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224 BOARD 5/2016 Daten – Fakten – Mandate 5. Frankfurter Aufsichtsratstag „Der „operative Aufsichtsrat - Ideal oder Irrweg?“ Am 21. September 2016 fand der Frankfurter Aufsichtsratstag des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat e.V. zum fünften Mal statt und AdAR feierte das kleine Jubiläum in dem ehemaligen Refektorium des Karmeli- terklosters in Frankfurt mit über 100 Aufsichtsräten und Verwaltungsräten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Kongress machte durch verschiedene Vorträge und Paneldiskussionen den Spannungs- bogen deutlich, in dem sich ein Aufsichtsrat heute befindet. Zum einen wurde der Rahmen rechtlicher Regulierung aufgezeigt, in dem ein Aufsichtsrat agieren sollte. Jenseits der juristischen Perspektive wurde aber auch deutlich, dass weitere Anforderungen an die Kompetenz von Aufsichtsräten bestehen, die sich durch den immer schnelleren Wandel insbesondere auch durch die Digitalisierung und Veränderung von Geschäftsprozessen weltweit ergeben. Nach der Eröffnung des Kongressta- ges durch Prof. Dr. Stefan Siepelt, Mitglied des geschäftsführenden Vor- stands von AdAR, machte gleich zu Beginn Prof. Dr. Barbara Grunewald, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürger- liches Recht und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln und Mitglied des Aufsichtsrates der Evonik Indus- tries AG, aus Sicht der Juristen klar, dass die Geschäftsführung und damit die Verantwortung für das operative Geschäft auch in der heutigen Zeit beim Vorstand liegt. Diese Verant- wortung darf beispielsweise auch nicht durch ein Vergütungssystem, das bestimmte Geschäftsmassnah- men incentiviert, vom Aufsichtsrat eingeengt werden. Die vom Aktien- gesetz vorgesehen Kompetenzver- teilung ändere sich auch dann nicht, wenn der Vorstand eine Aufgabe an ein Aufsichtsratsmitglied delegiere, so Prof. Grunewald. Wenngleich Investo- rengespräche zu den Aufgaben des Vorstands zählten, so könnte doch auch der Aufsichtsratsvorsitzende ebenfalls Gesprächspartner sein. Bei der Durchführung von Investorenge- sprächen habe der Aufsichtsratsvor- Der 5. Frankfurter Aufsichtsratstag im Steigenberger Frankfurter Hof und im Karmeliterkloster Frankfurt am Main (©Fotos: AdAR)

5. Frankfurter Aufsichtsratstag - adar.info · mend öfter Sitzungen der Non-Exe-cutive Directors ohne Anwesenheit der Executive Directors gibt. Die Beratung durch den Aufsichts-rat

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Daten – Fakten – Mandate

5. Frankfurter Aufsichtsratstag „Der „operative Aufsichtsrat − Ideal oder Irrweg?“

Am 21. September 2016 fand der Frankfurter Aufsichtsratstag des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat e.V. zum fünften Mal statt und AdAR feierte das kleine Jubiläum in dem ehemaligen Refektorium des Karmeli-terklosters in Frankfurt mit über 100 Aufsichtsräten und Verwaltungsräten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Kongress machte durch verschiedene Vorträge und Paneldiskussionen den Spannungs-bogen deutlich, in dem sich ein Aufsichtsrat heute befindet. Zum einen wurde der Rahmen rechtlicher Regulierung aufgezeigt, in dem ein Aufsichtsrat agieren sollte. Jenseits der juristischen Perspektive wurde aber auch deutlich, dass weitere Anforderungen an die Kompetenz von Aufsichtsräten bestehen, die sich durch den immer schnelleren Wandel insbesondere auch durch die Digitalisierung und Veränderung von Geschäftsprozessen weltweit ergeben.

