit seinen eigenen Verantwortlichkeitenauseinanderzusetzen.

Die Tätigkeitsüberprüfung hat unbestreitbar erzieherischen Wert und muß ihn auchbehalten; nur so soll sie verstanden werden. Dennoch kann es vorkommen, daß dieseVerfahren auf regionaler wie auf nationaler Ebene in letzter Konsequenz zu einemstandesrechtlichen Disziplinarverfahren führen.

Die Überprüfungen der Berufstätigkeit sind schließlich für die Regionalvorstände wiefür den Zentralvorstand eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich ständig über dieProbleme der Abschlußprüfer zu informieren. Es ist also zweckmäßig, wenn dieAbschlußprüfer bei den persönlichen Überprüfungen ihrer Tätigkeit auch Gelegenheithaben, ihre besonderen oder allgemeinen Anliegen anzubringen.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Gérard Riviere

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2. DIE WICHTIGSTEN ZAHLENANGABEN

Der Berufsstand wendet bereitwillig in jedem Jahr eine erhebliche Anzahl von Stundenfür die Qualitätskontrolle auf, die entweder von den regionalen Berufsverbänden odervom Landesverband vorgenommen wird.

Die Kontrollperiode 1995/1996, die die Prüfung der Abschlüsse von Gesellschaftenbetraf, die in den meisten Fällen per 31. Dezember 1994 erstellt worden waren, hatfolgende Zahlen ergeben:

• regionale Kontrolle der Tätigkeit: 4 500 überprüfte Firmenakten, 2 200kontrollierte Abschlußprüfer, etwa 37 000 Kontrollstunden,

• zentrale Überprüfung der Tätigkeit bei börsennotierten Gesellschaften: 163überprüfte Firmenakten, 151 betroffene Prüfungsbüros, 24 000 Kontrollstunden,

• zentrale Überprüfung der Firmenakten von OGAW (Kapitalanlagegesellschaften):58 überprüfte Firmenakten, 14 betroffene Prüfungsbüros mit insgesamt 900Aufträgen, 3 000 Kontrollstunden.

3. REGIONALE ÜBERPRÜFUNG DER BERUFSTÄTIGKEIT (ERA)

In Artikel 66 des Dekrets vom 12. August 1969 sind für den Abschlußprüfer und fürden Regionalvorstand bestimmte Pflichten festgelegt. So hat der Abschlußprüfer u.a.für jede geprüfte Gesellschaft eine Akte zu führen, in der die ihm von der Gesellschaftübergebenen und die von ihm selbst bei den Prüfungen erstellten Unterlagen enthaltensind. Diese Firmenakten werden 10 Jahre lang aufbewahrt und stehen den Instanzendes Berufsstands zur Verfügung. Der Regionalvorstand muß nach Maßgabe diesesArtikels mindestens einmal pro Jahr die Abschlußprüfer in seinemZuständigkeitsbereich kontrollieren.

Hierbei ist festzustellen, daß der genannte Artikel die Kontrollpflicht desRegionalvorstands und die Pflichten des Abschlußprüfers zwar miteinander verbindet,aber keine genaue Festlegung zum Inhalt der Kontrollen trifft. Diese Anmerkung istinsofern wichtig, als sich die Pflichten des Abschlußprüfers aus einer Reihe vonverbindlichen Rechtstexten ergeben (Gesetz vom 24. Juli 1966, Dekret vom12. August 1969, CNCC-Normen, berufsständischer Verhaltenskodex, Empfehlungendes Conseil national de la comptabilité (Nationalrat fürBuchführung/Rechnungslegung) usw.).

Die Regionalvorstände haben die Berufsausübung in ihrem Zuständigkeitsbereich zuüberwachen (Art. 38 (3) des Dekrets vom 12. August 1969), während es Aufgabe desZentralvorstands ist, "das Wirken der Regionalvorstände insbesondere zurGewährleistung eines berufswürdigen Verhaltens der Abschlußprüfer zu koordinieren"(Art. 60 des Dekrets von 1969) sowie Inhalt und Form der Tätigkeitsüberprüfungfestzulegen.

Die Pflichten nach Artikel 66 sind in Artikel 22-25 des berufsständischenVerhaltenskodexes näher bezeichnet, und einige Präzisierungen wurden denRegionalvorständen vom Zentralvorstand in Form von Empfehlungen zugeleitet.

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Inhalt und Schlußfolgerungen der regionalen Überprüfung der Berufstätigkeit

Die Überprüfung bezieht sich auf folgende Punkte:

• allgemeine Organisation der Tätigkeit des Abschlußprüfers sowie Beachtung derSatzungsvorschriften und Befolgung der Berufspflichten (sogenannte horizontaleKontrolle),

• Einhaltung der Grundsätze für die Ausführung der Prüfung.

Im Ergebnis der Überprüfung muß sich der vom Regionalvorstand bestimmteKontrollbeauftragte eine Meinung über die Methoden und die Arbeitsorganisation desPrüfungsbüros bilden; dabei richtet er sich nach den zwingend vorgeschriebenenPflichten, den Berufsgrundsätzen und der Anforderung an den Abschlußprüfer, beieinem auftretenden Haftungsfall die Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflicht stichhaltignachweisen zu können.

Er muß in der Lage sein, Antwort auf folgende Fragen zu geben:

• Stimmen die Organisation und die Mittel des Prüfungsbüros mit den wahr-genommenen Aufträgen überein?

• Ist die im Prüfungsbüro zur Verfügung stehende Dokumentation auf dem neustenStand, mühelos einsehbar und entspricht sie den wahrgenommenen Aufträgen?

• Wurden die Unabhängigkeits- und Unvereinbarkeitsregeln befolgt?

• Wurden aussagekräftige Überprüfungsunterlagen erstellt?

• Wurden die Arbeitsnormen für die Bestätigung eingehalten? Läßt die Überprüfungeinzelner Akten den Schluß zu, daß hier eine einwandfreie praktische Anwendungerfolgt ist?

• Entspricht die persönliche Tätigkeit des für den Auftrag zuständigen Abschluß-prüfers den Grundsätzen?

• Wurden die Regeln der Satzung bzw. der Berufspflicht sowie die Regeln derKollegialität eingehalten?

Nach der Überprüfung schlägt der Kontrollbeauftragte dem RegionalvorstandEmpfehlungen vor, die dem Abschlußprüfer sowohl im Hinblick auf die Organisationseines Prüfungsbüros als auch auf die Grundsätze, die er beim Anlegen der überprüftenAkten angewendet hat, übermittelt werden, und unterbreitet seine Schlußfolgerungen.

Nur der Regionalvorstand ist befugt, den überprüften Abschlußprüfer über dieendgültigen Bemerkungen und Schlußfolgerungen im Ergebnis der vorgenommenenÜberprüfung seiner Berufstätigkeit in Kenntnis zu setzen.

Auswahl der Kontrollbeauftragten

Bei der Auswahl der die Überprüfung der Berufstätigkeit vornehmenden Kontroll-beauftragten sind nachfolgende Regeln zu beachten:

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Voraussetzungen für die Funktion des Kontrollbeauftragten

• Abschlußprüfer, die als Kontrollbeauftragte für die regionale Überprüfung derBerufstätigkeit fungieren, gehören dem Regionalvorstand an oder sind von diesemdazu befugte Abschlußprüfer.

Anforderungen:

• – Sie müssen ausreichende Erfahrungen in der Abschlußprüfung besitzen, die ander Anzahl der geleisteten Stunden zu messen ist (pro Jahr ein Mindestmaß vonetwa 300 Stunden).

• Ihre eigene Berufstätigkeit muß überprüft worden sein und darf zu keinernennenswerten Beanstandung geführt haben.

• Sie müssen sich verpflichten, in jedem Jahr ein Minimum an Kontrollstunden zuleisten, das einer Dauer von mindestens zwei Tagen entspricht.

• Sie müssen sich verpflichten, die Fortbildungsanforderungen, wie sie imberufsständischen Verhaltenskodex und in den Berufsgrundsätzen vorgesehen sind,einzuhalten.

Pflichten der Kontrollbeauftragten

• Sie haben die Aufträge entsprechend der Methodik auszuführen, wie sie von derBerufsvereinigung festgelegt worden ist.

• Sie haben sich, insbesondere hinsichtlich der Berufsmoral (Unabhängigkeit,Berufsgeheimnis, Kollegialität usw.), an die Normen zu halten.

Die Kontrollbeauftragten haben jeden Auftrag abzulehnen, der sich gegebenenfallsnicht mit ihrer Unabhängigkeit vereinbaren läßt. Diese Unabhängigkeit bezieht sichzunächst auf den Berufskollegen (z.B. Bestehen von Verwandtschaftsverhältnissenoder von Kapitalverbindungen, Streitfälle in der Vergangenheit oder zur Zeit anhängigusw.) und dann auf die Auswahl der zu überprüfenden Firmenakten. So dürfenKontrollbeauftragte nicht Firmenakten von Berufskollegen auswählen, die sie in derEigenschaft als Vertreter, als Rechnungssachverständiger oder als Abschlußprüfer beiTochtergesellschaften bzw. bei der Stammgesellschaft bearbeiten.

• Die Kontrollbeauftragten sind verpflichtet, an den auf regionaler oder nationalerEbene stattfindenden Bildungsmaßnahmen für die mit der regionalen Überprüfungder Berufstätigkeit (ERA) Beauftragten teilzunehmen.

• Sie haben jährlich an den Informationstagungen zu den Schlußfolgerungen undLeitlinien für jede Kontrollperiode teilzunehmen.

Verbindliche Regeln für die regionalen Berufsverbände

Die Berufsverbände haben Sorge zu tragen:

• für die Festlegung einer befristeten Zeitspanne zur Ausübung der Funktionen desKontrollbeauftragten;

• dafür, daß nicht der gleiche Kontrollbeauftragte benannt wird, um zweimalhintereinander die Überprüfung des gleichen Berufskollegen vorzunehmen,

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unabhängig davon, ob es sich um eine reguläre oder erneut angesetzte Überprüfunghandelt; bilden zwei Kontrollbeauftragte ein Team, dann muß bei einem von ihnendie vorstehende Voraussetzung erfüllt sein;

• dafür, daß jeder neue Kontrollbeauftragte von einem erfahrenenKontrollbeauftragten begleitet wird.

4. ZENTRALE ÜBERPRÜFUNG DER BERUFSTÄTIGKEIT (CENA)

Um dem Zentralvorstand zu ermöglichen, eine Qualitätskontrolle für Gesellschaftenbestimmter Größe vorzunehmen, wurde Artikel 66 des Dekrets vom 12. August 1969durch das Dekret vom 3. Juli 1985 abgeändert. Der Ausschuß für die zentraleÜberprüfung der Berufstätigkeit (CENA) erhielt vom Zentralvorstand den Auftrag,sämtliche auf nationaler Ebene vorgenommenen Überprüfungen der Berufstätigkeit zubeaufsichtigen.

Der Ablauf der zentralen Überprüfung der Berufstätigkeit unterscheidet sich in seinenModalitäten von der regionalen Überprüfung der Berufstätigkeit im wesentlichen indrei Punkten:

• Hinzuziehung von verantwortlichen Fachkräften aus den Reihen der haupt-amtlichen Mitarbeiter des Zentralvorstands CNCC, die dafür zuständig sind, dieseÜberprüfungen zu organisieren und die Schlußfolgerungen abzustimmen (aufregionaler Ebene übernimmt der Beauftragte nach Artikel 66 als gewähltesMitglied des Regionalvorstands (CRCC) ebenfalls diese Aufgabe, doch wenigerausführlich und auf freiwilliger Basis);

• Überprüfung des Berichts der Kontrollbeauftragten durch eine (ausAbschlußprüfern gebildete) Kammer des CENA auf einer Sitzung des CNCC, ander die überprüften Abschlußprüfer, die Kontrollbeauftragten und dieFachverantwortlichen teilnehmen. Im Ergebnis der Sitzung wird von der Kammerein Auswertungsblatt mit Schlußfolgerungen angelegt;

• Abhalten einer zweiten Sitzung in Anwesenheit eines Vertreters derBörsenaufsichtsbehörde COB, der überprüften Abschlußprüfer, derKontrollbeauftragten und eines Mitglieds der CENA-Kammer (im allgemeinen desVorsitzenden). Nach dieser Sitzung gibt die COB ihre Stellungnahme zu dem vomCENA angelegten Auswertungsblatt ab.

Die zentralen Überprüfungen der Berufstätigkeit erstrecken sich auf:

• die Aufträge der Abschlußprüfer bei jeder Einrichtung, die zumZuständigkeitsbereich der COB gehört,

• die Aufträge der Abschlußprüfer gemäß vorstehendem Punkt bei denTochtergesellschaften der unter die Überprüfungen fallenden Gesellschaften,

• die Aufträge der Abschlußprüfer bei nichtbörsennotierten Gesellschaften, soferndiese einem vom Zentralvorstand bestimmten Wirtschaftsbereich zuzuordnen sind,

• Kapitalbeteiligungen unter Mitwirkung börsennotierter Gesellschaften, wenn dieGründungs- oder Fusionsprüfer Abschlußprüfer sind,

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• die von den Prüfungsbüros angewendeten Verfahren zur Behandlung der Aktenvon Gesellschaften, die einem vom Zentralvorstand bestimmten Wirtschaftsbereichzuzuordnen sind.

Auch alle von den Abschlußprüferbüros eingeführten Maßnahmen zur Absicherungeines bestimmten Qualitätsniveaus ihrer Aufträge, die unter die zentrale Überprüfungder Berufstätigkeit fallen, können einer Überprüfung unterzogen werden ("horizontale"Kontrolle). Sie können in ein ständig geführtes Bezugsdossier aufgenommen werden,das vom betreffenden Büro dem Landesverband der Abschlußprüfer zur Verfügunggestellt wird.

Inhalt der zentralen Überprüfung der Berufstätigkeit

Mit der zentralen Überprüfung der Berufstätigkeit sollen folgende Punkte abgesichertwerden:

• die Qualität der Tätigkeit der Abschlußprüfer, gemessen an den Berufsgrundsätzen,

• die Zuverlässigkeit der von den Gesellschaften erstellten Information über dieRechnungslegung,

• die korrekte Einhaltung der Vorschriften für die Rechnungslegung,

• die Beachtung der Unabhängigkeitsregeln.

Der Kontrollbeauftragte hat sich davon zu überzeugen, daß die vom Prüfungsbüroausgeführten Arbeiten den Bestimmungen entsprechen, wie sie in der Sammlung der"Grundsätze für die Auftragsausführung" des CNCC festgelegt sind, und sichinsbesondere mit den geltenden Normen für Arbeitsart und -organisation, für dieBerichte, die spezifischen Pflichten und die Anwendung der Kontrollverfahren inÜbereinstimmung befinden.

Anhand dieser Überprüfung der Akten muß eingeschätzt werden können, ob die vomPrüfungsbüro abgegebenen Berichte begründet sind und in Übereinstimmung mit denCNCC-Normen korrekt formuliert wurden.

Bei jeder überprüften Akte wird auch eine gesonderte Überprüfung der Unabhängig-keit der Abschlußprüfer vorgenommen, und zwar ausgehend von der dafür geltendenNorm und ihren Erläuterungen sowie von den Bestimmungen des berufsständischenVerhaltenskodexes.

Wenngleich die Kontrolle der allgemeinen Organisation der Tätigkeit des Abschluß-prüfers ("horizontale" Kontrolle) in den Bestimmungen für die zentrale Überprüfungder Berufstätigkeit vorgesehen ist, so wird sie auf nationaler Ebene gegenwärtig nichtdurchgeführt. Es erfolgen lediglich Überprüfungen von Abschlußprüferakten("vertikale" Kontrolle).

Auswahl der Kontrollbeauftragten

Die Kontrollbeauftragten haben bei der Ausführung ihres Auftrags eine Reihe vonRegeln zu beachten.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Gérard Riviere

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Voraussetzungen für die Funktion des Kontrollbeauftragten

Anforderungen:

• Sie müssen eingetragene Abschlußprüfer sein und Zeichnungsberechtigung haben,wenn sie in einer eingetragenen Prüfungsgesellschaft tätig sind.

• Sie müssen in der jüngeren Vergangenheit eine mindestens zehnjährige Erfahrungin der Ausführung von Aufträgen für börsennotierte Gesellschaften aufweisen.

• Sie müssen mit der Problematik der Bestätigung von konsolidierten Abschlüssenvertraut sein.

• Sie müssen an den Fortbildungsseminaren über die Normen der französischenBerufsvereinigung teilgenommen haben.

• Sie müssen etwa hundert Stunden für diese Überprüfung der Berufstätigkeitaufwenden können.

• Sie haben an einem zweitägigen Schulungsseminar über Qualitätskontrollverfahrenteilzunehmen.

Pflichten der Kontrollbeauftragten

• Sie verpflichten sich, ihre Aufträge in Übereinstimmung mit den verbindlichenBestimmungen für die zentrale Überprüfung der Berufstätigkeit auszuführen.

• Bei der Ausführung ihrer Aufträge richten sie sich nach den gleichen Regeln, wiesie in den Grundsätzen für die Auftragsausführung vorgesehen sind, wobei dieGrundsätze für die Unabhängigkeit und das Berufsgeheimnis besonders zubeachten sind.

• Sie führen ihren Auftrag intuitu personae aus und dürfen sich in keinem Fall vonMitgliedern ihres Prüfungsbüros unterstützen oder vertreten lassen, ob dieseeingetragene Abschlußprüfer sind oder nicht.

• Nach Abschluß ihres Auftrags dürfen sie keinerlei Unterlagen über dievorgenommenen Überprüfungen in irgendeiner Form (Papier oder elektronischeDatenträger) aufbewahren. Sie dürfen Informationen, über die sie imZusammenhang mit ihren Überprüfungsarbeiten Kenntnis erhalten haben, unterkeinen Umständen weitergeben und nicht selbst verwenden.

• Vor Annahme eines Kontrollauftrags haben sie sich zu vergewissern, daß sietatsächlich "unabhängig" von den Abschlußprüfern sind, die sie überprüfen sollen;jeden strittigen Fall haben sie den hauptamtlichen Mitarbeitern des CNCC zumelden.

Die Fachverantwortlichen

Dies sind hauptamtlich im CNCC mitarbeitende Abschlußprüfer, die im wesentlichenfolgende Funktionen wahrnehmen:

• Auswahl der zu überprüfenden Akten nach den Leitlinien des Büros desZentralvorstands,

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Gérard Riviere

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• Planung der Maßnahmen der Kontrollbeauftragten,

• Angleichung der von den Kontrollbeauftragten angelegten Überprüfungsblätter,

• Beaufsichtigung des reibungslosen Ablaufs der Überprüfungsperiode undgegebenenfalls Herstellung der Verbindung zwischen den Beteiligten:Kontrollbeauftragte, Abschlußprüfer, Mitglieder des Ausschusses für zentraleÜberprüfung der Berufstätigkeit (CENA), Vertreter der Börsenaufsichtsbehörde(COB).

Zusammensetzung und Funktionsweise des CENA

Der Ausschuß für zentrale Überprüfung der Berufstätigkeit hat 28 Mitglieder, die alseingetragene Abschlußprüfer alle vom Zentralvorstand bestellt worden sind. DieBestellung erfolgt für zwei Jahre.

Die vom CENA getroffenen Entscheidungen (Auswertungsblätter mit Schlußfolgerun-gen) werden an den Regionalvorstand weitergeleitet, der insbesondere bei Über-prüfungen, die nach Maßgabe von Artikel 66 vorgenommen worden waren, dieUmsetzung übernimmt und einschätzt, ob gegebenenfalls ein Disziplinarverfahreneinzuleiten ist. Für Disziplinarverfahren ist der Regionalvorstand zuständig, wobei derZentralvorstand auch die Befugnis hat, das Ehrengericht anzurufen.

Der CENA legt jährlich dem Zentralvorstand einen Tätigkeitsbericht vor, über den dieserendgültig beschließt. Der Bericht wird dann der COB zugeleitet

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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DR. BURKHARD HENSE∗

ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND BERUFSVEREINIGUNGEN

1. EINLEITUNG

Die staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen werden im Grünbuch derEuropäischen Kommission zur Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in derEuropäischen Union an vielen Stellen angesprochen. Im Rahmen derPodiumsdiskussion soll nur ihre Rolle bei der Qualitätskontrolle behandelt werden. Ichbeschränke mich deswegen ausdrücklich darauf.

Unter Maßnahmen der Qualitätskontrolle versteht das Grünbuch

• Die Regeln für die Zulassung von Personen zur Abschlußprüfung und

• die Regeln für die Durchführung von Abschlußprüfungen einschließlich derKontrolle der Einhaltung dieser Regeln.

1. Bei der Qualitätskontrolle in diesem Sinne wirken in Deutschland die staatlichenBehörden und die Berufsvereinigungen zusammen.

a) Als staatliche Behörden sind in Deutschland eingeschaltet

• die Minister/Senatoren für Wirtschaft der Länder als die eigentlichhandelnden Behörden,

• das Bundesministerium für Wirtschaft als eher koordinierende Stelle;

b) als Berufsvereinigungen

i. die Wirtschaftsprüferkammer (WPK),

• bei der alle Personen, die Abschlußprüfungen (Pflichtprüfungen) inDeutschland durchführen, Mitglied sein müssen; das sind

• ca. 8.500 Wirtschaftsprüfer (WP) und

• ca. 4.250 vereidigte Buchprüfer

• sowie alle Wirtschaftsprüfungsgesellschaften undBuchprüfungsgesellschaften.

Während Wirtschaftsprüfer alle Unternehmen prüfen können, sind vereidigteBuchprüfer nur befugt, mittelgroße GmbH's zu prüfen. Da die vereidigtenBuchprüfer dabei aber deutschen Regeln unterliegen, wird nachfolgend nichtmehr zwischen Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern, bzw.Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaftenunterschieden .

∗ Präsident der Wirtschaftsprüferkammer, Deutschland

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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i. als Vereine des privaten Rechts, bei denen dieMitgliedschaft freiwillig ist

• das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), bei dem ca.85 % der Wirtschaftsprüfer und

• der Bundesverband der vereidigten Buchprüfer e.V., bei dem ca. 40 %der vereidigten Buchprüfer Mitglied sind.

Sehr pauschal kann man sagen, daß bei der Zulassung von Abschlußprüfernder Schwerpunkt bei den staatlichen Behörden, bei den Regeln für dieDurchführung von Abschlußprüfungen einschließlich der Kontrolledemgegenüber die wesentliche Rolle bei den Berufsvereinigungen liegt.

2. Zum Verhältnis der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen möchte ich andie Feststellung der EU-Kommission im Fazit des Grünbuchs anknüpfen, wonachden Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit besondereAufmerksamkeit zu widmen ist.

Diese Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sollten auchhinsichtlich der Aufgabenstellung und Befugnisse der staatlichen Behörden imVerhältnis zu denen der Berufsvereinigungen gelten.

Dies bedeutet im Prinzip, daß staatliche Behörden nur dann tätig werden sollen,wenn die Aufgabenstellung der Berufsvereinigungen dem öffentlichen Interessenicht gerecht wird oder sie ihre Aufgabenstellung nicht erfüllen. StaatlicheBehörden und Berufsvereinigungen sollten wiederum nur dann tätig werden,wenn die einzelnen Berufsangehörigen die im Interesse der Öffentlichkeiterforderliche Qualität der Abschlußprüfung nicht hinreichend sicherstellen.

Tendenziell sind in Deutschland diese Grundsätze der Subsidiarität undVerhältnismäßigkeit verwirklicht, wobei im Einzelfall natürlich auch andereLösungen denkbar wären. Die bestehende Aufgabenverteilung und -wahrnehmungist darüber hinaus ständig im Hinblick auf neuere Entwicklungen zu überprüfen.

2. ZULASSUNG ZUM PRÜFERBERUF

Voraussetzung für die Tätigkeit als Abschlußprüfer ist in Deutschland ein staatlichesExamen, wobei die Zulassung zu diesem Examen wie das Examen selbst gesetzlich inder WPO und das Nähere in einer Rechtsverordnung (Prüfungsordnung) geregeltworden sind.

2.1 Zulassung zum Examen

1. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und die Prüfungsordnung sind imRahmen der Umsetzung der Achten Richtlinie (84/253/EWG) im Jahr 1986 neugefaßt worden. Es wird generell ein Hochschulstudium sowie eine vierjährigePrüfungstätigkeit vorausgesetzt. Mit den vier Jahren ist man in Deutschland umein Jahr über die Anforderungen der Achten Richtlinie (Art. 8 Abs. 1 Satz 1)hinausgegangen, die bekanntlich nur drei Jahre gefordert hat.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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2. Über die Zulassung zum WP-Examen entscheiden Zulassungsausschüsse, die beiden Wirtschaftsministerien der Länder gebildet worden sind. DieseZulassungsausschüsse bestehen aus einem Vertreter des Ministeriums, einemVertreter der Wirtschaft sowie zwei Berufsangehörigen.

Die Wirtschaftsprüferkammer ist als Berufsvereinigung in der Weiseeingeschaltet, daß sie

• die Berufsangehörigen für die Zulassungsausschüsse vorzuschlagen und

• gutachterliche Äußerungen zum Vorliegen derZulassungsvoraussetzungen abzugeben hat.

2.2 Das Examen selbst

1. Als Prüfungsgebiete sind zunächst alle in der Achten Richtlinie genannten Fächervorgeschrieben.

Nach unseren Erfahrungen nehmen darüber hinaus die Prüfungsgebiete Steuer-und Wirtschaftsrecht in Deutschland einen wesentlich breiteren Raum ein als inanderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies hängt damit zusammen,daß der Wirtschaftsprüfer und der vereidigte Buchprüfer in Deutschland nicht nurzur Abschlußprüfung, sondern gleichzeitig auch zur Steuerberatung und zum Teilauch zur Rechtsberatung befugt ist.

Steuerberatung und Rechtsberatung sind in Deutschland gesetzlich geregelteVorbehaltstätigkeiten, zu deren Ausübung es einer besonderen Zulassung - nachAblegung eines staatlichen Examens - bedarf. Der Wirtschaftsprüfer undvereidigte Buchprüfer, der diese Befugnis seit eh und je hat, muß deswegen(auch) die entsprechenden Kenntnisse in seinem Examen nachweisen.

2. Das WP-Examen ist nach dem Gesetz eine staatliche Prüfung, d.h. es wird vonden Prüfungsausschüssen bei den Landeswirtschaftsministerien abgenommen. DieZusammensetzung der Prüfungsausschüsse spiegelt den interdisziplinärenCharakter der Abschlußprüfung wider. Mitglieder sind jeweils ein Vertreter derLandesbehörde, ein Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre, ein Mitglied mitder Befähigung zum Richteramt, ein Vertreter der Finanzverwaltung, einVertreter der Wirtschaft sowie zwei Berufsangehörige. Die Berufsangehörigenwerden von der Wirtschaftsprüferkammer vorgeschlagen.

2.3 Große Rolle der staatlichen Behörden

Die ohne Zweifel starke Rolle des Staates bei der Zulassung zum Prüferberuf, d.h.insbesondere des Gesetzgebers bei der Schaffung der Regeln für das WP-Examen undder staatlichen Behörden bei der Abnahme des Examens hängt mit dem rechtlichenRahmen in Deutschland, d.h. insbesondere den verfassungsrechtlichen Gegebenheitenzusammen. Diese lassen sich nicht ohne weiteres ändern - es sei denn, man würde aufden Charakter der staatlichen Prüfung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüferin Deutschland verzichten. Das aber ist nicht möglich, solange auch für alle anderenverwandten oder benachbarten Berufe, d.h. insbesondere der Rechtsanwälte und

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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Steuerberater, das Prinzip der staatlichen Prüfung gilt. Es würde auch die Befugnis derWirtschaftsprüfer/vereidigten Buchprüfer zur Steuerberatung und eingeschränkterRechtsberatung gefährden.

Für die Berufsvereinigungen ist diese Situation insbesondere auch deswegenakzeptabel, weil sie in maßgeblicher Weise in das Examensverfahren eingeschaltet sindund deswegen darauf einen maßgeblichen Einfluß ausüben könnten und auchtatsächlich ausüben.

3. DIE DURCHFÜHRUNG VON ABSCHLUßPRÜFUNGEN

Bei der Durchführung von Abschlußprüfungen möchte ich zwischen den Regeln für dieDurchführung von Abschlußprüfungen und der Kontrolle der Einhaltung dieser Regelnunterscheiden.

3.1 Verhaltensnormen und Prüfungsgrundsätze

Die Regeln für die Durchführung von Abschlußprüfungen können in allgemeineVerhaltensnormen und besondere fachliche Grundsätze aufgeteilt werden.

1. Die allgemeinen Verhaltensregeln im Sinne Berufsethischer Normen sind inDeutschland zunächst gesetzlich angeordnet, und zwar im wesentlichen in derWPO, einige speziellere auch im HGB.

Die WPO legt als allgemeine Berufspflichten, die für alle Tätigkeiten der Prüfergelten, fest

• die Unabhängigkeit

• die Gewissenhaftigkeit

• die Verschwiegenheit

• die Eigenverantwortlichkeit.

Für die Tätigkeit als Abschlußprüfer wie übrigens auch als Gutachter gilt daneben noch

• der Grundsatz der Unparteilichkeit und

• die Pflicht zum Absehen von einer Tätigkeit bei Besorgnis der Befangenheitoder drohendem Gesetzesverstoß.

Aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung hat dieWirtschaftsprüferkammer seit Anfang 1995 die Befugnis, zu diesen allgemeinenBerufspflichten nähere Regelungen mit Normcharakter zu treffen. Sie hat von dieserBefugnis mit dem Erlaß einer Berufssatzung Gebrauch gemacht, die am 15. September1996 in Kraft getreten ist. Wegen ihres Normcharakters sind die Bestimmungen in derBerufssatzung nicht nur für alle Berufsangehörigen verbindlich, sondern müssen auchvon den staatlichen Behörden und Gerichten wie ein Gesetz oder eineRechtsverordnung beachtet werden.

2. Die besonderen fachlichen Regelungen zu

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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• Gegenstand und Umfang der Pflichtprüfung sowie

• Inhalt des Bestätigungsvermerks und des Prüfungsberichts

sind in Deutschland ebenfalls gesetzlich geregelt (§§ 317, 321, 322 HGB), nicht jedochdie einzelnen Prüfungs- und Berichtsgrundsätze.

Hier kündigt sich nur insoweit eine Änderung an, als die Bundesregierung nach langenDiskussionen den Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz imUnternehmensbereich am 22. November 1996 vorgelegt hat. Danach soll künftig derinternational anerkannte, risikoorientierte Prüfungsansatz auch gesetzlichvorgeschrieben werden - ebenso wie die Pflicht zu prüfen, ob die Risiken derzukünftigen Entwicklung des Unternehmens im Lagebericht zutreffend dargestellt sind.

Die einzelnen Prüfungsgrundsätze wurden bisher vom Institut der Wirtschaftsprüfer inDeutschland erarbeitet und in der Form der sogenannten Fachgutachten niedergelegtund verlautbart. Diese Fachgutachten unterscheiden sich von den ISA's in erster Liniedurch eine geringere Regelungstiefe und Ausführlichkeit. Inhaltlich bestehen nachallgemeiner Auffassung keine wesentlichen Unterschiede zwischen den deutschen undden internationalen Prüfungsgrundsätzen.

Die Prüfungsgrundsätze des IDW haben anders als die Regelung der Berufssatzung derWirtschaftsprüferkammer keinen Normcharakter, sie sind formal nur für das Mitgliedbindend, weil und solange es dem IDW als Mitglied angehört, d.h. im Ergebnisaufgrund freiwilliger Selbstbindung. Die deutschen Gerichte haben es bisher auchabgelehnt, diesen Prüfungsgrundsätzen die rechtliche Bindungswirkung von DIN-Normen, wie sie in Deutschland insbesondere im technischen Bereich gebräuchlichsind, beizumessen. Dessenungeachtet werden die Fachgutachten des IDW als wichtigeErkenntnisquelle und Leitlinie für das "richtige" Vorgehen bei der Abschlußprüfungangesehen.

Nachdem die Prüfungsgrundsätze des IDW im Ergebnis weder Normcharakter habennoch aufgrund anderer Umstände bindend sind, ist es in Deutschland letztlich Sacheder Gerichte, über die Anforderungen an den Prüfer bei einer konkretenAbschlußprüfung zu entscheiden.

3. Die Darstellung wäre unvollständig, würde ich in diesem Zusammenhang nicht dieVerlautbarung der Vorstände von Wirtschaftsprüferkammer und IDW von 1995"Zur Qualitätssicherung in der Wirtschaftsprüferpraxis" erwähnen.

Diese Verlautbarung enthält unter anderem Regelungen zur

• Prüfungsplanung,

• Prüfungsanweisungen,

• Überwachung des Prüfungsablaufes,

• Durchsicht der Prüfungsergebnisse.

Formal hat diese Verlautbarung nur den Charakter von Empfehlungen, de factohandelt es sich aber um eine recht eingehende Selbstbindung des Prüfungsberufes.Wer sich an diese Empfehlungen nicht hält, muß in Kauf nehmen, daß dies gegenihn verwandt werden könnte.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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3.2 Beaufsichtigung der Einhaltung der Normen

Der deutsche Gesetzgeber hat der Wirtschaftsprüferkammer die Aufgabe übertragen,die Erfüllung der beruflichen Pflichten ihrer Mitglieder zu überwachen. Unterberuflichen Pflichten in diesem Sinne sind sowohl die allgemeinen Verhaltensnormenwie auch die besonderen fachlichen Prüfungsgrundsätze zu verstehen, wobei Verstößegegen die besonderen fachlichen Prüfungsgrundsätze nur bei grober Fahrlässigkeit oderVorsatz im Rahmen der Berufsaufsicht verfolgt werden.

Die Wirtschaftsprüferkammer hat die Möglichkeit, das berufliche Fehlverhalten einesMitglieds zu rügen, wenn die Schuld gering ist. Bei schwerwiegenderen Verstößen istsie gehalten, die Angelegenheit an die Generalstaatsanwaltschaft abzugeben, damitdiese ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten einleitet.

Die Berufsaufsicht durch die Wirtschaftsprüferkammer erfolgt im einzelnen wie folgt:

1. Durchsicht der publizierten Abschlüsse

Die Wirtschaftsprüferkammer sieht von sich aus alle geprüften Abschlüsse durch, dieim Bundesanzeiger veröffentlicht sind, das gleiche gilt für einen Großteil der geprüftenAbschlüsse, deren Hinterlegung beim Handelsregister im Bundesanzeiger mitgeteiltwird.

Bei der Durchsicht dieser Abschlüsse prüft sie anhand einer Checkliste, ob nach deräußeren Form die gesetzlichen Vorschriften für die Aufstellung und die Prüfung dieserAbschlüsse eingehalten worden sind und ob der Inhalt des Bestätigungsvermerkes dengesetzlichen Vorschriften entspricht. Bei Fehlern oder Unklarheiten erfolgenRückfragen bei den betroffenen Berufsangehörigen, um die Angelegenheit zu klärenund etwaige Fehler abzustellen.

Im Jahr 1995 wurden in diesem Rahmen ca. 14.000 Abschlüsse durchgesehen. Überdas Ergebnis der Gesamtdurchsicht wird ein umfangreicher Bericht veröffentlicht.

2. Behandlung von Vorwürfen gegen Berufsmitglieder

Die Wirtschaftsprüferkammer geht außerdem allen Vorwürfen nach, die gegenAbschlußprüfer von Mandanten, Kollegen, Behörden oder Gerichten erhoben und ansie herangetragen werden oder ihr auf andere Weise, z.B. durch Pressemitteilungenbekannt werden.

3. Independent Quality Review System

Ein Independent Quality Review System - sei es in Form eines Peer-Review oder sei esin anderer Form - gibt es bisher in Deutschland nicht.

Ein umfassendes Independent Quality Review System würde, soweit es nicht auffreiwilliger Basis geschieht, nach deutschem Rechtsverständnis zum Eingriff inGrundrechte der Berufsangehörigen führen, die nach dem Grundgesetz und derRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur der Gesetzgeber erlauben kann.Eine solche Erlaubnis, d.h. eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für dieWirtschaftsprüferkammer, in der entsprechenden Weise tätig zu werden, gibt es bisherin Deutschland nicht; der Gesetzgeber hat sich dazu auch und gerade im Rahmen derletzten Änderung der WPO, bei der dieses Problem durchaus diskutiert wurde, nichtbereit gefunden.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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Ein Independent Quality Review System scheitert bisher in Deutschland aber nicht nuran der fehlenden gesetzlichen Grundlage, sondern auch am Selbstverständnis derBerufsangehörigen, das ganz wesentlich vom Grundsatz der Eigenverantwortlichkeitgeprägt wird; damit erschien bisher die externe Kontrolle der Berufstätigkeit nichtvereinbar.

Es ist allerdings festzustellen, daß in letzter Zeit Verständnis und Bereitschaft für einIndependent Quality Review System in Deutschland wachsen. Ich möchte in diesemZusammenhang noch einmal auf die Verlautbarung von 1995 "Zur Qualitätssicherungin der Wirtschaftsprüferpraxis" zurückkommen. Dort ist (erstmalig) vorgeschriebenworden, daß es zur Pflicht eines Wirtschaftsprüfers im Rahmen der Qualitätssicherunggehört, durch eine Nachschau zu prüfen, ob bei der Abwicklung der Prüfungsaufträgeunter anderem die Regelungen zur Prüfungsplanung, Prüfungsanweisung, zurÜberwachung des Prüfungsablaufes sowie zur Durchsicht und der Prüfungsergebnisseeingehalten worden sind.

Es bestand bei den Diskussionen zu dieser Vorstandsverlautbarung Einigkeit darüber,daß die Nachschau - durch die Berufsangehörigen selbst - nur ein erster Schritt seinkann. Eine Nachschau durch externe - zunächst gegebenenfalls auf freiwilliger Basis -liegt sicherlich im Zuge der weiteren Entwicklung auch in Deutschland. Hierbei spielenauch die jeweils vor einigen Jahren in Großbritannien und Frankreich eingeführtenVerfahren einer Nachschau durch Externe eine erhebliche Rolle. Hinweise oderEmpfehlungen zu diesem Komplex von der europäischen Warte werden sicherlich inDeutschland Beachtung finden. Wenn eine solche externe Nachschau in Deutschlandeingeführt wird, kommt dafür als Berufsvereinigung nur die Wirtschaftsprüferkammerin Betracht, da sie allein alle Prüfer umfaßt.

4. HANDLUNGSBEDARF AUF EU-EBENE

Vor dem Hintergrund der einleitend genannten Prinzipien zur Rollenverteilung sowieder deutschen Verhältnisse sehe ich - bezogen auf die Qualitätssicherung - dasErfordernis, daß die EU-Kommission vor allem die Implementierung der ISAs sowiedie Schaffung nationaler Independent Quality Review-Systeme unterstützt. DieEntwicklung der Prüfungsgrundsätze, einschließlich der berufsethischenVerhaltensnormen, sowie die Überwachung der Einhaltung der Grundsätze solltegrundsätzlich den Berufsvereinigungen im Sinne der Selbstverwaltung überlassenwerden.

Eine Unterstützung durch die EU-Kommission sollte insoweit zunächst durch dieSchaffung entsprechender Rechtsgrundlagen geschehen, wie sie unter anderem in derStellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer zum Grünbuch vorgeschlagen werden.Damit aber im Rahmen der Berufsvereinigungen Fehlentwicklungen bezogen auf dieZiele der Europäischen Union von vornherein vermieden werden, halte ich einenständigen Dialog zwischen der EU-Kommission und den für die Berufsaufsichtzuständigen Berufsvereinigungen für notwendig. Insofern begrüße ich die derzeitstattfindende Konferenz.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Burkhard Hense

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5. SCHLUßBEMERKUNG

Der im Grünbuch vorgeschlagene Mechanismus zur Qualitätssicherung auf EU-Ebeneist meines Erachtens grundsätzlich geeignet, die gesetzten Ziele zu erreichen, wenn denBerufsvereinigungen eine stärkere Rolle zugebilligt wird. Hinsichtlich der Einzelheitenverweise ich auf die Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer zum Grünbuch. DerMechanismus würde eine größere Effizienz erlangen, wenn es einen Standard SettingBody des Berufsstands auf europäischer Ebene gäbe. Eine europäischeBerufsvereinigung, in der alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit ihrenmaßgeblichen Berufsvereinigungen vertreten sind, wäre meines Erachtens noch zuschaffen.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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HERR PASI HORSMANHEIMO∗

ROLLE DER STAATLICHEN BEHÖRDEN UND BERUFSVEREINIGUNGEN

1. GESETZLICHE ANFORDERUNGEN AN ABSCHLUßPRÜFUNGEN UND -PRÜFER

Das Abschlußprüfungsgesetz (936/94) enthält die allgemeinen und grundlegendenRechtsvorschriften für Pflichtprüfungen, die Qualifikationsanforderungen anAbschlußprüfer sowie die Modalitäten für Zulassung und Berufsaufsicht. DiesesGesetz steht mit der 8. Richtlinie (84/253/EWG) in Übereinstimmung. Es trat am1.Januar 1995 in Kraft. Gleichzeitig wurden Vorschriften für Pflichtprüfungen undPflichtprüfer in verschiedenen anderen Gesetzen und Verordnungen veröffentlicht.

Der Anwendungsbereich des Abschlußprüfungsgesetzes umfaßt die Pflichtprüfungsowie andere gesetzlich oder verordnungsrechtlich vorgeschriebene Prüfvorgänge, dievon einem Pflichtprüfer durchzuführen sind. Bestimmte Artikel des Gesetzes geltenauch für alle anderen Prüfvorgänge, die von einem zugelassenen Prüfer in dieserEigenschaft durchgeführt werden.

Die Pflichtprüfungsverordnung (1379/94) wurde Ende 1994 erlassen und trat am1.Januar 1995 in Kraft. Sie enthält eingehende Bestimmungen zur Anwendung desAbschlußprüfungsgesetzes1.

Die Handelskammerordnung (337/88) beinhaltet grundlegende Vorschriften zumAufbau und den Zielen des Handelskammersystems. So hat die ZentraleHandelskammer die Vorschriften für die Zulassung von Prüfern undPrüfungsgesellschaften durch ihren eigenen Wirtschaftsprüfungsausschuß bzw. durchdie Wirtschaftsprüfungsausschüsse der regionalen Wirtschaftskammern zu bestätigen.Diese Vorschriften beziehen sich in der Hauptsache auf praktische Aspekte wie z.B.das Zulassungsverfahren.

In weiteren Gesetzen bzw. Verordnungen sind noch spezielle Vorschriften für Pflicht-prüfungen und -prüfer für einzelne Unternehmensformen wie Personen- undKapitalgesellschaften sowie für Banken und Versicherungsunternehmen enthalten.

2. ZIELE DER PFLICHTPRÜFUNG

Gemäß dem Abschlußprüfungsgesetz haben alle eingetragenen Gesellschaften2 undStiftungen einen Abschlußprüfer zur Prüfung ihrer Jahresabschlüsse (einschließlichkonsolidierter Abschlüsse) zu bestellen. Auch kleine Personengesellschaften (OHG)sind dabei nicht ausgenommen.

∗ Rechtsberater, Zentrale Handelskammer, Finnland 1 Bestimmte Einzelheiten zu den Zulassungsvoraussetzungen wie die erforderliche

Berufspraxis, die Qualifikationsanforderungen sowie Inhalt und Form der beruflichenPrüfung sind in Entscheidungen des Ministeriums für Handel und Industrie festgelegt.

2 In diesem Text umfaßt der Begriff Gesellschaften: GmbH, Genossenschaften, offeneHandelsgesellschaften, Vereine und ähnliche Körperschaften.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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Nach dem Gesetz hat der Prüfer die Rechnungslegungsunterlagen des Geschäftsjahres,die Jahresabschlüsse und die Geschäftsführung der Gesellschaft bzw. der Stiftung zuprüfen.

Nach Maßgabe des Gesetzes bestehen die Hauptziele der Prüfung in der Bestätigung:

• daß die vorgelegten Jahresabschlüsse den gesetzlichen Anforderungen entsprechen;und

• daß die Verwaltung (Geschäftsführung) ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

3. HAUPTPFLICHTEN DES PRÜFERS

Gemäß dem Abschlußprüfungsgesetz ist der Prüfer verpflichtet, Grundsätze ordnungs-gemäßer Prüfung einzuhalten. Dies gilt nicht nur für die Erfüllung seiner Aufgaben alsPflichtprüfer, sondern auch für jegliche Beratung im Zusammenhang mit der Abschluß-prüfung. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, muß er nicht nur die gesetzlichenund sonstigen bindenden Vorschriften beachten, sondern auch die allgemein von - wiees heißt - ordentlichen und gewissenhaften Fachleuten verwendeten Verfahrensweisenbefolgen.

Allgemein bestehen die Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung aus berufsethischenRegeln und Prüfungsempfehlungen. Diese Regeln und Empfehlungen stimmen imwesentlichen mit den Empfehlungen des Instituts der KHT-Prüfer überein, diewiederum auf den IFAC-Leitsätzen und -empfehlungen beruhen.

Die mit der Berufsaufsicht beauftragten Gremien, wie z.B. der Wirtschaftsprüfungsaus-schuß der Zentralen Handelskammer, äußern sich vielfach zu den Inhalten bewährterPrüfungsgrundsätze.

4. DER PRÜFUNGSBERICHT BEI DER PFLICHTPRÜFUNG

Der Inhalt des Prüfungsberichts ist gesetzlich vorgeschrieben. Nach Maßgabe des Ab-schlußprüfungsgesetzes muß der Prüfungsbericht Angaben zu folgenden Punktenenthalten:

• ob der Jahresabschluß in Übereinstimmung mit dem Abschlußprüfungsgesetz sowieanderen für die Aufstellung der Jahresabschlüsse geltenden Vorschriften und An-forderungen aufgestellt wurde;

• ob der Jahresabschluß gemäß dem Abschlußprüfungsgesetz ein den tatsächlichenVerhältnissen entsprechendes Bild der Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaftbzw. der Stiftung vermittelt;

• ob der Jahresabschluß festgestellt werden kann;

• den Vorschlag des Vorstandes bzw. des entsprechenden Gremiums hinsichtlich derVerwendung des Gewinns des Geschäftsjahres, und

• ob der Vorstand und der geschäftsführende Direktor bzw. die entsprechenden Gre-mien entlastet werden können.

Wenn ein Teilhaber oder Gesellschafter, der Vorsitzende oder stellvertretendeVorsitzende des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates, der geschäftsführende Direktor

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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oder eine sonstige verantwortliche Person eine schuldbare Handlung begangen hat, dieeine Schadenshaftung oder sonstige Haftung nach sich zieht, oder in sonstiger Weisegegen das Gesetz oder die für die Gesellschaft bzw. Stiftung geltende Satzungverstoßen hat, muß dies der Prüfer in seinem Bericht vermerken.

Erforderlichenfalls hat der Prüfer die im Jahresabschluß enthaltenen Informationen zuergänzen. Er kann auch zusätzliche Angaben machen, wenn er dies für notwendig hält.

Der Abschlußprüfer einer Muttergesellschaft bzw. -stiftung hat ebenfalls einengetrennten Konzernbericht in sinngemäßer Übereinstimmung mit den vorstehenderwähnten Vorschriften (Ziff. 1 - 3) anzufertigen.

5. QUALIFIKATIONSANFORDERUNGEN FÜR DIE ZULASSUNG VONABSCHLUßPRÜFERN

Es gelten folgende allgemeine gesetzliche Anforderungen: Der Prüfer muß einenatürliche Person oder eine zugelassene Prüfungsgesellschaft sein. Der Prüfer muß dieim Hinblick auf Gesellschaften und Stiftungen erforderlichen Kenntnisse undErfahrungen in den Bereichen Rechnungswesen, Betriebswirtschaft, Recht undPrüfungswesen aufweisen. Personen, die nicht voll geschäftsfähig sind, die sich inKonkurs befinden oder von Handelsgeschäften ausgeschlossen sind, können nicht alsAbschlußprüfer zugelassen werden.

Zumindest einer der Prüfer muß seinen ständigen Wohnsitz im EuropäischenWirtschaftsraum haben, oder aber es muß sich um eine zugelassenePrüfungsgesellschaft nach dem Abschlußprüfungsgesetz handeln.

Die Pflicht zur Bestellung eines zugelassenen Prüfers bzw. einer zugelassenenPrüfungsgesellschaft hängt von der Größe der Gesellschaft bzw. der Stiftung ab.

Abgesehen von sonstigen gesetzlichen Vorschriften zur zwingenden Bestellung einesAbschlußprüfers müssen die Teilhaber bzw. die Gesellschafterversammlung oder dasentsprechende Organ zumindest einen zugelassenen Prüfer (KHT- oder HTM-Prüferbzw. KHT- oder HTM-Prüfungsgesellschaft) bestellen, wenn das Unternehmenwenigstens zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllt:

• Bilanzsumme gemäß Abschluß des vorangegangenen Geschäftsjahrs über 2 MioFIM;

• Umsatz bzw. vergleichbarer Nettoabsatz gemäß Abschluß des vorangegangenenGeschäftsjahrs über 4 Mio FIM;

• durchschnittliche Beschäftigtenzahl im vorangegangenen Geschäftsjahr über 10.

Wenn die Gesellschaft bzw. Stiftung wenigstens zwei der drei nachfolgenden Kriterienerfüllt, dürfen nur zugelassene Prüfer bzw. Prüfungsgesellschaften bestellt werden:

• Bilanzsumme gemäß Abschluß des vorangegangenen Geschäftsjahrs über 12,5 MioFIM;

• Umsatz bzw. vergleichbarer Nettoabsatz gemäß Abschluß des vorangegangenenGeschäftsjahrs über 25 Mio FIM;

• durchschnittliche Beschäftigtenzahl im vorangegangenen Geschäftsjahr über 50.

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Bei Gesellschaften bzw. Stiftungen, die im freien Handel angebotene Wertpapieregemäß dem Wertpapiermarktgesetz (495/89) ausgegeben haben oder die wenigstenszwei der nachfolgenden drei Kriterien erfüllen, muß es sich zumindest bei einem dervon den Teilhabern bzw. der Gesellschafterversammlung oder dem entsprechendenOrgan bestellten Prüfer um einen von der Zentralen Handelskammer zugelassenenPrüfer bzw. eine von der Zentralen Handelskammer zugelassene Prüfungsgesellschafthandeln:

• Bilanzsumme gemäß Abschluß des vorangegangenen Geschäftsjahrs über 150 MioFIM;

• Umsatz bzw. vergleichbarer Nettoabsatz gemäß Abschluß des vorangegangenenGeschäftsjahrs über 300 Mio FIM;

• durchschnittliche Beschäftigtenzahl im vorangegangenen Geschäftsjahr über 300.

Dies gilt auch für Gesellschaften bzw. Stiftungen, die als Muttergesellschaft einesKonzernsfungieren, wenn der Konzern mindestens zwei der drei Kriterien erfüllt.

6. DIE IN FINNLAND ZUGELASSENEN PFLICHTPRÜFER

Es gibt in Finnland zwei Kategorien von zugelassenen Prüfern:

• KHT-Prüfer, d.h. von der Zentralen Handelskammer Finnlands zugelassene Prüfer;und

• HTM-Prüfer, d.h. von einer regionalen Handelskammer zugelassene Prüfer. InFinnland bestehen 21 solcher regionalen Handelskammern.

Zum Zeitpunkt der Konferenz vom 5. Dezember 1996 praktizierten in Finnland 566KHT-Prüfer und 1132 HTM-Prüfer3.

Nach dem Abschlußprüfungsgesetz und nach dem Gesellschaftsrecht kann auch einezugelassene Prüfungsgesellschaft mit der Pflichtprüfung beauftragt werden. In Finnlandbestehen zwei Arten von zugelassenen Prüfungsgesellschaften:

• KHT-Prüfungsgesellschaften, d.h. zugelassen von der Zentralen HandelskammerFinnlands; und

• HTM-Prüfungsgesellschaften, d.h. zugelassen von einer regionalen Handelskam-mer.

Zum Zeitpunkt der Konferenz bestanden 21 KHT-Prüfungsgesellschaften und 26HTM-Prüfungsgesellschaften in Finnland.4 Die sechs größten werden von der KHT-Gesellschaft der finnischen Abschlußprüfer vertreten.

3 Anfang 1997 praktizierten 595 KHT-Prüfer und 1114 HTM-Prüfer in Finnland. 4 Anfang 1997 praktizierten 22 KHT-Prüfungsgesellschaften und 26 HTM-Prüfungsgesellschaften in

Finnland.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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7. ZULASSUNGSBEDINGUNGEN FÜR PFLICHTPRÜFER

Für die Zulassung in beiden Kategorien sind ein bestimmtes Ausbildungsniveau,berufliche Erfahrung und eine Überprüfung der fachlichen Kompetenz erforderlich.

Um von der Zentralen Handelskammer zugelassen zu werden (KHT-Prüfer), muß derBewerber eine natürliche Person sein, die bestimmte persönliche Voraussetzungen fürdie Tätigkeit eines Pflichtprüfers mitbringt und

• voll geschäftsfähig ist;

• keine Nebentätigkeiten ausführt, die seine Unabhängigkeit als Prüfer oder dieDurchführung von Abschlußprüfungen beeinträchtigen können;

• über einen höheren Universitätsabschluß verfügt;

• das für die Pflichten eines Abschlußprüfers erforderliche Studium in den vom Mini-sterium für Handel und Gewerbe festgelegten Fächern absolviert hat;

• mindestens 5 Jahre Berufspraxis unter der Aufsicht eines KHT-Prüfers bzw. ingleichwertigen rechnungslegenden bzw. wirtschaftsprüfenden Aktivitäten gemäßden Festlegungen des Ministeriums für Handel und Industrie erworben hat; und

• seine Befähigung in der Berufsprüfung, deren Inhalt in einem Beschluß des Mini-steriums für Handel und Industrie festgelegt ist, unter Beweis gestellt hat unddanach gerichtlich zum Abschlußprüfer bestellt worden ist.

Für die Zulassung durch eine regionale Handelskammer (HTM-Prüfer) muß einenatürliche Person unter Ausnahme folgender Punkte ansonsten analogeVoraussetzungen erfüllen:

• die Grundausbildung kann mit einem niederen Hochschuldiplom abgeschlossenworden sein;

• die fünfjährige Berufspraxis kann weniger anspruchsvoll sein;

• die Prüfung der fachlichen Kompetenz ist weniger umfassend.

Zusätzlich zu den vorstehend dargelegten Ausbildungsanforderungen besteht auch dieMöglichkeit einer Zulassung aufgrund umfassender Berufserfahrung (7+3 bzw. 15Jahre Berufserfahrung). Die Zulassung endet mit Vollendung des 70. Lebensjahres.Alle zugelassenen Prüfer (KHT- und HTM-Prüfer sowie -prüfgesellschaften) werden inein öffentliches Register beim Ministerium für Handel und Industrie eingetragen.

8. ZULASSUNGSBEDINGUNGEN FÜR PRÜFUNGSGESELLSCHAFTEN

Für eine Zulassung durch die Zentrale Handelskammer (KHT-Prüfungsgesellschaft)muß eine Prüfungsgesellschaft folgende Voraussetzungen erfüllen:

• die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft besteht aus Wirtschaftsprüfungen und ähn-lichen Tätigkeiten;

• mindestens 2/3 der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder der persönlichhaftenden Gesellschafter einer KG müssen in der Gesellschaft tätige KHT-Prüferbzw. KHT-Prüfungsgesellschaften sein; in einer GmbH müssen mindestens 2/3 der

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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Anteile und der Stimmrechte von in der Gesellschaft tätigen KHT-Prüfern bzw.von KHT-Prüfungsgesellschaften gehalten werden;

• der geschäftsführende Direktor und gegebenenfalls sein Stellvertreter müssen in derGesellschaft tätige KHT-Prüfer sein.

Für die Zulassung durch eine regionale Handelskammer (HTM-Prüfungsgesellschaft)müssen analoge Bedingungen erfüllt werden, wobei anstelle der geforderten KHT-Prüfer bzw. -prüfungsgesellschaften HTM-Prüfer bzw. -prüfungsgesellschaften tretenkönnen. Dies bedeutet somit, daß der geforderte 2/3-Anteil auch HTM-Prüfer bzw.-prüfungsgesellschaften umfassen kann.

9. ANLEITUNG, FORTENTWICKLUNG UND BERUFSAUFSICHT

Der in der Zentralen finnischen Handelskammer bestehendeWirtschaftsprüfungsausschuß läßt seit 1925 Prüfer zu. Die analogen Ausschüsse derregionalen Handelskammern nehmen seit 1950 Zulassungen vor. Seit 1983 obliegtdiesen Ausschüssen auch die Zulassung von Prüfungsgesellschaften.

Gemäß dem Abschlußprüfungsgesetz obliegt dem Wirtschaftsprüfungsausschuß derZentralen Handelskammer5 die Zulassung der Prüfer und Prüfungsgesellschaften sowiedie Durchführung der beruflichen Prüfungen für beide Kategorien von Prüfern.

Der Ausschuß hat weiterhin die Berufsaufsicht auszuüben und dafür zu sorgen, daß dievon ihm zugelassenen Prüfer und Prüfungsgesellschaften ständig die geforderten fachli-chen und sonstigen Voraussetzungen erfüllen und das Abschlußprüfungsgesetz sowiealle weiteren auf seiner Grundlage erlassenen Vorschriften einhalten.

Diese Pflichten gelten analog für die Ausschüsse der regionalen Handelskammern6, diefür die von den regionalen Handelskammern zugelassenen Prüfer in ihremZuständigkeitsbereich verantwortlich sind.

Im Ministerium für Handel und Industrie besteht der staatliche Wirtschaftsprüfungsaus-schuß7, der Richtlinien und Stellungnahmen zum Abschlußprüfungsgesetz und den aufdessen Grundlage erlassenen Verordnungen herausgibt. Der staatliche Ausschuß unter-breitet weiterhin Vorschläge und Anträge zur weiteren Ausgestaltung der Prüfungsvor-schriften und befaßt sich mit der Anleitung, Fortentwicklung und Berufsaufsicht im 5 Dieser Ausschuß besteht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und 12 weiteren

Mitgliedern, wobei jedes dieser 12 Mitglieder einen persönlichen Stellvertreter hat. DreiMitglieder und deren persönliche Stellvertreter vertreten die Bereiche Forschung,Ausbildung und Rechtsprechung im Prüfungswesen, drei weitere Mitglieder und derenStellvertreter vertreten die Wirtschaft, zwei Mitglieder und deren Stellvertreter vertreten dieKHT-Prüfer und ein Mitglied und dessen Stellvertreter die HTM-Prüfer. Neben diesen 9Mitgliedern und ihren persönlichen Stellvertretern ernennt das Ministerium für Handel undIndustrie drei Mitglieder sowie deren Stellvertreter.

6 Diese Ausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter sowie sechsweiteren Mitgliedern und deren persönlichen Stellvertretern. Diese vertreten die gleichenInteressengruppen wie im entsprechenden Ausschuß der Zentralen Handelskammer.

7 Er besteht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und sechs weiteren Mitgliedern sowieden jeweiligen Stellvertretern mit Ausnahme des Vorsitzenden. DieQualifikationsanforderungen der Mitglieder und des Sekretärs sind imAbschlußprüfungsgesetz festgelegt.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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Prüfungswesen. Der staatliche Ausschuß entscheidet ebenfalls über Einsprüche gegenEntscheidungen des Ausschusses der Zentralen Handelskammer.

