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ren und strukturelle traumatische Hirnläsionen nach- gewiesen werden. Therapie: Notfallkraniotomie mit Erönung der Dura, Versorgung der Blutungsquelle und Ausräumung des Hä- matoms. Chronisches Subduralhämatom Definitionsgemäß gilt ein Subduralhämatom als chro- nisch, wenn seit dem Trauma mehr als 2 Wochen vergan- gen sind. Das Hämatom führt durch Druckschädigung zu Kopfschmerzen, fokal-neurologischen Defiziten sowie ggf. zu einem Psychosyndrom. Betroene Patienten fallen oft durch vermehrte Stürze auf. In der kranialen CT ist eine hypointense, kalottennahe halbmondförmige Struktur nachweisbar (Abb. 5.21). Therapeutisch steht die Druck- entlastung mittels Trepanation im Vordergrund. 5.9 Durchblutungsstörungen des ZNS Zerebrale Durchblutungsstörungen sind der häufigste Grund zentraler neurologischer Ausfälle. Sie können ischämisch bedingt sein (ischämischer Schlaganfall) oder als Folge intrakranieller Blutungen auftreten (hämorrha- gischer Schlaganfall). PATHO Das Gehirn ist auf Glukose als Energielieferant ange- wiesen, kann diese jedoch nur in Anwesenheit von Sauer- stoutilisieren. Eine konstante Blutzirkulation ist somit Voraussetzung, um die zerebralen Funktionen aufrecht- zuerhalten. Das Gehirn verfügt über regulatorische Me- chanismen, um sich vorübergehend an veränderte Situa- tionen anzupassen und auch weiterhin eine adäquate Sauerstoversorgung zu sichern (z. B. kompensatorische Gefäßdilatation bei Blutdruckabfall). Ab einem systo- lischen Blutdruck < 70 mmHg, bei erhöhtem Hirndruck oder Hyperventilation fällt die Hirndurchblutung ab. Ein erhöhter pCO 2 führt hingegen zu ihrer Steigerung. Anastomosen zwischen A. vertebralis und A. carotis (Circulus arteriosus Willisii ) gewährleisten sowohl eine Verbindung dieser beiden arteriellen Stromgebiete als auch den Anschluss an die Gefäße der gegenüberliegen- den Körperhälfte. Bei einem akuten Gefäßverschluss rei- chen sie jedoch nicht aus, um die regionale Sauersto- unterversorgung zu kompensieren. Die wichtigsten zere- bralen Kollateralkreisläufe sind in Abb. 5.22 dargestellt. 5.9.1 Ischämisch bedingte Durchblutungsstörungen Zerebrale Ischämie Synonym: ischämischer Insult, Apoplex DEFINITION Kritische Minderperfusion von Hirnabschnit- ten, die abhängig von Schwere und Ausmaß zu Gewebe- untergang und neurologischen Defiziten führt. Ätiologie: Ursachen einer zerebralen Ischämie sind: Makroangiopathien: Arteriosklerose, Aorten- oder Ver- tebralisdissektion arteriosklerotisch bedingte zerebrale Mikroangio- pathien: v. a. bei Hypertonus oder Diabetes mellitus Embolien (kardiale oder arterioarterielle Embolie, para- doxe Embolie) Gerinnungsstörungen: z. B. Antiphospholipid-Antikör- per-Syndrom, ATIII-Mangel, APC-Resistenz, Protein-C/ S-Mangel, Verbrauchskoagulopathie weitere: Vaskulitiden, Gefäßspasmen, Sinusvenen- thrombose. Risikofaktoren für eine zerebrale Ischämie sind ein arte- rieller Hypertonus, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, Hy- perlipidämie, orale Kontrazeption, Alkoholabusus, Migrä- ne (Gefäßspasmen), ein hoher Hämatokrit, eine Hyper- koagulopathie und Vorhoimmern (Embolien). Abb. 5.20 Akutes Subduralhämatom. In der CT erkennt man ein akutes Subduralhämatom (Pfeile), das hyperdens ist und sich von frontal bis okzipital ausdehnt. Außerdem ist es geringfügig raumfordernd. (aus Masuhr, Neumann, Duale Reihe Neurologie, Thieme, 2007) Abb. 5.21 Chronisches Subduralhämatom. Unregelmäßig begrenzte, hypointense Struktur in der linken Hemisphäre. Die Mittellinie ist deutlich verlagert. (aus Masuhr, Neumann, Duale Reihe Neurologie, Thieme, 2007) Psych. Neuro Augen HNO Derma Uro Päd Genetik Gyn Ortho Chirurgie Anästhesie Notfall 5.9 Durchblutungsstörungen des ZNS 951 aus: Ackermann u.a., ALLEX – Alles fürs Examen – Band B (ISBN 9783131469526) © 2014 Georg Thieme Verlag KG

