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§ Die Verkündigung Jesu Abbildung : Der Stein des Pilatus Der Text der Inschrift lautet folgendermaßen: [. . . ]s Tiberiéum [- Po]n . tius Pilatus [praef]ectus Iuda[ea]e [... ´...] Was das für ein Gebäude ist, das in Zeile als Tiberieum bezeichnet wird, mag hier auf sich beruhen. Gefunden wurde das Gebäude bisher oen- bar noch nicht. Für uns ist der Name in Z. und sein Titel in Z. wich- tig: Pilatus war nicht, wie bis zum Fund dieser Inschrift den literarischen Zu den verschiedenen Lösungsvorschlägen vgl. Clayton Miles Lehmann/Kenneth G. Holum, a.a.O., S. .

5 Der Stein des Pilatus - Neutestamentliches Repetitorium · [Hg.]: C. Suetoni Tranquilli Opera I: De vita Caesarum libri VIII [BiTeu], Leipzig 1908 [Nachdr. Stuttgart 1978]; hier:

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  • Die Verkndigung Jesu

    Abbildung : Der Stein des Pilatus

    Der Text der Inschrift lautet folgendermaen:

    [. . . ]s Tiberium[- Po]n. tius Pilatus[praef]ectus Iuda[ea]e[. . . . . . ]

    Was das fr ein Gebude ist, das in Zeile als Tiberieum bezeichnet wird,mag hier auf sich beruhen. Gefunden wurde das Gebude bisher offen-bar noch nicht. Fr uns ist der Name in Z. und sein Titel in Z. wich-tig: Pilatus war nicht, wie bis zum Fund dieser Inschrift den literarischen

    Zu den verschiedenen Lsungsvorschlgen vgl. Clayton Miles Lehmann/KennethG. Holum, a.a.O., S. .

  • Artikel II

    Quellen entnommen worden war, procurator; sein offizieller Titel lautetevielmehr praefectus Iudaeae. Bis zur Regierungszeit des Kaisers Claudiuswar dies der Titel der im Deutschen meist als Statthalter bezeichnetenrmischen Verwalter Judas.

    Wer das Apostolikum von seinem Beginn an bis zur Zeile gelitten un-ter Pontius Pilatus liest, stellt fest: Pilatus ist die erste historische Figur,die in diesem Text auftaucht. Man knnte natrlich auch an Maria den-ken, aber Mdchen dieses Namens gab es zu Tausenden; sie kommt freine historische Fixierung des Geschehens nicht in Frage. Dafr eignetsich ausschlielich Pilatus, dessen Amtszeit als praefectus Iudaeae von bis nach Christus die Wirksamkeit Jesu datiert: In diesem Zeitraumist Jesus in Galila und in Jerusalem aufgetreten, in diesen Zeitraum flltauch sein Tod, an dem Pilatus verantwortlich beteiligt war.

    So merkwrdig sich der Name dieses praefectus Iudaeae auch auf denersten Blick in unserm Glaubensbekenntnis ausnimmt, kommt ihm nundoch eine wichtige Bedeutung zu: Er weist darauf hin, da dieses Glau-bensbekenntnis sich auf ein historisches Geschehen sttzt, das in einerbestimmten Zeit in einem bestimmten Raum stattgefunden hat. Beides,den Raum und die Zeit, verbrgt Pontius Pilatus: In seiner Amtszeit hatsich das Geschehen in Palstina abgespielt, und er selbst ist fr den ent-scheidenden Wendepunkt verantwortlich: den Tod Jesu.

    Die Erwhnung des Pontius Pilatus hat in den Bekenntnisformeln desNeuen Testaments nur eine einzige Entsprechung (ITim ,): in Formu-lierungen des Kerygmas taucht sie berhaupt nicht auf. Dagegen ist sieIgnatius (Magn , Trall , Sm . . . ), Justin (Apol ,. etc. . . . ) undIrenus (z.B. adv. Haer. ,, . . . ) durchaus gelufig. Obwohl nicht

    Frederick Ercolo Vokes: Apostolisches Glaubensbekenntnis. I. Alte Kirche und Mit-telalter, TRE (), S. ; Zitat S. , Z. .

