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Wider das Bild vom "finsteren" Mittelalter Festschrift für Ludwig Hödl zum 60. Geburtstag überreicht von Freunden sowie Kollegen und Schülern Herausgegeben von Manfred Gerwing und Godehard Ruppert XSCHENDOKFF h4GNSTF.R

60. Geburtstag überreicht von Freunden sowie Kollegen und ... · diesem Z~isammeiihang der Begriff paxIo auf, zunieist ohne direk- .Fiarvl-~iit:ir' als Ei-iiiliii~lg eiiics ,\iilie~ciis

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Wider das Bild vom "finsteren" Mittelalter

Festschrift für Ludwig Hödl zum 60. Geburtstag

überreicht von Freunden sowie Kollegen und Schülern

Herausgegeben von

Manfred Gerwing

und

Godehard Ruppert

XSCHENDOKFF h4GNSTF.R

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GESELLSCEIAFI'SPOLI-rISCEIE IMI'LIKA~I'IONEN DER V1.I-A MINOKUM,

INSBESONDERE DES FKANZISKANISCHEN FKIEDENSGEDAXKENS, IM 13. JAHRHUNDER'I'

Die fraiiziskanisclie Belvegung repräsentierte die .griil3te Frie- deiisaktion, die je Linteriiomrneii, und das höchste Friedensideal, das ,je proklamiert wurde". Diese Beurteilung der Zielsetzuiigen des hl. Franziskus durch llilarin Felder aus der1 20er Jahren dieses Jahrhuiiderts' überbetonte sicherlich ein wesentliches Moment der vita minorum in seiner Iiiterpretation der .IdealeA des Pove- relio. Doch dürfteii der I(apuzirierpater ebenso wie zahlreiche andere Forscher dieses Zeitalters, die Fraiiziskus als Sozialref'or- mer versta~idei i .~ in ihrem Verständnis der f'raiiziskanischeii Lebeiishrm voii deri nktiielleii sozialen 1'1-oblemeii ihrer Zeit beeiiiflußt wordeii sein. Gegen diese sozialpolitische Forschungs- richtung entwickelte sich spätestens seit den 30er Jahreri eine stärker spirituell ausgei-ichtete Bewegung in der Franziskanerfor- schung, die der älteren zu recht methodische Fehler und unzurei- chende Interpretatioii der ältesten franziskaiiischen Quellen vor- warf.Wiese neuere Sichtweise bestimmte bis in die 60er Jahre die Forschung, während erst danach wieder häufiger nach dem sozia- len Kontext gefragt wurde, in dem Franziskus seine vita minorum eiitwickelte.l

' 1~1. Felder. Die Idi~;klc des hl. 1:r;itiziskiir \.on Asisi, P;idrrl>orii 1923. 296. ' Inlol<:r Ilaiimm;rrisclr kiiliiirii dies? zahlrcichcii i\rhcirrii. dir hctire ,je<!<><-ii

iiberholt siiid. nicht :.enaiiiir ircr<lc~i: verwirsei, sci h i i~grgrn auf <ien di<~shcrügii- ciieii Foir<lii~iigsl>~ricli: Yon H. Kr>pgei>, Die Lel>ei>sloim des hl. Fianriskus voii

Ahsisi iii ilircin \'cl-liiilriiis TL,]. il,u<Ialcn 1111~1 biirgerliclicii <;~rellscliaii iralieiis. i i i :

. ' m i . 3,. (l9(i.+) 23ff. i>ic x,i<:hci:.s~cii l i r c l <lic.rcs Xciiraiims riiid cbriifalls grii;irini hei Kogg~i i , Lchciis- form 271f.

' I-licr rcicri ii~ii- die Siii<iic~i vriviih~ii S. C:lascn. Fr;inriskils von Assisi uiid <Iiv roziöle F r ; t~c , in: Wirr. M'eisi~. 15 (1952) IOCILi.: \ . ßeigari,archi. S. I:iöiicoir. <;ubl>ir>. lc ik,iip ia I i i i i t . <ics ri;g\se. ii>: Er. I:rai>c. XS. I3 (19li3) lilii:: t;. E1it.r. :%i>iiiii~r. i i i ~ l iiispiiiiiyliclic %ii.l\<.rzii~igcii drs Or<lciis <icr \liii<icrbl-iidcr. L.cidcii 1966 (Siii<li;i e: Ifr><-. Fraiic. -ij bcr. 238ff.: .:L. l<or?e:~er. Krru~zug>kricik L I ~ C I :\l>lrhiiuii<,. dcr l~rii<ialor<liiiii,i. in <irr C;cii>lgrcii;il'~ <!CS l:i-anriskur von :\ssisi. in: \Viss, \V<,isi?. 33 ( l<? i ! ? j 12lIl.: 11. F~l<x>cl, lrvancisct>s <I<. sockilr i>crvc~rn~er, in: lFr:~r?cisc:~tr>s l,cvcc> 515 (1973) 2511.: 14. I<og$en, Fr;tnccsco d':\>si>i l'rw u11a sceli:$ di c i : ~ s s ~ ? . i n Sitxii Franc. 7 0 (1975) :Wl'I.: \I. V'ovk, Die I i a~ , . i~kan ixhv