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Page 1: 5.9 Durchblutungsstörungen des ZNS - bilder.buecher.de · (Circulus arteriosus Willisii) gewährleisten sowohl eine Verbindung dieser beiden arteriellen Stromgebiete als auch den

ren und strukturelle traumatische Hirnläsionen nach-gewiesen werden.

Therapie: Notfallkraniotomie mit Eröffnung der Dura,Versorgung der Blutungsquelle und Ausräumung des Hä-matoms.

Chronisches Subduralhämatom

Definitionsgemäß gilt ein Subduralhämatom als chro-nisch, wenn seit dem Trauma mehr als 2 Wochen vergan-gen sind. Das Hämatom führt durch Druckschädigung zuKopfschmerzen, fokal-neurologischen Defiziten sowie ggf.zu einem Psychosyndrom. Betroffene Patienten fallen oftdurch vermehrte Stürze auf. In der kranialen CT ist einehypointense, kalottennahe halbmondförmige Strukturnachweisbar (Abb. 5.21). Therapeutisch steht die Druck-entlastung mittels Trepanation im Vordergrund.

5.9 Durchblutungsstörungen desZNS

Zerebrale Durchblutungsstörungen sind der häufigsteGrund zentraler neurologischer Ausfälle. Sie könnenischämisch bedingt sein (ischämischer Schlaganfall) oderals Folge intrakranieller Blutungen auftreten (hämorrha-gischer Schlaganfall).

PATH

ODas Gehirn ist auf Glukose als Energielieferant ange-wiesen, kann diese jedoch nur in Anwesenheit von Sauer-stoff utilisieren. Eine konstante Blutzirkulation ist somitVoraussetzung, um die zerebralen Funktionen aufrecht-zuerhalten. Das Gehirn verfügt über regulatorische Me-chanismen, um sich vorübergehend an veränderte Situa-tionen anzupassen und auch weiterhin eine adäquateSauerstoffversorgung zu sichern (z. B. kompensatorischeGefäßdilatation bei Blutdruckabfall). Ab einem systo-lischen Blutdruck <70mmHg, bei erhöhtem Hirndruckoder Hyperventilation fällt die Hirndurchblutung ab. Einerhöhter pCO2 führt hingegen zu ihrer Steigerung.

Anastomosen zwischen A. vertebralis und A. carotis(Circulus arteriosus Willisii) gewährleisten sowohl eineVerbindung dieser beiden arteriellen Stromgebiete alsauch den Anschluss an die Gefäße der gegenüberliegen-den Körperhälfte. Bei einem akuten Gefäßverschluss rei-chen sie jedoch nicht aus, um die regionale Sauerstoff-unterversorgung zu kompensieren. Die wichtigsten zere-bralen Kollateralkreisläufe sind in Abb. 5.22 dargestellt.

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5.9.1 Ischämisch bedingteDurchblutungsstörungen

Zerebrale Ischämie

Synonym: ischämischer Insult, Apoplex

DEFINITION Kritische Minderperfusion von Hirnabschnit-ten, die abhängig von Schwere und Ausmaß zu Gewebe-untergang und neurologischen Defiziten führt.

Ätiologie: Ursachen einer zerebralen Ischämie sind:▪ Makroangiopathien: Arteriosklerose, Aorten- oder Ver-

tebralisdissektion▪ arteriosklerotisch bedingte zerebrale Mikroangio-

pathien: v. a. bei Hypertonus oder Diabetes mellitus▪ Embolien (kardiale oder arterioarterielle Embolie, para-

doxe Embolie)▪ Gerinnungsstörungen: z. B. Antiphospholipid-Antikör-

per-Syndrom, ATIII-Mangel, APC-Resistenz, Protein-C/S-Mangel, Verbrauchskoagulopathie

▪ weitere: Vaskulitiden, Gefäßspasmen, Sinusvenen-thrombose.

