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Vorlesung Operations Research J. Böhm-Rietig Entscheidungslehre [Entscheidungslehre.doc] S. 1 [22.01.2006] 6 Entscheidungslehre; entscheidungsunterstützende Methoden Was hilft mir bei Entscheidungen? Spezielle Literatur: 1. Bamberg/Coenenberg: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. WiSo Kurzlehrbuücher; Verlag Vahlen 2. Eisenführ/Weber: Rationales Entscheiden. Springer Verlag. allgemeine Werke: 3. Werner Zimmermann: Operations Research. R.Oldenbourg Verlag. 4. Hillier/Liebermann: Operations Research. R.Oldenbourg Verlag. 5. Saaty, Thomas L.: „AHP“ The analytic hierarchy process, RWS Publications, Pittsburgh 1990 Software mit Studentenversionen: 1. CDP: Criterium Decision Plus. <InfoHarvest Inc., USA; www.infoharvest.com> 2. DPL: Professional Decision Analysis. <Applied Decision Analysis; ADA LLC > 3. DATA: <TreeAge, Williamstown> 4. Ziele-und-Bewertung : <Ibo, Wettenberg >; Zielhierarchien und Bewertungen, professionell. 5. für AHP: http://www.boku.ac.at/iao/am/ahp/ Internet Resourcen: siehe c´t 5/1997, S.256 Decision Analysis Society http://www.fuqua.duke.edu/faculty/daweb Applied Decision Analysis (DPL Advanced) http://www.dpl.adainc.com Arlington (Which & Why) http://www.arlingsoft.de Avantos (Decide Right) http://www.avantos.com Beacon Rock (SureFire) http://www.beaconrock.com Expert Choice (Expert Choice) http;//www.ahp.net http://www.expertchoice.com/ Logical Decisions (Logical Decisions) http://www.logicaldecisions.com TreeAge (DATA) http://www.treeage.com Vanguard (DecisionPro) http://www.vanguardsw.com Information Harvest Inc., (CDP) http://www.infoharvest.com ZMMS, TU Berlin http://www.zmms.tu-berlin.de Yooscore (deutsch) http://www.yooscore.de/pages/download.htm 6.1 Entscheidungen Beobachtung : Der gesunde Menschenverstand ist in komplexen oder neuen Situationen oft überfordert. Es gibt häufig keine objektiv richtigen Entscheidungen (widersprüchliche Ziele, Subjektivität, Ungewißheit). Unschärfe der Begriffe, Vorstellungen, Ziele, Kenntnisse. Bislang wird das Fach "Entscheidungslehre" selten gelehrt in Deutschland. Beispiel ("Das Ziegenproblem "): Gast in einer Show soll eine von drei Türen wählen. Hinter einer steht ein schöner PKW, hinter den beiden anderen jeweils eine Ziege. Alle Türen sehen gleich aus. Der Gast darf eine Tür wählen und die dahinter befindliche Ziege oder das Auto behalten. Der Gast wählt eine Tür. Bevor die Tür geöffnet wird spricht der Show-Master zum Gast, während er eine der beiden anderen Türen öffnet: "Hierhinter sehen Sie eine Ziege. Bleiben Sie bei Ihrer Wahl oder möchten Sie nicht doch lieber zur dritten Tür wechseln?" Welche Empfehlung würden Sie dem Gast nun geben?

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 1 [22.01.2006]

6 Entscheidungslehre; entscheidungsunterstützende MethodenWas hilft mir bei Entscheidungen?

Spezielle Literatur:1. Bamberg/Coenenberg: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. WiSo Kurzlehrbuücher; Verlag Vahlen2. Eisenführ/Weber: Rationales Entscheiden. Springer Verlag.

allgemeine Werke:3. Werner Zimmermann: Operations Research. R.Oldenbourg Verlag.4. Hillier/Liebermann: Operations Research. R.Oldenbourg Verlag.5. Saaty, Thomas L.: „AHP“ The analytic hierarchy process, RWS Publications, Pittsburgh 1990Software mit Studentenversionen:1. CDP: Criterium Decision Plus. <InfoHarvest Inc., USA; www.infoharvest.com>2. DPL: Professional Decision Analysis. <Applied Decision Analysis; ADA LLC >3. DATA: <TreeAge, Williamstown>4. Ziele-und-Bewertung : <Ibo, Wettenberg >; Zielhierarchien und Bewertungen, professionell.5. für AHP: http://www.boku.ac.at/iao/am/ahp/Internet Resourcen: siehe c´t 5/1997, S.256Decision Analysis Society http://www.fuqua.duke.edu/faculty/dawebApplied Decision Analysis (DPL Advanced) http://www.dpl.adainc.comArlington (Which & Why) http://www.arlingsoft.deAvantos (Decide Right) http://www.avantos.comBeacon Rock (SureFire) http://www.beaconrock.comExpert Choice (Expert Choice) http;//www.ahp.net

http://www.expertchoice.com/Logical Decisions (Logical Decisions) http://www.logicaldecisions.comTreeAge (DATA) http://www.treeage.comVanguard (DecisionPro) http://www.vanguardsw.comInformation Harvest Inc., (CDP) http://www.infoharvest.comZMMS, TU Berlin http://www.zmms.tu-berlin.deYooscore (deutsch) http://www.yooscore.de/pages/download.htm

6.1 Entscheidungen

Beobachtung:• Der gesunde Menschenverstand ist in komplexen oder neuen Situationen oft überfordert.• Es gibt häufig keine objektiv richtigen Entscheidungen (widersprüchliche Ziele, Subjektivität, Ungewißheit).• Unschärfe der Begriffe, Vorstellungen, Ziele, Kenntnisse.• Bislang wird das Fach "Entscheidungslehre" selten gelehrt in Deutschland.

Beispiel ("Das Ziegenproblem"):

Gast in einer Show soll eine von drei Türen wählen. Hinter einer steht ein schöner PKW, hinter den beiden anderenjeweils eine Ziege. Alle Türen sehen gleich aus. Der Gast darf eine Tür wählen und die dahinter befindliche Ziegeoder das Auto behalten.Der Gast wählt eine Tür. Bevor die Tür geöffnet wird spricht der Show-Master zum Gast, während er eine der beidenanderen Türen öffnet:

"Hierhinter sehen Sie eine Ziege. Bleiben Sie bei Ihrer Wahl oder möchten Sie nicht doch lieber zurdritten Tür wechseln?"

Welche Empfehlung würden Sie dem Gast nun geben?

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 2 [22.01.2006]

Das Beipiel ist nicht komplex, dennoch ist belegt, daß sich schlaue Leute daran die Zähne ausgebissen haben! (Gerovon Randow: "Das Ziegenproblem" Reinbeck 1992). Rationale Lösungen können nur mit Hilfe der bedingtenWahtscheinlichkeiten bestimmt werden. Dafür muß man plausible Hypothese für das Verhalten des Show-Mastersvoraussetzen.

Beispiel ("Risiko")Ein anderes „einfacheres“ Beispiel eines mathematisch präzise analysierbaren Entscheidungssituation :

Wählen Sie: DM 4000 auf die Hand (sichere Zinsen etwa bei einer Bankeinlage) oder die kostenlose Teilnahme aneiner Lotterie (Aktienspekulation mit einem gewissen Risiko). Dort können Sie DM 10000 gewinnen oder eine Nieteziehen mit einer Chance 50:50.

Wie wählen Sie? Ändert sich die Entscheidung bei geringeren und höheren Einsätzen?

Realistisches Beispiel (habe ich so ähnlich erlebt, Klausuraufgabe „Naschwerke“) :Beraten Sie ein Unternehmen, welches Lieferantenprobleme hat. Ein Verfahren vor einem Gericht hat nur begrenzteAussichten auf ein besseres Ergebnis als ein außergerichtlicher Vergleich. Evtl. ist es aber auch günstiger für diezukünftige Lieferantenpolitik, auf die eigenen Forderungen zu verzichten. Im Laufe de Zeit kann sich dieEntscheidung zugunsten einer weiteren Alternative ändern, z.B. erst Vergleich versuchen, dann prozessieren.

Entscheidungstheorie:Die logische und empirische Analyse des rationalen Entscheidungsverhaltens in unterschiedlichen Situationen.

Unterscheidung:• Formale ET, (Logik der E.)• normative ET, (Wie soll man sich entscheiden und wofür?)• deskriptive ET, (Beschreibung, wie in der Realität entschieden wird)• präskriptive ET (Synthese: praktische Methodenlehre).

Die Entscheidungstheorie bietet eine formale Methode zur Entscheidungsfindung insbesondere bei Unsicherheit.Der Entscheider wird bei der bestmöglichen Wahl alternativer Strategien unterstützt. Der Wert zusätzlicherInformationen zur Reduktion der Unsicherheit kann abgeschätzt werden. Der Vorteil einer umfassenden Strategiegegenüber einer kurzfristigen Taktik wird deutlich.

Der Entscheidungsprozeß

• Benutze eine/mehrere Standardmethoden und Software• Definiere das Problem/das Ziel (wie beim Brain Storming)• Stelle die Gruppe der Entscheidungsträger auf• Identifiziere die entscheidenden Merkmale• Entwickle die Entscheidungs-Struktur (Hierarchie)• Beurteile die Wichtigkeit der Einzelkriterien• Bestimme die Entscheidungs-Alternativen• Diskutiere alle „effizienten“ Alternativen.• Denke strategisch, also in „wenn ... dann... sonst ... oder ... Ketten.• Prüfe und dokumentiere alles ( Audits !)• Prüfe die Plausibilität der Ergebnisse• Untersuche die Stabilität der gefundenen Entscheidung• Dokumentation

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[Entscheidungslehre.doc] S. 3 [22.01.2006]

Zur Dokumentationspflicht des Entscheiders/Vorbereiters gehören:• Alle Alternativen und möglichen Entscheidungssituationen/-umstände kategorisieren• Umweltbedingungen einschließen.• Zeitlichen Aspekt/Verlauf dokumentieren, besonders Aktionsverläufe zahlenmäßig berechnen• Modellerstellung und Annahmen begründen; psychologische Aspekte diskutieren.• Alle möglichen Ergebnisse in Abschätzungen darlegen (typisch – schlechtester − bester Fall)• Hilfsmittel verdeutlichen• Subjektive Wahrscheinlichkeiten quantifizieren

Aber:Rationalität der Entscheidung ist keine Garantie für den Erfolg einer Entscheidung !Man hofft jedoch auf einen durchschnittlich verbesserten Nutzen.

6.2 Modellbildung für rationale Entscheidungen:

Die Grundstruktur eines überschaubaren E.-Problems wird beschrieben durch:

• die Handlungsalternativen (Aktionen);• die Umwelteinflüsse (Zustände), also die relevanten Faktoren, die das Ergebnis der Aktionen beeinflussen, auf

die der Entscheider praktisch keinen Einfluß hat;• die Wirkungen (Ergebnisse) bzw. Konsequenz seiner Aktionen und der Umwelteinflüsse, welche nicht

notwendig immer direkt sichtbar sind;• Die Ziele des Entscheiders und seine Vorlieben/Abneigungen ("Präferenzen", Nutzen) gegenüber den

Konsequenzen.

Für gewöhnlich sind die möglichen Handlungsalternativen nicht vollständig bekannt. So können vieleHandlungsalternativen aus Stufen mit jeweils voneinander abhängigen Teilentscheidungen bestehen. In diesemSinne müssen wir die Aktionen als sich ausschließende Durchführungsanordnungen ansehen.

Die Umwelt und die nicht direkt beeinflußbaren Größen fasst man zu Situationen bzw. Zuständen zusammen:Zustandsbereich, Zustandsraum, Situationenraum, evtl. unendlich.

Die Umwelteinflüsse sind mit großen Ungewissheiten verknüpft, die die geplanten Wirkungen der eigenen Aktionenvollständig umkehren können. Geht es nicht um die Umwelt, sondern um andere rationale Entscheider, so sind wir imBereich der Spieltheorie.