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182 Berg

Im folgeiideri soll anhaiicl der Schrifteii des Poverello ~ i i id historiographischer Zeugnisse franziskanischer Provenienz aus dem 15. Jalirliuiidert' das Problem unrersiicht werderi. iveiclie Elemente der frai-iiiskanischen Lebensform direkte oder indirekte \.\:irkuiigeii auf die zeitge~iössische Gesellschaft braRen und ~ i i e sicli Franziskus und seine ersten Gefnhrten ziir büi-gerlich-fe~ida- Ieii Geseilschaft und der Kirche ihrer Zeit stellte~i."ls eiii i~eseiitiiches Element der franziskanischen 1.ebensform soll hier- bei der miiioritische Friedensgedaiike besondere Beachtung erfah- ren, der iii der bisherigen Forschuiig zu wellig auf seiiie sozial- pol i t ische~~ 1mplik:itionen hin untersucht ~ v u r d e . ~

1. Inteiisiver beschäfiigte sich der Poverello in seinen Opusciilas mit der F.iiischärfuiig der Verpflichtung Kir seiiie Mitbrüder. den Ful3spureri Christi zu folgen, nach der Form des Evangeli~ims z ~ i lebeii und seine 1'osrul;ire zu erfüllen. sich Gott zu iibereigiien in völliger Armut. Demut lind Einfalt [iiid das Wort Gottes zum Seelenheil de r bfitmenschen zu verküi ide~i .~ Nur selten taucht i i i

diesem Z~isammeiihang der Begriff paxIo auf, zunieist ohne direk-

.Fiarvl-~iit:ir' als Ei-iiiliii~lg eiiics , \ i i l ie~ciis der horhnriitrl;ilrcrlicl~~~n Zci:. in: Wirs. Wcisli. S!) (1976) ?I: h. Korzctter, Uie Fiiiikiiori <Icr frariziskanisclicli B c w c ~ u i > ~ in dci Kirche. Schivy 1957, her. 1611ff.. ?llil:: drrs. , Fran?, von Arsisi: L~hensgc- schiihi~-L.cl~c~is~~r~~grammn-Gr~~~~l~rf'al~r~r~~, iii: A . K.-\V. C. iari Ujjk Matu- ra. Fvalix von Assisi. Züi-irh-Einsic<lclii-KijIz1 1981. l i i f . liii iolgcii<icii hiiii niir auf die (;ercliichrc dcs Ersrcii Orcleiis rinscp;iiixril ivcrdeii. ol>wohl g<r;idc der Drirrc Oi-dcii bci <lci gcscilsciiafiliclirii K<.;ilisicru~>g cles fiaiirisk;iiiisriirii Fi-icdensgedank<-iii grolJc Bedeiituiix erianxte.

"iliiolgr iiiiziircichrn<lcr lokaler Voi-arbeitrii kann auch nicht <iii Frage bchan<lclt irerdc~i. \iclclic koiikl-cirn uiid uiiinittclb;~i-c~i sozialcii \Vii-kiirigcii dic f'vaiixiskai~i- sciic ßciirgiiii:i i i i <lcii ciiropiisclicri Siii<ilcri l>csal3. i i i driicii <k:r Oi-<lcr iilxr Si?<lrrl:,>~,,"gcr, in, I3,Jl l . v<.rsfiKte.

' Dic gilt !>rsoiiders fiir ciic nlrcrcri \ i -bci~eii 7iim l'i-;tiixisk;iiiir<hiii i:1-ic<l<:nsgi<k~ii- T . . von C. \tcnge. U I ~ Fricdc~irlicrold v o n ~\rrir i . P;i<irrhori> 19?lj: <;. liosio. Fraic Franccsco ]>nciiiratorc. Iloina 1926: I:. uiiii K~i}ic:hcm. 1'r;lncircus. n ~ ~ n V;,,, ~vc<lc . in: S i~t t 1:ranc. I (1964) 26t.F.: I,. ßcrcrarn. .l.lw r c t l i i ~ ~~l'p~!:acc in

.' ' ' ' ' . i i i< is lilc. in: Iloiiii<i I 'abir Fr:iiic. Iles. SO (ll)iii-fiGI 148fT.: L. lj. \I:ritiii. i.;i paz s lFr;iricirc<>. iii: Rcfl<:ios 2 i (!lI(ii>) 5111:: J. B. Flillcgcis, i>c \.ictic bjj l;i:iiiciscii\. iii: i:l-;iiic. 1.cvcil i l (I<)(iS) 17811.