Alle diese Gremien sind unabhängig. Die Mitglieder und Sekretäre dieser Gremien sindrechtlich gesehen hinsichtlich ihrer Pflichten und ihrer Verantwortung denStaatsbeamten gleichgestellt.

Die auf der Grundlage des Abschlußprüfungsgesetzes und der entsprechenden Verord-nungen vom staatlichen Wirtschaftsprüfungsausschuß getroffenen Entscheidungenkönnen vor dem Obersten Verwaltungsgericht angefochten werden.

10. BERUFSAUFSICHT

In der Praxis kontrolliert der Wirtschaftsprüfungsausschuß der ZentralenHandelskammer jährlich die von den zugelassenen Prüfern und Prüfungsgesellschafteneingereichten Berichte und Unterlagen, um sich zu vergewissern, ob die zugelassenenPrüfer und Prüfungsgesellschaften weiterhin die geforderten fachlichen und sonstigenVoraussetzungen erfüllen.

Um feststellen zu können, ob die zugelassenen Prüfer und Prüfungsgesellschaften dieVorschriften des Abschlußprüfungsgesetzes und der entsprechenden Verordnungeneinhalten, werden verschiedene Verfahren eingesetzt. DerWirtschaftsprüfungsausschuß der Zentralen Handelskammer überprüft dieDurchführung einer bestimmten Prüfung gewöhnlich auf der Grundlage vonBeschwerden über einen KHT-Prüfer bzw. eine -Prüfungsgesellschaft. Der Ausschußkann jedoch auch auf eigene Initiative tätig werden, so auf der Grundlage andererHinweise als Beschwerden, wie z.B. negative Berichterstattung über Prüfer in derPresse. Die Wirtschaftsprüfungsausschüsse der regionalen Handelskammern gehenähnlich vor.

Wenn der Wirtschaftsprüfungsausschuß der Zentralen Handelskammer bzw. derentsprechenden Ausschuß der regionalen Handelskammer zu dem Schluß kommt, daßdie dafür im Abschlußprüfungsgesetz vorgesehenen Bedingungen gegeben sind, hat erden zugelassenen Prüfer bzw. die Prüfungsgesellschaft zu verwarnen oder zu rügen.

Kommt der Wirtschaftsprüfungsausschuß der Zentralen Handelskammer bzw. der ent-sprechende Ausschuß der regionalen Handelskammer zu der Auffassung, daß diegesetzlich vorgesehenen Bedingungen zur Entziehung der Zulassung gegeben sind,stellt er an den staatlichen Wirtschaftsprüfungsausschuß einen Antrag auf Entziehungder Zulassung für den betreffenden Prüfer bzw. die Prüfungsgesellschaft.

Der staatliche Wirtschaftsprüfungsausschuß, der Wirtschaftsprüfungsausschuß derZentralen Handelskammer sowie die entsprechenden Ausschüsse der regionalenHandelskammern haben das Recht auf Aushändigung aller Unterlagen und sonstigenAufzeichnungen, die sie für die Überprüfung der Tätigkeit des Prüfers für notwendigerachten, und können diese entweder in den Räumen des Aufsichtsgremiums oder inden Räumen des Überprüften einsehen. Zusätzlich hat der Überprüfte demAufsichtsgremium auf Anforderung unverzüglich alle für die Überprüfungerforderlichen Auskünfte zu erteilen bzw. Berichte zur Verfügung zu stellen.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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11. PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE UND BERUFSETHISCHE GRUNDSÄTZE

Für die Erabeitung detaillierter Prüfungsempfehlungen ist gesetzlich kein bestimmtesGremium vorgesehen.

Es herrscht die Auffassung vor, daß die Festlegung von Grundsätzen und Leitsätzendem Berufsstand selbst obliegt. Seit jeher erarbeitet das Institut der KHT-Prüfer(KHT-yhdistys ry) auf freiwilliger Basis Empfehlungen und Leitsätze für dasWirtschaftsprüfungswesen, wobei die IFAC-Leitsätze als Grundlage dienen.

Die vom Institut herausgegebenen Empfehlungen und Leitsätze werden zugrundegelegt, wenn die Durchführung einer Prüfung in einem individuellen Fall vomWirtschaftsprüfungsausschuß einer Handelskammer kontrolliert wird.

Das Institut der HTM-Prüfer (HTM-tilintarkastajat ry) gibt keine eigenenEmpfehlungen und Leitsätze heraus, denn für die Tätigkeit von HTM-Prüfern und-Prüfungsgesellschaften gelten die obigen Grundsätze und berufsethischenVorschriften.

12. QUALITÄTSKONTROLLE

Gegenwärtig besteht für zugelassene Prüfer und Prüfungsgesellschaften keine offizielleVerpflichtung, eine Qualitätskontrolle durchzuführen. Trotzdem besteht seit Jahren inallen größeren Prüfungsgesellschaften ein funktionierendes Qualitätskontrollsystem.

Seit kurzem ist die Einführung von Qualitätskontrollmaßnahmen und -verfahren jedochin den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Es laufen Diskussionen zwischen demAufsichtsgremium (Wirtschaftsprüfungsausschuß der Zentralen Handelskammer) undden beiden Instituten der zugelassenen Prüfer über den Aufbau und die Einführungeines Systems regelmäßiger und obligatorischer Qualitätskontrolle. Es herrscht dieAuffassung vor, daß das System einen bestimmten offiziellen Status erhalten und diePrüfungstätigkeit aller zugelassenen Prüfer und Prüfungsgesellschaften kontrollierensoll.

Es liegt in erster Linie im Interesse der zugelassenen Prüfer und Prüfungsgesellschaftenselbst, ein Qualitätskontrollsystem einzuführen. Die beiden Institute sind mit den Quali-tätskontrollmaßnahmen in den anderen skandinavischen Ländern vertraut. Der Trendgeht dahin, eine ähnliche Lösung wie in Schweden vorzuschlagen.

Beide Institute haben eigene Qualitätskontrollprojekte entwickelt. Nach dem Projektdes Instituts der HTM-Prüfer soll die Qualitätskontrolle etwa um dieJahrhundertwende voll wirksam werden. Die ersten Schritte erfolgten 1995 mit derEinleitung von Schulungsprogrammen und der Entwicklung vonQualitätskontrollinstrumenten für die Mitglieder.

Das Institut der KHT-Prüfer hat mit seinem Projekt 1992 begonnen. In jenem Jahrwurde eine Empfehlung auf der Grundlage von ISA 7 der IFAC (Quality Control forAudit Work) herausgegeben. Das Projekt umfaßt Schulungs- undBeratungsmaßnahmen für die Mitglieder. Nach den Plänen des Instituts soll dasQualitätskontrollsystem etwa 1998 einsatzbereit sein. Die Überprüfungen sollen durchBerufskollegen erfolgen. Die Hauptaufgabe des Instituts soll dabei in derKoordinierung des Systems und in der Auswahl der Überprüfungsbeauftragtenbestehen.

Podiumsdiskussion II - Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen Pasi Horsmanheimo

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Ein funktionierendes Qualitätskontrollsystem liegt auch im Interesse desAufsichtsgremiums. Anfang 1997 sollen auf Beschluß der Zentralen Handelskammerveränderte Vorschriften für KHT- und HTM-Prüfer sowie -gesellschaften in Krafttreten8. Nach dieser Änderung haben die zugelassenen Prüfer ihre Tätigkeit so zuorganisieren, daß größere Mängel und Unzulänglichkeiten ausgeschlossen werden.Praktisch beinhaltet dies die bindende Pflicht zur Durchführung einerQualitätskontrolle.

Ehe ein wirkungsvolles Qualitätskontrollsystem und die entsprechende BeaufsichtigungWirklichkeit werden, sind jedoch noch folgende zwei Hauptfragen zu klären:

• Inhalt der Qualität und Qualitätsmaßstäbe

• die praktischen Instrumente der Durchführung der Qualitätskontrolle und ihreBeaufsichtigung (Überprüfung der Qualitätskontrolle).

Über einige weitere Fragen wird gegenwärtig ebenfalls noch debattiert:

• Umfang der Qualitätskontrolle

• Finanzierung der Qualitätskontrolle

• Geheimhaltungspflicht der Prüfer

• Nutzung der Qualitätskontrollberichte bei der Beaufsichtigung der zugelassenenPrüfer und Prüfungsgesellschaften

• Rolle der Aufsichtsbehörde.

Zu Beginn wird sich die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörde bei derQualitätskontrolle und deren Überwachung sinnvollerweise auf die größeren KHT-Prüfungsgesellschaften konzentrieren, um dann schrittweise weiter ausgedehnt zuwerden.

8 Die Generalversammlung der Zentralen Handelskammer hat diese Änderung der

Vorschriften am 11. Dezember 1996 gutgeheißen.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze

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PODIUMSDISKUSSION III - PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

EINLEITUNG

Gestern haben wir über die Rolle des gesetzlichen Abschlußprüfers und über dieSysteme gesprochen, die von den Mitgliedstaaten eingerichtet worden sind, umsicherzustellen, daß der Prüfer seine Prüfungen gemäß den Grundsätzen derberuflichen Integrität und der Unabhängigkeit durchführt.

Im Mittelpunkt dieser Diskussionsrunde steht nun die Art und Weise, wie diegesetzliche Abschlußprüfung tatsächlich vorgenommen wird. Auf internationaler Ebenehat der Berufsstand im Rahmen der IFAC eine Reihe von Prüfungsgrundsätzenaufgestellt. Nachfolgend werden diese erläutert, und es wird auch aufgezeigt, wie dieIFAC diese Grundsätze verabschiedet und ihre Einhaltung durch dieMitgliedsorganisationen sicherstellt.

Auf EU-Ebene gibt es keine spezifische Vereinbarung über Prüfungsgrundsätze, dieeingehalten werden sollte. Auch hier kann man sich wieder die Frage stellen, ob einBinnenmarkt ohne gleichwertige Schutzvorschriften möglich ist, ohne daß eineVereinbarung auf EU-Ebene über einzuhaltende Prüfungsgrundsätze existiert, undauch keinerlei gesetzliche Grundlagen der anwendbaren Grundsätze in denMitgliedstaaten bestehen, mit denen sichergestellt würde, daß die vomGemeinschaftsrecht vorgeschriebenen gesetzlichen Abschlußprüfungen gleichermaßenabgesichert sind und durchgeführt werden.

Inwiefern werden die IFAC-Prüfungsgrundsätze in den Mitgliedstaaten angewandt?Enthalten diese Grundsätze ausreichende Leitlinien? Kommt der EU bei derKoordinierung der Standpunkte zu den Prüfungsgrundsätzen eine bestimmte Rolle zu?Was kann getan werden, um die Einhaltung dieser Grundsätze zu verbessern?

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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HERR ROBERT ROUSSEY∗

PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

Ich freue mich sehr, daß mich die Europäische Kommission eingeladen hat, hier undheute über die Rolle des International Auditing Practices Committee (IAPC) bei derErarbeitung der Prüfungsgrundsätze zu sprechen.

Zunächst einmal möchte ich der Europäischen Kommission im Namen der Mitgliederdes IAPC dafür danken, daß sie in ihrem Grünbuch die vom International AuditingPractices Committee herausgegebenen Grundsätze sowie dessen Definition der Zieleeiner Pflichtprüfung anerkannt hat.

Darüber hinaus überbringe ich den Dank des IAPC an

• die Fédération des Experts Comptables Européens und

• die European Context Group

für die von ihnen zum Ausdruck gebrachte Anerkennung für

• die Arbeit und die Einflußnahme unseres Fachausschusses bei der Erarbeitung derPrüfungsgrundsätze sowie für

• die von ihnen geleistete Unterstützung im Zusammenhang mit der empfohlenenUmsetzung der internationalen Prüfungsgrundsätze in den Mitgliedstaaten derEuropäischen Union.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich kurz die Aufgaben des IAPC und seinegrundlegenden Zielsetzungen umreißen.

Wie in der Charta der International Federation of Accountants verankert, sieht dasIAPC seinen Auftrag darin,

"durch Fachgutachten zu den verschiedensten Prüfungs- und Bestätigungsaufgabenweltweit eine Vereinheitlichung der Prüfungspraxis und der damit verbundenenDienstleistungen zu erreichen und mit Unterstützung des IFAC-Rates die freiwilligeAkzeptanz dieser Fachgutachten zu fördern."

Wichtigstes Ziel des IAPC ist derzeit die Weiterentwicklung eines Komplexes vonPrüfungsgrundsätzen, die bei der Prüfung von Abschlüssen herangezogen werdenkönnen. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Prüfung aus Gründen einergrenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit oder im einzelstaatlichen Rahmenerforderlich macht.

Bei der Gestaltung dieser Grundsätze bemüht sich das IAPC, den speziellenBedürfnissen der Finanzwelt, der Nutzer der Abschlüsse und der AufsichtsbehördenRechnung zu tragen. Auch wollen wir die Tatsache berücksichtigen, daß im Rahmender Unternehmensführung den gesetzlichen Vertretern und Leitungsorganen von

∗ Präsident des Internationalen Ausschusses für Prüfungspraktiken ("International Auditing

Practices Committee" - IAPC) bei der Internationalen Vereinigung derRechnungssachverständigen ("International Federation of Accountants" - IFAC)

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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gewerblichen und sonstigen Unternehmen ein immer höheres Maß an Verantwortungzukommt.

1. KONSULTATIONEN MIT DEN ERSTELLERN, ANWENDERN UNDAUFSICHTSBEHÖRDEN

Ein wichtiger Aspekt der Tätigkeit des Fachausschusses ist die Zusammenarbeit mitunserer Konsultativgruppe. Über diese Gruppe soll der Wirtschaft und deninternationalen Organisationen die Möglichkeit gegeben werden, sich an derFortentwicklung der internationalen Prüfungsgrundsätze zu beteiligen. Die Gruppeselbst bringt die aus unterschiedlicher Warte abgegebenen Stellungnahmen alsBereicherung in den Prozeß der Grundsatzerarbeitung ein und verhilft ihnen zuBestätigung und Akzeptanz.

Zu den Mitgliedern dieser Gruppe zählen Organisationen wie die Weltbank, dieInternational Bar Association, das International Financial Executives Institute, dieInternational Organization of Securities Commissions, die Fédération International desBourses des Valeurs, die Vereinten Nationen, das International Accounting StandardsCommittee, die Fédération des Experts Comptables Européens und die EuropäischeKommission.

Die letzte Sitzung wurde von der FEE ausgerichtet und fand im März 1996 in Brüsselstatt. Kennzeichnend war ein insgesamt positives Echo auf die Arbeit des IAPC.

2. TÄTIGKEIT DES INTERNATIONAL AUDITING PRACTICES COMMITTEE

Der Fachausschuß begann Anfang der 80er Jahre mit der Vorlage von Fachgutachten,die als internationale Prüfungsleitlinien bezeichnet wurden, und bis etwa 1990 beliefsich die Zahl dieser Dokumente auf 31. Zu jenem Zeitpunkt erkannten die Mitgliederdes IAPC die veränderten Gegebenheiten auf den internationalen Kapitalmärkten undentschlossen sich, von Prüfungsleitlinien Abstand zu nehmen und stattdesseninternationale Prüfungsgrundsätze zu erarbeiten und herauszugeben. In dendarauffolgenden Jahren war das IAPC nunmehr damit befaßt, die Leitlinien zuüberarbeiten und sie zu Grundsätzen weiterzuentwickeln. Dieser als Kodifikationbekannte Prozeß führte zur Erstellung und Herausgabe eines Komplexes vonPrüfungsgrundsätzen im Jahre 1994.

Das IAPC ist der Ansicht, daß mit dem gegenwärtig vorliegenden Komplex vonGrundsätzen ein vollständiges und maßgebliches Instrumentarium geschaffen wurde,das sowohl bei der Prüfung von Abschlüssen auf den internationalen Kapitalmärktenals auch bei den im einzelstaatlichen Rahmen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungenherangezogen werden kann.

3. ZUSAMMENSETZUNG DES IAPC

Dem IAPC gehören Repräsentanten aus 14 Ländern an, die diese Aufgabe mindestensüber einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren wahrnehmen. Europa ist dabei seit jehersehr stark vertreten. Die derzeitigen europäischen Mitglieder kommen aus Frankreich,Deutschland, Italien, den Niederlanden, dem nordischen Raum und dem Vereinigten

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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Königreich. Die Ländervertreter gelten als führende Sachverständige auf dem Gebietdes Prüfungswesens.

4. DIE ERARBEITUNG VON GRUNDSÄTZEN

Lassen Sie mich kurz darlegen, wie die Erarbeitung von Grundsätzen erfolgt. Zunächsteinmal legen wir bestimmte Schwerpunkte fest, die sich aus unserem strategischenPlanungsprozeß und aus der Zuarbeit durch die Konsultativgruppe sowie durch dieMitgliedsorganisationen der IFAC ergeben.

Nach Festlegung eines bestimmten Schwerpunkts wird ein zu benennenderLenkungsausschuß mit der Überwachung der Arbeiten beauftragt. Dieser Prozeßumfaßt:

• Abfassung eines Dokuments, in dem der Umfang und die Ziele des Projektsdargelegt werden;

• Erstellung eines Themenkatalogs;

• Ausarbeitung einer Diskussionsgrundlage;

• Erarbeitung eines vorlegbaren Entwurfs für den vorgeschlagenen Grundsatz;

• Vorlage des vorgeschlagenen Grundsatzes bei den Mitgliedsorganisationen undsonstigen Beteiligten, um deren Stellungnahme einzuholen;

• sorgfältige Prüfung und Erörterung der eingegangenen Stellungnahmen;

• Überarbeitung des vorgeschlagenen Grundsatzes unter Beachtung dereingegangenen Stellungnahmen;

• Herausgabe des Grundsatzes in seiner Endfassung.

Dieser gesamte Prozeß erstreckt sich in der Regel über zwei bis drei Jahre.

5. GRAD DER UMSETZUNG

Seit der Veröffentlichung des neuen Komplexes kodifizierter internationalerPrüfungsgrundsätze ist der Fachausschuß bemüht, nähere Informationen über dieAnwendung und Umsetzung der Grundsätze zu erlangen. Dabei haben wir mitGenugtuung festgestellt, daß Qualität und Umfang unserer Grundsätze bei den für dieGrundsatzerarbeitung zuständigen Stellen in aller Welt großen Anklang gefundenhaben. Sie haben sie entweder als nationale Grundsätze übernommen oder sich bei derErarbeitung eigener Grundsätze von ihnen leiten lassen.

Im folgenden möchte ich den gegenwärtigen Stand der Annahme und Anwendung kurzanalysieren:

• 13 Länder - Übernahme unter Beachtung der lokalen Erfordernisse

• 19 Länder - Verwendung der ISA bei der Erarbeitung nationaler Grundsätze- keine nennenswerten Unterschiede

• 9 Länder -Verwendung der ISA bei der Erarbeitung nationaler Grundsätze -gewisse Unterschiede

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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• 7 Länder -Verwendung der ISA bei der Erarbeitung nationaler Grundsätze - nochkeine Erkenntnisse

• 1 Land - Überwachung der ISA - Aufzeigen der Fälle, in denen die ISA weitergefaßt sind als die nationalen Grundsätze.

Hierin eingeschlossen sind zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union, von denenentsprechende Antworten vorlagen.

Anhand von zwei Beispielen für die Übernahme und Anwendung der ISA in derEuropäischen Union soll aufgezeigt werden, wie sich die Situation weltweit darstellt.

ROYAL NIVRA in den Niederlanden hat die ISA als nationale Grundsätzeübernommen und sie am Ende durch spezielle einzelstaatliche Erfordernisse ergänzt.

Im Vereinigten Königreich hat das Auditing Practices Board die ISA bei derErarbeitung der nationalen Grundsätze herangezogen, wobei am Ende eines jedendieser Grundsätze ausgewiesen wird, inwieweit er mit dem jeweiligen ISAübereinstimmt.

6. DAS GRÜNBUCH DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION

Lassen Sie mich nun einiges zu den im Grünbuch angesprochenen Problemen sagen. Esist sicher interessant darauf hinzuweisen, daß das IAPC als ein um alle IFAC-Mitglieder bemühtes internationales Gremium zu vielen der im Grünbuchaufgeworfenen Fragen eine gleiche Meinung vertritt.

Einige der dringendsten Problemkreise sind dabei die Betrugsdelikte, die Fortführungder Unternehmenstätigkeit, die Gesetze und Vorschriften, umweltpolitischeAngelegenheiten und die Pflichtprüfung in kleinen Gesellschaften.

6.1 Betrugsdelikte

Das IAPC ist sich dessen bewußt, daß Betrugsdelikte im nationalen und internationalenMaßstab für die Öffentlichkeit eines der gravierendsten Probleme darstellen und derenAufdeckung nach wie vor dem Verantwortungsbereich der Abschlußprüfer zugewiesenwird.

Ein diesbezüglich vom Fachausschuß herausgegebener ISA verlangt vomAbschlußprüfer eine Risikobewertung im Hinblick auf die Möglichkeit erheblicherUnregelmäßigkeiten in den Abschlüssen. Ausgehend von dieser Bewertung hat er diePrüfung so anzulegen, daß sie in hinlänglichem Maße eine Aufdeckung derUnregelmäßigkeiten gewährleistet.

Mit diesem strengen Grundsatz soll den Erwartungen der Öffentlichkeit entsprochenwerden. Das IAPC behält allerdings die nach wie vor bestehenden Gründe zurBesorgnis im Auge und wird sich in naher Zukunft erneut damit befassen.

6.2 Fortführung der Unternehmenstätigkeit

Die Öffentlichkeit ist auch über den Zusammenbruch von renommierten Unternehmenbeunruhigt, zumal in solchen Fällen, da der Bestätigungsvermerk anscheinend keinerleiAnhaltspunkte für eine Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens lieferte.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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Das International Accounting Standards Committee hat ein Arbeitspapier zu einemDokument herausgegeben, daß im Hinblick auf die Fortführung derUnternehmenstätigkeit neue Anforderungen an das Management stellt. In diesem Punktarbeitet das IAPC mit dem IASC zusammen, um die Verantwortlichkeiten dergesetzlichen Vertreter und Führungskräfte von Unternehmen dahingehend zuerweitern, daß sie eine Einschätzung zum Fortbestand des Unternehmens vornehmenmüssen.

Der ISA betreffs Fortführung der Unternehmenstätigkeit wird gegenwärtigüberarbeitet, um diese Entwicklungen im internationalen Rechnungs- undPrüfungswesen entsprechend zu berücksichtigen.

6.3 Gesetze und Vorschriften

Das IAPC weiß um die Wichtigkeit der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriftendurch die Mandanten und hat daher vor einigen Jahren einen ISA zu dieser Thematikerarbeitet und herausgegeben. Zu jener Zeit gab es nur einige wenige nationaleGremien, die diesbezüglich einen nationalen Grundsatz aufgestellt hatten.

Der ISA zur Berücksichtigung von Gesetzen und Vorschriften bei einerAbschlußprüfung ist ein wichtiger Grundsatz, der genau festlegt, welcheAnforderungen an den Abschlußprüfer gestellt werden und in welchem Umfang er zurOffenlegung verpflichtet ist, darunter gegenüber Aufsichts- und Vollzugsbehörden.

6.4 Umweltpolitische Angelegenheiten

Dem IAPC ist durchaus bewußt, welch große Bedeutung die Öffentlichkeitumweltpolitischen Angelegenheiten beimißt, insbesondere der Haftung vonUnternehmen für die Altlastensanierung.

Das IAPC veröffentlichte ein Diskussionspapier zur Thematik "Der Abschlußprüferund die Umwelt", das eine positive Aufnahme fand und zu dem beim IAPC zahlreicheStellungnahmen eingingen.

Der Fachausschuß plant 1997 die Veröffentlichung eines International AuditingPractices Statement zur Auswirkung von umweltpolitischen Fragen auf diePflichtprüfung von Abschlüssen.

6.5 Die Pflichtprüfung in kleinen Gesellschaften

Das IAPC ist weiterhin der Überzeugung, daß sich die von ihm vorgelegtenFachgutachten auf alle Unternehmen erstrecken, in denen eine Pflichtprüfungerforderlich ist, also nicht nur auf große bzw. multinationale Kapitalgesellschaften. Mitder Erstellung der Grundsätze zu den wesentlichen Prinzipien und Verfahren verweistdas IAPC nachdrücklich darauf, daß die an eine Pflichtprüfung gestelltenAnforderungen für alle Unternehmen unabhängig von deren Größe gelten.

Als einen weiteren Schritt erarbeitet das IAPC derzeitig ein Statement, in dem ein jederder ISA Berücksichtigung findet und das spezielle Hinweise enthält, um die praktischeAnwendung der ISA bei kleineren Prüfungsaufträgen zu erleichtern.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Robert Roussey

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7. ANWENDUNG UND UMSETZUNG DER ISA

Anwendung und Umsetzung der Prüfungsgrundsätze fallen in den Aufgabenbereich derberufsständischen Mitgliedsorganisation eines jeden Landes. Diese Organisationenhaben sich dem Prinzip der Selbstverwaltung verschrieben. Verwenden sie die ISA alsnationale Grundsätze bzw. greifen sie bei der Erarbeitung darauf zurück, so müssen siezumindest bestimmte berufsethische Leitsätze einhalten, die den Anforderungen desCode of Ethics der IFAC entsprechen.

In ihm sind die von den Vertretern des Berufsstandes einzuhaltendenVerhaltensnormen und Grundprinzipien dargelegt. Dazu gehören Fachkompetenz undberufliche Sorgfalt, Einhaltung der fachlichen Grundsätze sowie - bei externerPrüfungstätigkeit - Wahrung des Grundsatzes der Unabhängigkeit.

In bezug auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt es einen speziellen ISA zurQualitätskontrolle bei Prüfungsleistungen, in dem die Maßnahmen und Verfahren derQualitätskontrolle aufgezeigt sind, die sowohl bei der Prüfungsgesellschaft als auch beijeder einzelnen Prüfung angewendet werden sollten.

Darüber hinaus stellt der Rat der IFAC gegenwärtig zusammen mit seinen FachgremienÜberlegungen an, wie in diesem Bereich künftig zu verfahren ist.

8. FAZIT

Bei den von mir angesprochenen Themen handelt es sich nur um einige der derzeitlaufenden Projekte des IAPC. Wir streben auch weiterhin nach höchstem fachlichenNiveau bei der Erarbeitung von Prüfungsgrundsätzen, die dem neuesten Stand derweltwirtschaftlichen Bedingungen entsprechen und dabei leicht handhabbar sind.

Der Fachausschuß ist sehr an der Auffassung der Kommission zur Rolle, Stellung undHaftung des Abschlußprüfers interessiert. Er geht davon aus, daß er sich in seinerArbeit als internationales Gremium zur Grundsatzerarbeitung zu einem Großteil mitjenen Problemen befaßt, die im Grünbuch aufgezeigt sind, und mißt daher demErfahrungsaustausch mit der Kommission entsprechende Bedeutung bei.

Das IAPC unterhält enge Kontakte zur Kommission und freut sich daher besonders,daß ihm die Möglichkeit zur Teilnahme an dieser Konferenz gegeben wurde.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Arnold Schilder

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HERR PROFESSOR DR. ARNOLD SCHILDER∗

PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

1. 1. FRAGE: IN WELCHEM UMFANG WERDEN DIE PRÜFUNGSGRUNDSÄTZEDER IFAC IN DEN MITGLIEDSTAATEN BEFOLGT?

Antwort: Nach der FEE-Erhebung von 1996 haben über 75 % der Mitgliedstaaten dieISA erklärtermaßen oder faktisch übernommen. Die übrigen 25 % werden es ihnen inKürze gleichtun. So haben die Niederlande 1996 sämtliche ISA in Kraft gesetzt unddiese durch eigene Regelungen zur Berücksichtigung nationaler Besonderheiten (z.B.Rückgriff auf Arbeiten eines anderen Prüfers) ergänzt.

Papier der acht führenden Unternehmen (Big Eight) von 1996: Die Unterschiedewerden immer weiter abgebaut, nicht zuletzt weil die großen multinationaloperierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in ganz Europa nach einheitlichenGrundsätzen arbeiten.

Die ISA haben sich also durchgesetzt, und es wäre reine Zeitverschwendung, überandere Möglichkeiten zu diskutieren. Aus gutem Grund haben wir schon vor einigerZeit auf die UEC-Grundsätze verzichtet, da die IFAC demgegenüber eine globaleAlternative bietet. Warum also zu Vergangenem zurückkehren?

2. FRAGE: BIETEN DIESE PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE EINE AUSREICHENDEORIENTIERUNG?

Antwort: Ja und nein. Dies hängt davon ab, was man unter “ausreichend” versteht. Diebestehenden Grundsätze stellen natürlich für den Berufsstand einen angemessenenOrientierungsrahmen dar, denn sonst wären sie ja gar nicht erst herausgegeben worden.

Ihnen ist aber sicher der umfassende Aktionsplan von Professor Roussey bekannt.Aufgrund der Dynamik des Marktgeschehens kommt es natürlich immer wieder zuDefiziten. “Ausreichende Orientierung” ist also kein statisches Ziel. Zu den wichtigstenPunkten, bei denen nach meiner Ansicht Handlungsbedarf besteht, zählen interneKontrollsysteme zur Verbesserung der Unternehmensführung;Überwachungskonzepte, die über eine Prüfung der finanziellen Verhältnissehinausgehen; berufliche Wertvorstellungen und Pflichten bei der Aufgabenerfüllung;Berücksichtigung technologischer Entwicklungen, z.B. des Internet. Es bleibt alsonoch viel zu tun.

3. FRAGE: KANN DIE EU BEI DER KOORDINIERUNG DER AUFFASSUNGEN ZU DENPRÜFUNGSGRUNDSÄTZEN MITWIRKEN?

Antwort: Ja, solange der Begriff “Koordinierung” richtig ausgelegt wird. Das IAPCwidmet sich bereits dieser Aufgabe und kann dabei auf eine gute europäische Zuarbeit

∗ Ehemaliger Vorsitzender der "Royal NIVRA", Niederlande

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Arnold Schilder

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rechnen. Für die EU würde “Koordinierung “ bedeuten, daß sie die interessiertenKreise zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch zusammenführt und die Diskussionanregt.

Diese Konferenz sei dafür als Beispiel genannt. Ausgangspunkt war die Vergabe vonForschungsaufträgen durch die Kommission im Jahre 1996. Übrigens verhandelt dieKommission bei der Auftragsvergabe und Preisgestaltung härter als so mancher andereAuftraggeber. Der Berufsstand in Europa sah sich dadurch zur Klärung der eigenenPosition veranlaßt, so daß die FEE schon in bemerkenswert kurzer Zeit einheitlicheAuffassungen vorlegen konnte. Es folgte der MARC-Report, der Erhebungen mitwirtschaftlichen Analysen verband. Daraufhin unterbreitete die Kommission ihrGrünbuch. Ich möchte ausdrücklich die ausgewogene Darstellung und denkonstruktiven Ansatz loben, denn wir haben in der Vergangenheit schon ganz andereDinge erlebt. Jetzt also sind wir hier zusammengekommen, um die weitereMarschroute abzustecken, wobei wir uns auf sorgfältig konzipierteDiskussionsgrundlagen stützen können, wie sie beispielsweise von den Big Eighterarbeitet wurden. Anstatt auf Harmonisierung zu setzen, das Rad neu zu erfinden oderRechtsgrundlagen für die ISA zu konstruieren, sollten Sie uns lieber fordern, fundierteForschung betreiben und den Blick nach vorn richten. Dabei können Sie gern ihrGewicht in die Waagschale werfen und uns ein wenig unter Druck setzen, damit wiruns auch wirklich jegliche Mühe geben. Dies versteht man in unserem Beruf unterrichtiger Aufgabenverteilung. Sie stellen die Fragen, auch im Interesse derAllgemeinheit, und wir müssen darauf eine Antwort finden. Es stimmt schon, wasSarah Brown hier feststellte: Die Abschlußprüfung ist eine zu ernste Angelegenheit, alsdaß man sie allein den Abschlußprüfern überlassen könnte. Wir brauchen Sie, damit Sieuns auf Trab halten, uns eine hohe Qualität abverlangen und die richtigen Fragenaufwerfen, und Sie brauchen uns, damit wir die Antworten finden.

4. UND LETZTE FRAGE: WAS KANN MAN TUN, DAMIT DIE GRUNDSÄTZE BESSERBEFOLGT WERDEN?

Antwort: Die Art der Fragestellung gefällt mir nicht. Sieht es denn damit so schlechtaus? Gestern war doch hier viel von den Maßnahmen und Verfahren zurQualitätskontrolle in den einzelnen Mitgliedstaaten die Rede. Worum geht es also?

Vielleicht könnte man die Frage etwas positiver formulieren: Was kann man tun, umdie Befolgung der Grundsätze, die Aufgeschlossenheit und die Qualität derPrüfungstätigkeit zu fördern?

• Fundierte Untersuchungen anstellen, wie es die FEE angeregt hat.

• Eine EU-Arbeitsgruppe zum Prüfungswesen einrichten, etwa alsFachunterausschuß, der einen Beitrag zur Tätigkeit des IAPC leistet.

• Zusammenkünfte mit Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, z.B. den Big Eight undkleineren Gesellschaften, organisieren (um die Fragen direkt mit Berufsangehörigenzu erörtern).

• Alle 2 bis 3 Jahre eine Konferenz zu Fragen der Wirtschaftsprüfung veranstalten.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Arnold Schilder

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• Alle 3 Jahre darauf hinweisen, daß sich die EU zu bestimmten Rechtsvorschriftenoder Empfehlungen an die Mitgliedstaaten genötigt sehen könnte, wenn einzelneFragen nicht im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung geregelt werden.

Kurzum: Sie sollten uns ordentlich zusetzen und erst einmal abwarten, was die IFACund die FEE, ja der ganze Berufsstand zuwege bringen.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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HERR PROFESSOR MATTEO CARATOZZOLO∗

PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

VORWORT

Das "italienische System" der Pflichtprüfungen weist gegenüber denen anderer Länderder Europäischen Union einige Besonderheiten auf, denn diese Prüfungen, d.h. diegesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der allgemeinenBuchführung in den Unternehmen sowie der Zuverlässigkeit der in den Jahres- bzw.Konzernabschlüssen enthaltenen Angaben (vorzunehmen gemäß den Bestimmungender 4. und der 8. EG-Richtlinie) setzen zwei verschiedene Prüfungsorgane voraus: denAufsichtsrat und die Prüfungsgesellschaft.

Ein Aufsichtsrat ist in allen prüfungspflichtigen Unternehmen zu bilden, während Prü-fungsgesellschaften (die in ein bei der nationalen Börsenaufsichtsbehörde CONSOB ge-führtes Verzeichnis eingetragen sein müssen) nur in Unternehmen tätig werden müssen, fürdie eine Bestätigung des Jahresabschlusses vorgeschrieben ist.

Mit dem vorliegenden Bericht soll ein zusammenfassender Überblick darüber vermitteltwerden, wie die Lage im Bereich der Pflichtprüfungen heute in Italien aussieht, nachdemdie 8. Richtlinie des Rates über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung derRechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (Richtlinie Nr. 84/253/EWG vom 10.April 1984) durch die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 88 vom 27. Januar 1992umgesetzt wurde. Darüber hinaus enthält der Bericht einige Vorschläge zur Änderung derderzeit in Italien geltenden Regelungen, die im Lichte der Hinweise des Grünbuchs und derErgebnisse der in der letzten Zeit zum Thema der Unternehmensführung (corporategovernance) geführten Diskussionen entwickelt wurden. In Italien ist die Pflichtprüfung derAbschlüsse nur für Kapitalgesellschaften - also für Aktiengesellschaften,Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung -vorgeschrieben, nicht aber für Personengesellschaften (offene Handelsgesellschaften undKommanditgesellschaften), die nicht zur Offenlegung und Prüfung ihrer Abschlüsseverpflichtet sind.

Die Bestimmungen der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88/1992 über die an die Ab-schlußprüfer (und damit auch an die Aufsichtsratsmitglieder) gestellten Anforderungenfinden keine Anwendung auf Genossenschaften (Art. 2535, Absatz 2, Bürgerliches Gesetz-buch Italiens)1, obgleich für alle Genossenschaften die Bildung eines Aufsichtsrats mitdenselben Kontrollbefugnissen wie in anderen Unternehmensformen vorgeschrieben ist.Das neue Genossenschaftsgesetz Nr. 59 vom 31. Januar 1992 (Art. 15) legt nunmehr fest,daß sich die größeren Genossenschaften ihren Jahresabschluß von einer bei der CONSOBgeführten Prüfungsgesellschaft (oder von einer vom Industrieministerium zugelassenen undin spezielle Verzeichnisse eingetragenen Prüfungsgesellschaft) bestätigen lassen müssen.

∗ Präsident der Kommission für Rechnungslegungsgrundsätze, Italien 1 Einige italienische Rechtsgelehrte sind jedoch der Auffassung, die angeführte Vorschrift

wäre implizit durch die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 88/1992 abgeschafft worden, daauch die Aufsichtsratsmitglieder von Genossenschaften in das weiter unten erläuterte Regi-ster der Abschlußprüfer eingetragen werden müßten.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Auch in diesen Unternehmen werden demnach zwei Organe bei der Pflichtprüfung vonAbschlüssen tätig: der Aufsichtsrat und die Prüfungsgesellschaft.

Die Pflichtprüfungen von "nicht wirtschaftlichen" öffentlich-rechtlichen Körperschaften(Gemeinden, Provinzen, Regionen) und öffentlichen Unternehmen (z.B. örtlichen Gesund-heitseinrichtungen) sind nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts, da auf sie die imBürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Prüfungsvorschriften und die Bestimmungen der 4.EG-Richtlinie über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen nichtzutreffen.

Im ersten Kapitel des Berichts werden die nach Umsetzung der 8. Richtlinie in Italieneingeführten Neuerungen näher beschrieben. Im zweiten Kapitel wird das italienischeSystem der Pflichtprüfungen (Aufsichtsrat und Prüfungsgesellschaft, letztere für dieErteilung von Bestätigungsvermerken für die Abschlüsse) unter besondererBerücksichtigung des Inhalts des "Prüfungsauftrags" und der angewendetenPrüfungsgrundsätze vorgestellt. Kapitel 3 geht auf die Mängel und Unzulänglichkeiten desitalienischen Systems ein und Kapitel 4 enthält Änderungsvorschläge, bei denen dieHinweise des Grünbuchs berücksichtigt wurden. Am Schluß des Berichts folgt einausführliches Inhaltsverzeichnis zu den einzelnen Kapiteln und Abschnitten.

1. DIE UMSETZUNG DER 8. EG-RICHTLINIE IN ITALIEN

In Italien erfolgt die Umsetzung der 8. EG-Richtlinie über die Zulassung der mit der Pflicht-prüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (Richtlinie Nr.84/253/EWG) entsprechend der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88 vom 27. Januar1992. Nach deren Maßgabe wurde beim Justizministerium ein Register der Abschlußprüfergeschaffen und die Berufsbezeichnung des "Abschlußprüfers"2 eingeführt.

Das Register der Rechnungsprüfer wurde anläßlich seiner ersten Erstellung am 21. April1995 (also über drei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzesvertretenden Verordnung Nr.88/1992) veröffentlicht. Seitdem gelten auch die auf die Aufsichtsratsmitglieder bezogenenVorschriften.

Alle Personen, die Pflichtprüfungen von Abschlüssen vornehmen (Aufsichtsratsmitgliederund Abschlußprüfer), müssen in das beim Justizministerium geführte Verzeichniseingetragen sein. Nur die Eintragung in dieses Register berechtigt zum Führen derBerufsbezeichnung "Abschlußprüfer".

Das Recht auf Registrierung haben alle natürlichen Personen, die bestimmtenberufsethischen Anforderungen gerecht werden und eine entsprechende (mündliche undschriftliche) Prüfung abgelegt haben, sowie Prüfungsgesellschaften, die bestimmte

2 Mit Erstellung des Registers der Abschlußprüfer wurde kein neuer Beruf eingeführt, denn,

wie man sehen wird, handelt es sich bei der Mehrzahl der eingetragenen Personen um bereitsin den einschlägigen Verzeichnissen geführte Diplomvolkswirte und Betriebswirte(gegenwärtig etwa 80.000). Darüber hinaus wurden kraft einer Übergangsbestimmung auchnicht im Bereich des Rechnungswesens tätige Berufe (Rechtsanwälte, Wirtschaftsberater)sowie in kein Berufsverzeichnis eingetragene Personen (Führungskräfte und Bedienstete desStaates, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder privater Unternehmen, die im in-zwischen abgeschafften Verzeichnis der öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer geführt wur-den) registriert.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Voraussetzungen erfüllen: dazu gehört u.a., daß der Gesellschaftszweck ausschließlich aufTätigkeiten "des betrieblichen Prüfungs- und Rechnungswesens" beschränkt sein muß.

Zulassungskriterien für diese Prüfung sind ein Hochschuldiplom (oder ein Hoch- oderSpezialschulabschluß nach mindestens dreijähriger Ausbildung) in den FachrichtungenWirtschaft, Betriebswirtschaftlehre oder Jura und ein bei einem Abschlußprüfer absolviertesdreijähriges Praktikum auf dem Gebiet der Prüfung von Jahres- und konsolidierten Ab-schlüssen. Geprüft werden Kenntnisse aus den Bereichen Unternehmenslehre (Betriebswirt-schaft, betriebliche Finanzwirtschaft, allgemeine Buchhaltung und Bilanzbuchhaltung,Betriebsbuchführung, Rechnungs- und Abschlußprüfung, Betriebsinformatik), Recht,(Bilanzvorschriften, Zivil- und Handelsrecht, Konkursrecht, Steuer- und Arbeitsrecht)sowie Wirtschaftstheorie und Mathematik (politische Ökonomie, Mathematik, Statistik).

Die Prüfung wird jährlich vom Justizministerium anberaumt3. Von der Prüfung befreit sindPersonen, die bereits zwecks ihrer Zulassung zur Berufsausübung eine theoretische undpraktische staatliche Prüfung in den vorstehend angeführten Fächern abgelegt haben4. Beider ersten Erstellung des Registers der Rechnungsprüfer wurden gem. Art. 11 dergesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88/1992 gemäß Ihrer Forderung auch natürlichePersonen in das Register aufgenommen, die vorher keine Prüfung abgelegt hatten, jedochbestimmte Voraussetzungen erfüllten (insbesondere Eintragung in das inzwischenabgeschaffte Verzeichnis der öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer oder in dieBerufsverzeichnisse der Buchsachverständigen). Das war jedoch ein Ausnahmeregelung,die der Besitzstandswahrung der öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer diente. Darüberhinaus wurden auch Prüfungsgesellschaften, die über eine entsprechende Genehmigung desIndustrieministeriums (gemäß des Gesetzes Nr. 1966 vom 23. November 1939) verfügtenoder bereits in dem bei der Börsenaufsichtsbehörde CONSOB geführten speziellenVerzeichnis registriert waren, antragsgemäß eingetragen. Dieses Verzeichnis wurdeübrigens nicht abgeschafft (gegenwärtig sind etwa 30 Prüfungsgesellschaften darin erfaßt),so daß es heute in Italien nicht nur ein, sondern mehrere Verzeichnisse bzw. Register derAbschlußprüfer gibt: das Verzeichnis laut gesetzesvertretender Verordnung Nr. 88/1992,das CONSOB-Verzeichnis sowie einige nationale und regionale Register undVerzeichnisse, in denen Prüfungsgesellschaften erfaßt werden müssen, dieAbschlußprüfungen in Genossenschaften durchführen.

Nach Maßgabe der Verordnung zur Umsetzung der 8. EG-Richtlinie in Italien ist dasJustizministerium die oberste Aufsichtsbehörde für Pflichtprüfungen von Abschlüssen undhat demnach die folgenden Pflichten und Aufgaben wahrzunehmen:

a) Eintragung der Abschlußprüfer in das Register bzw. deren Löschung;

b) Kontrolle der Tätigkeit der Abschlußprüfer und Verhängung von Sanktionen(Suspendierung bis zu einem Jahr oder Streichung aus dem Register), wennwesentliche Mängel bei der Durchführung der Abschlußprüfungen festgestelltwerden;

c) Bestimmung der Kriterien für die Festlegung der Vergütung von Abschlußprüfern;

3 Bis heute (November 1996) wurde der Prüfungstermin noch nicht angesetzt, obwohl sich

einige Tausend Diplomvolkswirte und Betriebswirte daran beteiligen möchten, um in dasRegister aufgenommen zu werden.

4 So wie gegenwärtig nach der jüngsten Reformierung des Staatsexamens zwecks Zulassungzur Ausübung des Berufs eines Diplomvolkswirts vorgesehen.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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d) Festlegung der Modalitäten für das Praktikum und die Prüfung, die Voraussetzungfür die Eintragung in das Register sind.

Die Qualitätskontrolle der Tätigkeit der Abschlußprüfer obliegt den berufsständischenOrganisationen (für ihre Mitglieder), den staatlichen Verwaltungen und den öffentlich-rechtlichen Körperschaften (für ihre Mitarbeiter, die in das Register der Rechnungsprüfereingetragen sind) sowie der CONSOB (für die im speziellen Verzeichnis erfaßten Prüfungs-gesellschaften). Sie haben das Justizministerium über Maßnahmen zu unterrichten, die sie"aufgrund von Pflichtverletzungen bei der Prüfung von Rechnungslegungsunterlagen gegenihre Mitglieder verhängt" haben.

Darüber hinaus übt die CONSOB auch weiterhin die Berufsaufsicht über diePrüfungsgesellschaften aus, die in das von ihr geführte spezielle Verzeichnis eingetragensind. Geregelt ist diese Berufsaufsicht in der Verordnung des Präsidenten der RepublikNr. 136 vom 31. März 1975 und beinhaltet im wesentlichen die Vornahme vonEintragungen und Löschungen im Register sowie die Feststellung, ob die für dieBestätigung von Abschlußprüfungen geforderten Voraussetzungen wie Unabhängigkeit,Organisation und fachliche Eignung der Prüfungsgesellschaft und ihrer gesetzlichenVertreter erfüllt sind.

Unabhängig von den Sanktionen, die das Justizministerium verhängen kann, ist auch dieCONSOB berechtigt, im Falle wesentlicher Vorschriftenverletzungen bei der Prüfung undBestätigung von Abschlüssen den betreffenden Personen für maximal zwei Jahre die Aus-übung dieser Tätigkeiten zu untersagen; sie kann den Prüfungsgesellschaften für einegewisse Zeit (höchstens ein Jahr) die Annahme neuer Aufträge verbieten oder sie sogar ausdem speziellen Register streichen.

Im Gegensatz dazu hat die CONSOB keine Befugnisse im Hinblick auf dieAufsichtsratsmitglieder börsennotierter Unternehmen; gegen diese können gegebenenfallsnur die berufsständischen Organisationen Sanktionen verhängen.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß aus dem CONSOB-Register gelöschtePrüfungsgesellschaften keine Bestätigungen von Abschlüssen börsennotierter Unternehmen(etwa 230) und anderer Unternehmen vornehmen dürfen, für die laut Verordnung desPräsidenten der Republik Nr. 136/1975 ein Bestätigungsvermerk vorgeschrieben ist (etwa1.700 Unternehmen); sie dürfen indessen weiterhin sogenannte "freiwillige Bestätigungen"erteilen (sie kommen für mehr als 4.500 Unternehmen in Frage), für die seit 1995 dieEintragung in das Register der Rechnungsprüfer ausreichend ist (mit Ausnahme derGenossenschaften, auf die bereits im Vorwort eingegangen wurde).

Während die CONSOB seit einigen Jahren regelmäßig die Tätigkeit der in ihrem Registergeführten Prüfungsgesellschaften unter qualitativen Gesichtspunkten kontrolliert (und damitdie ihrer Gesellschafter, Geschäftsführer, Angestellten und freien Mitarbeiter, die Prüfungenvornehmen, Bestätigungsvermerke für Abschlüsse oder andere gesetzlich vorgeschriebeneBerichte anfertigen), haben die Berufsvereinigungen der Buchsachverständigen noch nichtdie entsprechenden Voraussetzungen geschaffen, um dies auch für dieAufsichtsratsmitglieder und die Abschlußprüfer zu tun, die in nicht bei der CONSOBregistrierten Prüfungsgesellschaften beschäftigt sind.

Es sei darauf verwiesen, daß die überwiegende Mehrheit der gegenwärtig 80.000 in dieVerzeichnisse der Buchsachverständigen eingetragenen Personen Mitglieder von Aufsichts-räten sind, während nur einige Tausend als Gesellschafter, Geschäftsführer, Angestellteoder freie Mitarbeiter von Prüfungsgesellschaften tätig sind.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Mit der gesetzesvertretenden Verordnung zur Verwirklichung der 8. Richtlinie wurdenauch einige einschneidende Änderungen der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbucheszu den Aufsichtsräten vorgenommen, auf die im zweiten Kapitel dieses Berichts nähereingegangen werden soll.

2. DAS GEGENWÄRTIGE SYSTEM: DIE KONTROLLBEFUGNISSE DERAUFSICHTSRATSMITGLIEDER UND DIE ERTEILUNG VONBESTÄTIGUNGSVERMERKEN DURCH PRÜFUNGSGESELLSCHAF-TEN

2.1 Der Aufsichtsrat: Zusammensetzung, Aufgaben und Haftung

Die nachstehend beschriebene Situation ist das Ergebnis der ersten Aufstellung desRegisters der Rechnungsprüfer (21. April 1995).

2.1.1 Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrates

Die Bildung eines Aufsichtsrates ist für alle Aktien- und Kommanditgesellschaften aufAktien mit einem Grundkapital von mehr als 200 Millionen Lire sowie für Gesellschaftenmit beschränkter Haftung vorgeschrieben, deren gezeichnetes Kapital mehr als 200Millionen Lire beträgt. Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem geringerenKapital (der Mindestbetrag liegt bei 20 Millionen Lire) müssen ebenfalls einen Aufsichtsratbestellen, wenn dies von der Satzung vorgesehen ist oder die Gesellschaft in zweiaufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der in Art. 2435-bis Bürgerliches Gesetzbuchangeführten Größenkriterien überschritten hat (mit diesem Artikel wurden dieBestimmungen von Art. 11 der 4. Richtlinie übernommen).

2.1.2 Zusammensetzung des Aufsichtsrates, Bestellung und Unvereinbarkeiten

Der Aufsichtsrat setzt sich aus drei oder fünf Vollmitgliedern und zwei stellvertretendenMitgliedern zusammen, die alle in das Register der Rechnungsprüfer eingetragen seinmüssen. Die Mitglieder und der Vorsitzende des Aufsichtsrates werden von derGeneralversammlung (bzw. Gesellschafterversammlung) mit der für die ordentlichenGeneralversammlung vorgeschriebenen Mehrheit bestellt. Die Pflicht zur Reservierung vonAufsichtsratsposten für Minderheiten von Anteilseignern wurde vom Gesetzgeber nichtvorgegeben (eine Ausnahme bildet der von einem neuen Gesetz zur Privatisierungbestimmter Unternehmen geregelte Fall, für den eine "Listenstimme" zur Gewährleistungder Vertretung von Minderheiten vorgesehen ist).

Der Aufsichtsrat darf nur aus natürlichen Personen bestehen; die Bestellung von Unter-nehmen oder Berufsvereinigungen von Prüfern ist nicht zulässig (in dieser Frage bestehtjedoch keine einhellige Auffassung).

Entmündigte, beschränkt Geschäftsfähige, Konkursschuldner sowie strafrechtlichVerurteilte, denen als Zusatzstrafe die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied untersagt wurde,dürfen nicht in den Aufsichtsrat berufen werden; andernfalls verlieren sie ihr Amt. DerGrundsatz der Unvereinbarkeit gilt auch für Verwandte (Ehepartner, Verwandte undVerschwägerte bis zum 4. Grad) der Vorstandsmitglieder des geprüften Unternehmenssowie für Personen, die durch ein "dauerhaftes vergütetes Dienstverhältnis" an dasUnternehmen oder an seine Tochtergesellschaften (nicht aber an die Muttergesellschaft)gebunden sind (unter einem solchen Verhältnis versteht man in der Regel ein abhängiges

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Arbeitsverhältnis oder aber einen dauerhaften, allgemeinen Beratungsvertrag gegenVergütung). Ebenfalls ihr Amt verlieren Aufsichtsratsmitglieder, denen die Ausübung ihrerTätigkeit untersagt wurde oder die aus dem Register der Rechnungsprüfer gestrichenwurden.

Was die gleichzeitige Ausübung der Funktion eines Aufsichtsratsmitglieds und die ver-traglich geregelte Erbringung von Beratungsleistungen für ein und dasselbe Unternehmenanbelangt, so gehen die vorherrschende Rechtslehre und Rechtsprechung davon aus, daßbeide Tätigkeiten miteinander vereinbar sind, wenn sie nicht dauerhaft ausgeübt werden;das gilt auch dann, wenn sich diese Leistungen mehrmals innerhalb eines Jahreswiederholen sollten.

Die angeführten Vorschriften bieten keine zufriedenstellende Lösung für das Problem derUnabhängigkeit des Abschlußprüfers, die ja bekanntlich zu den in der 8. Richtlinie enthalte-nen Hauptanforderungen an die Prüfer gehört. Diesbezüglich wird auf die Ausführungenund Vorschläge in Kapitel 3 des vorliegenden Berichts verwiesen.

2.1.3 Amtsdauer, Abberufung und Vertretung der Aufsichtsratsmitglieder

Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder (die erstmals bei Gründung des Unternehmenserfolgt) gilt für einen Zeitraum von drei Jahren; danach können sie beliebig oft in ihrem Amtbestätigt werden. Ein turnusmäßiger Wechsel der Mitglieder des Aufsichtsrates ist nichtvorgesehen. Sie können aus "triftigem Grund" (in der Regel wegen wesentlicher Fehleroder Unterlassungen bei der Ausübung ihres Amtes) auf Beschluß der Generalversammlungabberufen werden, wobei dieser Beschluß nach Anhörung der Betreffenden vomLandgericht zu bestätigen ist. Hierbei handelt es sich um ein wichtiges Instrument zumSchutz der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Mehrheit derAnteilseigner und den von diesen bestellten Vorstandsmitgliedern (Geschäftsführern).

Während ihres Mandats werden Vollmitglieder des Aufsichtsrats, die aufgrund ihres Able-bens, ihres Rücktritts, eines Amtsverlustes oder ihrer Abberufung aus dem Amt scheiden,durch Ersatzmitglieder (in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer) vertreten. Diese verbleiben biszur nächsten Generalversammlung, von der sie bestätigt werden müssen, im Amt.

2.1.4 Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder: Kontrolle, Beratung und aktiveGeschäftsführung

Die Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder sind äußerst umfangreich und vielfältig. Siekönnen in drei Gruppen unterteilt werden:

a) Kontrollaufgaben

b) Beratungsaufgaben

c) aktive Verwaltungsaufgaben.

Am wichtigsten sind hierbei die Kontrollaufgaben, die den Aufsichtsrat als internesKontrollorgan auszeichnen (im Gegensatz zu den Prüfungsgesellschaften, die als externeKontrollorgane lediglich das Rechnungswesen prüfen); sie werden unter Punkt 1.5 nähererläutert.

Die Beratungsaufgaben der Aufsichtsratsmitglieder beinhalten eine ganze Reihe gesetzlichvorgeschriebener Stellungnahmen, die teilweise verbindlich sind. Nachstehend sind diewichtigsten angeführt:

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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a) (verbindliche) Stellungnahme zur Kooptierung eines oder mehrerer Vorstandsmit-glieder durch den Vorstand (ohne Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder kannkeine Kooptierung erfolgen) (Art. 2386 Bürgerliches Gesetzbuch);

b) (unverbindliche) Stellungnahme zur Festlegung der Vergütung für Vorstandsmit-glieder mit besonderen Aufgaben (Vorstandsvorsitzender, Vorstandsmitglieder mitVertretungsbefugnis) (Art. 2389 Bürgerliches Gesetzbuch);

c) (unverbindliche) Stellungnahme zur Festsetzung des Ausgabepreises für Aktienbzw. Geschäftsanteile bei echten Kapitalerhöhungen (Baraufstockungen) mitAusschluß oder Beschränkung des Bezugsrechts (Art. 2441 BürgerlichesGesetzbuch);

d) (verbindliche) Stellungnahme zur Ausweisung von Aufwendungen für dieAufnahme oder Erweiterung des Geschäftsbetriebs sowie von Aufwendungen fürForschung, Entwicklung und Werbung in der Bilanz (Art. 2428, Ziffer 5,Bürgerliches Gesetzbuch);

e) (verbindliche) Stellungnahme zur Einstellung des Geschäfts- und Firmenwertes indie Bilanz (Art. 2426, Ziffer 6, Bürgerliches Gesetzbuch).

Die unter d) und e) angeführten Stellungnahmen gehören unmittelbar zu den Aufgaben derAufsichtsratsmitglieder im Bereich der Rechnungsprüfung.

Darüber hinaus werden Aufsichtsratsmitglieder in Vertretung des Vorstands auch mit deraktiven Geschäftsführung betraut, wenn der Einzelgeschäftsführer oder aber alle Vorstands-mitglieder ausfallen (Art. 2386, Absatz 4, Bürgerliches Gesetzbuch). In diesem Falle darfder Aufsichtsrat nur Handlungen der ordentlichen Geschäftsführung vollziehen und hatunverzüglich die Generalversammlung einzuberufen, um die fehlenden Vorstandsmitgliederzu ersetzen.

2.1.5 Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates

Die Kontrollaufgaben sind ihrem Wesen wie auch ihrem Inhalt nach außerordentlich um-fangreich.

Sie umfassen:

a) die Prüfung der Einhaltung von Recht und Gesetz;

b) die Kontrolle der Geschäftsführung;

c) die Prüfung des Rechnungswesens;

d) die Prüfung steuerlicher Aspekte.

2.1.5.1 Die Prüfung der Einhaltung von Recht und Gesetz

Nach Maßgabe von Art. 2403, Absatz 1, Bürgerliches Gesetzbuch hat der Aufsichtsrat"über die Einhaltung der Rechtsvorschriften und des Gesellschaftsvertrags zu wachen", d.h.er muß prüfen, ob die Handlungen und Beschlüsse der übrigen Organe der Gesellschaft(einzelne Vorstandsmitglieder mit besonderen Vertretungsbefugnissen,Einzelgeschäftsführer, Vorstand, geschäftsführender Ausschuß, Generalversammlung,Versammlung der Obligationeninhaber) den gesetzlichen Vorschriften (und anderenRechtsvorschriften und Normen) sowie der Satzung entsprechen.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Diese Aufgabe ist inhaltlich äußerst umfangreich, da die Grenzen in bezug auf Art undCharakter der Rechtsvorschriften, über deren Einhaltung die Aufsichtsratsmitgliederwachen sollen, nicht genau festgelegt sind. Mit Sicherheit gehören handelsrechtlicheVorschriften (insbesondere Gesellschaftsrecht) dazu, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuchund in speziellen Gesetzen (einschließlich strafrechtlicher Bestimmungen) enthalten sind,und auch das Steuerrecht. Umstritten ist hingegen, ob auch Vorschriften zurSozialversicherung, zum Versicherungswesen, zum Umwelt- oder zum Arbeitsschutz usw.darunter fallen.

Da die Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder eine mit der "vom Beauftragten zu erwar-tenden Sorgfalt" auszuübende berufliche Verpflichtung ist, wird davon ausgegangen, daßsie auf die Einhaltung jener Vorschriften zu achten haben, die normalerweise die Tätigkeitdes Unternehmens in dessen Wirtschaftsbereich regeln.

