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AUSGABE 2015/2016 | PERSPEKTIVEN FÜR IHR BERUFSLEBEN 50plus Ihre Erfahrung zählt CHANCEN AM ARBEITSMARKT Wertvoll und gefragt: Ihr Wissen, Ihre Erfahrung ALTERSGERECHT ARBEITEN Im Beruf bleiben ALTERNATIVEN IM BERUF Wege zur neuen Stelle

50plus · über 50 Jahre in den Unternehmen stieg von 5,2 Millionen im Jahre 1999 auf 9,1 Millionen im Jahr 2013. Wenn diese nun aus Altersgründen nach und nach ausscheiden, wird

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A U S G A B E 2 0 1 5 / 2 0 1 6 | P E R S P E K T I V E N F Ü R I H R B E R U F S L E B E N

50plusIhre Erfahrung zähltCHANCEN AM ARBEITSMARKTWertvoll und gefragt: Ihr Wissen, Ihre Erfahrung

ALTERSGERECHT ARBEITENIm Beruf bleiben

ALTERNATIVEN IM BERUFWege zur neuen Stelle

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Themenheft 2015/2016 50plusINHALT THEMEN

50PLUS – IHRE ERFAHRUNG ZÄHLTAuch mit 50plus gibt es viele Möglichkeiten, beruflich am Ball zu

bleiben. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen dafür günstig,

schließlich bringen Sie Berufserfahrung und Fachwissen mit. Neue

Herausforderungen können Sie daher motiviert angehen – sei es

eine Stellensuche, eine Weiterbildung oder eine Alternative zur

klassischen Vollzeitbeschäftigung. Dieses Themenheft zeigt Ihnen

Wege auf und liefert wertvolle Informationen.

IMPRESSUM HerausgeberBundesagentur für Arbeit, Nürnberg

VerlagMeramo Verlag GmbH, Gutenstetter Straße 8d, 90449 NürnbergTel. 0911 937739-0 Fax 0911 937739-99E-Mail: [email protected]

Redaktion BerufsfeldinformationenGesamtleitung: Rainer MöllerChefredaktion: Andreas SeidlRedaktion: Evelyn SchulzLektorat: Edith Backer Art Direktor: Nero A. KaiserStellv. Art Direktor: Viviane SchaddeLayout: Monika Orend, René WeinbergTitelfoto: Thomas RieseWir fotografierten in der St. Pauls Apotheke Fürth und bedanken uns für die freundliche Unterstützung.

AutorenBernd Klement, Sabine Olschner, Judith Schallenberg, Sabine Schrader

DruckAlpha print Medien AG, Darmstadt

RedaktionsschlussAugust 2015

HaftungsausschlussFür die Richtigkeit der Eintragungen kann – auch wegen der schnellen Entwicklung in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik und der großen regionalen Unterschiede – keine Haftung übernommen werden. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Agentur für Arbeit, ob in der Zwischenzeit in einzelnen Punkten Änderungen eingetreten sind.

Copyright© Bundesagentur für ArbeitAlle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugs-weise, sowie jede Nutzung der Inhalte bedarf der vor-herigen Zustimmung des Verlags. In jedem Fall ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Bilder dürfen grund-sätzlich nicht genutzt werden. Mit Namen gekennzeich-nete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Herausgebers wieder.

BestellungenDas Heft kann über den Bestellservice der Bundesagentur für Arbeit im Internet bezogen werden: www.ba-bestellservice.de

Chancen am Arbeitsmarkt Mit Erfahrung punkten ...................................................................................... 4

Interview „Es zählt allein, dass jemand zu uns passt.“ ................................. 6

Im PorträtVier aktive Menschen über 50 berichten .......................... 8

ArbeitsmodelleAltersgerechte Lösungen finden .........................12

Altersgemischte Teams Jeder bringt sein Potenzial ein ............ ....................18

Weitere Themen

AlternativenWege zur neuen Beschäftigung ............................ 22Aus der Praxis Existenzgründung als Chance .................................24Checkliste Tipps für die Bewerbung .............27

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMARKTCHANCEN EINFÜHRUNG

DIE CHANCEN NUTZENDiversen wissenschaftlichen Studien zufolge wird sich aufgrund des demografischen Wandels der Fachkräftemangel in Deutschland in den nächsten Jahren verschärfen. Dadurch könnten sich die Arbeitsmarkt-chancen von erfahrenen Fachkräften in Zukunft verbessern.

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Alles hat seinen Platz, jeder Handgriff sitzt: Ältere gehen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben strukturiert vor.

die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1950er- und 1960er-Jahren kommen langsam ins Ren-tenalter – und machen Platz für den Nachwuchs

in den Unternehmen. Das Problem ist jedoch: Es kommen zum Teil nicht so viele junge Arbeitskräfte nach, wie ältere in Ruhestand gehen. Folglich werden Arbeitgeber in Zukunft vermehrt auch auf ältere Arbeitskräfte angewiesen sein, um den Betrieb am Laufen zu halten. Die Zahl der Beschäftigten über 50 Jahre in den Unternehmen stieg von 5,2 Millionen im Jahre 1999 auf 9,1 Millionen im Jahr 2013. Wenn diese nun aus Altersgründen nach und nach ausscheiden, wird es für die Arbeitgeber eng: Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln rechnet damit, dass bis zum Jahr 2020 rund 1,3 Milli-onen Fachkräfte fehlen werden.

„Ich bin doch zu alt, mich will keiner mehr“, ist heute kein Argument mehr, um Bewerbungen zu scheuen oder zu resig-nieren. Ganz im Gegenteil: Erfahrung ist gefragt. Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer bleiben heute länger im Beruf als noch vor einigen Jahren. In den Personalabteilungen und Chefetagen weiß man sehr genau, welche Pluspunkte erfahrene Kräfte aufweisen. Die Firmen stellen sich mit an-gepassten Arbeitsplätzen und Aufgaben auf die speziellen Bedürfnisse einer älteren Belegschaft ein.

Fit bleiben, geistig und körperlichWichtig ist es, die eigene Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Mit re-gelmäßigem Sport stärken Sie Ihr Wohlbefinden und fördern Ihre Gesundheit. Viele Unternehmen bieten auch Betriebs-sportgruppen oder andere Gesundheitsprogramme an, um ihre Belegschaft fit zu halten. Lassen Sie sich die Gelegen-heit der oft kostenlosen Sportprogramme nicht entgehen.

Es genügt jedoch nicht, nur körperlich fit zu bleiben – auch Ihren Geist sollten Sie auf Trab halten. Das können Sie am besten tun, indem Sie regelmäßig an Weiterbildungen teilnehmen, die Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten festigen und ausbauen. Teils werden vom Arbeitgeber entsprechende Seminare angeboten. Daneben sollten Sie sich aber auch selbst über mögliche Fortbildungen informieren. Neues Wis-sen kann zu mehr Sicherheit im Berufsalltag führen und Sie dazu motivieren, neue Aufgaben zu übernehmen. Fragen Sie Ihren Arbeitgeber, ob er bereit ist, in eine Weiterbildung zu investieren. Falls er dies ablehnt, dann informieren Sie sich über die Möglichkeiten einer alternativen Finanzierung sowie über Fördermöglichkeiten. Wer weiß, ob Sie nicht doch noch einmal die Arbeitsstelle wechseln wollen oder müssen? Das zusätzliche Wissen aus einer Weiterbildung könnte dann Gold wert sein.

Voneinander lernenIn der Zusammenarbeit mit jüngeren Kollegen und Kollegin-nen können Sie sich das eine oder andere aneignen – und im Gegenzug können diese von Ihrer langjährigen Erfahrung im Berufsleben profitieren, zum Beispiel was den Umgang mit stressigen Situationen oder die effiziente Gestaltung von Arbeitsprozessen betrifft. Die Berufs- und Lebenserfahrung von Älteren und die innovativen Ideen von Berufsanfängern

sind eine perfekte Kombination, um gemeinsam gute Leis-tungen zu erbringen. Und das freut letztendlich auch den Arbeitgeber.

Eigene Kenntnisse betonenWenn Sie lange Zeit in nur einer Firma beschäftigt waren und sich neu orientieren möchten oder müssen, sind Sie vielleicht beim Thema Bewerbungen nicht mehr ganz auf dem Laufen-den. Bevor Sie sich an die Bewerbungsschreiben setzen, brin-gen Sie Ihr Wissen auf den neuesten Stand. Bei der Jobsuche selbst helfen oft Kontakte: Je mehr Menschen Sie kennen, umso größer ist die Chance, dass einer von ihnen den ent-scheidenden Tipp für eine neue Stelle geben kann. Aktivieren Sie also Ihr Netzwerk. Ganz wichtig: Ziehen Sie sich im Fall einer Arbeitslosigkeit nicht aus Ihren sozialen Kreisen zurück. Nur so können Sie bei Bedarf auf die Hilfe anderer bauen.

Wichtig ist es, im Rahmen von Bewerbungen das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen! Sie haben im Laufe Ihres Berufslebens viele Fähigkeiten erlernt, Kenntnisse er-worben und Erfahrungen gesammelt. Von Ihrem beruflichen Wissensschatz kann ein möglicher Arbeitgeber nur profitie-ren. Heben Sie das in Bewerbungen und Gesprächen klar hervor und beweisen Sie, dass Sie noch lange nicht zum „alten Eisen“ gehören.

DAS WISSEN AUS EINER WEITERBILDUNG KANN

GOLD WERT SEIN.

linksWeiterbildung ja – aber wie findet man die passende? Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) unter-stützt Sie bei der Auswahl mit seiner Checkliste „Qualität beruflicher Weiterbildung“. Die Liste enthält unter anderem Hinweise zu Fortbildungsabschlüssen und Fördermöglichkeiten. www.bibb.de/checkliste

In KURSNET, einem Portal der Bundesagentur für Arbeit, können Sie gezielt nach Weiterbildungs-angeboten suchen. www.kursnet.arbeitsagentur.de

Welcher Lerntyp sind Sie? Wie können Sie durch Weiter bildung Ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten? Diese und weitere Themen werden im durchstarten-Themenheft „Weiter durch Bildung“ der Bundes-agentur für Arbeit behandelt: www.arbeitsagentur.de/durchstarten > Weiter durch Bildung. Hier finden Sie das Heft als PDF-Datei zum Herunterladen.