%. EBcr. I>ie 0piisciil;i <icr I>!. Fr;iii/iskris uoi, \ssisi. <~.i-orraI'ei-r;~t:i I<liii (Sl>ic. ll<>i,a\. 13). - \ C : \ Kaiiriigiiiii<lcii iriir<lc~i :iilc ' I cx r l> r~ l c~c n i i r Siqicii i i i dcri I);iisieliiiiiyiic\-i ;iiiigriioinnicli: Adinoii. - :\<lmoriitir>~,cs. C;iiii. - <:;iriiicurn !i-. iolis, Kl> - l l r ~ ~ i l a I>uliara. ll,il> - llejiul;, i i < > r i i>iiiIata. 'icsr. - l'cst:iinriir~iiii.

!a - Lii <!cii %iviscr,.iiiigcri <!CS liciiirrii \ % I . I<licr-. ;\iliiiiisr 1.iOIf.: U. \'. I.;il>r;i~irki.

l'<,rkcii<i <r:iiigclica. l';i<l<.rborir lll74 (Vcriilf. <;r:xl>n?i!r~n-lt,st. S F . 27) 4511.: ili>ir<.tto-. l:oiikii<iii !lllf:: i). 1lcr:i. \'it:i iniiloi-iim. Ziiiii \Vali<icl <lcs ji.i~~l,.is/\i~~~i- r<-li<:ii S ~ ~ l l ~ r r v c i s i ~ i i i ~ l i ~ i s s ~ ~ s i i i i 15. J l i . in: \Viss. i\ 'rish. 43 (1982) l i i l i t .

!U /um b>l:icii<lcii v s l . ;$iilici- <ivr in h i i m . 5 :icri;ii:iircii I . i r iiocli <I. Srhmiicki. S. I:>-:inccrc~~ <l':\srihi nirrr;icro cii iparv ~ i c l siio rrmpo. in: Siiidi scclii l'i-;iiii. .T> (l!)iti) ift.: L.. I l i i c r . I lrr F r i ~ l c crisachsi a i ~ r dci- :\riniii. ii,: \Viss. \Veish. 39 (i i l i i i )

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ten ßeziig zur zeitgenössischen gesellschaftlicheii Situation." .Am häufigsteii findet pax Erwähnung im Zusammenhang mit dem Friedensgruß," der Franziskus nach eigener Angabe voii Gott offenbart xcurtie iiiid als fraiiziskanischer GruEJ verbiiicilich in den Ordensregeln (Knb 14, 389, Rb 3. 368) fixiert i i ~ i r d e . ' ~ Mit der Forniel -Domiiiiis ciet tibi pacem" (Test. 440) verdeutlichte der Heilige für sich den Kern der christlicheii Heilsbotschaft: den Frieden (Eph. 6,15), der von Gott durch Christus als Mittler den Mensciieii gescheiikt ivurde.'+ In der Verkündung der christlichen Friedensbotschaft erfiillten Frariziskus und seiiie Geiahrten nicht nur ihre apostolische Mission, sondern sie suchten auch den seibstgeivoriiieiien -inneren" Frieden existentiell iii der Welt wii-k- sam icertleii zu lassen.

Wichtigstes P«tulat des Heiligen 1iar hierfür die Kegelbestim- mung, da13 die Franziskaner jeglicheil geseilschafiiichen Konflikt iim ihre Persoii vermeiden uiid keiiieri Anlal! für ein ~scandaium" geben diirf'ten: vielmehr sollten die Brüder .,mites, pacifici e t modesti, inarisueti e t humiles, hoiieste loqueiites" sein (Rb 3, 365). Selbst i i i eiisieiitielleii Notlagen irdischer ßedrückutigen mul3ten sich die Fratres bemühen, nicht iiiir ihren .inneren" Friecleii zu bewahren (Adnioti. 15,113: Cant. 130), sontlern auch im gesell- scliaftliclien Lebeii für I'azifizieruiig und Kontliktbeseitigung Sor- ge zu tragen. Pax machte für Fraiiziskus somit den Kern der christliclieii Iieilshotschafi aus - ein Geschenk Gottes an die Menschen, das diesen nicht nur eine eschatologische Friedensge- wiljheit verleihen," sondern - zumindest für die blinderbrüder - auch pazifiziereiid ihr gesellschaftliches Wirken bestimmen uiid zur Hel-stelliiiig friedlicher zwischenmensclilicher Beziehiiiigeti