    Die Formulierung Tim , lautet: [] - ; es ist die einzige Stelle im Neuen Testament auerhalb der Evange-lien und der Apostelgeschichte, an der der Name des Pilatus genannt wird.

    Interessant ist Harnacks Beobachtung, wonach der volle Name des Pilatus (seinpraenomen hat uns nicht einmal der Pilatusstein enthllt) im Neuen Testament nebenTim , nur noch bei Lukas (in Luk , und Apg ,) begegnet; die Evangelien sonsthaben nur das nomen gentile Pilatus (Adolf Harnack: Materialien zur Geschichte undErklrung des alten rmischen Symbols aus der christlichen Litteratur der zwei erstenJahrhunderte, in: August Hahn: Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der altenKirche, mit einem Anhang von Adolf Harnack hg.v. G. Ludwig Hahn, Breslau (Nachdr. Hildesheim ), S. ; Zitat S. ).

    Auch bei Tacitus: Annalen XV wird Jesus in die Amtszeit des Pontius Pilatusdatiert.

  • Die Verkndigung Jesu

    auszuschlieen ist, da die Einschaltung eines Hinweises auf Pilatus derAbwehr des Doketismus diente, knnte es doch auch sein, da damitnur der Zeitpunkt der Ereignisse festgelegt werden sollte; so jedenfallsdie Erklrung des Rufin (Kapitel ).

    Wir sehen, da auch das Apostolikum an einer geschichtlichen Veran-kerung des Zweiten Artikels interessiert ist. Fr die Theologie des NeuenTestaments stellt sich die Frage, ob diese mit dem Bultmannschen Daschon hinreichend gewhrleistet ist, ober ob nicht ber Bultmann wiedas Apostolikum hinaus auch der Mensch Jesus und seine Verkndi-gung einen Platz beanspruchen mssen. In dieser Vorlesung habe ichfr die letztgenannte Alternative eine Lanze zu brechen versucht . . .

    . Der historische Jesus: Abschlieende Zusammenfassung

    Wir sind am Ende des langen Paragraphen ber den historischen Je-sus angelangt, und ich will zum Schlu versuchen, die wichtigstenErgebnisse festzuhalten. Es ist klar, da wir im Rahmen einer Vorlesungber die Theologie des Neuen Testaments nicht alle einschlgigen Pro-bleme diskutieren konnten. Mehr als eine Einfhrung in die Problemewar es nicht, noch dazu eine Einfhrung, die sich auf die theologischwichtigen Positionen zu beschrnken hatte; d.h. alles, was nicht theolo-gisch relevant ist, mute von vornherein auen vor bleiben.

    * * *

    Erstens.Ich Die Sekundr-literaturmchte meine Zusammenfassung mit einigenBemerkungen zum Umgang mit der Sekundrlite-ratur beginnen. Wir konnten in beinahe jeder Sitzung von neuem fest-stellen: Die verschiedenen Jesusbcher kommen zu hchst unterschied-lichen, oft sogar einander diametral entgegengesetzen Ergebnissen. Wirkonnten aber erkennen, da dies nicht einfach zufllig ist oder auf Will-kr beruht. Vielmehr und das gilt jedenfalls fr die serisen Autoren:Das Ergebnis hngt ab von der befolgten Methode und den benutztenQuellen. Das war z.B. im Gegenber zu jdischen Autoren denken Sieetwa an David Flusser mit Hnden zu greifen.

    Frederick Ercolo Vokes, a.a.O., S. , Z. . Vgl. zu der Diskussion des Bultmannschen Standpunktes den Anfang dieses Pa-

    ragraphen, oben S. . David Flusser: Jesus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, RoMo , Rein-

    bek bei Hamburg .