Dabei gibt es drei charakteristische Fälle des Kentnisstandes (Informationsstand über die Umweltbedingungen)• ist lediglich bekannt (vermutet, unterstellt), daß einer der Zustände aus X eintreten wird, so spricht man von

einer Ungewissheitssituation.• sind subjektive oder objektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der verschiedenen Zustände aus X

bekannt, so liegt eine Risikosituation vor („Risk-Analysis“).• Den Extremfall, daß der wahre Umweltzustand bekannt ist, bezeichnet man als Sicherheitssituation

(„Nutzwertanalyse“).

Die Wirkungen und Ergebnisse des Handelns in der dann gültigen Umweltsituation soll in jedem Fall objektiv,personenunabhängig beschrieben sein. Die Menge der möglichen Handlungs- und Zustandskombinationen wird imSinne eines Raumes beschrieben. Wichtig ist dabei die Bewertung unter Berücksichtigung der gesetzten Ziele, die„Zielerreichung“. Das Ergebnis ist an allen Zielen des Betriebs zu messen: Gewinn, Rendite, Arbeitsplatzsicherheit,Shareholder-Value, Marktanteile ,...

Bei den Ergebnissen/Konsequenzen der Entscheidung muß man wieder obige drei Fälle unterscheiden:• Konsequenzen sind mit Sicherheit bekannt (Ergebnismatrix, s.u.).• Risiko bzgl der eintretenden Konsequenzen besteht dann, wenn die tatsächlich eintretenden Ergebnisse jeweils

nur stochastisch festgelegt sind. (z.B. Gewinnauswirkung einer preispolitsche Maßnahme bei bekanntenKonjunkturverlauf )

• sind die Konsequenzen selber ungewiß, ist also nur eine Menge potentiell möglicher Konsequenzenbeschrieben, so spricht man von Ungewißheit (bei den Konsequenzen). Die Ungewßheit bei den Konsequenzen

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[Entscheidungslehre.doc] S. 4 [22.01.2006]

ist oft nicht (sinnvoll) von der Ungewißheit bei den Umweltzuständen unterscheidbar. In der heute üblichenEntscheidungslehre wird die Ungewißheit nur summarisch gesehen (für Umweltsituationen und Konsequenzen)

Leider ist selbst diese Klassifizierung in der Praxis aufgrund des Informationsstandes nicht offensichtlich.Mischformen werden im Rahmen der Informationstheorie behandelt.Es ist eigentlich immer möglich, aus einer betrieblichen Ungewissheitssituation prinzipiell eine Risikosituation zumachen (gilt in Maßen auch für die Konsequenzen), indem man sich hinreichende Informationen beschafft (z.B.Marktforschung für Absatzprognosen). Dies ist natürlich bei wirklich völlig neuen Situationen (Schadensrisiko fürneuen Großraum-Jet) unmöglich.

Es bleibt die Frage, was diese Informationen „kosten“ dürfen. Der Preis (Wert) der vollständigen Information (EWVI,siehe unten) kann häufig abgeschätzt werden. Ich sehe darin ein wesentliches Ergebnis der Entscheidungslehre imBetrieb.

Zur Modellbildung fehlt nun noch die Angabe des Zielsystems (der Ziele/“Präferenzen“).Das ist sicher das schwierigste Kapitel der Entscheidungslehre. Wir denken hierbei an:• finanzielle Zielgrößen (Gewinn, Vermögen, Kosten)• nicht-finanzielle Zielgrößen (Marktanteil, Betriebsklima, Prestige)• Prioritäten und Unvergleichbarkeit von Zielen• Zielhierarchien/Kategorien

Häufig sind es viele und sogar teilweise widersprüchliche Ziele, die einen „fairen“ Ausgleich erfordern.

Ziele werden als Funktionen (Gewinn in Abh. vom Output, Gewinnmaximierung), häufiger jedoch als Relationen(Operation/Beschreibung wie z.B. ≤ mit reellen Zahlen oder Intervalle, Verteilungen) ausgedrückt.

Zielgrößen sind oft nicht direkt vergleichbar, z.B. als Vektoren (s.u.) ausgedrückt. Dann verwenden wir oft Präferenz-Relation, die uns für jedes Alternativenpaar berechnet, welche davon die günstigere ist (Wein besser als Bier, nichtjedoch beim Oktoberfest).Aber insbesondere bei nicht vergleichlichen Zielgrößen trägt dieses Konzept zur Klarheit bei: „ich bevorzuge einenum 0,5% erhöhten Marktanteil gegenüber einem um 30% verbessertes Betriebsklima“.„Grün steht mir besser als Blau, zu einem Weißen Hemd trage ich jedoch lieber eine blaue als eine grüne Krawatte“.Geldbeträge werden typischer Weise ebenfalls mittels einer (Äquivalenz-) Relation verglichen: 1 Mio im nächstenJahr ist mir gleich viel (mehr/weniger) wert wie 1,1 Mio nach dem zweiten Jahr (Barwertvergleich, Zeitpräferenz).Ein weiteres Beispiel, welches nur über eine Nutzenrelation verständlich wird:

1,5 Stunden Fahrtzeit bei einem Unfallrisiko von 1% pro Jahr ist mir lieber als2,5 Stunden Fahrtzeit bei einem Unfallrisiko von 0,1% pro Jahr.

(Risikopräferenzrelation)

Insbesondere bei nicht direkt vergleichbaren Größen (Nutzen gegen Aufwand z.B.) ist der Relationenbegriffsinnvoll, der jeweils Handlungsalternativen in ihrem Zielerreichungsgrad vergleicht:

• Ein Präferenzrelation (PR) sollte jede Kombination zweier Ergebnisse in all ihren Facetten vergleichen• Eine PR ist oft als Nutzenfunktion, also als Abbildung in die Reellen Zahlen IR zu verstehen. In IR hat man

immer eine Vergleichsmöglichkeit (und eine lineare Anordnung) durch die ≤-Relation.(s.u.)• Eine PR dient der Erstellung einer Rangliste , die jedoch immer noch gleichwertige (indifferente) Ergebnisse

beinhalten kann (s.u. 6.4.2).

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[Entscheidungslehre.doc] S. 5 [22.01.2006]

Aus oben gesagtem ergibt sich dieses Klassifiktionsschema für Entscheidungsmodelle:

Zahl der Ziele: ein (Primär-) Ziel mehrere ZieleInformationsstand desEntscheidungsträgers:

alles klar(Sicherheit)→herkömmlicheOptimierung

Risiko(Eintrittswahrscheinlichkeiten fürSituationen und Konsequenzen wie beivielen Spielen bekannt) → Bayes-Regeloder Bernoulli-Prinzip

Ungewißheit(Konsequenzen oderUmweltbedingungenunbekannt/unverstanden)→ Entscheidungstabellenund -regeln

Der nicht-beeinflußbareTeil desEntscheidungsfeldes :

ist die allgemeine Umwelt ist ebenfalls ein (rationaler) Entscheider(àSpieltheorie)

Entscheidungsträger : ist ein Individuum→ Nutzenfunktion, Nutzwertanalyse

ist eine Gruppe (→ Entscheidungsregeln fürGruppen, Goal-Programmierung)

die zu treffendenEntscheidungen :

sind einmalig oder statisch sind gestuft (Logik) oder dynamisch (zeitlichgestuft) àEntscheidungsbäume unddynamische Optimierung

Als allgemeine Hinweise zur Modellbildung kann ich geben:• Meine Hinweise zur (mathematischen) Modellbildung berücksichtigen!• Das richtige Problem lösen, evtl. "Teile und Herrsche" oder verallgemeinertes/übergeordnetes Problem lösen.• Information hinreichend beschaffen; insbesondere zu den Randbedingungen/den Umgebungseinflüssen.• Modelle iterativ/rekursiv verbessern, da alle Modellteile gegenseitig wechselwirken, z.B. die zunehmende

Kenntnis über Umwelteinflüsse aus der Untersuchung kann zu neuen Ideen für Handlungsalternativen führen;Ökonomie und Zeitrahmen aber streng beachten!

• Erwartungen möglichst objektivieren; Wahrnehmungsverzerrungen vermeiden!• Ziele und Vorlieben/Präferenzen klarstellen.• Entscheidungskriterien objektivieren, konsistent halten! (A besser B und B besser C, so muß man auch A besser

finden als C!)

6.3 Nutzwert-AnalyseEntscheiden bei Sicherheit und Zielkonflikten

Entscheidungssituationen mit Mehrfach-Zielen oder „Multiplen-Entscheidungskriterien“Z.B. Alle Testauswertungen in der Zeitschrift „Test“. Entscheidungsunterstützung ist hierbei entscheidend!

Schritt 1. Aufstellung aller relevanter unabhängiger Kriterien und (Teil-)Ziele. Man achte besonders auf dierichtigen Kategorien (Hierarchie-Ebenen), d.h. man vergleicht nicht Jona-Gold-Äpfel mit Gemüse, sondern nur Obstmit Gemüse oder gleichwertig im Detail. Wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht, wählt man möglichst die gleicheAnzahl Birnen- wie Apfelsorten.

Schritt 2: Festlegen der (Teilziel-) Bewertungen für jedes Kriterium. Was ist meßbar?

Schritt 3: Festlegen der Gewichtungen aller Kriterien. Es gibt nur die Gewichte 1 bis 10. Sind weniger als 10 Kriterienzu vergleichen, sollte man nach Möglichkeit kein Gewicht mehrfach verwenden.

Schritt 4. Verrechnung der Bewertungen in den Zahlenbereich 0 bis 10. Einige Beispiele finden Sie unten. Hierkönnen Präferenzen auf reelle Zahlen abgebildet werden, auch wenn sie qualitativen- oder „weniger ist mehr“-Charakter haben. „0“ ist sehr schlecht, „10“ bedeutet beste Auswahl.

Schritt 5: Zusammenfassung in eine Tabelle. Für jede Alternative gibt es drei Spalten. Jedes Kriterium bestimmt eineZeile.

Schritt 6: In der dritten Spalter jeder Alternative gewichtet man alle zahlenmäßige Bewertungen (0..10) multiplikativ.

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[Entscheidungslehre.doc] S. 6 [22.01.2006]

Schritt 7: Die gewichteten Bewertungen werden für jede Alternative aufsummiert. Das höchst Endergebnis gehört zurbesten Wahl. (Leider gilt die so unterstellte Linearität für manche Probleme in der Praxis nicht !)

Schritt 8: Weitergehende Auswertungen durch Vergleich mit einem Ideal, Parameter-Variationen, Bestimmung dermaximalen Punktzahl, Pareto-Analyse (was gibt den Ausschlag für die Entscheidung)...

Achtung: spezielle „Entscheidungstabellen“. Alternativen spaltenweise. Kriterien/Teilziele in Zeilen!

Software wie „CDP“ und „AHP“ kann sehr dienlich sein für die Erstellung sinnvoller Ziel-/Kriteriengewichte.

Beispiel: Fahrt zur Arbeit mit ÖPNV oder Privat PKW?

Man wird sich unter diesen Voraussetzungen für die Bahn (ÖPNV) entscheiden (87% Zielerreichung).Die maximale Punktzahl, die aufgrund der Bewertungsformeln und der Gewichte erreichbar ist beträgt 228 Pkte. Einesehr gute (realistisch ideale Option würde 140 Punkte bringen)

Die Ideal-Alternative ist wichtig, damit man evtl. die Suche nach einer Alternative abbrechen kann, wenn alle keinenausreichenden Zielerreichungsgrad ergeben!

Ganz wesentlich zum Gelingen der Nutzwertanalyse ist die Wahl einer geeigneter „Nutzenfunktionen“. Im obigenBeispiel wurden z.B. Kosten oder Komfort in eine „universelle Einheit“ den Nutzen umgerechnet mittels einfacherlinearer Transformationen oder als diskrete Umrechnungstabelle (++ =̂ 10). s.u. „Nutzenfunktion“!

Entscheidungstabelle Nutzwertanalyse, klassisch

Bahn Auto IdealKrierium Gewicht Formel für

BewertungBewertung

(0-10)gewichtet Bew: gew. gew.