108if.: L. I-1;ii-dick. ; \ ~ i r ; i i x uiid Kichi i i i ig des Frie<lriir:.<:<iaiikr~~s bei Fr;iii7irki1s I \ s i s i . i : i s s i h . 45 (1'382) ?GE: L). Floi><i, Fr<,rc Fraiisois CL Ic rn0t2~~~1mr11t f ra~~cisc:~in. l;;iris 1983, 6.Iil'.

" \'%I. <lic \';i<:liiicist, Ibci L'l\cr. Opiisciiia 4 i 8 . '' Ikliiiilig ivini i i idic Fr;i i i~ihkii\ riicbui I'rie<lciisgruß Ibci der . \< i r rs~arci ia i i rc~iv iii

seiiicii i l i- irfrn. <lic liicr<liii-cii :\lii>lirhkcit inii püiilii,i\clicn Schrcil>rn ei-liicitcii: \,:.I. ii. ;i. ebcl. l i l . Ni. 292. 2 i - t . - Ziiiii l;i-ic<i<:i>s,qriill V$!. L. I lardick. :\I> <;i-iiB.

so hat iiiii- <lcr 1lcl.i. i.colil.iil>;~ri, h o l l ~ i h r s;iXeri: .L)?: IIci-1- gebe di r dcii Fi-ic<lri>'. in: l:r:sr>~ SI. 160 (15178) :3281l,: V. V c i ~ l ~ , k'mrwiskt>\ - ?in wahrer l f v ~ ~ s c h . c h . . :\;I I I i.

'" l>ic Vci~icii<lilii;i <!C\ l:iir<ici,~~!-iili<.i <Iiil-ch <lic I:raii,isl;,iicr iiirki,: h<rs<>iirlvi-5 ;iiii d i r \lirl>üi-gci- civr I;i-;iiro iri-irici-~1x1, u,ir ;aus I Ccl 23.19 <ir.iirii<li a.ird. - %ii

i ; ' l r i t< l i~ i<> i ie i i <lvs l ~ i . i i ~ ~ l c ~ ~ ~ ~ i . ~ i i l c s , <lic * t i i i k ~ r I > ~ ~ ü < k s i c l ? l i $ ~ i<~i.<lcil ii,iil\ic:ii. v;il. <iic t l i i i i r r ihc ioii F,. Di i i i l c i . l;iic<Ic, i i i : I<c:illcs. i. Aii i ikc <:liiiriei,i. 8 , Sc~t~i;i:trt I<l72. 4S<lI'i.

I .% i>ir gii ir l icl ie S<liviikiici;i cirs lFriv<lciii l>c io i i i r i i \clioii K o t ~ r r r r i . Xi-cii//iigAi-iiik

l2:$ii'.: 'l'l>icv. 1:~icdc I I?il'.: l < , ~ t ~ c i i ~ ~ r . I F ~ t n k ~ i o r ~ 29llKf.: l + ~ ~ ~ ~ l i c k . (;rt#l> :43flIl.: clcrs., :\,,satx :32. 1.~1. I ~ , I , c ~ ~ v ~ . ~ :~~, ,k~ i~ , , , ??nKi.: l l : ! r d i~k . ,AIM, .+-&I'(.

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führen sollte. Die verbale und exisrencielle Verkündigung der christlichen Friedensbotschati im Predigtapostolat war f.ür Fra~i - ziskus letztlich nur eine andere Form der Nachfolge hziv. imitatio Christi.

2. Diese pazifizierende Wirksamkeit der Miiiorite~i im gesell- schaftlichen Bereich wurde nocli stärker von den ältesten ftanzis- kanisclien Historiographen betont. So bezeichnete der ersie Fraii- ziskusbiograph. 'Thomas von Celaiio, die Junge itanziskanische Bewegung ausdrücklich als "pacis leo,atio" (1 Cel 24),'". h. als Belveguiig, die die ganze ineiischliche Existenz auf den Frieden ausrichtete und nicht nur gesellschaftliche Teilbereiche zu pazifi- zieren suchte.!' Dieser ,Friedensbeweg~ing" schlosseii sich zahlrei- che Keiche und Mächtige an, um als arme IVaiiderprediger den L'fitnieiischen die B«tschafc \.om Frieden und von der Bulle zu vermittelii (1 Ce1 29). Dies tat besonders Frariziskus, der iii