  • Artikel II

    Dies ist eine ganz wichtige Erkenntnis, die Sie auch fr andere Gebie-te und Disziplinen nutzbar machen knnen. Bleiben wir beim NeuenTestament: Man kann eben nicht so ohne weiteres einen Kommentarwie einen Steinbruch benutzen und nur die Stelle zur Kenntnis nehmen,die einen gerade interessiert. Gerade wenn Sie den Kommentar nichtkennen und daraus beispielsweise fr eine Seminararbeit zitieren wollen,mssen Sie vorher einen Blick in die Einleitung dieses Kommentars wer-fen und sich fragen, wie das zu dem pat, was Sie in Ihrer eigenen Arbeittun. Wer das unterlt, produziert groteske oder lcherliche Ergebnisse.

    Im Umgang mit der Literatur ist, so hoffe ich, noch etwas andres deut-lich geworden: Es hat keinen Sinn, zwei, drei oder mehr Autoren derSekundrliteratur zu vergleichen, wenn man sich nicht zuvor ein eigenesBild von der Problemlage gemacht hat. Die eigene Lektre der Quel-len ist durch nichts zu ersetzen! In unserm Fall heit das: Erst wennman die Texte selbstndig durchgearbeitet hat, die als Quellen fr denhistorischen Jesus in Frage kommen, hat es einen Sinn, die Jesusbchereinzusehen, um zu prfen, wie der einzelne Autor jetzt die Texte im Hin-blick auf die Frage nach dem historischen Jesus interpretiert. Im Idealfallheit das: Man mte sich zuerst ber alle in Frage kommenden Texteein eigenstndiges Urteil bilden. Das konnten wir im Rahmen dieser Vor-lesung freilich nicht leisten. Aber ich hoffe, da es Ihnen exemplarischdeutlich geworden ist, wie ich mir das im einzelnen vorstelle.

    Auch diese Erkenntnis knnen und sollen Sie fr andere Gebiete undDisziplinen nutzbar machen. D.h. konkret: Wenn Sie einen Text oderein Problem bearbeiten wollen, sollten Sie nicht als erstes unendlicheKopien aus der Sekundrliteratur machen, um diese dann konsumierenzu knnen. Vielmehr sollten Sie immer zuerst versuchen, sich ein eige-nes Urteil zu bilden: Das eigene Denken ist durch nichts zu ersetzen. Erstdanach sollten Sie sich mit der Sekundrliteratur befassen; andernfallslaufen Sie Gefahr, sich Problemstellung und mgliche Antworten ausder Sekundrliteratur vorgeben zu lassen. Zu einem eigenen Gedankensind Sie dann nicht mehr in der Lage.

    * * *

    Zweitens.Was nun die Quellen selbst angeht,Die Quellen so habenwir gesehen, da wir im wesentlichen auf dasNeue Testament angewiesen sind. Wir haben auerhalb des Neuen Testa-ments lediglich Josephus herangezogen. Unter historischen Gesichtspunk-ten htten wir darber hinaus auf Tacitus einen Blick werfen knnen,

  • Die Verkndigung Jesu

    nmlich die berhmte Stelle Annalen XV , die zwar theologischnicht viel austrgt, aber doch die zu Beginn unsres Jahrhunderts Vorsicht! Hier

    ist das .

    Jahrhundert

    gemeint . . .

    um-strittene Historizitt Jesu sicherstellt. Wir htten auch auf Sueton: DivusClaudius , eingehen knnen. Schlielich wre dann noch das Te-stimonium Flavianum von Interesse gewesen das mindestens in dervorliegenden Form allerdings nicht auf Josephus zurckgeht. Theologischsind diese Texte jedoch wenig ergiebig; dies ist der Grund, warum sie imRahmen dieser Vorlesung nicht behandelt zu werden brauchten: Tacitushat keine konkreten Vorstellungen vom historischen Jesus, von dessenBotschaft ganz zu schweigen; dasselbe gilt fr Sueton. Das TestimoniumFlavianum stimmt mindestens insofern mit Tacitus und den neutesta-mentlichen Texten berein, als es den Tod Jesu mit dem Prfekten Ponti-us Pilatus in Zusammenhang bringt. Insgesamt ist festzustellen, da dieauerchristlichen Quellen einen gewissen Rahmen abstecken. Aber auchinhaltlich fhren sie deutlich ber das Bultmannsche Da des Gekom-menseins Jesu hinaus.