Stellen die Aufsichtsratsmitglieder Rechtsverletzungen fest, so können sie die im Wider-spruch zum Gesetz oder zur Satzung stehenden Beschlüsse der Generalversammlungdurch Anrufung eines Gerichts anfechten. Dasselbe gilt für vom Vorstand gefaßteBeschlüsse, bei denen bei einem oder mehreren seiner Mitglieder Interessenkonflikteauftraten.

Die gerichtliche Anfechtung ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben, sondern sie erfolgtfreiwillig.

Die Aufsichtsratsmitglieder sind nicht verpflichtet, die Staatsanwaltschaft zu informieren,wenn sie in Ausübung ihrer Funktion Strafrechtsverletzungen in Gestalt strafbarer Handlun-gen feststellen. Sie haben nur das Recht, nicht aber die Pflicht dazu.

2.1.5.2 Kontrolle der Geschäftsführung bzw. des Managements

Gem. Art. 2403 Bürgerliches Gesetzbuch sind die Aufsichtsratsmitglieder generell dazuverpflichtet, die Geschäftsführung des Unternehmens zu überwachen (d.h. das Vorgehenund die Handlungen des Vorstands bzw. der Geschäftsführer; unklar ist, ob sich dieseKontrolle auch auf den Generaldirektor oder höhere Führungskräfte erstrecken soll).

Im Rahmen dieser Kontrolltätigkeit (die sich bisweilen mit der unter Punkt 1.5.1beschriebenen überschneidet) müssen sie prüfen, ob die Handlungen des Vorstands mit denallgemeinen Vorschriften einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung übereinstimmen, denneine Verletzung derselben stellt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 2392) eineVerletzung der Sorgfaltspflicht dar (entsprechend des "duty of care" der Führungskräftevon Unternehmen im Vereinigten Königreich oder in den USA).

Andererseits dürfen die Aufsichtsratsmitglieder nicht in das Management eingreifen oderdie Richtigkeit bzw. die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Leitungsentscheidungenbewerten.

Zur Überwachung der Tätigkeit der Geschäftsführer gehört auch die Pflicht zurEinberufung der Generalversammlung und zur Veröffentlichung und Hinterlegung vonUnterlagen und Beschlüssen (z.B. Hinterlegung des Jahresabschlusses bei der für dasUnternehmensregister zuständigen Stelle), wenn dies von der Geschäftsführung versäumtwurde (Art. 2406 Bürgerliches Gesetzbuch).

Damit die Aufsichtsratsmitglieder die Einhaltung von Recht und Gesetz sowie die Leitungs-tätigkeit bewußt überwachen können, sind sie verpflichtet, an den Generalversammlungen

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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und an den Vorstandssitzungen teilzunehmen (hingegen ist die Teilnahme an den Sitzungendes geschäftsführenden Ausschusses nicht zwingend vorgeschrieben).

Durch diese kontinuierliche Teilnahme erhalten die Aufsichtsratsmitglieder Kenntnis vonden wichtigsten innerbetrieblichen Geschehnissen - im Gegensatz zu den Abschlußprüfern,die als externes Organ keinen Kontakt zu den Generalversammlungen haben und auch nichtan den Sitzungen der Leitungsorgane teilnehmen.

Zwecks Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben sind die Aufsichtsratsmitglieder berechtigt,vom Vorstand Auskunft über sämtliche Geschäftsvorgänge und Angelegenheiten zu ver-langen und jederzeit Prüfungen und Kontrollen jeglicher Art durchzuführen. Vor denAufsichtsratsmitgliedern dürfen keine Unternehmensangelegenheiten geheimgehaltenwerden.

Die Aufsicht über die Geschäftsführung umfaßt auch die heikle Aufgabe zu ermitteln, obdie Vorstandsmitglieder "unzulässige Handlungen" (Betrugsversuche, vorschriftswidrigeHandlungen) vorgenommen haben; hierzu ist der Aufsichtsrat nach einer entsprechendenAnzeige durch die Gesellschafter (oder wenn er selbst den Verdacht auf ein derartigesrechtswidriges Verhalten hegt) verpflichtet. Wird dies von Gesellschaftern angezeigt, diemindestens 5 % des Grundkapitals halten, so müssen die Untersuchungen unverzüglichdurchgeführt werden; außerdem muß die Generalversammlung einberufen werden, damitgeeignete Maßnahmen - gegebenenfalls auch die Abberufung des Vorstands - beschlossenwerden können.

Besondere Prüfungen der Geschäftsführung sind für Banken, Versicherungs-, Finanz- undWertpapiervermittlungsgesellschaften vorgeschrieben.

2.1.5.3 Prüfung des Rechnungswesens

Diese Aufgabe ist wesentlich umfangreicher als in der 4. und 7. EG-Richtlinie vorgesehenund beinhaltet nicht nur die Feststellung der Zuverlässigkeit (zum Zwecke des "true and fairview") der Angaben in Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen.

Sie umfaßt die nachstehend angeführten Prüfungen und Kontrollen, die hauptsächlich durchArt. 2403 und 2429 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgeschrieben sind:

a) Prüfung der ordnungsmäßigen Buchführung;

b) Prüfung der Übereinstimmung des Abschlusses mit den Büchern und Rechnungs-legungsunterlagen;

c) Prüfung der Einhaltung der Vorschriften von Art. 2426 Bürgerliches Gesetzbuchzur Bewertung des Gesellschaftsvermögens sowie derRechnungslegungsgrundsätze (accounting standards) bei der Erstellung desAbschlusses;

d) vierteljährliche Prüfung des Kassenbestands sowie des Bestands an Werten undWertpapieren, die Eigentum der Gesellschaft sind oder von dieser als Pfand, alsSicherheit oder zur Verwahrung übernommen wurden;

e) Erstellung eines der Generalversammlung vorzulegenden Berichts zum Jahresab-schluß; er enthält Bewertungen und Einschätzungen des Aufsichtsrats zur Buchfüh-rung, zur Zuverlässigkeit der Angaben im Abschluß und zu den Ergebnissen derwährend des Geschäftsjahrs durchgeführten Prüfungen rechtlicher, verwaltungs-mäßiger und steuerrechtlicher Aspekte;

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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f) gemeinsam mit dem Vorstand durchzuführende Prüfung, ob die Sacheinlagen beider Gründung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalaufstockung "angemessen"bewertet wurden (Art. 2343 Bürgerliches Gesetzbuch);

g) Prüfung des vom Vorstand börsennotierter Unternehmen anzufertigendenHalbjahresberichts (Art. 2428 Bürgerliches Gesetzbuch);

h) Prüfung der richtigen Darstellung der Vermögenslage und des Lageberichts derzwecks Ausschüttung von Vorschußdividenden (Art. 2433-bis BürgerlichesGesetzbuch);

i) Prüfung der außergewöhnlichen Vermögenslage bei Verlusten, die zu einer Minde-rung des Grundkapitals um mehr als 1/3 führen (Art. 2446 und 2447 BürgerlichesGesetzbuch);

j) Prüfung der unterjährigen Vermögenslage bei Fusionen oder Aufspaltungen derGesellschaft (Art. 2501-ter Bürgerliches Gesetzbuch);

k) Prüfung des Konzernabschlusses und Erstellung eines Prüfungsberichts.

Die Aufsichtsratsmitglieder können sich bei der Rechnungsprüfung von Firmenangestelltenoder freien Mitarbeitern unterstützen lassen, wobei jedoch die anfallenden Kosten über-nommen werden müssen. Eine solche Unterstützung ist jedoch nur bei der Prüfung derordnungsmäßigen Buchführung sowie der Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit denBüchern und Rechnungslegungsunterlagen (also bei Aufgaben unter Buchstabe a) und b)der vorstehenden Aufstellung) zulässig, nicht aber bei den übrigen Kontrolltätigkeiten. Diefreien Mitarbeiter unterliegen ebenso wie die Aufsichtsratsmitglieder derGeheimhaltungspflicht in bezug auf Tatsachen, von denen sie in Ausübung ihrer TätigkeitKenntnis erlangen (Art. 2403-bis Bürgerliches Gesetzbuch).

Die oben beschriebenen Prüfungen des Rechnungswesens müssen von den Aufsichtsrätenjener Unternehmen durchgeführt werden, deren Jahresabschlüsse nicht bestätigt werdenmüssen.

Demgegenüber sind die Aufsichtsräte von Gesellschaften, für die ein Bestätigungsvermerkdes Abschlußprüfers vorgeschrieben ist (börsennotierte Unternehmen und Unternehmenbestimmter Wirtschaftsbereiche) im Grunde genommen nicht mehr für die Prüfung derZuverlässigkeit der in den Abschlüssen enthaltenen Angaben zuständig, die statt dessenPrüfungsgesellschaften übertragen wird, die in das CONSOB-Register eingetragenen sind(nähere Erläuterungen siehe weiter unten unter Abschnitt 2). Diese müssen den Abschlußbestätigen und einen Prüfungsbericht verfassen, in welchem der Bestätigungsvermerk erteiltoder versagt wird. In solchen Unternehmen sind die Aufsichtsratsmitglieder noch für diefolgenden Aufgaben auf dem Gebiet der Pflichtprüfung verantwortlich:

a) vierteljährliche Prüfung des Kassenbestands sowie des Bestands an sonstigenWerten;

b) Prüfung der Buchführung;

c) Zustimmung zur Ausweisung von Aufwendungen für die Aufnahme undErweiterung des Geschäftsbetriebs, von Aufwendungen für Forschung,Entwicklung und Werbung sowie des Geschäfts- und Firmenwertes in der Bilanz;

d) Überwachung des ordnungsgemäßen Vorgehens des Vorstands bei Abweichungenvon den Bilanzvorschriften in Ausnahmefällen (gem. Art. 2423, Absatz 4,Bürgerliches Gesetzbuch);

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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e) Erstellung eines Berichts zum Jahresabschluß, mit Bemerkungen und Vorschlägenzu diesem selbst und zu seiner Feststellung;

f) mündliche Darlegung weiterer Hinweise und Vorschläge zum Jahresabschluß aufder Generalversammlung, ausgehend von den Ergebnissen des Prüfungsberichts;

g) Prüfung des konsolidierten Abschlusses und Erstellung eines Berichtes über derenErgebnisse5.

2.1.5.4 Rechnungslegungsgrundsätze (accounting standards) und Prüfungsgrundsätze(auditing standards)

Sowohl die den Abschluß erarbeitenden Vorstandsmitglieder der Unternehmen als auch dieihn prüfenden Aufsichtsräte und Prüfungsgesellschaften müssen sich vergewissern, ob derJahresabschluß oder der konsolidierte Abschluß (sowie der Lagebericht) in Einklang mitden Rechtsvorschriften wie auch mit den Rechnungslegungsgrundsätzen (accountingstandards) erstellt wurden.

Dies gilt für börsennotierte und andere Unternehmen, die sich ihren Abschluß bestätigenlassen müssen, wie auch für solche, für die ein Bestätigungsvermerk nicht vorgeschriebenist. Für die Erstgenannten ist in der Verordnung des Präsidenten der Republik Nr. 136 vom31. März 1975 festgelegt, daß die Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze von derCONSOB "empfohlen" werden, die auf diese Weise deren Korrektheit und fachlicheRichtigkeit bestätigt.

In Italien gelten keine unterschiedlichen Rechnungslegungsgrundsätze für kleine odergroße, für börsennotierte oder nicht börsennotierte Unternehmen, da es nur ein einzigesGesetz (die erwähnte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 127 vom 09.04.1991) zurRegelung der Abschlüsse gibt, das für alle gewerblichen, kaufmännischen undDienstleistungsunternehmen, gleich welcher Art oder Größenordnung, anzuwenden ist. Esbestehen jedoch einige Sondervorschriften für die Vorlage von Abschlüssen in Banken,Finanzinstituten und Versicherungsgesellschaften, in denen zum Teil andere Grundsätze derRechnungslegung anzuwenden sind.

Die von der CONSOB "empfohlenen" Grundsätze wurden von einem eigens dafürgebildeten Ausschuß des italienischen Berufsstandes der Buchsachverständigen erarbeitet.

Die italienischen Rechnungslegungsgrundsätze dürfen nicht im Widerspruch zu den Bilanz-vorschriften stehen, die, falls derartige Widersprüche auftreten sollten, in jedem FalleVorrang genießen.

Daher können diese Grundsätze auch nur eine "Ergänzung zu den Rechtsvorschriften" insolchen Bereichen sein, die vom Gesetzgeber nicht oder nur allgemein geregelt wurden,oder sie können zur "Auslegung" der einschlägigen Bilanzvorschriften herangezogenwerden (z.B. zur Auslegung des Begriffs "Herstellungskosten" bei der Bewertung vonBeständen).

In den Bereichen, in denen die nationalen Rechnungslegungsgrundsätze gegenwärtig nochkeine Anwendung finden, können die International Accounting Standards des IASC

5 Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Prüfung der Zuverlässigkeit der Angaben des

konsolidierten Abschlusses obliege ausschließlich der mit der Bestätigung des Jahresab-schlusses beauftragten Prüfungsgesellschaft.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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zugrunde gelegt werden, sofern sie nicht im Widerspruch zu den italienischenRechtsvorschriften stehen.

Die Prüfungsgrundsätze (auditing standards) wurden ebenfalls von einem Sonderausschußder beiden in Italien im Bereich des Rechnungswesens tätigen Berufe erarbeitet: vomAusschuß für die Festlegung von Prüfungsgrundsätzen der italienischen Verbände derBuchsachverständigen. Sie werden von der CONSOB für die Pflicht- und die freiwilligePrüfung der Abschlüsse von Unternehmen empfohlen. Nicht angewendet werden siehingegen von den Aufsichtsratsmitgliedern, für die ab 1997 entsprechende"Verhaltensgrundsätze für Aufsichtsräte" gelten. Diese wurden von einembrachenübergreifenden Ausschuß aufgestellt, der ebenfalls von den Verbänden derBuchsachverständigen geschaffen wurde.

2.1.5.5 Prüfung steuerlicher Aspekte

Der Aufsichtsrat muß auch Prüfungen steuerrechtlicher Gesichtspunkte vornehmen, diesich teilweise aus seiner Pflicht ableiten, gem. Art. 2403 Bürgerliches Gesetzbuch über dieEinhaltung der Rechtsvorschriften zu wachen, teilweise aber auch aus speziellensteuerrechtlichen Vorschriften (sie sind ganz allgemein in der Verordnung des Präsidentender Republik Nr. 600 vom 29. September 1973 über die Veranlagung zurKörperschaftssteuer enthalten).

Die Prüfungen betreffen insbesondere:

• das ordnungsmäßige Führen der Bücher und Verzeichnisse, die entsprechend denRechtsvorschriften zur Körperschafts- und zur Mehrwertsteuer vorgeschriebensind;

• das ordnungsmäßige Erstellen und rechtzeitige Einreichen von Steueranmeldungenund -erklärungen, insbesondere zur Körperschafts- und zur Mehrwertsteuer (dieErklärung zur Körperschaftssteuer, Formular 760, muß vomAufsichtsratsvorsitzenden abgezeichnet werden);

• ordnungsgemäße Vornahme und rechtzeitige Abführung von Steuereinbehalten,Mehrwertsteuer und Steuern, die sich aus der Körperschaftssteuererklärungergeben.

Ähnliche Prüfungen sind in bezug auf die rechtzeitige Entrichtung von Sozial- und anderenVersicherungsbeiträgen sowie die Abgabe von Meldungen und Erklärungen entsprechendden arbeitsrechtlichen Vorschriften durchzuführen.

Die angeführten Prüfungen zu steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragenmüssen auch von den Aufsichtsräten jener Unternehmen vorgenommen werden, die derPflichtprüfung unterliegen.

2.1.6 Prüfungsgrundsätze (auditing standards) der Aufsichtsräte: die sogenannten"Verhaltensgrundsätze"

Die Erläuterungen unter Abschnitt 1.5 lassen erkennen, daß die Prüfungsaufgaben derAufsichtsratsmitglieder ihrem Inhalt nach äußerst umfangreich sind und sich nicht nur aufdie Prüfung des Rechnungswesens (die eine "Pflichtprüfung der Abschlüsse" im Sinne desVerständnisses der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union darstellt) erstrecken,sondern auch rechtliche, administrative und steuerliche Aspekte einbeziehen, die nicht zureigentlichen "Pflichtprüfung der Abschlüsse" gehören.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Für die von den Aufsichtsräten durchzuführenden Prüfungen gibt es keine Verfahrensvor-schriften (mit Ausnahme der Vorschriften zu den vierteljährlich vorzunehmenden Prüfungendes Kassenbestands sowie des Bestands an Wertpapieren und Beteiligungen). Aus diesemGrunde haben die Vertreter der beiden im italienischen Rechnungswesen tätigen Berufe(Buchsachverständige) einen berufsübergreifenden Ausschuß gebildet, der vor kurzem eineSammlung selbständig entwickelter Vorschriften unter dem Titel "Verhaltensgrundsätze fürAufsichtsräte" vorgelegt hat. Darin sind auch Verfahrensregeln enthalten, die bei denPrüfungen rechtlicher, administrativer, buchhalterischer und steuerlicher Fragen zu beachtensind.

Diese Grundsätze werden ab 1. Januar 1997 angewendet.

Die "Verhaltensgrundsätze" gelten für alle kaufmännischen, gewerblichen und Dienstlei-stungsunternehmen sämtlicher Größenordnungen. Sie sind in zwei Teile untergliedert, diesich jeweils auf Unternehmen beziehen, für die ein Bestätigungsvermerk derAbschlußprüfer freiwillig erfolgen kann bzw. laut Gesetz vorgeschrieben ist. In letzterenhaben die Aufsichtsräte zwar nach wie vor die Pflicht, Prüfungen zu Rechts-, Verwaltungs-und Steuerfragen vorzunehmen, sind aber weitgehend von den Prüfungen desRechnungswesens (und damit auch von der Prüfung der Zuverlässigkeit der Abschlüsse)entbunden, die statt dessen Prüfungsgesellschaften übertragen wurden, die in das spezielleCONSOB-Register eingetragen sind.

Nachstehend folgt eine zusammenfassende Darstellung der Prüfungen, die dieAufsichtsratsmitglieder in Unternehmen durchzuführen haben, die nicht der Pflichtprüfungunterworfen sind.

Vor jeder Prüfung wird das Innenrevisionswesen des betreffenden Unternehmens analysiertund bewertet, um dessen Zuverlässigkeit zu ermitteln und die Prüfung desRechnungswesens entsprechend planen zu können. Bei dieser Analyse werden ähnlicheVerfahrensweisen beschritten, wie sie vom Internationalen Prüfungsgrundsatz (IAS)Nr. 400 (Risk assessments and internal control) des International Auditing PracticesCommittee (IAPC) bei der International Federation of Accountants (IFAC) vorgesehensind, dies jedoch in vereinfachter Form, da es sich in der Regel bei den Betrieben, in denendie Aufsichtsräte tätig werden, um kleinere bis mittelgroße Unternehmen handelt.

Eine andere vorbereitende Maßnahme besteht in der Planung der Verfahrensweise für diePrüfung der Geschäftsführung und Rechnungslegung sowie in der Auswahl eines Satzesvon empirischen wie auch statistischen Kriterien.

A) Vierteljährliche Kontrollen und Prüfung des Rechnungswesens

Vierteljährliche Feststellung des Kassenbestands (Bargeldbestand und Bestand an anderenWerten wie z.B. Postwertzeichen oder Gebührenmarken); Prüfung des Bestands an festver-zinslichen Wertpapieren und Kapitalbeteiligungen; Prüfung der ordnungsmäßigen Buchfüh-rung (allgemeine Buchhaltung, da die Betriebsbuchhaltung nicht vorgeschrieben ist), auchauf der Grundlage der von den Steuergesetzen vorgeschriebenen Bücher und Register.

B) Prüfung des Jahresabschlusses und Inhalt des Berichts an dieGeneralversammlung

Im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses sind zu kontrollieren: die Einhaltung dergesetzlichen Bestimmungen (Art. 2423 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) zur Gliederung undzum Inhalt des Jahresabschlusses (Vermögensbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung)

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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sowie zum Inhalt des Anhangs und des Lageberichts; die Einhaltung der Rechtsvorschriftenund der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in bezug auf die Bewertungskriterienfür Aktiva und Passiva; die Übereinstimmung der Bilanz mit den Rechnungsabschlüssen,den Angaben und Belegen, über welche die Aufsichtsratsmitglieder verfügen (und wie siesich aus den regelmäßig während des Geschäftsjahrs durchgeführten Prüfungen desRechnungswesens und den aus den vierteljährlichen Prüfungen des Kassenbestands, desBestands an Wertpapieren und anderen "Werten" ergeben).

Dabei werden in der Regel nicht alle, sondern nur die kritischen oder aber die wichtigstenPositionen des Jahresabschlusses geprüft. Gibt es indessen Verdachtsmomente oderIndizien für Betrugsversuche oder Unregelmäßigkeiten, so ist auch in Bereichen, in denendiese vermutet werden, eine Tiefenprüfung durchzuführen.

Für alle vorab ausgewählten Bilanzpositionen (Vermögensbilanz) wie z.B. Sachanlagen,Finanzanlagen, Vorräte und Rückstellungen sind also stichprobenartige Prüfungen undKontrollen vorzunehmen, die den in den internationalen Prüfungsgrundsätzen (auditingstandards) vorgesehenen ähneln, jedoch weniger ausführlich und nicht so eingehenderfolgen müssen. So ist es beispielsweise nur in Zweifelsfällen erforderlich, imZusammenhang mit der Prüfung der Forderungen und Verbindlichkeiten von denSchuldnern und Gläubigern eine Bestätigung der Saldi zu verlangen, so wie auch in bezugauf die Vorräte (Rohstoffe, fertige Erzeugnisse und Waren) nur in Ausnahmefällen eineTeilnahme an der Inventur notwendig ist.

Nach ähnlichen Grundsätzen wird bei der Prüfung der Gewinn- und Verlustrechnung ver-fahren.

Vor der Abschlußprüfung muß der Aufsichtsrat feststellen, ob die Fortführung der Unter-nehmenstätigkeit ("going concern") angesichts der Finanzlage des Unternehmens gegebenist. Ist die Finanzlage kritisch, so hat der Aufsichtsrat Untersuchungen undNachforschungen anzustellen, um zu ermitteln, ob das Unternehmen zumindest in dem aufdas Abschlußjahr folgenden Jahr in der Lage sein wird, seine normale Geschäftstätigkeitfortzusetzen.

Der Inhalt des Aufsichtsratsberichts regelt sich nach Art. 2429 Bürgerliches Gesetzbuch.Die "Verhaltensgrundsätze" sehen für den Prüfungsbericht bzw. Bestätigungsvermerk eineStandardformulierung vor, die ausführlicher ist als im internationalen PrüfungsgrundsatzISA Nr. 400 (The auditor's report in financial statements) der IFAC angegeben. In jedemFalle muß der Prüfungsbericht ein sachverständiges Urteil darüber enthalten, ob derJahresabschluß den tatsächlichen Verhältnissen entspricht oder nicht.

C) Teilnahme an den Sitzungen der Organe der Gesellschaft

Die Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, an den Generalversammlungen undVorstandssitzungen teilzunehmen, während die Teilnahme an den Sitzungen desgeschäftsführenden Ausschusses nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Der Aufsichtsrat hat zu prüfen, ob bei diesen Sitzungen die gesetzlichen und satzungs-mäßigen Bestimmungen zu folgenden Punkten eingehalten wurden: Einberufung der Ver-sammlung oder Sitzung, Beteiligung an der Aussprache, Behandlung von Interessenkon-flikten, Beschlußfassung, Protokollierung und Offenlegung der Beschlüsse. Im Falle vonVerstößen gegen die Rechtsvorschriften oder die Satzung können dieAufsichtsratsmitglieder das zuständige Gericht anrufen, um die Beschlüsse anzufechten.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Stehen bei den Vorstandssitzungen (oder Sitzungen des geschäftsführenden Ausschusses)Beschlüsse zu nicht zum Gesellschaftszweck gehörenden oder fahrlässigen Vorgängen an,die die Unversehrtheit des Gesellschaftsvermögens beeinträchtigen könnten, so müssen dieAufsichtsratsmitglieder Widerspruch dagegen einlegen und gegebenenfalls die Generalver-sammlung einberufen, um ihr einen Bericht mit ihren Einschätzungen und Vorschlägenvorzulegen.

D) Kontrolle der Geschäftsführung

Sie erfolgt durch die Teilnahme an den Sitzungen der Geschäftsführungsorgane und an denGeneralversammlungen, an den vierteljährlichen Sitzungen wie auch an denen, in derenMittelpunkt die Prüfung des Jahresabschlusses steht. Kontrolliert werden das Vorgehen unddie Handlungen des Vorstands bzw. der Geschäftsführer und deren Übereinstimmung mitden Rechts- und Satzungsvorschriften sowie mit den Regeln einer "ordnungsgemäßenGeschäftsführung" (die Vorstandsmitglieder sind laut Gesetz verpflichtet, bei der Wahr-nehmung ihrer Aufgaben Sorgfalt und Korrektheit walten zu lassen).

Stellen die Aufsichtsratsmitglieder fest, daß bestimmte Vorschriften verletzt wurden, sohaben sie ihre Bemerkungen schriftlich zu formulieren und die Einberufung des Vorstandsoder, wenn notwendig, der Generalversammlung zu fordern, damit entsprechende Maßnah-men ergriffen werden können.

Sie haben keine Befugnis, gem. Art. 2409 Bürgerliches Gesetzbuch beim Landesgericht dieZwangsverwaltung der Gesellschaft zu beantragen, können jedoch den Sachverhalt bei derStaatsanwaltschaft anzeigen (dies ist ein Recht und keine Pflicht).

E) Prüfung außerordentlicher Geschäftsvorgänge

Die Aufsichtsratsmitglieder haben darüber zu wachen, daß bei sogenannten "außerordentli-chen Gesellschaftsvorgängen" die Rechtsvorschriften eingehalten werden. Dazu gehörenu.a.: Übernahme von Sacheinlagen (insbesondere von Betrieben) und Krediten;Kapitalaufstockungen; Kapitalherabsetzungen (insbesondere aufgrund von Verlusten, beidenen die Aufsichtsratsmitglieder auch die außerordentliche Vermögenslage zu prüfenhaben, die zu den Verlusten geführt hat); Gesellschaftsumwandlungen; Fusionen oderAufspaltungen; Emission von Obligationen.

F) Anzeige "unzulässiger Handlungen" der Geschäftsführer durch dieGesellschafter (Art. 2408 Bürgerliches Gesetzbuch)

In dem genannten Artikel werden die Kriterien, nach denen im Falle einer Anzeige durchdie Gesellschafter die notwendigen Untersuchungen durchzuführen sind, genau festgelegt.Die Anzeigen können sich sowohl auf Verletzungen der Rechtsvorschriften und derSatzung beziehen als auch auf Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschaft wirtschaftlichunvorteilhaft oder unzweckmäßig sind und einer Verletzung der Sorgfaltspflicht derVorstandsmitglieder gleichkommen.

G) Prüfung der Einhaltung der Steuer- und Sozialversicherungsvorschriften

Dieser Abschnitt der "Verhaltensgrundsätze" beinhaltet Prüfungen und Kontrollen steuerli-cher und sozialversicherungsrechtlicher Aspekte. Dazu gehören:

a) regelmäßige Abführung von Steuereinbehalten, Sozialbeiträgen, direkten undindirekten Steuern und der Mehrwertsteuer;

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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b) ordnungsmäßige Buchführung entsprechend den Steuer- undSozialversicherungsvorschriften (z.B. Mehrwertsteuerbuch, Lohnbuch,chronologisches Verzeichnis der eingestellten Arbeitskräfte);

c) ordnungsgemäßes und rechtzeitiges Einreichen von Erklärungen und Meldungen(z.B. jährliche Körperschaftssteuererklärung nach Formular 760, Erklärung derSteuersubstituten nach Formular 770, jährliche Mehrwertsteuererklärung,monatliche Meldung der beschäftigten Arbeitnehmer nach Formular DM/10 usw.).Die jährliche Erklärung zur Körperschaftssteuer (Formular 760) und die Erklärungder Steuersubstituten (Formular 770; darin sind Beträge aufzuführen, für dieSteuereinbehalte vorgenommen werden) müssen vom Aufsichtsratsvorsitzendenabgezeichnet werden.

Jede Aufsichtsratssitzung ist entsprechend zu protokollieren; die Sitzungsprotokolle sindchronologisch in ein Protokollbuch zu übertragen.

H) Prüfungen konsolidierter Abschlüsse

Insofern die Voraussetzungen gemäß der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 127/1991erfüllt sind, ist der konsolidierte Abschluß erst ab dem Geschäftsjahr 1994 Pflicht. In Unter-nehmen, für die ein Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers nicht vorgeschrieben ist,wird die Prüfung vom Aufsichtsrat (der Muttergesellschaft) vorgenommen, in den übrigenvon einer vom Mutterunternehmen beauftragten Prüfungsgesellschaft.

Die Prüfung setzt eine Abstimmung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern von Mutter-und Tochtergesellschaften voraus.

Der Inhalt der Prüfung wird durch Art. 41 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr.127/1991 geregelt; geprüft werden die Ordnungsmäßigkeit des Konzernabschlusses sowiedessen Übereinstimmung mit den Rechnungslegungsunterlagen der Muttergesellschaft undmit den Informationen, die von den in die Konsolidierung einbezogenen Konzernunter-nehmen übermittelt wurden. Diese Prüfung ist nicht so umfangreich wie in den nationalenund internationalen Prüfungsgrundsätzen der IFAC vorgesehen.

Die Aufsichtsratsmitglieder haben darüber hinaus zu prüfen, ob eine angemesseneOrganisationsstruktur für die Analyse dieser Informationen und für die Erstellung deskonsolidierten Abschlusses vorhanden ist, und ob die für die Bildung desKonsolidierungsbereichs sowie für die Feststellung und Veröffentlichung des konsolidiertenAbschlusses geltenden Rechtsvorschriften eingehalten wurden.

2.1.7 Zivil- und strafrechtliche Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

Ebenso wie die Vorstands sind auch die Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft,den Gläubigern und den einzelnen Gesellschaftern zivilrechtlich verantwortlich (in derRechtslehre ist die letztere Art der Haftung umstritten).

Sie haben die Prüfungen mit der "vom Beauftragten zu erwartenden Sorgfalt"durchzuführen, d.h. auf der Grundlage dessen, was normalerweise entsprechend derstandesüblichen Praxis von einem Wirtschafts- und Rechnungsprüfer verlangt werden kann.Sie sind demnach zur Sorgfalt verpflichtet, nicht aber zur Herbeiführung eines Erfolgs.Daher können sie auch, wenn sie trotz ihrer Sorgfalt keine Betrugsversuche, Fälschungenoder Unregelmäßigkeiten aufdecken, nicht haftbar gemacht werden.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Es gibt zwei Arten der zivilrechtlichen Haftung. Sie ist nicht beschränkt, so daß das Auf-sichtsratsmitglied gegebenenfalls mit seinem gesamten Vermögen in Anspruch genommenwerden kann (Art. 2407 Bürgerliches Gesetzbuch):

a) die persönliche Haftung für den Wahrheitsgehalt der bestätigten Aussagen(insbesondere in den Berichten vor der Generalversammlung) und bei Verletzungender Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf Tatsachen, von denen sie Kenntniserlangt haben;

b) die gesamtschuldnerische Haftung mit den Vorstandsmitgliedern gegenüber derGesellschaft und ihren Gläubigern, sofern diesen aufgrund rechtswidriger oder fahr-lässigen Handlungen der Vorstandsmitglieder ein Schaden erwachsen sollte, dervermeidbar gewesen wäre, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihrer Kontrollpflichtmit der vorgeschriebenen Sorgfalt nachgekommen wären.

Der zweite Aspekt wiegt besonders schwer; in der Praxis erlangt er insbesondere dannBedeutung, wenn die Gesellschaft in Konkurs gerät.

Die strafrechtliche Haftung ist für bestimmte kriminelle Handlungen vorgesehen, diedie Aufsichtsratsmitglieder allein oder in gemeinschaftlichem Handeln mit denVorstandsmitgliedern vornehmen. Nachstehend seien einige der wichtigsten in Fragekommenden strafbaren Handlungen angeführt:

a) bewußte Vorspiegelung falscher Tatsachen oder vorsätzliche Vertuschung wahrerTatsachen über die Gründung und die Wirtschaftslage der Gesellschaft in den Ab-schlüssen oder in anderen "Verlautbarungen über die Gesellschaft" (Art. 2621Bürgerliches Gesetzbuch);

b) Weitergabe vertraulicher Informationen über die Gesellschaft, aus denen letzterereine Benachteiligung erwachsen könnte (Art. 2622 Bürgerliches Gesetzbuch);

c) Annahme von Darlehen oder Bürgschaften von der geprüften Gesellschaft oder vonderen Mutter- oder Tochtergesellschaft (Art. 2624 Bürgerliches Gesetzbuch);

d) Unterlassung von Pflichtprüfungen bei Ausschüttung von Scheingewinnen odernicht verteilbaren Gewinnen (Art. 2632, Ziffer 1, Bürgerliches Gesetzbuch);

e) unterlassene Einberufung der Generalversammlung in Fällen, wo dies gesetzlichvorgeschrieben ist (Art. 2632, Ziffer 2, Bürgerliches Gesetzbuch);

f) unterlassene Erfüllung der Verpflichtungen in bezug auf eigene Anteile (Art. 2632,Absatz 2, Bürgerliches Gesetzbuch).

2.1.8 Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder

Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder wird bei deren Bestellung durch die Generalver-sammlung festgelegt und gilt für ihre gesamte dreijährige Amtszeit.

Sie regelt sich gegenwärtig nach Art. 37 der Honorarordnung für Wirtschaftsprüfer undgliedert sich demnach in drei Bestandteile:

a) vierteljährliche Prüfungen des Kassenbestands sowie des Bestands an Wertpapierenund anderen Werten: Vergütung entsprechend der jährlich erzielten Bruttoerlösebzw. -erträge; sie beträgt mindestens 1 Million Lire und höchstens 8 Millionen Lire;

b) Jahresabschlußprüfung: Vergütung entsprechend des Nettovermögens desUnternehmens in Höhe von mindestens 1 Million Lire (eine Obergrenze ist nicht

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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festgelegt); für die Prüfung konsolidierter Abschlüsse gibt es keine ausdrücklichenFestlegungen, in der Praxis werden jedoch dieselben Kriterien zugrunde gelegt;

c) Entschädigung für die Teilnahme an jeder Vorstandssitzung (oder Sitzung des ge-schäftsführenden Ausschusses) und Aufsichtsratssitzung, die nicht die Prüfung desJahresabschlusses zum Gegenstand hat: zwischen 100.000 und 200.000 Lire proStunde.

Die Vergütungen für den Aufsichtsratsvorsitzenden gemäß Buchstaben a) und b) liegen um50 % höher.

Vor kurzem hat der Gesetzgeber die Höchstgrenze für die jährliche Vergütung der Vollmit-glieder von Aufsichtsräten auf 80 Millionen Lire festgelegt (und auf 120 Millionen Lire fürdie Aufsichtsratsvorsitzenden).

Gegenwärtig wird nach Maßgabe der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88/192 vomJustizministerium eine Honorarordnung erarbeitet, die ausschließlich für die Durchführungvon Abschlußprüfungen gelten soll und nach Stundensätzen geregelt sein wird. DieseHonorare werden die unter Buchstabe b) angeführte Vergütung zu weiten Teilen ersetzen.

2.2 Prüfungsgesellschaften und Bestätigung von Abschlüssen

Von den einigen Hunderttausend italienischen Aktiengesellschaften, Kommanditgesell-schaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in denen es Aufsichtsrätegibt (mit Ausnahme kleinerer GmbH mit einem Kapital unterhalb 200 Millionen Lire, dienicht die in Art. 11 der 4. Richtlinie festgelegten Größenmerkmale erreichen), lassen sichgegenwärtig nur etwa 7.000 Gesellschaften und Körperschaften ihre Jahresabschlüssebestätigen, davon etwa 2.000, die dazu verpflichtet sind (nach Maßgabe der Verordnungdes Präsidenten der Republik Nr. 136 vom 31. März 1975), und etwa 5.000 freiwillig(darunter viele Banken und Finanzinstitute).

Die Pflichtprüfung der Jahresabschlüsse ist insbesondere für auf stark institutionalisiertenMärkten (Aktienbörsen und beschränkte Märkte) notierte Unternehmen vorgeschriebenund wird von Prüfungsgesellschaften erteilt, die in das spezielle Verzeichnis derBörsenaufsichtsbehörde CONSOB eingetragen sind. Die angeführte Verordnung desPräsidenten der Republik Nr. 136/1975 sieht gegenwärtig noch nicht die Eintragung voneinzelnen Prüfern oder nicht zu den Personen- oder Kapitalgesellschaften zählendenberuflichen Zusammenschlüssen in das CONSOB-Register vor.

Die "freiwillige" Prüfung kann auch von nicht im CONSOB-Verzeichnis geführten Gesell-schaften durchgeführt werden, wenn sie in das Register der Abschlußprüfer eingetragensind.

Die Prüfungsgesellschaften dürfen ausnahmslos nur Tätigkeiten des"betriebswirtschaftlichen Prüfungs- und Rechnungswesens" ausüben. Beratungstätigkeiten(in den Bereichen Steuer-, Gesellschafts - und Unternehmensrecht) sind, wie weiter untennoch ausführlicher erläutert wird, davon ausgenommen.

2.2.1 Abschlußprüfung und Bestätigungsvermerk

Aufgrund der Annahme, daß die von den Aufsichtsräten durchgeführtenRechnungsprüfungen nicht ausreichen, wurde 1975 mit der Verordnung des Präsidentender Republik Nr. 136 in Italien die Pflicht zur Bestätigung der Abschlüsse eingeführt.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Nach Art. 1 dieser Verordnung wurden die Pflichtprüfungen (Prüfungen des Rechnungs-wesens und des Jahresabschlusses) nahezu vollständig von den Aufsichtsräten auf die Prü-fungsgesellschaften "verlagert", wobei jedoch neben den weiter oben beschriebenen Prüfun-gen rechtlicher, administrativer und steuerlicher Aspekte auch einige wenige Kompetenzenim Bereich der Prüfung des Rechnungswesens bei den Aufsichtsratsmitgliedern verbleiben.

Die Prüfungsgesellschaft ist verpflichtet, den Jahresabschluß zu "testieren".

Ein Bestätigungsvermerk wird erteilt, wenn die nachstehend angeführten Voraussetzungenerfüllt sind (Art. 4 der Verordnung des Präsidenten der Republik Nr. 136/1975), d.h. wenn:

a) die Geschäftsvorgänge exakt in den Büchern erfaßt wurden;

b) der Abschluß mit den Rechnungslegungsunterlagen und mit den Prüfungsergebnissender Prüfungsgesellschaft übereinstimmt;

c) der Abschluß entsprechend den einschlägigen Rechtsvorschriften erstellt wurde.

Seit 1991 wird die Übereinstimmung des Abschlusses mit den "Grundsätzen ordnungs-mäßiger Buchführung" nicht mehr ausdrücklich gefordert; bei den Rechtsgelehrten herrschtjedoch eindeutig die Meinung vor, daß diese Übereinstimmung auch heute implizit verlangtwird.

Der Bestätigungsvermerk eines Abschlusses hat (insofern er vom Gesetz zwingend vor-geschrieben ist) die folgenden rechtlichen Wirkungen. Der Abschluß kann wegeninhaltlicher oder die Bewertungen betreffender Mängel nur dann durch Anrufung deszuständigen Landesgerichts angefochten werden, wenn dies von mindestens 5 % desGrundkapitals haltenden Gesellschaftern beantragt wird (oder bei einem Grundkapital vonmehr als 2 Milliarden Lire mindestens einen Nominalbetrag von 100 Millionen Lire).Innerhalb von sechs Monaten ab Eintragung des Beschlusses der Generalversammlung zurFeststellung des Abschlusses kann dieser jedoch von der CONSOB angefochten werden.

Wird der Körperschaftssteuererklärung kein Prüfungsbericht beigefügt, so sind die italieni-schen Finanzämter dazu berechtigt, das steuerpflichtige Einkommen unabhängig von denErgebnissen des Jahresabschlusses zu veranschlagen.

Vorgeschrieben ist der Bestätigungsvermerk für Jahresabschlüsse, nicht aber für außer-ordentliche oder gesonderte Abschlüsse.

Unklar ist, ob auch die konsolidierten Abschlüsse eine Bestätigung erfordern, weil Art. 41der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 127/1991 die Prüfung solcher Abschlüsseinhaltlich begrenzt und Art. 4 der Verordnung des Präsidenten der Republik Nr. 136/1975die Bestätigung konsolidierter Abschlüsse überhaupt nicht vorsieht.

In der Praxis werden jedoch auch Konzernabschlüsse bestätigt.

Der Bestätigungsvermerk bietet keine absolute Gewähr für die Richtigkeit und Zuverlässig-keit der im Jahresabschluß enthaltenen Angaben, da die Prüfungsverfahren auf Stichproben-kontrollen beruhen. Mit ihm wird jedoch unzweifelhaft (wenngleich nicht hundertprozentig)bescheinigt, daß der Jahresabschluß korrekt erstellt wurde, was seinen Informationswerterhöht und dazu beiträgt, die Interessen der Gesellschafter, Gläubiger, Geldgeber undAnleger wirksam zu schützen.

2.3 Erteilung und Entzug des Prüfungsauftrags - Unvereinbarkeiten

Die Erteilung des Prüfungsauftrags erfolgt auf Beschluß der Generalversammlung für dieDauer von drei Geschäftsjahren und darf höchstens zweimal erneuert werden (das ergibt

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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eine Dauer von höchstens neun Jahren). Danach kann dieser Auftrag erst nach Ablauf vonfünf Geschäftsjahren erneut derselben Gesellschaft übertragen werden. DieAuftragserteilung bedarf der Genehmigung der CONSOB, die jedoch ihre Zustimmungverweigern kann, wenn Unvereinbarkeiten gem. Art. 4 der Verordnung des Präsidenten derRepublik Nr. 136/1975 vorliegen oder wenn die Prüfungsgesellschaft nicht über dienotwendige "fachliche Befähigung" verfügt.

Die Abschlußprüfer können aus triftigen Gründen auf Beschluß der Generalversammlung(der jedoch von der CONSOB zu genehmigen ist) oder aber von der CONSOB selbstabberufen werden, wenn Gründe für Unvereinbarkeiten festgestellt werden oder sich diefachliche Nichteignung der Prüfungsgesellschaft erweist (Art. 2 der Verordnung Nr. 136des Präsidenten der Republik).

Die für Prüfungsgesellschaften geltenden Fälle von Unvereinbarkeiten, aufgrund derer siekeine Prüfungen und Bestätigungen von Abschlüssen vornehmen dürfen, sind in Art. 3 derVerordnung Nr. 136 des Präsidenten der Republik geregelt:

a) Fälle, die die Prüfungsgesellschaft betreffen:

• Vorhandensein von Vertrags- oder Beteiligungsverhältnissen mit dem derPrüfung unterzogenen Gesellschaft;

b) Fälle, die die Gesellschafter, die Vorstandsmitglieder, die Aufsichtsratsmitgliederoder den Direktor der Prüfungsgesellschaft betreffen:

• Verwandtschaftsbeziehungen (bis zum 4. Grad) zu Vorstandsmitgliedern,Aufsichtsratsmitgliedern und Direktoren der geprüften Gesellschaft oder ihrerMuttergesellschaft;

• Vorhandensein eines abhängigen oder freiberuflichen Beschäftigungsverhältnis-ses mit dem Unternehmen oder seinem Mutterunternehmen während der Dauerdes Prüfungsauftrags und in den vorangegangenen drei Jahren;

• Tätigkeit als Vorstandsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied im Unternehmenoder in dessen Mutterunternehmen während der Dauer des Prüfungsauftragsund in den vorangegangenen drei Jahren;

• Vorliegen anderer Umstände, die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen.

Darüber hinaus dürfen die Gesellschafter, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder undBeschäftigten der Prüfungsgesellschaft erst nach Ablauf von mindestens drei Jahren abBeendigung ihres Mandats oder ihrer Abberufung Funktionen im Vorstand oder im Auf-sichtsrat des geprüften Unternehmens übernehmen oder ein abhängiges oder selbständigesBeschäftigungsverhältnis mit ihm eingehen.

Neben dem Entzug des Prüfungsauftrags aus Gründen der Unvereinbarkeit kann die Prü-fungsgesellschaft auch von der CONSOB aus dem von ihr geführten speziellen Verzeichnisgestrichen werden, wenn die Börsenaufsichtsbehörde feststellt, daß die geforderten Voraus-setzungen wie Unabhängigkeit, Organisation und fachliche Eignung (oder berufliche Kom-petenz) fehlen oder wesentliche Unregelmäßigkeiten bei der Prüfung und Bestätigungaufgetreten sind.

Die CONSOB unterzieht demnach die Prüfungsgesellschaften und ihre Gesellschafter,Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Beschäftigten und freien Mitarbeiter einer ständi-gen Kontrolle, d.h. einer wirklichen "Qualitätskontrolle", in deren Rahmen sie ermittelt, ob

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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die Prüfungen auch immer nach entsprechenden Prüfungsgrundsätzen durchgeführtwerden.

2.3.1 Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze

Die Prüfungsgesellschaften sind verpflichtet, bei den Rechnungs- undJahresabschlußprüfungen neben den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, denspeziellen und steuerlichen Rechtsvorschriften auch die "Prüfungsgrundsätze" (auditingstandards) einzuhalten, die vom Ausschuß der italienischen Verbände derBuchsachverständigen erarbeitet und von der CONSOB empfohlen wurden. Insbesonderein bezug auf Form und Inhalt des "Bestätigungsvermerks" haben sie außerdem dieVorschriften der CONSOB zu beachten.

Der italienische Ausschuß für die Festlegung von Prüfungsgrundsätzen hat bislang 21Dokumente über "Auditing standards" vorgelegt, die sich größtenteils an den Prinzipienund Konzepten der vom IAPC bei der IFAC erarbeiteten International Standards onAuditing (ISA) orientieren.

Gegenwärtig werden diese Dokumente vom Ausschuß überarbeitet, um sie vollständig inÜbereinstimmung mit den IFAC-Grundsätzen zu bringen.

Selbstverständlich müssen dann auch die Prüfungsgesellschaften ebenso wie dieAufsichtsräte die von dem anderen genannten Ausschuß erarbeiteten "Grundsätze derRechnungslegung" anwenden, auf die bereits im vorangegangenen Abschnitt eingegangenwurde.

2.3.2 Form und Inhalt des "Bestätigungsvermerks" (auditor's report)

Während Form und Inhalt des Vermerks bei "freiwilligen" Bestätigungen derJahresabschlüsse nicht vorgeschrieben sind und demnach mit dem im ISA Nr. 700 derIFAC vorgegebenen Muster übereinstimmen sollten, müssen sie bei denPflichtbestätigungen dem von der CONSOB erarbeiteten Modell entsprechen (es wurdezuletzt in der Mitteilung Nr. 94001751 vom 1. März 1994 veröffentlicht; darin fordert dieCONSOB die Prüfungsgesellschaften auf, dasselbe Muster auch bei den freiwilligenBestätigungen anzuwenden; aus diesem Grunde ist es sehr wahrscheinlich, daß es alsMuster für nahezu alle künftig in Italien durchzuführenden Bestätigungen vonJahresabschlüssen dienen wird).

Dabei kann der Prüfer zu den nachstehend angeführten Prüfungsurteilen gelangen (auditor'sopinion):

a) Uneingeschränktes positives Urteil (unqualified opinion) und Erteilung des Bestäti-gungsvermerks. Damit wird bescheinigt, daß der Jahresabschluß gemäß den gelten-den Rechtsvorschriften ein klares und verständliches, den tatsächlichenVerhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage desUnternehmens vermittelt.

b) Eingeschränktes positives Urteil (qualified opinion). Es führt ebenfalls zurErteilung des Bestätigungsvermerks, enthält jedoch einige "Einwendungen", dieindessen nicht so schwerwiegend sind, als daß sie die Zuverlässigkeit desJahresabschlusses beeinträchtigen würden. Die Einwendungen können sichbeziehen auf:

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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• mangelnde Übereinstimmung mit den Bilanzvorschriften (sie entsprechen den"Disagreements with management" des ISA Nr. 700);

• erhebliche Abweichungen von den Prüfungsgrundsätzen aufgrund von Hinder-nissen bei der Durchführung der notwendigen Verfahren oder des Fehlensausreichender Nachweise (sie entsprechen im wesentlichen den "Limitations onscope" des ISA Nr. 700).

c) Negatives Urteil (adverse opinion). Der Bestätigungsvermerk wird nicht erteilt. Zueinem solchen Urteil wird man zwangsläufig bei erheblichen Abweichungen vonden Bilanzvorschriften gelangen, die dazu führen, daß das im Jahresabschlußvermittelte Bild nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

d) Unmöglichkeit der Beurteilung (disclaimer of opinion), wenn es zu erheblichenEinschränkungen der Arbeit der Abschlußprüfer oder zu bedeutendenKonsequenzen aufgrund von "Unsicherheitsfaktoren" kommt, die insbesondereZweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (going concern) aufkommenlassen.

Ist sich der Abschlußprüfer nicht sicher, so hat er zwei Möglichkeiten:

• Er kann ein uneingeschränktes positives Urteil abgeben und denBestätigungsvermerk erteilen, wenn die herangezogenen Beweismittel ausreichen,das im Jahresabschluß vermittelte Bild als korrekt zu betrachten (und somit auchdie Erfüllung der Anforderung des "going concern" geprüft wurde).

• Er kann erklären, daß es ihm unmöglich ist, ein Urteil abzugeben, und folglich denBestätigungsvermerk versagen (disclaimer of opinion), wenn er nicht über"angemessene und überzeugende" Anhaltspunkte verfügt, um mit Fug und Rechtvon einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit ausgehen zu können.

In derartigen unsicheren Situationen muß der Abschlußprüfer alle notwendigen Prüfungenvornehmen um festzustellen, ob die von den Vorstandsmitgliedern angewandten Methodender Rechnungslegung (einschließlich des Krisenmanagements) auch mit den bereitgestelltenInformationen übereinstimmen.

Der Bestätigungsvermerk muß auch eine Aussage darüber enthalten, daß die Abschluß-prüfung "entsprechend den von der CONSOB empfohlenen Grundsätzen und Kriterien derRechnungsprüfung" vorgenommen wurde. Dazu gehören die unter Abschnitt 2.3angeführten Prüfungsgrundsätze (mit Ausnahme des Dokuments Nr. 18 über Form undInhalt des Bestätigungsvermerks) und die Empfehlungen der CONSOB, die in den beidenMitteilungen von 1993 enthalten sind (sie betreffen die "unzulässigen Handlungen" vonVorstandsmitgliedern sowie die Bestätigung von Jahresabschlüssen solcher Unternehmen,gegen die wegen Schmiergeldzahlungen strafrechtlich ermittelt wird, oder die in dafürbesonders anfälligen Bereichen tätig sind (z.B. öffentliches Auftragswesen).

Die CONSOB hat darauf verwiesen, daß die Grundsätze und Kriterien derordnungsmäßigen Rechnungsprüfung auch die Beachtung der unter Abschnitt 2.3angeführten Grundsätze der Rechnungslegung (accounting standards) voraussetzen, sofernsie mit den Bilanzvorschriften übereinstimmen.

Diesbezüglich sei bemerkt, daß die erste Serie von Rechnungslegungsgrundsätzen desentsprechenden Ausschusses der italienischen Verbände der Buchsachverständigen (sieumfaßt 11 Dokumente, die zwischen 1976 und 1991 erarbeitet wurden) vor kurzem einergründlichen Überarbeitung unterzogen wurde, um sie inhaltlich mit den Bestimmungen der

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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4. und 7. EG-Richtlinie sowie der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 127 vom 9. April1991 zur Umsetzung dieser Richtlinien in italienisches Recht in Übereinstimmung zubringen. Diese Anpassungs- und Überarbeitungsmaßnahmen wurden in den Jahren 1994und 1996 durchgeführt und sind im wesentlichen abgeschlossen. Aus den angeführtenGründen kann heute keine Rede davon sein, daß die italienischen Grundsätze derRechnungslegung nicht mit den Rechtsvorschriften im Einklang stehen.

2.3.3 Verhältnis zum Aufsichtsrat und Aufteilung der Kontrollpflichten zwischenAufsichtsratsmitgliedern und Abschlußprüfern

Wie bereits in Abschnitt 1.5.3 beschrieben, haben die Aufsichtsratsmitglieder der derPflichtprüfung unterliegenden Unternehmen nach wie vor die Einhaltung von Recht undGesetz sowie administrative und steuerrechtliche Fragen zu prüfen, verlieren indessenjedoch all ihre Zuständigkeiten im Bereich der Pflichtprüfungen, d.h. der Prüfung desRechnungswesens, der Jahres- und Konzernabschlüsse.

Die Aufgaben auf dem Gebiet des Rechnungswesens sind weder deutlich noch strengvoneinander abgegrenzt, denn die Aufsichtsratsmitglieder sind nach wie vor verpflichtet, imAbstand von drei Monaten den Kassenbestand sowie den Bestand an Wertpapieren undanderen "Werten" zu prüfen, und haben auch weiterhin eine gewisse Pflicht zur Prüfung desRechnungswesens, weil dies sowohl für steuerrechtliche Prüfungen als auch für dieKontrolle der Geschäftsführung erforderlich ist.

Was die Prüfung der Jahresabschlüsse anbelangt, so müssen die Aufsichtsratsmitgliederkontrollieren, ob die Gliederung der Bilanz sowie der Inhalt des Anhangs und des Lagebe-richts mit den gesetzlichen Vorschriften übereinstimmen, ob die Bewertungskriterien denRechtsvorschriften (und Grundsätzen der Rechnungslegung) entsprechen und ob die nachArt. 2, Absatz 5 der 4. Richtlinie mögliche Abweichung von den Bilanzvorschriften auchgerechtfertigt ist. Darüber hinaus bedarf die Aufnahme von Aufwendungen für die Auf-nahme und Erweiterung des Geschäftsbetriebs sowie von Aufwendungen für Forschung,Entwicklung und Werbung in der Bilanz ebenso wie die Einstellung des Geschäfts- undFirmenwertes (goodwill) der Zustimmung des Aufsichtsrates.

In ihrem Bericht zum Jahresabschluß, den die Aufsichtsratsmitglieder der Generalversamm-lung vorlegen, müssen sie sich zur Buchführung äußern und Hinweise und Vorschläge zumJahresabschluß und dessen Feststellung geben.

Wie sich unschwer erkennen läßt, kommt es hierbei teilweise zu einer Überschneidung mitden Aufgaben des bestellten Abschlußprüfers, was in einigen Fällen auch zu unterschiedli-chen Einschätzungen der Zuverlässigkeit des Abschlusses führen kann (und damit zuVerunsicherungen bei Gesellschaftern, Gläubigern, Anlegern und all jenen, die den Jahres-abschluß für wirtschaftliche Bewertungen und Entscheidungen heranziehen).

Zu einer ähnlichen (aber vollständigen) Überschneidung der Aufgaben von Aufsichtsrat undPrüfungsgesellschaft käme es auch bei der Prüfung konsolidierter Abschlüsse, würde manjenen italienischen Rechtsgelehrten folgen, die dafür plädieren, daß die Prüfung gem. Art.41 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 127/1991 von beiden Kontrollorganen durch-geführt werden sollte. Somit hätte man nicht einen, sondern zwei Berichte über die Prü-fungsergebnisse zur Verfügung, die zu unterschiedlichen Beurteilungen der Zuverlässigkeitdes konsolidierten Abschlusses führen könnten (z.B. bei unterschiedlichen Auffassungendarüber, ob eine Tochtergesellschaft in den Konsolidierungsbereich einbezogen werden solloder nicht).

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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2.3.4 Vergütung der Prüfungsgesellschaften

Die Vergütung für die Prüfung und Bestätigung von Jahresabschlüssen wird von der Gene-ralversammlung bei Auftragserteilung festgelegt; sie gilt für die Dauer von drei Jahren.Über die Höhe der Vergütung (die von dem geprüften Unternehmen vorgeschlagen undentsprechend den von der CONSOB in ihrer Mitteilung Nr. 96003556 vom 18. April 1996vorgegebenen Kriterien festzusetzen ist) wird auf der Grundlage des voraussichtlichenzeitlichen Prüfungsaufwands, der Qualifikation der Prüfer (Partner, Manager, Prüfer oderPrüfassistent) und einer von der CONSOB angenommenen Gebührenordnung(Stundenhonorare) entschieden.

Die Vergütung darf nur verändert werden, wenn während der Dauer des Prüfungsauftragsaußergewöhnliche bzw. unvorhergesehene Ereignisse eintreten.

2.3.5 Zivil- und strafrechtliche Haftung der Abschlußprüfer

Die zivil- wie auch strafrechtliche Haftung von Abschlußprüfern, die innerhalb einer mit derPflichtprüfung von Jahresabschlüssen beauftragten Prüfungsgesellschaft tätig werden, regeltsich nach Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 136/1975 des Präsidenten der Republik. Diezivilrechtliche Haftung erstreckt sich auch auf die Prüfungsgesellschaft, währenddessennach italienischem Recht nur natürliche, nicht aber juristische Personen strafrechtlich haftbargemacht werden können.

a) Zivilrechtliche Haftung. Die Unterzeichner des Bestätigungsvermerks und die Be-schäftigten der Prüfungsgesellschaft, die die Prüfung vorgenommen haben, haftengesamtschuldnerisch mit der Prüfungsgesellschaft für Schäden, die sie demgeprüften Unternehmen oder Dritten (Gesellschaftern, Gläubigern usw.) durchPflichtverletzungen oder gesetzeswidrige Handlungen zufügen.

b) Strafrechtliche Haftung

i. Falschaussagen im Bestätigungsvermerk von Jahresabschlüssen oder inBerichten, Verlautbarungen oder Erklärungen Geschäftsführer vonPrüfungsgesellschaften, die Unwahrheiten testieren, in betrügerischer Absichtfalsche Tatsachen vortäuschen oder richtige Tatsachen über die Wirtschaftslageder geprüften Gesellschaft vertuschen oder entstellen, können wegen falscherVerlautbarungen über die Gesellschaft strafrechtlich zur Verantwortung gezogenwerden.

ii. Weitergabe vertraulicher Informationen über die Gesellschaft Die Haftungerstreckt sich auf Geschäftsführer und Beschäftigte von Prüfungsgesellschaften,die sich zu ihrem eigenen Vorteil oder zum Vorteil von Dritten vertraulicheInformationen über das Unternehmen zunutze machen oder diese ohne triftigenGrund an andere weitergeben (wenn dem geprüften Unternehmen daraus eineBenachteiligung erwachsen könnte).

iii. Annahme von Darlehen oder Bürgschaften von der geprüften Gesellschaftund unrechtmäßige Vergütungen Geschäftsführer und Beschäftigte vonPrüfungsgesellschaften, die Darlehen oder Bürgschaften von der geprüftenGesellschaft oder von deren Tochter- oder Muttergesellschaft annehmen, könnenstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dasselbe gilt, wenn sie höhereals die rechtmäßig vereinbarten Barvergütungen oder Sachbezüge annehmen. Indiesem Falle wird die strafrechtliche Haftung auch auf die Geschäftsführer,

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Direktoren oder Liquidatoren der geprüften Gesellschaft ausgedehnt, die dieseunrechtmäßige Vergütung gezahlt haben.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß alle im CONSOB-Register geführten Prüfungsgesell-schaften zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung für derartige aus ihrer Tätigkeiterwachsende Schäden verpflichtet sind, wobei die CONSOB die Angemessenheit dieserVersicherung bestätigen muß.