Risikofaktoren für eine zerebrale Ischämie sind ein arte-rieller Hypertonus, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, Hy-perlipidämie, orale Kontrazeption, Alkoholabusus, Migrä-ne (→ Gefäßspasmen), ein hoher Hämatokrit, eine Hyper-koagulopathie und Vorhofflimmern (→ Embolien).

Abb. 5.20 Akutes Subduralhämatom. In der CT erkennt man einakutes Subduralhämatom (Pfeile), das hyperdens ist und sich von frontalbis okzipital ausdehnt. Außerdem ist es geringfügig raumfordernd. (ausMasuhr, Neumann, Duale Reihe Neurologie, Thieme, 2007)

Abb. 5.21 Chronisches Subduralhämatom. Unregelmäßig begrenzte,hypointense Struktur in der linken Hemisphäre. Die Mittellinie istdeutlich verlagert. (aus Masuhr, Neumann, Duale Reihe Neurologie,Thieme, 2007)

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aus: Ackermann u.a., ALLEX – Alles fürs Examen – Band B (ISBN 9783131469526) © 2014 Georg Thieme Verlag KG

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Pathogenese: Bei einer relativen Ischämie sind aufgrundder zerebralen Minderdurchblutung Funktion und Stoff-wechsel des betroffenen Hirnareals eingeschränkt, die In-farzierungsschwelle ist jedoch nicht erreicht (Gewebe er-holt sich bei Normalisierung der Durchblutung). DieseGewebszone wird als Penumbra (Halbschatten) bezeich-net. Eine totale Ischämie ist im Gegensatz dazu durch ei-nen irreversiblen Gewebeschaden gekennzeichnet. Eskommt zum Na+- und H2O-Einstrom in die Zellen mitZellschwellung (zytotoxisches Ödem) und in der Folgezum Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke (→ Ein-strom osmotisch aktiver Substanzen mit vasogenemHirnödem). Das Ödem drückt auf das Hirngewebe undstört die Blutversorgung dadurch zusätzlich.

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Einteilung: Abhängig vom zeitlichen Verlauf unterschei-det man transitorisch-ischämische Attacken von einemHirninfarkt.

Transitorisch-ischämische Attacken: VorübergehendeDurchblutungsstörungen von meist 2–15min mit kurz-zeitigen fokalneurologischen Defiziten wie Paresen, Stür-zen („drop attacks“), einseitigen Sehstörungen undAmaurosis fugax (Patient sieht „einen Vorhang fallen“)und neuropsychologische Störungen wie Aphasie. Dieneurologischen Defizite bilden sich innerhalb von 24 hvollständig zurück. In der Bildgebung findet sich keinmorphologisches Korrelat. Ursächlich liegen meist Mikro-embolien, Blutdruckabfall und auch -steigerung, Subcla-vian-steal-Syndrom bzw. intrakranielle Steal-Effekte zu-grunde (z. B. bei Vasokonstriktion gesunder Hirnarealemit vermehrter Durchblutung des ischämischen Ab-schnitts). TIAs können einem schweren Hirninfarkt vo-rausgehen.

Hirninfarkt: Ischämiebedingtes neurologisches Defizit,das sich innerhalb von 24 h nicht mehr (oder nur mehrteilweise) zurückbildet. Eine Sonderform stellt der pro-grediente Hirninfarkt (stroke in evolution) dar, bei demdie Symptomatik im Verlauf von Stunden bzw. Tagen wei-ter zunimmt. Kleinere Infarkte (minor strokes) wurdenfrüher auch als PRIND (prolongiertes reversibles ischä-misches neurologisches Defizit) bezeichnet. Meist beste-hen leichte motorische oder sensible Störungen (keineneuropsychologischen Defizite). Ein minor stroke bildetsich meist innerhalb von Tagen wieder zurück.

Klinik: Je nach Lokalisation der Ischämie kommt es zucharakteristischen Ausfallsymptomen (Tab. 5.10, zu deneinzelnen Syndromen auch Kap. Zerebrale Syndrome [S.B910]). Die Versorgung des Gehirns ist in Abb. 5.23 dar-gestellt.