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMARKTCHANCEN INTERVIEW

INTERVIEW

SINA TRINKWALDER

„ÄLTERE BRINGEN RUHE UND SICHERHEIT“

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In ihrer Augsburger Textilmanufaktur „manomama“ lässt Sina Trinkwalder ökologische Textilien fertigen. 2010 als soziales Projekt gestartet, erhielt die Firma 2011 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Die 37-jährige Gründerin beschäftigt auch viele Ältere. Welche positiven Erfahrungen sie mit ihnen macht, erzählt sie im Interview.

Wie setzt sich Ihre Belegschaft altersmäßig zusammen?

Sina Trinkwalder: Bei uns gibt es ältere und jüngere, erfahrenere und innovativere Menschen. Wir sind vor fünf Jahren ausschließlich mit Kollegen und Kolleginnen über 45 Jahren gestartet. Heute sind 154 Menschen bei uns fest angestellt, davon sind rund zehn Prozent über 60, etwa 40 Prozent über 50 und rund 30 Prozent über 40 Jahre alt.

Wenn Sie neues Personal einstellen, achten Sie dann auf das Alter der Bewerber?

Sina Trinkwalder: Es ist mir völlig egal, wie alt ein Be-werber oder eine Bewerberin ist, was er bisher gemacht hat, ob er einen Migrationshintergrund hat, alleinerzie-hend ist, gehandicapt ist oder welche Qualifikationen er hat. Es zählt allein, dass er oder sie zu uns passt.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Älteren und Jüngeren?

Sina Trinkwalder: Die funktioniert wunderbar, weil wir den richtigen Mix haben. Die Jungen haben oft verrückte Ideen, die Älteren bringen diese Ideen in umsetzbare Maß-nahmen. Wenn es mal stressig ist, wissen die Jüngeren aufgrund mangelnder Erfahrung oft nicht, wie sie reagie-ren sollen. Dann bringen die Älteren Ruhe und Sicher-heit hinein. Denn sie wissen: Das haben wir schon immer geschafft, das werden wir auch dieses Mal schaffen. Die älteren Kolleginnen und Kollegen sind bei uns also eine ganz wertvolle Säule.

Sind ältere Menschen, die vielleicht eine Weile nicht gearbeitet haben, bei ihrem Neuanfang besonders motiviert?

Sina Trinkwalder: Wenn Menschen länger aus dem Job raus sind, ist es eigentlich eher gefährlich, zu motiviert an die Sache heranzugehen. Denn dadurch setzen sie sich selbst unter zu großen Druck, dem sie gar nicht gerecht werden können. Ich habe schon gesehen, wie ein über-motivierter Mensch nach drei Tagen alles hinwarf und sagte: „Ich wusste, dass das nichts wird.“ Dann sage ich: „Du lässt es jetzt etwas langsamer angehen.“ Diejenigen, denen ich eine zweite Chance gegeben habe, sind heute meine wertvollsten Mitarbeiter. Sie sind über sich hinaus-gewachsen. Und dieses Selbstwert-Erlebnis geben sie an die Jüngeren weiter, denen sie sagen können: „Wirf die Flinte nicht ins Korn, das klappt schon!“

Welche Arbeitszeitmodelle bieten Sie an?Sina Trinkwalder: Bei uns arbeiten 90 Prozent der Be-schäftigten in Vollzeit, weil sie Alleinverdiener sind. Und wenn jüngere Mitarbeiter mit Kindern nur zu bestimmten Zeiten arbeiten können, sind unsere älteren Mitarbeiter bereit, Rücksicht darauf zu nehmen und zu anderen Zeiten zu arbeiten, oder umgekehrt.

Was tun Sie dafür, um Ihre älteren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitsfähig zu halten?

Sina Trinkwalder: Wir haben zusammen mit den Kranken kassen ein Sportprogramm aufgelegt, das alle Beschäftigte, gleich welchen Alters, nutzen können. Dabei lernen sie zum Beispiel, ergonomisch richtig an den Näh-maschinen zu sitzen.

Was ist Ihr Tipp für Bewerbungen?Sina Trinkwalder: Entschuldigen Sie sich nicht für Ihr Alter! Und wenn Sie mal eine Weile nicht gearbeitet haben, ist das kein Manko. Dann haben Sie sich offenbar gerade um Ihr Leben gekümmert.

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Im Berufsalltag kommt es oft gar nicht auf das Alter an.

checkliste Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich erreichen? Sich selbst einzuschätzen, ist nicht immer einfach. Experten sprechen von verschiedenen Kompetenz-feldern: fachliche, soziale und Methoden-Kompetenz. Die Checkliste hilft Ihnen dabei, Ihre eigenen Kenntnis-se und Fähigkeiten besser einzuschätzen. Denn gerade Ältere können meist mehr, als sie denken.

Fachliche Kompetenz, z.B.: □Welche Abschlüsse haben Sie? □Beförderungen? □Weiterbildungen? □Berufliche Stationen? □Verantwortlichkeiten? □ Fachkenntnisse?

Soziale Kompetenz, z.B.: □ Teamfähigkeit □Offenheit □Motivation □ Einfühlungsvermögen □ Zuverlässigkeit □ Positive Einstellung zum Beruf

Methoden-Kompetenz, z.B: □ Flexibilität □Mobilität □ Interesse an Weiterbildung □ Interesse an Neuerungen □ Zeitmanagement □Kunden- und Dienstleistungsorientierung

Welche Fragen sind wichtig, wenn ich mich beruflich neu positionieren möchte?

Beim bisherigen Arbeitgeber: □ Haben Sie mit Ihrem Arbeitgeber über einen neuen Aufgabenbereich, Teilzeit, Homeoffice oder andere altersgerechte Maßnahmen gesprochen? □ Können Sie sich vorstellen, Ihr Wissen an Azubis und jüngere Kollegen weiterzugeben, etwa als Mentor? □ Bietet Ihr Arbeitgeber die Möglichkeit, sich weiterzubilden? □ Käme eine niedriger angesiedelte Position für Sie in-frage – und damit auch Abstriche im Gehalt -, wenn Sie dadurch bei Ihrem Arbeitgeber bleiben könnten?

Bei einem neuen Arbeitgeber: □ Fühlen Sie sich körperlich und geistig fit für einen beruflichen Neustart? □ Könnte ein neues Arbeitsverhältnis auch zeitlich be-fristet sein? □ Was halten Sie von einem Branchenwechsel? □ Würden Sie für eine neue Stelle Weiterbildungen absolvieren, diese auch selbst finanzieren und dafür eventuell in eine andere Stadt fahren? □ Welche Weiterbildungen kommen infrage: Fachwissen, IT, Fremdsprachen, Soft Skills?

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMARKTCHANCEN IM PORTRÄT

JEDEN TAG NEUES LERNEN

Peter Rux hat in den vergangenen Jahren beruflich die verschiedensten Aufgaben übernommen. Nun ist er als Mitarbeiter für die logistischen Abläufe eines Kurierdienstleisters zuständig.

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Peter Rux, Sachbearbeiter,

Berlin

nach einer Ausbildung im Metallbereich arbeitete Peter Rux zunächst viele Jahre bei den Berliner Verkehrsbetrieben, bis er sich als Kurierfahrer

selbstständig machte. Als es nach einiger Zeit finanziell schwierig für ihn wurde, entschloss er sich, die Branche zu wechseln und fing an, in verschiedenen Bereichen zu jobben: Er war unter anderem im Autobau, im Antennen-bau und im Eisenbahnbau tätig, zuletzt bei einem Sicher-heitsdienst. In einer Phase der Arbeitslosigkeit entdeckte er im Internet die Stellenanzeige des Kurierdienstleisters Messenger in Berlin, der einen Logistikmitarbeiter für die operativen Abläufe bei einem großen Druckereikunden be-nötigte. „Da ich mich mit Kurierdiensten und organisatori-schen Aufgaben aus kenne, passte das sehr gut“, sagt der 50-Jährige. Vier Tage nach der Bewerbung bei dem Berliner Kurierdienstleister trat er, nach zwei Stunden Probearbeit, seine neue Stelle an. „Der Kollege, der die Stelle aufgebaut hatte, hat mich acht Wochen lang eingearbeitet, und jetzt bin ich zusammen mit einem etwa gleichaltrigen Kollegen für den gesamten Versand des Druckereikunden zuständig“, erklärt Peter Rux. „Auch wenn ich mich schon recht sicher in meinen Aufgaben fühle: Ich lerne jeden Tag wieder etwas Neues dazu.“

Die versandfertigen Pakete der Druckerei kommen bei ihm und seinem Kollegen an. Sie müssen diese vermessen, die Versandkosten berechnen und die Pakete den Kurieren

übergeben. 60 bis 100 Pakete laufen bei dem Zweierteam jeden Tag auf. „Es muss immer schnell gehen, und ich muss viel mit dem Kunden, den Kollegen und den Kurieren kom-munizieren. Das macht auf jeden Fall Spaß.“ Seine Stelle ist zwar nur auf sechs Stunden pro Tag angelegt, je nach Versandvolumen gibt es aber auch mal mehr zu tun. Peter Rux sieht es positiv: „Ich hätte natürlich gern eine Vollzeit-stelle gehabt. Aber so bleibt mir wenigstens auch Zeit für Haus und Garten.“

Bei seinen Bewerbungsschreiben hat Peter Rux trotz Ab-sagen nie aufgegeben. „Man darf nicht nachlassen und auch bei Nackenschlägen nicht resignieren“, so sein Rat an alle, die ebenfalls auf Jobsuche sind. Und noch einen Tipp hat der Familienvater für berufserfahrene Stellensuchende: „Eigen-initiative zeigen! Wenn man etwas erreichen will, muss man sich auch mal in eine Sache festbeißen.“

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Nach einigen Branchenwechseln ist Peter Rux nun beruflich am Ziel: Er arbeitet bei einem Kurierdienstleister.

infoWenn Sie arbeitslos gemeldet sind, können Sie sich in der LERNBÖRSE exklusiv der Bundesagentur für Arbeit zu den unterschiedlichsten Themen informie-ren, und das in Ruhe und kostenlos. Wie wäre es mit einem Englischkurs? Oder benötigen Sie Hilfe bei der Bewerbung? Nutzen Sie das Online-Lernangebot unter www.arbeitsagentur.de/lernboerse.