    sed non ope humana, non largitionibus principis aut deum placamentis decedebatinfamia quin iussum incendium crederetur. ergo abolendo rumori Nero subdidit reos etquaesitissimis poenis adfecit quos per flagitia invisos vulgus Christianos appellabat. auctornominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicioadfectus erat; repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modoper Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam quo cuncta undique atrocia autpudenda confluunt celebranturque. (Text: C.D. Fisher [Hg.]: Cornelii Taciti annaliumab excessu Divi Augusti libri (SCBO), Oxford [Nachdr. ]; hier XV .)

    bersetzung: Aber das entsetzliche Gercht, Nero selber habe den Brand anlegenlassen, wollte sich durch keine teilnahmsvolle Untersttzung, durch keine Schenkun-gen und Shnezeremonien aus der Welt schaffen lassen. Um ihm ein Ende zu ma-chen, schob er daher die Schuld auf andere und strafte mit ausgesuchten Marterndie wegen ihrer Verbrechen verhaten Leute, die das Volk Christen nennt. Der Stif-ter dieser Sekte, Christus, ist unter der Regierung des Tiberius durch den ProkuratorPontius Pilatus hingerichtet worden. Der unheilvolle Aberglaube wurde dadurch frden Augenblick unterdrckt, trat spter aber wieder hervor und verbreitete sich nichtblo in Juda, wo er entstanden war, sondern auch in Rom, wo alle furchtbaren undverabscheuungswrdigen religisen Gebruche, die es in der Welt gibt, sich zusam-menfinden und gebt werden. (bersetzung aus: Tacitus: Annalen, deutsch von Au-gust Horneffer, mit einer Einleitung von Joseph Vogt und Anmerkungen von WernerSchur, KTA , Stuttgart , S. , S. ).

    Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit. (Maximilian Ihm[Hg.]: C. Suetoni Tranquilli Opera I: De vita Caesarum libri VIII [BiTeu], Leipzig [Nachdr. Stuttgart ]; hier: Divus Claudius ,.)

    bersetzung: Die Juden, die, von Christus veranlat, bestndig die Ruhe strten,vertrieb er [sc. der Kaiser Claudius] aus Rom.

    Josephus: Antiquitates XX .

  • Artikel II

    Viel wichtiger als die hier nun kurz nachgetragenen Texte sind diechristlichen Quellen, die Spruchquelle Q, das Markusevangelium, Pau-lus, das Sondergut des Lukas sowie das Sondergut des Matthus undschlielich auch das Evangelium des Johannes das wir aus Zeitgrndennur an zwei Stellen heranziehen konnten. Diese christlichen Quellen er-mglichen es uns, nach der Botschaft des historischen Jesus zurckzufra-gen. Dabei kommt es darauf an, die einzelnen Traditionen zu analysieren wir sprachen in diesem Zusammenhang von einer Dekomposition ,um zur ltesten Schicht der berlieferung vorzudringen. Damit sind wirschon beim dritten Punkt angelangt.

    * * *

    Drittens.Die Methoden.Die Methoden Um zu dieser ltesten Schichtder berlieferung vorzudringen, haben wir diein der Exegese des Neuen Testaments blichen Methoden benutzt. Die-se sind Gegenstand des neutestamentlichen Proseminars darauf ist andieser Stelle im einzelnen nicht einzugehen.

    Von entscheidender Bedeutung im Zusammenhang dieser Vorlesungwar aber der nchste Schritt: Wie kommt man von der ltesten ber-lieferungsschicht zum historischen Jesus zurck? Sie knnen brigens das aber nur nebenbei alle Jesusbcher an diesem methodischen Vorge-hen beurteilen und brauchen gar nicht darauf zu achten, was inhaltlichbehauptet wird. Wenn etwa ohne jede Begrndung der Text Mt ,ff. wir haben ihn in aller Krze behandelt fr den historischen Jesus inAnspruch genommen wird und das geschieht ja nicht nur in Bchernvom Kaliber der Verschlusache Jesus , dann wei jeder Kundige,was die Stunde geschlagen hat. Eine weitere Lektre solcher Bcher wirdsich in diesem Fall dann schwerlich lohnen!