zalilreicheii Predigten den Frieden verkündete und hierdurch viele ?+letischeii. die bisher den Frieden wie das Heil gehaßt hatten, mit Gottes Hilfe in ,filii pacis e t aemuli salutis aeternae" verwan- delte ( 1 Ce1 23). Die vorbehaltlose Annahme der Friedeiisbot- schaf't stand nach Celano in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erkenntnis des H e i l s ~ e g e s , ' ~ woraus sich - zumindest für die \linderbrüder - ein .innereru Friede ableitete, der ein fiiedferti- g e s u n d paziiizierendes gesellschaftliches Verhalten zur Folge haben sollte ( 1 Cel 41).'"

Ahnlich charakterisierten die drei Fraiiziskusgefährteri Leo, Kufii~ und Angelus in ihrer LegendaZo die Bedeutung des Friedeiis- gedankens für das Konzept der vita minorum. Bereits vor der

'"r. I 'homae <ic Cclaiio vitä prima S. F~iiicisci. iii: :n;ilccta Fi:ziicisca~in (= ,\F) 10. Q~i;iiac<-lii 1926-41. 3-115 (= I CCI) Ziiiii IVerk <:cl;ir>os rgl. <lic 1,it.- Ilirivcise bei 1). Berg, Das Siudieiiproblcin irn Spicgri der ifanziskanibchcii llistoi-iogiaphic clcs 13. iiiid begii?cie~idc!i 14.Jh.s. iii: M'irs. Weish. 42 (1959) lij ..Y. I : C I V ~ S . , vit:, if;n A. 17.

'' VgI. Koticttcr, tii-cuz,iiirrkiitil.siti 195. '' \ ? I . cl><I. i?T>F: 1i;ir<iick. \nsarz 33. - l>ar iinoiiymc i)-ail/iskiiii\chr LVvrk

.S;icriini <<>nim<:rciiini S. Fr;i!icisci ciini <loniiria l'aiip~.rr;!rc" (Qiiar;icciii 192!)) rrrlliv hinxrxcn si.irker die Bc<lvuiiiiii: \.on pel-siruiio iiiid piiipcrtas als \V<:xc 7 ~ t t n I lcil i n (1~11 \ i < ~ i d ~ r ~ r u i l d . liilr>lgc I>eori<icrcii .\rniiirrlicbc wöi-cii g c r ; ~ l c <Iic Lliii,,rircii ;ilr .\l;iiiiicr <i<:r I:iic<iciis' in d i r I.;ise. ein ~<>n)m<.r<:i~ii~i mir <lci liri-riii \ r n i u t zu s<:hliclirn (46f.. Olfl'.).

'I :\u<li <lcr Frar i / i rk i i s -Bio~r i~~~h Jiiliaii v o n Sp<.?er bcfoi,ic i i i sririmi S<:hrirtcn dic Fiic<lci,rinissir>li <I<:s l l r i l i g~n : Fr. J i J ia r~i CI? Spi~:% c~llicium r l ~ y t h n ~ i ~ u r n S. Franri\<i. in: h F 10. 381: Vita S. Fraticirci, ~ l > d . 342. 5 - l i . %um lVerk)uliai>c \<:I. <lic Iliiiii<.i*c \oi, I>. Rci-x.J. V . S., ii,: \'crf.isrciicxik<,ii 4. ßcrli~i-Ncir York '198:i. !I0 I W.

3 1 - ' I'. Licrl>oiiiicis. l.egcn<in triiim Sorioi-iiiii. in: \ F f l 6i (1!t541 89%. (= 1 . c ~ 3 Sec). - % u m !\'<.vk \ < I . <lic lliiiii<:is<: v<>ri Dcrg. Siii<liccii>i<>l>l<.in 25 ,\. :i: den., \ir;i 11;-l .\. 55.