GELEGENHEITEN ERGREIFENNach 24 Jahren im Beruf wechselte Ronny Doll den Arbeitgeber. Der Grund: Er wollte noch einmal etwas Neues wagen, in einem anderen Umfeld und ohne Schichtdienst arbeiten. Er bewarb sich – und hatte Erfolg.

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Ronny Doll, Schlosser,

Mühlenbeck

ronny Doll hat zu Zeiten der ehemaligen DDR die Ar-beit eines Zerspaners von der Pike auf gelernt und seit seiner Ausbildung nichts anderes gemacht.

Nach dem Fall der Mauer wechselte er in ein großes Un-ternehmen – und blieb dort rund 25 Jahre lang. „Im Laufe der Zeit hat sich die Technik in meiner Branche natürlich weiterentwickelt. Viel wurde automatisiert, sodass die Ar-beit immer monotoner wurde und mir keinen Spaß mehr machte“, erzählt der 50-Jährige. Außerdem wollte er keine

Schichtarbeit mehr machen. Wegen seiner zwei Kinder zögerte er jedoch lange, sich nach etwas Neuem umzuse-hen. „Mit Familie gibt man nicht so leichtfertig eine feste Anstellung auf.“

Nun, da die Kinder aus dem Haus sind, hat er den Schritt, nach Absprache mit seiner Familie, aber doch gewagt. „Pri-vat, über den Sport, habe ich einen Mitarbeiter der Bear Mühlen & Behälter GmbH Berlin kennengelernt, der mir von seiner Arbeit erzählte. Als dort ein Jahr später Schlosser ge-sucht wurden, habe ich mich beworben.“ Er erhielt die Zu-sage des Anlagenbauers, der Produkte für die Kakao- und Süßwarenindustrie herstellt, und übernimmt seither dort Zerspanungs- und Schlosserei-Aufgaben. „Hier kann ich endlich wieder das machen, was ich mal gelernt habe. Und die Tätigkeiten als Schlosser eigne ich mir jetzt auch noch an, indem ich erfahrene Kollegen bei der Arbeit begleite und Lehrgänge besuche. So kann ich demnächst überall flexibel eingesetzt werden.“

In seinem Team arbeiten sowohl jüngere als auch erfahrene Kollegen. „Das Betriebsklima ist sehr gut, ich kann jederzeit Fragen stellen.“ In der eigenen kleinen Werkstatt der Firma führt Ronny Doll Dreh- und Fräsarbeiten durch, die im Rahmen der Reparatur und Fertigung der Mühlen und Behälter anfallen. Weitere Aufgaben soll er nach und nach übernehmen. Sein Tipp für erfahrene Ältere, die ebenfalls noch einmal die Stelle wechseln möchten: „Man muss bewusst die Entscheidung treffen, dass man etwas Neues machen will. Wenn man nichts unternimmt, verändert sich auch nichts.“ Er selber habe Glück gehabt, dass er jemanden kannte, der zufällig von einer Stelle wusste, die auf ihn passte. „Ich war zur richtigen Zeit am rich-tigen Ort“, sagt er. „Aber man muss auch den Mut haben, solche Gelegenheiten zu ergreifen.“

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Ronny Doll in der Schlosserei seines neuen Arbeitgebers.

praxistippsNetzwerke aufbauenSie lernen gerne neue Menschen kennen, knüpfen leicht Kontakte und interessieren sich für andere? Dann bringen Sie die besten Voraussetzungen für er-folgreiches Netzwerken mit. Pflegen Sie Ihre berufli-chen und persönlichen Kontakte – wer weiß, vielleicht ergibt sich daraus eine neue Stelle. Einige Gelegenheiten, das eigene Netzwerk zu erweitern:

• im Verein, beim Sport • über Freunde und Familie • im Berufsleben: in anderen Abteilungen, auf Dienst-reisen, Messen und Fortbildungsveranstaltungen

• im Internet in Karriere-Netzwerken

Tipp: Seien auch Sie Netzwerkpartner: Unterstützen Sie nach Möglichkeit andere. Bei Bedarf können dann auch Sie selbst auf Unterstützung bauen.

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMARKTCHANCEN IM PORTRÄT

SELBSTSICHER AUFTRETEN

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Marlies Klingsporn, Pflegefachkraft, Hamburg

Marlies Klingsporn hat als Pflegefach-kraft das Glück, in einer Branche zu arbeiten, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht werden. Nach einem Umzug fand sie schnell eine neue Stelle – dank ihrer überlegt angegangenen Bewerbungsphase.

seit dem Ende ihrer Ausbildung zur Krankenschwes-ter – heute heißt der entsprechende Abschluss „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ – hat Marlies

Klingsporn durchgehend in Pflegeheimen gearbeitet, unter-brochen nur von einigen Familienpausen. „Das gefällt mir gut, weil es dort familiärer zugeht als in einem Kranken-haus, in dem die Patienten schnell wieder weg sind“, sagt die 52-Jährige. Vor einigen Jahren zog sie nach Hamburg. Mit 50 Jahren noch einmal eine neue Stelle finden, in einer neuen Stadt? „Von Frankfurt aus hatte ich mich im Internet nach Stellen umgesehen und schon einmal meine Unter-lagen, zum Beispiel den Lebenslauf und meine Zeugnisse, zusammengestellt. In Hamburg konnte ich diese dann sofort in die Post geben, versehen noch mit einem individuellen Anschreiben.“ Nach neun Bewerbungen bekam sie sieben Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Entschieden hat sich Marlies Klingsporn für das Pflegeheim Kursana Villa Reinbek. „Als Fachkraft übernehme ich häufig die Schicht-leitung und trage damit die Verantwortung für alles, was in dieser Schicht zu regeln ist.“ Dazu gehören unter anderem

das Verteilen der Medikamente, die Dokumentation der Maßnahmen und die Pflege der Bewohner und Bewohne-rinnen. „Ich fühle mich noch sehr fit, sodass mir auch die körperliche Arbeit nichts ausmacht.“

Im Laufe ihres Berufslebens besuchte sie etliche Fortbil-dungen und erarbeitete sich so zusätzliches Wissen, das sie für Arbeitgeber noch interessanter macht. Unter anderem absolvierte sie eine Qualifizierung zur Pflegedienstleitung sowie eine Weiterbildung zur Praxisanleiterin – dank Letz-terer darf sie ausbilden. „Außerdem finden bei den Arbeit-gebern regelmäßig interne und externe Fortbildungsver-anstaltungen statt, zum Beispiel zu Themen wie Hygiene, Sturzrisiko oder Ernährung. Als Pflegekraft muss man immer mal wieder sein Wissen auffrischen und ergänzen.“

Vom Alter her ist ihr Team gemischt, Marlies Klingsporn gehört zu den Älteren. Sie kommt mit allen gut zurecht. „Das ist eine Frage des respektvollen Umgangs miteinander.“ Äl-teren, die sich um eine neue Stelle bemühen müssen oder wollen, rät sie, im Vorstellungsgespräch sicher aufzutreten und sich auf das Gespräch gut vorzubereiten, indem man sich das Unternehmen genau ansieht. Auch Verhandlungs-geschick in Zusammenhang mit dem Gehalt oder den Ur-laubstagen könne nicht schaden. Mit ihrer heutigen Stelle ist Marlies Klingsporn sehr zufrieden. „Ich liebe meine Ar-beit, denn ich bekomme so viel Dankbarkeit von meinen Pflegebedürftigen zurück.“

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Die Versorgung von Pflegebedürftigen gibt Marlies Klingsporn viel Kraft.

infoEs gibt immer mehr pflegebedürftige Menschen. Daher steigt auch der Bedarf an Pflegekräften. Die Broschüre „Altenpfleger werden“ der Stiftung Warentest infor-miert über die Möglichkeiten eines Quereinstiegs in diesen Bereich sowie über Aufstiegs- und Fördermög-lichkeiten. www.test.de/leitfaden-altenpflege

NEUE STADT, NEUE BRANCHEHildegard Kinski (63) machte sich aufgrund ihres Alters keine großen Hoffnungen auf eine neue Arbeitsstelle, als sie von Süddeutschland nach Kiel zog. Und doch: Wenig später fand sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Modegeschäft.

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Hildegard Kinski,

Verkäuferin, Kiel

hildegard Kinski hatte schon viele Jobs: Wäh-rend sie ihre drei Kinder großzog, arbeitete die ausgebildete Buchhalterin stundenweise auf

verschiedenen Stellen. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie von Bayern zu ihrer Tochter nach Schleswig-Holstein. „Ich hatte erst Angst, mit über 60 noch mal auf Stellensuche zu gehen“, erinnert sich Hildegard Kinski. Doch mithilfe einer Beratung gewann sie den Mut, sich bei verschiedenen Un-ternehmen zu bewerben.