    Das erste und wichtigste Mittel, das wir angewendet haben, ist dassogenannte Unableitbarkeitskriterium. Mit Hilfe des Unableitbarkeitskri-teriums ist es mglich, einen harten Kern von echten Jesusworten zurekonstruieren. Das Problem des Unableitbarkeitskriteriums liegt darin,da auf diese Weise ganz sicher viel verloren geht, was auch auf den

    Michael Baigent/Richard Leigh: Verschlusache Jesus. Die Qumranrollen und dieWahrheit ber das frhe Christentum. Aus dem Englischen von Paul S. Dachs undBrigitta Neumeister-Taroni, Mnchen [Droemer Knaur] (engl. Original unterdem Titel: The Dead Sea Scrolls Deception, London ).

  • Die Verkndigung Jesu

    historischen Jesus zurckgefhrt werden kann denn gewi hat er nichtnur Unableitbares gesagt.

    ber diesen Minimalbestand hinaus fhrt das Kohrenzkriterium; die-ses erlaubt es, dem mittels des Unableitbarkeitskriteriums rekonstruier-ten Minimalbestand artverwandte Stoffe anzufgen. Vereinfacht gesagt:Was pat zu dem, was gesicherter Minimalbestand ist? So fragt man mitdem Kohrenzkriterium.

    * * *

    Viertens.Zge des historischen Jesus. Zge deshistorischenJesus

    Genaue chronolo-gische Daten, die halbwegs verllich wren, ha-

    ben wir nicht. Wir kommen nicht wesentlich ber die Feststellung hin-aus, da Jesus unter dem Prfekten Pontius Pilatus ( bis n. Chr. inPalstina) in Jerusalem gekreuzigt worden ist. Rechnet man von Paulusher zurck, so mu dies zu Beginn der dreiiger Jahre geschehen sein.(Die Chronologie des Paulus allerdings hat ihre eigenen Schwierigkei-ten.)

    Herkunft, Kindheit, Jugend Auf besonderenWunsch wird

    die Jungfrauen-

    geburt im nch-

    sten Paragra-

    phen themati-

    siert . . .

    all das also, was den Biographen interes-siert liegen im Dunkel. Diese Dunkel durch Spekulationen la Gnilka Sie erinnern sich vielleicht an die Schleusenbauten des (te. kton)aus Nazareth erhellen zu wollen, ist m.E. nicht nur theologisch un-ergiebig.

    Gegen das Unableitbarkeitskriterium spricht sich Theien aus: Das Unableit-barkeitskriterium . . . ist verkappte Dogmatik: Jesus scheint direkt aus dem Himmelableitbar zu sein. Und diese Dogmatik hat antijdischen Akzent: Unableitbar ist, wasJesus in Gegensatz zum Judentum bringt. (Gerd Theien: Der Schatten des Galilers.Historische Jesusforschung in erzhlender Form, = , S. .Mnchen , . Aufl. , S. .)

    Die Begrndung dafr sieht bei Theien folgendermaen aus: . Das Unableitbar-keitskriterium ist nicht praktikabel: Wenn wir bei einem Jesuswort keine Abhngig-keit von jdischen Traditionen erkennen knnen, folgt daraus nicht, da es sie nichtgegeben hat. Jesus knnte von mndlichen Traditionen beeinflut sein. Oder von Tra-ditionen, die in verschollenen Schriften enthalten sind. . Das Unableitbarkeitskrite-rium vernachlssigt alles, was Jesus mit dem Judentum gemeinsam hat, als sei er imUnterschied zu anderen Menschen nicht aus seinem geschichtlichen Umfeld herauszu verstehen. (Hier folgt dann das anfangs zitierte Stck!)

    Theiens Alternative lautet folgendermaen: Anspruch auf Echtheit haben Jesus-traditionen, wenn sie im Rahmen des damaligen Judentums historisch mglich sind,aber zugleich einen besonderen Akzent haben, der verstndlich macht, da sich sp-ter das Urchristentum aus dem Judentum heraus entwickelt hat. Nicht nur Jesus, dasganze Urchristentum ist aus dem Judentum ableitbar. (ebd.)