Auch Aufsichtsratsmitglieder haben sich häufig durch Haftpflichtversicherungen gegenRisiken bei der Ausübung ihrer Tätigkeit abgesichert (wobei die Haftungsobergrenze nieüber 1 bis 2 Milliarden Lire liegt).

Dieser Versicherungsschutz ist jedoch keineswegs ausreichend, wenn man bedenkt, daß injüngster Zeit in Italien einige Prüfungsgesellschaften auf Schadenersatz in Höhe von mehre-ren 100 Milliarden Lire verklagt wurden, wobei einige von ihnen nur Aufträge für einige 10Milliarden Lire vereinbart hatten.

Es gilt, die Rechtsprechung zur Haftpflicht selbst von Grund auf zu reformieren, um zuverhindern, daß mit einem hohen Prüfungsrisiko (audit risk) verbundene Aufträgezurückgewiesen werden.

Sowohl für Aufsichtsratsmitglieder als auch für Prüfungsgesellschaften müssen Haftungs-obergrenzen für jeden Auftrag eingeführt werden, indem die bestehenden, vorstehendbeschriebenen gesetzlichen Vorschriften zur Haftpflicht geändert werden.

3. DIE WICHTIGSTEN SCHWACHPUNKTE DES ITALIENISCHEN SY-STEMS DER PFLICHTPRÜFUNGEN VON ABSCHLÜSSEN

Der im vorangegangenen Kapitel beschriebene umfassende Bereich der Pflichtprüfungenweist auch einige kritische Punkte auf. Sie sind auf Mängel und Unzulänglichkeiten zurück-zuführen, die die Effizienz der von Aufsichtsräten und Prüfungsgesellschaftenvorgenommenen Prüfungen schmälern und den Schutz der Interessen von Gesellschafternund von Dritten beeinträchtigen. Gerade dieser Schutz war aber das Ziel dergemeinschaftlichen Rechtsetzungsorgane, als sie die 4., 7. und 8. Richtlinie erarbeiteten.

In diesem Kapitel werden diese kritikwürdigen Aspekte hervorgehoben, die größtenteilsauch im Grünbuch über die Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in derEuropäischen Union angeschnitten wurden. Im anschließenden Kapitel werden dann -unter Bezugnahme auf die Anregungen des Grünbuchs - Vorschläge zur Überwindung dervorhandenen Mängel und Unzulänglichkeiten formuliert.

A. Pflichtprüfungen in Unternehmen, für die ein Bestätigungsvermerkvorgeschrieben ist

Es sei vorausgeschickt, daß das gegenwärtig in Italien bestehende "duale" System (das inkeinem anderen Land der Europäischen Union vorhanden ist) sowohl den im Grünbuchbeschriebenen Anforderungen an den Abschlußprüfer (siehe insbesondere Absatz 3.7) alsauch den modernen Erfordernissen der Unternehmensführung vollauf gerecht wird. Esgenügen einige Änderungen in den gegenwärtigen Vorschriften über die Funktionsweiseder Kontroll- bzw. Prüfungsorgane, die in Kapitel vier dieses Berichts näher erläutertwerden.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Die von den Prüfungsgesellschaften vorgenommenen Abschlußprüfungen weisengegenwärtig die folgenden wesentlichen Mängel auf:

a) übermäßige Konzentration der Aufträge für freiwillige und vorgeschriebene Ab-schlußprüfungen in den Händen "der großen sechs" Prüfungsgesellschaften, auf dieüber 90 % der Aufträge entfallen;

b) ungenügende Beachtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit des Abschlußprüfersund Umgehung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 136/1975 des Präsidentender Republik durch zusätzliche Gründung von Gesellschaften und Kanzleien, umfür ein und denselben Klienten auch Beratungstätigkeiten in den BereichenUnternehmenspolitik, Rechnungswesen, Gesellschafts- und Steuerrecht ausüben zukönnen;

c) fehlende Abstimmung mit dem Aufsichtsrat und ungenügenderInformationsaustausch zwischen beiden Organen, um vor allem gesetzeswidrigeHandlungen der Vorstände zu verhüten oder aufzudecken;

d) fehlende genaue Bestimmung der Ziele der Abschlußprüfungen und ihrer Grenzen(vor allem in bezug auf die Aufdeckung von Betrugsversuchen und anderen rechts-widrigen Handlungen der Vorstandsmitglieder);

e) unklare Abgrenzung der Prüfungsaufgaben von denen der Aufsichtsräte,insbesondere im Hinblick auf die Prüfung des Rechnungswesens;

f) unzureichende Prüfungen der konsolidierten Abschlüsse gem. Art. 41 der gesetzes-vertretenden Verordnung Nr. 127/1991 sowie fehlende Vorschriften für ein Ver-bindungsorgan zu den Aufsichtsratsmitgliedern und Abschlußprüfern der anderenKonzernunternehmen;

g) übermäßig hohe zivilrechtliche Haftung, für die es keine Begrenzung gibt(abgesehen von Haftpflichtversicherungen, die jedoch ebenfalls keinenausreichenden Schutz bieten).

Die Kontrolltätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder weist folgende wesentliche Mängel auf(einige davon wurden schon oben angeführt):

a) geringe Unabhängigkeit gegenüber den Vorstandsmitgliedern und den größten An-teilseignern;

b) Überschneidung der Aufgaben mit denen der Prüfungsgesellschaften, wenn es umdie Prüfung des Jahresabschlusses geht, und mangelnde Angemessenheit derBestimmungen von Art. 2429 Bürgerliches Gesetzbuch über den Inhalt desBerichts zum Jahresabschluß;

c) fehlende Abstimmung mit der Prüfungsgesellschaft;

d) unklare Abgrenzung der Aufgaben zur Prüfung der Gesetzeskonformität und derGeschäftsführung;

e) übermäßige zivil- und strafrechtliche Haftung;

f) fehlende Qualitätskontrolle in bezug auf die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder;

g) unzureichende Befugnisse zur Kontrolle der Geschäftsführung.

B. Pflichtprüfung in Unternehmen, für die kein Bestätigungsvermerk des Abschluß-prüfers vorgeschrieben ist

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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In diesen Unternehmen gibt es nur ein Organ für die Pflichtprüfung: den Aufsichtsrat. Er istfür alle gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen und Kontrollen in den Bereichen Recht undGesetz, Rechnungswesen, Geschäftsführung und Steuern zuständig. Größere Unternehmenund solche, die im Bank- und Finanzsektor tätig sind, lassen sich in der Regel ihre Jahres-abschlüsse freiwillig bestätigen, zumeist auch von einer im CONSOB-Register geführtenPrüfungsgesellschaft. Es handelt sich jedoch um eine "freiwillige" Prüfung, bei der keineAufteilung der Pflichten zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und Abschlußprüfern gem. Art.1 der Verordnung Nr. 136/1975 des Präsidenten der Republik erfolgt.

Somit lasten alle Pflichten und die gesamte Verantwortung für die Prüfung auf dem Auf-sichtsrat; sie sind folglich inhaltlich sehr umfangreich und umfassen alle in Abschnitt 3.7 desGrünbuchs aufgeführten Gesichtspunkte.

Die wichtigsten Unzulänglichkeiten in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat als einzigesKontrollorgan des Unternehmens fungiert, sind folgende:

a) ungenügende Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand und den größten Anteils-eignern;

b) unzureichende Organisation und Fehlen eines geeigneten Prüfungsverfahren, ins-besondere in bezug auf Prüfungen des Rechnungswesen;

c) übermäßiger Umfang der Aufgaben und Zuständigkeiten und somit der zivil-, straf-und steuerrechtlichen Haftung, für die es keine Begrenzung gibt (obwohl die zivil-und die steuerrechtliche Haftpflicht bis zu einer bestimmten Höhe durchVersicherungen abgedeckt werden kann);

d) unzureichende Befugnisse zur Kontrolle der Geschäftsführung;

e) unangemessene Kriterien für die Festsetzung der Vergütung von Aufsichtsratsmit-gliedern bei Prüfungen von Jahres- und Konzernabschlüssen;

f) fehlende Qualitätskontrolle in bezug auf die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder;

g) keine zwingend vorgeschriebene Prüfung durch Aufsichtsräte in zahlreichen kleinenGesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem Kapital unterhalb 200 MillionenLire.

4. LÖSUNGSVORSCHLÄGE FÜR DIE DARGELEGTEN PROBLEME.ZUSAMMENHÄNGE MIT DEM GRÜNBUCH

Die im folgenden unterbreiteten Lösungsvorschläge für die Probleme, mit denen dasitalienische System der Pflichtprüfungen behaftet ist, berücksichtigen die Anregungen undVorschläge des Grünbuchs und auch einiger amtlicher Dokumente des wichtigsten imitalienischen Rechnungswesen tätigen Berufsstandes - der Wirtschaftsprüfer6.

A) Pflichtprüfungen in Unternehmen, für die ein Bestätigungsvermerk desAbschlußprüfers vorgeschrieben ist

a) Unabhängigkeit der Abschlußprüfer und Aufsichtsratsmitglieder

6 Einige der angeführten Vorschläge stammen von den Autoren der offiziellen Berichte, die

auf den Nationalen Kongressen der Wirtschaftsprüfer 1992 in Bologna und 1994 in Leccevorgelegt wurden.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Die Unabhängigkeit zählt zu den Hauptanforderungen an die Abschlußprüfer undAufsichtsratsmitglieder, was auch im Grünbuch anerkannt wird. Daher müssen auch alleerforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Unabhängigkeit für die gesamteDauer des Prüfungsauftrags zu gewährleisten. Allerdings geht es dabei nicht nur um dieUnbefangenheit als innere Einstellung (independence of mind), die nicht wirksamkontrolliert und gesichert werden kann, sondern auch um die Unabhängigkeit nach außen(independence in apparance), die insbesondere dann eine Rolle spielt, wenn gleichzeitig fürdenselben Klienten auch Beratungsleistungen erbracht werden. Aus diesem Grunde bedarfes einer eingehenden Untersuchung aller in Betracht kommenden Situationen undVerhältnisse, die die Unabhängigkeit beeinträchtigen oder völlig beseitigen können, wobeidie Lösungsansätze berücksichtigt werden sollten, die in den von der FEE zu diesemThema veröffentlichen neuesten Dokumenten enthalten sind (vor allem in demPositionspapier von 1995 mit dem Titel "Audit independence and objectivity - PositionPaper"). Daher müssen sowohl den Aufsichtsratsmitgliedern als auch den Abschlußprüfernfür die gesamte Dauer ihres Mandats sämtliche Beratungsleistungen für das geprüfteUnternehmen untersagt werden. Das Verbot muß insbesondere für die unter Absatz 4.14des Grünbuchs angeführten Tätigkeiten gelten.

Darüber hinaus sollte unbedingt an den derzeit geltenden Bestimmungen der VerordnungNr. 136/1975 des Präsidenten der Republik über den turnusmäßigen Wechsel derPrüfungsgesellschaften festgehalten werden, denn ein Wechsel der Prüfer innerhalbderselben Prüfungsgesellschaft kann nicht als ausreichend betrachtet werden, da er inkleineren Gesellschaften nur schwer und in Aufsichtsräten überhaupt nicht umzusetzen ist.In den Aufsichtsräten sollten auch die Minderheiten der Anteilseigner vertreten sein, indemsie z.B. ein Voll- oder ein Ersatzmitglied stellen. Damit würde eine Dynamik derMeinungsäußerungen und Bewertungen innerhalb des Aufsichtsrats geschaffen, die dieEffizienz der Prüfungen von Geschäftsführung und Rechnungswesen erhöht.

Im Interesse der Unabhängigkeit erscheint es außerdem sachdienlich, die Anzahl der Auf-träge zu begrenzen.

b) Zahlenmäßige Begrenzung der Aufträge von Aufsichtsratsmitgliedern undPrüfungsgesellschaften

Zweifellos kann auch mit der zahlenmäßigen Begrenzung der Aufträge von Prüfungsgesell-schaften und Aufsichtsräten eine höhe Wirksamkeit der Prüfungen erreicht werden. Einesolche Begrenzung erleichtert die pünktliche und ordnungsgemäße Erledigung der Aufträgeund verhindert, daß wesentliche Arbeitsgänge der Prüfung (z.B. Analyse und Bewertungdes internen Kontrollsystems) zu schnell und oberflächlich und damit nicht inÜbereinstimmung mit den Prüfungsgrundsätzen abgewickelt werden.

In Italien gibt es bereits einen Mechanismus für die Begrenzung der Aufträge zur Bestäti-gung von Jahresabschlüssen, denn die CONSOB kann den Beschluß der Gesellschafter zurAuftragserteilung für ungültig erklären, wenn die geforderten Kriterien der fachlichenEignung und angemessenen Organisation nicht erfüllt werden oder die Prüfungsgesellschaftschon zu viele Aufträge erhalten hat. Trotz dieser Möglichkeit entfallen wie bereits erwähntüber 90 % der Aufträge für freiwillige und vorgeschriebene Bestätigungen von Jahres-abschlüssen auf die "großen sechs" Prüfungsgesellschaften. Daher ist es unbedingt erforder-lich, die Anzahl der Aufträge gesetzlich zu begrenzen.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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In bezug auf die Aufsichtsräte ist eine vergleichbare Regelung ebenfalls geboten (auch inUnternehmen, für die keine Bestätigung der Jahresabschlüsse vorgeschrieben ist), denn esgibt keine öffentliche oder private Stelle, die eine solche Begrenzung durchsetzen könnte.

c) Inhalt der Prüfungen und Abgrenzung der Aufgaben von Aufsichtsratsmitgliedernund Abschlußprüfern

In bestätigungspflichtigen Unternehmen muß eine klare Trennung und Abgrenzung derAufgaben erfolgen, indem die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Jahres- und Konzern-abschlusses ausschließlich einem (externen) Revisionsorgan - der Prüfungsgesellschaft -übertragen wird und alle übrigen Prüfungen und Kontrollen rechtlicher, administrativer undsteuerlicher Aspekte von einem fachlich qualifizierten, unabhängigen Organ - wie demAufsichtsrat - durchgeführt werden.

Dem Aufsichtsrat müssen alle Befugnisse eines Prüfungsausschusses (audit committee)erteilt werden, wie er in den verschiedenen Reformvorhaben zur Unternehmensführung undauch im Grünbuch vorgesehen ist.

Daher gilt es, im Wege entsprechender Änderungen der gegenwärtigen Bestimmungen desBürgerlichen Gesetzbuchs die folgenden Zielstellungen zu erreichen:

• die Verantwortung für die Prüfung der ordnungsmäßigen Buchführung und derZuverlässigkeit des Jahres- und Konzernabschlusses muß allein den Prüfungsgesell-schaften übertragen werden;

• dem Aufsichtsrat müssen unbedingt Kontrollbefugnisse im Bereich des Rechnungs-wesens und der Jahresabschlüsse erteilt werden, wenn er die Tätigkeit desVorstands und die Einhaltung der Rechtsvorschriften überwachen soll; dieKontrolle über den Jahresabschluß muß über die Auswahl der Bilanzschemata, derBewertungs- und der inhaltlichen Kriterien für den Anhang zum Jahresabschlußsowie für den Lagebericht erfolgen;

• vom Aufsichtsrat muß gefordert werden, daß er die Finanzlage des Unternehmensprüft und geeignete Initiativen zur Verhütung kritischer Finanzsituationen ergreift -analog zur Verfahrensweise, zu der die Abschlußprüfer in Frankreich verpflichtetsind, indem sie auf bestimmte Vorgänge aufmerksam machen;

• der Aufsichtsrat muß das Recht erhalten, bei der Erteilung von Aufträgen an Prü-fungsgesellschaften oder deren Entzug, bei der Festlegung der ihnen zustehendenVergütung oder der Übertragung anderer, nicht mit der Bestätigung derAbschlüsse zusammenhängender Aufgaben an diese Gesellschaften eineStellungnahme (gegenüber dem Vorstand und der Hauptversammlung) abzugeben;

• in großen Unternehmen und solchen, die in besonders heiklen Sektoren tätig sind(Banken, Versicherungen, Finanz- und Wertpapiervermittlungsgesellschaften), mußein internes Revisionsorgan (internal auditing) vorgesehen werden, das seine Tätig-keit mit dem externen Prüfungsorgan und mit dem Aufsichtsrat abstimmt (letztererkann die Durchführung bestimmter Untersuchungen zur Geschäftsführung und zumRechnungswesen verlangen);

• Aufsichtsrat und Prüfungsgesellschaft müssen unabhängig voneinander ein Urteilzur Organisation von Verwaltung und Rechnungswesen des Unternehmens und zudessen internem Kontrollsystem abgeben und dabei insbesondere bewerten, ob siegeeignet sind, Betrugsversuche und andere rechtswidrige Handlungen zu

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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verhindern oder aufzudecken; dieses Urteil muß der Hauptversammlungbekanntgegeben werden;

• die Vorschriften zum Inhalt des vom Aufsichtsrat vorzulegenden Berichts zumJahresabschluß (Art. 2429 Bürgerliches Gesetzbuch) müssen dahingehend geändertwerden, daß der Bericht keine Bewertungen mehr zur Buchführung und zur Zuver-lässigkeit des Abschlusses enthält (die nicht mehr zu den Aufgaben derAufsichtsratsmitglieder gehören sollten), sondern vielmehr Betrachtungen undHinweise zur Organisation der Geschäftsführung und des Rechnungswesens, zuminternen Kontrollsystem, zur Funktionsweise der Organe der Gesellschaft(Hauptversammlung, Vorstand, geschäftsführender Ausschuß), zum Umfang undzur Erfüllung der Aufgaben der Vorstandsmitglieder mit besonderen Befugnissen,zur Wirksamkeit des internen Revisionssystems und zur Tätigkeit des externenAbschlußprüfers. Einen ähnlichen Inhalt muß der Bericht derAufsichtsratsmitglieder zum Halbjahresbericht des Vorstands haben.

d) Abstimmung der Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern und externen Abschluß-prüfern

Aufsichtsrat und Prüfungsgesellschaft nehmen ihre Prüfungen unabhängig voneinander,ohne Absprachen und ohne den Austausch von Informationen vor. DiePrüfungsgesellschaft ist lediglich verpflichtet, die Aufsichtsratsmitglieder von aufgedeckten"unzulässigen Handlungen" des Vorstands zu unterrichten, damit sie gem. Art. 2408Bürgerliches Gesetzbuch die notwendigen Untersuchungen im Bereich derGeschäftsführung durchführen können.

Von vielen Seiten, auch von der CONSOB, wird indessen auf die Notwendigkeit einerständigen Abstimmung der Tätigkeit beider Prüfungsorgane sowie eines regelmäßigenInformationsaustauschs zwischen ihnen verwiesen.

Es bedarf sicherlich keiner Gesetzesänderung, um dieses Ziel zu erreichen, sondern eswürde ausreichen, wenn die CONSOB ihre Rechte zur Einflußnahme und Kontrolle überdie Prüfungsgesellschaften vollständig wahrnähme.

Insbesondere müßte die CONSOB der Prüfungsgesellschaft empfehlen (oder ihr notfallsauferlegen):

• dem Aufsichtsrat die Arbeitsbücher (working papers) zur Analyse und Bewertungdes internen Kontrollsystem sowie den Prüfungsbericht (management letter) zurVerfügung zu stellen, in dem Hinweise, Anregungen und Vorschläge zum internenKontrollsystem enthalten sind (letzteres wurde bereits von der CONSOB zurPflicht erhoben);

• mit den Aufsichtsratsmitgliedern die Prüfungsgrundsätze sowie die Auslegung derRechtsvorschriften zur Aufstellung der Jahres- und Konzernabschlüsse zubesprechen (und möglichst abzustimmen);

• dem Aufsichtsrat alle Informationen zu geben, die zur Überwachung der Tätigkeitdes Vorstands erforderlich sind (insbesondere Informationen über die bei ihrenPrüfungen festgestellten Anzeichen für Gesetzesübertretungen oder für eineGefährdung der Finanzlage des Unternehmens).

e) Prüfung in Konzernen, auch unter Berücksichtigung der konsolidiertenAbschlüsse

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Auch in Konzernen muß die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des konsolidiertenAbschlusses klar und unmißverständlich allein der Prüfungsgesellschaft übertragen werden,während der Aufsichtsrat über die Einhaltung der Rechtsvorschriften (im wesentlichen derBestimmungen der 7. EG-Richtlinie) hinsichtlich Bildung des Konsolidierungsbereichs,Gliederung und Inhalt des konsolidierten Abschlusses und der Anhänge,Konsolidierungsaufrechnungen, Feststellung und Offenlegung des konsolidiertenAbschlusses zu wachen hat.

Die Prüfung des Konzernabschlusses darf jedoch nicht innerhalb der engen Grenzen erfol-gen, wie sie von Art. 41 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 127/1991 vorgegebenwerden, sondern sie muß wesentlich ausführlicher und im Sinne der internationalen Prü-fungsgrundsätze der IFAC durchgeführt werden.

Art. 41 muß demnach geändert werden und künftig einen Verweis auf die vom italienischenBerufsstand der Buchsachverständigen erarbeiteten Prüfungsgrundsätze enthalten.

Darüber hinaus müssen die Aufsichtsratsmitglieder der Muttergesellschaft das Recht erhal-ten, vom Prüfungsorgan der Tochtergesellschaften (Aufsichtsrat und/oder Abschlußprüfer)alle Informationen einzuholen, die sie für eine wirksame Kontrolle der Geschäftstätigkeitdes Mutterunternehmens als notwendig erachten.

f) Anzuwendende Prüfungsgrundsätze

Wie bereits erwähnt, werden die vom Ausschuß der Buchsachverständigen aufgestelltenitalienischen Prüfungsgrundsätze gegenwärtig überarbeitet, um sie möglichst weitgehend andie International Standards on Auditing des IAPC bei der IFAC anzupassen.

Die Prüfungsgesellschaften werden diese Grundsätze bei den Prüfungen derJahresabschlüsse anwenden müssen (was auch von der CONSOB gefordert wird).

Einige in den internationalen Prüfungsgrundsätzen enthaltene Richtlinien und Vorschriftensind überdies ein wertvoller und nützlicher Bezugspunkt für die von den Aufsichtsratsmit-gliedern durchzuführende Kontrolle der Geschäftsführung. Ich beziehe mich dabeiinsbesondere auf die ISA zur Unternehmensfortführung, zu rechtswidrigen Handlungen desVorstands und zur Analyse und Bewertung des internen Kontrollsystems.

Aufsichtsratsmitglieder müssen darüber hinaus bei den Kontrollen rechtlicher,administrativer und steuerlicher Aspekte die oben erwähnten "Verhaltensgrundsätze fürAufsichtsräte" beachten.

g) Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung für Aufsichtsratsmitglieder undAbschlußprüfer

Es wurde bereits darauf verwiesen, daß die gegenwärtige von den zivil-, straf- und steuer-rechtlichen Regelungen vorgeschriebene Haftung zu umfassend ist und davor abschreckt,mit einem hohen Risiko behaftete Aufträge zu übernehmen.

Daher scheint es im höchsten Maße angebracht, den Vorschlag aus dem Grünbuch zurBegrenzung der zivilrechtlichen Haftung durch Festlegung von Haftungsobergrenzen auf-zugreifen. Um dies in Italien zu erreichen, bedarf es einer entsprechenden Gesetzesände-rung, wobei es sehr unwahrscheinlich ist, daß das italienische Parlament diese von sich ausvornehmen wird (bzw. die Regierung durch eine gesetzesvertretende Verordnung). DieWahrscheinlichkeit einer solchen Änderung wäre folglich wesentlich größer, wenn sie von

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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einer künftigen EG-Richtlinie vorgeschrieben würde, die Italien dann in einzelstaatlichesRecht umsetzen müßte.

Sollten die Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr für die Prüfung der Zuverlässigkeit derJahresabschlüsse zuständig sein, so müßten auch die strafrechtlichen Bestimmungengeändert werden, die ihre Haftung für falsche Angaben in den Jahrsabschlüssen oderdaraus resultierende Steuerhinterziehungen vorsehen.

B) Pflichtprüfung in Unternehmen, für die kein Bestätigungsvermerk des Abschluß-prüfers vorgeschrieben ist

In diesen Unternehmen sind die Aufsichtsräte auch für die Prüfung des Rechnungswesensund der Jahresabschlüsse verantwortlich, und es bedarf demnach einer ständigen Koor-dinierung ihrer Tätigkeit mit der des internen Revisionsorgans (falls ein solches besteht;dazu zählen beispielsweise die in fast allen Banken tätigen internen Inspektionsorgane) undder Prüfungsgesellschaft, die mit der freiwilligen Bestätigung des Jahresabschlussesbeauftragt wurde. Die Abstimmung mit der Prüfungsgesellschaft ist besonders wichtig, vorallem für die Analyse und Bewertung des internen Kontrollsystems und für die Vorbeugungoder Aufdeckung von Betrugsversuchen und anderen rechtswidrigen Handlungen desVorstands.

Viele der bereits unter Abschnitt A) dieses Kapitels angeführten Bemerkungen und Vor-schläge treffen auch auf diese Unternehmen zu.

Das gilt für die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder und speziell für ihre Bestellung,für die gleichzeitige Ausübung von Beratungsfunktionen und für die zahlenmäßige Begren-zung der Aufträge (das Amt eines Aufsichtsratsmitglieds in einem kleineren Unternehmen,in dem keine Prüfungsgesellschaft mit der freiwilligen Bestätigung des Jahresabschlussesbetraut wird, ist in der Regel mit einer größeren Belastung verbunden als das eines Auf-sichtsratsmitglieds in einem zur Bestätigung des Jahresabschlusses verpflichteten Unter-nehmen, weil es in Kleinbetrieben gewöhnlich kein wirksames internes Kontrollsystem gibtund die Aufsichtsratsmitglieder für alle Prüfungen und Kontrollen zuständig sind).

Bei der Organisation der Tätigkeit des Aufsichtsrats und bei der Planung und Vorbereitungder Prüfungen müssen die Aufsichtsratsmitglieder gegebenenfalls auf die Unterstützung vonBeschäftigten des Unternehmens oder freien Mitarbeitern zurückgreifen und entsprechendden "Verhaltensgrundsätzen" ein wirkliches eigenes Prüfungsteam bilden.

Auch die Prüfungen der Geschäftsführung und des Rechnungswesens müssen gemäß denVorschriften und Empfehlungen der "Verhaltensgrundsätze" durchgeführt werden, wobeierforderlichenfalls auch einige Dokumente der "Prüfungsgrundsätze" herangezogen werden(vor allem bei der Analyse und Bewertung des internen Kontrollsystems, bei der Prüfungder Fortführung der Unternehmenstätigkeit und bei den Untersuchungen im Hinblick aufBetrugsversuche und andere rechtswidrige Handlungen des Vorstands).

Einen nützlichen Ansatzpunkt bilden auch die internationalen Prüfungsgrundsätze der IFACüber die auf Kleinunternehmen zugeschnittenen Prüfungen (Small Audits).

Auch in den kleinen und mittleren Unternehmen müssen rechtliche Mechanismen zur Haf-tungsbegrenzung eingeführt werden, da die Prüfungen hier für die Aufsichtsratsmitgliedertatsächlich mit einem höheren Risiko verbunden sind, vor allem dann, wenn es gar kein odernur ein unzureichendes internes Kontrollsystem gibt.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Auf dem Gebiet der Prüfungen des Rechnungswesens und des Jahresabschlusses müssendie berufsständischen Organisationen eine Qualitätskontrolle einführen, um ein hohesNiveau der Prüfungen zu gewährleisten.

Und schließlich geht es auch darum, ein System zur Festlegung der Vergütung von Auf-sichtsratsmitgliedern zu schaffen; für Jahresabschlußprüfungen sollte dabei der Stunden-aufwand als Berechnungsgrundlage dienen. Das italienische Justizministerium arbeitet zurZeit an einem derartigen System. Es ist als öffentliches Aufsichtsorgan für die Abschluß-prüfer zuständig, die gemäß der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88/192 zurUmsetzung der 8. EG-Richtlinie in Italien in das Register der Abschlußprüfer eingetragensind.

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Aus italienischer Sicht können unter Bezugnahme auf die Anregungen und Vorschläge dereinzelnen Kapitel und Absätze des Grünbuchs die nachstehend angeführten Schlußfolgerun-gen gezogen werden:

5.1 Rolle des Abschlußprüfers

5.1.1 Definition der Pflichtprüfung (statutory audit)

Die in Abschnitt 3.7 aufgeführten Erwartungen der Öffentlichkeit sind zwar gerechtfertigt,aber die Pflicht des Abschlußprüfers sollte stets als Sorgfaltspflicht verstanden werden, diekeine absolute Gewähr für die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses, für dieAufdeckung von Betrügereien und anderen rechtswidrigen Handlungen oder für dieEinhaltung der Rechtsvorschriften durch das Unternehmen bietet. In einer künftigenRichtlinie über die Abschlußprüfung muß dieser Gesichtspunkt klar hervorgehoben werden.In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung des internen Kontrollsystems mit Nachdruckzu unterstreichen, das innerhalb gewisser Grenzen auch in den mittleren Unternehmenbindend vorgeschrieben werden muß.

Was die Fortführung der Unternehmenstätigkeit und die Solvenz der Gesellschaftanbelangt, so muß zumindest in den börsennotierten Gesellschaften eine (von den Prüfernkontrollierte) Erklärung des Vorstands wie unter 3.20 des Grünbuchs angeführt vorgesehenwerden.

Übertrieben erscheint indessen die unter 3.35 angeführte Forderung an den Abschlußprüferhinsichtlich des Verhaltens des Unternehmens in umweltpolitischen und gesellschaftlichenAngelegenheiten.

Eine Richtlinie des Rates der EU zu diesem Thema sollte unbedingt eine einheitliche Defini-tion der Abschlußprüfung beinhalten.

5.1.2 Inhalt des Bestätigungsvermerks (audit report)

Der unter 3.41 angeführte Inhalt des Bestätigungsvermerks erscheint vernünftig und gehtsogar über den vom internationalen Prüfungsgrundsatz Nr. 700 der IFAC vorgeschriebenenInhalt hinaus (er stimmt indessen mit dem Bericht zum Jahresabschluß überein, den dieAufsichtsräte in Italien verfassen müssen; das gilt insbesondere für die ordnungsmäßigeBuchführung und die Einhaltung der Bilanzvorschriften). Er sollte durch die oben erwähnteRichtlinie des Rates vorgeschrieben werden.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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Bei den weiter oben unter Punkt a) genannten Unternehmen sollte der Vermerk jedochauch Einschätzungen und Beurteilungen des Abschlußprüfers zum internen Kontrollsystem,zur Unternehmensfortführung und zur Finanzlage enthalten.

5.2 Stellung des Abschlußprüfers

5.2.1 Qualifikation des Abschlußprüfers

Der Vorschlag zur Anpassung der in Art. 6 der 8. Richtlinie angeführten Ausbildungsgängefür Abschlußprüfer an die neuen Erfordernisse erscheint begründet. Dennoch sind dieseAusbildungsgänge offensichtlich heute noch ausreichend und angemessen.

5.2.2 Unabhängigkeit des Abschlußprüfers

Die Unabhängigkeit darf nicht nur eine "innere Einstellung" sein, denn der Abschlußprüfersoll ja nicht allein unabhängig sein, sondern dies auch nach außen deutlich machen.

Daher muß die künftige Richtlinie über die Pflichtprüfung von Jahresabschlüssen inÜbereinstimmung mit den Hinweisen des weiter oben angeführten Positionspapiers derFEE aus dem Jahre 1995 auch eine Aufzählung der Situationen enthalten, in denen dieUnabhängigkeit nicht mehr gegeben ist. Insbesondere muß die Unvereinbarkeit derTätigkeit des Abschlußprüfers mit der gleichzeitigen Wahrnehmung vonBeratungstätigkeiten in den Bereichen Steuer-, Gesellschafts - und Unternehmensrecht fürein und dasselbe Unternehmen während seines Mandats festgeschrieben werden. Die inAbsatz 4.14 des Grünbuchs angeführten möglichen Unvereinbarkeiten sind demnach nichtausreichend. Der turnusmäßige Wechsel der Prüfer innerhalb derselbenPrüfungsgesellschaft ist ebenfalls völlig unzureichend; es muß vorgeschrieben werden (wiedies heute schon in Italien gemäß der Verordnung Nr. 136/1975 des Präsidenten derRepublik der Fall ist), daß nach einer bestimmten Anzahl von Jahren diePrüfungsgesellschaft zu wechseln ist. Insgesamt sollte das Prüfungsmandat nicht länger alsneun Jahre währen.

5.2.3 Stellung des Abschlußprüfers im Unternehmen

Der Prüfungsauftrag muß auch künftig von der Hauptversammlung erteilt werden, jedochauf Vorschlag eines aus qualifizierten und unabhängigen Mitgliedern bestehendenPrüfungsausschusses (der auch die Vergütung der Abschlußprüfer festlegt); in Italien wäredieses Organ der Aufsichtsrat.

Für börsennotierte Unternehmen, Banken, Versicherungsgesellschaften und größere Unter-nehmen muß die Gültigkeit des italienischen dualen Systems mit zwei Prüfungs- bzw.Kontrollorganen anerkannt werden: einem externen Organ, das nur für die Prüfung desRechnungswesens zuständig ist, und einem internen Organ für die Kontrolle der Geschäfts-führung und der Einhaltung von Recht und Gesetz.

In diesen Unternehmen muß die Einrichtung eines Innenrevisionsorgans - wie in Absatz4.24 des Grünbuchs vorgesehen - zur Pflicht gemacht werden.

In den mittleren Unternehmen sollte indessen auch ein einziges Prüfungsorgan als aus-reichend betrachtet werden (wenn es die in der 8. Richtlinie enthaltenen Anforderungenerfüllt), wie z.B. der italienische Aufsichtsrat.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Matteo Caratozzolo

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5.2.4 Rolle der staatlichen Behörden und der Berufsvereinigungen

Generell sind die vom IAPC der IFAC erarbeiteten Prüfungsgrundsätze ein nützlicherAnsatzpunkt für gemeinsame Vorschriften auf europäischer Ebene. Es ist durchaussachdienlich, ein Gremium zu schaffen, wie es in Absatz 4.34 des Grünbuchs genannt wird;in ihm sollten jedoch nur Berufsvereinigungen mitwirken, die die Prüfungsgrundsätzeaufstellen (in Italien die Vereinigungen der Buchsachverständigen) und denen diePflichtprüfer angehören, die ja die Grundsätze anwenden müssen. Die Bildung eines"Kontaktausschusses", wie er für die Bilanzrichtlinien geschaffen wurde, ist nichtangebracht.

5.3 Zivilrechtliche Haftung des Abschlußprüfers

Es ist von wesentlicher Bedeutung, zu einem System der zivilrechtlichen Haftung zu gelan-gen, in dem die Haftung auf Beträge entsprechend dem Ausmaß der Pflichtverletzung desAbschlußprüfers begrenzt wird. Dies kann nur durch entsprechende Änderungen derRechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Verabschiedung der obenerwähnten Richtlinie des Rates erfolgen.

5.4 Die Pflichtprüfung in kleinen Gesellschaften

An der Pflichtprüfung in kleinen und mittleren Gesellschaften muß unbedingt festgehaltenwerden, um die Interessen von Gesellschaftern, Gläubigern und öffentlichen Behörden (z.B.des Finanzamtes, damit das Unternehmen seinen Steuerpflichten ordnungsgemäßnachkommt) zu schützen.

Dennoch sollten vereinfachte Formen für die Abschlußprüfung in den kleinenGesellschaften eingeführt werden, wie sie beispielsweise vom International auditing practicestatement Nr. 1005 der IFAC über die "Small Audits" vorgesehen sind (Particularconsiderations in the audit of small businesses).

In Italien wurde der Vorschlag unterbreitet, in kleinen Unternehmen anstelle des aus dreiMitgliedern bestehenden Aufsichtsrats nur einen einzigen Prüfer vorzusehen.

5.5 Prüfungsvorschriften für Konzerne

Der Vorschlag gemäß Absatz 7.4 des Grünbuchs, auf der Ebene der Europäischen Unioneinen Katalog von Grundsätzen zu schaffen, der dann bei der Prüfung vonKonzernabschlüssen als Orientierung dient, scheint zweckdienlich und annehmbar. Das isteine sehr wichtige und aktuelle Frage, denn bei den größeren Finanzdebakeln der letztenZeit spielte auch der geringe Informationsfluß innerhalb der Konzerne eine Rolle.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Claude Charron

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HERR CLAUDE CHARRON∗

PRÜFUNGSGRUNDSÄTZE

1. KURZER GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK

Die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Abschlüsse ist in Frankreich eine sehr alteEinrichtung, denn es gab sie schon im Gesellschaftsrecht von 1867.

Doch erst mit der Reform des Gesellschaftsrechts im Jahre 1996 erhielt diePflichtprüfung der Abschlüsse ihren eigentlichen Inhalt. Mit dem Gesetz vom24. Juli 1966 über die Handelsgesellschaften wurde eine entscheidende Wendehinsichtlich der Bestätigung der Abschlüsse in Frankreich eingeleitet.

Bis dahin bestand die Hauptaufgabe des Abschlußprüfers darin, die Ordnungsmäßigkeitder Rechnungslegung zu bestätigen, ohne im Prinzip die für die Erstellung desAbschlusses angewandten buchhalterischen Mittel und Methoden begutachten zumüssen.

Eines der Hauptziele bei der Reform war, den Gesellschaftern wie auch Drittenzusätzliche Sicherheit zu bieten; folglich übertrug das Gesetz dem Abschlußprüfer eineerheblich größere Rolle, indem es ihm unter Wahrung seiner Unabhängigkeit über dieBestätigung erweiterte Befugnisse für die Einschätzung der Rechnungslegung verlieh.

So wandelte sich mit dem Gesetz von 1966 die bisherige "Funktion" zu einem echten"institutionellen Auftrag", wie wir die Pflichtprüfung der Abschlüsse heute inFrankreich verstehen.

Dazu bedurfte es allerdings eines gesetzlich geregelten Status. Mit dem Dekret vom12. August 1969 wurden ein ordentlicher Berufsstand geschaffen sowie die beruflicheStellung der Abschlußprüfer geregelt.

2. AUSSCHUSS FÜR BERUFSGRUNDSÄTZE

Dieser kurze geschichtliche Überblick ist wichtig, um besser verständlich zu machen,unter welchen Rahmenbedingungen unsere Berufsgrundsätze erarbeitet wurden.

Schon bald nach ihrer Gründung rief die Berufsvereinigung Compagnie Nationale desCommissaires aux Comptes (1970) das Comité des Diligences (Ausschuß fürberufliche Sorgfaltspflichten) ins Leben, das dann zum Comité des NormesProfessionnelles (Ausschuß für Berufsgrundsätze) wurde.

Hier muß hervorgehoben werden - und wir können dies nur voll begrüßen -, daß dasJustizministerium dem Berufsstand selbst überlassen hat, die Erarbeitung von Regelnund Grundsätzen vorzunehmen, die geeignet waren, den gerade erst vom Gesetzauferlegten neuen Pflichten bei der Bestätigung der Abschlüsse Rechnung zu tragen.

∗ Präsident des Ausschusses für Berufsgrundsätze, Nationale Gesellschaft der Abschlußprüfer

("Compagnie Nationale des Commissaires aux Comptes"), Frankreich

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Claude Charron

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Von Anfang an hatte dieser Ausschuß mit der Erarbeitung von Empfehlungen für dieSorgfaltspflichten eine schwierige Aufgabe zu bewältigen, zumal noch keinetheoretischen Erkenntnisse gewonnen waren und wir mit einem ganz neuen Auftragund vollkommen neuartigen Pflichten konfrontiert waren.

Wir richteten uns nach der im Ausland herrschenden Lehrmeinung, paßten sie dendamaligen französischen Gegebenheiten an und versuchten uns in der Praxis.

Aber im Verlauf der Jahre und der praktischen Erkenntnisse erwiesen sich dieseEmpfehlungen als unzureichend, um ein hohes Qualitätsniveau der Prüfungen und eineeinheitliche Verfahrensweise aller Prüfungsbüros zu gewährleisten.

Davon ausgehend, wurde im Jahre 1987 eine Neuformulierung dieser Empfehlungenund ihre Kodifizierung als "Normen" und "Normenerläuterungen" unternommen.

Diese Neuformulierung ging mit einer tiefgreifenden Reform einher: der Begriff derBuchprüfung ging in den Begriff der Abschlußprüfung in der heutigen Bedeutung über.

Das Werk von Normen und Grundsätzen, das wir heute haben, deckt also sämtlicheAspekte eines Prüfungsauftrags ab und trägt damit den Pflichten Rechnung, die nachAuffassung des Gesetzgebers wie des Berufsstands dem Abschlußprüfer obliegen,wenn er die Bestätigung für die "Ordnungsmäßigkeit, die wahrheitsgemäßen Angabenund das tatsächlich den Verhältnissen entsprechende Bild" erteilt.

In diesen Prüfungsnormen sind festgelegt:

• sowohl Verhaltensregeln in bezug auf die Aspekte der Unabhängigkeit, der Kom-petenz, der Qualität der Arbeit, des Berufsgeheimnisses sowie der Annahme undder weiteren Ausführung von Aufträgen

• als auch maßgebliche Grundsätze hinsichtlich der Sorgfaltspflichten und desAblaufs des Auftrags: Ausrichtung, Planung, Beurteilung der internen Kontrolle,Vertretung und Aufsicht, Dokumentierung der Arbeiten, d.h. zusammengefaßtalles,

• was mit dem Herangehen an die Abschlußprüfung und der angewandten Methodikzu tun hat.

In den Prüfungsnormen werden auch Inhalt und Formulierung desBestätigungsvermerks des Abschlußprüfers behandelt.

Mit dem Gesetz über die Handelsgesellschaften vom 24. Juli 1966 war auch eine Reiheweiterer Pflichten für den Abschlußprüfer geschaffen worden, u.a.:

• die Pflicht, dem Staatsanwalt festgestellte Gesetzeswidrigkeiten anzuzeigen,

• das Verfahren der Vorwarnung, wenn bestimmte Fakten darauf hindeuten, daß dieFortführung der Unternehmenstätigkeit gefährdet sein könnte,

• oder spezifisches Eingreifen bei bestimmten Geschäftsvorgängen im Unternehmen(z.B. Ausgabe von Wertpapieren, Kapitalherabsetzung oder auch zwischenzeitlicheGewinnausschüttung, um nur einige zu nennen).

Der Ausschuß für Berufsgrundsätze hat auch jeweils für diese Pflichten Grundsätzeerarbeitet, die der entsprechenden Spezifik angepaßt sind.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Claude Charron

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3. HARMONISIERUNG DER FRANZÖSISCHEN NORMEN UND DERIAPC-NORMEN

Da die Kodifizierung der ersten Empfehlungen in Form von Normen 1987vorgenommen wurde, konnten wir uns bei der Erarbeitung neuer Prüfungsnormenweitgehend auf die Ergebnisse des International Auditing Practices Committee (IAPC)stützen, das damals ebenfalls an diesem Thema arbeitete.

Daraus hat sich ergeben, daß die französischen Prüfungsnormen, nach denen sich heutedie Abschlußprüfer richten, insgesamt an die 1994 vom IAPC veröffentlichtenangeglichen sind.

Im übrigen teilte die Börsenaufsichtsbehörde (Commission des Opérations de Bourse)in ihrem Monatsblatt von 1993 mit, daß es keinen signifikanten Unterschied zwischenden von der International Federation of Accountants (IFAC) festgelegteninternationalen Normen und den von der Compagnie Nationale des Commissaires auxComptes (CNCC) veröffentlichten französischen Normen gibt.

Der einzige große Unterschied bestand faktisch im Inhalt des Bestätigungsvermerks,doch dieses Problem ist nun dadurch gelöst, daß Ende 1995 eine neue Vorschrift fürden Bestätigungsvermerk veröffentlicht wurde, mit der Inhalt und Form vollkommenmit dem Bestätigungsvermerk gemäß IAPC-Norm Nr. 710 in Einklang gebrachtworden sind.

Die französischen Normen sind zwar an die vom IAPC veröffentlichten internationalenNormen angeglichen, doch weichen sie von den IAPC-Normen in ihrer Gliederungnoch geringfügig ab.

Der Ausschuß für Berufsgrundsätze in der Compagnie Nationale des Commissairesaux Comptes stellt mithin gegenwärtig Überlegungen an, die im wesentlichen daraufabzielen, für Dritte den Nachweis erbringen zu können, daß die Harmonisierungtatsächlich erfolgt ist.

4. WEITERENTWICKLUNG DER FRANZÖSISCHEN NORMEN

Im Ausschuß für Berufsgrundsätze werden zur Zeit noch weitere größere Themenuntersucht.

Als erstes geht es um die Festlegung eines begrifflichen Rahmens, der ermöglichen soll,außer dem Bestätigungsvermerk die anderen gesetzlichen Aufträge desAbschlußprüfers und insbesondere den bei jeder Auftragsart in Frage kommendenVersicherungsschutz zu kodifizieren.

Das zweite Thema, zu dem Überlegungen angestellt werden und das übrigens auch mitdem begrifflichen Rahmen zusammenhängt, bezieht sich auf die zusätzlichen Aufträge,die häufig vom Abschlußprüfer verlangt werden. Ich denke hier besonders an dieBegutachtung der Rechnungslegungsverfahren und der Innenrevision zusätzlich zumeigentlichen Prüfungsauftrag.

Podiumsdiskussion III - Prüfungsgrundsätze Claude Charron

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5. SCHLUSSFOLGERUNG

Die französischen Prüfungsnormen sind heute in ihrem Stand mit den internationalbefolgten sowie den vom IAPC erlassenen Normen vergleichbar.

Unser Normenwerk betrifft sämtliche Pflichten, die dem Abschlußprüfer per Gesetzzukommen, und zwar unter allen dazugehörigen Aspekten:

• Unabhängigkeit, Verhalten, anzuwendende Methodik und Sorgfaltspflicht,Qualitätskontrolle der Prüfungen.

Damit entsprechen die Berufsgrundsätze den Zielen und Empfehlungen, wie sie imGrünbuch hinsichtlich der Verantwortung des Abschlußprüfers festgelegt sind.

Zwei wesentliche Fragen bleiben allerdings offen:

• erstens die tatsächliche Befolgung dieser Grundsätze durch sämtliche Berufs-angehörige. Diese Frage wird in Frankreich über die mit dem Dekret von 1969festgelegte Kontrolle der Tätigkeit der Berufsangehörigen sowie die Überprüfungder Geschäftsunterlagen von Gesellschaften, die Geld auf dem öffentlichen Kapital-markt aufnehmen, gelöst. Derartige Qualitätskontrollen dienen der Zielsetzung indiesem Bereich;

• zweitens die Übereinstimmung der Grundsätze mit dem wirtschaftlichen Umfeldund den Erwartungen der Öffentlichkeit an die Pflichtprüfung. In dieser Beziehungkann ein Normenwerk selbstverständlich nicht statisch bleiben, sondern mußausbaufähig sein. Vom IAPC werden hierzu bestimmte Überlegungen angestellt.Auch in Frankreich befaßt sich der Ausschuß für Berufsgrundsätze mit diesemThema, um zu erreichen, daß die derzeit geltenden Normen vorausschauendangepaßt werden und nicht der Entwicklung hinterherhinken.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont

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PODIUMSDISKUSSION IV - DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

INNERHALB DER GESELLSCHAFT UND DIE ROLLE DER INNENREVISION

EINLEITUNG

Die MARC-Studie hat gezeigt, daß die Stellung des gesetzlichen Abschlußprüfersinnerhalb der Gesellschaft nicht in allen Mitgliedstaaten identisch ist. Im CADBURY-und im VIENOT-Bericht über die Unternehmensverfassung wurde die Tatsachebetont, daß die Stellung des gesetzlichen Abschlußprüfers im Zusammenhang mit demgesamten System der Prüfungen und Bilanzen gesehen werden muß, das die Rolle derverschiedenen Unternehmensorgane absteckt.

Wir haben nun drei Sprecher gebeten, über die Diskussionen zu berichten, an denen siezu dem Thema Rolle des Abschlußprüfers im Zusammenhang mit der Unternehmens-verfassung teilgenommen haben. Überdies haben wir die Innenrevisoren umStellungnahme zu diesem Punkt gebeten, denn ein mangelndes gut ausgebautesInnenrevisionssystem wurde oftmals als ein wichtiger Grund fürUnternehmensinsolvenzen genannt.

Welche Konsequenzen können eventuell für die Rolle des gesetzlichenAbschlußprüfers aus den laufenden Diskussionen über die Unternehmensverfassunggezogen werden? Was kann die EU unter Umständen tun, um die derzeitige Lage zuverbessern? Sollte bestimmten Unternehmen vorgeschrieben werden, einenPrüfungsausschuß oder ein gut funktionierendes Innenrevisionssystem einzurichten?Sollte die EU diesbezüglich initiativ tätig werden?

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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HERR BRIAN BIRKENHEAD∗

DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS INNERHALB DER

GESELLSCHAFT UND DIE ROLLE DER INNENREVISION

Ich fühle mich durch die Einladung zu dieser Konferenz sehr geehrt, zumal ich hieranstelle von Sir Adrian Cadbury das Wort ergreife, der durch den nach ihm benanntenBericht zahlreiche Veränderungen und Verbesserungen auf dem Gebiet derUnternehmensführung im Vereinigten Königreich auslöste. Eine ähnlich eindrucksvolleBilanz kann ich zwar nicht vorweisen, doch vertrete ich als Vorsitzender von TheHundred Group of Finance Directors immerhin die Finanzleiter der 100 führendenbritischen Unternehmen. Bis zu meinem Ausscheiden vor einigen Wochen war ichDirektor für Finanzen der National Power plc, des größtenStromversorgungsunternehmens unseres Landes, dessen Aktionsradius sich zunehmendauf andere Länder erstreckt. Ich bewerte das Grünbuch der Kommission daher aus derSicht der Führungskräfte großer Unternehmen, also der Mandanten vonWirtschaftsprüfern.

Gestatten Sie mir zunächst eine oder zwei Bemerkungen allgemeiner Art. Unabhängigvom Ergebnis dieser Konferenz sollten wir bedenken, daß die europäischenGroßunternehmen ihre Geschäftstätigkeit in der Regel nicht auf die Unionbeschränken, sondern weltweit operieren. Daher sollten wir stets darauf achten, daßdie von uns eingeführten Regelungen oder Verfahren nicht die Wettbewerbsfähigkeitder europäischen Unternehmen gegenüber den sich dynamisch und erfolgreichentwickelnden Unternehmen des Fernen Ostens und der wieder sehr konkurrenzstarkenVereinigten Staaten gefährden.

Auch besteht ja einer der Gründe für diese Zusammenkunft darin, daß wir nachAuffassung der Kommission bei der Verbesserung des Zugangs zu den internationalenKapitalmärkten mit einem schweren Handicap zu kämpfen haben. Ich möchte dieKommission deshalb auffordern, ihre Aktivitäten in diesem Bereich mit den für dieseMärkte zuständigen Stellen abzustimmen. Beispielhaft in dieser Hinsicht sind diebedeutenden Fortschritte, die im letzten Jahr in Europa bei der Koordinierung derAusarbeitung nationaler Rechnungslegungsgrundsätze mit der Tätigkeit des IACSerzielt wurden. Es spricht nichts dagegen, daß sich die europäischen Länder inähnlicher Weise an der Arbeit des IAPC beteiligen und die internationalenPrüfungsgrundsätze (ISA) europaweit durchsetzen, anstatt eigene, auf Europabeschränkte Grundsätze zu erarbeiten. Ich vertrete hier die Ansicht, daß es sich umeine globale Frage handelt, die auch global angepackt werden muß, nicht nur imRahmen der Union. Wir müssen daher sicherstellen, daß unsere Empfehlungen nichtder internationalen Praxis zuwiderlaufen.

Letztendlich geht es um weitere Verbesserungen, und ich kann daher voller Stolzberichten, daß bei allem, was noch zu tun bleibt, The Hundred Group nicht nurmaßgeblich an der Arbeit des Cadbury Committee beteiligt war, sondern auch Beiträge ∗ Vorsitzender der "Hundred Group of Finance Directors" (Gruppe der Finanzleiter der hundert

führenden britischen Unternehmen), London, Vereinigtes Königreich

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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zu anderen wesentlichen Veränderungen in der Berichterstattungspraxis leistete, sozum Operational and Financial Review, einem zunehmend von britischen Unternehmenangewandten Kontrollverfahren, und zur Ausarbeitung vonRechnungslegungsgrundsätzen. Auch wenn das Vereinigte Königreich über einenhochentwickelten Finanzdienstleistungssektor mit London als Zentrum verfügt, sohaben wir uns dennoch mit einigen der auf dieser Konferenz angesprochenenschwierigen Fragen auseinanderzusetzen. Gestatten Sie mir daher, mich zu einigen derim Grünbuch aufgeworfenen Probleme sowie zum eigentlichen Thema dieser Sitzungzu äußern.

Zunächst zum Bestätigungsvermerk. Nach meiner Auffassung gibt es keineBesonderheiten der europäischen Unternehmen, die gegen die Übernahme einesinternationalen Prüfungsgrundsatzes sprechen würden. Es heißt, daß internationaleInvestoren den europäischen Bestätigungsvermerken nicht so recht trauen. Mir selbstsind aber in den 11 Jahren, in denen ich auf allen großen Märkten persönlich mitInvestoren zu tun hatte, skeptische Bemerkungen dieser Art niemals zu Ohrengekommen. An der Zuverlässigkeit der Bestätigungsvermerke für die von mirvertretenen Unternehmen wurden keinerlei Zweifel geäußert. Andererseits kann ichmich aber durchaus mit dem Gedanken anfreunden, daß im Bestätigungsvermerkstehen sollte, worin die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers eigentlich bestand. ImVereinigten Königreich ist dies bei vielen Abschlußprüfern bis zu einem gewissenGrade schon der Fall.

Zweitens zur Unabhängigkeit des Abschlußprüfers. Es ist sicher von größterBedeutung, daß der Prüfer von den Führungs- und Entscheidungsprozessen derUnternehmen völlig unabhängig ist, doch wäre ein Rotationsprinzip fürWirtschaftsprüfungsgesellschaften eine drakonische Maßnahme, und ich hielte es fürvöllig ausreichend, wenn die für das betreffende Unternehmen zuständigen Mitarbeiterder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft alternierend eingesetzt werden. Unternehmensehen es gar nicht gern, wenn der Prüfer wechselt. Der Grund dafür liegt nicht in einermöglichen Störung “vertrauter Beziehungen”, sondern ist darin zu sehen, daß dieEinarbeitung eines Prüfers für das Unternehmen eine zeitraubende und kostspieligeAngelegenheit ist. Wir müssen viel Zeit und beträchtliche Mittel aufwenden, damit einneuer Prüfer seine Aufgabe fachgerecht erledigen kann. Bei einem häufigen Wechselwäre es aber faktisch unmöglich, den nötigen Einblick in das betriebliche Geschehen zuvermitteln.

Die von der Kommission erlassene Richtlinie zum öffentlichen Auftragswesen erregteheftig die Gemüter, weil die Unternehmen bestimmter Branchen jetzt alljährlich diePrüfungsaufträge im Ausschreibungsverfahren vergeben müssen. Zwar ist dieseRegelung nicht für alle Unternehmen vorgeschrieben, doch die davon betroffenenFirmen bedauern diese Regelung sehr, weil man hierbei offenbar nicht die Folgenbedacht hat. Sie würden es begrüßen, wenn man ihnen dadurch entgegenkommenkönnte, daß die Abschlußprüfer für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren bestelltwerden.

In diesem Zusammenhang sprach die Kommission die Frage an, daßWirtschaftsprüfungsgesellschaften für Unternehmen noch eine Reihe weitererDienstleistungen erbringen. Ich verstehe diese Bedenken, da sie mich als Finanzleiterauch häufig beschäftigten. Die Offenlegung der Honorare ist kein Problem und wirdvon uns bereits praktiziert. Der Kernpunkt ist die mögliche Beeinträchtigung der

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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Objektivität bei der Pflichtprüfung. Ich würde allerdings nicht so weit gehen wie dieKommission und bestimmte Leistungen untersagen. Einige dieser Leistungen sindäußerst nützlich, beispielsweise im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten, bei denender Prüfer hinzugezogen wird, um die Unternehmensleitung bei der Erstellungkomplexer Rechnungslegungsunterlagen zu unterstützen, oder mit derPersonalbeschaffung für das Finanzmanagement, bei der sich die vielfältigen Kontakteals sehr nützlich erweisen. Am sinnvollsten wäre es wohl, die Rolle desAbschlußprüfers allgemein zu definieren, dabei allzu einengende Formulierungen zuvermeiden und die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der Prüfer und gesetzlichenVertreter zu betonen. Vor allem müssen die gesetzlichen Vertreter unbedingtanerkennen, daß sie nicht nur für die Aufstellung der Jahresabschlüsse zuständig sind,sondern auch für die Einrichtung eines umfassenden Systems der internen Kontrolle,das regelmäßig vom unabhängigen Prüfungsausschuß des Verwaltungsrats überprüftwird.

Drittens zur Bestellung der Abschlußprüfer. Es steht eigentlich außer Frage, daß dieBestellung der Abschlußprüfer durch die Gesellschafter erfolgen sollte, doch habe ichdurchaus Verständnis für die Auffassung der Kommission, daß in der Praxis dieBestellung und Abberufung in den Händen der gesetzlichen Vertreter desUnternehmens liegt. Die Frage lautet nun, wem diese Aufgabe zukommt. Es sprichteiniges dafür, daß nur die unabhängigen, ehrenamtlichen Mitglieder desVerwaltungsrats, aus denen der Prüfungsausschuß normalerweise besteht, zurBestellung und Abberufung befugt sein sollten. Würde aber dieses Recht gegen denWillen der geschäftsführenden Mitglieder durchgesetzt, so wäre dies ein Zeichen fürschwerwiegende Differenzen zwischen den ehrenamtlichen und geschäftsführendenMitgliedern des Verwaltungsrats, die über die Bestellung des Abschlußprüfershinausgehen.

Viertens zur Vergütung der Abschlußprüfer. Ich meine nicht, daß es aufgrund desKostendrucks, der die Unternehmen zur Aushandlung möglichst niedriger Honorareveranlaßt, zu einer Vernachlässigung der Auswertung interner Kontrollmaßnahmenkommen wird. Im Vereinigten Königreich sind die gesetzlichen Vertreter jetztverpflichtet, eine Beurteilung ihrer internen Kontrollsysteme vorzunehmen, die dannvon den Abschlußprüfern kritisch zu überprüfen ist. Ich kann mir im übrigen nichtvorstellen, daß Abschlußprüfer betrügerische Manipulationen, an denen leitendeAngestellte beteiligt sind, nur deshalb durchgehen lassen, weil sie auf das Honorarangewiesen sind. In solchen Fällen stehen dem Abschlußprüfer eine Reihe andererMöglichkeiten offen, um sich schadlos zu halten.