Soweit es möglich war, hat Hildegard Kinski ihre Bewer-bungsunterlagen immer persönlich bei den Verantwortlichen abgegeben. „Dann bekommt man schon mal einen ersten Eindruck voneinander.“ Von dem Kaufhaus TK Maxx bekam sie eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. „Ich er-zählte ganz offen, was ich kann. Das hat meinen künftigen Chef offenbar überzeugt.“ Ein paar Tage später erhielt sie die Zusage. „Erst wollte ich die Stelle gar nicht annehmen, weil ich mir plötzlich nicht mehr sicher war, ob ich es schaffen

würde, in einer fremden Branche noch mal ganz von vorn zu beginnen“, erinnert sich Hildegard Kinski. Doch schließ-lich sagte sie zu. Die heute 63-Jährige ist froh darüber: „Ich freue mich jeden Tag auf meine Arbeit. Alle im Team sind sehr nett. Auch wenn ich die Älteste bin: Wir respektieren uns gegenseitig.“

Als Verkäuferin berät Hildegard Kinski die Kundschaft und kassiert. Sie hat eine Teilzeitstelle mit 20 Wochenstunden und springt ein, wenn mal mehr gearbeitet werden muss. „Teilzeitarbeit ist ein gutes Modell für mich, schließlich bin ich mit 63 nicht mehr so fit wie noch vor zehn Jahren.“ Wenn sie in zwei Jahren in Rente geht, würde sie danach gerne wei-ter auf 450-Euro-Basis in dem Geschäft arbeiten, sofern es ihre Gesundheit zulässt. „Die Arbeit hält mich jung.“

Ihre Tipps für alle, die ebenfalls noch mal durchstarten wollen: „Man darf sich von neuen Aufgaben nicht abschre-cken lassen. Man kann sich überall einarbeiten. Wichtig ist, an sich zu glauben und den Willen zu haben, zu arbeiten. Und: Wer nie etwas versucht, wird nie erfahren, ob er es kann.“

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Ware sortieren, aber auch Kunden beraten und im Team arbeiten: Eine Tätigkeit im Verkauf ist abwechslungsreich.

praxistippsSie wollen in einem Bereich arbeiten, der Ihnen noch fremd ist? Gute Anlaufstellen für Informati-onen sind die Branchenverbände. Es gibt sie für jede Berufs gruppe, zum Beispiel den Bundesverband Materialwirtschaft , Einkauf und Logistik e.V. oder den Handelsverband Deutschland. Im Internet können Sie nach dem passenden Verband suchen, der zu Ihrem Wunschberuf passt.

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMODELLE HINTERGRUND

VORTEIL 50PLUS: WIE KOMPETENZ BLEIBTWie lässt sich das Fachwissen in Unternehmen erhalten? Vor dieser Frage steht die deutsche Wirtschaft. Ziehen Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter 50plus Ihren Vorteil daraus: Geben Sie im Rahmen von altersgerechten, flexiblen Arbeitsmodellen Ihre Kenntnisse weiter.

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Erfahren in der Beratung: Ältere Arbeitskräfte agieren im Umgang mit Kunden freundlich und routiniert.

die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sinkt: Im Jahr 2050 wird sie Schätzungen des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologie

zufolge nur noch bei rund 35 Millionen liegen. Die Politik hat darauf mit einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit reagiert. Damit Sie bis zum Renteneintrittsalter fit und mit Freude an der Arbeit in den Betrieb eingebunden bleiben können, können Sie sich über die Möglichkeiten informieren, die spezielle Arbeitsmodelle bieten. Sie gelten als altersge-recht, da sie den veränderten Ansprüchen und Bedürfnissen von Menschen über 50 Jahren entgegenkommen.

Altersgemischte Teams Bei altersgemischten Teams handelt es sich um Arbeits-gruppen, in denen Jung und Alt zusammenarbeiten. Dabei wird der gegenseitige Erfahrungsaustausch gefördert, von dem beide Seiten profitieren.

LerntandemEin Tandem-Team setzt sich üblicherweise aus jemandem mit Berufserfahrung und aus jemandem, der neu im Beruf ist, zusammen. Ziel des Modells: Die Tandem-Mitglieder lernen voneinander.

Mentoring und Coaching Beim Mentoring steht eine erfahrene Person – der Mentor – einer unerfahreneren, meist jüngeren Person – dem Mentee – gegenüber und vermittelt ihr gezielt Erfahrungswissen. Bei

diesem Modell geht es darum, Nachwuchskräften durch ältere Kolleginnen und Kollegen unter die Arme zu greifen. Mentoren sind Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für Karriere- und Fachfragen, helfen bei Problemen weiter, vermitteln neben Wissen auch Lebenserfahrung und ver-schaffen Kontakte. Das Coaching unterscheidet sich vom Mentoring insofern, als hier nicht die fachliche Beratung im Mittelpunkt steht. Vielmehr hat der Coach die Aufgabe, seinen Schützling bei seiner oder ihrer individuellen beruf-lichen Entwicklung zu unterstützen. Ältere können sich oft firmenintern zum Coach weiterbilden und so ihr Wissen an Berufsanfänger weitergeben.

TeilzeitBei einer Teilzeittätigkeit wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit reduziert. Solche Lösungen ermöglichen es, Be-ruf und Privatleben besser in Einklang zu bringen. Teilzeitmo-delle gibt es viele: die Halbtagsbeschäftigung, den Wechsel von Ganztagsarbeit und Freizeit oder Blockmodelle.

JobrotationMit Jobrotation ist üblicherweise der Stellenwechsel inner-halb eines Unternehmens gemeint. Über einen systemati-schen Arbeitsplatzwechsel tauschen dabei mehrere Be-schäftigte ihre Stellen untereinander und übernehmen die Aufgaben der jeweils anderen. Der Vorteil: Die Einblicke in neue Aufgabenbereiche machen das Arbeiten spannend und erhöhen das Verständnis für die Arbeitsabläufe in anderen Abteilungen.

praxistippsAltersgerechte ArbeitszeitmodelleNeben altersgerechten Arbeitsmodellen bieten auch flexible Arbeitszeitmodelle gute Voraussetzun-gen, um lange fit und motiviert im Beruf zu bleiben. Die gängigsten Modelle sind:

Auf einem Langzeit-Arbeitskonto wird über ei-nen sehr langen Zeitraum Arbeitszeit angespart. So können gerade langjährig Beschäftigte, die in frühe-ren Phasen mehr geleistet haben, die gutgeschriebe-ne Zeit später flexibel nutzen, zum Beispiel, um sich längerfristig freistellen zu lassen, etwa für Pflegezeit.

Bei der Gleitzeit-Regelung gibt es eine Kernar-beitszeit, in der die Beschäftigten im Betrieb arbeiten, sowie einen flexiblen Zeitbaustein, die sogenannte Gleitzeit, über die die Arbeitnehmer selbst verfügen. Auf diese Weise können Angestellte ein Zeitgutha-ben auf ihrem Gleitzeitkonto erwerben, das es etwa erlaubt, ein zeitliches Minus in Phasen mit weniger Arbeit auszugleichen. Manchmal können etwa Über-stunden in den Folgemonat übertragen und andere flexible Absprachen getroffen werden, beispielsweise im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit.

Die Tätigkeit im Homeoffice (auch Telearbeit ge-nannt) bedeutet Arbeiten in den eigenen vier Wänden. So sind Privatleben und Beruf oft besser miteinander vereinbar. Voraussetzung: Das Büro ist getrennt vom Rest des Wohnraums. Homeoffice gibt es in vielen Formen. Je nach Vereinbarung kommt man mehr oder weniger häufig ins Unternehmen, arbeitet ansonsten von zu Hause aus oder von unterwegs.

Beim Jobsharing teilen sich zwei Personen eine Arbeitsstelle. Dadurch verringert sich die Arbeitszeit für den Einzelnen. Das erfordert gute Organisation und genaue Absprachen.

Ein längerer Sonderurlaub wird als Sabbatical bezeichnet. Es bedeutet in den meisten Fällen ein ganzes Jahr Auszeit vom Berufsleben – mit Anspruch auf eine Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz. Die freien Monate können zum Beispiel für eine Weiterbil-dung verwendet werden oder um sich intensiv um die Familie zu kümmern.

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMODELLE INTERVIEW

INTERVIEW

CHRISTIANE FLÜTER-HOFFMANN

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„DAS INTERESSE AN ERFAHRENEN FACHKRÄFTEN IST ENORM“

Christiane Flüter-Hoffmann ist als Senior Researcher beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln auch Expertin und Beraterin für das Thema alternde Beleg-schaften. Im Gespräch erläutert sie die Vorteile von altersgerechten Arbeitsmodellen.

Was bringen ältere Mitarbeiter und Mitar-beiterinnen den Unternehmen?

Sehr viel. Wir nennen sie die „Generation E“ – E für Erfahrung. Sie sind Wissensträger, Erfahrungsträger, meist sehr loyal, qualitätsbewusst und kennen alle Ab-läufe im Unternehmen. Ältere verblüffen die Jüngeren oft dadurch, dass sie am Klang einer Maschine sagen können, was repariert werden muss. Das ist Erfah-rungswissen, das man aus keinem Lehrbuch lernen kann. Ein Großteil der Unternehmen achtet sehr genau darauf, dass sie ihre qualifizierten und erfahrenen Be-schäftigten möglichst lange halten können.

Es gibt eine Vielzahl von Arbeits- und Arbeits zeitmodellen. Woher weiß man, was zu einem passt?

Durch das Gespräch mit dem Vorgesetzten. Individuelle, flexible Arbeitszeitregelungen sind gängige Praxis, gerade

in kleinen und mittelständischen Unternehmen – das sind immerhin 95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland. Sie haben selbst ein Interesse daran, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit ihren Arbeitszeitregelungen zufrieden sind, denn so arbeiten sie motiviert. Die Modelle müssen na-türlich zu den betrieblichen Erfordernissen passen, damit es für beide Seiten passt.

Ist es ein Problem, wenn ältere Beschäftigte das Gespräch in dieser Hinsicht suchen?

Nein! In großen Unternehmen sind die Arbeitszeit-modelle ohnehin meist durch die Betriebsparteien aus-gehandelt und in Betriebsvereinbarungen festgelegt. Man kann also dort nachlesen und sich darauf berufen, welche Arbeitszeitmodelle gelten und wie sie konkret umgesetzt werden. Wo es möglich ist, bespricht man das Thema oft zuerst mit dem Betriebsrat. Aber auch dort raten wir immer dazu, diese Fragen mit dem direkten Vorgesetzten zu klären und Vorschläge zu unterbreiten, die für beide Seiten vorteilhaft sind. Es ist oft weit mehr möglich, als manche denken.