Kosten, p.m. 8 =(600-x)/60 200 € 6,67 53 350 € 4,17 33 200 € 53Komfort 3 =(4-x)*2 1-te

Klasse6 18 3-te

Klasse2 6 1-te

Klasse18

Zeitaufwand 7 =(3-x)*10/3 1,8 h 4 28 1,0 h 6,67 47 1,0 h 47Ökologie 2 = (x="++";10)

(x="+";7) (x="-";3) (x="--";0)sonst 5

+ 7 14 -- 0 0 + 14

SummeÜbriges, z.B.Unfallrisiko,Zuverlässigkeit etc.

4 =x 2 2 8 1 1 4 2 8

Gesamtnutzen : 121 90 140Relativ zum Ideal : 87% 64% 100%

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[Entscheidungslehre.doc] S. 7 [22.01.2006]

Für den Entwurf, die Hierarchie und die Gewichtung der Zielkriterien verwendet man graphische Methoden wie„Mindmap“ Wirkungsgraphen:

Mindmaps, Brainstorm-Ergebnisse o.ä., z.B. in den genannten Programmen, insbesondere CPL.

6.4 Entscheidungstabellen :Ein Ziel, jedoch viele mögliche Situationen und Ergebnisse

Im „einfachsten“ Fall (ein Ziel, Sicherheit der Umstände und Ergebnisse) kann man sich den Überblick über dieZusammenhänge der Entscheidungsalternativen und Ergebnisse in Form einer Grafik einfach veranschaulichen undmittels einfacher Differentialrechnung („Extremwertsuche“) optimale Lösungen berechnen ; z.B. Entscheidung überdie Produktionsmenge bei bekannten Kosten, Preisen und Absatz.

6.4.1 Entscheiden bei voller Information aber Ungewissheit über tatsächlich eintretendeSituation

Entscheidungstabellen sind für drei Fälle sinnvoll:1. Überblick über alle möglichen Reaktionen und Zusammenhänge (beschreibend: „Was tun wenn“)2. Ein Ziel, ein bekannter Zustand, mehrere mögliche Konsequenzen mit oder ohne Stochastik3. Ein Ziel, mehrere mögliche Zustände (mit oder ohne Stochastik) und jeweils bekannte Konsequenzen

(siehe 6.4.2 „ohne“ und 6.4.3 „mit“ Risiko)

1. wird hier nicht behandelt à Konstruktionssystematik z.B. Der Begriff der Entscheidungstabelle wird teilweise auchverwendet, um darzustellen, welche Entscheidungen bei welchen auftretenden Zuständen möglich/optimal sind.

Aktionen:Situationen:

Regenschirm mitnehmen Regenschirm daheimlassen

Zuhause bleiben

Wetter ist schön XHimmel istleicht/zunehmend bewölkt

X ? X ?

es regnet Xes schneit und hagelt X

Sei A : die Menge der möglichen Aktionen/Handlungsalternativen. A:={a1 ... an} disjunkt (!), evtlunbeschränkt.

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 8 [22.01.2006]

Sei X : die Menge der Zustände/Situationen, die für das Ergebnis der Entscheidung wesentlich sind, aber nicht

von den Handlungsalternativen direkt abhängig sind. : X := {s1 ... sm} disjunkt und evtl. unbeschränkt vieleElemente.

Beispiel: A : Alternative Produktionsmengen für das nächste QuartalX : der sich einstellende Absatz (abhängig von der Konjunktur).

Modellierung der Handlungskonsequenzen; Ergebnisfunktion e

Der Paarung (ai, sj) ∈A×X weisen wir einen Effekt, ein Ergebnis zu : (ai, sj) à eij (effect, event).Die Ergebnisse sollen objektiv, personenunabhängig beschrieben sein. Ihnen wird ein unterschiedlicher Nutzenoder Wert (utility, usability, manchmal einfach nur die Universaleinheit „Geldnutzen“) zugesprochen, der eine„Wertung“ der Ergebnisse ermöglicht :

z.B. a1 ↔ Output 1000 mit Produktionskosten = 10000,-

s3 ↔ Absatz 500 mit Erlös 500*18

(a1, s3) = e13 ↔ Gewinn = Erlös – Kosten = −1000 (Verlust)

Nur im Fall der Sicherheit über die tatsächlich eintretenden Konsequenzen von (a i, s j) kann man das Ergebnistabellarisch zusammenfassen:Ergebnismatrix: (Konsequenzen sind mit Sicherheit in jedem Fall bekannt)

(der sich einstellende Zustand ist bekannt, die Konsequenzen sind jedoch mit Risiko behaftet)Konsequenzen

k1 k2 ... km

Wahrscheinlichkeiten: p1 p2 ... pm

a1 e11 e12 ... e1m

Aktionen...

an en1 en2 ... enm

Sind mehrere Ziele festgelegt, so hat man für jedes dieser Ziele eine Entscheidungs-Matrix, die man jedoch häufigineinander notiert.Insbesondere für die Verrechnung verschiedener Ziele zu einer Nutzengröße (z.B. „Wert“ des Unternehmens, oderpersönlicher „Nutzen“ im privaten Bereich), strebt man eine Tabelle an, die alle verschiedenen Perspektiven/Zielezusammenfaßt:

Zustände

s1 s2 ... sm

a1 e11 e12 ... e1m

Aktionen...

an en1 en2 ... enm

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 9 [22.01.2006]

Entscheidungsmatrix/-tabelle: Es wird die Wirkung, der Nutzen (u ↔Utility) der Ergebnisse bewertet:

z.B. uij = f(ai,sj,e(1)

ij,e(2)

ij,...), siehe 6.3, Nutzwert-Analyse

z.B. wie oben a2 ↔ Output 400 mit Produktionskosten 400*10 = 4000,-

s3 ↔ Absatz 500 wäre möglich gewesen, tatsächlich aber wegen Ausverkauf nur Erlös 400*18

(a2, s3) = e23 ↔ Gewinn = Erlös – Kosten = 3200 (Gewinn)aber 100 enttäuschte Abnehmer à Verlust des Marktanteils , den man z.B. mit Strafkosten (auchOpportunitätskosten für entgangene Gewinne) bewerten kann:

u23 = e23 – Strafkosten (als Funktion der enttäuschten Abnehmer)

Nur durch eine adäquate Nutzenmessung kann man rationale menschliche Entscheidungen richtig beschreiben(s.u.Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Nutzenfunktion).

Die Nutzenfunktion kann je nach Anwendungsfall die Ergebnisse• mehrere Zielkriterien je Ereignis• mehrere Entscheidermeinungen je Ereignis• mehrere Zeithorizonte (Kapitalwertmethode à Bartwert)• die Nutzenbewertung der Zielgröße selber (z.B. zur Verrechnung von Steuereffekten)

zu einer Zahl zusammenfassen (–>).

Das formale Prinzip der Entscheidungstabellen läßt sich auch auf verschiedene Entscheidungsträger oderZielzeitpunkte u.a. übertragen.

6.4.2 Wie kann man die Alternativen miteinander vergleichen?Die Ergebnisse für jede Alternative stehen in einer Zeile: Wir vergleichen also Zeilenvektoren. Vektoren kann manaber nicht (unmittelbar) miteinander vergleichen (<, =, >). Bei der Nutzwertanalyse erfolgt eine gleichförmigeBewertung und Gewichtung in Form eines vektoriellen „Skalarproduktes“.

Es gibt jedoch allgemeine Entscheidungs-Prinzipien / Sonderfälle:Aus dieser E.Tab. (größere Werte bedeuten einen Vorteil) kann man einige offensichtlich schlechte Alternativensofort (als dominiert) streichen:

s1 s2 s3 s4 s5

a1 13 -3 6 -2 5

a2 2 11 -4 9 3 alle Einträge der nächsten Zeile sind ≥

a3 2 12 -4 10 3

a4 10 5 5 -7 11

a5 10 4 5 -8 10 alle Einträge der vorherigen Zeile sind ≥

Zustände oder Konsequenzen

s1 s2 ... sm

a1 u11 u12 ... u1m

Aktionen...

an un1 un2 ... unm

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Dominanzprinzip:

Unter der Voraussetzung, daß ein hoher Ergebniswert gewünscht ist, ist a5 sicher dominiert durch a4, da a4 in allen

Situationen besser oder gleichwertig mit a5 ist. Für a2 und a3 gilt gleiches.Die Menge der nicht-dominierten Alternativen nennt man die effizienten Lösungen.

Hier: {a1, a3, a4}sind effizient, {a2, a5} ineffizient.

Die Präferenzrelationen „ p “ :Sie sind ein Ersatz für die nicht-vorhandene Relation „≤“ zwischen Vektoren! Es gibt beliebig viele Modelle:

1. Gewichtungen der einzelnen Spalten und Summe über alle gewichteten Einzelbewertungen jederAlternative (in einer Zeile) à Nutzwertanalyse (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.)

2. Maximum, Minimum, Summe oder Mittelwert aller Bewertungen in jeder Zeile3. Vektorbetrag (evtl auch mit Gewichtung)4. o.ä.

Der übliche Trick besteht also darin, jeder Alternative (Zeilenvektor) eine einzige Zahl als Bewertung zuzuordnen:

ai à Φ(ai) ∈ IR die Bewertungsfunktion Φ

Präferenzrelation ausgedrückt durch eine Bewertungsfunktion Φ :

ak ist günstiger als ai ó ai ist ungünstiger als ak ó ai p ak ó Φ(ai) ≤ Φ(ak)

Selbstverständlich muß die Definition von Φ() so sein, daß alle Alternativen damit bewertbar sind und die Ergebnissemit dem obigen Dominanzprinzip verträglich (konsistent) sind .Weiter unten bei der Nutzenfunktion wird dieses Thema noch vertieft.

Einige Präferenzrelationen (Vergleichs-Regeln) sind:(uik sind die Einträge der Zeile i in der Entscheidungstabelle)

• Minimax-Regel: Die Pessimisten-Regel, die den geringsten Verlust anstrebt/mit sich bringt:

Bewertung von ai : Φ(ai) := min{uik | k=1,...}

Man wird demzufolge die Alternative mit der maximalen Bewertung wählen:

wähle ai, wenn Φ(ai) = max{Φ(ah) | h=1,...}Daher erklärt sich der Name der Regel.

• Maximax-Regel: Die Optimisten-Regel, die den maximal möglichen Gewinn anstrebt :

Bewertung von ai : Φ(ai) := max{uik | k=1,...}

• Hurwicz-Prinzip: (gemischte Regel)Sei der Optimismusparameter λ∈[0,1] gegeben.

Bewertung von ai : Φ(ai) := (1-λ)⋅min{uik | k=1,...}+ λ⋅ max{uik | k=1,...}

• Laplace-Regel: entsprechend Bayes-Regel (s.u.) unter Gleichverteilung.

Bewertung von ai : Φ(ai) := ∑k

uik .

• Risiko-Regel: Die Regel, die die maximal Spannweite (Risiko) bewertet :

Bewertung von ai : Φ(ai) := max{|uik - uit| für k,t =1,...}

• Zielerreichungsgrad-Regel: Die Regel, die die maximale relative Abweichung vom optimalen Ziel bewertet :

Bewertung von ai : Φ(ai) := min{ uik

max{upk | p=1,...} für k=1,...}

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[Entscheidungslehre.doc] S. 11 [22.01.2006]

Man wende nun alle Regeln auf das folgende Beispiel an:s j s1 s2 s3 s4 s5 Minimax Maximax Hurwicz

λ = ¼Hurwicz

λ = ¾Laplace Risiko Zielerr.

grad

a1 11 -3 6 -2 5 -3 11 0,5 7,5 17 14 -25%

a2 2 11 -4 9 3 -4 11 -0,25 7,25 21 15 -67%

a3 2 12 -4 10 3 -4 12 0,0 8 23 16 -67%

a4 10 5 5 -7 11 -7 11 -2,5 6,5 24 18 -70%

a5 10 4 5 -8 10 -8 10 -3,5 5,5 21 18 -80%

ausgewählte Alternative : a1 a3 Für λ < ½ immer a1

für λ > ½ immer a3.

a4 a4, a5 a1

Für jede effiziente Alternative gibt es also eine Bewertungsfunktion, die sie als beste aussehen läßt(„Schulnotendilemma“).