A. carotis interna: Eine Stenose der A. carotis internaführt zu Ischämien des Media- und Anteriorstromgebiets(s. u.). Diese können sich ganz charakteristisch als Amau-rosis fugax (kurzzeitige Erblindung auf einem Auge infol-ge Mangeldurchblutung der A. ophthalmica) und kontra-laterale Halbseitensymptomatik mit zusätzlichen neuro-psychologischen Defiziten äußern. Meist tritt jedochnicht das Vollbild auf.

Ein Wandhämatom der A. carotis interna (Karotisdis-sektion) präsentiert sich typischerweise mit tagelangemeinseitigem Kopfschmerz und progredienter Dysarthrie,Hypoglossusparese, Horner-Syndrom sowie ggf. zentra-lem fokalneurologischem Defizit. Als begünstigende Fak-toren werden Traumen angesehen (z. B. HWS-Schleuder-trauma, aber auch Bagatelltraumen wie durch ruckartigeBewegungen, z. B. beim Badminton).

kontralateraleA. vertebralis- Anastomose

CirculusWillisii

A. cerebri anterior/media-

Anastomose

A. carotis externa/ A. opthalmica-Anastomose

A. cerebrianterior

A. cerebrimedia

A. cerebriposterior

A. vertebralis

A. basilaris

A. cerebelliinferior posterior

A. carotiscommunis

A. ophthalmica

A. carotisexterna

A. carotisinterna

(Ring-anastomose)

Abb. 5.22 Zerebrale Kollateralkreisläufe. (ausGehlen, Delank, Neurologie, Thieme, 2010)

5 Erkrankungen des Gehirns und seiner Hüllen952

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A. cerebri media: Die A. cerebri media verläuft nach late-ral entlang der Schädelbasis und versorgt in ihrem Ver-lauf die Capsula interna, Basalganglien, die oberen undäußeren Teile des Temporallappens und die konvexe Kor-texregion von Temporal- und Parietallappen. Infarkte ih-res Stromgebietes gehen mit einer kontralateralen, bra-chiofazial betonten Hemiparese und Hemihypästhesie so-wie neuropsychologischen Defiziten einher. Im akutenStadium besteht bei Stammverschluss der A. cerebri me-dia eine konjugierte Blickparese zur Läsion (Déviationconjugée), auch Gesichtsfeldausfälle können auftreten(homonyme Hemianopsie). Persisiert die Hemiparese,entwickelt sich ein typisches Gangbild (Wernicke-Mann-Lähmung, Abb. 5.24).

Tab. 5.10 Infarkte der einzelnen Hirnregionen

Gefäß Versorgungsgebiet Klinik bei Infarkt

A. carotis interna Aa. cerebri anterior und media •Amaurosis fugax•Dissektion: Kopfschmerzen (frontoorbital), lokale Symptome(Horner-Syndrom, Zungenabweichung, Dysarthrie)

A. cerebri anterior medialer Frontal- und Parietallappen, Septum, basaleVorderhirnstrukturen

•kontralaterale beinbetonte Hemiparese (Mantelkanten-Syndrom)•Apraxie, Apathie und Abulie (Entschlussunfähigkeit, Willens-schwäche)

•Blasenstörung

A. cerebri media laterale Anteile von Frontal-, Parietal- und Temporal-lappen, basales Vorderhirn, Striatum, Pallidum, Capsulainterna, Inselrinde

•kontralaterale Hemiparese und Hemihypästhesie•homonyme Hemianopsie•Aphasie, Neglect und/oder Apraxie

A. cerebri posterior Okzipitallappen, Temporallappen basal und kaudal,Hippocampus, Thalamus, Mittelhirn

•homonyme Hemianopsie•Pseudohalluzinationen

Aa. vertebrales undbasilaris

Hirnstamm, Kleinhirn •zerebelläre Ataxie•Dysarthrie (skandierende Sprache)•Nystagmus

Aa. lenticulostriataeA. cerebri mediaA. cerebri anteriorA. choroidea anterior

Karotisstromgebiet

Aa. thalamicaeA. cerebri posteriorA. cerebelli superiorA. cerebelli inferior anteriorA. cerebelli inferior posteriorAa. vertebrales/A. basilaris

vertebrobasiläres Stromgebiet

Abb. 5.23 Arterielle Versorgung des Gehirns. (aus Mattle, Mumen-thaler, Kurzlehrbuch Neurologie, Thieme, 2011)

Abb. 5.24 Haltung bei Halbseitenlähmung. Das spastische Bein wirdzirkumduziert; der gelähmte Arm bleibt angewinkelt, da die Flexorenüberwiegen (=Wernicke-Mann-Lähmung). (aus Mattle, Mumenthaler,Kurzlehrbuch Neurologie, Thieme, 2011)

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Hirnstamminfarkte führen prinzipiell zu ipsilateralenAusfällen der Hirnnerven und kontralateraler Hemisymp-tomatik. Zudem bestehen Schwindel, Sprach- undSchluckstörungen, Nystagmus, Ataxie oder Pupillenstö-rungen.