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Offeribariing der franziskanischen Lebensform wurde die pax für den Heiligen nach Angaben de r Gefährten wichtig, als e r bei der Begegnung mit einem Aiissätzigen diesem nicht nur eiii Almosen schenkte, sondern von ihm den Friedenskuß erhielt (Leg 3 Soc 11,97). Hierdurch demonstrierte Franziskus sowohl seine Solidari- tät mit einer depravierten Gesellschaftsgruppe als auch sein Bestreben, fur seine Person auf die Kichtexistenz von restriktiven Grenzlinien zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen hinzuweisen. Dieses Bemühen, soziale Trennwände zu ignorieren und in Gemeinschaft mit jedem Mitmenschen ohne Rücksicht auf seine soziale Herkunft i i i der Nachfolge Christi zu blieb für Franziskus noch nach der Gründung des ordo minorum ein zentrales Anliegen. 'Trotz dieses Strebens der bliriot-iten, bei ihrer ,pack e t poenitentiae legatio" (39,119) die Mitmenschen zur Wah- rung des Friedens zu ve ra~ i l a s sen~~ und ihrerseits durch eine friedfertige Lebensweise keinen AnlaB zu Konflikt in der Gesell- schaft zu geben, war aber gerade wegen dieser Nichtbeachtung verbindlicher gesellschaftlicher V e r h a l t e n ~ n o r m e n ~ ~ durch die Franziskaner die Entstehung von Mißniut und Unbehagen bei den sozial fuhrendeil Kräften in den italienischen Kommunen fast unum~änglich.

Deutlichere Brzüge zur konkreten Wirklichkeit des Or<iensle- bens und den zwischenzeitlich eingetretenen Schwierigkeiten bei der Realisierung der franziskanischen Friedensmission zeigt hinge- gen die zweite Franziskusvita des C e l a n e ~ e n , ~ ~ die 1246-47 nach den Wirren der Elias-Krise2Gm O r d e ~ i entstanden war. Hier legte der Chronist einerseits Wert auf den Nachweis, daß Franziskus schon vor seiner conversio um einen friedlichen Ausgleich zwi- schen verfeindeten Mitmenschen bemüht war (2 Ce1 4) und diese friedensstit'tenden Aktivitäten nach Gründung seines Ordens noch

'' Vxl. :i~tch 'I.hicr, 1:ric~lc 1141.. '' \Viv verhrci$ci <licrcr T.V~iiincli i>;icl> Friv<ieii ru ßegiriii der 1 J . Jt>.s i i i 1t;rlicii war.

rrr<lcurl i~li i dir I.;tisachc. <laO Franriskiis in Assiri eincii Voi-liiuicr Iiattr. <Irr aucli scini hliinicnschei, mir dein Frie<l~nsgrull ;inpr;ich uii<l sie zum Frieden mahnte (1 .c~ :3 Soc 26.1 10). - Wcgci> Ilaiirnma~igclr kanii im fi>lgei>dcii iiicht a i i l rlas ,.ei~pvniih\i\ch~ Virstiii<Ini'i CS s.ik~llil~i:n Fii<dt.n\bv:ril'ks cin~cl:angcn i<<. l .< /~i l .

?' :\iif <lie:\es ßesrr<:hen der rrsreri Fr;iririskai>er ivicscir hcson<Ii~rs Koggen. L.ebciis- f o r n ~ ?T?l'I'.: I l ~ ~ ~ ~ ~ i c c r , Kreu?.,.sqskritik l23ff'.: I). Flood. I:rar>?.iskus u r ~ u SC>I>

Oi<lcii iin 13. Jli . . in: Wisr. Weirli. 40 (19i7) 205ff.: <lcrs.. I ' l ie <lornc\iir;itiori <,C [I,<. FG,, ,C~SC~,, ,,,<,\',:m?,,~. in: Fr:,?,?.. SI. 60 ( l 9 i 8 ) 31411'. t,i,,.

'" I:r. I'lii>rnae <lc Cel;~ii& viia rccii~><la S. Frnncisri, in: :\I: 10. 1211lf. (= ? Ccl). ?. ' \':I. hiei,.~i zi i let~t I). Rrrg. l;li;is vor) <:r>rtoiia. Siiiclicri zii i.<:l>rri uii<i Werk <!CS

I A V C ~ ~ C I I G c i i ~ r i t l i n i i ~ i ~ i ~ r s iri, F i : ~ ~ ~ ~ i k a n e r < > i < i ~ n i in: \Vi>r. \\rish. 41 ( I 9 i 8 ) I 02 f!.

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verstärkte (2 Cel 108). Andererseits beklagte Frater ' ihomas die tiefgreifenden Konflikte, iii denen sich der Orden iiisbesonder-e mit dem Säkularklerus seit geraumer Zeit befa~id. '~ Daher erinner- te der Celanese vor allem seine gebildeten lviitbrüder daran, daß Franziskus von den Fratres ein Lebeii nach den Gesetzen der Pilger verlangt hatte lind diese wie Fremdlinge friedfertig durch die Welt gehen soitrie nur Verlangen nach der himmlischen patria haben sollten (2 Ce1 59).