6.4.3 Entscheidungstabellen und Bewertungen bei Risikosituationen

Für jeden Zustand s i wird die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens p i beschrieben. Die Aufzählung muß vollständig

und nicht-überschneidend (disjunkt bzw. wahrscheinlichkeitstheoretisch unabhängig) sein, d.h. die Summe der p imuß 1 ergeben!Entscheidungsmatrix mit Wahrscheinlichkeitsverteilung:

Die Zustände sollten eine vollständige Auflistung der möglichen Umgebungsbedingungen darstellen. Alle s i müssenstochastisch unabhängig sein.

Das Beispiel „Risiko-Spiel“ sieht so aus:

Zustände/Konsequenzen

s1 s2 ... sm

Wahrscheinlichkeiten

p1 p2 ... pm

a1 u11 u12 ... u1m

Aktionen...

an un1 un2 ... unm

Zustand : Erfolg Niete

Wahrscheinlichkeit : p1=0,5 p2=0,5

Aktion „Sicherheit“ 4000 4000

Aktion „Risiko“ 10000 0

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[Entscheidungslehre.doc] S. 12 [22.01.2006]

Bei Wahrscheinlichkeitsverteilungen gibt es mehrere Maße, also Kondensationen auf reelle Zahlen, die dieVerteilung ausreichend beschreiben. So reicht es für viele Zwecke aus, den Erwartungswert EW heranzuziehen:

EW(Z) := ∑j

pj ⋅zj (gewichtete Summe)

mit ∑j

pj = 1 (im endlichen Fall)

wenn zi die Zustände der Zufallsvariablen Z mit den Auftretenshäufigkeiten p i sind, .

• Die sogenannte Bayes-Regel für die Bewertung von Aktionen bei gegebener Verteilungscharakteristik derUmgebungszustände lautet („Ergebniserwartung“):

Gesamtnutzen-Erwartung der Aktion ai : Φ(ai) := ∑k

eik⋅pk .

Der Vergleich von Aktionsalternativen erfolgt dann durch Vergleich dieser reellen Zahlen:Entscheidung mit einem Ziel und Ungewißheit/Risiko:

Seien s1,...,sm potentiell mögliche Umweltzustände, für die wir Apriori-Wahrscheinlichkeitenkennen: p(s1),...,p(sm).a1,...,an seien die Handlungsalternativen.

Mit dem Erwartungswert gemäß Bayes-Regel kann man die beste Entscheidungs-Alternative ohneweitere Informationen zur Realisierung der Umweltzustände bestimmen durch Vergleich dieserErwartungen:

EW(ai) := ∑k=1

m

eik⋅p(sk) (i=1,...,n)

Das Bernoulli-Prinzip gewichtet statt der Ergebnisse (Auszahlungen) die Nutzen:

Φ(ai) := EW(u(ai)) := ∑k=1

m

uik⋅p(sk) „Nutzenerwartung“

wenn u ik=u(e(a i,sk)) den Nutzen (bewerteten Ergebnisse, s.u.) beim Zusammentreffen von ai und skwiederspiegelt.

Vergleich zweier Alternativen:

ai p aj ó ∑k

uik⋅p(sk) ≤ ∑k

ujk⋅p(sk)

Die beste Alternative ist also die mit der größten Bewertung (EW → Max!). Auch wenn Alternativen sich nicht immervollständig miteinander vergleichen lassen, so können die abgeleiteten Erwartungswerte immer verglichen werden,da sie reelle Zahlen sind.

• Hodges-Lehmann-Prinzip: (gemischt aus Minimax- und Bayes-Regel)Sei der Vertrauensparameter λ∈[0,1] gegeben:

Bewertung von ai : Φ(ai) := (1-λ)⋅min{uik | k=1,...}+ λ⋅∑k

uik⋅p(sk)

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Für Risikoabschätzungen wird häufig nicht der Absolutwert der Erwartung (Lageparameter) sondern vielmehr dieStreuung (s: "Standardabweichung") der Zufallsvariablen bzw. ihre Variation (v: "Varianz") herangezogen:

Varianz der Aktion Zufallsvariablen Z:

v := s2

:= 1m

⋅∑k=1

m

( )zk - EW(Z)2

bei einfachen Zufallsereignissen,.

bzw. V(ai) = ∑k=1

m

p(sk)⋅( )uik – EW(ai)2

bei bekannten Wahrscheinlichkeiten p(sk).

Eine große Varianz korrespondiert hier mit einem großen Risiko, den Erwartungswert zu verfehlen. Ich würde kleinereVarianzen bevorzugen, da sie geringeres Streuungsrisiko bedeuten. Erst zusammen mit dem Mittel-/ Erwartungswertergibt sich so eine geeignete Bewertungsfunktion:

• z.B. Φ(ai) := EW(ai) - α⋅(V(ai))2

„Risikomaß“, α: individueller Parameter

Man findet solche Ansätze insbesondere bei der technischen Aktienanalyse/Portfolio-Zusammenstellung.

Im Beispiel („Risiko“) erhält man folgende Bewertungen:

EW(a1) = 0.5* 4000 + 0.5*4000 = 4000

EW(a2) = 0.5*10000 + 0.5* 0 = 5000

v(a1) = 0.5*( 4000-4000)2 + 0.5* (4000-4000)2 = 0

v(a2) = 0.5*(10000-5000)2 + 0.5* ( 0-5000)2 = 50002

Dies zeigt, daß zwar der Erwartungswert der zweiten Alternative höher ist als der der ersten, daß aber auch dasRisiko (hier in einem betriebswirtschaftlichen Sinne) der zweiten Alternative höher ist.

Beispiel, fiktiv:

Nach Bayes ist a2 vorzuziehen, jedoch weist a2 auch das höchste Risiko (maximale Streuung) auf. Evtl. würde man

sich daher lieber für a3 entscheiden.

6.4.4 Wert der InformationWir haben eine Informationsquelle, die wir zu gegebenen Kosten nutzen können.Welches ist der höchste Nutzen, den man aus vollkommener Information ziehen könnte?

s j s1 s2 s3 s4 s5 EW(ai) V(ai)

pj 0.2 0.4 0.2 0.1 0.1 ∑k

uik⋅p(sk) ∑k

(uik-EW(ai))2

⋅p(sk)

a1 11 -3 6 -2 5 2.5 31,65

a2 2 12 -4 10 3 5.7 50,25

a3 10 5 5 -7 11 5.4 31,25

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Dazu ordnet man jeder Realisierung s j eine optimale Alternative d(s j) zu. Entsprechend den Realisierungs-Wahrscheinlichkeiten p(s j) muß man dann die Erwartung dieser optimalen Strategie d() berechnen:

EW(d()) = ∑k

u(d(sk);sk)⋅p(sk) u(a i;sk) ist der Ergebniswert „-nutzen“ u ik .

Erwartungswert bei vollkommener Information „EWVI“ .

Für das fiktive Beispiel gilt:

Damit ist der Erwartungswert bei vollkommener Information:EW(opt.vollst.Info)=11*0,2+12*0,4+6*0,2+10*0,1+11*0,1=10,3

Es lohnt sich also (zumindest für Menschen, die der Wahrscheinlichkeitsrechnung vertrauen), bis zu 4,6Nutzeneinheiten (10,3-5,7) für die perfekte Informationsquelle zu bezahlen. Der ungünstigste Ausgang wäre dann,

daß s3 vorausgesagt wird und wir mit Alternative a1 reagieren müssen.. Damit würde sich der Gewinn auf 1,4 (=6-4,6)reduzieren.

Dieser sogenannte EWVI wird uns bei den Entscheidungsbäumen wiederbegegnen (6.6.2 Beispiel 2).Dort bemessen wir auch den Wert unvollständiger Information!

6.5 Die NutzenfunktionEinbindung persönliche Einstellungen in rationale Entscheidungen?

(ausführliche Diskussion dazu u.a. in Bamberg/Coenenberg: Betriebswirtschaftliche Entsch.-Lehre, Verlag Vahlen,1994)

Die Ergebnisse unseres Handelns und der nicht von uns beeinflußbaren Umgebungsbedingungen müssenvergleichbar bewertet werden, ansonsten können wir keine bestmögliche Aktion/Handlungsalternative im Sinne einerOptimierung wählen.

Einfach sind Preis, Kosten, Gewinn, Deckungsbeitrag etc. vergleichbar, da es sich dabei schon um reelle Zahlenentlang des Zahlenstrahls IR handelt. Im allgemeinen kann der Nutzen jedoch nicht so einfach quantifiziert werden(privat: Gefühl, Geschmack, Sympathie bzw. personelle-, organisatorische-, finanzielle- und rechtliche Konsequenzenim Geschäft). Ich weiß häufig nur, daß ich eines dem anderen vorziehen möchte ("präferieren") im paarweisenVergleich. Es gibt ein Verfahren (Thomas L. Saaty, 1970), welches aus der vollständigen Auskunft über allemöglichen Paar-Vergleiche eine eindeutige Wichtung aller Alternativen berechnet.

Selbst der Nutzen von Geld ist für uns hochgradig nichtlinear, siehe Beispiel "Risiko-Spiel" !!

Für den Entscheider ist daher die Erzeugung eines konsistenten Wirkungsmodells erforderlich, welches aus derKombination der Entscheidungsvariablen (Aktionen) und der Zustandsvariablen (inkl.Wahrscheinlichkeitsverteilungen etc.) die Konsequenzen, also die quantifizierten Ergebnisse berechnet.

Beispiel:

Gewinn Gs nach Steuern ergibt sich aus Preis p (Entscheidungsvariable), der von p abhängigen Verkaufsmenge m(p),Einkaufspreis k, Steuersatz s und Wechselkurs w:

Gs(p) = (1– s)⋅m(p)⋅(p⋅w – k) (eine Konsequenz der Entscheidung für „p“)

wenn die Zustandsgrößen (m,k,s,w) sind. Die Berechnung der Auswirkungen kann viel komplizierter sein und auchUnbestimmtheiten beinhalten.

Zustand tritt ein s1 s2 s3 s4 s5

optimale Entscheidung a1 a2 a1 a2 a3

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[Entscheidungslehre.doc] S. 15 [22.01.2006]

Erst aufgrund des Wirkungsmodells können die Ziele festgelegt und Präferenzen quantifiziert und verglichen werden(hier die Gewinnhöhe).

Nutzenfunktion:

Funktion, die den individuellen Nutzwert der möglichen Ergebnisse/Ereignisse einerEntscheidungssituation bestimmt.

Die Nutzenfunktion ist eine Abbildung der Ergebnisse in die reellen Zahlen: u: eij –> IR .

Nicht verwechseln mit der „Bewertungsfunktion“, die sich auf Alternativen bezieht !

Unterscheidung: Bewertungsfunktion : zum Vergleich der Alternativen ↔ Entscheidungsregel Nutzenfunktion : zur Bewertung der Konsequenzen von möglichen Ergebnissen ↔ Risikobewertung

Bezogen auf obige Nutzwertanalyse ist die Nutzenfunktion die individuelle Formel für die Punktbewertung einesMerkmals wie z.B. „++“. Die Bewertungsfunktion der Alternativen ist dann das gewichtete Mittel derEinzelbewertungen (inkl. der Gewichtungsfaktoren!).

Der Begriff des Nutzwertes von Geld wurde von D.Bernoulli im frühen 18.Jahrhundert eingeführt (als Logarithmusder Auszahlung: der Grenznutzen ist abnehmend). Damit kann die individuelle Vorliebe/Abneigung gegenüberbekannten Konsequenzen mathematisiert werden.

Die Optimierung trachtet danach, eine Aktion/Strategie zu finden, die den Nutzen bzw. die zu erwartende Wirkungmaximiert (Kosten minimiert).