Mittelhirninfarkte können mit Blickparesen (horizon-tal oder vertikal), Okulomotoriusparese, Horner-Syn-drom, kontralateralen Hemiparesen oder kontralateralenSensibilitätsstörungen einhergehen. Das sog. Weber-Syn-drom besteht z. B. aus einer kontralateralen Hemipareseund ipsilateralen Okulomotoriusparese.

Bei ventralen Ponsinfarkten kommt es zu einer Pseu-dobulbärparalyse, horizontaler Blickparese, Tetraplegieund Locked-in-Syndrom, wenn das Bewusstsein erhaltenist und nur mehr vertikale Blickwendungen möglich sind.Ein lateraler Ponsinfarkt führt v. a. zur ipsilateralen zere-bellären Ataxie.

Ischämien der Medulla oblongata haben ipsilateraleAusfälle der Hirnnerven VII und IX–XII, Horner-Syndrom,kontralaterale dissoziierte Sensibilitätsstörung, Doppel-bilder, Schwindel und Übelkeit zur Folge. Am häufigstenist das Wallenberg-Syndrom [S.B911].

Kleinhirninfarkte:▪ zerebelläre Ataxie mit Stand- und Gangataxie, Störung

der Rumpfhaltung und des Gleichgewichts (v. a. im Sit-zen), Extremitätenataxie, Dysdiadochokinese, Dys-metrie, Dysarthrie, Intentionstremor, Rebound-Phäno-men

▪ Störungen der Blickstabilisierung und Nystagmus▪ reduzierter Muskeltonus.

Als Folge multipler Hirninfarkte bzw. TIA mit wiederholt auftretendenfokalneurologischen Defiziten kann eine Multiinfarktenzephalopathiemit dem klinischen Bild einer schweren Demenz [S.B940] entstehen.

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Pathologie: Morphologisch zeigt sich die ischämischeNervenzellschädigung als scharf begrenzte, keilförmigeLäsion mit Kolliquationsnekrose und Zystenbildung.

Folgende Infarktmuster werden unterschieden(Abb. 5.25):▪ lakunärer Infarkt: kleine subkortikale Infarkte durch

mikroangiopathischen Verschluss von Marklagerarte-rien. Zu lakunären Infarkten kommt es v. a. bei hyper-tensiver zerebraler Mikroangiopathie. Die Lakunen fin-den sich insbesondere in Hirnstamm, Thalamus undBasalganglien. Eine Sonderform stellt der Morbus Bins-wanger [S.B940] dar.

▪ Territorialinfarkt: Ischämie des Versorgungsgebietseiner Hirnarterie mit charakteristischer Ausfallsympto-matik (Rückschluss auf die betroffene Arterie möglich)

▪ Grenzzoneninfarkt (Abb. 5.26): streifenförmige Ischä-mie entlang der Grenzzone zwischen den Versorgungs-gebieten zweier oder mehrerer Gefäße infolge einesBlutdruckabfalls (= hämodynamischer Infarkt).

▪ elektive Parenchymnekrosen: selektive Nekrose v. a.der Pyramidenzellen des Hippocampus, der neokortika-len Schichten und der Purkinje-Zellen im Kleinhirn.Glia- und Gefäßmesenchymzellen bleiben erhalten, wo-durch es zur Teilnekrose der grauen Substanz kommt.

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Infarktstadien:▪ Stadium I (Nekrose) = frischer ischämischer Infarkt

(nach 12–48 h): Makroskopisch erkennt man noch kei-ne bedeutsamen Veränderungen, evtl. Gewebeerwei-chung und verschwommene Rinden-Mark-Grenze. Mi-kroskopisch schwache Anfärbbarkeit, vermehrt eosino-phile Granulozyten, pyknische Neurone und Vakuolen-bildung.