Die .pack legatio" des Ordens schien Celano insbesondere durch die unzureichende Beachtung des niirioritas-Postulats durch seine Mitbrüder gefahrdet, die mit zahlreichen Weltklerikern im Streit lagen (2 Ce1 146). Wie gravierencl diese Auseinandersetzun- gen, aber auch andere zeitgenössische geseilschaftliche Konflikte für Celano waren, erhellt sich aiis seiner eschatologischen Inter- pretatiori dieser Vorgänge: Für Frater 'l'homas stellte sich iiur das Zeitalter des Franziskus als ruhige und friedvolie Epoche dar, währeiid nach dem Tod des Heiligen die Ordnung völlig verkehrt wiirde, sich alles änderte und überall Unruhen zu koiistatiereii waren, die für Celano nur ein Symbol für die Fehleiitwicklungder Minoritengemeiiischait seit dem Ableben des Gründers darstellten (2 Ce1 32f.)."

Der franziskanische Generalminister Bonavetitura, der 1260-63 zur Beendigung der ordensinternen Ausei i iandersetzui i~n um das rechte Verständnis der vita miliorum eine modifizierte lnter- pretation der franziskanischen Lebensform i i i einer neuen Grün- dervita vornahm,28 griff i i i seinem Werk die celanesischen Deutun- nen des Friederisgedankens auf, ivobei e r stärker eschatologische D

Gesichtspunkte berücksichtigte. Wie die ältere11 Historiographen seines Ordens sah Bonaventura ein Charakteristikum fraiiziskani- schen Lebens in der Verkündigung des Friedens und in der Aufforderuiig zur Bufie (LM 569). Fraiiziskus war für den Geile- ralmiiiistrr ein ,Engel des wahren Friedeiis". der den Mciischeii Frieden und Heil verkündet urid durch seine Friedeiispredigr zahlreiclle Meiischen zum I-Ieil gerührt liatte (LM 557). Ein ivesentliclies Moment dieser fianziskanischeri Friedeiismissioii stellte fi'ir Boiiaventura auch die aktive Friedensstiiiriiig im koin-

'"U dicsrm Prol>lem \,XI. inirnrr noch K . Paiilur. Welt- und Orticrirkicriis hcim i\iissiiiii. der 13. J1r.s im Kampf'iim <iic l'iari-rrhrc. Esseii 1900.

?i . Lu <ii?ser Kriiik <Irs Cclatieeri ;!!I der <>rdc~ircnrisickli i~~s vgl. ;iiisiiihi-liclicr R<.I.C. I'ita l(j5l'f'.

'". ii<>ii;ii~niiir;ir lcgeiici. maior s. F~incis r i . in: .AF 10. iiifi: (= [.>I). Dic .l.cgcnd;r iniiioi' (cd. rhd . 655it:) (= LLli~i) sirlir cinrii ,\iis,.iii. <Ics :rroßc~> Fraii~i*kiisirhrii\ dar. - %L> <ieii Ii'erkc-ri vgl. <iic Iiii>rrci\r I>ri K r r ~ . Siii<!irnpro!>- I<," 10s :I. $1: <1crs.. \.i,;, 167 '.\. s:3.

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munaleii Kaum durch den Poverello und seine ersten Gefährte11 dar, die verfeindete Mitbürger erfolgreich zu versbhnen vermoch- teil (LM 585f.). So bestand für den General der Auftrag des Ordens nach dem Tode des Gründers in der Wahrung der ,.possessio paupertatis" urid der .pack hereditaria". Als Mintierbrü- der sollten sie nach dem Ewigen strebeii, den Funspuren Christi folgen uiid sich vor der1 Gefahren der Welt bewahren (LMin G i G ) .

Pax bedeutete fiir Bonaventura Jedoch iiicht nur friecliertiges Verhalten gegenüber deii Mitineiischeii, aii deiieii die Miiioriten ihre Missioii durch Verkundiguiig der Friedeiisbotschaft Christi erfülle11 und für korifliktireie zwischennieiischliche Bezieli~ingen in der 'l\relt sorgen sollten. Vielmehr war dieser irdische Friede nur eiri Symbol für den eiidzeitlichen IYriedeii, deii der Meiisch als Ziel iiitensiver Koiitemplatioii i r i permanentem Traiiszeiideiizvoll- zug und im ..excessus meiitalis" anzustreben ~ e r m o c l i t e . ~ ~ i e Friedensmission des Ordeiis durfte sich somit nicht auf die Beseiti- g ~ ~ i i g von Streitigkeiten in der Gesellschaft beschräiikeii, soiiderii mußte die Mitmeiischeri auf den Weg des Heils zurückführeii uiid iiiiieii ein visioiiäres Bild vom endgültigen Friedeii und vom eschatologischeii Jerusalem u e r m i t t e l ~ i . ~ ~