Im allgemeinen ist es schwer, eine rationale Quantifizierung für das zunächst nicht zahlenmäßig spezifizierte Ergebnisoder einen nur qualitativ gegebenen Nutzen (hoch oder gering) zu erstellen. Es gibt dafür auch bei endlichen undunendlichen (überabzählbaren) Ergebnismengen grundlegende Axiome, die für solch eine Nutzenfunktionhinreichend sind. Dies geht aber über den Rahmen dieser Vorlesung hinaus.

Im endlichen Fall (damit ist auch der abzählbare, also IN-ähnliche Fall) und im linear endlich-dimensionalen Fall isteine Nutzenfunktion fast immer als reelles Funktional, also als Abbildung einer endlichen Menge oder eines endlich-dimensionalen Vektorraums in IR, möglich.

Es gilt folgender Satz (ohne Details) :

Eine Präferenz "p", die auf einer höchstens abzählbaren Mengevollständig (jedes beliebige Paar läßt sich vergleichen) undtransitiv (apb und bpc ⇒ apc) ist,

kann durch eine„Wertfunktion“ in IR abgebildet werden.apb ⇔ W(a) ≤ W(b).

Die Wertefunktion kann übrigens streng monoton transformiert werden und stellt dann immer noch die gleichePräferenzrelation dar (z.B. statt W kann man log(W) oder 3⋅W-27 verwenden).

Ähnliches gilt für meßbare Präferenzen ( ↔ „kardinale Nutzenfunktion“), bei denen nicht nur die Reihenfolgesondern auch noch die Stärke der Vorlieben bzw. ein Abstandsgewicht festgelegt ist. Man vergleicht dafürÜbergänge zwischen Alternativen:

a→b p c→d ⇔ u(b)-u(a) ≤ u(d)-u(c).

Nach Bamberg/Coenenberg sind kardinale Nutzenfkt. besonders wichtig, da sie bis auf eine wachsende (affine)Transformation eindeutig bestimmt sind, denken Sie z.B. an die Unabhängigkeit von der verwendeten Währung !

Hält man zwei Ereignisse/Ergebnisse für gleichwertig, so ist der Nutzwert gleich:

Gilt sowohl a p b als auch b p a , so ist der Entscheider bezüglich dieser Ergebnisse indifferent: a ~ b .Die Wertfunktion spiegelt dies wieder: a ~ b ⇔ W(a) = W(b)

Insbesondere hinsichtlich der Ungewißheit von maßgebenden Zuständen erweist sich das Modell derNutzenfunktion als geeignet, ein realistisches Entscheidungsverhalten unter Einschluß einer Risikoeinstellungabzubilden!

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 16 [22.01.2006]

Am Beispiel „Risiko-Spiel“ sahen wir durch Studentenbefragung in der Vorlesung, daß der Vergleich ungewisserErgebnisse von der Auszahlung/den Kosten abhängt. Setzt man den Wert der Lotterie immer als (0, 2.5*Gs) (fürbeide möglichen Lotterieergebnisse) und mit dem sicheren Gewinn Gs an, so zeigte die Befragung folgendesRisikoverhalten:

Jemand, der das Risiko scheut, wird insbesondere bei hohen Beträgen einen sicheren Gewinn vorziehen.Risikofreudige Menschen werden sich selbst bei einem höheren sicheren Gewinn für den höchsten erreichbarenGewinn interessieren. Die Nutzenfunktion kann im ersten Fall also konkav geformt sein (monoton steigend jedoch

nach oben gewölbt, linkes Bild; höherer Gewinn ⇔ geringerer relativer Nutzen, us>uR/2) während die risiko-freudigere Nutzenfunktion konvex, nach unten gewölbt, ist (monoton wachsend und progressiv, rechtes Bild;

höherer Gewinn ⇔ höherer relativer Nutzen; us < uR/2).

Gr ist der Höchstgewinn (hier z.B. =2.5*Gs), uR/2 der erwartete Nutzen der Lotterie

Gs ist der sichere Gewinn, us der damit verbundene Nutzen.

Als Erwartungswert der Lotterie erhält man 0.5*(0+Gr)= Gr/2. Dieser Wert unterscheidet sich bei fast allen Menschen

vom erwarteten Nutzen uR/2 !

Leider (jedenfalls bei dieser Nutzenfunktion hier) bekommt man diesen Wert ja nie ausgezahlt. Man erhält einen

Nutzen 0 oder uR mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit: 0.5*uR ist die richtige Nutzen-Erwartung nachBernoulli.

SÄ : Das Sicherheitsäquivalent ist der Geldgewinn, der diesem Nutzen entspricht.

u(SÄ) = EW(Nutzen(Lotterie)) hier : u(SÄ) = 0.5⋅u(Gr) + 0.5*u(0) bzw. SÄ = u-1

(0.5⋅uR)

Solange Gs >= SÄ (bzw. us ≥ uR/2) ist, kann man getrost (rational via Nutzenfunktion) den bekannten sicherenGewinn Gs wählen.Ist allerdings Gs < SÄ, so legt einem (die individuelle) Nutzenfunktion nahe, das Risiko der Lotterie einzugehen.

Sicherer Gewinn 400 4000 40000

Risiko-Alternative Wählen? Ja!! Ja Nein!

u

Gewinn0.5*Gr GrSÄ

0.5*uR

uR

Gs

us

risikofreudiger Entscheideru

Gewinn0.5*Gr GrSÄ

0.5*uR

uR

Gs

us

risikoaversiver Entscheider

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 17 [22.01.2006]

Die degressiv steigende Nutzenfunktion ist konkav, also Risiko-aversiv. Der Grenznutzen des Gewinns ist fallend.

SÄ < 0.5*Gr ⇔ Risiko-aversive Nutzenfunktion

SÄ > 0.5*Gr .⇔ Risiko-freudige Nutzenfunktion

RP := 0.5*Gr - SÄ : Risikoprämie

Wenn man nur die Auszahlungen betrachtet, ist ein Verhalten, wie in der Vorlesung beobachtet, nicht zu modellieren.Mit Hilfe einer Nutzenfunktion gelingt dies sehr gut, s.u.

Die Risikoprämie RP quantifiziert den Wert des Risikos, welches man bei der Lotterie (riskante Alternative) eingeht.

Zum Vergleich verschiedener Nutzenfunktionen verwendet man häufig eine Normierung der Funktionswerte auf denBereich [0,1].

Es hat sich gezeigt, daß sich für die meisten praktischen Belange hinreichende Nutzenfunktionen in fester Form miteinem freien Parameter „c“ entsprechend der Risikoeinstellung schreiben lassen:

u(x) = α + β*e-cx

Nutzenfunktion

α und β≠0 dienen nur der Normalisierung auf das Intervall [0,1] für x∈[a,b].

Für den Risikoparameter „c“ gilt folgende Einteilung: risikoscheu c>0, risikofreudig: c<0.

Das Programm DPL verwendet zur besseren Verständlichkeit eine Nutzenfunktion x → – e-x/r

mit demRisikotoleranzparameter „r“. Der Benutzer gibt den Grenzwert „r“ an, bei dem er an einer Lotterie mit Gewinn „r“und Verlust -r/2 (beide mit gleicher Eintrittswahrscheinlichkeit) gerade nicht mehr teilnehmen würde. DieseNutzenfunktion ist demnach immer risikoaversiv.

Im Buch von Bamberg/Coenenberg wird beschrieben, wie sich eine Nutzenfunktion empirisch durchBenutzersbefragung zum SÄ für obige Lotterie mit veränderlichen Gewinnwahrscheinlichkeiten bestimmen läßt.

Diese und andere bekannte Modellierungen der Nutzenfunktion haben jedoch auch Mängel und können dasmenschliche Verhalten nicht immer optimal abbilden, siehe auch Eisenführ/Weber.

Beispielhaft seien hier drei verschiedene Nutzenfunktionen im Vergleich dargestellt:

Stets ist u(0)=0, u(35,606 TGE) ≈ 1.

Bei c=0,3 gilt: u(x)=α*(1-e-cx

) mit α=1,00002296

und bei c=0,01 u(x)=α*(1-e-cx

) mit α=3,3381und bei c=-0,03 “ “ α= -0,52353874 (Risiko-freudig)

Nutzen in TGE (1000 GE):

Risiko Parameter= c=0,01 c=0,3

us=u(400)= 0,01332569 0,11308216

uR=u(1000)= 0,03321455 0,25918773

uR/2=0,5*u(1000)= 0,01660727 0,12959386

us=u(4000)= 0,13088974 0,69882183

uR=u(10000)= 0,31766455 0,95023475

uR/2=0,5*u(10000)= 0,15883228 0,47511737

us=u(40000)= 1,10050125

uR=u(100000)= 2,11007512

uR/2=0,5*u(100000)= 1,05503756

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

0 2 4 6 8 10

c=0,01

c=0,30

TGE

schlechter

besser

besser

schlechter

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[Entscheidungslehre.doc] S. 18 [22.01.2006]

Es ist zu beachten, daß für jedes c ab einem gewissen Wert von Gs die Entscheidung zugunsten der sicheren

Auszahlung umschlägt (weil dann us ≥ uR/2)

Bei einem sicheren Gewinn von 400 GE ist die Nutzen-Erwartungs (0,5*uR) der Risiko-Alternative in beiden Fällenhöher als die sichere Auszahlung.Beim sicheren Gewinn von 4000 GE gilt dies immer noch für c=0,01. Die Risiko-scheue Variante mit c=0,3 zeigt jedoch

bei der riskannten Alternative eine deutlich geringere Nutzen-Erwartung (uR/2=0,475) als die sichere Alternative

(us=0,699).Die Nutzenfunktion mit c=0,01 produziert dieses Risiko-vermeidende Verhalten erst bei der sicheren Erwartung 40000GE. Das Sicherheitsäquivalent ist entsprechend höher,.

Das Sicherheitsäquivalent für die (0; 10000)-Lotterie (d.h. Gr=10000) lautet abhängig von der Risikoeinstellung c:

Ein besonders risikofreudige Mensch mit c=-0,03 würde also sogar einen sicheren Gewinn von 5381 opfern, währendein Hasenfuß (c=0,3) bereits bei einem sicheren Gewinn von 2145 DM die Lotterie als zu riskant ablehnte.

Aufgabe: Verwenden Sie eine Nutzenfunktion mit c=0.02 für das Beispiel „Risiko“, wobei Sie die Geldeinheit TGEverwenden. Wie lauten die Normalisierungsfaktoren? Wenn Sie wissen, welcher sichere Gewinn Ihnen mit derLotterie (0; 10) gleichwertig („indifferent“) ist, können Sie daraus Ihr persönliches c bestimmen! Vergleichen Sie danndie Spiele mit Auszahlungen (0; 1) und (0; 100).

Indifferenzwert: Das ist der sichere Gewinn, bei dem die Entscheidung zwischen der riskanten und der sicherenAlternative gleichwertig („indifferent“) ist. Bei konvexen oder konkanven Nutzenfunktionen gibt es genau einen

Indifferenzwert beim Übergang us=uR/2.

c = -0,03 0,01 0,3

SÄ = u-1

(0.5*u(10000)) 5381,52 DM 4880,58 DM 2144,99 DM

Risikoprämie: 0.5*Gr – SÄ -381,52 DM 119,42 DM 2855,01 DM

Nutzenfunktion mit unterschiedlichen Risiko-Einstellungen

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

0 5 10 15 20 25 30 35 40Gewinn G [TGE]

Nu

tzen

u

c=-0,03c=0,01c=0,30c=0

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 19 [22.01.2006]

Die Berechnung von c in Abhängigkeit des Indifferenzwertes kann nur iterativ erfolgen. Wegen der eingeschränktenMöglichkeiten bei Nullstellensuche EXCEL habe ich die umgekehrte Rechnung vollzogen. c wurde im Bereich c=0,01... c=0,3 vorgegeben und aus den tabellierten Nutzenwerten konnte der Indifferenzbetrag abgelesen werden:

Risikoparameter c als Fkt. des Indifferenz Betrages

0

0,05

0,1

0,15

0,2

0,25

0,3

0,35

0 5 10 15 20 25 30 35

Indifferenter Betrag (TDM)

Ris

iko

Par

amet

er

Insgesamt kann man also das Entscheidungsverhalten der Studenten dieser Vorlesung durch die Bandbreite derNutzenfunktionen für c=0,01 bis c=0,3 beschreiben. Bitte verwenden Sie in Zukunft nicht mehr die Kosten/Gewinnedirekt in Ihren Entscheidungen, sondern werden Sie sich über die zu verwendende Nutzenfunktion klar!