▪ Stadium II = subakuter Infarkt (3 Tage bis 3 Wochen):makroskopisch Gewebeödem, mikroskopisch Makro-phagen (Schaumzellen), neutrophile Granulozyten, ak-tivierte Mikroglia, Neubildung von Gefäßen, nach ca. 2Wochen aktivierte Astrozyten

▪ Stadium III = chronischer Infarkt (> 3 Wochen): makro-skopisch Kolliquationsnekrose und Zysten, mikrosko-pisch Fasergliose, Makrophagen, neu gebildete Blutge-fäße, evtl. Verkalkungen in der Umgebung.

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Diagnostik: Die Akutdiagnostik hat das Ziel, Lokalisation,Ausdehnung und Ursache zerebraler Ischämien zu eruie-ren. Hierfür hilft eine exakte Anamnese (aktuelles Ge-schehen, Risikofaktoren, Vorerkrankungen), der genaueklinisch-neurologische Status (→ erste Hinweise auf diebetroffenen Hirnregionen) sowie die internistische Un-tersuchung (Auskultation von Herz/Karotiden, Messenvon Puls und Blutdruck).

Weiterführende Untersuchungsmaßnahmen in derAkutphase sind die Laboruntersuchung, kraniale Bild-gebung, Untersuchung der hirnzuführenden Gefäße so-wie Herzdiagnostik.

Labor: Blutbild, Hämatokrit, BSG, Leberenzyme, Gerin-nung, Blutzucker, Nierenwerte, Elektrolyte, CRP, Herzen-

lakunärer Infarkt Grenzzoneninfarkt Territorialinfarkt

Abb. 5.25 Infarkttypen. (aus Gehlen, Delank, Neurologie, Thieme,2010)

Abb. 5.26 Grenzzoneninfarkt. Frischer Grenzzoneninfarkt zwischender A. cerebri media und A. cerebri anterior. Neben Einblutungenerkennt man gelbliches Hirngewebe infolge des Ödems. (aus Krams etal., Kurzlehrbuch Pathologie, Thieme, 2010)

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zyme, ggf. ausführliche Gerinnungsanalyse, Vaskulitis-diagnostik.

RADIO Kraniale Bildgebung:

▪ CT → Ausschluss einer zerebralen Blutung (hyperden-ses Areal). Ein akuter Infarkt zeigt in der CT-Aufnahmefolgende Kriterien:- keine Differenzierung zwischen Rinde und Mark, ein-heitlich hypodenses Gebiet

- Dense Media Sign: Hyperdensität im Verlauf derA. cerebri media

- infarktbedingte Raumforderung, enge Ventrikel- Minderdurchblutung in der Perfusions-CT und Gefäß-verschluss in der Angio-CT.

▪ MRT → Nachweis der Ischämie, Abschätzung der Größedes betroffenen Gebiets (hypointens in T 1, hyperintensin T 2 und FLAIR, zusätzlich Perfusions- und Diffusions-sequenzen, Abb. 5.28)

▪ CT-Angiografie, MR-Angiografie, Angiografie → ggf. beiV. a. intrakranielle Gefäßpathologie.

Mögliche Befunde sind in Abb. 5.27 dargestellt.

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Ergänzende Verfahren:▪ Doppler- und Duplexsonografie der hirnzuführenden

und intrakraniellen Gefäße → Ausschluss von Stenosen,Plaques (Mikroembolien), Dissektionen, Anomalieninsbesondere der A. carotis interna und der Aa. ver-tebrales. Zum Beispiel werden bei Amaurosis fugax zurweiteren Abklärung (symptomatische Stenose?) die ex-trakraniellen hirnversorgenden Halsgefäße geschallt.

▪ Herzdiagnostik- EKG (ggf. ergänzend 24-h-EKG) → Ausschluss vonVorhofflimmern (→ Emboliequelle) sowie eines Myo-kardinfarkts mit sekundärer zerebraler Beteiligung

- Echokardiografie: transthorakal (TTE) und transöso-phageal (TEE) → Ausschluss kardialer Emboliequellen,offenes Foramen ovale (→ paradoxe Embolie).

Therapie:Akutmaßnahmen: Bei V. a. Schlaganfall stehen die Stabili-sierung des Patienten (u. a. O2-Gabe) und der schnellst-mögliche Transport in eine Klinik im Vordergrund.