Es ist ganz natürlich, daß die Unternehmen auf möglichst kostengünstige Leistungensetzen. Würden die Verantwortlichen dem Prüfungswesen einen besonderenStellenwert einräumen und sich in dieser Frage anders verhalten als sonst, so wäre diesin der Tat bemerkenswert. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß dieWirtschaftsprüfungsgesellschaften miteinander um Aufträge konkurrieren. DerWettbewerb hat nicht - wie im Grünbuch angedeutet - eine geringere Sorgfalt zurFolge, sondern ermöglicht durch den Einsatz von Systemlösungen und dieKonzentration auf die risiko- und wertmäßig wichtigsten Bereiche eine höhereEffizienz der Prüfungstätigkeit. Wenn Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in derHoffnung auf lukrative Zusatzaufträge niedrige Honorare verlangen, sollen sie dasruhig tun. Erweist sich dann aber, daß der geringe Finanzrahmen die Qualität derArbeit beeinträchtigt und sie dafür nicht die erforderlichen Mittel aufwenden, dann

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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wird man dies sehr schnell merken und ihnen keine weiteren Aufgaben übertragen.Letztendlich werden sie um eine korrekte Preisgestaltung nicht herumkommen. DieMärkte sorgen schon dafür, daß man mit einem ruinösen Preiswettbewerb nicht weitkommt.

Nun zur Frage betrügerischer Machenschaften. Heutzutage kontrollierenAbschlußprüfer in der Regel nur bei ungewöhnlichen Risiken oder hohen Wertansätzensämtliche Einzelvorgänge einer Rechnungsperiode, es sei denn, sie werden dafürspeziell vergütet. Bei der Nachprüfung von Geschäftsvorfällen verlassen sie sich aufSystemprüfungen und interne Kontrollen. Dadurch wird es immer unwahrscheinlicher,daß Abschlußprüfer bei ihren relativ kurzen Aufenthalten kleinere Unregelmäßigkeitenaufdecken. Folglich kann kein Prüfer Betrugsdelikte völlig ausschließen. Maßgeblichfür die Aufdeckung von betrügerischen Manipulationen ist ein umfassendes Systeminterner Kontrollen und innerbetrieblicher “checks and balances” mit klarer,unmißverständlicher Festlegung der Verantwortlichkeiten im finanziellen Bereich, wasvom Prüfungsausschuß des Verwaltungsrats überwacht wird. Die Aufgabe desAbschlußprüfers besteht darin, das System zu kontrollieren und die gesetzlichenVertreter über Schwachstellen zu informieren. An diesem Teil der Prüfungstätigkeitsind die Unternehmensleitungen besonders interessiert, denn nur dadurch ergibt sichfür das Unternehmen ein Zugewinn. Der Umfang der Überprüfung des internenKontrollsystems spielt oft bei der Aushandlung des Honorars eine wesentliche Rolle.Die meisten Unternehmen messen dieser Überprüfung größte Bedeutung für ihrgesamtes Kontrollsystem bei.

Fünftens zur Frage der Unternehmensführung. Ich begrüße es sehr, daß sich dieKommission so nachhaltig für den Ausbau der Innenrevision in den Unternehmen, fürunabhängige Prüfungsausschüsse und für ordnungsgemäße interne Kontrollenausgesprochen hat. Im Vereinigten Königreich ist dies seit langem üblich. Ich möchteaber hier von einem legalistischen Vorgehen abraten. Empfehlungen sind angebracht,nicht aber Rechtsvorschriften. Das Ganze wird nur dann richtig funktionieren, wennsich die Unternehmensleitungen freiwillig dafür entscheiden, weil es derWettbewerbskraft und Leistungsfähigkeit dient, und nicht bloß aus rechtlichenZwängen heraus. Die internen Prüfer haben ja die ganze Zeit mit den Führungskräftenzu tun, deren Tätigkeit sie beurteilen sollen, während sich die externen Prüfer nurzweimal im Jahr für kurze Zeit im Unternehmen aufhalten. Wenn das ohnehinschwierige Verhältnis zwischen den internen Prüfern und den Verantwortlichen vor Orteffektiv gestaltet werden soll, sind auf beiden Seiten Vertrauen und Diplomatievonnöten. Vertrauen kann man aber nicht verordnen. Treten die internen Prüfer denFührungskräften als Vollzieher eines gesetzlichen Auftrags entgegen, kann man wohlkein kollegiales Miteinander erwarten.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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Nach Veröffentlichung des vom Cadbury Committee erarbeiteten Berichts zurUnternehmensführung im Vereinigten Königreich wurde ein Nachfolgegremium unterLeitung von Sir Ronald Hampel, dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats von ICI, insLeben gerufen, um weitergehende Überlegungen anzustellen und die Entwicklung zuverfolgen. Eine freiwillige Regelung dieser Art ist nach unserer Meinung einemgesetzlich vorgeschriebenen Gremium vorzuziehen. Wir würden daher anderen Staatenempfehlen, in diesem von der Öffentlichkeit stark beachteten Bereich ähnlich zuverfahren.

Sechstens zu den Prüfungsgrundsätzen. Auch hier stellt sich die Frage der gesetzlichenAbsicherung. Im Vereinigten Königreich besteht der Financial Reporting Council, demich angehöre und zu dessen Aufgaben es zählt, die Abschlüsse von Unternehmen zuüberprüfen. Wenn sich Unternehmen nicht an die anerkannten Grundsätze halten, kannder Council gegen sie gerichtliche Schritte einleiten. In der Praxis ist es aber bishernicht dazu gekommen, weil die Verantwortlichen lieber freiwillig ihre Abschlüsse inOrdnung brachten, als sich mit dem Council anzulegen.

Derzeit erörtern wir, wie sich die Einhaltung der Prüfungsgrundsätze am bestenüberwachen läßt. Manche sind dafür, die Zuständigkeit des auf gesetzlicher Grundlageoperierenden Financial Reporting Council auf das Prüfungswesen auszudehnen.Andere, darunter die größeren Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, bevorzugen - waskaum verwunderlich ist - eine eigenverantwortliche Regelung, bei der sie selbst denÜberwachungsprozeß steuern. Nach meiner Ansicht ist eine bestimmte gesetzlicheAbsicherung notwendig, so daß ich die erste Variante befürworte. Ich bin mir abernicht darüber im klaren, wie dies im europäischen Rahmen erfolgen soll, und hielte esdaher für das beste, wenn nationale Stellen dafür sorgen, daß die internationalvereinbarten Grundsätze eingehalten werden.

Abschließend zum vertrackten Problem der Haftung. Ich begrüße den Vorschlag derKommission, daß die Haftung des Abschlußprüfers auf Beträge begrenzt werden sollte,die dem Ausmaß der Pflichtverletzung entsprechen. In meinen Augen entspricht esnicht den Regeln der Fairneß, wenn streitende Parteien ihre Schäfchen auf Kosten derPrüfer oder genauer gesagt der Versicherungsunternehmen ins trockene bringenwollen. Da in den Medien ständig über aufsehenerregende Fälle berichtet wird, nimmtdie Bereitschaft zur Übernahme des Versicherungsschutzes rapide ab. MeineSympathie gilt hier den Gesellschaftern der großen Prüfungsunternehmen, denenmöglicherweise der persönliche Ruin droht, obwohl sie an den konkreten Vorfällen garnicht beteiligt waren, und die in gravierenden Fällen mit der Liquidation desUnternehmens rechnen müssen.

Die britische Regierung und der Anwaltsstand prüfen gegenwärtig Stellungnahmen zueinem jüngst vorgelegten Bericht, in dem die Frage einer dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit entsprechenden zivilrechtlichen Haftung angesprochen wurde. Dieersten Schlußfolgerungen deuten zwar nicht auf eine Abkehr vom derzeit geltendenGrundsatz der “gesamtschuldnerischen Haftung” hin, doch hofft man vielerortsdennoch auf eine baldige Lösung. Hinzu kommt, daß Wirtschaftsprüfer ihre Haftungbei prüferischer Tätigkeit nicht vertraglich begrenzen dürfen, dies aber nun wenigstensbei Tätigkeiten anderer Art erreichen wollen. Ich selbst hätte keine Einwände gegenHaftungsbegrenzungsklauseln in Verträgen zwischen Unternehmen und Prüfern,solange diese im Rahmen der Leistungen und Transaktionen frei ausgehandelt werden.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Brian Birkenhead

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Allerdings bin ich dagegen, den Unternehmen durch kartellartige Absprachen zwischenden Prüfungsgesellschaften bestimmte Haftungsgrenzen aufzunötigen.

Während also eine endgültige Regelung in diesem Bereich noch aussteht, hat dasUnternehmen KPMG für seine prüferische Tätigkeit eine GmbH gegründet, währendandere Firmen wie beispielsweise Price Waterhouse den GeschäftsbereichWirtschaftsprüfung in neugegründete Kommanditgesellschaften auf der Insel Jerseyverlagern. Ermutigend ist immerhin, daß die britische Regierung unlängst ihre Absichtbekundete, noch vor Ostern einen Konsultationsprozeß in die Wege zu leiten, derletztendlich zu gesetzlichen Schritten führen soll, die erstmalig die Bildung vonKommanditgesellschaften im Vereinigten Königreich ermöglichen. Nach meinerAuffassung bietet nur eine zeitgemäße Gestaltung der einzelstaatlichenRechtsvorschriften die Möglichkeit zur Lösung des Haftungsproblems, das ansonstenaußer Kontrolle zu geraten droht und die Fähigkeit der Prüfungsgesellschaften zurErbringung der von ihnen geforderten Leistungen ernsthaft gefährden könnte.

Ich hoffe, daß ich mit meinen Ausführungen einen nützlichen Beitrag zur Konferenzleisten konnte. Für die Möglichkeit, hier das Wort ergreifen zu können, möchte ichmich noch einmal bedanken.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Bruno Martin Laprade

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HERR BRUNO MARTIN LAPRADE∗

DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS INNERHALB DER

GESELLSCHAFT UND DIE ROLLE DER INNENREVISION

Die Überlegungen in Frankreich zu dem persönlichen Beitrag, den der Conseild’administration im Hinblick auf die Qualität der externen Prüfung, die Effizienz derinternen Revision und die Tauglichkeit der Rechnungslegungsgrundsätze, die zurFeststellung der Finanzlage des Unternehmens herangezogen werden, zu leisten hat,sind nicht gerade neu. Diverse Einrichtungen wie die großen Aufsichtsinstanzen (dieCommission des Opérations en Bourse, die Commission Bancaire, die Compagnie desCommissaires aux Comptes, der ordre des Experts Comptables) und zahlreicheEinzelinitiativen sind bereits in dieser Richtung tätig geworden. Neu ist allerdings, daßsich vor nicht allzulanger Zeit auch die Unternehmer dieser Notwendigkeit bewußtgeworden sind - nicht zuletzt unter dem Druck der großen institutionellen Anleger wiedie berühmten amerikanischen Pensionsfonds, die in unseren Hauptversammlungenheute sehr viel stärker präsent sind und drohen, ihre Zustimmung zu Beschlüssen zuverweigern, wenn das betreffende Unternehmen nicht den Grundsätzen folgt, die diesePensionsfonds für die Unternehmensführung festgelegt haben.

Wirkung gezeigt hat auch eine zweite Initiative, die ich als “anlegerorientiert”qualifizieren möchte. Ein gutes Beispiel hierfür ist die “Association de défense desactionnaires minoritaires” (Vereinigung zum Schutz der Minderheitsgesellschafter)unter dem Vorsitz von Colette Neuville, die nicht zögert, den Rechtsweg zubeschreiten, um die Rechte der Gesellschafter zu verteidigen.

Großes Aufsehen in der Öffentlichkeit haben auch einige stark mediatisierteGerichtsverfahren erregt, die den Schluß nahelegten, daß in den Unternehmen keineausreichenden Sicherheitsschranken bestehen, um den Absturz megalomanerFirmenchefs zu verhindern. Die Wirtschaft hielt es daher für notwendig, schnell undnachdrücklich zu reagieren. Es wurde eine Kommission unter dem Vorsitz von HerrnViénot, dem Chef der Société Générale, eingesetzt. Diese Kommission, der die Leiterführender Unternehmen angehörten, gab vier Monate später einen Bericht über dieArbeitsweise des Conseil d’administration börsennotierter Gesellschaften heraus.Dieser Bericht stützte sich natürlich auf weit größere und umfangreichere Arbeiten, diein den USA (“Principles of Corporate Governance”) und in England (z.B. derCadbury-Bericht “Code of Best Practices”) durchgeführt worden sind. Die Autoritätder Kommissionsmitglieder hat ihrem Bericht zu einem bemerkenswerten Erfolgverholfen. Zahlreiche Conseils d’administration sind dabei, ihre Arbeitsweise zu ändernoder haben dies bereits getan. In jedem Fall sind sie aufgefordert, im Jahresbericht dieMaßnahmen zu erläutern, die sie in diesem Zusammenhang getroffen haben.

Die französischen Besonderheiten sind allgemein bekannt. Im Unterschied zu denangelsächsischen Führungsgremien sind die französischen Conseils d’administrationweniger technokratisch aufgebaut, d. h. es gibt weniger unternehmensinterneDirektoren. Dafür stellt sich das Problem der weit verbreiteten wechselseitigen ∗ Generalsekretär, Société Générale, Paris, Frankreich

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Bruno Martin Laprade

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Beteiligungen, das ausländische Investoren beunruhigen könnte. Im Viénot-Berichtwird daher eindringlich dazu geraten, den Conseil d’administration mit wenigstens zweifirmenunabhängigen Mitgliedern zu besetzen. Diese im Sinne des Viénot-Berichts“unabhängigen” Mitglieder dürfen weder “inside directors” im angelsächsischem Sinnesein, noch dürfen sie in einer Beziehung zu einem wichtigen Aktionär oderHandelspartner des Unternehmens stehen. Es handelt sich somit um Personen, die alsZeugen angesehen werden können, als unparteiische Schiedsrichter, die dieObjektivität im Conseil d’administration garantieren. Wie Sie wissen, muß in denfranzösischen Conseils d’administration mindestens ein Mitglied des Betriebsrats -wenn nicht gar zwei Mitglieder - vertreten sein. Diese Gewerkschaftsvertreter tragenals Mitglieder des Conseil d’administration keine Verantwortung, was u. a. bestimmtePraktiken der französischen Conseils d’administration erklären dürfte.

Um nun zum eigentlichen Thema Ihrer Arbeiten zu kommen: Die Viénot-Kommissionhat sich unmißverständlich für die systematische Einrichtung von sogenannten comitésde comptes (Finanzausschüssen) in den Conseils d’administration ausgesprochen. DerBezeichnung “comité des comptes” wurde der Vorzug vor der Bezeichnung “comitéd’audit” (Prüfungsausschuß) gegeben, um nicht den Eindruck zu erwecken, derAusschuß, der aus Mitgliedern des Conseil d’administration besteht, sei selbst für dieinterne Revision im Unternehmen verantwortlich. Ein solcher Finanzausschuß machtselbstverständlich nur Sinn, wenn daneben eine Instanz für die Innenrevision besteht,die ihre Arbeit kontinuierlich und im Detail auf der Grundlage derRechnungsunterlagen macht, was ein Ausschuß aus drei - im übrigen sehr beschäftigten- Mitgliedern des Conseil d’administration, die zwei- oder dreimal im Jahrzusammenkommen, nicht leisten kann. Hauptzweck dieses Finanzausschusses ist es,die Kommunikation zwischen dem Conseil d’administration einerseits und denAbschlußprüfern, der Buchhaltung und den Verantwortlichen für die interne Revisionandererseits zu verbessern. Außerhalb eines solchen Ausschusses dürfen die Mitgliederdes Conseil d’administration in Frankreich nämlich nur über den Président(Vorsitzender des Conseil) in Kontakt mit dem Unternehmen treten. DiesbezüglicheFragen können die Mitglieder des Conseil d’administration nur an ihren Vorsitzendenrichten. Dieser übermittelt ihnen dann die von Mitarbeitern des Unternehmenserstellten Antworten.

Die Abschlußprüfer können mit dem Conseil d’administration nur in förmlichenPlenarsitzungen (15-20 Mitglieder) unter Anwesenheit des Betriebsrats oder eventuellder von den Arbeitnehmern gewählten Mitglieder des Conseil in Kontrakt treten. WieSie wissen, sind die Gewerkschaften in Frankreich traditionell darauf bedacht, sich vonder Unternehmensleitung abzugrenzen und daher wenig geneigt, Verantwortung für dieUnternehmensführung zu übernehmen.

Zwar steht der Abschlußprüfer in engem Kontakt mit der Finanzverwaltung desUnternehmens, doch beschränkt er sich, wenn er dem Conseil d’administrationinsgesamt gegenübertritt, im allgemeinen auf die Feststellung, daß er keine Vorbehalteanzumelden hat. Im Prinzip hat er nur die Wahl, den Bestätigungsvermerkeinzuschränken oder zu versagen oder ihn kommentarlos zu erteilen. Mit einemFinanzausschuß ist demnach ein differenzierteres und gründlicheres Arbeiten möglich,da drei Mitglieder des Conseil d’administration einbezogen werden, die in erster Linienatürlich auf Relevanz und Beständigkeit der Rechnungslegungsmethoden achten unddabei zu bedenken haben, daß es sich hier um eine Entscheidung des Unternehmensselbst handelt, um eine unternehmenspolitische Entscheidung, die in ihrer

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Bruno Martin Laprade

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Verantwortung liegt, und nicht um eine rein technische Angelegenheit, die sieAngestellten des Unternehmens oder externen Prüfern übertragen können. ImBankwesen, das ich persönlich besser kenne, hätte sich der Conseil d’administrationselbst u. a. zu befassen mit den Bewertungsmethoden, der Marktbewertung vonBilanzposten, der Bildung eines Fonds für allgemeine Bankrisiken, den Grundsätzenfür die Neubewertung bestimmter Aktiva und den Methoden zur Abschreibung desGoodwill.

Er muß darüber hinaus die Hauptrisiken prüfen, für die Rückstellungen zu bilden sind,und hierzu die Abschlußprüfer und die Verantwortlichen des Risikomanagementshören. Er muß gewissermaßen die “Prüfer prüfen”, sich mit der Arbeit derAbschlußprüfer auseinandersetzen, um für den Conseil d’administration eineBeurteilung der Abschlußprüfer und ihrer Vergütung vorzunehmen. Ferner muß er sichmit dem Arbeitsprogramm der Prüfer befassen, den Schwierigkeiten, die sich für diePrüfer ergeben haben, etwaigen Unstimmigkeiten, die sie gegenüber derUnternehmensleitung zum Ausdruck bringen. Und nicht zuletzt die interne Revision, d.h. bei Banken alles, was das Risikomanagement und das Controlling anbelangt, die -wie Sie wissen - in diesen Häusern besonders differenziert ist. Nach welcher Methodewird nun verfahren? Die Zusammensetzung des Ausschusses und die Vergütung seinerMitglieder werden vom Conseil d’administration festgelegt. Es wird darüber hinausempfohlen, eine spezielle Anwesenheitsvergütung zu gewähren, die aufgrund derbesonderen Verantwortung der Ausschußmitglieder durchaus gerechtfertigt ist. ImViénot-Bericht wird empfohlen, den Ausschuß mit mindestens drei Mitgliedern zubesetzen, von denen zumindest eine Person ein unabhängiges Mitglied des Conseild’administration in dem von mir gerade erläuterten Sinne sein soll. Der Vorsitzendedes Conseil d’adminstration oder die Generaldirektoren (d.h. die gesetzlichen Vertreterder Gesellschaft) sollten an den Sitzungen des Finanzausschusses nicht teilnehmen,damit die Mitglieder des Conseil d’administration mit der Finanzabteilung desUnternehmens direkt in Kontakt treten können. Der Ausschuß kann zudem die Vorlagealler internen Dokumente des Unternehmens anfordern. Konkret hat das sehrarbeitsintensive Sitzungen zur Folge. Ich führe selbst das Sekretariat desFinanzausschusses der Société Générale. Wir liefern eine große Zahl vonSitzungsdokumenten einschließlich eines detaillierten Berichts der Abschlußprüfer.Dieser ausführliche Bericht, der im Grünbuch genannt wird, wird dem Finanzausschußvorgelegt und diskutiert, was einen konstruktiven Dialog innerhalb einer kleinenGruppe ermöglicht. Ich will damit sagen, daß wir einen dynamischen Ansatz verfolgen.Anstatt sich darauf zu beschränken, daß die Abschlußprüfer dann, wenn sie dieAbschlüsse bestätigen oder auch nicht, Gelegenheit haben, sich zu äußern, daßbeispielsweise in dem und dem Punkt Fortschritte gemacht werden müssen, daß dieback offices mehr Mittel oder eine größere Unabhängigkeit gegenüber den frontoffices erhalten müssen, meinen wir, daß die zuständigen Fachkräfte des Unternehmensbeispielsweise von sich aus einen Aktionsplan mit einem Zeitplan für seineDurchführung erstellen könnten; der Finanzausschuß könnte dann im Abstand vonsechs Monaten feststellen, ob tatsächlich Verbesserungen eingetreten sind. DerAbschlußprüfer verfügt auf diese Weise im Conseil d’administration überAnsprechpartner, mit denen er etwaige problematische technische Fragen eingehenderörtern kann.

Welche Probleme könnte es weiter geben? Das Geschäftsgeheimnis? Wir meinen, daßdas eigentlich kein Problem ist, weil sich der Finanzausschuß ausschließlich aus

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Bruno Martin Laprade

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Mitgliedern des Conseil d’administration zusammensetzt. Die Art und Weise, wie derFinanzausschuß dem Conseil d’administration Bericht erstattet, ist sicher nicht ganzunproblematisch, da hier die Verantwortung dieser besonders gut unterrichtetenMitglieder des Conseil und die Haftung der Abschlußprüfer zum Tragen kommenkönnte, wenn nicht darauf geachtet wird, daß der Bericht des Ausschusses an denConseil hinreichend fundiert ist.

Wie mein Vorredner bin auch ich der Meinung, daß es hier keiner gesetzlichenRegelung bedarf. Auch mit Gesetzen und Verordnungen hätte das Debakel des CréditLyonnais nicht abgewendet werden können. Unserer Ansicht nach sollte derGesetzgeber den Beschlüssen der Finanzausschüsse keine besondere Geltung verleihen.Diese Ausschüsse müssen Ausschüsse des Conseil d’administration bleiben,Ausschüsse, die bestimmten Fragen für den Conseil insgesamt nachgehen. Ihnen jedochdas Recht zuzugestehen, die Abschlüsse selbst festzustellen, würde bedeuten, dieübrigen Mitglieder des Conseil d’administration aus ihrer Verantwortung zu entlassen,was dem angestrebten Ziel völlig entgegensteht.

Wir meinen daher, daß die Aufgaben, die den Finanzausschüssen zusammen mitkonkreten Kontrollbefugnissen übertragen werden, einen sehr deutlichen Hinweis aufden Umfang der Verantwortung des Conseil für die Feststellung der Abschlüssedarstellen, was im übrigen im Einklang mit dem Grünbuch der Kommission steht. DieFeststellung der Abschlüsse ist nicht einfach nur die Feststellung einerAneinanderreihung von Zahlen, sondern der Vorgang par excellence, mit dem derConseil seinem Auftrag zur Kontrolle der Unternehmensführung nachkommt. Mit Hilfedes Finanzausschusses kann der Conseil die wichtigsten Größen, die die Struktur derAbschlüsse beeinflussen können, und die Stichhaltigkeit der Daten in regelmäßigenAbständen eingehend überprüfen.Wir meinen, daß der Conseil d’administration aufdiese Weise zur Zuverlässigkeit der Abschlüsse und der Transparenz desUnternehmens beitragen wird.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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HERR DAVID DARBYSHIRE∗

DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS INNERHALB DER

GESELLSCHAFT UND DIE ROLLE DER INNENREVISION

Herr Präsident, Sie baten um Stellungnahmen zu der Frage, welche Rolle demAbschlußprüfer, den internen Kontrollsystemen und der Innenrevision im Rahmen desSystems der Unternehmensführung zukommt.

Ich möchte an den Beitrag von Prof. Percy erinnern, in dem er gestern erklärte, daß dieInternational Capital Markets Group der Pflichtprüfung einen hohen Stellenwert imRahmen der Unternehmensführung beimißt. Es besteht also Veranlassung, zu diesemThema weitere Überlegungen anzustellen. Zugleich ersuchten Sie umMeinungsäußerungen zum möglichen Vorgehen der Kommission, so daß ich zunächstdiesen Punkt ansprechen möchte. Anschließend werde ich dann - ausgehend von derinternen Kontrolle - auf die Rolle des Abschlußprüfers eingehen.

Wie sollte die Kommission vorgehen?

Unsere allgemeinen Vorstellungen zu dieser Frage hat Herr Jens Røder, der Präsidentder FEE, hier bereits dargelegt. Sie beruhen hauptsächlich auf den Erkenntnissen, diedie FEE in den letzten sechs Jahren zur Problematik der Unternehmensführung und derRolle des Abschlußprüfers gewonnen hat. Ich möchte hier noch einmal seineAusführungen und die von ihm unterbreiteten Vorschläge bekräftigen.

Meine Auffassungen decken sich weitgehend mit denen von Sarah Brown, auch wennes mir nicht gegeben ist, sie in so wohlgesetzten Worten zu formulieren. Für diegünstigste Regelung der Pflichtprüfung halte ich einen präzisen gesetzlichen Rahmen,der mittels eines Systems der beruflichen Selbstverwaltung umgesetzt wird. Dergesetzliche Rahmen muß den einzelstaatlichen Strukturen des Handels- undGesellschaftsrechts entsprechen, wobei die Unterschiedlichkeit der Strukturen ebensoanzuerkennen ist wie das Subsidiaritätsprinzip. Damit wird die Möglichkeiteuropaweiter Rechtsvorschriften stark eingeengt, wenn nicht gar völlig ausgeschlossen.Es besteht aber dennoch die Notwendigkeit, die Zielsetzungen der nationalenRegelungen zu vereinheitlichen. Der Kommission fällt hier möglicherweise die Aufgabezu, die Mitgliedstaaten zu konsultieren und zum Handeln anzuregen. Dazu bestehenreale Möglichkeiten, Herr Präsident. Die Tatsache, daß wir uns hier eingefundenhaben, um die Rolle des Abschlußprüfers zu erörtern, ist das Ergebnis vonAnregungen, die Herr Mogg schon vor drei Jahren in seinen Beiträgen gab. Ich vermagnatürlich nicht zu sagen, ob man damit in allen Ländern Erfolg hätte. Ebenso wie SarahBrown sehe ich aber keinen Grund, der dagegen sprechen würde.

Ich setze auf die berufliche Selbstverwaltung, weil sie uns die nötige Flexibilität zurAnpassung an veränderte Gegebenheiten verleiht. Sie gestattet uns, bei derEntwicklung internationaler Prüfungsgrundsätze und ethischer Leitlinienvoranzugehen. Aus diesem Grunde teile ich nicht die Auffassung des Redners, der hiergestern vorschlug, daß die Kommission Richtlinien verabschieden und diese durch ∗ Vizepräsident der FEE

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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Empfehlungen präzisieren sollte. In den meisten Bereichen der Prüfungstätigkeit hättedies lediglich zur Folge, daß unsere Bemühungen um die weltweite Durchsetzunghöchster fachlicher Standards verwässert werden. Die Glaubwürdigkeit, auf die unsereMandanten und damit die europäischen Unternehmen in ihrem Streben nach Erfolg aufden Weltmärkten angewiesen sind, würde dadurch beeinträchtigt.

Ich möchte auch die Bemerkung Sarah Browns aufgreifen, daß die beruflicheSelbstverwaltung die Berücksichtigung der legitimen Erwartungen aller Akteure derWirtschaft voraussetzt. Nach entsprechenden Konsultationen kann der Berufsstanddann für die notwendigen Schulungsmaßnahmen sorgen und allgemeine Grundsätzeerarbeiten. Die FEE ist gern bereit, die Meinungen von Interessentengruppenanzuhören und dabei ihren Sachverstand einzubringen.

Worin bestehen die Auswirkungen für die Unternehmensführung?

Meine Damen und Herren, ich hatte am Dienstag Gelegenheit, in Paris an einerKonferenz von etwa 1000 Abschlußprüfern teilzunehmen, die einer der treuestenMitgliedsorganisationen der FEE angehören. Es ging dabei um die Transparenz derRechnungslegung. Transparenz - so hieß es - bewirkt Vertrauen, das wiederumgefestigte und geordnete Märkte ermöglicht. Die Botschaft der Minister undAufsichtsgremien sowie meiner Berufskollegen war eindeutig, und sie galt fürbörsennotierte Gesellschaften ebenso wie für kleine Unternehmen und Vereine.Schließlich sind die 350 000 Mitglieder der FEE für einen erheblichen Teil der inEuropa bestehenden kleinen bis mittelgroßen Unternehmen tätig.

In Frankreich beschäftigte sich der Berufsstand mit der Rolle des Abschlußprüfers beider Erzielung von Transparenz. Die Pariser Konferenz gelangte übrigens zu demgleichen Schluß wie gestern Prof. Percy und weitere Diskussionsredner. Es kam dortzum Ausdruck, daß es bei der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse nicht mehrallein um ordnungsgemäße Abschlüsse geht. Vielmehr setzt sich die Erkenntnis durch,daß auch im Hinblick auf die Solidität der Unternehmensführung Transparenzherrschen muß, wenn den Erwartungen der Anwender entsprochen werden soll.Daraus erklärt sich die Bedeutung der internen Kontrolle im Rahmen derUnternehmensführung.

Die staatlichen Behörden dürften sich darüber im klaren sein, daß die gesetzlichenVertreter eines Unternehmens und die Abschlußprüfer bei aller Unterschiedlichkeitihrer Funktionen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen haben, die mit einerzuverlässigen und gesunden Unternehmensführung im Zusammenhang stehen.Handelsrechtlich ist seit jeher vorgeschrieben, daß Unternehmen die Grundsätzeordnungsgemäßer Buchführung zu beachten haben. Die Formulierung ist zwar nichtmehr ganz zeitgemäß, aber Ausdruck eines Bekenntnisses zu fundiertenKontrollmethoden. In meiner nun schon über 30 Jahre währenden beruflichen Laufbahnhatte ich bei der Gestaltung der Abschlußprüfungen stets die internenKontrollmaßnahmen zu berücksichtigen.

Dabei geht es um zwei Fragestellungen.

Der erste Punkt betrifft die sich wandelnden Rahmenbedingungen. Die Kontrollenmüssen jeweils so gestaltet werden, daß sie den veränderten und vermehrten Risikender Geschäftstätigkeit Rechnung tragen und den Erwartungen im Hinblick auf dieBewältigung dieser Probleme entsprechen. Aus diesem Grund geht es jetzt schonweniger um interne Kontrolle als vielmehr um ein wirksames Risikomanagement, mit

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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dem das betreffende Unternehmen das ganze Jahr hindurch vor Schaden bewahrtwerden kann. Da sich die Kontrollen, ihre Gestaltung und Überprüfung raschverändern, ist bei der Erarbeitung und Beachtung von Grundsätzen ein Höchstmaß anFlexibilität erforderlich. Folglich sollten die Sachverständigen der IFAC und ihreeuropäischen Mitarbeiter in der Lage sein, sich ohne einengende gesetzlicheVorschriften für die Fortentwicklung der Prüfungsgrundsätze einzusetzen.

Der zweite Punkt betrifft die Art der Berichterstattung über die mit der Kontrollezusammenhängenden Fragen. Bei der Berichterstattung ergeben sich zwei weitereFragen. Die erste wurde gestern schon angesprochen. Durch die Art derBerichterstattung sollten auch bei der interessierten Öffentlichkeit keine überzogenenErwartungen geweckt werden. Ein Schutz vor Risiken ist nicht zum Nulltarif zu haben.Bei der Abwägung der Risiken und Vorteile erweist sich ein umfassender Schutz als soteuer, daß keine Aussicht mehr auf unternehmerischen Gewinn besteht. Daher soll derBericht ein hinreichendes Maß an Sicherheit vermitteln, den Empfängern aber keineabsolute Sicherheit suggerieren. Zur Veranschaulichung der Fragestellung reicht esaus, einige kurze Überlegungen zu der Frage anzustellen, wie, wann und wem dieAbschlußprüfer über betrügerische Machenschaften berichten sollten, um denöffentlichen Erwartungen in dieser Frage zu entsprechen.

Die zweite Frage, die sich aus der Berichterstattung ergibt, betrifft die Risiken, die mitder Offenlegung zusammenhängen. Dazu zählen die Geheimhaltungspflicht, die Gefahrdes Herbeiredens von Schwierigkeiten und das Risiko der zivilrechtlichen Haftung beiunrichtiger Darstellung. Diese Risiken nehmen ständig zu, weil wir uns unter demDruck der öffentlichen Erwartungen immer mehr in Bereiche begeben, die weitgehendder subjektiven Beurteilung unterliegen. Auch sollen wir den Blick weiter in dieZukunft richten, obwohl wir zur Abgabe von Prognosen nicht besser geeignet sind alsandere Zeitgenossen. Deutlich wird dies an der Problematik der Fortführung derUnternehmenstätigkeit (Going-concern-Prinzip).

Was nun die gesetzlichen Vertreter und die Abschlußprüfer anbelangt, so laufen dieseFragestellungen bei der Berichterstattung über die interne Kontrolle zusammen. Inweiten Teilen Europas sind vermutlich schon Rechtsvorschriften über ordnungsgemäßeKontrollsysteme in Kraft. Die gesetzlichen Vertreter und die Abschlußprüfer werdenihren Aufgaben auf diesem Gebiet wohl schon weitgehend gerecht. Zudem geltenbereits internationale Grundsätze für die angrenzenden Bereiche der Betrugsdelikteund der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sowie für jene Aspekte des Going-Concern-Prinzips, die mit einer soliden Unternehmensführung im Zusammenhangstehen. Durch die mit der Offenlegung verbundenen Risiken kommt es aber nicht zurerforderlichen Transparenz.

Besteht in meinem Unternehmen bzw. im Unternehmen meines Auftraggebers eininternes Kontrollsystem? Ja. Handelt es sich um ein leistungsfähiges System? Ja. (DieBeantwortbarkeit dieser Frage zählt zu den wichtigsten Argumenten für einefachübergreifende Buchhaltungs- und Prüfungspraxis, denn ich kann die Frage nurbeantworten, wenn ich mich mit den branchenüblichen Systemen undfortgeschrittensten Verfahren auskenne). Funktionierte das System im Berichtsjahrreibungslos? Wie ich bereits erwähnte, schaffen die gesetzlichen Vertreter desUnternehmens und die Abschlußprüfer bereits jetzt weitgehend die Voraussetzungenfür die Beantwortung dieser Frage. Wird das System aber auch künftig effektivarbeiten? Dies steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Öffentlichkeit würde dies

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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natürlich gern wissen, doch ist eine solche Erwartung wirklich berechtigt? Selbst wenndem so wäre, bliebe ungeklärt, wie die gesetzlichen Vertreter ihre Behauptung belegenbzw. die Abschlußprüfer diese Behauptung überprüfen sollen.

Was die von der Kommission aufgeworfene Frage der Methodik betrifft, so benötigendie Abschlußprüfer nach meiner Ansicht Rückendeckung, wenn sie verantwortungsvollüber diese Angelegenheiten berichten, dabei nach Treu und Glauben handeln und sichan die einschlägigen international anerkannten Grundsätze halten. Ein solcher Schutzläßt sich wohl schwerlich auf europäischer Ebene bewerkstelligen. Es ist wohl eher so,daß der Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten tätig werden müßte, um dieRechtsvorschriften zu aktualisieren. Zu diesem Thema sollten sich aber lieber andereTeilnehmer äußern, die mehr davon verstehen.

Bevor ich meine Bemerkungen zur Frage der internen Kontrolle im Rahmen derUnternehmensführung abschließe, lassen sie mich noch einige Worte zur Innenrevisionverlieren. Herr Garitte wird ja gleich ausführlich darauf eingehen. Die ausgezeichnetenBeziehungen, die ich schon seit Jahren zu Innenrevisionsabteilungen unterhalte, habenbei mir den Eindruck verstärkt, daß dieser Unternehmensbereich für zwei sehr wichtigeElemente der innerbetrieblichen Kontrolle sorgt und damit einer solidenUnternehmensführung sehr zuträglich ist.

Es gehört zu den Hauptaufgaben der Innenrevision, die Wirksamkeit derKontrollsysteme laufend unternehmensintern zu überwachen. Ein wesentlichesMerkmal besteht in der klaren Abgrenzung der Überwachungs- von derKontrollfunktion, insbesondere wenn ein hoher Standard angelegt wird und derBereich dem Vorsitzenden, dem Prüfungsausschuß oder anderen nicht an derGeschäftsführung beteiligten Mitgliedern des Verwaltungsrats unterstellt ist. Alsexterner Prüfer habe ich den Bereich als Teil des gesamten Kontrollsystems zubetrachten und seine praktische Wirksamkeit während des ganzen Jahres zu beurteilen.Eine leistungsfähige Innenrevision kann mir natürlich die Erstellung desPrüfungsberichts für die Gesellschafter sehr erleichtern und wirkt sich auf dessenQualität aus.

Die Frage, ob die Innenrevision auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden sollte,ist schwer zu beantworten. Der Bedarf an interner Revisionstätigkeit ist je nach Größeund Komplexität des Unternehmens sehr unterschiedlich. Ich kann mir nicht vorstellen,daß eine größere Bank ohne eine solche Stelle auskommt, aber in vielen anderen Fällenist sie wohl unnötig. Zudem hängt die genaue Aufgabenstellung und Organisationdieses Bereichs natürlich davon ab, welche Entscheidung die gesetzlichen Vertreter inAnbetracht des sonstigen Kontrollsystems treffen. Wo es geboten erscheint, sollte manauf eine Innenrevision hinwirken, doch läßt sich hier mit Empfehlungen zurGewährleistung eines hohen fachlichen Standards vermutlich mehr erreichen als mitordnungspolitischen Regelungen.

Nach meinen Ausführungen zur Frage der Kontrolle im Rahmen einer solidenUnternehmensführung möchte ich mich nun kurz zur Rolle des Abschlußprüfers unterdem Blickwinkel der Unternehmensführung äußern. Ich will mich kurz fassen, weil diemeisten Anwesenden mit dieser Materie gut vertraut sind, auch wenn die Problematikin der Öffentlichkeit nicht immer richtig gesehen wird. Daraus erklären sich zum Teildie überzogenen öffentlichen Erwartungen. Wenn ich das Thema hier nur streife, sosoll damit keineswegs seine Bedeutung geschmälert werden. Die gesetzlichen Vertreterund die Abschlußprüfer können ihrer Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit nur

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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dann nachkommen, wenn sie die Erwartungen an eine solide Unternehmensführungerfüllen.

Für die Teilnehmer dieser Konferenz besteht wohl Klarheit über die Rollenverteilung.Der Vorstand bzw. der Verwaltungsrat leitet die Geschicke des Unternehmens. Ersorgt für die Buchführung und für die Aufstellung und Veröffentlichung derJahresabschlüsse.

Den Abschlußprüfern fällt die Aufgabe zu, die Arbeit des Leitungsorgans kritisch zubeleuchten. Dabei untersuchen sie, ob die Einstellung der gesetzlichen Vertreter zurUnternehmensführung und die von ihnen eingesetzten Kontrollsysteme das ganze Jahrhindurch gewährleisten, daß die in den Jahresabschlüssen enthaltenen Informationennicht wesentlich von den wirklichen Gegebenheiten abweichen. Sie prüfen die mit Hilfedieser Systeme erstellten Informationen und äußern sich dazu, ob sie ein dentatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Im Falle der DeutschenBank erfolgt dies beispielsweise unter Bezugnahme auf deutsche und internationaleRechnungslegungsgrundsätze. Darin besteht unsere Verantwortung gegenüber derAllgemeinheit und der Sinn unserer Tätigkeit.

Ein Abschlußprüfer muß sich unparteiisch verhalten. Die Unabhängigkeit des externenPrüfers bedeutet die Anwendung des gleichen Prinzips, das auch für die Innenrevisiongilt, nämlich strenge Abgrenzung der Kompetenzen.

Seitens des Prüfers wird die Unabhängigkeit durch Unbefangenheit undEigenverantwortlichkeit gewährleistet. Wie Ihnen und der Kommission bekannt ist,veröffentlichte die FEE im letzten Jahr Leitlinien für Unabhängigkeit und Objektivität,denen alle Mitgliedsorganisationen der FEE zustimmten. Sowohl Sie, Herr Präsident,als auch der Präsident meines eigenen Verbandes, Herr Jens Røder, wiesen darauf hin,daß die FEE ihre Arbeiten im nächsten Jahr mit der Erarbeitung eines Verhaltenskodexfortsetzen wird, um die praktische Umsetzung der Leitlinien zu erleichtern.

Seitens der Auftraggeber sind Schritte erforderlich, um die Unabhängigkeit desAbschlußprüfers zu fördern. Daran ist die Entwicklung des rechtlichen Rahmens inEuropa ablesbar. Die Gesellschafter sind die Eigentümer des Unternehmens, und derBericht des Abschlußprüfers ist ja eigentlich für sie bestimmt. Seitdem durch dieGründung von Kapitalgesellschaften eine Trennung von Kapital und Managementerfolgte, ist dem öffentlichen Interesse an einer soliden Unternehmensführung wohl ambesten dadurch gedient, daß die Gesellschafter ihre eigenen Belange wahren.

Unter den heutigen Gegebenheiten dreht sich die Diskussion bei den Unternehmen, diesich nicht im Besitz des Managements befinden, häufig darum, wie man dieÜberwachung durch die Gesellschafter oder andere im öffentlichen Interesse handelndePersonen verbessern kann. Daraus erklärt sich die Herausbildung von Aufsichtsrätenund die Untergliederung der Verwaltungsräte in geschäftsführende und ehrenamtlicheMitglieder im monistischen System. Es scheint mir, daß die Frage mittlerweileentschieden ist. So wird im Vereinigten Königreich nicht mehr erörtert, obehrenamtliche Mitglieder sinnvoll sind, sondern ob es bei größeren Unternehmen dreisein sollten und bei kleineren Unternehmen weniger als drei.

Ich möchte hier nur anmerken, daß die FEE die Zusammenarbeit mit Aufsichtsorganenbzw. ehrenamtlichen Mitgliedern des Verwaltungsrats befürwortet, weil dies derAbgrenzung von den hauptamtlichen Geschäfsführern, deren Arbeit geprüft wird,förderlich ist. Diese Zusammenarbeit sollte ausgebaut werden, um die Transparenz der

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont David Darbyshire

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Beziehungen des Abschlußprüfers zum Unternehmen zu erhöhen. Wir würden esnatürlich begrüßen, wenn die betreffenden Personen interne Verfahren einrichten,damit nicht nur die Pflichtprüfung, sondern auch die sonstigen Beziehungen derWirtschaftsprüfungsgesellschaft zu ihrem Mandanten gründlich unter die Lupegenommen werden. Dies wäre nach unserer Meinung ein probates Mittel, um nicht nurdie Unbefangenheit des Prüfers, sondern auch seine unabhängige Stellung gegenüberdem Unternehmen zu belegen.

Ist zur Förderung dieser positiven Entwicklung ein Prüfungsausschuß erforderlich? Jenachdem. Ein Prüfungsausschuß eignet sich insbesondere für Länder mit monistischemSystem, in denen ein Teil der Mitglieder des Verwaltungsrats nicht an derGeschäftsführung beteiligt ist. Für andere rechtliche Gegebenheiten undUnternehmensformen bieten sich möglicherweise andere organisatorische Lösungen an.Es besteht also Klarheit darüber, was wir erreichen wollen, doch hängt der konkreteWeg von den jeweiligen Umständen ab.

Ich glaube nicht, daß Rechtsvorschriften den praktischen Erfordernissen gerechtwerden können. Der Kommission und wohl auch der FEE fällt aber die Aufgabe zu,eine Verständigung über die Zielsetzungen herbeizuführen. Der Gesetzgeber könntedann in den einzelnen Staaten die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen,während die Angehörigen unseres Berufsstandes mit entsprechendenOrientierungshilfen seitens der Anwender für die Durchsetzung höchster fachlicherStandards sorgen.

Herr Präsident, wie in der Novemberausgabe von “Accountancy” nachzulesen ist, habeich mich bereits sehr anerkennend über die Initiative der Kommission zur Rolle desAbschlußprüfers geäußert und erklärt, daß ich ebenso wie die gesamte FEE dieseArbeit unterstütze. Ich will mich hier nicht wiederholen, sondern lediglich zumAusdruck bringen, daß dies meiner innersten Übezeugung entspricht. Vielen Dank fürIhre Aufmerksamkeit.

Podiumsdiskussion IV - Die Stellung des Abschlußprüfers innerhalb der Gesellschaft und die Rolleder Innenrevisiont Jean-Pierre Garitte

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HERR JEAN-PIERRE GARITTE∗

DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS INNERHALB DER

GESELLSCHAFT UND DIE ROLLE DER INNENREVISION

1. EINLEITUNG

Die European Confederation of Institutes of Internal Auditing wurde 1982 gegründetund vertritt gegenwärtig über 20 Mitgliedstaaten und 11 000 interne Prüfer. Sie hat derEuropäischen Kommission ein umfassendes Positionspapier zur internen Revisionvorgelegt. Dabei handelt es sich um eine berufliche Tätigkeit, die in zahlreichenLändern eine rasante Entwicklung erfährt und zunehmend als wesentlicher Faktor füreine effektive Unternehmensführung gilt.

2. UNTERNEHMENSFÜHRUNG

In der letzten Dekade oder genauer gesagt in den letzten fünf oder sechs Jahren sahensich die Unternehmen im privaten wie im öffentlichen Sektor mit zahlreichen neuenHerausforderungen und Zwängen konfrontiert. Das rauhe Wirtschaftsklima, dieraschen Veränderungen der Technologie und der Marktverhältnisse, der Trend zurInternationalisierung und das zunehmende Kostenbewußtsein machen neue Lösungenunumgänglich. Auf sämtlichen Branchen lastet ein verstärkter Erwartungsdruck imHinblick auf die Erreichung bestimmter Ziele, den sinnvollen Einsatz der Ressourcen,die qualitative Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen und darüber hinaus dieBerücksichtigung wesentlicher Risiken, z.B. im Umweltbereich.

In den letzten Jahren war das Thema Unternehmensführung in vielen europäischenLändern sowie in den USA und Kanada Gegenstand kritischer Erörterung. Im hieruntersuchten Kontext ist unter Unternehmensführung die ordnungsgemäße Leitungvon Kapitalgesellschaften und staatlichen Unternehmen zu verstehen. Zu denwesentlichen Gesichtspunkten zählen dabei die Befolgung ethischer Grundsätze unddie Rechenschaftspflicht gegenüber den Gesellschaftern, Gläubigern, Arbeitnehmernund Behörden sowie gegenüber der Öffentlichkeit, die eine solide finanz- undbetriebswirtschaftliche Kontrolle der Unternehmenstätigkeit verlangen.

Das Grünbuch der Kommission gelangt zu dem richtigen Schluß, daß diesem Problemnur beizukommen ist, wenn die Unternehmensleitung für ein effektives System derinternen Kontrolle sorgt, das von einem Aufsichtsorgan überwacht wird. Die ECIIAteilt die Auffassung, daß die interne Revision die einzige wirksame Methode darstellt,um das Auftreten von Problemen zu verhindern und nicht erst im nachhinein zureagieren.

Nach Ansicht der ECIIA sollte man aber noch einen Schritt weiter gehen. DieEinrichtung und Aufrechterhaltung eines effektiven Systems der internen Kontrolleerfordert ein Maß an Sachkompetenz, das nur eine entsprechend besetzte interne

∗ Vorsitzender der Europäischen Vereinigung der Institute für Innenrevision

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Prüfungsinstanz gewährleisten kann. Eine solche Abteilung sollte für alle Unternehmenvorgeschrieben werden, deren Größe oder Risikoprofil dies geboten erscheinen läßt.

2.1 Das Verhältnis der internen Revision zum Verwaltungsrat

Alle Führungskräfte unterstehen dem Verwaltungsrat, dem für die Unternehmens- undPersonalführung sowie Kontrolle verantwortlichen Leitungsorgan. Deren Mitgliederüberwachen die Tätigkeit des höheren Managements und den Zustand desbetriebsinternen Kontrollsystems und legen je nach Erfordernis Zielvorgaben fest.Dabei benötigt die Unternehmensspitze die Unterstützung der internen Prüfer und derexternen Abschlußprüfer.

Die interne Revision ist eine Kontrollaufgabe, die am besten im Zusammenwirken mitdem Verwaltungsrat oder seinen in den Prüfungsausschuß entsandten Mitgliedern zubewerkstelligen ist. Nach Auffassung der ECIIA sollte eine interne Prüfungsinstanzeingerichtet werden, die dem Verwaltungsrat und/oder dem Prüfungsausschußuntersteht.

Zu Beginn jeder Rechnungsperiode erörtert der Verwaltungsrat die geplantenPrüfungsmaßnahmen, damit die dazu erforderliche Überwachung undMittelausstattung gewährleistet sind. Dabei werden sowohl die Pflichtprüfungen alsauch die interne Revision berücksichtigt. Der Verwaltungsrat wägt sorgfältig ab, ob dieeinzelnen Kontrollmaßnahmen vom Umfang her ausreichen. Durch die beimPlanungsprozeß gewonnenen Informationen erwirbt der Verwaltungsrat die nötigenKenntnisse über das verfügbare Angebot an Prüfungsleistungen, das Risikoprofil dereinzelnen Segmente und die zu prüfenden bzw. von der Prüfung ausgenommenenBereiche. Abänderungen der Pläne werden unverzüglich mitgeteilt.

2.2 Beziehungen der internen Revision zum ManagementHöheres Management

Das höhere Management ist für das interne Kontrollsystem des Unternehmensverantwortlich und muß sich daher ein Bild von der Angemessenheit und Effektivitätdes Systems machen sowie das Umfeld der Kontrolltätigkeit einschätzen. Wie aus denBerufsgrundsätzen für die interne Revision (Grundsätze) ersichtlich ist, schafft dieinterne Revision die Grundlage für eine Beurteilung des Gesamtsystems. Bei derUnterrichtung der Öffentlichkeit über die Wahrnehmung seiner Kontrollpflicht beziehtdas höhere Management allerdings seine Informationen nicht nur aus der internenRevision. Es werden darüber hinaus auch folgende Quellen herangezogen:

• Auswertungen von Konjunkturtendenzen, die sich auf das Umfeld derKontrolltätigkeit auswirken können;

• Berichte der Unternehmensleitung über die wichtigsten Verfahren zurGewährleistung einer wirksamen internen Kontrolle;

• Berichte der Unternehmensleitung über wesentliche Entwicklungen, die seit demBilanzstichtag eingetreten sind;

• eigene Einschätzungen der Kontrolltätigkeit, die mit Unterstützung der internenPrüfer und weiterer Mitarbeiter vorgenommen werden;

• Berichte über vom Management veranlaßte Sonderprüfungen durch interne Prüferbzw. andere Mitarbeiter;

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• unternehmensinterne Berichte, aus denen für das Management das Ergebnis derLeistungsbereiche und damit die Erreichung der unternehmerischen Zieleersichtlich ist;

• Nutzung sonstigen Hilfsmaterials, z.B. von Berichten und Gutachten, die vonexternen Prüfern bzw. routinemäßig für Führungszwecke erstellt werden.

2.3 Linienmanager

Die mit Linienfunktionen betrauten Führungskräfte nehmen eigene Einschätzungenvor, deren Durchführung und Ergebnisse dokumentiert werden. Dieser Prozeß derSelbsteinschätzung wird häufig vom Finanzleiter gesteuert und überwacht. DerFinanzleiter oder ein anderer leitender Angestellter beurteilt dabei regelmäßig dieGestaltung und Effektivität der Kontrolltätigkeit. Eine derartige Überprüfung derverkehrsüblichen Sorgfalt ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften.

Die interne Prüfungsinstanz erhält jeweils ein Exemplar der von den Linienmanagernunterzeichneten Selbsteinschätzungen zur Gestaltung und Effektivität der internenKontrolle in ihrem Bereich. In der Abteilung wird dann untersucht, inwieweit sich dieseSelbsteinschätzungen mit den Ergebnissen des internen Kontrollprozesses decken.Wenn sich der interne Prüfer auf derartige Selbsteinschätzungen verlassen will, mußnatürlich die Wirksamkeit dieses Prozesses eingehend untersucht werden.

2.4 Verhältnis zwischen interner Revision und Pflichtprüfung

Bei der Pflichtprüfung handelt es sich um ein bewährtes Verfahren zur Befriedigungdes Informationsbedürfnisses zahlreicher Adressaten, namentlich der Gesellschafterund ordnungspolitischen Instanzen, durch die Erteilung eines Bestätigungsvermerksüber die Vornahme der Jahresabschlußprüfung. Allerdings wird auch das Urteil desAbschlußprüfers durch den begrenzten Spielraum eingeengt, der generell den Wert derexternen Berichterstattung der Unternehmensführung schmälert. Im Hinblick auf denZweck, Umfang und Wert der von den Abschlußprüfern geleisteten Arbeit und der vonihnen vorgelegten Prüfungsberichte bzw. abgegebenen Urteile hegen die Adressatenweitaus höhere Erwartungen als die Akteure selbst.

Nun wäre es doch naheliegend, die Aufgaben des Abschlußprüfers zu erweitern, damiter diesen Erwartungen gerecht werden kann. Eine solche Erweiterung desAufgabenbereichs würde aber wesentlich engere Beziehungen zur Führungsspitzeerforderlich machen, wodurch es zu einer allgemeinen Verunsicherung über die Rolledes Abschlußprüfers und zu einer Gefährdung seiner Unabhängigkeit käme. Zudemmüßte bei der Beurteilung des unternehmerischen Risikomanagements und derGeschäftstätigkeit ein hohes Maß an Subjektivität angelegt werden, denn es handeltsich hier um einen Bereich, in dem sich eine genaue Erfassung und die Beschaffungobjektiver Prüfungsunterlagen oft als schwierig oder gar unmöglich erweisen. DieKosten für die externe Prüfung würden in die Höhe getrieben, und es wäre mit einerweiteren Zunahme der rechtlichen Probleme und damit der gerichtlichenAuseinandersetzungen zu rechnen.

Wie internationale Untersuchungen belegen, wäre es aus praktischen, wirtschaftlichenund rechtlichen Gründen nicht ratsam zu verlangen, daß die Pflichtprüfung alsMechanismus zur Überwachung der gesamten Unternehmensführung dienen soll. Diehier gemachten Ausführungen sowie stichhaltige fachliche Gründe wie Ausbildung,

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Qualifikation und Methodik des Abschlußprüfers sprechen dafür, Zweck und Umfangdieser Aufgabe zu begrenzen.

2.5 Interne Kontrolle

Das Kernstück der Maßnahmen zur Gewährleistung einer solidenUnternehmensführung bildet das interne Kontrollsystem des Unternehmens. Die interneKontrolle ist ein fester Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit und steht auch imBlickpunkt des Abschlußprüfers. Sie hält das “Vertragsgeflecht” zusammen, das injedem Unternehmen die Grundlage des betrieblichen Geschehens darstellt. Als Dreh-und Angelpunkt, in der alle Fäden zusammenlaufen, erregt sie natürlich dieAufmerksamkeit der ordnungspolitischen Instanzen. Definitionen der internenKontrolle finden sich in zahlreichen internationalen Studien und weisen - auch wenn sienicht gleichlautend sind - beträchtliche Gemeinsamkeiten auf.

Cadbury Report (Vereinigtes Königreich)

“Interne Kontrolle bezeichnet das gesamte System finanzieller und sonstigerKontrollmaßnahmen, das mit dem Ziel einer hinreichenden Gewähr für

• die wirksame und effiziente Gestaltung der betrieblichen Abläufe

• die unternehmensinterne Kontrolle des Finanzwesens und

• die Einhaltung der Rechtsvorschriften eingerichtet wurde.”

In der Zusammenfassung von Internal Control - Integrated Framework (USA) heißtes:

“Interne Kontrolle läßt sich grob als ein Prozeß definieren, der vom Verwaltungsrat,der Unternehmensleitung oder anderen Mitarbeitern eines Unternehmens durchgeführtwird, damit hinreichende Gewähr für die Erreichung folgender Zielsetzungen gegebenist:

• die wirksame und effiziente Gestaltung der betrieblichen Abläufe

• die Zuverlässigkeit der Aufstellung von Abschlüssen

• die Einhaltung der Rechtsvorschriften.”

2.6 Bestandteile der internen Kontrolle

In Internal Control - Integrated Framework werden die Hauptkomponenten definiert,die zur Kontrollstruktur gehören sollen. Dabei handelt es sich um die folgendenBestandteile:

Umfeld der Kontrolltätigkeit - berufliche Sorgfalt und ethische Grundsätze; Bekenntniszur Fachkompetenz; Führungsphilosophie und -stil; Organisationsstruktur;Kompetenzen- und Aufgabenverteilung; Personalpolitik und -praxis.

Risikobewertung - einheitliche Zielsetzungen im gesamten Unternehmen; Benennungder Hauptfaktoren für den Erfolg; Ermittlung und Analyse der Risiken durch dasManagement; Veränderungen im Management.

Kontrolltätigkeit - Standortbestimmung auf höchster Ebene, z.B. durch Finanzpläneund Prognosen; Gestaltung der Funktionen oder Tätigkeiten;Informationsverarbeitung; materielle und systemimmanente Sicherungen;

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Leistungsindikatoren - darunter Datenzusammenhänge und -analysen; Untersuchungenund Korrekturen; Aufgabenabgrenzung.

Information und Kommunikation - interne Informationsquellen; externeInformationsquellen; Informationsverarbeitung und Berichtswesen; Qualität derInformationen; interne Kommunikation; externe Kommunikation;Kommunikationsmittel.

Überwachung - ständige Überwachungstätigkeit zur Kontrolle und Abstimmung;getrennte Auswertungen in Form von Selbsteinschätzungen und Prüfungen; Meldungvon Schwachstellen und Möglichkeiten zur Verbesserung.

2.7 Beitrag der internen Revision zur internen Kontrolle

Die internen Prüfer unterstützen das Management durch Überwachung der effektivenGestaltung der betrieblichen Abläufe, Untersuchungen zur internen Kontrolle desFinanzwesens und Einflußnahme auf die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Wie dieErfahrung lehrt, mangelt es den Führungskräften in komplexen und/oder großenUnternehmen bisweilen an der Zeit, den fachlichen Voraussetzungen, der Methodikoder Objektivität, um die betrieblichen Abläufe, darunter auch die Systeme der internenund betriebswirtschaftlichen Kontrollen, wirksam überwachen zu können.

Zwei gravierende Fälle unterstreichen, daß es dringend notwendig ist, die Rolle derinternen Revision aufzuwerten. Im Juli 1991 kam es zum Zusammenbruch der Bank ofCredit and Commerce International mit Verlusten in Höhe von 8 Mrd ECU. Vier Jahrespäter führten Fehlspekulationen eines einzelnen Börsenhändlers beim Handel mitTerminkontrakten und Optionen in Singapur zum Konkurs der ältesten britischenHandelsbank, Barings Brothers, weil die Verluste das Eigenkapital und die Reservender Bank weit überstiegen. In beiden Fällen hatten interne Prüfer den Verwaltungsratund das höhere Management schriftlich vor den Konsequenzen gewarnt, doch wurdenihre Warnungen in den Wind geschlagen. Es bestand für die Unternehmensspitze keinZwang, die Kontrolltätigkeit zu verbessern, um ein Desaster abzuwenden.