Erst die Verwendung einer sinnvollen Nutzenfunktion beschreibt die Entscheidungssituation z.B. beim Abschlußeiner Versicherung gegen Feuerschäden so, wie man sie tatsächlich beobachtet –> Hausaufgabe.

Anmerkungen :

1.Sharpe ['ƒa:p], William F., US-amerikan. Wirtschaftswissenschaftler, *1934 Cambridge; entwickelte 1964 das»Capital Asset Pricing Model« (CAPM), ein Gleichgewichtsmodell für die Preisbildung risikobehafteterFinanzanlagen. S. ging dabei von der Portfoliotheorie Markowitz' aus u. untersuchte deren Auswirkungenauf die Preisbildung der Anlagen. Er wies nach, daß nur nicht-diversifizierbare, sog. systematische Risiken,mit einer Risikoprämie entschädigt werden können u. daß das systemat. Risiko einer Anlage in linearerRelation zur verlangten Risikoprämie steht. S. entwickelte so eine Preisbildungstheorie für Finanzvermögen.S. lehrt an der Stanford University in Kalifornien u. erhielt zus. mit H. M. Markowitz u. M. H. Miller 1990 denNobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Hptw.: »Capital asset prices: A theory of market equilibriumunder conditions of risk« 1964.

aus: Bertelsmann Wirtschaftslexikon.

2.Zum Schluß noch eine scheinbar paradoxe Entscheidung.

("Die Erdbeertorte" aus : Walter Krämers Werk "Denkste", FfM: Campus, 1995, S. 116):

In unserem Lieblingsrestaurant gibt es meistens nur die Auswahl zweier Nachtische, wobei die Qualität sehrunterschiedlich und variabel ist. Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (Bäh) hat Himbeerpudding immereine 4, während Erdbeertorte zu 51% sehr schlecht ist (6) und sonst (49%) recht gut (2).

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungslehre

[Entscheidungslehre.doc] S. 20 [22.01.2006]

Es ist dann rational, immer Himbeerpudding zu bestellen (aus emotional nicht weiter diskutierten Gründenund wegen der verbleibenden Unsicherheit sowie der allgemeinen Neugier wird man wahrscheinlich in derRealität doch manchmal Erdbeertorte, also irrational, wählen).Zuweilen gibt es auch Schokopudding auf der Karte, der zwar zu 56% mangelhaft (5) aber zu jeweils 22% dieQualitäten 1 und 3 hat!Ändert dies etwas? Mittels bedingter Wahrscheinlichkeiten (nächstes Kapitel) läßt sich begründen, daß esAngesichts des zusätzlichen Angebots von Schokopudding rational günstiger ist Erdbeertorte zu wählen !

Dies war ein Beispiel einer intransitiven Präferenz.

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[Entscheidungslehre.doc] S. 21 [22.01.2006]

6.6 Entscheidungsbäume

Die Wirkung einfacher Entscheidungen bei Risiko oder ungewissem Informationsstand läßt sich so darstellen:

bzw. für den vereinfachten Fall, daß die (äußeren) Ereignisse (Umstände/Zustände) unabhängig von der eigenenEntscheidung sind:

Der Nutzen “u” bzw. die Auszahlung als Konzequenz ergibt sich hier als Formel in Abhängigkeit von denEntscheidungsvariablen und den Situationsparametern :

z.B. Entscheidung über Produktionsmenge x und damit die Produktions- und Werbekosten K(x) unddas Ergebnis des Absatzes E (Erlöse) und damit des Gewinns

u := Gewinn(x,E) = E – Kosten(x).Jede Entscheidungsmatrix läßt sich graphisch auf eine dieser beiden Arten als einstufiger Entscheidungsbaumdarstellen.

Entscheidungsbäume ohne Ungewißheiten, also Zufallsentscheidungen über den dann eintretenden tatsächlichenZustand, können auch als Wirkungs- oder Ursachenbäume zur Visualisierung Verwendung finden.

Entscheidung Ereignisse Konsequenzen

Eine Entscheidungsstufe (mit Risiko)

z.B. Produktionsmenge z.B. tatsächlicher Absatz z.B. Gewinn/Verlust

Entscheidung

Alternative a

Alternative b

Ereignis 1

Ereignis 2

ea1

ea2

eb1

eb2

ua1

ua2

ub1

ub2

Konsequenzenz.B. Nutzen für das Unternehmen

Grafische Darstellung einer Entscheidungstabelle

jährl.MarktWachstum

Test-verkäufe

F & EAuswirkung

MarktErfolg

Preis-entw.

Rabattwirkung

Profit

MarketingInvest

F & EInvest Preis

Entscheidung

Rabatt-Entsch.

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 22 [22.01.2006]

Für die visuelle Darstellung mehrstufiger Alternativen ist der Entscheidungsbaum (E.B.) besser geeignet als dieEntscheidungsmatrix:

6.6.1 Zeichnen von Entscheidungsbäumen :

• Entscheidungen werden durch Rechtecke dargestellt;• Ereignisse werden durch Kreise oder Ovale dargestellt;• Konsequenzen wie Kosten von Entscheidungen und Nutzen von Ereignissen werden auf die Äste gezeichnet;• Konsequenzen ohne nachfolgende Elemente werden durch Dreiecke (Endknoten/Blätter)) dargestellt;• (a-posteriori) Wahrscheinlichkeiten der Ereignisäste (oder Verteilungsdiagramme) werden teils unter teils oberhalb

(aber bitte immer konstistent ! ) der Äste dargestellt. Man stellt die Entscheidungsstufen der Logik oder dem Zeitablauf entsprechend von links nach rechts hierarchisch dar.Zuerst kommt immer das Viereck der eigenen Wahl, dann der Kreis für das folgende Ereignis. An jeden Ast, der rechtsaus einem Vierecks wächst, fügt man i.allg. einen Kreis; An jeden Ast der von einem Kreis ausgeht kann ein Endezeichen(Dreieck für die Kosequenz) oder eine weitere Entscheidungsstufe anschließen. Die erste Entscheidung stellt die Wurzeldes Baums dar. Eine Stufe besteht immer aus einer eigenen Entscheidung und allen direkt nachfolgenden Situationen(könnte man also immer auch als Entscheidungstabelle darstellen). Beispiel aus der strategischen Absatzplanung (zwei Entscheidungsstufen in Kurzfassung) :

Wie man sieht, ist es nicht unbedingt erforderlich, in jeder Entscheidungsstufe nur ein Entscheidungskästchenrespektive ein Ereignisoval zu zeichnen. Bei den Ereignissen ist jedoch auf stochastische Unabhängigkeit zu achten, daman sonst die mit den Ästen verbundenen Wahrscheinlichkeiten nicht miteinander multiplizieren darf! Diese Kurzfassung ist zur Arbeit mit dem Computer sehr günstig, nicht jedoch für Handrechnungen. Dafür sollten alleÄste auch bei möglichen Wiederholungen ausgezeichnet werden.

schlecht

normal

gut

bis 1 %

etwa 2 %

ueber 3 %

Absatz-entwicklung

Mißerfolg

Erfolg

jährl.Markt-

wachstum

durchführen!

Nein !

ErfolgTestverk.

niedrig

normal

hoch

Test-verkäufe

Technologie Führer

Preiskrieg

Blitzverkauf

Status Quo

F & EErfolge

MarketingStrategie

Profit

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 23 [22.01.2006]

Beispiel: Produktionsentscheidung mit/ohneForschungsaufwand Eine Firma möchte die Investitionsentscheidung für eineneue Produktionsstätte mit erweiterten Möglichkeiten vomErgebnis der Forschungs- und Entwicklungsarbeitenabhängig gestalten. Da die Bauentscheidung für die neueProduktion vermutlich auch durch die Intensität der F&E-Tätigkeiten tangiert wird, möchte man beide Entscheidungenstrategisch, d.h. unter Berücksichtigung aller Eventualitätentreffen.

Man sieht, wie schnell die ausführliche Darstellungsart ausufert. In der Software (hier DPL 4.0 Student) kann man auchunsymmetrische Entscheidungs- oder Ereignisknoten ohne Verwendung der ausführlichen Darstellungsform komfortabelhandhaben. Vorwärtsrechnung: Die Dreiecke sollte man alle bündig rechts darstellen. Sie sind die Blätter des Baumes. Dorthin schreibt man den Nutzenresp. die Kosten, die sich entlang des Pfades aus Entscheidungen und (Teil-)Ereignissen beginnend ab der Wurzel bishin zu diesem Ast ergeben (vorwärts von links nach rechts).

niedrig

hoch

Ja

Nein

Nachfrag

schlecht

gut

Investition inProduktionsstät

keine

hoch

F & EResulta

F & EInvestitio

Profit

ausführlich:

niedrig

hoch Ja

niedrig

hoch Nein

Nachfrage

schlecht

Investition inneueProduktionsstätte

niedrig

hoch Ja

niedrig

hoch Nein

gut

keine

F & EResultat

niedrig

hoch Ja

niedrig

hoch Nein

mittel

niedrig

hoch

Ja

niedrig

hoch Nein

sehr gut

hoch

F & E

Investition

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[Entscheidungslehre.doc] S. 24 [22.01.2006]

Risiko-Kalkulation Sind für die Äste der rund-ovalen Ereignisse Wahrscheinlichkeiten bekannt, so kann man wie in einstufigenEntscheidungssituationen mit Risiko (s.o.) nach Bernoulli die (Nutzen-) Erwartungen der jeweils letzten Stufenberechnen, hier z.B. für die Knoten 2, 3, 4, 5. Beispiel: (ohne Angabe der Umsätze und Kostenfaktoren)

Gewinnerwartung für Ereignisknoten 4 :

EW4 = p7⋅G7 + p8⋅G8 = 48000 Analog (ohne Herkunft der Zahlen):

EW3 = 100000EW2 = 150000.

EW5 = 120000 Der Erwartungswert von Ereignis 5 ist etwas größer als der von

Knoten 3, da die Zusatzkosten Kt bei ersterem ja nicht auftreten, sonst aber vergleichbare Bedingungen herrschen

(x3≈x1, U5≈U1, U6≈U2). Im Hinblick auf diese Erwartungswerte können wir daher die vor jedem dieser Ereignisknoten 2 bis 5 anstehenden

Entscheidungen optimieren (jeweils die Produktionsmenge resp. Preisnachlaß. Konkret: optimiere x4 für einen maximalenErwartungswert EW4. Nehmen wir für das Folgende an, dies ist EW4=48000). An jedem Entscheidungsviereck der letzten Stufe hat man die Nutzenerwartungen aller Folgeereignisse vorliegen. Mankann sie für die davor (links) liegende Stufe als Konsequenzen verwenden ! „Wenn ich jemals in dieseEntscheidungssituation komme, treffe ich die berechnete optimale Entscheidung. Nur diese verwende ich beiBerechnungen der weiter links (davor) liegenden Stufen“ :

VorentscheidungTestverkauf

Poduktionsmenge

x1

1

2

3

4

5

positives Ergebnis

P-Menge x2 > x1

indifferentes Erg.

P-Menge x3 ≈ x1

negative Erg.P-Menge x4 < x1Preisanpassung o.ä.