Allgemeinmaßnahmen: Neben einer notfallmäßigenDiagnostik (s. o.) und ggf. kausalen Therapiemaßnahmen(s. u.) ist eine Basistherapie entscheidend für das Out-come der Patienten. Die Gewährleistung eines ausrei-chenden Perfusionsdrucks bzw. die nötige Sauerstoff-und Nährstoffversorgung im Infarktgebiet stehen im Vor-dergrund:▪ Blutdruckoptimierung (systolischer Zielbereich: 160–

200mmHg)▪ physikalische Kühlung und/oder Antipyretika▪ ggf. Korrektur von Blutzucker- und Elektrolytstörungen

sowie einer Hypovolämie▪ evtl. kalkulierte Antibiose bei stärker beeinträchtigten

Patienten (Gefahr der Pneumonie)▪ Hirndrucktherapie (ggf. operative Dekompression).

a b c d eAbb. 5.27 Bildgebende Befunde bei Schlaganfall. CT-Aufnahmen ohne KM-Gabe. a Ischämie der vorderen Stromgebiete bei Karotisverschluss mitausgedehntem Anterior- und Mediainfarkt (CT). b Teilinfarkt im Anteriorstromgebiet (CT). c Teilinfarkt im Mediastromgebiet (CT). d CT-Aufnahmebei Teilinfarkt im Posteriorstromgebiet (Aa. vertebrales, basilaris). e Lakunärer Infarkt (MRT mit Diffusionswichtung). (aus Rohkamm, TaschenatlasNeurologie, Thieme, 2010)

Abb. 5.28 Penumbra bei Verschluss im Media-stromgebiet. a Diffusionsgewichtete MRT: Im pos-terioren Teil des Mediastromgebiets rechts erkenntman fleckförmige, hyperintense Signale. b Perfusi-onsgewichtete MRT: Im gesamten rechten Media-stromgebiet ist die Zeit bis zur maximalenKontrastmittelanflutung deutlich verzögert (roterBereich). Der Befund zeigt also eine vermindertePerfusion bei noch annähernd normaler Diffusion(= Penumbra). (aus Mattle, Mumenthaler, Kurzlehr-buch Neurologie, Thieme, 2011) a b

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aus: Ackermann u.a., ALLEX – Alles fürs Examen – Band B (ISBN 9783131469526) © 2014 Georg Thieme Verlag KG

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PHARMA

Thrombolyse: Eine systemische Thrombolyse mit rt-PAist indiziert bei Nachweis eines akuten thrombotisch-ischämischem Hirninfarkts, wenn die Therapie innerhalbvon 4,5 h nach dem Ereignis begonnen werden kann, eineintrakranielle Blutung mittels Bildgebung ausgeschlossenwurde und der Patient zwischen 18 und 80 Jahre alt ist.Kontraindikationen sind intrakranielle Blutungen, aktuel-le medikamentöse Antikoagulation oder Thrombozytope-nie, größere Operationen oder Traumata innerhalb derletzten 4 Wochen, eine nichtkontrollierbare Hypertensionsowie das Vorliegen eines sehr leichten bzw. sehr schwe-ren Schlaganfalls. Komplikationen sind insbesondere int-rakranielle Blutungen (> 5 %) sowie sonstige Hämorrha-gien. Ist eine Lyse nicht möglich, ist ASS das Medikamentder Wahl. In spezialisierten Zentren wird auch die lokaleintraarterielle Lyse mit rt-PA oder Urokinase eingesetzt.

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Sekundärprophylaxe: Der langfristigen Risikoreduktiondienen:▪ Blutdruckeinstellung▪ Senkung der Serumlipide▪ Thrombozytenaggregationshemmung oder orale Anti-

koagulation (→ Prophylaxe von Embolien und Thrombo-sen): i. d. R. 100mg Acetylsalicylsäure, bei Patienten mitausgeprägten Risikofaktoren und Re-Infarkt-Gefahr Clo-pidogrel oder Kombination von ASS+Dipyridamol, beiPatienten mit Vorhofflimmern (s. Herz-Kreislauf-Sys-tem [S.A40]) Vitamin-K-Antagonisten oder Dabigatran.

▪ operative Thrombendarteriektomie (TEA) bei Karotis-stenose (s. Chirurgie [S.B210])

▪ Verschluss eines offenen Foramen ovale bei paradoxerEmbolie.