Nach der Eröffnung des Kongressta-ges durch Prof. Dr. Stefan Siepelt, Mitglied des geschäftsführenden Vor-stands von AdAR, machte gleich zu Beginn Prof. Dr. Barbara Grunewald, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürger-liches Recht und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln und Mitglied des Aufsichtsrates der Evonik Indus-tries AG, aus Sicht der Juristen klar,

dass die Geschäftsführung und damit die Verantwortung für das operative Geschäft auch in der heutigen Zeit beim Vorstand liegt. Diese Verant-wortung darf beispielsweise auch nicht durch ein Vergütungssystem, das bestimmte Geschäftsmassnah-men incentiviert, vom Aufsichtsrat eingeengt werden. Die vom Aktien-gesetz vorgesehen Kompetenzver-

teilung ändere sich auch dann nicht, wenn der Vorstand eine Aufgabe an ein Aufsichtsratsmitglied delegiere, so Prof. Grunewald. Wenngleich Investo-rengespräche zu den Aufgaben des Vorstands zählten, so könnte doch auch der Aufsichtsratsvorsitzende ebenfalls Gesprächspartner sein. Bei der Durchführung von Investorenge-sprächen habe der Aufsichtsratsvor-

Der 5. Frankfurter Aufsichtsratstag im Steigenberger Frankfurter Hof und im Karmeliterkloster Frankfurt am Main (©Fotos: AdAR)

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sitzende aber darauf zu achten, dass er nicht in die Geschäftsbefugnis des Vorstands eingreift. Es gilt die The-men, zu denen der Aufsichtsratsvor-sitzende sprechen kann, zuvor abzu-stimmen. Andererseits kann auch der Vorstand nicht über Aufsichtsratsan-gelegenheiten sprechen.

Dr. Manfred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, brach in Frankfurt erneut ein Lanze für das dualistische System. Aus Sicht von Gentz trennt das dualistische System klarer als das monistische die Funkti-onen von Vorstand und Aufsichtsrat, oder von Exekutive und Überwachung. Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen nicht Mitglieder des Vorstands sein und umgekehrt. Die beiden Gremien und ihre Mitglieder seien also in ihrer Gremienfunktion voneinander unab-hängig. „Damit soll gewährleistet wer-den, dass ein unabhängiges Urteil über Entscheidungen und Maßnahmen des operativ verantwortlichen Vorstands durch einen funktionell mit ihm nicht verbundenen Aufsichtsrat gebildet werden kann. Die mögliche Befan-genheit eines in seine Ideen verlieb-ten oder verstrickten Umsetzers, die Fixierung auf bestimmt Ziele, die auch zu Blindheit oder Wahrnehmungs-schwäche führen kann, sollen damit aufgehoben oder doch abgemildert werden“, so Gentz.

Gleichzeitig soll im typisch deutschen System der operativ Verantwortliche sich nicht nur selbst und ausschließlich kontrollieren, sondern ein Unbefan-gener mit einem unverstellten Blick soll sehr bewusst diese schon selbst durchgeführte Kontrolle noch einmal übernehmen. Es sei kein Zufall, dass es in monistischen Systemen zuneh-mend öfter Sitzungen der Non-Exe-cutive Directors ohne Anwesenheit der Executive Directors gibt.

Die Beratung durch den Aufsichts-rat könne gerade durch die funk-tionale Trennung der Gremien zu einer gewichtigen Aufgabe durch einen qualifizierten Feedback-Partner werden.

Gentz stellte darüber hinaus klar, dass die Strategieentwicklung, die Rech-nungslegung, die Aufstellung von Jahresabschlüssen und die Einfüh-rung von Systemen wie Internal Con-trols, Rechnungslegungsprozessen, Risikomanagement und Risikofrüh-erkennung, von Verfahrensweisen, Grundsätzen und Berichtswegen der Internen Revision oder bei Compli-ance die Primär- und Handlungsver-antwortung immer beim Vorstand liegt. Ohne die notwendige Vorleis-tung des Vorstands könne der Auf-sichtsrat aber weder beraten noch überprüfen. Der Aufsichtsrat habe die Systeme auf ausreichende potenzielle Wirksamkeit zu prüfen. Er müsse sich aber auch damit beschäftigen, ob theoretisch gute Systeme in ihrer tatsächlichen Anwendung wirklich effizient sind, beispielsweise weil die vorgeschriebenen Berichtswege nicht eingehalten werden oder unzurei-chend sind. Wenn der Aufsichtsrat Fehler oder Defizite erkenne, habe er den Vorstand aufzufordern, diese Mängel zu beseitigen, und er müsse die Umsetzung kontrollieren.