+

-

hoher Gewinn U3-Kx2 -Kt

hoher Verlust U4-Kx2 -Kt

hoher Gewinn U1-Kx1

hoher Verlust U2-Kx1

„zufälliger“Informationswert

Kosten Kt

Kosten Kx1

UmsatzU1

U2sehr gering

U3

U4 gering

U6 gering

U8 gering

U5

U7

Gewinn U5-Kx3 -Kt

Verlust U6-Kx3 -Kt

Gewinn U7-Kx4 -Kt

geringer Verlust U8-Kx4 -Kt

keinTestverkauf

Kosten Kx2

Kosten Kx3

Kosten Kx4

4 U8

U7p7=0,2

p8=0,8

G7=280000

G8= –10000

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 25 [22.01.2006]

Rückwärtsrechnung, Iteration: Sind nun auch die Wahrscheinlichkeiten aller Ereignisse der vorletzten Stufe bekannt (hier nur Ereignisknoten 1), sokönnen wir auch für diese Stufe alle Erwartungswerte bestimmen.

Die Wahrscheinlichkeiten im Beispiel sind:p11=60% für positives Ergebnis des Testverkaufsp12=10% für indifferentes Ergebnis undp13=30% für negatives Ergebnis. Aus den optimalen Werten der letzten Stufen folgt somitals Erwartungswert für das Ergeignis 1: EW1 = p11⋅EW2 + p12⋅EW3 + p13⋅EW4

= 0,6⋅150000+0,1⋅100000+0,3⋅48000 EW1 = 114400

Sind die Konsequenzen eingetragen und alle Ereigniswahrscheinlichkeiten bekannt, so kann man von rechts nach linksabsteigend die verschiedenen Ereignisse nach den optimalen Werten der jeweils letzten Entscheidungsstufe bewerten(Bernoulli-Erwartungsnutzen). Man nennt diese Rückwärtsrechnungen ”Roll-Back-Verfahren”.

Das Roll-Back-Verfahren beruht auf dem Bellmannschen Optimalitäts–Prinzip (1957, manche Autorenschreiben das Prinzip eher dem Herrn Pontrajagin zu !):

Eine optimale Kette von n Entscheidungen hat die Eigenschaft, daß unabhängig vom Anfangszustand und derersten Entscheidung die restlichen n-1 Entscheidungen eine optimale Kette von n-1 Entscheidungen bilden aufder Basis der Situation/des Zustandes nach der ersten Entscheidung . Kurz gesagt: „Ich kann nur optimal anfangen, wenn ich weiß, wie ich optimal weitermache in jeder möglichenFolgesituation“ : eigentlich selbst-verständlich! Dieses Prinzip ist auch die Grundlage der (etwas schwierigeren) dynamischen Optimierung, die ein n-stufigesProblem in n einstufige Teilprobleme überführt und löst und besonders für Lagerhaltung, Logistik,Regelung/Steuerung im allgemeinen Verwendung findet. D.O. ist ein Rechenverfahren, welches ohne diegrafische Darstellung in Entscheidungsbäumen ähnliche Aufgabenstellungen behandelt.

Streichen dominierter Entscheidungsalternativen: Viele Äste an Entscheidungsrechtecken können als dominierte (ineffiziente) Alternativen gestrichen werden, d.h. wasauch immer passiert, es gibt bessere Alternativen als diese schlechten Entscheidungen zu verfolgen. Das Verfahren endet bei der ersten Entscheidung in der Baumwurzel. Nun kann für jede Ereignisfolge die optimale Reaktion über alle Stufen bestimmt werden, was die optimale Strategieergibt. Sie beinhaltet für jede denkbare Situation die optimale Reaktion (Entscheidung/Politik). Der Wert der Strategie istmittels Roll-Back-Verfahren berechnet und liegt vor, wenn alle Ereignisse und Verknüpfungen richtig durch den Baumabgebildet sind.

1

Erwartungswert EW2 für

optimale P-Menge x 2

dito. EW3 für opt.

P-Menge x3

dito. EW4 für opt

P-Menge x4

+

-

p11=0,6

p12=0,1

p13=0,3

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 26 [22.01.2006]

Im Beispiel:

Im Glauben an die Nützlichkeit von Erwartungswerten können wir EW1 und EW5 für die Vorentscheidung „Testverkauf“vergleichen. Wir sollten uns hier gegen den Testverkauf entscheiden, da EW5 günstiger ist. Wir markieren dieausgeschlossene („dominierte“)Alternative durch wegstreichen! Eigentlich tun wir das Gleiche bei der Festlegung vonx1, x2, x3, x4, man sieht es aber nicht so deutlich. Der dargestellte Entscheidungsbaum könnte nun Teilbaum einer umfassenderen Analyse sein. Weitere Entscheidungenund Ereignisse könnten der obigen Vorentscheidungs vorgelagert sein. In die Kalkulation geht der Teilbaum jedoch nurdurch seine optimale Gewinnerwartung EW=EW5=120000 ein !

Der Vorteil der E.B.-Darstellung liegt also nicht nur in ihrem Visualisierungswert, sondern auch darin begründet, daßman viele („dominierte“) Zweige relativ früh, also noch vor dem Durchrechnen bis ganz nach links (oder rechts) zumEndergebnis, als unbefriedigend ausstreichen kann, wenn man (untere) Grenzen für die beteiligten Erwartungswertekennt. Dies ist der Kern des Branch-and-Bound-Verfahrens ("teile-und-herrsche"), welches in der Netzplantechnik sowieder ganzzahligen und der dynamischen Programmierung eine so wesentliche Rolle spielt.

Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse: Natürlich sind die Ereignis-Wahrscheinlichkeiten immer unter den bis zu dieser Stufe vorliegendenVoraussetzungen/Zuständen als bedingte Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen! „A-Posteriori“

Im obigen Beispiel etwa die Wahrscheinlichkeiten p7, p8, die unter der Voraussetzung kalkuliert sind, daß der

Testverkauf ein negatives Resultat aufwies! p8 dürfte somit größer sein als das entsprechende p6 und dieses

größer als p4.

VorentscheidungTestverkauf

x1 für max. EW5

1

2

3

4

5

x2 fürmaximales EW2

x3 fürmax. EW3

x4 fürmax. EW4.

+

-

hoher Gewinn U3-Kx2 -Kt

hoher Verlust U4-Kx2 -Kt

hoher Gewinn U1-Kx1

hoher Verlust U2-Kx1

Umsatz

Gewinn U5-Kx3 -Kt

Verlust U6-Kx3 -Kt

Gewinn U7-Kx4 -Kt

geringer Verlust U8-Kx4 -Kt

keinTestverkauf

EW5=120000

EW2=150000

EW3=100000

EW4=48000

EW1=114400

gestrichene, dominierteAlternative

geweils ein eigener E.B.!

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 27 [22.01.2006]

Der Wert der Information

Es ist das Besondere der Entscheidungstheorie, daß sie Aussagen über den tatsächlichen Wert zusätzlicherInformationen machen kann!

Im Beispiel konnte man erkennen, daß bei den gegebenen Zahlen kein Vorteil von dem Testverkauf zu erwarten ist. Seinzusätzlicher Informationswert war 0. Wäre das Ergebnis etwas genauer, d.h. z.B. wären die Schätzungen von U3 bis U8zuverlässiger und damit die Optimierung der letzten Stufe besser mit veilleicht EW2=160000, EW3=110000, EW4=50000,so würde EW1=122000 und der Testverkauf würde sich rentieren. Der Informationswert wäre 2000 in diesem Fall.

Für den Begriff der Aposteriori-Wahrscheinlichkeit verweise ich auf Mathematik 3/Wirtschaftsmathem. und Statistik.

Hier nur eine beispielhafte Einführung:

6.6.2 Beispiele für Entscheidungsbäume

1. Risiko-Spiel mit „Einflußnahme“ ohne Nutzenfunktion

Basierend auf dem „Risiko-Spiel“, s.o., kann man den Nutzen des Entscheidungsbaums klar machen.Wir setzen ein Wahlmöglichkeit zwischen einem sicheren Gewinn von 4000 GE und einer Lotterie mit den Auszahlungen 0und 10000 GE und einer Gewinnchance von 50% voraus.

Es ergibt sich eine Gelegenheit, gegen einen Betrag x Einfluß auf das Resultat der Lotterie zu nehmen. Die Einflußnahmegelingt dann z.B. mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.8 (80%) und ergibt dann eine Gewinnchance von 0,9 (90%gegenüber einer Verlustchance von 10%). Schlägt die Einflußnahme fehlt (Wahrscheinlichkeit hierfür ist 0.2), so bleibt esbeim ursprünglichen Risiko (50%). Schlägt die Einflußnahme fehl, so kann man die Entscheidung nicht revidieren, bzw.man hat keine a-priori-Kenntnis vom Ausgang der Einflußnahme.

Welchen Betrag x ist ein rationaler Entscheider bereit für diese zusätzliche Chance auszugeben?

Der sichere Gewinn „4000-x“ ist vom sicheren Gewinn „4000“ des ursprünglichen Spiels in jedem Fall dominiert. Der untere Astkann also als irrelevant gestrichen werden (Querstrich in obiger Grafik, EW2 wird unten berechnet).

Die Erwartung im Zustandsknoten 1 beträgt:EW1 = 0.5*10000 + 0.5*0 = 5000

In den Knoten 3 und 4:

ohneEinflußnahme

mitEinflußnahme

sicherer Gewinn

sicherer Gewinn

Risiko

Risiko

Einflußerfolgreich

ohne E.

0.9

0.1

0.5

0.5

0.5 10000

0

4000

10000 - x

-x

10000 - x

-x

4000 - x

0.80.2

1

3

4

2

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 28 [22.01.2006]

EW3 = 0.9*(10000-x) - 0.1*x = 9000 - xEW4 = 0.5*(10000-x) - 0.5*x = 5000 - x

Damit ergibt sich für Knoten 2:EW2 = 0.8*EW3 + 0.2*EW4 = 7200 - 0.8*x + 1000 - 0.2*x = 8200 -x

Je nach Risikoeinstellung ist dieser Betrag nun mit dem sicheren Gewinn oder der Risiko-Alternative ohne versuchteEinflußnahme zu vergleichen. Für Kosten x ≤ 8200-5000 sollte man sich die Einflußnahme jedoch gestatten. Der maximalzu erwartende Vorteil gegenüber der sicheren Alternative ist 8200 - 4000 = 4200. ohne individuelle Nutzenfunktion)

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 29 [22.01.2006]

2. Beispiel: Qualitätskontrolle von Montageteilen

Beispiel für eine Entscheidungssituation unter Ungewißheit und mit Berechnung von bedingtenWahrscheinlichkeiten.Quelle Hillier, Liebermann “OR”, 1988

Ein Unternehmen produziert Teile, die entweder mit einer Wahrscheinlicheit von p=0,05 oder sogar p=0,25 defekt sind(Montagsproduktion). Der Anteil der Montagsproduktionen beträgt 20%. Die Losgröße ist 150. Die Teile werdenmontiert. Eine umfassende Kontrolle findet erst beim Warenausgang statt (ist heute nicht mehr üblich!).Die Qualitätssicherung hat folgende Alternativen:• Jedes Teil im Los zu je 10 GE prüfen• keine Untersuchung für das Los.Im zweiten Fall kommen Nacharbeitskosten in Höhe von 100 GE je defektem Teil zum Tragen.Je Los haben wir als folgende Entscheidungsmatrix (durchschnittliche Kosten jeder Alternative):

Die Überprüfung erfordert zwei Tage Vorlauf für die Kontrolleure und Geräte.Es kann jedoch ein Teil dem Los direkt nach der Fertigung entnommen werden, welches dann zu Kosten von 125 GEvon einem Labor ohne nennenswerten Zeitverzug untersucht wird. Dieses gibt eine i.o.(“in Ordnung”) oder n.i.oEntscheidung bekannt, von der man seine Überprüfungs-Entscheidung noch abhängig machen kann.

Frage 1 : Welche Aktion sollte man (bei Nutzen = –Kosten) gemäß Bernoulli-/Bayes-Entscheidungsregel wählen,wenn keine Laborprüfung stattfindet?

Nach Bernoulli-/Bayes-Regel werden die Alternativen (Ü:überprüfen; nÜ: nicht überprüfen) so bewertet:EW(Ü) = 0,2*1500 + 0,8*1500 = 1500 GEEW(nÜ) = 0,2*3750 + 0,8*750 = 1350 GE

Damit gilt “nicht überprüfen” als rationale E.