Sinusthrombose

DEFINITION Thrombose zerebraler venöser Gefäße, amhäufigsten der Sinus.

Ätiologie: Etwa ⅓ der Sinusthrombosen ist idiopathisch.Weitere Ursachen sind:▪ hormonelle Faktoren: orale Kontrazeptiva, Wochenbett▪ Gerinnungsstörungen (Thrombophilie)▪ venöse Stauungen▪ hämatologische Störungen (z. B. Polyglobulie,

Sichelzellanämie)▪ immunologische Erkrankungen (z. B. Vaskulitis, Kolla-

genosen)▪ Stoffwechselstörungen, Medikamente▪ Tumoren▪ kardiovaskuläre Störungen▪ lokale Traumen, Operationen▪ septische Ursache bei Infektionen.

Klinik: Die Patienten präsentieren sich mit Kopfschmer-zen, Übelkeit, Hirndruckzeichen (Papillenödem), Fieber,BSG-Erhöhung, Leukozytose, motorischen Ausfällen so-wie häufig mit epileptischen Anfällen. Schlaganfälle infol-ge Blutungen oder Ischämien können auftreten (bis zu 5%aller Schlaganfälle!).

Diagnostik:

RADIOMit der konventionellen Angiografie kann eine Sinus-

thrombose definitiv ausgeschlossen werden (allerdingsinvasive Methode). Geeignete nichtinvasive Verfahrensind CT mit Kontrastmittel, CT-Angiografie, MRT und MR-Angiografie. Eine fehlende Kontrastmittelanreicherungim Bereich des Thrombus weist auf den Verschluss hin.Als Folgeerscheinung können intrazerebrale oder sub-arachnoidale Blutungen festgestellt werden.

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Die Liquoruntersuchung kann eine Xantochromie zei-gen. Bei septischer Genese sind im Liquor Erreger nach-weisbar.

Therapie: Als Therapie der Wahl gilt die Vollheparinisie-rung. Die Heparintherapie wird je nach klinischem Zu-stand nach rund 2 Wochen auf eine orale Antikoagulationumgestellt.

Ergänzend kommen symptomatische Maßnahmenwie Behandlung einer intrakraniellen Drucksteigerung,Antikonvulsiva bei epileptischen Anfällen sowie seltendie operative Thrombektomie zum Einsatz.

Subclavian-steal-Syndrom

Durchblutungsstörung des Hirnstamms infolge einer Um-kehr des Blutflusses. Grund dafür ist eine Stenose der A.subclavia vor dem Abgang der A. vertebralis (Abb. 5.29).Wird der Arm beansprucht, kann es zu einer Flussumkehrin der A. vertebralis kommen, um die Armmuskulaturausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Klinisch findensich dadurch eine (durchblutungsbedingte) Armschwä-che sowie infolge der Minderversorgung des Gehirnsneurologische Symptome wie Sehstörungen, Ataxien,Schwindel oder Parästhesien bei körperlicher Betätigung.Bei der Untersuchung ist der Radialispuls auf der betroffe-nen Seite nicht tastbar und der Blutdruck am betroffenenArm niedriger als auf der Gegenseite (Blutdruckdiffe-renz > 30mmHg zwischen beiden Armen). Therapeuti-sche Möglichkeiten stellen die Gefäßdilatation, die Anlageeines Bypasses sowie ggf. eine Thrombendarteriektomiedar.

MERKE Typische Symptome sind Schwindel und Arm-schwäche bei körperlicher Betätigung.

5.9.2 Intrakranielle Blutungen (nichttraumatisch)

Die traumatischen intrakraniellen Blutungen werden imKap. Traumatische Hämatome [S.B950] besprochen.

Intrazerebrale Blutung

Ätiologie: Blutungen ins Hirnparenchym, die meist imZusammenhang mit arteriellem Hypertonus, Aneurys-men, Gefäßmissbildungen (z. B. AV-Malformation), Amy-loidangiopathie, Tumoren oder Gerinnungsstörungen auf-treten. Die häufigsten Lokalisationen sind:▪ Stammganglien (60%)▪ Kortexareale (30%)▪ infratentorielle Regionen (10 %).

5 Erkrankungen des Gehirns und seiner Hüllen956

aus: Ackermann u.a., ALLEX – Alles fürs Examen – Band B (ISBN 9783131469526) © 2014 Georg Thieme Verlag KG