Welche Arbeitsmodelle haben sich besonders bewährt? Und was erwartet uns in Zukunft?

Die Zukunft liegt in der Vielzahl der flexiblen Modelle. Gerade bei den Arbeitszeitmodellen gibt es so viele Va-rianten, die teilweise auch gut miteinander kombinierbar sind: Teilzeitmodelle wie Jobsharing, Gleitzeit, Arbeits-zeitkonten, Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice. Wir haben beispielsweise im Rahmen eines Projekts ein Arbeits-zeitmodell entwickelt, das wir „Floating“ nennen. Dabei reduzieren Beschäftigte allmählich ihre Arbeitszeit, am Anfang ohne Gehaltsverzicht. Als Wertschätzung bekom-men sie von ihrer Firma für langjährige Dienste Zeit und Geld geschenkt. Die geringere Belastung tut ihrer Gesund-heit gut. Das Modell läuft über fünf bis acht Jahre, und die Mitarbeiter reduzieren ihre Arbeitszeit stundenweise, bis sie bei 60 oder sogar 50 Prozent angekommen sind. Die betriebliche Praxis zur Arbeitszeitflexibilisierung zeigt oft, dass Regelungen gefunden werden können, mit denen alle Beteiligten hochzufrieden sind.

Stichwort Gesundheit: Was sollten Vorge-setzte, was sollten Beschäftigte selbst tun?

Grundsätzlich ist erst einmal jeder für seine eigene Ge-sundheit verantwortlich. Wie wichtig die betriebliche Ge-sundheitsvorsorge ist, wissen wir aus zahlreichen Studien. Sie ist aber erst dann effektiv, wenn auch eine ergonomi-sche Arbeitsgestaltung und ein „gesundes Führungsver-halten“ der Vorgesetzten hinzukommen.

Findet in der Wirtschaft bereits ein Umdenken im Hinblick auf alternde Belegschaften statt?

Ja, definitiv. Der Fachkräftemangel beziehungsweise Fachkräfteengpass ist bei den Unternehmen massiv angekommen. Sie finden weder Auszubildende noch erfahrene Fachkräfte – beispielsweise in Industriebran-chen, in denen die Ingenieure und Ingenieurinnen und Techniker und Technikerinnen fehlen, oder in der Gesund-heitsbranche, in der die Pflegekräfte ausgehen. Aber wir hören dieses Umdenken aus immer mehr Branchen. Am schnellsten hat sich das praktische Umdenken in Richtung demografiefreundliche Personalpolitik bei Großunterneh-men entwickelt. Sie haben immer eine längerfristigere Planung als kleine und mittelständische Unternehmen.

„ÄLTERE HABEN ERFAHRUNGSWISSEN, DAS MAN AUS KEINEM

LEHRBUCH LERNEN KANN.“

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Wo sorgfältiges Arbeiten gefordert ist, können Ältere mit ihrer ruhigen, bedachten Herangehensweise punkten.

praxistippsBetriebliche GesundheitsförderungImmer mehr Betriebe fördern die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mit Maßnahmen wie Rückenschule, Ernährungsberatung oder Kur-sen zur Stressbewältigung lassen sich Belastungen am Arbeitsplatz abbauen und gesundheitsfördernde Verhaltensweisen stärken. Ziel ist es, das Wohlbefin-den der Beschäftigten zu erhalten. Dazu gehört aber auch eine Arbeit, die zufrieden macht und ausfüllt – was passende betriebliche Weiterbildungsangebote miteinbezieht.

Was können Sie tun, um lange fit und gesund zu bleiben?

• Einseitige Belastungen, schwere körperliche Arbeit und langes Sitzen sollten Sie nach Möglichkeit ver-meiden beziehungsweise für körperlichen Aus-gleich sorgen.

• Nutzen Sie Büropausen für leichte Bewegung wie gymnastische Übungen oder einen Spaziergang.

• Versuchen Sie, Ihre Aufgaben abwechslungsreich zu gestalten und Monotonie zu vermeiden.

• Nehmen Sie betriebliche Angebote zur Gesund-heitsförderung oder Prävention sowie Weiterbil-dungsangebote an.

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Themenheft 2015/2016 50plusARBEITSMODELLE IM PORTRÄT

ERFAHRUNGS-SCHATZ TEILENBarbara Schimmel (56) arbeitet in einem international tätigen US-Unter-nehmen am Standort Bremen. Als Mentorin gibt sie außerdem ehren-amtlich ihr Wissen an eine jüngere Fachkraft weiter.

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Barbara Schimmel, Einkaufs­leiterin und Mentorin, Bremen

als Barbara Schimmel jünger war, mehrte sie nicht nur ihr Fachwissen ständig. Sie war auch immer offen für Neues. Nach der Ausbildung zur

chemisch-technischen Assistentin arbeitete sie konsequent an ihrer Karriere, hatte Stellen bei verschiedensten Firmen im In- und Ausland und schloss zusätzlich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ab. Heute ist die 56-Jährige als Ein-käuferin bei der Bremer Niederlassung von Thermo Fisher Scientific tätig. Neben ihrem Job gibt Barbara Schimmel ihr Fachwissen und ihre Führungsexpertise als Mentorin weiter. Dazu kam sie, als vor einigen Jahren die Organisation Cross Mentoring Deutschland für ihr Mentoring-Programm erfah-rene Männer und Frauen suchte, die junge Führungskräfte – Mentees – branchenübergreifend beraten. „Seitdem habe ich jedes Jahr einen jüngeren Menschen in Führungsfach-fragen begleitet“, sagt Barbara Schimmel.

Ihr derzeitiger Mentee ist ein junger Vertriebsleiter einer Bremer Firma. Einmal im Monat treffen sich Mentorin und Mentee zum Austausch, und das über einen Zeitraum von einem Jahr. „Fachlich sind wir uns ähnlich. Das ist wich-tig, denn die Kompetenzen sollten übereinstimmen.“ Dass die Mentees, meist zwischen 30 und 40 Jahre alt, nicht aus dem eigenen Unternehmen kommen, ist ein zentraler Punkt des Programms: „Aus der unabhängigen, neutralen Position heraus sehe ich viel mehr von der Situation meines Gegenübers.“

Bei den insgesamt zwölf Treffen klären die beiden alle Fragen, die sich aus dem Berufsleben des jungen Mentee ergeben. Da Barbara Schimmel in ihrer langen beruflichen Laufbahn bereits Teams mit bis zu 25 Personen geleitet hat, kann sie ihrem „Schützling“ viel mitgeben. Etwa, wie es ist, ein Team zu leiten. „Mein Mentee hat gerade erste Füh-rungsaufgaben übernommen. Hier berate ich ihn vor allem fachlich.“ Diese Hilfestellung trägt auch zur Persönlichkeits-entwicklung des Mentee bei. „Ich selbst habe im Laufe mei-ner Karriere auch von der Erfahrung älterer Kollegen und Kolleginnen profitiert. Damals gab es viele Ratschläge, aber eher nebenbei, etwa, wenn man gemeinsam an der Kaffee-maschine stand.“ Heute, mit Mitte 50, will sie ihr Wissen und ihre Kompetenz gezielt weitergeben. „Wie groß mein Erfahrungsschatz wirklich ist, wurde mir erst durch das Mentoring bewusst.“

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Als Mentor oder Mentorin

berät man Jüngere in sämtli­

chen Jobfragen.

FLEXIBEL DANK VERTRAUENGerhard Hoffmann ist fest angestellt, kann aber seine Arbeitszeit flexibel gestalten. Möglich macht das die Vertrauensarbeitszeit. Sie gewährt ihm trotz Projektverantwortung viel Freiraum in weniger arbeitsintensiven Zeiten.

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Gerhard Hoffmann, Ingenieur, Nürnberg

frei über seine Arbeitszeit bestimmen zu können – das ist Gerhard Hoffmann wichtig. Das klassische Modell, also von morgens neun bis abends um fünf oder sechs

Uhr im Büro zu sein, ist nichts für den 57-jährigen Soft-wareentwickler und Systemdesigner. Sein Arbeitgeber, der Siemens-Konzern am Standort Nürnberg, bietet Vertrauens-arbeitszeit als Arbeitszeitmodell an.

Gerhard Hoffmann nutzt das Angebot bereits seit eini-gen Jahren und schätzt daran die zeitliche Flexibilität. Da er überwiegend im Rahmen von Projekten arbeitet, ist sein Berufsalltag unregelmäßig – geprägt von Hochphasen mit entsprechendem Arbeitspensum und Phasen, in denen

weniger zu tun ist. Die Vertrauensarbeitszeit kommt ihm bei der Ausgestaltung seines beruflichen Alltags sehr ent-gegen. Planung und Projektierung erfolgen im Büro, die Inbetriebnahme von Anlagen wie Gepäckförderanlagen in Flughäfen erfolgt beim Auftraggeber vor Ort, auch im Aus-land. Die Projekte dauern im Schnitt von einem halben bis zu anderthalb Jahren.

Die „Freizeit“ gestaltet sich in seinem Alter, mit fast 60 Jah ren, ein wenig anders als früher, erzählt er: „Meine Mutter braucht mehr und mehr Hilfe. Steht ein Arzttermin für sie an, kann ich meine Arbeit unterbrechen und sie zur Untersuchung begleiten. Danach komme ich wieder an den Arbeitsplatz zurück. Und das alles ohne großen Verwal-tungs- und Zeiterfassungsaufwand.“ In den weniger inten-siven Projektphasen versucht Gerhard Hoffmann, für Aus-gleich zum Beruf zu sorgen, und ist sportlich aktiv. An einem Tag pro Woche macht er dann früher Schluss, um etwa die Radtour mit Freunden nicht zu versäumen. Und manchmal erfüllt er sich seinen Traum vom Fliegen und dreht mit dem Ultraleichtflugzeug einige Runden. „Das geht natürlich nur, wenn es die Arbeit erlaubt und die Kollegen und Kolleginnen Bescheid wissen.“

Mit dem Alter veränderten sich auch seine Prioritäten im Arbeitsleben. Früher hat ihn die Herausforderung, eine tech-nische Aufgabe zu lösen, so gereizt, dass ihn das manchmal an die Grenzen der gesundheitlichen Belastbarkeit führte. Heute weiß er, wie wichtig eine gute Work-Life-Balance ist.