    Joachim Gnilka: Jesus von Nazaret. Botschaft und Geschichte, HThK.S , Frei-burg/Basel/Wien , S. : Im Griechisch der Papyrus-Urkunden werden den folgende Ttigkeiten zugeschrieben: sie sind beim Schleusenbau ttig, hal-ten das Schpfrad instand, bauen Tren, Huser, bessern einen Sattel aus usw. Sehrschn: In gypten sind Schleusen und Schpfrder sicher beraus gefragt, aber in Ga-lila?

  • Artikel II

    Der einzige Abschnitt aus dem Leben Jesu, der von den Quellen herberhaupt zugnglich ist, ist die Zeit von der Taufe durch Johannes bishin zur Hinrichtung durch Pontius Pilatus. Auch fr diesen Abschnittdes Lebens Jesu lt sich der Verlauf der Ereignisse im einzelnen nichteinmal ansatzweise rekonstruieren. Dies geht so weit, da wir noch nichteinmal angeben knnen, ob diese Wirksamkeit Jesu nun ein Jahr (so dieSynoptiker) oder drei Jahre (so das Johannesevangelium) gedauert hat.

    Dafr kennen wir aber den Lehrer Jesu relativ gut: Johannes den Tu-fer. Er wird nicht zufllig sowohl bei Josephus als auch im Neuen Testa-ment als (baptiste. s) bezeichnet. Damit ist offenbar das ent-scheidende Moment seiner Ttigkeit angegeben. Der Tufer wendet sichan alle Juden, wenn er betont, da die Abrahamskindschaft nicht dasHeil verbrgt. Vielmehr ist die Axt schon an die Wurzel des Baumes ge-legt: Jetzt ist die letzte Chance fr die (meta. noia) gekommen.Zeichen dieser (meta. noia) ist die Taufe.

    Wie viele andere hat sich auch Jesus von Johannes taufen lassen. Wie-so er das tat, knnen wir nicht wissen. Fest steht, da seine Verkndi-gung nicht mit der des Tufers bereinstimmt. Sie erinnern sich an dieTuferanfrage, wo Jesus antwortet (Mt ,): Blinde sehen und Lahmegehen, Ausstzige werden rein und Taube hren, Tote stehen auf und Ar-men wird das Evangelium verkndigt. Damals fragten wir nicht: Washeit Armen wird das Evangelium verkndigt (ptochoi. euangeli.zontai)? Jetzt knnen wir diese Frage stellen und beant-worten: Was ist Evangelium (euange. lion)?

    Evangelium wird charakterisiert durch den Satz, mit dem wir uns inder vorletzten Sitzung beschftigt haben: Das Reich Gottes ist zu euchgekommen: (e. phthasen eph hyma. she basilei.a tou. theou. ) (Luk ,).

    Dabei ist klar, da es sich hier nicht um eine bloe Information han-delt. Es geht hier nicht um die Vermittlung einer theoretischen Einsicht.Vielmehr handelt es sich um ein Geschehen, das sich auf verschiedeneWeise vollzieht. Wir blicken noch einmal auf die gewonnenen Ergebnis-se zurck:

  • Die Verkndigung Jesu

    a) Heilung von Kranken

    Der ganze Satz Luk , lautet ja: Wenn ich mit dem Finger Got-tes Dmonen austreibe, so ist die Gottesherrschaft zu euch gekom-men. Das Kommen der Gottesherrschaft vollzieht sich in diesem Fallalso durch die Austreibung von Dmonen. Der besessene Mensch wirddurch Jesus geheilt und erfhrt dadurch das Kommen der Gottesherr-schaft. Gottesherrschaft wird hier also als Befreiung von dmonischenMchten konkret erfahren.

    Sie knnen diesen Einzelfall ohne weiteres auf die Heilungen Jesu imallgemeinen bertragen: Fr die von Jesus geheilten Menschen wird Got-tesherrschaft in der Befreiung von der jeweiligen Krankheit erfahrbar.

    Wenn wir von hier aus noch einmal zurckblicken auf den soebenzitierten Satz Blinde sehen und Lahme gehen, Ausstzige werden reinund Taube hren, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium ver-kndigt, so knnen wir jetzt sagen: In Jesu Wort und Tat ereignet sich (basilei.a tou. theou. ).