Die ECIIA ist des weiteren der Auffassung, daß in allen Unternehmen das betrieblicheGeschehen durch einen vom Leitungsorgan eingesetzten Prüfungsausschuß überwachtwerden sollte. Es sollten also alle Aktivitäten der Aufsicht durch einenPrüfungsausschuß unterliegen, wie dies in den USA und im Vereinigten Königreichpraktiziert wird.

2.8 Die Berufsgrundsätze

Bei der internen Revision handelt es sich um eine seit langem bewährte beruflicheTätigkeit. Die Angehörigen dieses Berufsstands sind Sachverständige für die interneKontrolle, die Aufdeckung und Verhinderung von betrügerischen Manipulationensowie andere Gesichtspunkte der Unternehmensführung. Die interne Revision ist eineunabhängige Instanz, die innerhalb eines Unternehmens zur Überprüfung undBewertung des betrieblichen Geschehens eingesetzt wird. Das Ziel besteht darin, denMitarbeitern bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Aufgaben Hilfestellung zu leisten.Zu diesem Zweck übermittelt ihnen die interne Revision Analysen, Empfehlungen,Ratschläge und Informationen zu den untersuchten Sachverhalten. Es geht dabei auchum eine wirksame Kontrolle zu vertretbaren Kosten.

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Im Jahre 1947 erarbeitete der Berufsstand ein “Statement of Responsibilities ofInternal Auditing”. Dieses Grundsatzdokument wurde 1978 zu einem Katalog von“Grundsätzen” ausgestaltet, die nach einem entsprechenden Verfahren verabschiedetund in über 20 Sprachen übersetzt wurden.

In den “Grundsätzen” wird auf ein “internes Kontrollsystem” Bezug genommen, wobeidieses System als eine Konstellation, Gesamtheit oder Zusammenstellung vonBegriffen, Komponenten, Aktivitäten und/oder Personen definiert wird, die zurErreichung bestimmter Zielsetzungen miteinander verbunden sind. DieseBegriffsbestimmung gilt gleichermaßen für manuelle und automatische Systeme. Nachden “Grundsätzen” ist unter Kontrolle jegliche Maßnahme zu verstehen, die seitens desManagements eingeleitet wird, um die Wahrscheinlichkeit der Realisierungvorgegebener Ziele zu erhöhen. Die Unternehmensleitung nimmt ihre Verantwortungfür die interne Kontrolle durch die Planung, Organisierung und zielgerichteteGestaltung von Maßnahmen wahr, die eine hinreichende Gewähr für die Erreichungder Zielvorgaben bieten.

Den “Grundsätzen” zufolge (Abschnitt 300.05) geht es bei der Kontrolle vor allem um:

• die Verläßlichkeit und Unverfälschtheit der Informationen;

• die Befolgung von Leitlinien, Plänen, Verfahren und Rechtsvorschriften;

• die Sicherung der Vermögenswerte;

• den wirtschaftlichen und effizienten Einsatz der Mittel;

• die Realisierung von Zielvorgaben für Leistungsbereiche oder Programme.

Auch wenn in der Wortwahl gewisse Unterschiede bestehen, sind doch die allgemeinenZielsetzungen der internen Kontrolle in den “Grundsätzen” ähnlich formuliert wie imCadbury Report und im COSO-Bericht.

Wenn die europäischen Unternehmen unnötige Insolvenzen, Krisen,Unregelmäßigkeiten usw. vermeiden wollen, müssen unbedingt Maßnahmen zurSchaffung der notwendigen Voraussetzungen für die interne Kontrolle, derenFunktionieren und umfassende Überwachung ergriffen werden.

2.9 Berichterstattung über die interne Kontrolle

Das Institute of Internal Auditors (IIA) unterstützt den Gedanken, daß dieUnternehmen ihr internes Kontrollsystem bewerten sollten. Nach Ansicht des IIAwürde es ausreichen, wenn der Leiter der Innenrevision die interne Kontrolle gründlichüberprüft, um sich ein fundiertes Urteil zu bilden, und die Ergebnisse seinerUntersuchung an das höhere Management und den Verwaltungsrat weiterleitet.

2.10 Umfang der internen Revision

Zum Aufgabenbereich der internen Revision sollte die Prüfung und Beurteilung derAngemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontrollsystems des Unternehmenssowie des Leistungsniveaus bei der Erfüllung übertragener Aufgaben gehören.

Der Umfang der internen Revision ergibt sich auch aus dem Umfang der internenKontrolle, die der Überprüfung durch die interne Revision unterliegt. In denBerufsgrundsätzen werden die Schwerpunkte wie folgt gesetzt:

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• Verläßlichkeit und Unverfälschtheit der Informationen;

• Befolgung von Leitlinien, Plänen, Verfahren und Rechtsvorschriften;

• Sicherung der Vermögenswerte;

• wirtschaftlicher und effizienter Einsatz der Mittel;

• Realisierung von Zielvorgaben für Leistungsbereiche oder Programme.

2.11 Aussagefähigkeit der internen Revision

Die internen Prüfer untersuchen und bewerten die Planungs-, Organisations- undFührungsprozesse, um festzustellen, ob eine hinreichende Gewähr für die Realisierungder Zielvorgaben besteht. Zusammengenommen liefern diese Bewertungen dienotwendigen Erkenntnisse zur Einschätzung des gesamten internen Kontrollsystems.Sämtliche innerbetrieblichen Systeme, Prozesse, Abläufe, Funktionen und Tätigkeitenunterliegen der Bewertung durch die interne Revision. Aus den Bewertungen solltehervorgehen, ob eine hinreichende Gewähr dafür besteht, daß

a) nach Zielvorgaben gearbeitet wird;

b) zur Erreichung der Zielvorgaben die jeweils erforderlichen Genehmigungen,Überwachungsmaßnahmen und periodischen Vergleiche eingeplant, realisiert unddokumentiert werden;

c) die geplanten Ergebnisse wirklich erreicht wurden.

Die internen Prüfer nehmen ihre Bewertungen zu bestimmten Zeitpunkten vor, solltendabei aber auf tatsächliche oder mögliche Veränderungen der Gegebenheiten achten,die verläßliche Prognosen erschweren. In solchen Fällen ist die Möglichkeiteinzukalkulieren, daß die Aussagefähigkeit abnimmt.

2.12 Vorteile

Die Vorteile und die Notwendigkeit der internen Revision sind zu einem großen Teilschon erkennbar, wenn man den Zweck und Umfang dieser Tätigkeit betrachtet.Darüber hinaus ergeben sich eine Reihe zusätzlicher Nutzeffekte:

• Die interne Revision bringt Kontinuität in den Überwachungsprozeß. Eingravierendes Manko der Pflichtprüfung besteht darin, daß die den Adressatengegebene Gewähr sich zwangsläufig auf Daten der Vergangenheit bezieht und “imnachhinein” erfolgt, d.h. einige Zeit nach Ablauf des Geschäftsjahrs. DieBewertungen, Empfehlungen und Berichte der internen Revision, die kontinuierlichüber das ganze Jahr hinweg vorgelegt werden, vermitteln den Adressaten einzusätzliches Maß an Sicherheit. Durch diese Kontinuität ist die Unternehmensspitzeauch in der Lage, frühzeitig Korrekturen und Verbesserungen vorzunehmen.

• Die internen Prüfer sind mit dem Unternehmen sehr gut vertraut. Durch den breitenUmfang der internen Revision und die damit verbundene Kontinuität gewinnen diePrüfer einen tiefen Einblick in die Organisation und das betriebliche Geschehen.Durch die Verbindung von Fachkompetenz und gründlicher Kenntnis erLeistungsbereiche können die Mitarbeiter der internen Revision Urteile zurWirksamkeit und Effizienz der betrieblichen Abläufe und zur Verwirklichung derkurz- und langfristigen Ziele der Unternehmensleitung abgeben.

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• Die interne Revision erbringt einen Beitrag zur Qualitätssicherung. DerAbschlußprüfer achtet bei seiner Tätigkeit vornehmlich auf die Einhaltung externerVorschriften. Dies geschieht zum einen aus Kostengründen und zum anderen unterdem Gesichtspunkt der zivilrechtlichen Haftung. Die Qualität derLeistungsbereiche, wozu auch die Befolgung von Leitlinien, Verfahren undinternen Regelungen gehört, ist aber von maßgeblicher Bedeutung, damit dasUnternehmen die vorgegebenen Ziele auf zuverlässige, wirtschaftliche undeffiziente Weise erreichen kann. Verdeutlicht wird dies durch die Tatsache, daßeine Kapitalgesellschaft in Konkurs gehen kann, obwohl sie alle gesetzlichenVorgaben erfüllt und ordnungsgemäße Abschlüsse vorgelegt hat. In diesem Sinnekommt den internen Prüfern eine bedeutsame Rolle bei der periodischenÜberwachung der Einhaltung unternehmensintern festgelegter Kontrollverfahren,Vorschriften usw. zu.

• Die interne Revision ist eine für das Unternehmen erbrachte Leistung. DieAbschlußprüfer sind in erster Linie den Kapitaleignern und ordnungspolitischenInstanzen gegenüber verantwortlich. Dabei sind die bereits genanntenBeschränkungen des Umfangs und die durch die nachträgliche Berichterstattunggesetzten Grenzen zu berücksichtigen. Die internen Prüfer, die nicht in ähnlicherWeise eingeengt sind, verfügen über optimale Voraussetzungen, um demVerwaltungsrat und dem höheren Management die erforderlichen Analysen,Beurteilungen und Empfehlungen vorzulegen. Somit erbringt die interne Revisioneine unter dem Blickwinkel der Unternehmensführung sehr wertvolle Leistung.

2.13 Empfehlungen

• Wenn die europäischen Unternehmen unnötige Insolvenzen, Krisen,Unregelmäßigkeiten usw. vermeiden wollen, müssen unbedingt Maßnahmen zurSchaffung der notwendigen Voraussetzungen für die interne Kontrolle, derenFunktionieren und umfassende Überwachung ergriffen werden. Die Verantwortungdafür liegt in erster Linie bei den Mitgliedern des Verwaltungsrats und beimhöheren Management. Wir empfehlen die Einleitung folgender Schritte:

• Das Vertrauen in die Qualität der Unternehmensführung sollte gestärkt werden, umden Erfordernissen der Informationsadressaten zu genügen. Die formale externeOffenlegung im Jahresbericht ist aber auf die Bewertung der Kontrollmaßnahmenim Finanz- und Rechnungswesen zu beschränken.

• Die Aufgabe des Abschlußprüfers sollte in erster Linie darin bestehen, ein Urteilüber die Jahresabschlüsse des Unternehmens und über den Bericht desVerwaltungsrats und des höheren Managements zur Qualität derKontrollmaßnahmen im Finanz- und Rechnungswesen abzugeben.

• Zusätzlich zu den bei den Linienmanagern bestehenden Systemen zurÜberwachung der Qualität der internen Kontrolle benötigen die Mitglieder desVerwaltungsrats und das höhere Management unabhängige, objektiveBewertungen der Angemessenheit und Qualität der eingerichtetenKontrollmechanismen und Informationen über die zufriedenstellende undkontinuierliche Durchführung der entsprechenden Maßnahmen.

• Eine qualifizierte interne Revision sollte dem höheren Management und demVerwaltungsrat qualitative Einschätzungen, darunter Empfehlungen zur Behebung

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von Schwachstellen im Kontrollbereich, zur Korrektur von Fehlern und zurOptimierung der Führungstätigkeit, vorlegen.

• Die interne Prüfungsinstanz sollte direkt dem Generaldirektor, dem Verwaltungsratoder einem Prüfungsausschuß unterstellt werden, damit die erforderliche Stellung,die Unabhängigkeit von den Linienmanagern, die notwendige Objektivität und dieBerücksichtigung von Empfehlungen gewährleistet sind.

• Die Aufgabe der internen Revision sollte möglichst einer eigenen Abteilung desUnternehmens übertragen werden. Wenn besondere Umstände die Hinzuziehungexternen Personals geboten erscheinen lassen, so dürfen diese Leistungen nichtvom Abschlußprüfer des Unternehmens erbracht werden.

• Nach Ansicht der ECIIA sollte die Europäische Union verbindliche Vorschriftenfür bestimmte Unternehmen und Branchen erlassen, in denen die Einrichtung einerqualifizierten internen Prüfungsinstanz vorgeschrieben und die Frage derQualifikation/Berufserfahrung sowie die Aufgaben des Verwaltungsrats und desGeneraldirektors im Hinblick auf Schlußfolgerungen und Empfehlungen derinternen Revision geregelt werden. Der Erlaß von Rechtsvorschriften hätte einigewesentliche Vorteile:

• Den Adressaten würde unabhängig vom Mitgliedstaat die gleiche Gewähr in bezugauf die Qualität der Unternehmensführung gegeben.

• Es wäre sichergestellt, daß das höhere Management die Bewertungen undEmpfehlungen der internen Revision berücksichtigt und umsetzt, was eineverbesserte Unternehmensführung zur Folge hätte.

• Unterschiedlichen Regelungen zur internen Revision in den einzelnenMitgliedstaaten würden vermieden.

3. FAZIT

Die ECIIA ist der festen Überzeugung, daß eine solide Unternehmensführung einewesentliche Voraussetzung für das öffentliche Vertrauen in private und staatlicheUnternehmen darstellt. Dabei kommt der Prüfungstätigkeit eine Schlüsselrolle zu.Neben der externen Beurteilung der Jahresabschlüsse ist auch die interne Revision einmaßgeblicher Faktor bei der Gewährleistung eines angemessenen internenKontrollsystems. Da es sich dabei um ein Grunderfordernis handelt, darf hier nichtsdem Zufall überlassen bleiben. Benötigt werden daher Rechtsvorschriften, die eineaktive und ergebnisorientierte Wahrnehmung der internen Prüfungsaufgabensicherstellen.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers

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PODIUMSDISKUSSION V - DIE BERUFLICHE HAFTUNG DES

ABSCHLUSSPRÜFERS

EINLEITUNG

Wahrscheinlich haben wir das schwierigste Thema bis zum Ende dieser Konferenzaufgehoben. Die Streitfälle gegen Abschlußprüfer nehmen nämlich ständig zu, und esist schwierig, sich ein genaues Bild über das Ausmaß des Problems zu verschaffen, dadie meisten Fälle außergerichtlich beigelegt werden. Die Situation stellt sich nicht inallen Mitgliedstaaten gleich dar, und EU-weit gibt es keine Harmonisierung derVorschriften über die berufliche Haftung. Folglich wird die berufliche Haftung derAbschlußprüfer auf nationaler Ebene auch unterschiedlich gehandhabt, d.h. esexistieren Systeme, die sich auf eine proportionale Haftung, eine gesamtschuldnerischeHaftung und auch auf eine beschränkte Haftung stützen.

Bestehen Gründe, die berufliche Haftung des gesetzlichen Abschlußprüfers per Gesetzzu beschränken? Sollte dies nicht vielmehr den betroffenen Parteien überlassen bleiben?Wem gegenüber sollte der gesetzliche Abschlußprüfer haftbar sein?

Gibt es einen Handlungsbedarf für die EU? Warum sollte die EU im Gegensatz zu denMitgliedstaaten die Initiative ergreifen? Kann man realistischerweise davon ausgehen,daß die berufliche Haftung der Abschlußprüfer auf EU-Ebene geregelt werden kann,ohne daß gleichzeitig die Haftungsregelung anderer Berufsstände mit in Angriffgenommen wird?

Zweifelsohne können wir auf diese verschiedenen Fragen heute keine endgültigeAntwort geben. Dennoch ist es wichtig, daß uns die nachfolgenden Redner Leitliniendafür nennen, in welche Richtung diese Debatte in der Zukunft verlaufen sollte.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers y Werner Ebke

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HERR PROFESSOR DR. WERNER EBKE∗

DIE BERUFLICHE HAFRTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Die Haftung des Abschlußprüfers gegenüber seinem Auftraggeber und Dritten ist einäußerst komplexes Rechtsproblem. Die grundlegenden Unterschiede, die innerhalb derEU auf diesem Gebiet bestehen, ergeben sich nicht nur aus den unterschiedlichenRechtstraditionen, sondern auch den unterschiedlichen Risikoverteilungs- undSchadensstreuungstechniken sowie den Strukturen der Unternehmensverfassungen.Bislang hat die EU es praktisch den Mitgliedstaaten überlassen, die Berufshaftung imallgemeinen und die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer imbesonderen zu regeln. Rechtsvergleichende und wirtschaftswissenschaftlicheUntersuchungen kommen überwiegend zu dem Schluß, daß es derzeit wedererforderlich noch wünschenswert ist, die Regeln der Mitgliedstaaten über die Haftungvon Abschlußprüfern auf EU-Ebene zu harmonisieren, und daß die zivilrechtlicheHaftung des Abschlußprüfers auf jeden Fall ausgewogen und versicherbar bleiben muß.

1. HARMONISIERUNG

Meine erste These lautet: Eine Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaatenbezüglich der zivilrechtlichen Haftung des Abschlußprüfers auf EU-Ebene ist derzeitweder erforderlich noch wünschenswert.

1.1 Materielles Recht

Das Grünbuch stellt zutreffend fest, daß sich in der EU das Recht der Mitgliedstaatenbezüglich der Haftung von Abschlußprüfern in unterschiedliche Richtungen entwickelthat. Das trifft insbesondere für die Haftung des Abschlußprüfers gegenüber solchenPersonen zu, die nicht sein Vertragspartner sind. Das Recht der Haftung desAbschlußprüfers gegenüber Dritten ist in der EU gegenwärtig im Fluß und befindetsich in einer experimentellen Phase. In einigen Staaten (z.B. in Deutschland) besteht einSchadensersanspruch Dritter nur, wenn der Abschlußprüfer vorsätzlich gehandelt hatund den Dritten täuschen wollte. In anderen Mitgliedstaaten (z.B. in Frankreich, Italienund in den Niederlanden) ist das Recht geschädigten Dritten günstiger, jedenfalls wasdas materielle Recht betrifft.

Die Regeln der Mitgliedstaaten über die Haftung des Abschlußprüfers gegenüberseinem Auftraggeber weisen dagegen geringere Unterschiede auf. GrundlegendeUnterschiede bestehen jedoch nach wie vor bezüglich des Umfangs der Haftung. Ineinigen Mitgliedstaaten (z.B. in Deutschland und Österreich) gibt es eine gesetzlicheHaftungssummenbegrenzung bei Fahrlässigkeit; in anderen Mitgliedstaaten dürfen dieParteien des Prüfungsvertrages die Haftung des Abschlußprüfers bei Fahrlässigkeitvertraglich begrenzen. In wieder anderen Mitgliedstaaten ist die Haftung desAbschlußprüfers gesetzlich unbegrenzt und darf auch vertraglich nicht begrenztwerden.

∗ Universität Konstanz, Mitglied des "New York Bar and the American Law Institute"

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers y Werner Ebke

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Den Mitgliedstaaten ist es bislang nicht gelungen, ihre Regeln über die vertragliche undaußervertragliche Haftung für Vermögens- und andere Schäden anzugleichen. DieAngleichung des allgemeinen Vertrags- und Deliktsrechts ist indes eine Grundvoraus-setzung für die Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten über die Berufshaftung imallgemeinen und der Haftung des Abschlußprüfers im besonderen.

Diese These wird gestützt durch das Schicksal des Kommissionsentwurfs einerRichtlinie über die Haftung für Dienstleistungen (ABl. C 12 v. 18.1.1991, S. 8) sowieder Vorschriften über die Haftung des Abschlußprüfers in verschiedenen Entwürfender Fünften Richtlinie und des Vorschlags eines Statuts für EuropäischeAktiengesellschaften.

1.2 Verfahrensrecht

Rechtsvergleichende Untersuchungen belegen, daß zwischen dem materiellen Rechtder Haftung des Abschlußprüfers und dem Verfahrensrecht ein enger Zusammenhangbesteht. Eine Angleichung des materiellen Rechts der Haftung des Abschlußprüfers aufEU-Ebene wird nicht notwendigerweise zu einem größeren Schutz von Anlegern,Anlageinteressenten und sonstigen Dritten führen, da der Erfolg eines Geschädigtenvor Gericht wesentlich von den prozessualen Gegebenheiten des Landes abhängt, indem die Schadensersatzklage erhoben wird.

So haben vorprozessuale Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozeß ("pre-trialdiscovery") und das Recht auf Gruppen- ("class actions") oder Aktionärsklagen("derivative actions") auf den Ausgang eines Schadensersatzprozesses ebensoAuswirkungen wie die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast oder die Beteiligungeiner Jury im Zivilverfahren. Die Regeln über die Prozeß- und Anwaltskosten sind fürdie Wirksamkeit der materiellrechtlichen Haftungsregeln ebenfalls von großer Bedeu-tung.

Eine Angleichung des materiellen Rechts der zivilrechtlichen Haftung desAbschlußprüfers wird daher ihr Ziel letztlich nur erreichen können, wenn diezivilprozeßrechtlichen Regeln der Mitgliedstaaten ebenfalls angeglichen werden.

1.3 Erforderlichkeit

Es ist indes höchst fraglich, ob eine Angleichung des materiellen und prozessualenRechts der Haftung des Abschlußprüfers in der EU für das Funktionieren desBinnenmarktes wirklich erforderlich ist. Das Funktionieren des Binnenmarktes ist, wiees scheint, von der Angleichung des Berufshaftungsrechts im allgemeinen und derBerufshaftung des Abschlußprüfers im besonderen nicht abhängig.

So hat sich die Arbeitsgruppe des Ministerrates bei der Erörterung des Entwurfs einerFünften Richtlinie überzeugend dafür ausgesprochen, die Regelung der Haftung desAbschlußprüfers grundsätzlich den Mitgliedstaaten zu überlassen. An der Richtigkeitder Annahmen der Arbeitsgruppe hat sich bis heute nichts geändert.

1.4 Rolle der Gerichte

Es gilt ferner zu berücksichtigen, daß es Alternativen zur Rechtsangleichung durchEU-Rechtsakte gibt. So sollte nicht übersehen werden, daß die Gerichte derMitgliedstaaten immer öfter - unmittelbar oder zumindest mittelbar - von den Rechts-entwicklungen in anderen EU-Mitgliedstaaten beeinflußt werden. Rechtsvergleichende

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers y Werner Ebke

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Untersuchungen belegen, daß Gerichte in den Mitgliedstaaten mit Civil Law-Traditionebenso wie Gerichte in den Common Law-Ländern zunehmend dazu neigen, Fälleberuflicher Fahrlässigkeit von Abschlußprüfern pragmatisch zu entscheiden, statthergebrachte Rechtsgrundsätze sklavisch anzuwenden, wenn sie zu der Überzeugunggelangt sind, daß die überkommenen Grundsätze nicht mehr geeignet sind, diegegenwärtigen Probleme angemessen zu lösen. Das Ausmaß der gegenseitigenBefruchtung der Rechtsordnungen innerhalb der EU ist auf dem Gebiet der Haftungdes Abschlußprüfers besonders beeindruckend.

1.5 Globale Rechtsfragen

Es ist außerdem zu berücksichtigen, daß eine Angleichung des materiellen undprozessualen Rechts der Haftung des Abschlußprüfers innerhalb der EU nicht dieneuartigen Rechtsfragen lösen würde, welche sich aus der Globalisierung der Kapital-märkte und der zunehmenden transnationalen Zusammenarbeit von Wirtschaftsprü-fungsgesellschaften ergeben. So würde eine Rechtsangleichung in der EU nichts zurLösung der Fälle von Anscheinshaftung ("holding-out liability") beitragen, die dieGerichte in den USA und der EU immer häufiger beschäftigen. Eine Angleichung derHaftung des Abschlußprüfers auf EU-Ebene würde auch die Haftungsprobleme imZusammenhang mit der ad hoc-Publizität testierter Informationen mittels globalerKommunikationssysteme wie das Internet nicht lösen. Derartige Haftungsfragenkönnen nur auf der Ebene der WTO wirksam gelöst werden.

1.6 Schlußfolgerung

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eine Angleichung des Rechts der Haftungdes Abschlußprüfers gegenüber Mandanten oder Dritten auf EU-Ebene derzeit wedererforderlich noch wünschenswert ist.

2. UMFANG DER HAFTUNG DES ABSCHLUßPRÜFERS

Meine zweite These lautet: Wenn die EU Kommission Maßnahmen zur Angleichungder Berufshaftung des Abschlußprüfers ergreifen sollte, sollte sie darauf achten, daßdie Haftung des Abschlußprüfers gegenüber Mandanten und Dritten ausgewogen undversicherbar bleibt.

2.1 Haftung gegenüber Dritten

Das ist besonders wichtig im Hinblick auf die Haftung des Abschlußprüfers gegenüberDritten. Das Grünbuch betont, es bestehe "kein offensichtlicher Grund, die Haftung desAbschlußprüfers auf das geprüfte Unternehmen zu beschränken". Soweit ersichtlichhaften Abschlußprüfer in allen Mitgliedstaaten nicht nur ihren Mandanten, sondernauch Dritten, wenn sie diese täuschen wollten oder sie sich bei der Prüfung über er-kennbare Bedenken leichtfertig hinweggesetzt haben und die Schädigung eines Drittenbilligend in Kauf genommen haben. In derartigen Fällen steht das Fehlen vertraglicherBeziehungen zwischen dem Abschlußprüfer und dem Dritten einer Haftung nichtentgegen. In einigen Fällen haben Gerichte diese Regel auf Fälle ausgedehnt, in denendas Verhalten des Abschlußprüfers lediglich als grob fahrlässig zu qualifizieren war.

Rechtsvergleichende Untersuchungen haben indes erwiesen, daß es nicht sinnvoll ist,den Abschlußprüfer in Fällen einfacher Fahrlässigkeit gegenüber jedem Geschädigten

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers y Werner Ebke

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haften zu lassen, dessen Vertrauen in den testierten Jahresabschluß für denAbschlußprüfer allgemein vorhersehbar war. Ein solches Haftungsmodell hat letztlichmehr Nachteile als Vorzüge. Wirtschaftswissenschaftliche Studien zeigen, daß dieAusdehnung der Haftung des Abschlußprüfers für einfache Fahrlässigkeit auf allegenerell vorhersehbaren Benutzer testierter Jahresabschlüsse zu einer Sozialisierungindividueller Risiken führt, während Erträge dem Einzelnen verbleiben. DieVerlagerung der Verluste von dem Einzelnen auf die Allgemeinheit mit den damitverbundenen enormen Transaktionskosten für die Allgemeinheit ist rechtlich, wirt-schaftlich und sozial nicht sinnvoll, weil die sich für die Allgemeinheit darausergebenden Vorteile marginal sind.

Es ist daher im wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit, die Haftung desAbschlußprüfers gegenüber Dritten ausgewogen zu gestalten und in versicherbarenGrenzen zu halten. Die Haftung des Abschlußprüfers gegenüber Dritten läßt sich mitHilfe einer Erhöhung des Verschuldensmaßstabes am wirksamsten begrenzen.Demnach sollte der Abschlußprüfer einem Dritten gegenüber nur haften, wenn er ihnzu täuschen beabsichtigt hat oder er sich bei der Prüfung über erkennbare Bedenkenleichtfertig hinweggesetzt und die Schädigung des Dritten billigend in Kauf genommenhat (was in einigen Fällen grobe Fahrläsigkeit seitens des Abschlußprüfers einschließenkann). In derartigen Fällen sollte der geschädigte Dritte seinen tatsächlichen Schadenvon dem Abschlußprüfer ersetzt verlangen dürfen.

In Fällen einfacher Fahrlässigkeit darf die Haftung des Abschlußprüfers nicht außerVerhältnis zu seiner Schuld stehen. Versuche einiger Gerichte, die Gruppe derjenigenzu beschränken, welche den Abschlußprüfer bei einfacher Fahrlässigkeit auf Scha-densersatz in Anspruch nehmen dürfen, haben nachweislich unerwünschte Wirkungengehabt. Derartige Versuche führen insbesondere zu Rechtsunsicherheit, hohenTransaktionskosten, prohibitiv teuren Versicherungsprämien (bis hin zurUnversicherbarkeit), Konzentration auf dem Markt für Prüfungsleistungen auf Kostender kleinen und mittleren Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und sogenannten "strikesuits" oder "nuisance suits".

Vorschläge, die Dritthaftung des Abschlußprüfers bei einfacher Fahrlässigkeit auf einVielfaches seiner Einkünfte aus Prüfungstätigkeiten innerhalb eines bestimmtenZeitraumes bzw. der im konkreten Fall vereinbarten Prüfungsvergütung zu be-schränken, haben sich als unpraktisch erwiesen und sollten von der EU daher nichtweiter verfolgt werden.

Die Erfahrung lehrt, daß es bei Dritten, die Abschlußprüfer auf Schadensersatz inAnspruch nehmen, zumeist um Personen handelt, die in wirtschaftlichen undfinanziellen Angelegenheiten erfahren sind. Von solchen Personen kann erwartetwerden, daß sie gegen einfache berufliche Fahrlässigkeit eines Abschlußprüfers selbstVorsorge treffen, was der Oberste Gerichtshof von Kalifornien im Falle Bily v. ArthurYoung & Co. treffend als "private ordering" bezeichnet hat.

2.2 Haftung gegenüber Auftraggebern

Im Interesse einer ausgewogenen und versicherbaren Haftung des Abschlußprüferssollte für Fälle, in denen der Abschlußprüfer seine Pflichten gegenüber seinem Auf-traggeber verletzt hat, in der EU eine gesetzliche Haftungssummenbegrenzung ("cap")eingeführt werden. Eine solche Haftungssummenbegrenzung besteht in einigenMitgliedstaaten (z.B. in Deutschland und Österreich). Die in diesen Mitgliedstaaten

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers y Werner Ebke

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geltenden Haftungssummen dürften bei den gegenwärtigen wirtschaftlichenGegebenheiten zu niedrig sein; die gesetzliche Haftungssummenbegrenzung als solchehat sich in diesen Mitgliedstaten aber als geeignet erwiesen, die Berufshaftung desAbschlußprüfers gegenüber seinem Auftraggeber in vernünftigen und versicherbarenGrenzen zu halten.

Die Erfahrung hat indes gezeigt, daß sich geprüfte Gesellschaften manchmal scheuen,etwaige Schadensersatzansprüche gegen ihren Abschlußprüfer durchzusetzen. Dahersollten alle EU-Mitgliedstaaten vorsehen, daß Anteilseigner, die zusammen einen be-stimmten Prozentsatz der ausgegebenen Anteile der geprüften Gesellschaft halten,namens ihrer Gesellschaft Schadensersatzklage gegen den Abschlußprüfer auf Leistungan die Gesellschaft erheben dürfen ("Schweizer Modell"). Die Wirksamkeit einersolchen Anteilseignerklage ("derivative law suit") hängt freilich von den finanziellenRisiken ab (namentlich von der Verteilung der Prozeß- und Anwaltskosten), die diederivativ klagenden Anteilseigner zu tragen haben.

2.3 Weitere Bemerkungen

Außerdem sollte in der EU eine anteilige Haftung ("proportionate liability") anstelleeiner gesamtschuldnerischen Haftung ("joint and several liability") eingeführt werden.Außerdem empfiehlt sich die Einführung der "error-of-jugdment"-Regel. Nach dieservom Common Law entwickelten Regel ist eine Haftung des Abschlußprüfersgrundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Abschlußprüfer bei der Prüfung Grundsätzeordnungsmäßiger Abschlußprüfung beachtet hat, selbst sich nachher herausstellensollte, daß bei Anwendung eines anderen Grundsatzes ordnungsmäßigerAbschlußprüfung eine fehlerhafte Beurteilung des Jahresabschlusses hätte vermiedenwerden können. Außerdem sollten Abschlußprüfer in der EU verpflichtet werden, eineBerufshaftpflichtversicherung abzuschließen, sofern eine solche Versicherung zutragbaren Bedingungen abgeschlossen werden kann.

Wegen der Bedeutung, die verläßlichen Finanzdaten für den auf den freien Austauschvon Ressourcen zielenden Binnenmarkt zukommt, ist es ferner notwendig, die Zieleder Rechnungslegung und der Abschlußprüfung sowie die Anforderungen an dasberufliche Verhalten der Abschlußprüfer inhaltlich zu verdeutlichen, umFehlerwartungen seitens der Benutzer vorzubeugen.

2.4 Schlußfolgerung

Das oben entworfene Haftungsmodell ist freilich nur akzeptabel, wenn es der EU, denMitgliedstaaten, dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer, den Berufsorganisationen, deninternationalen Standard-Setting Institutions, den Börsen und den übrigen Betroffenengelingt, die Unternehmensverfassung ("corporate governance") sowie dieRechnungslegungsgrundsätze und die Abschlußprüfungsstandards zu verbessern, undwenn das ordnungsmäßige Funktionieren der Kapitalmärkte durch geeigneteMaßnahmen sichergestellt wird. Nur eine konzertierte Aktion aller Betroffenen kannden notwendigen Schutz der Gesellschaften und der Unternehmensleiter, der Anleger,Anlageinteressenten und sonstigen Dritten sowie nicht zuletzt der Allgemeinheitgewährleisten.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Ian Brindle

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HERR IAN BRINDLE∗

DIE BERUFLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

1. DIE PROZEßFLUT

Vor zwanzig Jahren spielten Haftungsklagen im Vereinigten Königreich keinenennenswerte Rolle. Den explosionsartigen Anstieg der Haftungsklagen in den USAhaben wir aus der Ferne beobachtet. Nie wäre uns der Gedanke gekommen, daß inunserem Land ähnliche Probleme auftreten könnten. Wir haben uns geirrt.

Wenn heute ein Unternehmen im Vereinigten Königreich in Konkurs geht, wirdmeistens sofort die Frage gestellt: “Und wo waren die Abschlußprüfer?” Mit der Folge,daß Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Auch der Umfang dieserErsatzansprüche nimmt immer weiter zu. Anfang des Jahres verurteilte ein Gerichterstmals eine große britische Prüfungsfirma zu Schadenersatz in einer Höhe, die ihreVersicherungssumme überstieg. Hat die Berufung keinen Erfolg, so müssen dieTeilhaber damit rechnen, daß ihr persönliches Vermögen in Anspruch genommen wird.

Die Probleme der Abschlußprüferhaftung sind sehr real. Sie sind keineswegs auf dasVereinigte Königreich beschränkt. Wir können bereits feststellen, daß europäischeInvestoren und Rechtsanwälte, was Klagen gegen Abschlußprüfer betrifft, voneinanderlernen. In dem Maße, wie europäische Unternehmen zunehmend mit amerikanischemGeld finanziert werden, müssen wir auch damit rechnen, daß wir baldSchadenersatzprozesse nach amerikanischem Muster haben werden.

Die britischen Abschlußprüfer haben in den letzten vier Jahren Probleme derAbschlußprüferhaftung aktiv mit der Regierung diskutiert. Die Diskussionenkonzentrierten sich auf die beiden Kernbereiche

• Versicherung und

• Haftungsrecht.

2. VERSICHERUNG

Der hohe Versicherungsschutz, den unser Berufsstand in der Vergangenheit genoß, istzum Teil die Ursache für unsere heutigen Probleme und hat zweifellos zu überhöhtenSchadenersatzforderungen geführt. Wenn ein Unternehmen Konkurs anmeldet, haltensich alle an den Abschlußprüfer, weil da angeblich das meiste zu holen ist.

Unser hohe Versicherungsschutz gehört nun leider weitgehend der Vergangenheit an.Unser “Kredit” ist wegen der hohen Schadenersatzforderungen aufgebraucht.

Vor zehn Jahren noch hatte jede der großen Prüfungsgesellschaften im VereinigtenKönigreich eine Versicherung, die zwei Ersatzforderungen von jeweils über 200 Mio. $deckte. Die Selbstbeteiligung, die jedes Unternehmen bei Inanspruchnahme derVersicherung zu leisten hatte, war relativ gering. Fünf Jahre später betrug die

∗ Mitglied der Europäischen Kontaktgruppe

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Ian Brindle

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Versicherungssumme nur noch die Hälfte, während sich die Selbstbeteiligungvervierfacht hatte. Heute sind wir auf dem Tiefpunkt angekommen, und ohne eineGesetzesreform ist nicht zu erwarten, daß unsere Versicherungsposition besser wird.Für geringere Schadenersatzforderungen können Unternehmen überhaupt keinenVersicherungsschutz mehr erhalten. Für größere Ersatzforderungen wurde dieVersicherungssumme weiter reduziert, und häufig müssen wir für die ersteSchadenersatzforderung das gesamte Risiko übernehmen.

Zwei durch die Versicherung nicht gedeckte Ersatzforderungen von je 50 Mio. $entsprechen der Kapitalbasis der meisten Großunternehmen im Vereinigten Königreich.Diese Beträge sind sehr gering im Verhältnis zur wirtschaftlichen Realität in Europa.Die Zahlen, von denen wir beispielsweise kürzlich im Zusammenhang mitUnternehmensverlusten auf den Derivatemärkten erfahren haben, lassenErsatzforderungen von 50 Mio. $ fast als trivial erscheinen.

Auch die Kosten steigen. Von 100 $ Prüfungshonorar werden 10 $ für Haftungsfälleund für Versicherungsprämien aufgewendet, um in den Genuß eines beschränktenVersicherungsschutzes zu kommen. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist auch die Zeit,die wir für die Regelung von Ersatzforderungen aufwenden müssen.

3. DIE BERUFSHAFTPFLICHT DER ABSCHLUßPRÜFER IM VEREINIGTENKÖNIGREICH

Angesichts des schwindenden Versicherungsschutzes sind die großen britischenPrüfungsfirmen zu dem Schluß gelangt, daß eine Gesetzesreform dringend erforderlichist. Unser System der gesamtschuldnerischen Haftung führt dazu, daß jederHaftungsschuldner auf Leistung des vollen Schadenersatzes in Anspruch genommenwerden kann. In der Praxis werden Schadenersatzforderungen nur gegen dieAbschlußprüfer geltend gemacht, da andere potentielle Haftungsschuldner in der RegelPrivatpersonen sind.

Die gesamtschuldnerische Haftung ist - wie hier noch zu sehen sein wird - nicht auf dasVereinigte Königreich beschränkt. Anders als in anderen europäischen Ländern habenwir allerdings weniger Möglichkeiten, gegenüber dem Kläger Mitverschulden geltendzu machen.

Infolge des begrenzten Versicherungsschutzes sind wir einem erheblichen Druck desMarktes ausgesetzt, Schadenersatzansprüche außergerichtlich zu regeln. Es hat sichgezeigt, daß die Höhe der Ersatzforderungen in keinem Verhältnis zur Realität stehtund nur wenig Raum für die Entwicklung einer Rechtsprechung zur Entlastung desHaftpflichtigen bleibt.

Eine vertragliche Haftungsbeschränkung, wie sie in anderen Wirtschaftszweigen üblichist, ist für britische Abschlußprüfer nicht zulässig. Nach britischem Recht ist es unsausdrücklich untersagt, unsere Haftung für die Pflichtprüfung vertraglich zubeschränken.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Ian Brindle

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4. EIN RAHMEN FÜR DIE PFLICHTPRÜFUNG

Was bedeutet dies nun in bezug auf die Rolle und Stellung des Abschlußprüfers? DasGrünbuch gibt einen nützlichen Rahmen für die vom Abschlußprüfer zu erbringendeLeistung vor:

• Die Aufgaben müssen gesetzlich vorgeschrieben sein.

• Die Gesellschafter müssen bereit sein, für die Abschlußprüfung zu zahlen.

• Es müssen qualifizierte Abschlußprüfer verfügbar sein, die bereit sind, dieAbschlußprüfung gegen eine Vergütung zu übernehmen, die demSchwierigkeitsgrad der Aufgabe und dem damit verbundenen Risiko entspricht.

Die Gesellschafter mögen vielleicht bereit sein, den Abschlußprüfern eine Vergütungdafür zu zahlen, daß sie die Fortführung der Unternehmenstätigkeit, etwaigeUnregelmäßigkeiten, unrechtmäßige Handlungen und das Verhalten der Gesellschaft inumwelt- und gesellschaftspolitischer Hinsicht prüfen, fraglich ist jedoch, ob dieAbschlußprüfer bereit sind, diese Leistungen zu erbringen.

Den Abschlußprüfern wird vielfach vorgeworfen, sie seien nicht bereit, dersogenannten Erwartungslücke positiver zu begegnen. Ich spreche auch im Namenmeiner Kollegen, der “Big 8”, wenn ich sage, daß es weder an Fähigkeit, Kompetenznoch Bereitschaft mangelt, die Herausforderung anzunehmen. Es bestehen für denAbschlußprüfer jedoch echte wirtschaftliche Zwänge, die ihn daran hindern, noch mehrVerantwortung in großen Aktiengesellschaften zu übernehmen. Dies liegt an dergesamtschuldnerischen Haftung und der Verschlechterung des Versicherungsschutzes.

In ihrer Antwort auf das Grünbuch haben die “Big 8” eingeräumt, daß derAbschlußprüfer mehr Verantwortung übernehmen sollte, was die Öffentlichkeit auchvon ihm erwartet. Von uns kann jedoch logischerweise nicht erwartet werden, daß wirmehr Verantwortung übernehmen, solange es keine genau definierte Rechtsgrundlagemit einer Haftungsregelung gibt. Dies ist die eigentliche Herausforderung, der sichdiese Konferenz stellen muß, wenn sie die Verantwortung der Abschlußprüfer imEuropa von morgen diskutiert.

5. DIE FOLGEN

Natürlich ist es für Prüfungsfirmen möglich, Vorkehrungen zu treffen, um Risiken zuminimieren; und genau das wird auch getan. Die größeren Firmen wählen dieGesellschaften, für die sie als Abschlußprüfer tätig werden sollen, immer kritischer aus.Es dürfte jedoch nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein, daß es letztlich daraufhinausläuft, daß Abschlußprüfer nur noch bewährte Kunden akzeptieren. Wer wirddann die Problemfälle übernehmen?

Was das öffentliche Interesse an der Abschlußprüfung anbelangt, so ist dieErwartungslücke beim Schutz vor Unregelmäßigkeiten am größten. Die Öffentlichkeitfordert zu Recht, daß wir hier mehr tun sollten. Mehr Verantwortung bedeutet aberauch mehr Risiko. Die Prävention und Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, an denenhäufig Personen in den höchsten Positionen beteiligt sind, ist eine großeHerausforderung, der wir uns gerne stellen würden, aber bei der derzeitigen Rechtslagekönnte die Nichterkennung eines größeren Betrugs unsere Firmen ruinieren.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Ian Brindle

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Natürlich gibt es Leute, die glauben, daß die Probleme im Zusammenhang mit derHaftung der Abschlußprüfer eher auf eine schlechte Prüfqualität zurückzuführen sindals auf die gegenwärtige Rechtslage. Das hieße, daß wir bereit wären, ein hohesfinanzielles Risiko einzugehen und unseren Ruf und unsere wirtschaftliche Zukunft aufsSpiel zu setzen, nur um kurzfristig die Kosten für Ausbildung und Qualitätssicherungzu sparen.

Die Realität sieht völlig anders aus. Wir sind uns nur allzusehr der Notwendigkeitbewußt, Maßnahmen zur Risikobegrenzung zu treffen. Wir wenden viel Geld für dieinterne Qualitätskontrolle, Weiterbildung und qualifizierte Mitarbeiter auf. DasHaftungsrisiko wird jedoch von vielen qualifizierten Kollegen und Mitarbeitern alsHauptgrund für ihr Ausscheiden aus dem Beruf genannt. Ihrer Ansicht nach ist dasVerhältnis zwischen Risiko und Gewinn in anderen Wirtschaftszweigen sehr vielgünstiger. Aus demselben Grund ist es für uns schwer, Führungskräfte zu finden,Fachleute, die den komplexen Anforderungen der modernen Abschlußprüfunggewachsen sind.

6. DIE BEVORZUGTE LÖSUNG IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH - DIEPROPORTIONALE HAFTUNG

Welcher Lösung geben wir im Vereinigten Königreich nun den Vorzug? Wie ichbereits erwähnt habe, ist eine Haftungsbeschränkung für die Pflichtprüfung nachbritischen Recht nicht zulässig. Wir halten es für dringend notwendig, dies zu ändern,damit wir eine Haftungsobergrenze einführen können.

Unserer Meinung nach sollte diese Obergrenze weder von einer Standesorganisationnoch von der Wirtschaft festgesetzt werden. Es spricht einiges dafür, die Entscheidungder Regierung zu überlassen, etwa in Form sekundärrechtlicher Bestimmungen, dieregelmäßig überprüft werden können.

Auf diese Weise wären Anteilseigner, sonstige Investoren, Prüfer und derenVersicherer genau über den Umfang ihrer Haftung im Bilde. Auch wären Anteilseignervor einem möglichen Mißbrauch des Systems geschützt, wenn die Obergrenzen nichtvon den Unternehmen und Abschlußprüfern ausgehandelt werden können.

Mittelfristig streben wir allerdings eine proportionale Haftung an. Wir möchten diegegenwärtige gesamtschuldnerische Haftung durch eine dem Verschuldensgrad deseinzelnen Schuldners entsprechende Haftung ersetzen. Eine proportionale Haftungbedeutet ein größeres Maß an Gerechtigkeit, wirkt überhöhtenSchadenersatzforderungen entgegen und hält jedermann dazu an, sich der eigenenVerantwortung bewußt zu werden.

Viele wenden dagegen ein, daß eine proportionale Haftung nicht möglich ist, weil dasgesamte Recht der Drittschadensliquidation auf dem Prinzip der gesamtschuldnerischenHaftung beruht. Wir fordern jedoch keine Änderung, die sich nachteilig auf dieErsatzansprüche bei Personenschäden oder im Falle von Verbraucherschutzklagenauswirken könnte. Was wir wollen, ist eine proportionale Haftung, wenn es um reinwirtschaftliche Verluste geht - nichts anderes.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Ian Brindle

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7. DER EUROPÄISCHE STANDPUNKT

Die Probleme, die ich hier geschildert habe, sind zwar im Vereinigten Königreichaufgetreten, beschränken sich jedoch nicht auf unser Land. Die gesamtschuldnerischeHaftung wird auch in Irland und Spanien als problematisch empfunden. Auch inDeutschland, wo die Haftplicht der Abschlußprüfer gesetzlich beschränkt ist, ist nichtsicher, ob der Prüfer nicht zivilrechtlich von Dritten auf der Grundlage einesvertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses in Anspruch genommen werdenkann.

Das Problem der Haftpflicht erweist sich als Hemmnis für die Stärkung der Positiondes Abschlußprüfers. Ich bin daher enttäuscht, daß das Grünbuch in diesem Punktkeine konstruktive Lösung anbietet. Die Kommission hat erklärt, sie unterstütze dieTendenz zu einheitlicheren Prüfungsstandards, die den europäischen Unternehmen denZugang zum internationalen Kapitalmarkt erleichtern würden. Leider scheinen echteFortschritte an den Disparitäten des nationalen Haftungsrechts zu scheitern.

Ich sehe ein, daß einige Länder mit ihrer gegenwärtigen Regelung derAbschlußprüferhaftpflicht zufriedener sind als andere und daß eineRechtsetzungsinitiative der Kommission unerwünscht wäre. Eine etwasnachdrücklichere Unterstützung seitens der Kommission für das Prinzip derproportionalen Haftung wäre allerdings hilfreich. Nicht zuletzt müssen sich dienationalen Regierungen darauf verständigen, daß der Abschlußprüfer für Verluste oderVersäumnisse nur entsprechend dem Grad seines Verschuldens haftet.

8. SCHLUßBEMERKUNGEN

Ich hoffe, ich konnte - zumindest in gekürzter Form - deutlich machen, warum diegroßen Prüfungsgesellschaften eine Reform der Abschlußprüferhaftpflicht für dringenderforderlich halten. Die europäischen Unternehmen sollten von ihren Prüfern nichtverlangen, weiterhin unbegrenzte Risiken hinzunehmen.

Dies ist ein Problem, das der Berufsstand nicht allein regeln kann. Die Abschlußprüfermüssen vor überhöhten, ungerechtfertigten Schadenersatzforderungen geschütztwerden. Die Erbringung der Prüfungsleistungen, die die Wirtschaft benötigt, mußgewährleistet sein, und zwar zu einem Preis, der dem Risiko entspricht und den dieKunden zu zahlen bereit sind. Hierzu muß das geltende Recht geändert werden, um sogerechte Wirtschaftsbedingungen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, wir erwarten von der Europäischen Kommission, daß sieein Forum für die Regierungen der Mitgliedstaaten bietet, um sich über den rechtenWeg in die Zukunft zu verständigen. Proportionale Haftung, das ist der rechte Weg.Ich möchte deshalb mit den eigenen Worten der Kommission aus ihrem Grünbuchschließen: Es wäre “wohl angebracht, die Haftung auf Beträge zu begrenzen, die demAusmaß der Pflichtverletzung entsprechen.”

Ian Brindle ist Mitglied der European Contact Group der acht größten Netzwerke vonPrüfungsgesellschaften. Er ist ferner Mitglied des Council of the Institute of CharteredAccountants in England und Wales und Mitglied des UK Financial Reporting Councilsowie des UK Accounting Standards Board. Bis 1990 war Ian Brindle Vorsitzenderdes UK Auditing Practices Board.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers André Bindenga

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HERR PROFESSOR DR. ANDRÉ BINDENGA∗

DIE BERUFLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Ich möchte einige kurze Ausführungen zum Thema “Haftung” machen. Zunächst abereinige Bemerkungen zu meiner Person. Neben meiner Tätigkeit als Professor fürRechnungswesen und Mitglied des Verwaltungsrats von Royal Nivra fungiere ich alsVorsitzender von Moret Ernst & Young, dem niederländischen Zweig von Ernst &Young International. In dieser Eigenschaft gehöre ich auch dem Leitungsorgan vonErnst & Young International an, so daß meine Äußerungen auch unter demGesichtspunkt dieser Funktion gewertet werden sollten.

Spricht man im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Prüfungswesen vonVerantwortung, so geht es dabei im allgemeinen um die Pflicht der Abschlußprüfer,ihre Tätigkeit entsprechend den allgemein anerkannten Berufsgrundsätzen auszuüben.Die berufliche Haftpflicht hingegen bezieht sich auf die Haftung gegenüber demMandanten und Dritten für Schäden, die aus Handlungen des Abschlußprüfersresultieren. Im Gegensatz zur Verantwortung, die in den disziplinarrechtlichen Bereichfällt, handelt es sich bei der Haftung um eine zivilrechtliche Angelegenheit

In Kontinentaleuropa war die Haftpflicht noch bis in die jüngste Vergangenheit wederim zivil- noch im strafrechtlichen Sinne ein Thema. In den USA und zum Teil auch imVereinigten Königreich stand die Entwicklung des Prüfungswesens hingegen ganz imZeichen zivilrechtlicher Entscheidungen. Zur Veranschaulichung möchte ich hier einigeBeispiele anführen:

• den Fall Ultramares im Jahre 1929, bei dem es um die Haftung des Prüfersgegenüber Dritten (also nicht nur gegenüber seinem Mandanten) ging;

• den Fall McKesson & Robbins im Jahre 1938, der zur Anerkennung desGrundsatzes führte, daß ein Prüfer generell von der Finanzwelt in Anspruchgenommen werden kann;

• den Fall Continental Vending im Jahre 1968, durch den der Grundsatz derstrafrechtlichen Haftung des Prüfers bekräftigt wurde.

Diese und weitere, aber weniger bekannte Fälle hatten vor allem in den USA einespürbare Ausweitung der Schadenshaftung zur Folge. Auch in Kanada, demVereinigten Königreich und Australien hat die Inanspruchnahme vonWirtschaftsprüfern in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Nach meiner Ansichtergibt sich daraus eine große Gefahr für die Entwicklung des Berufsstandes. Esversteht sich wohl von selbst, daß Abschlußprüfer für Fehlverhalten geradestehenmüssen. Es muß aber ein kausaler Zusammenhang zwischen der Fehlleistung und demvon Dritten davongetragenen Schaden bestehen.

In diesem Zusammenhang bedarf die Frage der gesamtschuldnerischen Haftung einernäheren Untersuchung. Die gesamtschuldnerische Haftung, bei der jeder Gesellschaftereiner Personengesellschaft in vollem Umfang persönlich für schuldhaftes Handelnanderer Gesellschafter haftet, ist ein ganz eigentümlicher Sachverhalt, den es im ∗ Mitglied des Vorstands der "Royal NIVRA", Niederlande

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers André Bindenga

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Bereich der Finanzdienstleistungen faktisch nicht gibt. Es ist daher verständlich, daßviele ihr Heil in der Gründung von Kommanditgesellschaften und ähnlichenUnternehmensformen suchen. Anscheinend wird die gesamtschuldnerische Haftungdazu genutzt, um sich bei den Abschlußprüfern schadlos zu halten, wenn es bei deneigentlichen Schuldigen nichts mehr zu holen gibt. Ging das Unternehmen aufgrundschlechten Managements in Konkurs, so kann man ruhig den Abschlußprüferverklagen, denn dieser hatte schließlich einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerkerteilt. Dabei entspricht aber das Urteil über die Ertragslage und die im Jahresabschlußausgewiesenen Ergebnisse in den meisten Fällen den Anforderungen. Oft hört manFormulierungen wie “Der Prüfer hat sich alles angeschaut”. Doch dessen Aufgabebesteht in der Erteilung eines Testats, d.h. in der Beurteilung der Frage, ob dieAbschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln, undnicht in der Aufdeckung und Offenlegung von Fehleinschätzungen des Managements.

Es ist daher verständlich, daß die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei derHaftung für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eintreten und in ihre VerträgeHaftungsobergrenzen einbauen wollen. Dies ist aber im Hinblick auf den öffentlichenAuftrag des Prüfers unmöglich, denn Dritte haben mit diesen Verträgen nichts zu tun.Es wären also gesetzliche Maßnahmen erforderlich, z.B. die gegenwärtig imangelsächsischen Raum erörterte Reform der Deliktshaftung.

Die Tendenz zu horrenden Schadenersatzforderungen, wie sie insbesondere in denUSA und im Vereinigten Königreich festzustellen ist, wird noch dadurch verstärkt, daßdie großen Wirtschafsprüfungsgesellschaften eine Berufshaftpflichtversicherungabschließen. Um zivilrechtliche Streitigkeiten zu vermeiden, die sich über Jahrehinziehen und sehr kostspielig sind, entscheiden sich die Versicherungsunternehmenvielfach für einen außergerichtlichen Vergleich. Die Gerichte bleiben somit außen vor,so daß überhaupt keine Klärung der Haftungsproblematik erfolgt. In jüngster Zeit isteine noch merkwürdigere Entwicklung zu beobachten. WennSchadenersatzforderungen zu rechtlichen Schritten führen, prüft das Gericht zunächst,in welchem Umfang Versicherungsschutz besteht. Daraufhin wird dem KlägerSchadenersatz in Höhe der Versicherungssumme zuerkannt, die dann noch um einenbestimmten Betrag aufgestockt wird, weil die Pflichtverletzung des Prüfers ja geahndetwerden muß. Folglich besteht zwischen der Fehlleistung und der letztendlich gezahltenSumme kein kausaler Zusammenhang mehr.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine kurze Anmerkung zurVersicherungsproblematik machen. Vielfach hört man Äußerungen wie “Der Prüfer istschließlich versichert, also was soll’s?” Erstens stimmt dies überhaupt nicht. Zweitensist es so, daß vielleicht ein teilweiser Versicherungsschutz besteht, dieser sich aber nurauf wenige Fälle im Jahr erstreckt. Bis 1991-1992 waren die großenWirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Tat versichert. Die Versicherungen mußtenaber in den 80er Jahren wesentlich mehr Mittel für Schadensfälle aufwenden, als siedurch Prämien einnahmen. Als Folge davon war auf dem freien Markt keinVersicherungsschutz mehr zu haben. Es wurden deshalb firmeneigeneVersicherungsunternehmen gegründet, die aber nur kleinere Verluste auffangenkonnten. Seit einiger Zeit gibt es wieder kommerzielle Versicherungsangebote.Allerdings wollen die Versicherungsgesellschaften die Schadenshöhe begrenzen, so daßin vielen Fällen die Leistungen auf einen jährlichen Höchstbetrag beschränkt sind, derdas Zwei- bis Zweieinhalbfache der jährlichen Prämiensumme ausmacht. DieVerhältnisse liegen also ganz anders als etwa bei der Gebäude- oder Kfz-Versicherung.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers André Bindenga

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Ich hoffe, daß sich die Verfolgung astronomischer Schadenersatzansprüche nicht auchin Europa breitmacht. Wenn doch, so stünde dies nicht mit dem traditionellenVerständnis der Prüfungstätigkeit im Einklang, bei der größeres Gewicht aufVerantwortung als auf Haftung gelegt wird. Bevor ein Fall zivilrechtlich verhandeltwird, kommt es zunächst zu einem Verfahren vor dem Berufsgericht. Dabei kann ichaber nicht leugnen, daß auch in Europa außergerichtliche Einigungen vorkommen, obdiese nun in Abstimmung mit Versicherungsunternehmen erfolgen oder nicht.

Was aber kann der Berufsstand in dieser Frage unternehmen?

Unter Berücksichtigung der Verantwortung, die dem wirtschaftsprüfenden Berufobliegt, hielte ich es für zweckmäßig, daß zunächst einmal alles Erdenkliche getanwird, um Fehlleistungen auszuschließen. In diesem Zusammenhang befürworte ich einRisikomanagement. Die Berufsvereinigungen, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaftenund die einzelnen Berufsangehörigen müssen für ein hohes Niveau derPrüfungstätigkeit sorgen, auch wenn die Honorare derzeit stark unter Druck geratensind. Wenn Mandanten oder Dritte der Auffassung sind, daß eine Pflichtverletzungvorliegt, so sollte die Angelegenheit disziplinarrechtlich geklärt werden. Wenn einkausaler Zusammenhang zwischen der Fehlleistung und einem eventuellen Schadenbesteht, so muß ihn ein unabhängiger Richter feststellen. Es heißt, daßaußergerichtliche Einigungen den Beruf davor bewahren, in einem schlechten Licht zuerscheinen. Ich möchte aber behaupten, daß genau das Gegenteil zutrifft und derartigeAbsprachen dem Beruf nur abträglich sind.

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Henri Olivier

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HERR HENRI OLIVIER∗

DIE BERUFLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

1. DREI VORBEMERKUNGEN

Ehe ich auf die Fragen eingehe, die von den Veranstaltern dieser Konferenzaufgeworfen wurden, scheint es mir angebracht, zur Einführung drei Überlegungenanzustellen.

• – Zunächst sei auf die Wichtigkeit eines wirkungsvollen Haftpflichtsystemshingewiesen. Sein Sinn besteht in erster Linie zweifellos in der gerechtfertigtenErsatzleistung für einen durch den erwiesenen Fehler eines Abschlußprüfersverursachten Schaden. Meiner Meinung nach kommt es hier noch auf etwasanderes an, nämlich auf die Vermeidung von gesetzgeberischen oderverordnungsrechtlichen Auswüchsen in Bereichen, in denen die Bestätigung einesGrundsatzes ausreichend sein dürfte. Um es deutlicher zu sagen, ich frage mich, obein wirkungsvolles Haftpflichtsystem nicht eine angemessenere Lösungsvariante fürdas brisante Problem der Unabhängigkeit von Abschlußprüfern wäre als jede Formeiner detaillierten rechtlichen Regelung. Wie im MARC-Bericht (S. 146) betontwird, ist der seiner Verantwortung bewußte Abschlußprüfer daran interessiert,unabhängig zu sein und eine Arbeit von bester Qualität zu leisten. Aus dieserÜberlegung ergibt sich logischerweise auch die Notwendigkeit, auch die Folgeneines restriktiven oder unwirksamen Haftungssystems für die Glaubwürdigkeit derAbschlußprüfer zu bedenken.