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Gerhard Hoffmanns Arbeitgeber gewährt ihm Vertrauens­arbeitzeit – ein Modell, das gerade für Ältere passend ist.

infoVertrauensarbeitszeit ist ein Arbeitszeitmodell, das ohne elektronische Zeiterfassung auskommt. Im Vordergrund steht die Erledigung bestimmter Auf-gaben innerhalb eines gewissen Zeitrahmens, weniger die Anwesenheit zu festen Zeiten. Der Arbeitnehmer ist selbst für die Erfassung der Arbeitszeit verantwort-lich. In Abgrenzung zur Gleitzeit bietet die Vertrauens-arbeitszeit einen größeren Spielraum. Wie auch beim Gleitzeitkonto können mögliche Plusstunden als Frei-zeitausgleich genommen werden.

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Themenheft 2015/2016 50plusALTERSGEMISCHTE TEAMS IM PORTRÄT

EIN GEWINN FÜR ALLENicht selten glauben Menschen jenseits der 50, für Arbeitgeber nicht mehr interessant zu sein. Dabei schätzen viele Unternehmen die positiven Effekte, die mit der Zusammenarbeit von älteren und jüngeren Beschäftigten einhergehen.

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Marcel Nicolay und Ingrid Reutzel arbeiten

gerne zusammen. Das Alter?

Spielt keine Rolle.

jüngere und ältere Arbeitnehmer in einem Team – kann das funktionieren? Auf die Vorteile von altersgemisch-ten Teams weist unter anderem eine 2010 veröffent-

liche repräsentative Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zur Wirkung von Personalmaßnahmen hin: Ältere sind leistungsfähiger, wenn sie in Teams mit Jün-geren zusammenarbeiten und wenn sie Aufgaben erfüllen, die Erfahrung voraussetzen. Auch der Produktivitätsbeitrag der Jüngeren steigt in solchen Teams signifikant. Offensicht-lich profitieren sie in der Praxis von der Berufserfahrung der älteren Kollegen. Es entsteht ein Erfahrungsaustausch, der für beide Seiten Vorteile mit sich bringt. Jüngere bringen Ideen für Innovationen ein, Ältere geben ihren Erfahrungs-schatz weiter.

So ist es auch bei der 57-jährigen Ingrid Reutzel und dem 23-jährigen Marcel Nicolay. Würde es um Freizeitthemen – etwa den Musikgeschmack oder Lieblingsfilme – gehen,

hätten die beiden wohl kaum Gemeinsamkeiten. Sie haben jedoch mit der ING-DiBa AG in Frankfurt am Main nicht nur einen gemeinsamen Arbeitgeber, sondern sind auch Mitglie-der in einem altersgemischten Team.

Innovation und Expertise In ihrem Büro sitzen sich Ingrid Reutzel und Marcel Nicolay direkt gegenüber. Die räumliche Nähe fördert einen schnel-len Austausch bei allen Fragen rund um die anfallenden Auf-gaben in einem Geldinstitut. Obwohl die beiden für unter-schiedliche Aufgabengebiete zuständig sind – sie für den

Immobilienbereich, er im Bereich Valutierung und Sicher-stellung – profitieren die beiden von ihren jeweiligen Kennt-nissen und Fähigkeiten.

Teamleiterin Claudia Beck ist überzeugt davon, dass die enge Zusammenarbeit von Jung und Alt erhebliche Vorteile mit sich bringt. Besonders kleinere Probleme lassen sich im Austausch sehr gut lösen. „Auf der einen Seite stehen die jüngeren Kollegen, die auch einmal etwas Neues probieren. Da ist es nicht auszuschließen, dass sie manchmal an ihre Grenzen stoßen. In solchen Situationen ist es wichtig, dass sie ältere, lebenserfahrene Kollegen und Kolleginnen haben, die sie dann auffangen“, sagt Claudia Beck. Gerade in Situ-ationen, die für die jüngeren Kolleginnen und Kollegen neu

sind, kann es zu großem Stress kommen. Das ist auch bei Marcel Nicolay von Zeit zu Zeit der Fall. Dann ist der beru-higende Hinweis von Ingrid Reutzel hilfreich: „Das ist kein großes Ding. Wir arbeiten jetzt einfach konzentriert weiter, dann wird das schon.“

Neben dem persönlichen Zuspruch kann ihr jüngerer Kollege auch von der über dreißigjährigen Erfahrung profi-tieren, die Ingrid Reutzel in ihrer Arbeit bei einer Filialbank sammeln konnte. Zu ihrem derzeitigen Arbeitgeber kam sie vor knapp drei Jahren – ebenso wie Marcel Nicolay. Er hat damals seine Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen.

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ALTERSGEMISCHTE TEAMS IM PORTRÄT

Bei konkreten fachlichen Fragen zähle jedoch weniger das Alter als vielmehr die Kenntnisse, wie Marcel Nicolay aus-führt: „Wenn ich eine konkrete fachliche Frage habe, wende ich mich an jemanden mit dem entsprechenden Wissen.“

Verschiedene Perspektiven Teamleiterin Claudia Beck weiß den Wert langjähriger beruf-licher Erfahrung zu schätzen. „Aus meiner eigenen beruf-lichen Entwicklung erinnere ich mich noch an die Diskus-sionen über Gesprächsführung mit Kunden. In solchen Situationen wurden die Hilfestellungen und Tipps der älteren Kollegen oft sehr geschätzt.“ In ihrem Führungsalltag hat sie die verschiedenen Perspektiven von Jung und Alt im Blick. „Das zeigt sich etwa bei Besprechungen: Die Jüngeren wol-len natürlich wissen, wie ihre berufliche Weiterentwicklung aussehen könnte. Bei den Älteren steht eine solche Frage hingegen nicht mehr so sehr im Vordergrund. Sie haben ih-ren Weg schon gemacht und ihren Platz gefunden.“

An dem weiteren Werdegang ihrer jüngeren Kollegen ist auch Ingrid Reutzel interessiert. „Ich will wissen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen, ob sie beispielsweise vorhaben, ihre jetzige Berufslaufbahn zu unterbrechen, weil sie noch einmal studieren möchten. Denn dadurch, dass ich etwas über die Vorstellungen der Jüngeren mitbekomme, bleibe ich selbst am Puls der Zeit.“ Und wie sieht es mit dem Wissenstransfer von Jung nach Alt aus? Stimmt das Klischee, dass der Ältere schon mal an der neuen Computersoftware verzweifelt und sich von Jüngeren helfen lassen muss? Ingrid Reutzel winkt ab: „Ich habe es geschafft, meine fachlichen Kenntnisse auf dem Laufenden zu halten.“ Aber: „Wenn sich doch einmal ein kleines technisches Problem auf dem Bildschirm andeutet, habe ich keine Scheu, Herrn Nicolay um seine Unterstützung zu bitten“, ergänzt sie.

Das Wissen der Älteren bleibt erhaltenIngrid Reutzel und Marcel Nicolay sind das jeweils älteste und das jüngste Mitglied eines 14-köpfigen Teams, in dem sich ganz unterschiedlicher Altersstufen finden. Einen der Vorteile einer solchen Zusammensetzung aus Firmensicht beschreibt Alexander Baumgart, der als Pressesprecher des Unternehmens fungiert und auch für Personalthemen zuständig ist: „Wir haben eine sehr geringe Fluktuation. Angenommen, wir hätten vor diesem Hintergrund ein wich-tiges Team, das nur aus jungen, ungefähr gleichaltrigen Mitarbeitern besteht, so hieße dies, dass wir irgendwann ein Team mit gleichaltrigen Älteren hätten. Und das würde dann spätestens beim Übergang in den Ruhestand zum Problem.“ Der klare Vorteil altersgemischter Teams – auch für die Unternehmen – liegt also auf der Hand: Die Mi-schung macht’s.

„DER KLARE VORTEIL ALTERS GEMISCHTER TEAMS – AUCH FÜR DIE UNTERNEHMEN – LIEGT

AUF DER HAND.“

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Sich gegenseitig unterstützen, voneinander lernen: Altersgemischte Teams bieten viele Vorzüge.

Ingrid Reutzel mit Teamleiterin Claudia Beck.

praxistippsWelches altersgerechte Arbeitsmodell passt zu mir? „Altersgerechtes Arbeiten“ bedeutet, dass sich die Arbeit an den speziellen Bedürfnissen der Zielgruppe ausrichtet. Zu einer altersgerechten Arbeitsgestaltung von Beschäftigten 50plus gehören neben ergonomischen Hilfestellungen auch Arbeits-modelle, die dabei helfen, Belastungen zu reduzie-ren. So können diese Modelle dazu beitragen, dass Ältere ihren Firmen möglichst lange erhalten bleiben und ihr Erfahrungsschatz nicht verloren geht, und das jenseits einer klassischen Vollzeitbeschäftigung.

Welches Modell kommt Ihren Vorstellungen und Be-dürfnissen am nächsten? Sprechen Sie Ihren Arbeit-geber darauf an, was in Ihrem Tätigkeitsbereich um-setzbar sein könnte. Ich kann mir vorstellen …

• Teil eines altersgemischten Teams zu sein, in dem ich in der Gruppe mit Jüngeren, die neu im Be-rufsleben sind, zusammenarbeite. Dabei gebe ich meine Erfahrung und mein Fachwissen weiter und nutze die Möglichkeit, durch den Austausch mit Jüngeren fachlich am Ball zu bleiben.

• bei einem Lerntandem den Part des Älteren und Er-fahrenen zu übernehmen, der mit dem Jüngeren und Unerfahrenen gemeinsam an einem Projekt arbeitet. Nach und nach gebe ich mein Wissen weiter, der oder die Jüngere übernimmt stetig mehr Verantwortung.