Schließlich führte Gentz aus, dass wenn der Vorstand in wichtigen Fra-gen trotz wiederholter Diskussion dem Aufsichtsrat dauerhaft nicht folgt oder folgen will, das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen die-sen beiden Organen der Gesellschaft gestört sei. „Dann werden personelle Konsequenzen unvermeidlich“, so der

ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzende der Deutsche Börse AG.

Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Chair-man of the Advisory Council von Roland Berger, setzte vor dem ersten Panel zum Thema Strategie als Mathe-matiker und Betriebswirt einen ersten Kontrapunkt zu den bisherigen eher juristisch ausgerichteten Vorträgen. Der akademische Leiter des HHL Cen-ter for Scenario Planning an der Han-delshochschule Leipzig machte deut-lich, dass sich auch ein Aufsichtsrat heute der Herausforderung der Unge-wissheit von Entscheidungen stellen müsse. Früher hätte man anhand einer Wahrscheinlichkeitsrechnung zu den Möglichkeiten des Eintritts verschiede-ner Ereignisse Entscheidungen getrof-fen. Heute sei dies nicht mehr ohne Weiteres möglich. Klassische Strate-gische Planungsinstrumentarien seien nicht mehr anwendbar, herkömmliche

Podiumsdiskussion zum Thema Strategie mit Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Prof. Dr. Dr. hc. mult. Peter Hommelhoff, Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Prof. Dr. Michèle Sutter-Rüdisser, Prof. Dr. Susanne Kalss (©Foto: AdAR)

Dr. Manfred Gentz zum dualistischen System von Aufsichtsrat und Vorstand (©Foto: AdAR)

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Berechnungen von Cashflows und Wachstumsraten nicht mehr sicher und die Abgrenzung von Geschäfts-feldern nicht mehr eindeutig.

„Strategie ist eher eine Denkhaltung und nicht als Instrumentarium zu ver-stehen.“ so Prof. Schwenker. Strategie sei dann gut, wenn sie Ungewissheit akzeptiere, kritisch sei und tief geht, neue Szenarien entwickelt und Mut bewiesen werde. Persönlichkeiten und nicht Technokraten, sondern bunte, kreative Typen seien gefragt − was auch für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gelte.

Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Mit-glied des geschäftsführenden Vor-stands von AdAR sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Pri-vatrechtsentwicklung sowie Direk-

torin des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln, moderierte das anschließende Diskussionspanel zu „Aufsichtsrat und Strategie‘“, bei dem neben Prof. Dr. Burkhard Schwenker auch Prof. Dr. Michèle Sütter-Rüdisser von der Universität St. Gallen, Prof. Dr. Suanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien sowie Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff durchaus kont-roverse, aber stets pointierte Stand-punkte zu den Aufgaben und Gren-zen der Aufsichtsratsarbeit vertraten. An der lebhaften Diskussion nahm auch das Auditorium mit zahlreichen Nachfragen und Redebeiträgen teil.