• Als zweites komme ich zu dem Umstand, daß die Abschlußprüfer beunruhigt sindüber die Höhe der in gerichtlichen Klagen geforderten Schadensersatzansprücheund über die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten mit der Versicherung. Hier istanzumerken, daß die Haftungsregelung nicht nur eine rechtliche Sache ist. InBetracht zu ziehen ist auch die konkrete Anwendung durch die Prozeßparteien,und darüber hinaus spielt die gängige Rechtsprechung mit ihren Auswirkungen eineRolle. Die Beurteilung des Schädens, der durch einen im Informationsprozeßliegenden Fehler verursacht wurde, ist ausgesprochen subjektiv; stark voneinanderabweichende Praktiken werden unvermeidlich in den einzelnenZuständigkeitsbereichen bestehen bleiben, wenn es um die Einschätzung vonSchäden geht.

• Meine dritte Überlegung betrifft die Methode. Das Gebiet der Haftung ist - wieandere im Verlauf dieser Konferenz angesprochene Bereiche - Gegenstandnationaler Regelungen in allen Mitgliedstaaten. Die Behauptung, dieSelbstverwaltung des Berufsstands könne Divergenzen, die sich aus dem Gesetzergeben, durch Harmonisierung abschaffen, entbehrt für uns jeder Grundlage.Wenn eine solche Harmonisierung als notwendig erachtet wird, dann dürfen dieMechanismen der Gemeinschaft nicht außer acht gelassen werden. Wir teilen nicht

∗ Generaldirektor des Instituts der Abschlußprüfer ("Institut des Réviseurs d'Entreprises"), Belgien

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Henri Olivier

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die Meinung derer, die im Bereich des Gesellschaftsrechts die Zweckmäßigkeiteiner Koordinierung der Rechtsvorschriften mit Hilfe von Richtlinien bestreiten.

2. FOLGEN ZUNEHMENDER ZIVILRECHTLICHER HAFTUNG

Kommen wir nach diesen einleitenden Bemerkungen nun zu den im Grünbuchaufgeworfenen Fragen, die ja Gegenstand unserer Arbeiten sind. Jeder neigt zu derFeststellung, daß die Haftungsstreitfälle zunehmen. Was die belgischen Gegebenheitenanbetrifft, so scheint mir das heute nahezu aus der Luft gegriffen, doch eineAusbreitung von Krankheiten, die den Nachbarn heimsuchen, ist immer zu befürchten,und so will ich durchaus einzuräumen, daß das Risiko von Rechtsstreitigkeiten größergeworden ist als früher.

Das in einigen Ländern tatsächliche und in anderen angenommene zahlenmäßigeAnwachsen der Rechtsstreitigkeiten versetzt die Berufsangehörigen in Besorgnis. Vorallem die Schadenshöhe, die von den vorgeblich Geschädigten angegeben und durchdie Sensationspresse verbreitet wird, ist schon beeindruckend. Das ist eine Frage derAuffassung und dürfte kaum unsere Beachtung finden, wenn wir nicht feststellenmüßten, daß sich daraus folgenträchtige Auswirkungen ergeben.

Zunächst einmal veranlaßt der sich aus einem längeren Rechtsstreit ergebendeImageverlust mitunter die Prüfungsfirmen zu einer kompromißbereiten Haltung,obwohl sie aufgrund der Sachlage gar keinen Grund dazu hätten. Was ist von einemSystem zu halten, bei dem die Glaubwürdigkeit eines Fachmannes mehr an der Höheseines Versicherungsschutzes als an der eigentlichen Qualität seiner Dienstleistunggemessen wird? Außerdem wirkt sich dies auf die Versicherungskosten aus, wobeinicht übersehen werden darf, daß diese zusätzlichen Kosten letzten Endes auf dieKunden der Unternehmen abgewälzt werden. Das Thema Versicherung veranlaßt michzu der Feststellung, daß im Grünbuch sehr wenig zu diesem Problem gesagt wird. Dasist um so erstaunlicher, als in den meisten Richtlinien und Richtlinienvorschlägen überdie Freizügigkeit, die der allgemeinen Regelung zur Anerkennung derHochschuldiplome vorangingen, ebendieser Aspekt als ein Sachverhalt angesehenwurde, der spezifische Maßnahmen zur Gewährleistung der Liberalisierung erforderte.

Zum anderen bringt die Nichtabsehbarkeit der Schadenshöhe die Prüfungsfirmen dazu,Schutzlösungen zu entwickeln. Das erste Möglichkeit, die dazu genutzt wird, ist dieRechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Frage ist von Wichtigkeit,denn sie betrifft die grundlegenden Vorstellungen von diesem Beruf. Gibt es Mittel undWege, um die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Prinzip derBerufshaftpflicht in Einklang zu bringen? Ich glaube sagen zu können, daß alle Länderder Europäischen Union die Zugehörigkeit der Abschlußprüfer ungeachtet ihresZusammenschlusses zu Gesellschaften zu den freien Berufen anerkennen. In denmeisten dieser Länder ist eine Solidarhaftung zwischen der Prüfungsgesellschaft unddem Gesellschafter vorgeschrieben, der in ihrem Namen die fachlichen Handlungenausführt, d.h. der die tatsächlich Verantwortung für die Prüfung übernimmt.

Das läßt jedoch die Haftungsbegrenzung, die sich aus dem Gesellschaftsmechanismusergibt, nicht vollkommen uninteressant werden. Dieser kann zwei Vorteile fürdiejenigen aufweisen, die ihn nutzen. Zum einen ergibt sich die Möglichkeit, dasVermögen der Prüfungsgesellschaft niedriger zu halten, die in einer von den anderen,nicht dem gleichen Haftungsrisiko ausgesetzten beruflichen Tätigkeiten getrennten

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Henri Olivier

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Gesellschaftsstruktur angesiedelt ist; zum anderen wird das persönliche Vermögen derGesellschafter geschützt, die den Bestätigungsvermerk nicht abgezeichnet haben.

Die zweite Möglichkeit, die erwogen wird, ist eine vertragliche Begrenzung derHaftung für einen möglicherweise entstandenen Schaden. Hier stellt sich sogleich dieFrage, wer denn die Partner eines solchen Vertrages sein können. Ist es vorstellbar,daß die Begrenzung einen Dritten bindet, dem aus der Veröffentlichung einerunwahren Information ein Schaden entsteht? Uns ist die britische Rechtsprechung imFall "Caparro" wohlbekannt, aber wir hegen Zweifel an der Möglichkeit, das ihrzugrunde liegende Prinzip auszuweiten, ohne die Zweckdienlichkeit des Systems derVeröffentlichung der Jahresabschlüsse und der Bestätigungsvermerke, wie es in denEU-Richtlinien vorgesehen ist, in Frage zu stellen. Hinzu kommt, daß sie nach wie vorin Ländern unanwendbar ist, die - wie mein Land - beschlossen haben, dieNichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu den Jahresabschlüssen strafrechtlichzu ahnden, um zu bekräftigen, daß deren Einhaltung im öffentlichen Interesse liegt.Soll der Abschlußprüfer wirklich geschützt werden, dann wäre eineHaftpflichtbegrenzung bei Prüfungsaufträgen nur wirksam, wenn sie gesetzlichbegründet ist, wie es in mehreren Ländern der Europäischen Union der Fall ist.

3. FAKTOREN, DIE DEN UMFANG DER BERUFSHAFTPFLICHT BEEINFLUSSEN

Damit kommen wir nun zu einem ersten - zugegebenermaßen radikalen - Faktor, mitdem die Haftung der Abschlußprüfer tatsächlich begrenzt werden kann. MeineArgumentation steht hier allerdings unter dem Einfluß der politischen Erfahrungen inBelgien, die in der Zeit gemacht wurden, als die erforderlichen gesetzgeberischenArbeiten zur Anpassung unserer Rechtsvorschriften an die 8. Richtlinie unternommenwurden. Die belgische Regierung ließ sich von einer Empfehlung der Studiengruppeder Rechnungssachverständigen der EWG, die heute fest zur FEE gehört, leiten undhielt es für angebracht, dem Parlament vorzuschlagen, die Haftung vonAbschlußprüfern auf das Fünfzigfache des für die Pflichtprüfung gefordertenJahreshonorars zu begrenzen. Der Vorschlag wurde von den parlamentarischenAusschüssen mit der Begründung abgelehnt, daß man für eine bestimmte Berufsgruppenicht von den allgemeinen Prinzipien des Rechts der unbeschränkten Haftung abrückendürfe1.

In meinen Augen ist das bedauerlich, doch aus nationaler Sicht wurde hier eine klareAntwort auf die Frage gegeben, ob es realistisch ist, sich mit dem Problem derBerufshaftpflicht von Abschlußprüfern unabhängig von der Haftungsregelung fürandere freie Berufe zu befassen. So ergeben sich aus den amerikanischen Erfahrungenmit dem Private Securities Litigation Reform Act von 1995 zwar neue Wege fürÜberlegungen, wobei es allerdings weniger um die Haftung eines Berufsstands alsvielmehr darum geht, wie wie die Schadensersatzpflicht bei einer bestimmten Art vonSchäden - nämlich verursacht durch Fehler von Wertpapieremittenten - gehandhabtwird.

Auch wenn wir einräumen müssen, daß bestimmte Aspekte des Problems dieeinzelstaatlichen Grundlagen des Haftungsrechts in Frage stellen, so gibt es noch eine

1 Doc.parl.Chambre 552 (1982-1983), Nr. 35, S.72

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Henri Olivier

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zweite Reihe von Faktoren - auf die auch im Grünbuch eingegangen wird -, diezweifelsohne auf den Umfang der Haftung Einfluß nehmen; ich spreche hier von derDefinition der Prüfungsfunktion und vom Inhalt des Bestätigungsvermerks.

Es ist aufschlußreich, wenn in den Kommentaren der FEE zum Grünbuch und auchanderswo zu lesen ist, daß das Fehlen einer Lösung für das Haftungsproblem dieBerufsangehörigen davon abhielte, weitergehende Aufgaben in verschiedenen von derKommission angeführten Bereichen zu übernehmen. So enthält auch Titel III desamerikanischen Gesetzes von 1995 nähere Ausführungen zum Inhalt desBestätigungsvermerks bei Aufdeckung eines Betrugsdeliktes, mit denen die Haftungder Abschlußprüfer klar abgesteckt wird. Sobald die Prüfungsfunktion eindeutigdefiniert ist, kann einem Dritten legitimerweise nicht zugestanden werden, mehrSicherheiten zu fordern, als vom Gesetzgeber vorgesehen sind.

Die gesetzliche Definition der Abschlußprüfung und mehr noch der Inhalt desveröffentlichten Bestätigungsvermerks beeinflussen also ebenfalls den Umfang derzivilrechtlichen Haftung. Folgerichtig kann aber auch zutreffen, daß bestimmteHaftungsmechanismen wiederum Einfluß auf den Inhalt des Bestätigungsvermerksnehmen. Ähnlich verhält es sich mit der Frage der strafrechtlichen Sanktionen fürAbschlußprüfer, denn in einigen Ländern werden ihnen besondere Pflichten auferlegt,die im äußersten Fall gar nicht in die gesetzlichen Definition der Prüfungsfunktionaufgenommen werden können.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem belgischen Gesetz über die Rechnungslegung und dieJahresabschlüsse von Unternehmen, das eine Bestrafung von externenWirtschaftsprüfern (Abschlußprüfern) vorsieht, die "... Rechnungslegungsunterlagen,Jahresabschlüsse, Bilanzen und Ergebnisrechnungen oder konsolidierte Abschlüsse vonUnternehmen bestätigt haben, obgleich die (gesetzlichen) Bestimmungen nichteingehalten worden waren und sie dies wußten oder sich unter Vernachlässigung dernormalen Sorgfaltspflichten nicht von ihrer Einhaltung überzeugt hatten". ImGegensatz zum Gesellschaftsrecht, das die Pflichtprüfung definiert, läßt diese belgischeGesetzesvorschrift nicht zu, je nach dem relativen Ausmaß der festgestelltenPflichtverletzung gegebenenfalls einen Vorbehalt zu machen. Theoretisch müßte sichdies stark auf den Inhalt des Bestätigungsvermerks auswirken, und zwar unsererMeinung nach äußerst negativ.

Ist es vor diesem Hintergrund sinnvoll, sich um eine Harmonisierung zu bemühen,mittels derer der Haftungsumfang auf gemeinschaftlicher Ebene beeinflußt werden soll?Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, muß man nach dem eigentlichen Zielfragen.

Wenn dieses Ziel darin besteht, eine gemeinsame Haftpflichtregelung einzuführen, diegeeignet ist, die Freizügigkeit der Abschlußprüfer in der Europäischen Union zufördern, dann fürchte ich, daß dies nicht durch eine Harmonisierung derPrüfungsfunktion oder des Bestätigungsvermerks erreicht werden wird, weil einesolche Regelung durch das Verbot für die Gesetzgeber in den einzelnenMitgliedstaaten, direkt oder mittels besonderer Gesetze den Abschlußprüfernzusätzliche Pflichten aufzuerlegen, ergänzt werden müßte, was mir kaum möglich zusein scheint. Somit wird es für einen Berufsangehörigen, der eine Pflichtprüfung ineinem anderen Mitgliedstaat vornehmen will, immer notwendig sein, sich mit denRechtsvorschriften und/oder Normen vertraut zu machen, deren Einhaltung er nebenseiner Beurteilung der Finanzverhältnisse überprüfen muß. Es ist verständlich, daß die

Podiumsdiskussion V - Die berufliche Haftung des Abschlußprüfers Henri Olivier

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Berichte in Vorbereitung dieser Konferenz auf die strafrechtlichenVerantwortlichkeiten nicht unmittelbar eingegangen sind. Doch auch in diesen Textenfinden sich beträchtliche Hemmnisse für eine einheitliche Auslegung derPrüfungsfunktion in den Mitgliedstaaten.

Wenn hingegen das angestrebte Ziel darin besteht, eine Mindesthaftung einzuführen,mit der ein Schutz der Gesellschafter und Dritter als Verwender der Prüfungsberichtebezweckt werden soll, dann scheint mir die Antwort positiv zu sein. Meines Erachtensist es ziemlich unwichtig, ob eine solche Harmonisierung durch die Definition desPrüfungsauftrags an sich oder durch die Definition des Bestätigungsvermerks zustandekommen soll. Beide tragen dazu bei, das Ziel der Tätigkeit von Abschlußprüfernfestzulegen. Die Frage betrifft vielmehr das gesetzgeberische Vorgehen. Wenn dasöffentliche Interesse von der Übermittlung eines Berichts betroffen ist, der Folgen fürdie rechtliche Lage einer dritten Partei der Vertragsbeziehung zwischen demUnternehmen und seinen Abschlußprüfern hat, dann sollte man erwarten können, daßvom Gesetzgeber das Mindestmaß der Tragweite, die von diesem Bericht zu erwartenist, definiert wird.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

233

ANHANG I

GRÜNBUCH

ROLLE, STELLUNG UND HAFTUNG DESABSCHLUSSPRÜFERS IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

234

INHALTSVERZEICHNIS Abs. Nr.

1. EINLEITUNG 1.1 - 1.5

2. REGELUNG DER ABSCHLUSSPRÜFUNG AUFEU-EBENE UND HANDLUNGSBEDARF SEITENSDER EU 2.1 - 2.10

3. DIE ROLLE DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Definition der Abschlußprüfung 3.1-3.7

Die Ordnungsmäßigkeit der Abschlüsse 3.8-3.13

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit/Solvenz der Gesellschaft 3.14--3.21

Das Vorliegen von Betrugsdelikten 3.22-3.29

Die Einhaltung der Rechtsvorschriften durch dieGesellschaft 3.30-3.32

Das verantwortungsbewußte Verhalten der Gesellschaftin umweltpolitischen und gesellschaftlichenAngelegenheiten 3.33-3.35

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 3.36-3.38

Der Bestätigungsvermerk

Inhalt des Bestätigungsvermerks 3.39-3.44

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 3.45-3.47

4. DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Qualifikation des Abschlußprüfers

Mindestvoraussetzungen nach der 8. Richtlinie 4.1-4.4

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 4.5-4.6

Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers

Definition der Unabhängigkeit 4.7-4.15

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 4.16-4.17

Die Stellung des Abschlußprüfers im Unternehmen

Die Pflichtprüfung und die Unternehmensführung 4.18-4.26

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 4.27-4.28

Die Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen

Qualitätskontrolle 4.29-4.33

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

235

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 4.34-4.36

5. DIE ZIVILRECHTLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Auf dem Weg zur begrenzten Haftung? 5.1-5.5

Schwerpunkte und Lösungsvarianten 5.6-5.7

6. DIE PFLICHTPRÜFUNG IN KLEINEN GESELLSCHAFTEN

Die Abschlußprüfung in kleinen Gesellschaften 6.1-6.6

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 6.7

7. PRÜFUNGSVORSCHRIFTEN FÜR KONZERNE

Die Pflichtprüfung bei Konzernen 7.1-7.3

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten 7.4

8. DIE NIEDERLASSUNGS- UNDDIENSTLEISTUNGSFREIHEIT 8-8.2

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheitfür einzelne Berufsangehörige 8.3-8.5

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit

für Prüfungsgesellschaften 8.6-8.9

Handlungsschwerpunkte und Lösungvarianten 8.10-8.13

9. FAZIT 9-9.5

Bibliographie

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

236

1. EINLEITUNG1.1 Die mit den Bilanzrichtlinien für die gesamte Gemeinschaft eingeführte

Verpflichtung bestimmter Gesellschaften, ihren Jahresabschluß bzw.konsolidierten Abschluß einer dazu befugten Person zur Prüfung vorzulegen,dient dem Schutz des öffentlichen Interesses. Die durch geprüfte Abschlüssegebotene Gewähr sollte das Vertrauen aller Seiten festigen, die mit denAngelegenheiten von Unternehmen befaßt sind. Die erhöhte Transparenz, dieaus der Harmonisierung der von den Gesellschaften veröffentlichten Daten desRechnungswesens resultiert, gilt ebenso wie die größere Zuverlässigkeit dieserInformationen, die sich aus der Prüfung durch einen unabhängigen und dazubefugten Berufsangehörigen ergibt, als wichtiger Beitrag zur Vollendung desBinnenmarktes.

1.2 Die Rolle des Abschlußprüfers ist seit einiger Zeit weltweit Gegenstand heftigerDebatten. Insbesondere durch eine Reihe größerer Firmenpleiten wurdenFragen bezüglich der Funktion der Pflichtprüfung und der Unabhängigkeit desPrüfers aufgeworfen. Auf EU-Ebene läßt sich nur schwer eine Antwort aufdiese Fragen finden, da die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungenunvollständig sind. In der EU besteht keine einheitliche Auffassung zur Rolle,Stellung und Haftung des Abschlußprüfers, was sich negativ auf die Qualitätder Prüfungen, auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit imPrüfungswesen auswirkt.

1.3 Die Kommission hält es angesichts dieser Situation und der an sie vomBerufsstand herangetragenen Bitten für angebracht, weitreichendeÜberlegungen darüber anzustellen, in welchem Umfang diesbezüglich weitereMaßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind. Seit der Tagung desEuropäischen Rates in Birmingham ist das Grünbuch eines der bevorzugtenInstrumente zur Befragung der Mitglieder und der interessierten Seiten. Dabeisoll das gegenwärtige Grünbuch helfen, alle Beteiligten stärker für dieanstehenden Probleme zu sensibilisieren und sie zu einer Meinungsäußerung zuveranlassen.

1.4 Bei der Erarbeitung dieses Dokuments berücksichtigte die Kommissionverschiedene einschlägige Studien, die auf nationaler und internationaler Ebeneerarbeitet wurden1. Die Kommission selbst veranlaßte eine Studie zur Rolle,Stellung und Haftung des Abschlußprüfers, die vom MaastrichterForschungszentrum für Rechnungswesen und Buchprüfung (MaastrichtAccounting and Auditing Research Centre - MARC) durchgeführt wurde undmit der man sich ein klares Bild davon verschaffen wollte, in welcher Weise dieProblematik der Pflichtprüfung in den Rechtsvorschriften der MitgliedstaatenBerücksichtigung findet. Es ist eine Diskussion zu einigen der in diesemDokument angesprochenen Probleme sowie zu den Stellungnahmen geplant,die auf einer von der Kommission am 5. und 6. Dezember 1996 veranstaltetenKonferenz zur Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers vorgelegtwerden.

1 Siehe Bibliographie im Anhang.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

237

1.5 Nach einer kurzen Darlegung der momentan auf EU-Ebene geltendenRegelungen zur Pflichtprüfung und einer Schilderung der Gründe, warumerneute Maßnahmen auf EU-Ebene wahrscheinlich unerläßlich sind, werden diewichtigsten Fragen im Hinblick auf die Rolle und Stellung des Abschlußprüfers,seine Haftung, die Prüfungsvorschriften für kleine Gesellschaften und Konzernesowie die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Prüfungswesenerörtert. Am Ende eines jeden Kapitels findet sich ein kurzer Abschnitt mitVorschlägen für Handlungsschwerpunkte und mögliche Ansätze, um dieProblematik auf EU-Ebene in Angriff zu nehmen. Insbesondere zu diesenPunkten wären Stellungnahmen von interessierten Seiten sehr willkommen.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

238

2. REGELUNG DER ABSCHLUSSPRÜFUNG AUF EU-EBENE UNDHANDLUNGSBEDARF SEITENS DER EU

2.1 Nach der 4. Richtlinie (78/660/EWG) des Rates vom 25. Juli 1978 über denJahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen müssen alle vonder Richtlinie erfaßten Gesellschaften ihren Jahresabschluß einer dazu befugtenPerson zur Prüfung vorlegen. Die mit der Pflichtprüfung beauftragte Person hatauch zu prüfen, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluß des betreffendenGeschäftsjahres im Einklang steht. Die Mitgliedstaaten können Gesellschaftenmit bestimmten in der Richtlinie definierten Größenmerkmalen von derPrüfungspflicht befreien.

2.2 Mit der 7. Richtlinie (83/349/EWG) des Rates vom 13. Juni 1983 über denkonsolidierten Abschluß wird die Prüfpflicht auf sämtliche Unternehmenausgedehnt, die auf der Grundlage der Richtlinie konsolidierte Abschlüsseerstellen. Ebenso wurden mit den Richtlinien 86/635/EWG des Rates vom 8.Dezember 1986 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß vonBanken und anderen Finanzinstituten sowie 91/674/EWG vom 19. Dezember1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß vonVersicherungsunternehmen alle von diesen Richtlinien erfaßten Unternehmenverpflichtet, ihre Jahresabschlüsse und konsolidierten Abschlüsse einer dazubefugten Person zur Prüfung vorzulegen.

2.3 Die Mitgliedstaaten dürfen nur Personen als Prüfer zulassen, die den in der 8.Richtlinie (84/253/EWG) des Rates vom 10. April 1984 über die Zulassung dermit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personengenannten Anforderungen gerecht werden. Die Zulassungskriterien betreffenzum einen die berufliche Eignung und zum anderen die Integrität undUnabhängigkeit der jeweiligen Person.

2.4 Während die 8. Richtlinie die an den Abschlußprüfer zu stellendenMindestanforderungen definiert, enthält sie keine konkrete Orientierung zumGrundsatz der Unabhängigkeit. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung derRichtlinie schätzte die Kommission die Situation als nicht zufriedenstellend einund behielt sich das Recht vor, in einer späteren Etappe auf diese Problematikzurückzukommen. Dies ist bis jetzt nicht geschehen. Ebenso hat auch dievorgeschlagene 5. Richtlinie über die Struktur der AG sowie die Befugnisseund Verpflichtungen ihrer Organe den Rat noch nicht passiert. Sie enthältFestlegungen zur Bestellung und Abberufung von Abschlußprüfern, zumPrüfungshonorar und Bestätigungsvermerk sowie zur Haftpflicht des Prüfers.Einige der anstehenden Probleme werden auf nationaler Ebene geregelt odersind Gegenstand der Selbstverwaltung des Berufsstandes. Unvermeidlichkommt es jedoch zu Differenzen in der Handhabung, und nicht selten fehlt esdabei an der entsprechenden gesetzlichen Grundlage.

2.5 Die Erfordernisse des Binnenmarktes rechtfertigen das Interesse der EU andiesem Bereich und die von ihr getroffenen Maßnahmen. Die geprüftenAbschlüsse einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft werden inanderen Mitgliedstaaten beispielsweise von Investoren, Gläubigern undArbeitnehmern herangezogen. Dabei gehen Dritte wohl nicht zu Unrecht von

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

239

einem gewissen Maß an Zuverlässigkeit aus und davon, daß dieAbschlußprüfung alle wichtigen Bereiche umfaßt. Ebenso wie nachhaltig aufdie Vereinheitlichung dieser Prüfaspekte auf nationaler Ebene gedrängt wird,was teilweise dem Wirken der Marktkräfte zuzuschreiben ist, besteht auch dieForderung nach einer gewissen Vereinheitlichung der betreffenden Aspekte aufeuropäischer Ebene. Natürlich müßte in diesem Zusammenhang gewährleistetsein, daß die erarbeiteten Grundsätze im Zuge der Entwicklung derInformationsgesellschaft jederzeit aktualisiert werden können.

2.6 Ein weiterer Streitpunkt ist die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.Mehrere von der Kommission veranlaßte Studien, insbesondere die in 1992fertiggestellte zum Wettbewerb im europäischen Rechnungswesen und die in1996 fertiggestellte Studie zur Rolle, Stellung und Haftung desAbschlußprüfers, haben gezeigt, daß es bei Dienstleistungen im Prüfungswesennoch keinen europäischen Markt gibt und daß bezüglich der Pflichtprüfungnach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften undRegelungen der einzelnen Mitgliedstaaten bestehen.

2.7 Die Studie aus 1992 gelangt zu dem Schluß, daß ein echtergrenzüberschreitender Handel ausgeschlossen ist, was abgesehen vonverschiedenen rechtlichen und berufsbedingten Hindernissen vor allem daraufzurückzuführen ist, daß der Dienstleistungsanbieter am gleichen Ort wie derKunde angesiedelt sein muß. Um diesbezüglich einschneidende Veränderungenherbeizuführen, reichen die zur Harmonisierung und gegenseitigenAnerkennung getroffenen Maßnahmen bei weitem noch nicht aus. Der 1996-Studie zufolge kann es einen europäischen Markt für Dienstleistungen imPrüfungswesen nur dann geben, wenn auf EU-Ebene Initiativen in zweiBereichen ergriffen werden: zum einen bezüglich der Niederlassungsfreiheit fürPrüfungsgesellschaften und des freien Dienstleistungsverkehrs imPrüfungswesen und zum anderen im Hinblick auf die Prüfqualität. Im Berichtwird außerdem geschlußfolgert, daß sich Unterschiede zwischen denMitgliedstaaten bei der Regelung der Haftpflicht möglicherweise negativ aufden innergemeinschaftlichen Handel mit Dienstleistungen im Prüfungswesenauswirken.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

240

2.8 Ähnliche Bedenken kamen in einem Positionspapier zum Ausdruck, das dieFédération des experts-comptables européens (FEE) im Februar 1996 vorlegte.Darin wird die Kommission von Vertretern des Berufsstands aufgefordert, eineReihe von Problemen zu untersuchen, die für diese Berufsgruppe besondersrelevant sind und für die ihrer Ansicht nach Maßnahmen auf EU-Ebeneerforderlich sind. Das betrifft insbesondere die Niederlassungsfreiheit fürAbschlußprüfer und die freie Gewährung entsprechender grenzüberschreitenderDienstleistungen sowie die Berufshaftpflicht.

2.9 Letztendlich könnte sich das Fehlen eines abgestimmten EU-Standpunkts zurRolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers als ernsthaftes Hindernis inden Verhandlungen erweisen, die gegenwärtig auf internationaler Ebene zurVerbesserung des Zugangs der europäischen Unternehmen zum internationalenKapitalmarkt geführt werden. Im vergangenen Jahr legte die Kommission eineMitteilung an den Rat und das Europäische Parlament zur "Harmonisierung aufdem Gebiet der Rechnungslegung: eine neue Strategie im Hinblick auf dieinternationale Harmonisierung" (KOM(95)508) vor. Darin kündigte sie eineneue Strategie an, die es europäischen Unternehmen mit internationalerAusrichtung ermöglichen würde, sich auf dem internationalen Kapitalmarkt zubedienen, ohne dafür unterschiedliche Abschlüsse erstellen zu müssen. DieKommission erklärte ihre Unterstützung für den internationalenHarmonisierungsprozeß unter Federführung des International AccountingStandards Committee (IASC) und der International Organisation of SecuritiesCommissions (IOSCO), mit dem das Ziel verfolgt wird, einigeschwerpunktmäßige Rechnungslegungsgrundsätze aufzustellen, die weltweitauf den Kapitalmärkten anerkannt werden. Dabei wird gegenwärtig versucht,durch verschiedene Maßnahmen den Einfluß der EU auf diesen internationalenHarmonisierungsprozeß zu erhöhen.

2.10 Es besteht jedoch eine erhebliche Gefahr, daß die von europäischenGesellschaften erarbeiteten Jahresabschlüsse und konsolidierten Abschlüsse aufinternationalen Kapitalmärkten nicht anerkannt werden, wenn sie nicht einemunabhängigen und dazu befugten Prüfer vorgelegt wurden und dieser diePrüfung entsprechend den als weltweit anerkannt geltendenPrüfungsgrundsätzen vorgenommen hat. Das International Auditing PracticesCommittee bei der International Federation of Accountants (IFAC) hat eineReihe internationaler Prüfungsgrundsätze erarbeitet. Die EU wird nunentscheiden müssen, ob sie diese Grundsätze unterstützt und wie und aufwelcher Grundlage in einem solchen Falle die europäische Einflußnahme auf dieEntwicklung internationaler Prüfungsgrundsätze erhöht werden kann.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

241

3. DIE ROLLE DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Definition der Pflichtprüfung

3.1 Obwohl nach der 4. und der 7. Richtlinie die Prüfung von Jahresabschlüssenund konsolidierten Abschlüssen durch eine dazu befugte Person erforderlich ist,enthalten sie keine Definition der Pflichtprüfung. Ebenso ist in den Richtlinienzu den Abschlüssen von Banken und Versicherungsgesellschaften dieNotwendigkeit einer Pflichtprüfung festgelegt, ohne diese genauer zudefinieren.

3.2 Nach der Definition der International Federation of Accountants (IFAC) sollder Prüfer aufgrund der von ihm durchgeführten Prüfung einschätzen können,ob die Abschlüsse in allen wesentlichen Punkten entsprechend festgelegtenRahmenkriterien erstellt wurden, die für die Vorlage von Abschlüssen gelten.

3.3 Wie zahlreiche Studien belegen, gibt es zwischen den Erwartungen, die dieÖffentlichkeit in eine Prüfung setzt, und den Auffassungen, die Prüfer selbstvon ihren Aufgaben haben, erhebliche Unterschiede. Diese Divergenz stellt fürdie Prüfer ein ernsthaftes Problem dar, denn je stärker die Erwartungen derÖffentlichkeit von ihrem eigenen Anliegen abweichen, desto weniger wird ihreArbeit geachtet und für glaubwürdig gehalten. Das Problem betrifft dieÖffentlichkeit insgesamt, denn eine gut funktionierende Marktwirtschaft istohne Vertrauen in geprüfte Abschlüsse kaum denkbar.

3.4 Bei einer Definition der Pflichtprüfung sollten die Anforderungen undErwartungen der Anwender, soweit sie gerechtfertigt erscheinen, sowie dieFähigkeit der Abschlußprüfer, diesen Anforderungen und Erwartungen gerechtzu werden, Berücksichtigung finden.

3.5 Die Anforderungen und Erwartungen der Anwender können als gerechtfertigterachtet werden, wenn

- die Aufgaben gesetzlich vorgeschrieben sind;

- Interessengruppen bereit sind, die Dienstleistung zu vergüten (d.h. esbesteht eine effektive Nachfrage);

- ein Abschlußprüfer bereit ist, die Dienstleistung zu erbringen (zu einemPreis, der insbesondere seiner Qualifikation, der Schwierigkeit derAufgabe, dem Zeitaufwand sowie dem eingegangenen Risikoentspricht) und auch die Voraussetzungen dafür besitzt.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

242

3.6 Die Leistung der Abschlußprüfer hängt nicht nur davon ab, was die Kunden zuzahlen bereit sind, sondern auch von den Fachkenntnissen und derRisikobereitschaft des Prüfers selbst. Einige der an die Prüfer gestelltenAnforderungen sind vermutlich insofern unangemessen, als die dafürerforderlichen Fähigkeiten bei den Prüfern nicht vorausgesetzt werden können.

3.7 Die Öffentlichkeit erwartet vom Abschlußprüfer, daß er zum Schutz derInteressen von Gesellschaftern, Gläubigern (z.B. Lieferanten, Banken undKreditinstituten), Rentnern, Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit generellbeiträgt, indem er ihnen Gewißheit in folgenden Fragen gibt:

- die Ordnungsmäßigkeit der Abschlüsse

- die Fortführung der Unternehmenstätigkeit/Solvenz der Gesellschaft

- das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten

- die Einhaltung der Rechtsvorschriften durch die Gesellschaft

- das verantwortungsbewußte Verhalten der Gesellschaft inumweltpolitischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten.

Es ist eine kurze Untersuchung dazu angebracht, inwiefern diese Erwartungenangemessen sind.

Die Ordnungsmäßigkeit der Abschlüsse

3.8 Unter den Anwendern von Abschlüssen ist offenbar die Ansicht weit verbreitet,daß ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk die materielleOrdnungsmäßigkeit der Abschlüsse gewährleistet.

3.9 Bei einer solchen Erwartung geht man allerdings von zwei irrtümlichenAnnahmen aus, nämlich daß zum einen Abschlüsse erstellt werden können, die"ordnungsmäßig" sind, und daß zum anderen die Abschlüsse in derVerantwortung des Prüfers liegen.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

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3.10 Was die erste Annahme anbelangt, so können nach übereinstimmenderAuffassung der Sachverständigen des Rechnungswesens Abschlüsse niemals indem Sinne "ordnungsmäßig" sein, daß jeweils nur ein Satz Zahlen dieErgebnisse der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und ihre Finanzverhältnissekorrekt widerspiegelt. In Anbetracht der verschiedenen Möglichkeiten, die fürdie bilanzielle Erfassung der komplexen Geschäftstätigkeit von Unternehmenbestehen, sowie der Ungewißheiten, mit denen die Entscheidungsfindung derLeitungsorgane behaftet ist, muß jeder Versuch zum Scheitern verurteilt sein,einen Satz von Daten des Rechnungswesens zu erarbeiten, der von allensachkundigen Beobachtern als "ordnungsmäßig" angesehen wird.

3.11 In der EU findet diese Erkenntnis darin ihre rechtliche Anerkennung, daß dieJahresabschlüsse und die konsolidierten Abschlüsse nach Maßgabe derBilanzrichtlinien ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bildvermitteln müssen. Die Stärke dieser Bestimmung, die ein tragendes Prinzip derBilanzrichtlinien darstellt, liegt darin, daß sie dem sich zwangsläufig ergebendenBewertungscharakter vieler Daten des Rechnungswesens Rechnung trägt.

3.12 Es wurde massive Kritik daran geübt, daß Prüfer beim Umgang mitAbschlüssen, die nur bei großzügiger Auslegung den Vorschriften entsprechen,keine konsequentere Linie verfolgen. Wenn die Abschlüsse nach Ansicht derPrüfer infolge der Bilanzierungswahlrechte und der Praxis bezüglich derAngaben, für die sich die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft entschiedenhaben, einen irreführenden Charakter tragen, sind sie entsprechend denPrüfungsleitlinien verpflichtet, den Bestätigungsvermerk einzuschränken undeindeutig alle für die Diskrepanzen maßgeblichen Faktoren sowie die damit fürdie Abschlüsse verbundenen Folgen anzuführen und wenn möglich einequantitative Einschätzung der Auswirkungen auf die Abschlüsse vorzunehmen.Ist der Prüfer zudem der Auffassung, daß die Diskrepanzen eine sogrundlegende oder durchgreifende Wirkung haben, daß die Abschlüsseinsgesamt als irreführend anzusehen sind, muß er entsprechend denPrüfungsleitlinien die Bestätigung versagen.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

244

3.13 Des weiteren wird oftmals fälschlicherweise angenommen, daß derAbschlußprüfer die Abschlüsse selbst erstellt und für sie verantwortlichzeichnet. Zweifellos jedoch trägt der Vorstand und nicht der Abschlußprüferdie Verantwortung für die Feststellung der (von der Unternehmensleitungerarbeiteten) Abschlüsse, die ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild vermitteln. Darüber hinaus werden von dessen Mitgliedernund nicht vom Abschlußprüfer die Bilanzierungswahlrechte undInformationspraxis festgelegt, die bei den Abschlüssen Anwendung finden. Diegesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft sind aufgrund ihrer Positioninnerhalb des Unternehmens am besten über deren Geschäftstätigkeit informiertund damit auch am besten in der Lage, deren Bücher zu führen und dieAbschlüsse vorzubereiten. Prüfer sollten unabhängig und völlig getrennt vonden Leitungs- und Aufsichtsorganen ihrer Auftraggeber agieren, wobei ihrePflichten deutlich abgegrenzt sind. Ihnen obliegt es festzustellen, ob ihrerAnsicht nach die Abschlüsse gemäß den gesetzlichen Vorschriften erarbeitetwurden und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln.

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit/Solvenz der Gesellschaft

3.14 Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, erwarten große Teile derÖffentlichkeit vom Bestätigungsbericht des Abschlußprüfers, daß er eineGewähr für die gesunde finanzielle Lage einer Gesellschaft bietet.

3.15 Bei der Erstellung von Jahresabschlüssen wird von der Fortführung derUnternehmenstätigkeit ausgegangen. Die gesetzlichen Vertreter derGesellschaft dürfen jedoch nur dann eine solche Prämisse zugrunde legen, wennsie tatsächlich von deren Richtigkeit überzeugt sind. (Ansonsten kommenandere Rechnungslegungsgrundsätze zur Anwendung.) In einigen Ländern wirdgegenwärtig erwogen, die gesetzlichen Vertreter zu einer Erklärung zuverpflichten, in der sie sich explizit dazu äußern, inwiefern die Gesellschaft zurFortsetzung der Unternehmenstätigkeit in der Lage ist, wobei sie dieFundiertheit ihrer Erklärung durch entsprechende Schritte zu belegen haben.

3.16 Prüfer sind zur aufmerksamen Beobachtung der Faktoren verpflichtet, diemöglicherweise die Ertragskraft der Gesellschaft verbessern oder aber zu einemVerlust an Mitteln führen. Nur so können sie einschätzen, ob es tatsächlichangemessen ist, von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen.Sie sollten das jeweilige Leitungs- oder Aufsichtsorgan warnen, sobald sieAnzeichen für eine Gefährdung dieses Fortbestands feststellen. Betrachten siedie Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit als gegeben, so schließt das dieSolvenz der Gesellschaft ein, d.h. diese wäre am Abschlußstichtag in der Lagegewesen, ihre Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen, wenn diese fälligsind. Wird von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen,erwarten die Anwender im Bestätigungsvermerk eine Aussage des Prüfers zurSolvenz.

3.17 Durch eine solche Forderung an den Prüfer werden jedoch die gesetzlichenVertreter nicht von der ihnen durch das Gesellschaftsrecht auferlegten

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

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Verpflichtung zur Feststellung der Solvenz ihrer Gesellschaft entbunden, undebensowenig wird dadurch die Schwere ihres Vergehens gemildert, sollten sieim Falle der Zahlungsunfähigkeit die Geschäftstätigkeit fortsetzen². Diegesetzlichen Vertreter nehmen eine ständige Verpflichtung gegenüber derGesellschaft wahr, wohingegen sich die Meinung der Prüfer auf einenTatbestand bezieht, wie er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellt.

3.18 Prüfer müssen sorgfältig abwägen, in welcher Weise sie sich öffentlich zumöglicherweise von ihnen gehegten Bedenken äußern. Für den Fortbestandeiner Gesellschaft kann es durchaus entscheidend sein, daß in der Öffentlichkeitnichts über eventuelle Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeitverlautet. Stellen beispielsweise die Prüfer in ihrem Bericht fest, daß diebetreffende Gesellschaft nur dann fortbestehen kann, wenn die Banken derenKredite auch weiterhin bei Fälligkeit erneuern und die Lieferanten auchzukünftig normale Zahlungsfristen gewähren, könnte dies dazu führen, daß dieBanken eine unverzügliche Kreditrückzahlung verlangen und die Lieferantenauf Zahlung bei Lieferung bestehen.

3.19 Andererseits hätten einige Gesellschaften nicht in Konkurs gehen und dieAnteilseigner und Gläubiger nicht ihr Geld in den Rauch schreiben müssen,wenn die Probleme frühzeitiger erkannt worden wären. Außerdem gibt esBeispiele für Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen können,obwohl allgemein bekannt ist, daß sie mit Liquiditätsproblemen zu kämpfenhaben und eine Änderung der Kapitalstruktur zur Diskussion steht. In der Tatzeigte sich bei einigen Studien, in denen ein Vergleich zwischen Gesellschaftenmit ausdrücklich vermerkter Bestandsgefährdung und Gesellschaften ohne einesolche Einschränkung angestellt wurde, daß es bezüglich der Überlebensquotekeine Unterschiede gab.

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3.20 Einige Mitgliedstaaten haben spezielle Verfahrensweisen2 festgelegt, die vonden gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft und den Prüfern zu befolgen sind,wenn eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit in Zweifel gezogen wird.Verschiedene Berichte zur Unternehmensführung befassen sichschwerpunktmäßig mit dieser Problematik, und in einigen wird vorgeschlagen,daß die gesetzlichen Vertreter den Prüfern eine schriftliche Erklärung vorlegensollten, in der sie bestätigen, daß die Gesellschaft ihrer Ansicht nach vomZeitpunkt der Feststellung der Abschlüsse an für zwölf Monate dieUnternehmenstätigkeit fortführen kann. Diese Auffassung ist entsprechend zudokumentieren, und die Prüfer wiederum sind verpflichtet, die von dengesetzlichen Vertretern geäußerte Ansicht zur Fortführung derUnternehmenstätigkeit durch spezielle Verfahren zu überprüfen. Sowohl imCadbury- als auch im Vienot-Bericht3 wird vorgeschlagen, die Leitungsorganezu verpflichten, daß sie sich selbst von der Richtigkeit der Annahme derUnternehmensfortführung überzeugen und den Gesellschaftern entsprechendBericht erstatten. Aufgabe der Prüfer sollte es sein, die von den gesetzlichenVertretern geäußerte Auffassung zur Unternehmensfortführung zu überprüfenund ihre Meinung dazu kundzutun.

3.21 Obwohl weder die Leitungsorgane noch die Abschlußprüfer für die Zukunftgesunde finanzielle Verhältnisse der Gesellschaft garantieren können, scheint esdoch angemessen, von den gesetzlichen Vertretern eine öffentliche Erklärungdahingehend zu erwarten, ob sie in Anbetracht des wirtschaftlichen Umfeldes,in dem die Gesellschaft operiert und künftig zu operieren gedenkt, dieverfügbaren Finanzmittel für ausreichend halten, damit die Gesellschaft fürmindestens zwölf Monate ab dem Tag der Feststellung der Abschlüsse durchdie gesetzlichen Vertreter die Unternehmenstätigkeit fortführen kann. Ebensoangemessen erscheint die Durchführung spezieller Verfahren durch die Prüfer,mit denen sie die Einschätzung der gesetzlichen Vertreter kontrollieren, sowiedie öffentliche Bekanntgabe der Prüfergebnisse.

2 Diese Verfahren gehen über das hinaus, was von Artikel 17 Absatz 1 der ZweitenRatsrichtlinie (77/91/EWG) vom 13. 12. 1976 gefordert wird; dieser Absatz sieht vor, daß beischweren Verlusten des gezeichneten Kapitals eine Hauptversammlung einzuberufen ist, um zuprüfen, ob die Gesellschaft aufzulösen ist oder andere Maßnahmen zu ergreifen sind.

3 Siehe Bibliographie im Anhang.

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Das Vorliegen von Betrugsdelikten

3.22 Prüfungen sind seit jeher mit der Aufdeckung von Unregelmäßigkeitenverbunden. Eine 1989 in Großbritannien durchgeführte Umfrage hat ergeben,daß 75 % der Öffentlichkeit - einschließlich der Mehrheit der mitfinanztechnischen Fragen vertrauten Personen - der Meinung sind, daß dieAufdeckung von Betrügereien aller Art zu den Aufgaben des Abschlußprüfersgehört. Die gleiche Umfrage kam zu dem Ergebnis, daß es 61 % derÖffentlichkeit für die Pflicht des Prüfers halten, gezielt nach Anzeichen vonBetrug zu suchen.

3.23 Bis in die jüngste Vergangenheit lautete die Standardantwort der Prüfer, daßihre Hauptaufgabe nicht in der Verhinderung oder Aufdeckung vonUnregelmäßigkeiten bestehe und dies ohnehin unmöglich sei. Erst in denachtziger Jahren wurde in einigen Mitgliedstaaten im Rahmen derRechtsvorschriften versucht, die Aufdeckung und Meldung von betrügerischenHandlungen ausdrücklich zu einem Ziel der Prüfung zu machen. Seitdem sinddie Regierungen besonders um die Fragen von "Ordnung und Sicherheit", derWirtschaftskriminalität und des Anlegerschutzes bemüht, zumal in einigenMitgliedstaaten publizitätsträchtige Affären für Schlagzeilen gesorgt hatten.

3.24 Ordnungspolitische Gremien in einer Reihe von Mitgliedstaaten habenLeitlinien zu den Pflichten des Abschlußprüfers im Hinblick auf Betrugsdeliktesowie sonstige Unregelmäßigkeiten und Fehler herausgegeben. Darin werdendie jeweiligen Verantwortlichkeiten der Unternehmensleitung und des Prüfersspezifiziert, wobei die Hauptverantwortung für die Aufdeckung vonBetrügereien sowie sonstigen Unregelmäßigkeiten und Fehlern beimLeitungsorgan liegt. Sie wird als Teil seiner Verwaltungstätigkeit angesehen.Die Aufgabe des Prüfers ist es, seine Prüfungstätigkeit so zu planen,auszuführen und zu bewerten, daß hinreichend mit der Aufdeckungwesentlicher Falschangaben in den Abschlüssen gerechnet werden kann,unabhängig davon, ob diese durch Betrug bzw. sonstige Unregelmäßigkeitenoder aber durch Fehler verursacht wurden.

3.25 Sollte bei einem Abschlußprüfer im Verlauf der Prüfung der Verdacht aufbetrügerische Machenschaften aufkommen, so ist er entsprechend denEmpfehlungen der Leitlinien verpflichtet, seine Untersuchungen so langefortzusetzen, bis sich der Verdacht entweder bestätigt hat oder aberausgeräumt werden konnte. In einigen Mitgliedstaaten wird empfohlen, daß derPrüfer alle während der Prüfung aufgedeckten Unregelmäßigkeitenunverzüglich der Unternehmensleitung meldet, auch wenn sie sich im Rahmendes Unternehmensabschlusses nur unerheblich auswirken. Von einer solchenBerichterstattung ist lediglich dann Abstand zu nehmen, wenn eine Beteiligungder Unternehmensleitung an den Betrügereien vermutet wird. Unter diesenUmständen sollte der Prüfer die Angelegenheit einer zuständigen Behördemelden. In einigen Mitgliedstaaten sind die Abschlußprüfer angehalten, eineMitteilung an das Justizministerium zu machen.

3.26 In den Prüfungsleitlinien wird darauf hingewiesen, daß der Prüfer imöffentlichen Interesse möglicherweise erst nach Inanspruchnahme einerRechtsberatung entscheiden sollte, ob die Angelegenheit einer zuständigen

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Behörde übergeben wird. Die Schwierigkeit für die Abschlußprüfer bestehtdarin, daß sie die Entscheidung normalerweise aufgrund vonVerdachtsmomenten und weniger in Anbetracht bewiesener Fakten treffenmüssen. Teilen sie ihren Verdacht einem Dritten mit, ohne ihn anschließenderhärten zu können, müssen sie unter Umständen mit gerichtlichen Schrittenrechnen.

3.27 Im Finanzsektor wurden die diesbezüglichen Verantwortlichkeiten der Prüfer inden meisten Mitgliedsstaaten durch rechtliche Vorschriften genau festgelegt.Sie entbinden die Prüfer gegenüber ihren Auftraggebern von derVerschwiegenheitspflicht und berechtigen sie zur Mitteilung an eineAufsichtsbehörde, verpflichten sie jedoch nicht dazu.

Spezielle Festlegungen dazu trifft die Richtlinie 95/26/EG des Rates vom Juni1995, in der es in Artikel 5.1 heißt, daß der Abschlußprüfer einesFinanzunternehmens "die Verpflichtung hat, den zuständigen Behördenunverzüglich alle Tatsachen oder Entscheidungen zu melden, von denen er beider Wahrnehmung dieser Aufgaben Kenntnis erhalten hat und die

- eine Verletzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften darstellenkönnen, welche die Zulassungsbedingungen regeln oder im besonderenfür die Ausübung der Tätigkeit der Finanzunternehmen gelten, oder

- die Fortsetzung der Tätigkeit des Finanzunternehmens beeinträchtigenkönnen, oder

- die Ablehnung der Bestätigung ordnungsgemäßer Rechnungslegungoder Vorbehalte nach sich ziehen können..."

Des weiteren besagt Artikel 5.2 der Richtlinie: "Machen die gemäß derRichtlinie 84/253/EWG zugelassenen Personen (der Abschlußprüfer) denzuständigen Behörden in gutem Glauben Mitteilung über die in Absatz 1genannten Tatsachen oder Entscheidungen, so gilt dies nicht als Verletzungeiner vertraglich oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregeltenBekanntmachungsbeschränkung und zieht für diese Personen keine Haftungnach sich."

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Diese Richtlinie soll bis Juli 1996 in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

3.28 Im Falle schwerwiegender Betrugsdelikte müssen die Abschlußprüfersicherstellen, daß die Abschlüsse die Auswirkungen des Betrugs manifestierenund alle erforderlichen Details offengelegt sind. Sind die Prüfer danachüberzeugt, daß die Abschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild vermitteln, ist eine Einschränkung desBestätigungsvermerks nicht erforderlich. Spielt das Betrugsdelikt imZusammenhang mit den Abschlüssen keine so wesentliche Rolle, entscheidendie gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft über die Notwendigkeit einerOffenlegung. In Anbetracht der Tatsache, daß bei nicht aufgedecktenschwerwiegenden Betrugsdelikten die Abschlüsse kein den tatsächlichenVerhältnissen der Gesellschaft entsprechendes Bild zeichnen, sollte es durchausAufgabe der Prüfer sein, im Interesse der Verläßlichkeit ihrer Beurteilung dievon ihnen für notwendig erachteten Mittel einzusetzen, um derartigeMachenschaften aufzudecken.

3.29 Die Öffentlichkeit erwartet, daß die Möglichkeiten für betrügerischeHandlungen auf ein Minimum reduziert werden. Vom Vorstand kann mit Fugund Recht erwartet werden, daß er für die Einrichtung und Aufrechterhaltungeines internen Kontrollsystems verantwortlich zeichnet, das nur wenig Raumfür Betrugsdelikte läßt und gleichzeitig mit größter Wahrscheinlichkeit eineschnelle Aufdeckung betrügerischer Aktivitäten ermöglicht. Ebenso kann vonden Abschlußprüfern erwartet werden, daß sie im Bestätigungsvermerk(Prüfungsbericht) das Vorhandensein derartiger Systeme festhalten und eineEinschätzung zu deren Zweckmäßigkeit vornehmen. Auch sollten die Prüfer diegesetzlichen Vertreter in ihrem Bemühen um die Verhinderung undAufdeckung von Betrügereien unterstützen, indem sie über möglicherweiseentdeckte Schwachstellen in den Innenrevisionssystemen und über sämtlicheauftretende Verdachtsmomente informieren.

Die Einhaltung der Rechtsvorschriften durch die Gesellschaft

3.30 Es herrscht offenbar die Auffassung vor, daß es die Pflicht des Prüfers ist,Verstöße gegen das Gesellschaftsrecht oder speziell darauf bezogenegesetzliche Vorschriften festzustellen. Es kann jedoch vom Prüfer nichttatsächlich eine Berichterstattung zu Angelegenheiten erwartet werden, dieüber seine Kompetenz oder seine Sachkenntnis hinausgehen, insbesondere auchin Anbetracht des heutzutage so komplizierten rechtlichen Umfeldes.

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3.31 In der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter sollte ein internesKontrollsystem eingerichtet und aufrechterhalten werden, das die Vornahmerechtswidriger Handlungen im Namen der Gesellschaft so gut wie unmöglichmacht und gleichzeitig mit größter Wahrscheinlichkeit eine schnelleAufdeckung derartiger Handlungen ermöglicht. Vom Abschlußprüfer kanndurchaus erwartet werden, daß er im Bestätigungsvermerk (Prüfungsbericht)das Vorhandensein derartiger Systeme festhält und eine Einschätzung zu derenZweckmäßigkeit vornimmt.

3.32 Im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Erarbeitung von Abschlüssen, die ein dentatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln, müssen diegesetzlichen Vertreter gewährleisten, daß die Abschlüsse die finanziellenAuswirkungen aufgedeckter rechtswidriger Handlungen widerspiegeln, soferndiese als schwerwiegend beurteilt werden. Der Abschlußprüfer muß imZusammenhang mit der von ihm vorzunehmenden Beurteilung, ob dieAbschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln,bestätigen, daß sich die finanziellen Auswirkungen derartiger rechtswidrigerHandlungen in den Abschlüssen manifestieren.

Das verantwortungsbewußte Verhalten der Gesellschaft in umweltpolitischenund gesellschaftlichen Angelegenheiten

3.33 In den letzten Jahren wurden immer wieder Forderungen laut, das sozialeVerhalten der Gesellschaften einer Prüfung zu unterziehen, vornehmlich imHinblick auf die physische Umwelt, aber auch unter dem Aspekt derBeschäftigungspraxis, der Betriebssicherheit,von Wirtschaftssanktionen,Maßnahmen zur Produktentwicklung und anderen Aspekten, die sowohl für diebreite Öffentlichkeit als auch für bestimmte Interessengruppen von Bedeutungsind.

3.34 Ohne auf die Vorzüge einer solchen Prüfung bzw. solcher Prüfungen nähereingehen zu wollen, sollte man sich doch die Frage stellen, ob derAbschlußprüfer über die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen fürdiese Tätigkeit verfügt oder ob es sich dabei nicht vielmehr um eine von derPflichtprüfung getrennte Maßnahme handeln sollte, die von dazu befugtenSachverständigen in den einzelnen Bereichen durchgeführt wird.

3.35 Obwohl dem Abschlußprüfer die Beurteilung von Angelegenheiten außerhalbseiner Kompetenz und Sachkenntnis nicht zugemutet werden kann, läßt sichdurchaus argumentieren, daß sich die Prüfer mit einer ständigen Erweiterungihrer Verpflichtungen entsprechend den steigenden Erwartungen derÖffentlichkeit einverstanden erklären sollten. Unter den entsprechendenzeitlichen Voraussetzungen und bei einem hinlänglichen Konsens über diegesetzten Erwartungen kann der Prüfer selbst die erforderliche Sachkenntnis inBereichen, die über die strikte Finanzprüfung hinausgehen, erwerben.

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Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

3.36 Aufgrund des Fehlens einer in der EU allgemein geltenden Definition derPflichtprüfung kommt es zu einer sehr schädlichen Kluft zwischen Realität undErwartungshaltung. Eine einheitliche Handhabung der Pflichtprüfung unterBerücksichtigung der neuesten Entwicklungen auf internationaler Ebene scheinterstrebenswert. Wenn durch die Prüfung das Vertrauen in die veröffentlichtenAbschlüsse erhöht werden soll, müssen die Nutzer eine Vorstellung davonhaben, welches Maß an Verläßlichkeit mit dem Bestätigungsvermerk verbundenist. Besondere Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang gebührt der Rolledes Prüfers im Hinblick auf die Fortführung der Unternehmenstätigkeit sowiebezüglich der Maßnahmen, die er im Falle von Betrugsdelikten und sonstigenrechtswidrigen Handlungen zu ergreifen hat.

3.37 Es sollte darüber nachgedacht werden, in welchem Ausmaß die bestehendenInternationalen Prüfungsgrundsätze Ausgangspunkt für eine allgemeineDefinition der Pflichtprüfung sein können. Volle Berücksichtigung müßtenallerdings auch die Besonderheiten finden, durch die sich das europäische vominternationalen Umfeld unterscheidet.

3.38 Im Interesse ihrer Wirksamkeit müßte die allgemeine Definition Bestandteil desordnungspolitischen Rahmens in allen Mitgliedstaaten werden. Es ist zuüberlegen, ob zu diesem Zwecke eine EU-Richtlinie erforderlich ist oder eineEmpfehlung ausreicht. In beiden Fällen muß der Flexibilität großeAufmerksamkeit geschenkt werden, so daß jede Rechtsvorschrift problemlosden sich rasch ändernden Bedingungen angepaßt werden kann, unter denen derPrüfer tätig ist.

Der Bestätigungsvermerk (Prüfungsbericht)

Inhalt des Bestätigungsvermerks

3.39 Mit dem Bestätigungsvermerk wendet sich der Abschlußprüfer an dieGesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer sowie an die Öffentlichkeit. Er istdas Ergebnis der Abschlußprüfung. In der Regel wird zwischen ausführlichemPrüfungsbericht und Bestätigungsvermerk unterschieden. Der ausführlicheBericht ist für die Unternehmensleitung bestimmt und normalerweise derÖffentlichkeit nicht zugänglich.

3.40 Der Inhalt des Bestätigungsvermerks ist zwar nicht in den Bilanzrichtliniengeregelt, doch legt das Gesellschaftsrecht der meisten Mitgliedstaaten die inden Bestätigungsvermerk aufzunehmenden Sachverhalte fest. In sämtlichenMitgliedstaaten haben die Berufsvereinigungen eine einheitliche Form desBestätigungsvermerks erarbeitet, doch ist dessen Verwendung nur in dreiMitgliedstaaten zwingend vorgeschrieben.

3.41 In der Regel enthält der Bestätigungsvermerk über die Jahresabschlußprüfungin den Mitgliedstaaten folgende Angaben:

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- ob der Abschlußprüfer alle Auskünfte und Erläuterungen erhalten hat,die er nach bestem Wissen und Gewissen für seine Abschlußprüfung alsnotwendig erachtet;

- ob das Unternehmen nach seiner Einschätzung die Grundsätzeordnungsgemäßer Buchführung beachtet hat,

- ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluß im Einklang steht,

- ob der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissenentsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslagevermittelt,

- ob der Jahresabschluß den gesellschaftsrechtlichen Vorschriftenentspricht,

- ob die Prüfung entsprechend den Prüfungsgrundsätzen erfolgte.