• als Mentor bzw. Mentorin jüngeren, unterfahrenen Be-schäftigten unter die Arme zu greifen. Meine Unter-stützung dreht sich dabei um Karriere- und Fachfragen. Ich helfe auch bei Problemen, verschaffe nützliche Kontakte und berate meinen Schützling auch im Be-reich Persönlichkeitsentwicklung.

• als Coach tätig zu werden. Dabei geht es, im Unter-schied zum Mentoring, weniger um die fachliche Be-ratung. Vielmehr habe ich als Coach die Aufgabe, als neutrale Bezugsperson meine Klienten bei deren indivi-dueller Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.

• innerhalb des Unternehmens die Stelle zu wechseln im Sinne einer Jobrotation. Über einen systematischen Arbeitsplatzwechsel tausche ich dabei mit anderen Be-schäftigten die Stelle und übernehme die Aufgaben des jeweils anderen. Die Einblicke in neue Aufgabenberei-che kann das Arbeiten spannend machen.

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ALTERNATIVEN HINTERGRUND

ANDERE WEGEAuch wenn Ältere auf dem Arbeits-markt wieder mehr Wertschätzung erfahren – nicht immer ist eine unbefristete Vollbeschäftigung möglich. Um weiterhin Know-how und Erfahrung in die Arbeitswelt einzubringen, gibt es gerade für Menschen 50plus eine Reihe von Alternativen zur regulären Vollzeitstelle.

wenn der Verbleib im bisherigen Arbeitsver-hältnis nicht mehr möglich ist – etwa weil sich ein Unternehmen neu aufstellt oder an-

dere Hürden auftauchen – stehen viele ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor der Frage: „Was nun?“ Ist eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung nicht in Aussicht, können Sie als erfahrene Fachkraft Alternativen in Erwägung ziehen. Eine Möglichkeit ist Teilzeit. Manchmal passt es gut in die aktuelle Lebenssituation, eine Zeit lang weniger zu arbeiten. Zum Beispiel, wenn Sie sich nebenbei weiterbilden möchten oder sich mehr Zeit für die Familie wünschen.

Auch ein befristeter Arbeitsvertrag, etwa in Form einer Elternzeitvertretung, kann eine Alternative darstellen. Sie sind trotz der zeitlichen Befristung weiterhin finanziell ab-gesichert. Und nicht selten kann mit etwas Glück eine län-gerfristige Anstellung daraus werden. Auf jeden Fall können Sie dadurch wertvolle Erfahrungen sammeln und Kontakte aufbauen. Das gilt auch für das Arbeitsmodell Zeitarbeit. Sie kann sich als Ausgangspunkt für eine Festanstellung erweisen, auch wenn der Verdienst zunächst meist geringer ausfällt. Auf jeden Fall bleiben Sie beruflich am Ball.

Sprung in die SelbstständigkeitNicht wenige Ältere wagen mit 50plus den Sprung in die Selbstständigkeit und erfüllen sich damit einen lang ge-hegten Traum. Sie können dabei Ressourcen nutzen, die vielen jungen Gründern häufig fehlen. Dazu zählen solide Netzwerke und intensive Branchenkenntnisse, aber auch Gelassenheit und planvolles, überlegtes Vorgehen bei der Existenzgründung. Wenn Sie überlegen, sich selbstständig zu machen, stehen Ihnen zahlreiche Beratungsangebote of-fen, die Sie unbedingt nutzen sollten. Auch die Agenturen für Arbeit sowie die Jobcenter bieten eine Vielzahl kostenloser Beratungsangebote zur Existenzgründung. Zur Selbststän-digkeit gehören übrigens auch freiberufliche Tätigkeiten. Vielleicht können Sie beispielsweise das im Laufe des Be-rufslebens gewonnene Wissen als Dozent in einer Aus- und Weiterbildungseinrichtung weitergeben.

Gleitender Übergang in den RuhestandWer lange Zeit in derselben Branche gearbeitet hat, möchte sich vielleicht noch einmal verändern. Ein Wechsel des Wirt-schaftszweigs kann besonders dann sinnvoll sein, wenn der alte Arbeitsplatz mit starker physischer Anstrengung verbunden ist.

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die körperlich heraus fordernde Tätigkeiten ausüben, wünschen sich oftmals einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Das ist unter anderem mit einem Langzeit-Arbeitskonto möglich. Auf einem solchen Konto lassen sich geleistete Arbeitszeit, aber auch Bestandteile des Gehalts oder Sonderzahlungen „ansparen“. Dieses „Guthaben“ können Sie nutzen, um sich eine Auszeit zu gönnen oder um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

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Die Mischung macht‘s: Ältere Fachkräfte suchen häufig nach Beschäftigungsmodellen, mit denen sie Beruf und Privatleben in Einklang bringen können.

praxistippsDen Fuß in die Tür bekommen: verschiedene Wege zur Festanstellung Der Weg zu einem neuen Arbeitsplatz führt nicht im-mer über eine klassische Bewerbung. Wenn Sie eine neue berufliche Herausforderung suchen, sollten Sie zunächst Ihr privates und berufliches Netzwerk aktivieren. Erzählen Sie im Bekanntenkreis oder im Gespräch mit früheren Kollegen, welche Art von Beschäftigung Sie sich wünschen und über welche Qualifikationen Sie verfügen. Parallel dazu können Sie sich bei früheren Arbeitgebern erkundigen, ob aktuell Personalbedarf besteht oder in naher Zukunft Stellen zu besetzen sind.

Neben Anzeigen in Zeitungen werden heute auch viele Jobofferten im Internet veröffentlicht, etwa in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit, auf Fir-menwebseiten, den Seiten von Berufsverbänden und auf Branchenportalen. Auch in virtuellen Netzwerken finden sich interessante Stellenangebote. In einigen sozialen Netzwerken können Sie ein persönliches Pro-fil anlegen und so auf sich aufmerksam machen. Wenn Sie eher im persönlichen Kontakt überzeugen möch-ten, sollten Sie Jobmessen besuchen. Dort können Sie direkt mit Firmenvertretern ins Gespräch kommen.

Eine weitere Möglichkeit, um Kontakte zu knüpfen, stellt das ehrenamtliche Engagement dar. Durch die Mitarbeit in einem Verein erlangen Sie zudem neue Kenntnisse und dokumentieren gegenüber potenziellen Arbeitgebern, dass Sie sich sozial einbringen möchten und teamfähig sind.

Zählen Sie zu denjenigen, die bisher in einer Branche gearbeitet haben, die vom Wandel der Arbeitswelt be-sonders betroffen ist und in der Arbeitsplätze abgebaut werden? Um einen Einblick in andere Branchen zu er-halten, bieten sich Probearbeitstage oder Praktika an.

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ALTERNATIVEN IM PORTRÄT

MIT VIEL ERFAHRUNG IN DIE SELBSTSTÄNDIGKEITAnnegret Tümmers arbeitete 30 Jahre lang als Krankenschwester, bevor sie sich selbstständig machte – als Coach und Beraterin in der Gesundheitsbranche.

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Annegret Tümmers, Beraterin,

Berlin

eine Selbstständigkeit erfordere viel Durchhaltever-mögen, wie Annegret Tümmers erläutert. „Und es braucht ein stabiles soziales Umfeld, Menschen,

die einen auffangen, wenn zum Beispiel ein wichtiger Kunde abspringt und dadurch existenzielle Ängste auftreten“, sagt die 57-Jährige.

Nachdem sie zwölf Jahre als Krankenschwester gearbei-tet hatte, traten bei ihr gesundheitliche Beschwerden auf, die es ihr unmöglich machten, ihren Beruf weiter auszuüben. Die Berlinerin überlegte, welche Alternativen es für sie gab. Schließlich qualifizierte sie sich im Rahmen einer Weiterbil-dung zur Lehrerin für Pflegeberufe sowie zur Pflegedienstlei-tung. Diese Abschlüsse ermöglichten es ihr, verantwortliche Positionen in Alten- und Pflegeeinrichtungen zu übernehmen –

was sie fast zwanzig Jahre lang tat. „An meinem letzten Arbeitsort konnte ich allerdings den Führungsstil der Ein-richtung nicht mehr länger mittragen“, erinnert sie sich. Annegret Trümmers kündigte und wagte den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit. Das war vor acht Jahren. Da war sie fünfzig Jahre alt.

Wie für viele Gründer und Gründerinnen war auch für sie die erste Zeit als selbstständige Beraterin mit viel Arbeit verbunden. Und die Einnahmen reichten gerade einmal für die laufenden Kosten. Beratung und Unterstützung fand sie bei der „WeiberWirtschaft“, einem Berliner Zentrum für Gründerinnen. Zudem konnte sie an einem geförderten Gründungscoaching teilnehmen.

„Trotz aller Startschwierigkeiten war es die richtige Ent-scheidung“, sagt Annegret Tümmers rückblickend. In ihrer Tätigkeit als Coach und Beraterin profitiert sie von ihrer um-fangreichen Berufserfahrung und ihren Branchenkenntnis-sen. „Gerufen werde ich in der Regel, wenn sich eine Firma in einer Krise befindet, sei es ein ambulanter Pflegedienst, ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung. Es sind Situ-ationen, die ich in meinem Berufsleben selbst schon viele Male miterlebt habe.“ Im Dialog mit ihren Auftraggebern macht sich die Expertin daran, effizientere Strukturen zu schaffen, Abteilungen umzuorganisieren und neue Prioritä-ten in den Arbeitsabläufen zu setzen.

Seit einigen Monaten kombiniert Annegret Tümmers ihre freiberufliche Tätigkeit mit einer Teilzeitstelle als Geschäfts-führerin einer Pflegeeinrichtung. „Ich will auf jeden Fall wei-terhin selbstständig arbeiten, gleichzeitig gefällt mir aber auch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem kompe-tenten Personal dieser Einrichtung.“

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Annegret Tümmers kennt die Gesundheitsbranche aus dem Effeff. Als Coach berät sie unter anderem Pflegedienste.

infoSie möchten sich selbstständig machen? Informa-tionen zum Thema Existenzgründung gibt es unter www.arbeitsagentur.de/durchstarten > Existenzgründung.