    Von hier aus ergibt sich eine Querverbindung hinber zur Sabbatfrage:Jesus heilt den Mann mit der gelhmten Hand am Sabbat (Mk ,).Die (basilei.a tou. theou. ) lt sich durch den Sabbatnicht aufhalten. Wo die (basilei.a tou. theou. ) ist, ist dieFrage der Interpretation des Sabbatgebots zweitrangig.

    b) Tischgemeinschaft mit Zllnern und Sndern

    Nun ereignet sich die (basilei.a tou. theou. ) aber nichtnur auf diese Weise. Die (basilei.a tou. theou. )kommt nicht nur zu den Besessenen und den anderen Kranken. Siekommt auch zu den Kranken im bertragenen Sinn: Die Gesunden be-drfen des Arztes nicht, sondern die Kranken: Ich bin nicht gekommenzu rufen die Gerechten, sondern die Snder (Mk ,).

    Wir haben gesehen, da der polemische Spruch aus Mt ,b ganz ge-wi authentisch ist: [Jesus ist demnach] ein Fresser und Weinsufer, einKumpan von Zllnern und Sndern. Fr diese Menschen ereignet sichdie (basilei.a tou. theou. ) in der durch Jesus gewhrtenTischgemeinschaft.

    Wie so viele andere wurde auch dieses Logion in dieser Vorlesung bisher nichterwhnt . . .

  • Artikel II

    Wie revolutionr dieses Handeln Jesu war, wird deutlich, wenn wir unsklarmachen, da schon die erste Generation von Christen weit hinterdiese Praxis ihres Herrn zurckfiel: Paulus berichtet in Gal , vondem sogenannten Antiochenischen Zwischenfall. Der Judenchrist Petrushatte sich zunchst mit den Heidenchristen aus Antiochia an einen Tischgesetzt. Als aber dann aus Jerusalem eine Delegation vom HerrenbruderJakobus kam, wagte er das nicht mehr (phobou. menos tou. s ek peritome. s): Man a hinfort getrennt (v. ).

    Wenn es aus judenchristlicher Sicht noch nicht einmal mglichist, da Judenchristen mit Heidenchristen gemeinsam essen, dann kannman sich vorstellen, was in einem Phariser vorging, der mit ansehenmu, da Jesus mit Zllnern und Sndern it.

    Von hier aus ergibt sich ganz zwanglos eine Querverbindung hinberzu dem von uns als unzweifelhaft echt erkannten Logion Mk ,a:Nichts, was von auen kommt, macht den Menschen unrein . . . . Jesussetzt die Reinheitsgebote des Alten Testaments auer Kraft und erffnetdurch sein Handeln Zllnern und Sndern Zugang zur (basilei.a tou. theou. ) (vgl. Mk ,). Sie werden aus ihrer Isolationherausgefhrt und erleben auf diese Weise die Ankunft der (basilei.a tou. theou. ).

    c) Sndenvergebung

    In dem neulich kurz besprochenen Gleichnis Mt , erlt der K-nig seinem Minister Talente. Dem hoffnungslos Verschuldetenwird so die Mglichkeit eines neuen Anfangs gewhrt.

    Auf der gleichen Linie liegt der Satz Mk ,: Als Jesus ihren Glaubensah, sprach er zu dem Gelhmten: Kind, dir sind deine Snden ver-geben. Hier ereignet sich die (basilei.a tou. theou. )durch die Vergebung der Schuld, die neues Leben ermglicht.

    Matthus ist also auf dem Holzweg historisch wie theologisch ,wenn er die Botschaft Jesu in dem Satz zusammenfat (Mt ,): Kehrtum, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen. Bei Jesusist es nicht wie bei Johannes dem Tufer, wo die Umkehr ([meta. noia]) Voraussetzung fr das Heil ist.

    Auch dieser Text konnte im Rahmen dieser Vorlesung nicht diskutiert werden.