3.42 Schaut man sich die Bestätigungsvermerke für die größten börsennotiertenUnternehmen der Mitgliedstaaten einmal näher an, so gibt in der derzeitigenForm lediglich das Fehlen einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks einengewissen Aufschluß. Ansonsten sagen sie nichts darüber aus, welcheGegenleistung die Abschlußprüfer, die von den Gesellschaftern bestellt werdenund diesen über ihre Tätigkeit berichten, eigentlich für das ihnen gezahlteHonorar erbringen. Ohne nähere Informationen ist es aber für Investoren undandere Adressaten schwierig, sich ein reales Bild von der Verläßlichkeit desBestätigungsvermerkes zu machen.

3.43 Es besteht wohl weitgehend Einigkeit darüber, daß mehr Informationen überUmfang und Art der Tätigkeit gegeben werden sollten, auf denen derBestätigungsvermerk beruht. Die Anwender betrachten denBestätigungsvermerk sehr häufig als Gewähr oder Bestätigung für ihreEntscheidungsfindung. Somit müßte aus dem Bestätigungsvermerk eindeutighervorgehen, worin die Aufgaben des Abschlußprüfers bei derBerichterstattung über den Jahresabschluß bestehen.

Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

253

3.44 Die Ergebnisse neuerer Untersuchungen zeigen, daß in der EU dieHarmonisierung der Form und des Wortlauts des Bestätigungsvermerks in denletzten zehn Jahre weiter vorangeschritten ist. Dies ist größtenteils auf einebreitere und durchgängigere Anwendung der einschlägigen internationalenPrüfungsgrundsätze zurückzuführen. Es bestehen aber noch Unterschiedezwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Umfang und Verbreitung deseinheitlichen Bestätigungsvermerks bei Pflichtprüfungen. Diese Unterschiedewirken sich insoweit auf den Binnenmarkt aus, als die in anderenMitgliedstaaten erstellten Berichte dadurch an Aussagefähigkeit verlieren.Grundsätzlich sollte ein gleiches Vorgehen bei der Pflichtprüfung seinenNiederschlag in einer gleichlautenden Formulierung des Bestätigungsvermerksfinden.

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

3.45 Sobald eine Einigung über die Definition der Pflichtprüfung erreicht worden ist,dürfte es leichter werden, sich über den Mindestinhalt desBestätigungsvermerks zu verständigen. Da sich der Abschlußprüfer mit demBestätigungsvermerk an die Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer sowiean die Öffentlichkeit wendet, erscheint es zweckmäßig, in der gesamten EUeinen Bestätigungsvermerk mit gleichem Wortlaut zu verwenden.

3.46 In verschiedenen Mitgliedstaaten wurde der Wortlaut desBestätigungsvermerks mit der von der International Federation of Accountantserarbeiteten Fassung in Übereinstimmung gebracht. Es ist zu überlegen,inwieweit dieser Wortlaut den Ausgangspunkt für eine gemeinsame Formel aufEU-Ebene bilden könnte. Zugleich sind aber Besonderheiten, durch die sich dieeuropäischen von den internationalen Rahmenbedingungen unterscheiden,gebührend zu berücksichtigen. Um besser den Erwartungen zu entsprechen,müßte der Bestätigungsvermerk mehr darüber aussagen, was derAbschlußprüfer konkret getan hat, welche Prüfungsgrundsätze er bei derWahrnehmung seiner Aufgaben befolgte und ob die vom Unternehmenzusammengestellten Daten des Rechnungswesens den gesetzlichen undsonstigen Vorschriften entsprechen. Es wäre auch erforderlich, daß derAbschlußprüfer etwaige Einschränkungen deutlich vermerkt.

3.47 Wie bei der Definition der Pflichtprüfung erscheint es notwendig, daß diegemeinsame Definition des Bestätigungsvermerks durch gesetzlicheBestimmungen der Mitgliedstaaten untermauert wird. Dabei ist zu überlegen,ob dies in Form einer bindenden Rechtsvorschrift (d.h. einer Richtlinie) auf EU-Ebene erfolgen sollte oder ob eine Empfehlung der Kommission dafürausreicht. In jedem Falle ist dabei Flexibilität vonnöten, damit die gesetzlichenAnforderungen problemlos dem sich rasch verändernden Umfeld desAbschlußprüfers angepaßt werden können, insbesondere den Entwicklungen imZusammenhang mit der Einführung neuer Informationstechnologien.

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4. DIE STELLUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Qualifikation des Abschlußprüfers

Mindestvoraussetzungen nach der 8. Richtlinie

4.1 Es steht außer Zweifel, daß nur hochqualifizierte Fachleute zur Ausübung derTätigkeit eines Abschlußprüfers befähigt sind. Daher werden in der 8. Richtlinievom 10. April 1984 über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung derRechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen sehr hohe Anforderungenan die Zulassung gestellt.

4.2 Allerdings können die Unterschiede in den Bildungssystemen derMitgliedstaaten nicht außer acht gelassen werden. Daraus ergaben sichSchwierigkeiten, als bei der Umsetzung der Richtlinie versucht wurde, dieBerufsabschlüsse der Mitgliedstaaten miteinander zu vergleichen. InFachkreisen wird es deshalb für notwendig erachtet, daß Berufsangehörige, diegrenzüberschreitend tätig sein wollen, die Berufsbezeichnung in dem jeweiligenMitgliedstaat erwerben.

4.3 Die 8. Richtlinie hat zwar zu einem gewissen Maß an Harmonisierung in diesemBereich geführt, doch bestehen nach wie vor starke Unterschiede. Über dieverschiedenen Sachgebiete, die in Artikel 6 der 8. Richtlinie als Bestandteile derPrüfung der theoretischen Kenntnisse aufgeführt sind, hat man sich bisherinhaltlich nicht einigen können. Das Fehlen eines gemeinsamen Ansatzes wurdedeutlich sichtbar, als neue Mitgliedstaaten der EU beitraten und als mittel- undosteuropäische Staaten um technische Hilfe bei der Konzipierung vonAusbildungsprogrammen für Abschlußprüfer ersuchten.

4.4 Die Entwicklung der Informationstechnologie dürfte weitreichende Folgen fürdie Funktion der Prüfung haben. Sie wird bisweilen als Existenzbedrohung fürdie Abschlußprüfer angesehen, da die Bedeutung der veröffentlichtenJahresabschlüsse für Investoren im Abnehmen begriffen ist; diesen könnte esauf andere Weisen möglich werden, auf permanenter Basis finanzielleInformationen zu erhalten. Es können sich daraus aber auch neueMöglichkeiten im Sinne von Funktionen der Bestätigung neuerInformationsströme, -systeme und -arten ergeben, die mit dem Übergang zumInformationszeitalter zunehmend die Kommunikation zwischenBerichtseinheiten und Adressaten bestimmen. Dies hat zwangsläufig Folgen fürdie erforderlichen Kenntnisse, wie sie gegenwärtig in der 8. Richtlinie dargelegtsind. die jedoch niedergelegt wurden, als sich die Prüffunktion in einem anderentechnischen Umfeld befand. Deshalb und aus anderen Gründen kann esnotwendig werden, Artikel 6 der 8. Richtlinie den Erfordernissen anzupassenoder zu präzisieren.

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Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

4.5 Es ist bedauerlich, daß weder die Berufsvereinigungen noch die Hochschulenkonkrete Schritte unternommen haben, um die in der 8. Richtlinie genanntenfachlichen Voraussetzungen zu präzisieren. Die Bestimmung der Lehrinhalteder Ausbildung von Abschlußprüfern sollte doch in erster Linie Sache derersein, die unmittelbar in den Ausbildungsprozeß einbezogen sind. Ein höheresMaß an Harmonisierung auf diesem Gebiet würde zweifellos die Anwendungder Richtlinien über die gegenseitige Anerkennung der Hochschuldiplomeerleichtern (siehe auch Abschnitt 8). Dabei liegt wohl auf der Hand, daß dieAbschlußprüfer durch ihre Ausbildung auf die Tätigkeit in einem gemeinsamenBinnenmarkt vorbereitet werden müssen. Eine solche Initiative aufeuropäischer Ebene könnte ergriffen werden zum Beispiel im Rahmen desneuen Gemeinschaftsprogrammes SOCRATES und im besonderen Kapitel I -ERASMUS, Aktion 1.D über Projekte von gemeinsamem Interesse im Rahmender Zusammenarbeit von Universitäten ("Thematic Networks"); diesesProgramm bietet ein Forum zur Reflektion; es schließt Vertreter der sozio-ökonomischen und der Berufswelt in verschiedenen Studienbereichen,einschließlich der Vertreter anderer an diesen Programmen teilnehmendenStaaten, ein.

4.6 Eine Aktualisierung der in Artikel 6 der 8. Richtlinie enthaltenen Aufstellungvon Sachgebieten erfordert eine Abänderung der Richtlinie. Falls bzw. sobalddies für zweckmäßig erachtet wird, sollte die Einführung eines Verfahrens inErwägung gezogen werden, das künftig Änderungen ermöglicht, ohne daß dervollständige Rechtsetzungsprozeß durchlaufen wird.

Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers

Definition der Unabhängigkeit

4.7 Nach der 8. Richtlinie muß sichergestellt sein, daß der Abschlußprüferunabhängig ist. Bei Verabschiedung der Richtlinie konnte man sich nicht aufeine gemeinsame Definition der Unabhängigkeit einigen. Daher ist dieseAngelegenheit von den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt worden.

4.8 Wie von der FEE hervorgehoben wird, demonstriert der Abschlußprüfer vorallem durch seine Unabhängigkeit, daß er seine Aufgabe unparteilichwahrzunehmen vermag. Bei der Unabhängigkeit geht es zum einen um dieUnbefangenheit, d.h. die innere Einstellung bei der Beurteilung aller für seineAufgabe maßgeblichen Tatbestände, und zum anderen um die Unabhängigkeitnach außen, d.h. die Vermeidung von Sachverhalten und Umständen, die soschwer ins Gewicht fallen, daß ein informierter Dritter die Unparteilichkeit desAbschlußprüfers in Zweifel ziehen würde.

4.9 In den letzten Jahren wurden Besorgnisse über die sich abzeichnendeGefährdung der Unabhängig des Abschlußprüfers laut. In verschiedenenUntersuchungen wurde darauf verwiesen, daß Unternehmen zunehmend bereitsind, Abschlußprüfer abzulehnen, unterschiedliche Meinungen einzuholen, die

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Auffassungen von Abschlußprüfern juristisch beurteilen zu lassen undAbschlußprüfer zu wechseln. Wie in einigen Berichten vermerkt, wäre esaufgrund des Wettbewerbsdrucks naiv anzunehmen, daß alle Abschlußprüferjederzeit das Risiko des Auftragsverlusts ignorieren. Es wurde Kritik darangeäußert, daß die Prüfungstätigkeit an Professionalität eingebüßt hat und sichstatt dessen eine “geschäftsmäßige” Haltung breitmacht.

4.10 Darüber hinaus ist es zunehmend üblich, den Prüfungsauftrag imAusschreibungsverfahren zu vergeben. Bei solchen Ausschreibungen geht es inerster Linie darum, die Dienste von Abschlußprüfern möglichst kostengünstigin Anspruch nehmen zu können. Bisweilen heißt es, daßUnternehmensleitungen dieses Verfahren anwenden, um auf den bisherigenAbschlußprüfer Druck auszuüben, insbesondere beiMeinungsverschiedenheiten.

4.11 Die zunehmenden Verteilungskämpfe um das “Prüfgeschäft” und insbesondereum die Abschlußprüfung bei großen “prestigeträchtigen” Gesellschaften gibtebenfalls Anlaß zur Besorgnis. Zweifellos kommt es hier und dort zuAngeboten, die sehr kostengünstig sind oder gar unter den Selbstkosten liegen.Dabei sollte das Ausschreibungsverfahren, das ja für Transparenz undWettbewerb sorgt, nicht dazu führen, daß die Abschlußprüfer Honorareangeben, die ihnen nicht die Wahrnehmung ihrer Aufgaben entsprechend denStandesregeln gestatten.4 Einige Beobachter schließen daraus, daß dieerfolgreichen Bewerber darauf spekulieren, den Fehlbetrag der Prüfungskostendurch andere Beratungsleistungen wieder wettmachen zu können. Diesezusätzlichen Leistungen sind ein weiterer Streitpunkt.

4 Im Falle des öffentlichen Auftragswesens hat der Rat verschiedene Vorschriften zurGewährleistung der Transparenz bei Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber erlassen.Diese Vorschriften gelten auch für die Tätigkeit von Abschlußprüfern. Siehe Richtlinien92/50/EWG und 93/38/EWG - Anhang I/A - Kategorie 9.

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4.12 Die Frage, ob der Abschlußprüfer für den Auftraggeber noch weitereLeistungen erbringen sollte, wird seit langem lebhaft erörtert. Einerseits heißtes, daß die Erbringung weiterer Leistungen den Prüfer in die Lage versetzt, sichbesser mit dem Unternehmen des Auftraggebers und den Betriebsabläufenvertraut zu machen, und ich dadurch die Qualität der Prüfungstätigkeit erhöht.Es wird auch damit argumentiert, daß keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daßder Umfang der Honorare für zusätzliche Leistungen im Vergleich zur Höhedes Prüfungsentgelts die Unparteilichkeit in Frage stellt. Andererseits wird aberebenso nachdrücklich die Auffassung vertreten, daß sich die Erbringung einerVielzahl zusätzlicher Leistungen für ein zu prüfendes Unternehmen negativ aufdie Unparteilichkeit des Abschlußprüfers auswirken kann. Es sind Sicherungenerforderlich, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen.

4.13 Derartige Sicherungen könnten darin bestehen, daß die Erbringung weitererLeistungen auf Aufgaben beschränkt wird, die nach Art und Anspruch mit demBerufsbild des Abschlußprüfers vereinbar sind und seine Unparteilichkeit nichtbeeinträchtigen dürften, oder daß die Vergütung sowohl für diePrüfungstätigkeit als auch für die sonstigen Leistungen offenzulegen ist. EineLösung, bei dem Abschlußprüfern die Erbringung weiterer Leistungen für denAuftraggeber untersagt wird, würde offenkundig das Problem derUnabhängigkeit nach außen lösen. Wie sich aber in der Praxis gezeigt hat, istdies keine tragfähige Alternative, da sich diese Bestimmung sehr leicht dadurchumgehen läßt, daß die Leistung von einem verbundenen oder assoziiertenUnternehmen erbracht wird.

4.14 Auf alle Fälle sollte der Abschlußprüfer aber darauf achten, daß er und seinUnternehmen nicht in die Unternehmensführung oder in dieEntscheidungsprozesse des Auftraggebers eingebunden ist. Der Prüfer solltenicht an der Aufstellung der Abschlüsse seines Auftraggebers mitwirken, sichnicht an der Bewertung von Aktiva oder Passiva zur Aufnahme in dieAbschlüsse beteiligen, nicht für den Auftraggeber bei der Klärung vonRechtsstreitigkeiten tätig sein, die sich materiell auf die Abschlüsse auswirkenkönnen, und auch keine Leistungen erbringen, die unmittelbare Auswirkungenauf die Unternehmensleitung haben, wie z.B. die Einstellung vonFührungskräften.

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4.15 Einige Kommentatoren halten es für bedenklich, wenn eine Gesellschaft diegleichen Abschlußprüfer für einen langen Zeitraum beibehält. Es heißt, daßdaraus ein zu enges und vertrautes Verhältnis mit der Unternehmensleitungerwachsen kann, bei dem die Prüfer zu sehr auf die Wünsche des Managementseingehen. Die Frage, ob bei der Pflichtprüfung ein turnusmäßiger Wechselvorgeschrieben werden sollte, ist Gegenstand einer lebhaften Diskussion. DieArgumente für eine solche Regelung sind nicht völlig überzeugend. In diesemZusammenhang sei vermerkt, daß einer von zwei Mitgliedstaaten, in denen einturnusmäßiger Wechsel vorgeschrieben war, dieses System erst unlängstabgeschafft hat. Eine Lösung, bei der die Unparteilichkeit des Abschlußprüfersdeutlicher sichtbar wird, zugleich aber die Effizienz- und Qualitätsnachteileeines turnusmäßigen Wechsels der Prüfungsgesellschaften vermieden werden,könnte im turnusmäßigen Wechsel von Berufsangehörigen bestehen, die dergleichen Prüfungsgesellschaft angehören.

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

4.16 Bei der Unabhängigkeit handelt es sich um ein wichtiges Anliegen. Je nachTradition und Erfahrung wird in den Mitgliedstaaten dabei unterschiedlichverfahren. Es ist unwahrscheinlich, daß man sich auf EU-Ebene schon bald aufeine gemeinsame Definition einigen kann, die den verschiedenen damit imZusammenhang stehenden Fragen gerecht wird. Die Verabschiedung vonVorschriften zum Thema Unabhängigkeit bewirkt noch keine Unabhängigkeitin der Praxis. Die Übereinkunft über einen gemeinsamen Kern wichtigerGrundsätze in allen Mitgliedstaaten würde jedoch einen bedeutenden Schrittzur Errichtung eines Binnenmarktes für Prüfungsdienstleistungen darstellen.Auf EU-Ebene könnten diese Grundsätze vom Berufsstand erarbeitet werden.

4.17 Es bleibt zu überdenken, welches das meist geeignete Instrument für eine vonder Praxis befolgte Übereinkunft auf EU-Ebene ist.

Die Stellung des Abschlußprüfers im Unternehmen

Die Pflichtprüfung und die Unternehmensführung

4.18 Die Pflichtprüfung ist ein wesentliches Element des Systems derUnternehmensführung. Um die Pflichtprüfung richtig einzuordnen, ist zwischenden Aufgaben der verschiedenen Organe einer Gesellschaft bei der Vorlage vonAbschlüssen zu unterscheiden. Während die gesetzlichen Vertreter für dieAufstellung des Abschlusses zuständig sind, hat der Abschlußprüfer denGesellschaftern über den ihm von den gesetzlichen Vertretern vorgelegtenAbschluß zu berichten. Dabei handelt der Abschlußprüfer im Interesse derGesellschafter, die mit Einlagen am Unternehmen beteiligt sind. Darüber hinauserlangen die von Dritten verwendeten Daten des Rechnungswesens durchseinen Bestätigungsvermerk Glaubwürdigkeit.

4.19 Da die Gesellschafter das größte unmittelbare Interesse am Ergebnis derPflichtprüfung haben, wurde in allen Mitgliedstaaten den Gesellschaftern dasRecht eingeräumt, auf der Hauptversammlung (bzw. Generalversammlung)

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über die Bestellung und Abberufung von Abschlußprüfern zu beschließen. Daaber bei den meisten börsennotierten Unternehmen ihre Zahl sehr hoch ist undsich die Zusammensetzung häufig ändert, besteht dafür kein effektiverMechanismus. Faktisch ist es so, daß der Vorstand als gesetzlicher Vertreterdie Abschlußprüfer bestellt und abberuft und seine Entscheidung von denGesellschaftern auf der Hauptversammlung lediglich formal bestätigen läßt. Ausdiesem Grunde werden die Abschlußprüfer wegen ihrer mangelndenUnabhängigkeit gegenüber den Unternehmensleitungen kritisiert. Es heißt, daßfür den Abschlußprüfer bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand(bzw. der Geschäftsführung) zu persönlich nicht verantwortbarenBehandlungsweisen bei der Aufstellung des Abschlusses ein Anreiz besteht, denWünschen des Vorstands nachzukommen. Bei solchen Differenzen kann derAbschlußprüfer in eine besonders mißliche Lage geraten, wenn dieUnternehmensleitung die Meinung anderer Prüfungsgesellschaften eingeholthat.

4.20 Es wird auch zu bedenken gegeben, daß infolge der faktischen Bestellung derAbschlußprüfer durch die gesetzlichen Vertreter beide Seiten ausKostengründen die Pflichtprüfung auf das Mindestmaß reduziert haben, das zurErfüllung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erforderlich ist, wie sie vonden Prüfungsgesellschaften selbst interpretiert werden. Wie weiter verlautet,soll dies dazu geführt haben, daß die Abschlußprüfer weniger Aufmerksamkeitauf die Bewertung der Effizienz und Leistungsfähigkeit des internenKontrollsystems verwenden, wodurch Betrugsdelikten und sonstigenUnregelmäßigkeiten Vorschub geleistet wird.

4.21 Die mit den gesetzlichen Vertretern zu treffende Vereinbarung über dieVergütung des Abschlußprüfers wirft ein weiteres Problem auf. Das Honorarwird in der Regel vorab vereinbart und beruht auf der gewöhnlich richtigenAnnahme, daß die Abschlußprüfer keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeitenfinden. Wenn aber die Abschlußprüfer bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabenauf Verdachtsmomente für betrügerische Machenschaften stoßen, die nachihrer Ansicht näher untersucht werden sollten, so müssen sie mit dengesetzlichen Vertretern ein Honorar für diese zusätzliche Tätigkeit vereinbaren.Ist die Unternehmensleitung selbst in die Unregelmäßigkeiten verstrickt, sogerät der Abschlußprüfer in eine sehr prekäre Situation.

4.22 Zur Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Abschlußprüferssind in einigen Mitgliedstaaten Verfahren entwickelt worden (bzw. werdenderzeitig in Erwägung gezogen), die den Gesellschaftern eine größere Gewährgeben, daß sie eine echte Entscheidungsmöglichkeit haben, z.B. durchverstärkten Einsatz von Prüfungsausschüssen und/oder durch Reformierung derVorstandsverfahren oder durch die Einbeziehung anderer Seiten wie desBetriebsrats bei der Bestellung und Abberufung des Abschlußprüfers.

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4.23 Sowohl im britischen Cadbury-Report als auch im französischen Vienot-Reportwird empfohlen, daß der Vorstand von börsennotierten Kapitalgesellschafteneinen Prüfungsausschuß mit mindestens drei nicht an der Geschäftsführungbeteiligten Vorstandsmitgliedern (non-executive directors) einsetzt, von deneneiner den Vorsitz führt. Seit 1978 werden an der New Yorker Börse nurKapitalgesellschaften mit Prüfungsausschüssen zugelassen, die ausschließlichaus unabhängigen Vorstandsmitgliedern bestehen. Im 1987 vorgelegten Berichtder amerikanischen Treadway Commission5 heißt es, daß diePrüfungsausschüsse amerikanischer Unternehmen maßgeblich zur Aufstellungordnungsgemäßer Abschlüsse beitragen. Die Erfahrungen in den VereinigtenStaaten haben gezeigt, daß sich die Prüfungsausschüsse auch dann als sehrnützlich erwiesen und zu einem wichtigen Gremium des Vorstandesentwickelten, wenn sie eigentlich nur ins Leben gerufen wurden, um denZulassungsvorschriften Genüge zu tun.

4.24 Allerdings sind Gesellschaften ohne ein gut funktionierendes internesKontrollsystem wohl kaum in der Lage, einem Prüfungsausschuß ausreichendeInformationen für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zukommen zu lassen.Der Umfang der Tätigkeit des Abschlußprüfers und der zeitliche Ablauf derPflichtprüfung lassen sich schlecht mit dieser Zielsetzung vereinbaren. Zudemhandelt es sich bei der Pflichtprüfung im wesentlichen um eineMomentaufnahme, während die Bewertung der Effektivität der Management-Informationssysteme und Innenrevisionssysteme kontinuierlich erfolgen sollte.Daher wurde größeren Unternehmen empfohlen, ein leistungsfähiges, vomLeiter der Innenrevision geleitetes Team einzusetzen, das demPrüfungsausschuß ausreichende Informationen zur Wahrnehmung seiner ihmvom Vorstand übertragenen Aufgaben zur Verfügung stellt. Wie bereits vonder Europäischen Konföderation der Institute für das Innenrevisionswesen inihrem Positionspapier über Innenrevision in Europa festgestellt, trägt eineobjektive und zeitgerechte Beurteilung der Qualität einerInnenrevisionsorganisation sowie des Umganges mit Geschäftsrisikenwesentlich zur Stärkung der Geschäftsführung und der Aufsicht durch dasManagement bei; sie trägt auf diese Weise zu einer gesundenUnternehmensführung bei. Aus der Sicht der Konföderation ist die Einführungvon Gesetzesmaßnahmen in der EU erforderlich, die für bedeutendeUnternehmen und Sektoren die Einrichtung einer Innenrevisionsfunktionvorsieht. Diese Maßnahmen sollen auch die erforderlichen Qualifikationen undErfahrungen festlegen sowie die Verpflichtungen der Leitungsgremien imVerhältnis zu den Schlußfolgerungen und den Empfehlungen derInnenrevisionsdienste.

5 Siehe Bibliographie.

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4.25 In den Mitgliedstaaten erfolgt die Bestellung von Abschlußprüfern für einenunterschiedlich langen Zeitraum, der sich zwischen einem Jahr und 6 Jahrenbzw. unbefristeter Dauer bewegt. Im abgeänderten Vorschlag für eine 5.Richtlinie des Rates wird angeregt, den Abschlußprüfer für einen festenZeitraum von mindestens drei, aber höchstens sechs Geschäftsjahren zubestellen.

4.26 Wie aus der 1996 für die Kommission durchgeführte Studie hervorgeht, ist dieStellung des Abschlußprüfers im Unternehmen nicht überall gleich. DasSpektrum reicht vom externen Berater bis zum Organ der Kapitalgesellschaft.In manchen Fällen ist sogar eine zweifache Prüfung erforderlich, d.h. neben derPflichtprüfung nach den Bilanzrichtlinien noch die von derBörsenaufsichtsbehörde vorgeschriebene Prüfung. Es steht keineswegs fest,daß ein solches System Vorteile im Sinne einer zuverlässigeren Kontrollebietet. Vielmehr kann es dadurch zu Unklarheiten über die Stellung desjeweiligen Prüfers kommen, insbesondere wenn das gleiche Unternehmenunterschiedlich beurteilt wird.

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

4.27 Bei den in jüngster Zeit geführten Diskussionen über die Unternehmensführungwurde die Notwendigkeit unterstrichen, die Rolle des Vorstands bei derAufstellung der Abschlüsse eindeutiger zu bestimmen. Die Frage ist aberwesentlich komplizierter und berührt auch das Verständnis der Rolle sämtlicheran der Vorlage von Abschlüssen beteiligten Seiten (Vorstand, Aufsichtsrat,Hauptversammlung, Abschlußprüfer). Um den ausgewogenenKontrollmechanismus innerhalb des Unternehmens zu verbessern, sollte Fragenwie der Einrichtung eines Prüfungsausschusses und der Schaffung einesfunktionsfähigen internen Kontrollsystems mehr Aufmerksamkeit geschenktwerden.

4.28 Es ist schwierig, auf EU-Ebene Fragen der Unternehmensführung anzugehen.Bemühungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über dieUnternehmensstruktur blieben erfolglos. Als Beitrag zur Diskussion imnationalen Rahmen wäre es vielleicht sinnvoll, auf EU-Ebene eine Empfehlungüber Möglichkeiten zur Verbesserung des derzeitigen Systems derUnternehmensführung, vor allem in Hinblick auf die Vorlage von Abschlüssen,ins Auge zu fassen. Es wäre dann Sache der Mitgliedstaaten, die jeweilsnotwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen einzuleiten.

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Die Rolle der staatlichen Behörden und Berufsvereinigungen

Qualitätskontrolle

4.29 Nach den Bestimmungen der 8. Richtlinie erfolgt die Zulassung derAbschlußprüfer durch eine von den Mitgliedstaaten benannte Behörde. DieseBehörde muß dafür Sorge tragen, daß die als Abschlußprüfer zugelassenenPersonen alle in der Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllen und daß siedie Prüfung im Einklang mit den Grundsätzen der beruflichen Sorgfalt und derUnabhängigkeit durchführen.

4.30 Die meisten Mitgliedstaaten haben die Befugnis zur Zulassung vonAbschlußprüfern einer oder mehreren Berufsvereinigungen übertragen. Indiesen Fällen kommt es darauf an, daß diese Vereinigungen auch die Art undWeise kontrollieren, in der ihre Mitglieder die Prüfung durchführen. Diemeisten dieser Berufsvereinigungen haben Standesregeln erarbeitet, in der dieentsprechenden Vorgaben enthalten sind. Dabei standen oft die von der IFACkonzipierten Prüfungsgrundsätze Pate. Allerdings ist dies nicht in allenMitgliedstaaten der Fall. Auch stellen die Prüfungsgrundsätze in den Staaten, indenen sie zur Anwendung kommen, lediglich eine Empfehlung dar, d.h. sie sindnicht gesetzlich vorgeschrieben. Es besteht also zur Zeit keine Gewähr, daßPflichtprüfungen von Berufsangehörigen, die nach den Bestimmungen der 8.Richtlinie zugelassen wurden, qualitativ gleichwertig sind.

4.31 Zudem verfahren die Berufsvereinigungen bei der Wahrnehmung derAufsichtspflicht über ihre Mitglieder unterschiedlich. Einige Vereinigungenlassen die Tätigkeit der Abschlußprüfer in regelmäßigen Abständen vonBerufskollegen kontrollieren, andere haben ein spezielles Aufsichtsgremiumzur Überwachung der ordnungsmäßigen Durchführung von Pflichtprüfungenins Leben gerufen. Auch hier ist nicht sichergestellt, daß dieQualitätskontrollsysteme in den verschiedenen Mitgliedstaaten gleichwertigoder auch nur ausreichend sind.

4.32 Einige Mitgliedstaaten haben sich dagegen entschieden, die Befugnis zurZulassung von Abschlußprüfern einer Berufsvereinigung zu verleihen, und stattdessen diese Aufgabe einem Ministerium oder anderem Gremium, z.B. einerHandelskammer, übertragen. Auch bei dieser Variante müssen geeigneteVorkehrungen getroffen werden, damit eine Qualitätskontrolle erfolgt undSchritte in jenen Fällen eingeleitet werden, in denen Abschlußprüfer ihreAufgaben nicht im Einklang mit den Grundsätzen der beruflichen Sorgfalt undUnabhängigkeit wahrnehmen.

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4.33 In den meisten Mitgliedstaaten gelten spezielle Prüfungsvorschriften fürUnternehmen des Finanzsektors, die der Kontrolle durch eine zuständigeBehörde unterliegen. Diese zusätzlichen Vorschriften wurden zum Schutz derAnleger und Versicherungsnehmer erlassen. Zusätzlich können dieMitgliedstaaten unter strengen Voraussetzungen einen Informationsaustauschzwischen den zuständigen Behörden des Finanzsektors und denBerufsorganisationen der gesetzlichen Abschlußprüfer zulassen (Richtlinie95/26/EG Artikel 4 Abs. 1 und 2).

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

4.34 Das Fehlen von Rechtsvorschriften auf EU-Ebene, die für alle nachGemeinschaftsrecht durchgeführten Pflichtprüfungen die Einhaltungeinheitlicher Prüfungsgrundsätze vorschreiben, ist sowohl für den Binnenmarktals auch international gesehen ein Nachteil. Es sollte geprüft werden, ob dievom International Auditing Practices Committee der International Federationof Accountants entwickelten Prüfungsgrundsätze, die in den meistenMitgliedstaaten schon zum Teil angewandt werden, eine mögliche Grundlagefür gemeinsame Grundsätze auf EU-Ebene darstellen. Wie schon bei deninternationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erscheint es notwendig, einenMechanismus zu entwickeln, damit sich feststellen läßt, ob die derzeitigenIFAC-Grundsätze den europäischen Erfordernissen genügen, und damit eineverstärkte europäische Einflußnahme auf die Entwicklung internationalerPrüfungsgrundsätze sichergestellt ist.

4.35 Durch einen solchen Mechanismus auf EU-Ebene könnten alle im nationalenRahmen an der Erarbeitung von Prüfungsgrundsätzen beteiligten Seitenzusammengeführt werden, um sämtliche einschlägigen Fragen zu erörtern. Esmuß aber die Gewähr gegeben sein, daß auf EU-Ebene vereinbartePrüfungsgrundsätze auch im einzelstaatlichen Rahmen befolgt werden. Diesdürfte sich schwerlich bewerkstelligen lassen, ohne diese Prüfungsgrundsätzeauf eine rechtliche Grundlage zu stellen.

4-36 Selbst wenn es zu einer Einigung über einen Kodex von Grundsätzen für dieUnabhängigkeit des Abschlußprüfers und über einen Kern vonPrüfungsvorschriften kommt, wird das System nur dann funktionieren, wenndiese Grundsätze durchgesetzt werden und eine angemesseneQualitätskontrolle erfolgt. Falls auf EU-Ebene der oben vorgeschlageneMechanismus zustandekommt, könnte eine seiner Aufgaben darin bestehen, dieArt und Weise der Qualitätssicherung im Bereich des Prüfungswesens zuüberwachen. Innerhalb des Binnenmarktes müssen auch die Aufsichtsbehördender Mitgliedstaaten unbedingt miteinander Kontakt halten. Die Standesregelnzur Verschwiegenheit sollten dafür keinen Hinderungsgrund darstellen.

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5. DIE ZIVILRECHTLICHE HAFTUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS

Auf dem Weg zur begrenzten Haftung?

5.1 Die Berufshaftpflicht ist für die Abschlußprüfer eine wichtige Frage. In einigenMitgliedstaaten wurden Prüfungsgesellschaften in einer Reihe von Fällen fürBeträge in Anspruch genommen, die in keinem Verhältnis zur Höhe desHonorars und zur unmittelbaren Verantwortung des Abschlußprüfers für dieInsolvenz des betreffenden Unternehmens standen. Abschlußprüfer schließen inder Regel eine Berufshaftpflichtversicherung ab, und es wird vornehmlich diePartei verklagt, die über einen entsprechenden Versicherungsschutz verfügt.

5.2 Innerhalb der EU bestehen bei den Haftungsregelungen für Abschlußprüferdeutliche Unterschiede. In einigen Mitgliedstaaten gilt eine Obergrenze für diezivilrechtliche Haftung, so daß der Abschlußprüfer bei einem Rechtsstreit nurbis zu einer bestimmten Höhe in Anspruch genommen werden kann. In anderenMitgliedstaaten können die Abschlußprüfer die Haftung vertraglicheinschränken. Auch die Möglichkeit der Gerichte, bei einem Rechtsstreit dieHaftungssumme zu begrenzen, ist unterschiedlich geregelt.

5.3 Es wurden mehrere Vorschläge unterbreitet, um zu einer für dieAbschlußprüfer gerechteren Regelung zu kommen. Dazu zählen die allgemeineFestlegung einer Haftungsobergrenze, die Möglichkeit der vertraglichenHaftungsbegrenzung, die Rechtsform einer GmbH für Prüfungsgesellschaften,die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Haftung unddie Einführung der obligatorischen Haftpflichtversicherung für Abschlußprüferund die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften.

5.4 Der ursprüngliche Vorschlag für eine 5. Richtlinie zum Gesellschaftsrecht sahdie unbegrenzte Haftpflicht von Abschlußprüfern gegenüber Dritten vor. Derabgeänderte Vorschlag enthält keine Bestimmung, durch die derAbschlußprüfer direkt zur Haftung gegenüber Dritten verpflichtet wird,sondern regelt nur die Haftung des Abschlußprüfers gegenüber dem geprüftenUnternehmen, wobei aber hinzugefügt wird, daß davon die Haftung desAbschlußprüfers gegenüber Gesellschaftern und Dritten nach den allgemeinenzivilrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten nicht berührt wird. Bei derErörterung dieses Vorschlags in der Arbeitsgruppe des Ministerrats wurde derText dahingehend weiter präzisiert, daß es Sache der Mitgliedstaaten ist, diezivlrechtliche Haftung der für die Pflichtprüfung zuständigen Personen zuregeln, damit ein Ersatz für Schäden erfolgt, die dem Unternehmen, denGesellschaftern oder Dritten aus Pflichtverletzungen der Abschlußprüferentstehen. Die Mitgliedstaaten könnten aber die gesetzliche oder vertraglicheBegrenzung der zivilrechtlichen Haftung bei Fahrlässigkeit gestatten. DieDiskussion über die 5. Richtlinie wurde allerdings 1991 eingestellt.

5.5 Zweifellos hat das Bestehen unterschiedlicher Haftungsregelungen in denMitgliedstaaten Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Bei einer weitreichendenHaftpflichtregelung könnten sich Prüfungsgesellschaften veranlaßt sehen, mithohen Risiken behaftete Auftraggeber oder ganze Branchen zu meiden,wodurch der eigentliche Sinn der Pflichtprüfung in Frage gestellt wird.. Die

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Kosten für Pflichtprüfungen könnten in “prozeßwütigen” Mitgliedstaatendeutlich höher ausfallen als andernorts. Es wäre auch denkbar, daß sichaufgrund der Rechtsstreitigkeiten in einigen Mitgliedstaaten dieVersicherungsprämien in der gesamten EU verteuern. Dadurch könnte es dannzur Konzentration des Prüfungsmarktes in den Händen einer kleinen Zahl vonPrüfungsgesellschaften kommen. Insoweit nur in einigen Mitgliedstaaten einegesetzliche oder vertragliche Haftungsbegrenzung besteht, wäre unterUmständen damit zu rechnen, daß Klagen gegen Abschlußprüfer vornehmlichin Mitgliedstaaten ohne eine solche Haftungsbegrenzung angestrengt werden.

Schwerpunkte und Lösungsvarianten

5.6 Die Klärung der Rolle und Stellung des Abschlußprüfers hätte fraglos positiveAuswirkungen auf die Bewertung seiner Haftpflicht im Falle einer nichtordnungsgemäß durchgeführten Prüfung. Zwar besteht kein offensichtlicherGrund, die Haftung des Abschlußprüfers auf das geprüfte Unternehmen zubeschränken, zumal die Pflichtprüfung im öffentlichen Interesse erfolgt, dochwäre es wohl angebracht, die Haftung auf Beträge zu begrenzen, die demAusmaß der Pflichtverletzung entsprechen.

5.7 Aktionen im Rahmen der EU dürften sich auf diesem Gebiet schwieriggestalten. Es handelt sich hier nicht um den einzigen Berufsstand, der sich mitHaftungsproblemen auseinanderzusetzen hat. Zudem sind die Rechtstraditionender Mitgliedstaaten im Bereich der zivilrechtlichen Haftung sehrunterschiedlich. Es ist zu überdenken, ob die negativen Auswirkungen derfortdauernden Unterschiede bei den Bestimmungen über die Haftung vonAbschlußprüfern wichtig genug sind, ein Tätigwerden der EU zu rechtfertigen;dabei sind die Schwierigkeiten in Betracht zu ziehen, die ein solchesTätigwerden mit sich bringen kann sowie die mögliche Diskriminierung fürandere Berufe, die eine spezifische Aktion für den Prüferberuf bewirkt..

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6. DIE PFLICHTPRÜFUNG IN KLEINEN GESELLSCHAFTEN

Die Abschlußprüfung in kleinen Gesellschaften

6.1 Nach Artikel 51 (2) der 4. Richtlinie können Mitgliedstaaten kleineGesellschaften mit in Artikel 11 bezeichneten Größenmerkmalen6 von derPflichtprüfung des Jahresabschlusses befreien. Maßgeblich für dieseAusnahmeregelung waren der Wunsch, für kleine Gesellschaften keinezusätzlichen Belastungen entstehen zu lassen, aber auch die bei der Prüfungkleiner Gesellschaften auftretenden Risiken, weil sich der Abschlußprüfer dortkaum auf ein angemessenes internes Kontrollsystem stützen kann. Bei derVergabe von Ausnahmen müssen die Mitgliedstaaten aber für geeigneteSanktionen sorgen, damit die Erstellung des Jahresabschlusses und desLageberichts entsprechend den Vorgaben der Richtlinie erfolgt.

6.2 Auf der Grundlage von Artikel 51 (2) haben die meisten Mitgliedstaaten kleineGesellschaften von der Pflichtprüfung befreit, obwohl die Kriterien zurBestimmung einer kleinen Gesellschaft nicht unbedingt mit den in der Richtlinieangegebenen Größenmerkmalen übereinstimmen. Die Kommission sprach sich1989 dafür aus, in allen Mitgliedstaaten die Prüfungspflicht für kleineGesellschaften abzuschaffen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten lehnte dieskategorisch ab. Es hieß, daß veröffentlichte Abschlüsse, die nichtordnungsgemäß geprüft worden seien, ein falsches Bild vermitteln könnten. Einweiteres Argument lautete, daß die Prüfung im Interesse des Unternehmensselbst liege, da die Gesellschaft damit auf die Sachkompetenz eines Fachmannszurückgreifen könne.

6.3 Die Problematik der Unabhängigkeit spielt in einer kleinen Gesellschaft einegeringere Rolle, weil der Abschlußprüfer dort die Aufgaben eines Beraters wieauch eines externen Kontrolleurs wahrnimmt. Es ist durchaus üblich, daß derAbschlußprüfer in einer kleinen Gesellschaft sowohl die Buchführung erledigtals auch die Abschlüsse prüft. Dies wirft natürlich Fragen im Hinblick auf dieUnabhängigkeit des betreffenden Berufsangehörigen und den Wert derdurchgeführten Prüfung auf. Aus diesem Grunde ist es Abschlußprüfern ineinigen Mitgliedstaaten untersagt, an der Erstellung von Abschlüssen der vonihnen geprüften Unternehmens mitzuwirken. Praktisch bedeutet dies, daß dieUnternehmen die Kosten für zwei Fachleute tragen müssen, von denen der einefür die Buchführung und die Aufstellung des Jahresabschlusses, der anderehingegen für die Durchführung der Pflichtprüfung zuständig ist.

6.4 Einige Mitgliedstaaten haben die unterschiedlichen Gegebenheiten derAbschlußprüfung für kleine Gesellschaften anerkannt und zwei verschiedeneBerufsstände ins Leben gerufen, die sich vornehmlich der Beratung undPrüfung kleiner Gesellschaften widmen bzw. vorwiegend für große

6 Nach Artikel 53 (2) der Vierten Richtlinie werden die in Artikel 11 niedergelegten

Schwellenwerte alle fünf Jahre vom Rat auf Vorschlag der Kommission überprüft. Die nächsteÜberprüfung findet in 1999 statt; diese wird die Empfehlung der Kommission vom 3. April 1996(96/280/EG) über die Definition von kleinen und mittleren Gesellschaften in Betracht ziehen.

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Unternehmen tätig sind. Andere Mitgliedstaaten wiederum unterscheidenzwischen Kleinst- und Kleinunternehmen, wobei Kleinstunternehmen von derPflichtprüfung befreit sind, während für Kleinunternehmen ein sogenanntercompilation report vorgeschrieben ist, der nicht den gleichen Stellenwert wieeine umfassende Abschlußprüfung aufweist, aber den Adressaten doch einegewisse Gewähr für eine ordnungsgemäße Buchführung bietet.

6.5 Mittlere Gesellschaften nehmen eine Zwischenstellung ein. Es dominiertanscheinend die Auffassung, daß diese Unternehmen ihre Abschlüsse durcheinen qualifzierten Berufsangehörigen prüfen lassen sollten. Im Hinblick aufUnabhängigkeit und Qualität der Prüfung sollten dabei die gleichen Kriterienzur Anwendung kommen wie bei großen Gesellschaften.

6.6 Bei der Untersuchung der Frage, ob eine Pflichtprüfung bei kleinen undmittleren Gesellschaften sinnvoll ist, sollte auch die Tatsache im Auge behaltenwerden, daß von der Pflichtprüfung befreite GmbHs immer häufiger alsTarnunternehmen für Geldwäsche dienen. Die Prüfungspflicht sollte deshalbnicht allein unter dem Blickwinkel der Deregulierung gesehen werden. Es istauch zu bedenken, ob sie im wohlverstandenen öffentlichen Interesse liegt.

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

6.7 Es bleibt zu überlegen, ob Änderungen im rechtlichen Umfeld auf EU-Ebenefür kleine und mittlere Gesellschaften wünschenswert oder notwendig sind.Nach Auffassung der Kommission wurden bisher keine überzeugendenArgumente für eine Veränderung des in der 4. Richtlinie gewählten Ansatzesvorgebracht, der Mitgliedstaaten die Befreiung kleiner Gesellschaften von derPflichtprüfung gestattet. Überdies scheint kaum zu erwarten, daßMitgliedstaaten, in denen eine Prüfungspflicht besteht, darauf zu verzichtenbereit sind. Auch gibt es bislang keine zwingenden Gründe, die Befreiungmittlerer Gesellschaften von der Pflichtprüfung zu gestatten odervorzuschreiben.

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7. PRÜFUNGSVORSCHRIFTEN FÜR KONZERNE

Die Pflichtprüfung bei Konzernen

7.1 In einem konsolidierten Abschluß sind die Vermögens-, Finanz- undErtragslage der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen soauszuweisen, als ob sie ein einziges Unternehmen wären. Bei der Pflichtprüfungdes konsolidieren Abschlusses sollten keine größeren Hemmnisse undHindernisse auftreten als bei der Pflichtprüfung eines Einzelunternehmens.Angesichts der zunehmenden Kompliziertheit des internationalenGeschäftslebens und des problemlosen Mitteltransfers von einem Land zumanderen wird es für den Abschlußprüfer immer wichtiger, einenGesamtüberblick über die Hauptaktivitäten des Konzerns zu gewinnen. Daskann sich bei grenzüberschreitend tätigen Konzernen als schwierig erweisen.

7.2 In der Praxis erwachsen Schwierigkeiten aus dem Fehlen konkreterPrüfungsvorschriften für Konzerne. Für den Prüfer des Konzernabschlusses istes bisweilen schwierig, Informationen von den Managern und Abschlußprüfernder von ihm nicht geprüften Konzernunternehmen zu erlangen. Ihm werdenmöglicherweise geprüfte Abschlüsse für die einzelnen Tochtergesellschaften zurVerfügung gestellt, doch ist er nicht in der Lage, die Beweggründe für die inden Abschlüssen zum Ausdruck kommende bilanzrechtliche Behandlung derGeschäftigstätigkeit zu hinterfragen. Der Prüfer des Konzernabschlusses hatunter Umständen keinen Gesamtüberblick über die Hauptaktivitäten desKonzerns. Schwierigkeiten können sich auch im Hinblick auf denBerufsgrundsatz der Verschwiegenheit ergeben.

7.3 Es wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen: gemeinsameBestellung der Abschlußprüfer, Entwicklung umfassender und einheitlicherVorschriften für die Prüfung von Konzernabschlüssen, Gewährung desuneingeschränkten Zugangs zu allen für die Prüfung des Konzernabschlussesbenötigten Informationen und Bestellung eines einzigen Abschlußprüfers füralle Konzernunternehmen.

Handlungsschwerpunkte und Lösungsvarianten

7.4 Die Pflichtprüfung von konsolidierten Abschlüssen könnte noch näheruntersucht werden, um sich zu vergewissern, in welchem Umfang sich dieProbleme ohne gesetzgeberische Maßnahmen bewältigen lassen. Dermöglicherweise auf EU-Ebene zu schaffende Mechanismus zur Untersuchungder Frage der Prüfungsgrundsätze (siehe Abschnitt 4.35) könnte sich diesemThema zuwenden. Angesichts des Fehlens klarer Leitlinien im internationalenRahmen könnte auf EU-Ebene der Versuch unternommen werden, einenKatalog von Grundsätzen aufzustellen, der dann bei der Prüfung vonKonzernabschlüssen als Orientierung dient.

8. DIE NIEDERLASSUNGS- UND DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT

8.1 Wie die oben erwähnten Kommissionsstudien belegen, gibt es derzeitig keineneuropäischen Markt für Prüfungsleistungen. Die in den einzelnenMitgliedstaaten der EU bestehenden Märkte sind weitgehend voneinander

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getrennt, auch wenn einige Formen grenzüberschreitender Inanspruchnahmesolcher Leistungen zu beobachten sind. Die unterschiedlichenRechtsvorschriften und Regelungen stellen möglicherweise kein absolutesHemmnis für den innergemeinschaftlichen Handel mit Prüfungsleistungen dar,aber durch sie wird die Niederlassung bzw. Erbringung von Dienstleistungen inanderen Mitgliedstaaten kostenaufwendiger und/oder weniger effektiv unddadurch weniger wahrscheinlich.

8.2 In dem Maße, wie in allen Mitgliedstaaten die Gleichwertigkeit derPrüfungsqualität sichergestellt ist und die Voraussetzungen dafür bestehen, daßfür die im jeweiligen Mitgliedstaat von einer ausländischen Person oderGesellschaft durchgeführten Abschlußprüfung mindestens die gleichenGarantien gegeben werden wie für die Abschlußprüfung durch eineninländischen Berufsangehörigen, sollte es möglich sein, Fortschritte auf demWege zu einem Binnenmarkt für Prüfungsleistungen zu erzielen.

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für einzelne Berufsangehörige

8.3 Durch die Richtlinie 89/48/EWG über die gegenseitige Anerkennung derHochschuldiplome wurde weitgehend die Niederlassungsfreiheit für einzelneBerufsangehörige erreicht. Abschlußprüfer, die sich um die Zulassung in einemanderen Mitgliedstaat bemühen, müssen dort nicht die gesamteBerufsausbildung durchlaufen, sondern können die Zulassung durch Ablegeneiner Eignungsprüfung erwerben. In den meisten Mitgliedstaaten besteht einemögliche Alternative zur Niederlassung darin, die Prüfungstätigkeit in einemanderen Mitgliedstaate einem dort niedergelassenen Prüfer zu übertragen. Dader betreffende Prüfer für die Pflichtprüfung haftet, ist diese Variante in derPraxis eher selten. Die Hochschuldiplomrichtlinie hatte bei denAbschlußprüfern nur geringe Auswirkungen, denn nur eine kleine Zahl vonBerufsangehörigen erhielt aufgrund dieser Regelung die Zulassung.

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8.4 Behindert wird die Niederlassungsfreiheit durch die Aufsichtsbehörden einigerMitgliedstaaten, deren Prüfvorschriften und -regelungen auch für die Tätigkeitihrer Berufsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat gelten, selbst wenndiese Personen nach den gesetzlichen Bestimmungen des Gastlands zugelassenwurden. Eine gleichzeitige Tätigkeit in beiden Ländern setzt also voraus, daßdiese Prüfer die Vorschriften beider Aufsichtsbehörden einhalten, was sichbisweilen als unmöglich erweist. Eine denkbare Lösung könnte darin bestehen,daß der Berufsstand und die zuständigen Behörden einen Verhaltenskodexverabschieden, der Regelungen für den Fall kollidierender Vorschriftenzwischen Heimat- und Aufnahmestaat vorsieht.

8.5 Was die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der grenzüberschreitendenPrüfungstätigkeit anbelangt, so verlangen die meisten Mitgliedstaaten voneinzelnen Berufsangehörigen, daß sie sich auf ihrem Territorium niederlassen.Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die betreffendenPersonen aktiv zu kontrollieren, um die Qualität der von ihnen erbrachtenLeistungen zu gewährleisten. Dagegen wurde vorgebracht, daß dieNiederlassungspflicht eine unnötige Belastung für Berufsangehörige darstellt,die die Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats erworben haben und dessenVorschriften einhalten. In diesem Zusammenhang sagt das Urteil desEuropäischen Gerichtshofes in der Sache Ramrath, dass ein Mitgliedstaat vomgesetzlichen Abschluprüfer eine blosse Infrastruktur und eine effektive Präsenzverlangen kann. Wie die 1996 für die Kommission durchgeführte Studiedarlegt, kann in Mitgliedstaaten, in denen die Weitergabe vonPrüfungsaufträgen nicht eingeschränkt ist, der ausländische Prüfer dort unterder Aufsicht eines inländischen Prüfers tätig sein.

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Prüfungsgesellschaften

8.6 Die Niederlassungsfreiheit kann zunächst einmal durch die Errichtung einerZweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommenwerden. Die Errichtung von Zweigniederlassungen durch eine ausländischePrüfungsgesellschaft oder auch die Gründung einer Prüfungsgesellschaft durchausländische Berufsangehörige wird dadurch erschwert, daß innerstaatlicheGesetze und Vorschriften unmittelbar die Möglichkeiten ausländischer Prüferzur Gründung einer Prüfungsgesellschaft einschränken. Wie in derKommissionsstudie von 1996 dargelegt wird, verlangen fast alleMitgliedstaaten, daß sich die Gesellschaft im Hinblick auf die Besitzverhältnisseund die Zusammensetzung der Leitungsorgane zumindest mehrheitlich in denHänden inländischer Abschlußprüfer befindet. Zudem ist in einigenMitgliedstaaten nur die Rechtsform der Sozietät oder des Einzelunternehmenszulässig. Dadurch wird die Möglichkeit getrennter Besitz- undLeitungsverhältnisse bei Prüfungsgesellschaften begrenzt.

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8.7 Im Vergleich zu den Bestimmungen der 8. Richtlinie haben die meistenMitgliedstaaten strengere Rechtsvorschriften und Regelungen zu den Besitz-und Leitungsverhältnissen sowie zur Beaufsichtigung vonPrüfungsgesellschaften eingeführt. Nach der 8. Richtlinie könnenAbschlußprüfungen sowohl von natürlichen Personen als auch vonPrüfungsgesellschaften durchgeführt werden, bei denen es sich um juristischePersonen oder andere Arten von Gesellschaften oder Vereinigungen handelnkann. Im Hinblick auf die Besitz- und Leitungsverhältnisse verlangt die 8.Richtlinie nur, daß die Mehrheit der Anteile und Führungspositionen aufqualifizierte Prüfer entfällt. Die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs- oderLeitungsorgans muß aus inländischen Berufsangehörigen bestehen oder aberaus Personen, die für die Pflichtprüfung erforderlichen juristischen Kenntnisseerworben haben (Artikel 2(1)(b)(iii). Bei den Aktien bzw. Anteilen könnenAbschlußprüfer aus anderen Mitgliedstaaten über die Mehrheit verfügen(Artikel 2(1)(b)(ii). In einer Reihe von Mitgliedstaaten muß das Kapital einerPrüfungsgesellschaft vollständig im Besitz von natürlichen oder juristischenPersonen (Einzelpersonen oder Unternehmen) sein, die die jeweiligeBerufsbezeichnung erworben haben. Zahlreiche Mitgliedstaaten haben Artikel2(1)(b)(ii) der 8. Richtlinie so ausgelegt, daß die Mehrheit der Stimmrechte ineiner Prüfungsgesellschaft von natürlichen Personen oderPrüfungsgesellschaften gehalten werden muß, die nach den Rechtsvorschriftendes Aufnahmestaats zugelassen sind.

8.8 Ähnliche Probleme entstehen, wenn eine Prüfungsgesellschaft eineZweigniederlassung in einem Aufnahmestaat errichten will. Dabei ergibt sichein zusätzliches Problem aus der Tatsache, daß manche Mitgliedstaaten diemöglichen Rechtsformen einer Prüfungsgesellschaft begrenzt haben. Dies kannzur Folge haben, daß eine ausländische Prüfungsgesellschaft, deren Rechtsformnach den gesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmestaats nicht zulässig ist, indem betreffenden Land keine Niederlassung zu errichten vermag.

8.9 Was die Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Prüfungstätigkeitanbelangt, so können sich ähnliche Probleme ergeben, wenn eine ausländischePrüfungsgesellschaft eine Pflichtprüfung in einem Aufnahmestaat durchführenmöchte, in dem sie über keine Niederlassung verfügt.

Handlungsschwerpunkte und Lösungvarianten

8.10 Trotz der Belange des öffentlichen Interesses an Pflichtprüfungen gibt keinentriftigen Grund dafür, warum die Bestimmungen des Vertrages über dieNiederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nicht auch voll für das Geschäft mitdiesen Prüfungsleistungen gelten sollten.

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8.11 Die Niederlassungsfreiheit (und Dienstleistungsfreiheit) einzelnerBerufsangehöriger ist bereits durch Richtlinie 89/48/EWG geregelt. EinigeProbleme sind aber noch ungelöst. Dazu zählen die Beibehaltung derBerufsbezeichnung des Heimatstaates nach Erlangung der Berufsbezeichnungdes Aufnahmestaates sowie mögliche Unterschiede zwischen Heimat- undAufnahmestaat im Umfang der zugewiesenen und erlaubten Tätigkeiten. DieseFragen könnten in der kraft Richtlinie 89/48/EWG eingesetztenKoordinatorengruppe weiter untersucht werden, gegebenenfalls in Abstimmungmit dem durch die 4. Richtlinie eingesetzten Kontaktausschuß, der für dieInterpretation der 8. Richtlinie zuständig ist, und in engem Zusammenwirkenmit den Berufsvereinigungen der einzelnen Mitgliedstaaten.

8.12 Die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit für Prüfungsgesellschaften durchGründung einer Zweigniederlassung ist nach wie vor problematisch, da vieleMitgliedstaaten Rechtsvorschriften und Regelungen verabschiedet haben, dierestriktiver als die Bestimmungen der 8. Richtlinie sind. Die Mitgliedstaatensollten ersucht werden, über die 8. Richtlinie hinausgehende einzelstaatlicheFestlegungen außer Kraft zu setzen. In diesem Zusammenhang besteht einBedürfnis, den Inhalt von Artikel 2 der Achten Richtlinie klarzustellen, damitdieser nicht zu eng ausgelegt wird. Eine solche Klarstellung sollte nachKonsultation des Kontaktausschusses für Richtlinien der Rechnunglegungstattfinden. Falls die Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen ergriffen haben, dieeine Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder unberechtigteBeschränkungen des Rechts auf Niederlassung beinhalten, wird unverzüglichdagegen vorzugehen sein, um die Beachtung der Vertragsbestimmungensicherzustellen.

8.13 Unbeschadet der unmittelbaren Anwendung der einschlägigen Bestimmungendes Vertrages sind gegebenenfalls weitere Initiativen zur Niederlassungsfreiheitvon Prüfungsgesellschaften durch Einrichtung einer Zweigniederlassung sowiezur Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Prüfungstätigkeiterforderlich. In Frage käme dafür eine spezielle Richtlinie zur Ergänzung derRichtlinie 89/48/EWG, wie sie zwischen Kommission und Berufsstand imGespräch ist.

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9. FAZIT

9.1 Dieses Papier kann die zahlreichen und oftmals sehr komplizierten Fragen desPrüfungswesens nur ansatzweise behandeln. Angesprochen werden Punkte, dieim Rahmen des Binnenmarktes als besonders wichtig gelten.

9.2 Bei der Herausarbeitung möglicher Schwerpunkte für künftiges Handel wurdeden im Maastricht-Vertrag verankerten Grundsätzen der Subsidiarität undVerhältnismäßigkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Im Einklang mitder Mitteilung “Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: Eineneue Strategie im Hinblick auf die internationale Harmonisierung” wird einAnsatz bevorzugt, durch den Europa in die Lage versetzt wird, in derinternationalen Debatte überzeugend mit einem einheitlicheren Konzeptaufzutreten.

9.3 Das eigentliche Ziel dieser Initiative besteht darin, zur Anhebung desallgemeinen Niveaus der Prüfungstätigkeit in der EU beizutragen, was letztlichallen mit dem Wirtschaftsleben befaßten Seiten zugute kommen wird.

9.4 Stellungnahmen sind bis zum 20. Dezember 1996 an Europäische Kommission- GD XV - D/3 - Finanzielle Informationen und Rechnungslegungsgrundsätze -200, rue de la Loi - 1049 Brüssel - Belgien - (Internet-Anschrift:[email protected]) - zu richten.

9.5 Stellungnahmen, die vor dem 18. Oktober 1996 eingehen, werden bei derVorbereitung der Konferenz berücksichtigt, die am 5./6. Dezember 1996 zudiesem Thema in Brüssel stattfindet.

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Anhang I - Rolle, Stellung und Haftung des Abschlußprüfers in der Europäischen Union

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