Das dazugehörige Heft können Sie dort als PDF herunterladen. Darin finden Sie unter anderem Por-träts von erfolgreichen Gründerinnen und Gründern, Checklisten, Interviews und einen großen Selbsttest.

DIE OPTIMALE LÖSUNGPeter Rudert (63) arbeitet seit fast 40 Jahren im Hamburger Hafen. Selbst eine schwere Erkrankung und körper-liche Einschränkungen haben ihn nicht von seinem Job fernhalten können. Heute ist er in Teilzeit tätig.

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Peter Rudert, Hafen-

mitarbeiter, Hamburg

p eter Rudert kennt die Arbeit im Hamburger Hafen. Was heute an den Containerterminals mit einem Knopfdruck geregelt wird, erforderte

noch vor wenigen Jahrzehnten den vollen Körpereinsatz. „Als ich 1977 als Hafenarbeiter anfing, haben wir die Güter in Säcken auf die Schiffe getragen“, erinnert sich der heute 63-Jährige.

Weil er ahnte, dass die Zukunft des Hafens im Contai-nerbetrieb liegen würde, richtete er früh sein Interesse auf diesen Bereich. 2007 fand er eine Stelle bei der Hambur-ger Hafen und Logistik AG (HHLA) und arbeitet seitdem am HHLA Container Terminal Tollerort. Sein Aufgabenbereich ist die manuelle Vorprüfung von Containern, die per LKW ange-liefert oder abgeholt werden. „Wie bei einer Behörde müs-sen die Fahrer eine Nummer ziehen und anschließend am Schalter die Papiere vorzeigen.“ Seine Tätigkeit hier macht Peter Rudert nach wie vor viel Freude – und das, obwohl er mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen zurechtkommen muss. Zunächst war es eine Krebserkran-kung, die eine langwierige Behandlung erforderlich machte, dann folgten Probleme mit der Schulter. „Heute ist mir klar, dass ich körperlich nicht mehr voll belastbar bin und daher nicht mehr Vollzeit arbeiten kann.“

Mithilfe des betrieblichen Eingliederungsmanagements seines Arbeitgebers suchte er nach einer Lösung, die ihm einen Verbleib im Beruf ermöglichen sollte, angepasst an seine Möglichkeiten. Nach vielen Gesprächen, etwa mit Per-sonalverantwortlichen sowie dem Betriebsrat, wurde die Beantragung einer Teilrente ins Auge gefasst. „Doch aus-schließlich von der Rente zu leben, das kann und möchte ich noch nicht.“ Nach einiger Zeit erhielt er schließlich die

Bewilligung von der Rentenkasse. Nun ist Peter Rudert zehn Tage im Monat berufstätig und erhält die Hälfte des vollen Rentenanspruchs. Mit seinem Arbeitgeber hat er vereinbart, im Wechsel jeweils eine Woche zu arbeiten und eine Woche freizunehmen. Nach wie vor ist er an seinem alten Arbeits-platz, der Vorprüfung von Containern, eingesetzt. Seine freien Wochen möchte Peter Rudert in Zukunft verstärkt für seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Hamburger Hafenmuseum nutzen.

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Peter Rudert kann sich keinen schöneren Arbeitsplatz als „seinen“ Hamburger Hafen vorstellen.

infoIm Berufsinformationszentrum (BiZ) Ihrer Agentur für Arbeit finden Sie die durchstarten Infomappen. Da-rin finden Sie Brancheninfos, Weiterbildungsmöglich-keiten und vieles mehr.Ihr Bewerberprofil können Sie in der JOBBÖRSE unter www.jobboerse.arbeitsagentur.de veröffentlichen.

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Themenheft 2015/2016 50plusSERVICE LINKTIPPS

HIER FINDEN SIE HILFE

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Im Internet finden Sie Informationen und Anlaufstellen, auch in Ihrer Nähe.

Erfahrung ist Zukunft – eine Initiative zum demografischen WandelDabei handelt es sich um ein Service- und Ratgeberportal zum Wandel der Arbeits- und Lebenswelt, mit einem Veran-staltungskalender und Anregungen für eigenes Engagement.www.erfahrung-ist-zukunft.de

Bildungsdatenbank 55+Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen bietet eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderte Veranstaltungs-datenbank an, die eine gezielte Detailsuche beispielsweise über Stichworte und Postleitzahlen ermöglicht. Zum Ange-bot gehören zum Beispiel Kurse, in denen Grundlagen digi-taler Bildbearbeitung vermittelt werden, oder Tagungen, die Strategien zur Stressbewältigung zum Thema haben. www.wissensdurstig.de

Perspektive WiedereinstiegDas Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ des BMFSFJ sowie der Bundesagentur für Arbeit richtet sich an Frauen, die nach mehrjähriger Familienphase wieder in das Berufsleben zurückkehren wollen. Zum Programm gehört ein Internetportal, das interessierte Frauen in konkreten Schritten durch die vielfältigen Beratungs- und Unterstüt-zungsangebote von Bund, Ländern und Kommunen führt. www.perspektive-wiedereinstieg.de

Dialog der GenerationenDas vom BMFSFJ geförderte Netzwerk informiert zum Bei-spiel über Begegnungsstätten, bürgerschaftliches Engage-ment und intergenerationelles Lernen. Es ermöglicht eine Suche nach Projekten und Fortbildungen.www.generationendialog.de

BundesfreiwilligendienstIn Zusammenhang mit dem Bundesfreiwilligendienst for-dert das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ausdrücklich Seniorinnen und Senioren auf, „ihre eigene Lebens- und Berufserfahrung“ einzubringen. „Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht.“www.bundesfreiwilligendienst.de

checklisteAuf dem Weg zum neuen JobEine neue Stelle finden – das bedeutet: passende Unternehmen suchen, Unterlagen zusammenstellen, Anschreiben verfassen und vieles mehr. Im Folgenden finden Sie Tipps, Denkanstöße und Anregungen für Ihre Bewerbung.

Noch mehr Hilfen zum Thema Bewerbung bietet Ihnen die LERNBÖRSE exklusiv der Bundesagentur für Arbeit unter www.arbeitsagentur.de.

Tipps für die Stellensuche: □Suchen Sie in Anzeigen, in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit und in Online-Jobbörsen nach passenden Angeboten. □Aktivieren Sie Ihr Netzwerk: Sprechen Sie Freunde, Verwandte und frühere Kollegen und Kolleginnen an. □ Ziehen Sie auch Zeitarbeitsunter nehmen und für Sie neue Branchen in Betracht.

Tipps für die Erstellung der Bewerbungs unterlagen:

□Beziehen Sie sich konkret auf das jeweilige Unternehmen. □Recherchieren Sie Stellenanforderungen und den genauen Ansprechpartner, zum Beispiel über die Webseite oder per Telefon. □Bei Postbewerbungen: Verwenden Sie gutes Papier und heften Sie die einzelnen Blätter nicht zusam-men. Verschicken Sie keine Originaldokumente, etwa von Zeugnissen, sondern sehr gute Kopien. □Bei Onlinebewerbungen: Verschicken Sie eine E-Mail mit möglicht wenigen PDF-Anhängen oder benutzen Sie die Online-Formulare der Firma. □Überprüfen Sie sorgfältig alle Angaben auf Vollstän-digkeit und Richtigkeit. □Überprüfen Sie die Rechtschreibung, lassen Sie Ihre Unterlagen von anderen lesen.

Tipps für das Anschreiben: □Achten Sie auf Übersichtlichkeit: Eine Seite genügt.

□ Erläutern Sie Ihre Stärken und beschreiben Sie, warum Sie zum Unternehmen und zur ausgeschriebe-nen Stelle passen. □Betonen Sie bei Überqualifizierung, dass Sie die Stelle nicht als Übergangs- oder Notlösung sehen. □Bieten Sie auch Probearbeit an. □ Prüfen Sie, ob sich Ihr Anschreiben trotz aller forma-len Vorgaben klar und ansprechend liest.

Tipps für den Lebenslauf: □ Zwei bis höchstens drei Seiten genügen. □Versehen Sie den Lebenslauf mit Datum und Unterschrift. □Verwenden Sie ein professionelles Foto. □Achten Sie auf Vollständigkeit Ihrer Zeugnisse. □Keine Angst vor Lücken: Zeigen Sie, dass Sie anderweitig aktiv waren, etwa Familienarbeit ge-leistet, ein Ehrenamt ausgeübt oder sich weiter-gebildet haben.

Tipps für Telefonate und Nachfragen: □Sorgen Sie für eine ruhige Umgebung. □Notieren Sie sich vorab, welche Informationen Sie benötigen und welche Argumente Sie vorbringen möchten. □Achten Sie auf eine klare, freundliche Stimme. □Nennen Sie Ihr Anliegen und fragen Sie, ob der Angerufene gerade Zeit hat. □Notieren Sie sich den Namen des Gesprächspartners und klären Sie, wie Sie verbleiben wollen.

Tipps für das Vorstellungsgespräch: □Bestätigen Sie die Einladung. □Sammeln Sie Informationen über das Unternehmen, etwa über die Webseite. □Bereiten Sie sich auf die Standardfragen vor, die in etwa lauten können: Warum haben Sie sich beworben? Warum wollen Sie gerade bei uns arbeiten? □Bereiten Sie auch eigene Fragen vor. □ Tragen Sie angemessene Kleidung, passend zur jeweiligen Stelle.

SERVICE BEWERBUNG

WEITERE ANGEBOTE IM Erkennen und nutzen Sie Ihre beruflichen Chancen. Zu folgenden individuellen Lebenslagen gibt es Hefte zum Mitnehmen:

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berufsinforma­tionszentrum (BiZ) können Ihnen bei der Suche nach geeigneten Informationen weiterhelfen.

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�� Zeitarbeit

www.arbeitsagentur.de/durchstarten

außerdem im BiZ:

Die durchstarten Infomappen bieten Informationen über Weiter­bildungsberufe, Anpassungs­qualifizierungen und Trends in verschiedenen Arbeitswelten.