Nach der Mittagspause knüpfte Peter Herr von Diligent mit seinem Thema „Das moderne Aufsichtsratsbüro“ an die letztjährige Tagung an, auf der die Frage im Fokus stand, was für

ein Umfeld ein Aufsichtsrat für eine professionelle Arbeit benötigt. Herr unterstrich in seinem Vortrag noch-mals, dass der Aufsichtsrat von heute einem erhöhten Druck ausgesetzt sei, der nicht zuletzt auf die schnelllebige Geschäftswelt, höhere Internatio-nalität, steigende Transparenz, und schliesslich auch auf höhere Sicher-heitsanforderungen im Umgang mit Daten zurückzuführen sei. Immer mehr Unternehmen stiegen daher auf die digitale Informationsbereitstellung in einer sicheren Portalumgebung für den Aufsichtsrat um, um den erhöhten Informationsanforderungen gerecht werden zu können.

Passend zum Thema des geselligen Vorabends im Steigenberger Frankfur-ter Hof, an dem Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff die Gäste zunächst mit einer kurzweiligen Dinner Speech

Podiumsdiskussion zum Thema Investorendialog mit Marc Tüngler, Dr. Axel Berger, Daniela Mattheus, Prof. Christian Strenger; Dr. Harmut Schenk (©Foto: AdAR)

Prof. Dr. Burkhard Schwenker mit einem Impulsvortrag zur Strategie (©Foto: AdAR)

Anregende Gesprächsrunden im Rahmen der Vorabendveranstaltung mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hommelhoff als Dinner Speaker (©Foto: AdAR)

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und dann mit einem After-Dinner-Dialog mit Frau Mettheus in seinen Bann zog, stellte Daniela Mattheus, Partnerin von EY, am Nachmittag die neuen Leitsätze für den Dialog zwi-schen Investor und Aufsichtsrat vor, die von einer Vielzahl von Experten aus der Praxis und der Wissenschaft erarbeitet und im Sommer diesen Jah-res vorgestellt wurden. Die Leitsätze stehen im Einklang mit der Diskussion in der Corporate Governance Kom-mission und der Lehre vor, dass zwi-schen Investoren und Aufsichtsrat ein Dialog geführt werden kann. Dabei soll der Dialog ausschließlich Themen, die in den Aufgaben- und Verantwor-tungsbereich des Aufsichtsrats fallen, umfassen.

Nach den Leitsätzen vertritt der Auf-sichtsratsvorsitzende den Aufsichtsrat in der Kommunikation mit Investoren. Er kann weitere Aufsichtsratsmitglie-der, etwa Ausschussvorsitzende, den Vorstandsvorsitzenden oder andere Mitglieder des Vorstands zu einem

Dialog hinzuziehen. Dabei setzen die Leitsätze auf Transparenz. So soll der gesamte Aufsichtsrat über etwaige Gespräche informiert werden. Zur Grundregel soll auch gehören, dass der Aufsichtsrat mit dem Vorstand die Grundsätze für die Ausgestaltung eines Dialogs zwischen Investor und Aufsichtsrat bespricht.

Marc Tüngler, Mitglied des geschäfts-führenden Vorstands von AdAR, Hauptgeschäftsführer der DSW und Aufsichtsrat, führte in gewohnt kurz-weiliger und pointierter Art durch die den Kongress abschließende Diskussion zur Kommunikation zwi-schen Aufsichtsrat und Investoren mit Daniela Mattheus sowie Dr. Hartmut Schenk, Aufsichtsratsvorsitzender freenet AG, Prof. Christian Strenger, Multiaufsichtsrat u.a. bei Deutsche Asset Management International sowie Dr. Axel Berger, Aufsichtsrat von BHW. Das Publikum stand auch in diesem Diskussionspanel mit den Podiumsmitgliedern im Dialog und führte den Kongress mit zahlreichen Wortmeldungen zu einem erfolgrei-chen Abschluss.

Weitere Infos zu der Veran-staltung unter: www.adar.info sowie ein Zusammenschnitt unter www.directorschannel.tv

(PD)

Der 5. Frankfurter Aufsichtsratstag bot in den Pausen auch ausreichend Gelegenheit zum anregenden Austausch unter den Teilnehmern (©Fotos: AdAR)

Peter Herr von Diligent zum modernen Aufsichtsratsbüro (©Foto: AdAR)

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