  • Die Verkndigung Jesu

    Hier ist es nicht so, da zuerst die Umkehr des Menschen gefordertwrde. Ganz im Gegenteil: Die (basilei.a tou. theou. ),die der einzelne erfhrt, ermglicht ihm die Umkehr: Der Besessene wirdgeheilt und kann ein menschenwrdiges Leben allererst beginnen. DerKranke wird gesund und ist in der Lage, als Mensch von neuem zu le-ben. Dem Auenseiter wird ein Anfang ermglicht . . . berall kommterst die (basilei.a tou. theou. ) zu den Menschen, danachkommt als ihre Folge die Umkehr. Als von der (basilei.atou. theou. ) Ergriffene sind sie hinfort nicht mehr dieselben wie zuvor.

    * * *

    Fnftens.Ein Der Tod JesuMenschenleben galt nicht viel in jener Zeit.Dafr knnte man eine lange Reihe von Zeug-nissen etwa aus Josephus anfhren. Aber selbst wenn man dies einrumt,bleibt der Tod Jesu erklrungsbedrftig: Niemand kreuzigt einen Lehrer,der durch die Lande zieht, um schne Geschichten zu erzhlen, die dieallgemeine Moral zu befrdern geeignet sind.

    Wegen der fortgeschrittenen Zeit konnten wir diesem Problem nichtdie ntige Aufmerksamkeit widmen. Klar wurde, hoffe ich, immerhinso viel: Jesus erregte Ansto in Wort und Tat. Der Zulauf zu Jesus muimmerhin solche Ausmae angenommen haben, da er aus politischerPerspektive als gefhrlich eingestuft werden konnte. Der Landesherr Jesu,Herodes Antipas, lie da nicht mit sich spaen, wie wir am Fall Johannesdes Tufers gesehen haben. Polemische Worte Jesu mgen ein weitererFaktor gewesen sein (vgl. etwa Mk ,, in der letzten Sitzung wenig-stens gestreift in dem Zusammenhang mit der Frage des census; oder Luk,). Gewi war die Absicht Jesu keine politische; er war kein Revo-lutionr, der die Gesellschaft umstrzen wollte. Das schliet aber dochnicht aus, da die einschlgigen Behrden ber ihn Material sammeln,ihn beobachten, ihn auch politisch fr gefhrlich halten. Ein Wirrkopfgewi, aber ein beraus gefhrlicher Wirrkopf.

    Alles spricht deswegen dafr, da es sich bei der Kreuzigung nicht umeinen Betriebsunfall handelte. Es war auch kein Justizirrtum. Es war nachmeiner Einschtzung nicht das einzig mgliche Ende des Weges Jesu, aberdoch ein Ende, das konsequent ist, wenn man den Weg Jesu in dieserPerspektive betrachtet.

    Den einschlgigen Aufsatz von Vouga zitiere ich hier nicht.

  • Artikel II

    Damit stehen wir am Schlu dieses Paragraphen, und wir nehmennoch einmal die ganz zu Anfang gestellte Frage auf: Welches ist die Be-deutung des historischen Jesus fr die Theologie des Neuen Testaments?Die Gestalt des Gekreuzigten htte vllig unverstndlich bleiben ms-sen, wenn gar kein Zusammenhang mit demjenigen bewut gewesen w-re, was Jesus als Verkndiger gelebt hatte. Aus dem Verkndiger wirdder Verkndigte gewi. Aber es bleibt doch festzuhalten: Christolo-gie ist in allem, was sie sagen kann und mu, an Jesus orientiert, diesemhistorisch bestimmbaren Menschen. Sie beansprucht, zu explizieren, werdieser Mensch war und ist in dem weiten Sinne eines wirkenden, aus-strahlenden, in Anspruch nehmenden, sprechenden Seins. Christologiewill zu diesem Menschen Jesus nicht etwas hinzufgen, was er nicht ist.

    Was das im einzelnen bedeutet, werden wir in den folgenden Paragra-phen zum Zweiten Artikel sehen.

    Gerhard Ebeling: Dogmatik des christlichen Glaubens, Band II, Tbingen ,S. .

    Gerhard Ebeling , a.a.O., S. . Die Kursivierung ist von mir.