Frage 2 : Wieviele GE sollte man für eine vollkommene Information zum Los höchsten ausgeben?

Eine vollkommene Information liegt vor, wenn mit Sicherheit bekannt ist, ob das Los eine MontagsproduktionpF=0.25 oder nicht (pF=0.05) ist,Wenn diese Information vorliegt, entstehen immer noch Kosten von:

Fall Mo: wähle prüfen, also 1500 GEFall Normal: wähle nicht prüfen, also 750 GE.

Gewichtet man die Kosten entsprechend ihrer Auftretenshäufigkeit, so erhält man die Kostenerwartung beivollkommener Information:

EW(vollk.Info) = 0,2*1500 + 0,8*750 = 900 GE

Gegenüber der besten Strategie bei Ungewißheit (nÜ, siehe oben) spart man:Einsparung(vollk. Info) = EW(nÜ) - EW(vollk. Info) - Kosten(vollk. Info) = 450 - Kosten(vollk. Info)

Bis zu 449 GE kann man für die vollkommene Information also gewinnbringend ausgeben.

Frage 3 : Wie hoch sind die optimalen Kosten, wenn die Laborprüfung die Qualität der Teile vor der Entscheidung“Los prüfen/nicht prüfen” mit Sicherheit bestimmen würde?

optimale Kosten bei vollk. Information = EW(vollk.Info) + Kosten der Info = 900 + 125 = 1025 GEsiehe oben!

Montagsproduktion NormalfallAuftretenswahrscheinlichkeit: pA = 0,2 pA = 0,8Fehlerquote pF = 0,25 pF = 0,05Überprüfung Ü 150*10= 1500 150*10= 1500keine Überprüfung nÜ 150*pF*100 = 3750 150*pF*100 = 750

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 30 [22.01.2006]

Frage 4 : Welche Aktion empfiehlt die Bernoulli-/Bayes-Regel, wenn die Qualität eines der Teile im Vorversuchbestimmt wird und dabei heraus kommt, daß es defekt ist? Zeichnen Sie den Entscheidungsbaum.

Vor die ursprüngliche Entscheidung wurde also eine Entscheidung für/gegen den Labortest implementiert. Abhängigvom Ergebnis des Labortests, siehe Ereignis (Kreis) 3, kann die ursprüngliche Entscheidung revidiert bzw. neu gefaßtwerden. An die Ereignisse bzw. die Äste, die von den Kreisen ausgehen, schreiben wir die bedingtenWahrscheinlichkeiten für das Zustandekommen dieser Variante. Während bei 1 und 2 noch die AprioriWahrscheinlichkeiten für die Verteilung der Fertigungsqualität stehen (0.2, 0.8) müssen diese Werte angesichts dermöglichen Resultate der Laborprüfung in Abhängigkeit der Vorbedingungen (io bzw. nio) neu bestimmt werden.

Was ist die totale (auch “unbedingte”) Wahrscheinlichkeit für das Laborresultat “nio” ?p(nio) = p(nio|Mo)*p(Mo) + p(nio|Norm)*p(Norm)

= 0.25*0.2 + 0.05*0.8= 0.09

Daraus ergeben sich nun die bedingten Wahrscheinlichkeiten für eine Montagsproduktion unter der gegebenenVoraussetzung:

p(Mo|nio) = p(nio|Mo) * p(Mo) /p(nio)= 0.25*0.2/0.09= 0.5555

p(Norm|nio) = p(nio|Norm) * p(Norm) /p(nio)= 0.05*0.8/0.09= 0.4444

Beides muß zusammen 1 ergeben, in der Praxis hat man jedoch mehr als nur zwei Äste an Entscheidungsknoten.

Die zu erwartenden Kosten (gegenüber dem ursprünglichen Problem kommen einfach die Laborkosten hinzu, wennder Vortest gewählt wird) stehen für jeden Zweig ganz rechts hinter dem Dreieck, welches die Konqeuenzrepräsentiert.

Die Kosten-Erwartung für den Testfall “nio” ist demnach (Ereignis-Kreise 6 und 7) :

keinLabortest

Vorkontrolle,Labortest

überprüfen

nÜ0.8

0.23750

7501

1500

15002

3

3875

875

1625

1625

Mo 0.1648

Norm 0.83524

5

Ü Norm 0.8352

Mo 0.1648

3875

875

1625

1625

Mo 0.5555

Norm 0.44446

7

Ü Norm 0.4444

Mo 0.5555

io

nio

Norm

Norm

Mo

Mo

0.91

0.09

0.8

0.2

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 31 [22.01.2006]

EW6 = 0.5555*3875 + 0.4444*875 = 2541,4 (nÜ)EW7 = 0.5555*1625 + 0.4444*1625 = 1625 (Ü)

Gemäß Bernoulli-Regel sollte man also aufgrund des Laborbefundes die Entscheidung zugunsten derLosüberprüfung treffen.

Frage 5 : Wie sieht die optimale Strategie aus? Was ist ihre Kostenerwartung? Lohnt sich die Vorprüfung?

Um diese Frage zu beantworten, muß auch der Fall eines Laborbefundes “io” betrachtet werden. Dies ist eineÜbungsaufgabe.In diesem Fall ist die Entscheidung wie im ursprünglichen Problem zu treffen: “nicht überprüfen”.

Strategie/Politik für Vortest: Ergebnis=nio → Ü,Ergebnis=io → nÜ.

EW(Strategie mit Vortest) =EW3 = p(io)*EW4 + p(nio)*EW7= 0.91*1369.4 + 0.09*1625= 1392,4 GE

Leider bringt der Vortest also einen zusätzlichen zu erwartenden Verlust gegenüber der Kostenerwartung ohnezusätzlichen Laborbefund:

EW(nÜ) = 1350 < EW(optimal mit Vortest)=1392.4 , siehe Frage 1.Der Laborbefund ist zu teuer bzw. bringt gemessen an seinem Preis zu wenig zusätzliche Information. Ein optimalerTest, der vollständige Information bringen würde ist in Frage 2 diskutiert worden.

Frage 6 : Wieviel ist diese Art von Vorprüfung höchstens wert (abgesehen von der erwähnten Zeitersparnis)?

Da die optimalen Entscheidungen wie in der vorherigen Frage aussehen und sich auch die AposterioriWahrscheinlichkeiten nicht ändern, setzen wir die Kosten einfach in die Formeln also Variable x ein:

EW4 = 0.1648*(3750+x) + 0.8352*( 750+x) = 1244,4+x (io, nÜ)EW7 = 0.5555*(1500+x) + 0.4444*(1500+x) = 1500+x (nio, Ü)

keinLabortest

Vorkontrolle,Labortest

überprüfen

nÜ 3750

7501

1500

15002

3

3875

875

1625

1625

Mo

Norm4

5

Ü Norm

Mo

3875

875

1625

1625

Mo

Norm6

7

Ü Norm

Mo

io

nio

Norm

Norm

Mo

Mo1350

1500

1369

1625

2541

1625

1392

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[Entscheidungslehre.doc] S. 32 [22.01.2006]

EW(Strategie mit Vortest) = p(io)*EW4 + p(nio)*EW7= 0.91*1244.4 + 0.09*1500 + x= 1267,4 + x GE

(Kontrolle mit x=125 durchführen!) Dies wundert nicht, da die Laborkosten in alle Formeln linear eingehen.Wir haben mit dem Vortest einen Gewinn, solange gilt:

EW(Strategie mit Vortest) < EW(nÜ), also1267,4 + x < 1350, oder

0≤ x < 1350-1267.4 = 82,6 GE

Der Vortest dürfte also höchstens 82,6 GE kosten, damit wir ihne bei dieser Betrachtung wählen.

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 33 [22.01.2006]

6.7 Zusammenfassung

Ausgehend von einfachen Modellen für die menschliche Entscheidungsfindung („deskriptive“ E.T. mit Begriffen vonZuständen, Präferenzrelationen und Nutzenfunktionen) wurden Elemente der „formalen“ E.T. aufgezeigt (welcheEigenschaften weisen rationale Entscheidungen auf, z.B. Transitivität). Dazu gehören auch Aspekte derWahrscheinlichkeitslehre. Gerade falsche Vorstellungen über „Chancen“ und „Risiken“ führen in der Praxis zugravierenden Fehleinschätzungen und schließlich Fehlentscheidungen (es gibt z.B. immer noch kein „Atomauto“).

Ethisch-moralische Blickweisen auf Entscheidungen sind Teil der „normativen“ E.T., die ich hier (bis auf einigeSeitenhiebe und die Bemerkungen über den Entscheidungsprozeß auf S. 2 (leider) nicht diskutiere..Wir behandelten die präskriptive Entscheidungstheorie auf der Grundlage einfacher Modellierungen der Alternativen,der Umgebungsbedingungen, der Ergebnisse und ihrer Wertigkeit.Es wurden folgende grundlegende Entscheidungssituationen unterschieden:

1 ... n verschiedene Ziele (Nutzwert-Analyse);

Sicherheit der situativen Umgebung und Konsequenzen - oder -Ungewißheit über potentielle Konsequenzen und ihre Statistik - oder -statistische Gewißheit über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Konsequenzen: Risikokalkulation;

1- ... k-stufige Entscheidungsprobleme

Dem ersten Fall sind wir über die Gewichtung der Ziel-Kriterien und die einfache Punkteverteilung für jede Ausprägungeines Kriteriums bei einer Alternative begegnet. Die Additivität der Kriterien muß gewährleistet sein.Die Ungewißheit von Zuständen modelliert man durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen →Simulation.durchRisikoanalyse Es wird die Alternative gewählt, die die größte Nutzenerwartung bringt. Dafür gibt es verschiedeneKriterien.Mehrstufige Entscheidungssituationen werden durch Entscheidungsbäume, Ursachenbäume und Wirkungsgraphendargestellt. Die Multiplikationsregel für Wahrscheinlichkeiten und die bedingte Wahrscheinlichkeit sindRechenhilfsmittel, Risiken auch über mehrere hierarchische Stufen zu bestimmen und zu aggregieren (anzuhäufen). DieStufigkeit von Entscheidungsvorgängen kommt immer zum Tragen, wenn man zeitliche Problemfälle in Teilproblemezerlegt.

Alle drei genannten Klassen von Entscheidungsproblemen können in einer praktischen Situation vermischt auftreten.Auch der Schachcomputer verwendet Entscheidungsbäume, um die gigantische Vielfalt von Entscheidungmöglichkeiten(selbst bei 7 aufeinander folgenden Zügen ist diese Zahl ohne Verwendung von Heuristiken enorm) zu beherrschen,ohne alle Pfade vollständig zu verfolgen (Enumeration).

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Vorlesung Operations Research J. Böhm-RietigEntscheidungsbäume

[Entscheidungslehre.doc] S. 34 [22.01.2006]

6 ENTSCHEIDUNGSLEHRE; ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZENDE METHODEN WAS HILFT MIR BEIENTSCHEIDUNGEN?

6.1 ENTSCHEIDUNGEN6.2 MODELLBILDUNG FÜR RATIONALE ENTSCHEIDUNGEN:6.3 NUTZWERT-ANALYSE ENTSCHEIDEN BEI SICHERHEIT UNDZIELKONFLIKTEN6.4 ENTSCHEIDUNGSTABELLEN : EIN ZIEL, JEDOCH VIELE MÖGLICHESITUATIONEN UND ERGEBNISSE

6.4.1 Entscheiden bei voller Information aber Ungewissheit übertatsächlich eintretende Situation

6.4.2 Wie kann man die Alternativen miteinander vergleichen?6.4.3 Entscheidungstabellen und Bewertungen bei Risikosituationen6.4.4 Wert der Information

6.5 DIE NUTZENFUNKTION EINBINDUNG PERSÖNLICHE EINSTELLUNGEN INRATIONALE ENTSCHEIDUNGEN?6.6 ENTSCHEIDUNGSBÄUME

6.6.1 Zeichnen von Entscheidungsbäumen :6.6.2 Beispiele für Entscheidungsbäume

6.7 ZUSAMMENFASSUNG