3. Konkretisierte die bisherige Darstellung die große Bedeutuiig des franziskaiiischeii Friedensgedankens für die Schaffung kon- fliktfreier zwischeiimenschlicher Beziehungeii iii der Welt sowie fir die Auffiiidung des wahren Heilsiveges uiid die Erlarig~iiig des ewigeil Friedens, so wäre deniioch eine derartige Aiialyse des Friedensbegriffes unvollstäiidig. würde nicht ausführlicher auf. deii engeii Zusainnieiihan~ voii pax uiid paupertas hingewie~eii .~ ' Voii besoiiderer I'\'iclitigkeit ist Iiierl>ei eiiie I'assase der Drei- Gefährteii-Legende, i n der Franziskus auf die Bederikeii des Bischofs voii Assisi bezüglich der Härte der itanziskanischeri Lebensweise und der Radikalität des Armutspostulates antiuortete: ,.Domine, si possessioiies aliqtias haberemlis, iiobis essent iiecessa- ria arma ad protectioneni iiostraiii. Xam iiide oriuiitur quaestioiies et. lites soletque e s hoc ainor Dei e t proximi multipliciter impediri.

?"lic\i.r I>l-ol>lciii lbel>:~i~rlclt~ Boi~ivcriiiira aiiriiihrli<-iicr ini .liiiii~l-iiiiiirn iiic~itis i i i

llciirii'. c<i. I'?. Cr>llcxii S. ßr>ii;ivcnruiac. Qual-acchi s1<118. 2891'1: ' O Dicrc ~scli;iir>li~giscli<. I<ornpoiici,ic dcr li-aii~irkaiiir<-lier Fric<lei~sgcrl:iiikcc~~

bcri>iicc clcr \lirioi-ir \lesari<iei- voii Brcrniii i i i sciner 1251>-4<1 \,criri!lcii . .kspi>s~- iio i i i Xl>ociiiyprinir. vb. :\. \Vix:liicl. \V~irnar 1955 (CIG QQ. X . <;cirrc~~cscli. 1 ) 48ll'l'. - ~ \ i t I ' <iir B~rii<ksichii$uiig jiiiigeicr l ~ i ~ to r i ~~~ i - ; i I >h i sc l~cc Zetigiiisr aii5

<iiiii Ord<:i,. nic ciir;i <I<.\ Bcriiiii$i-<I von ßc\;i. <Irr Lei,-lirriscr oder <l<:i- Conipil:t- tio I'ci-iirii>:i. xil-<l iiii ii>lgcii<lcii aus K:~iii~igriiii<leii ~ei,.iclirer. ,~ i i i i ; t i <livsc \Vcrkr kciiic ~,i-iii,ii>icli iicticii ..\hi>~kir <lcs ii-;~ii,,irkiiiis<heee I:ri<:<ic~i\gi.<iai~kcc~~ l>iricii.

" \:gl ;iiirl'iilirlici>c~ liirrrii i l i icr . Friccie IOSl'i.

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188 Berg

Et ideo nolumiis in hoc saeculo aliquid possidere temporale" (Leg 3 s o c 33,11 3).12

FI-anziskus konkretisierte hier, welche gesellschaftlichen Korise- quenzeii sich für 1,Veltieute wie Keligiosen gleichermanen aus materiellem Bcsitz im zeitgeiiiissischen Leben ergabeii. I'ossessio- lies zivangeii den Besitzer nach den gesellschaftlichen Vorstelluii- geil der Zeit zu Verhaltensiieisen, die vort>ehaltlose Gottesliebe und koiifliktf'rcies Leben mit den Mitmerischeii unm<jgIich niach- teii. Iiidividueller und kollektiver Besitz baiid den oder die Iiiha- ber aii das saeculum und rief Konflikte hervor, so daß innerer wie iufierer I:]-iede nur in Armur möglich schien. I'ersönliche F.rtjh- rungeii des Kauf'ma~iiissohiies Fraiicesco mit den geseilschafili- chen Ir~lechaiiismen der Besitzivahrii~ig im zeitgenössischen Leben Italiens bestärkten somit den Poverello, in bislier nie gekaniiter Radikalität dem Vorbild des armen Christus nachzueif'ei-n.3s

JYie provoziereiid diese Ablehiiung eines konstitutiven Elemen- tes der zeitgeiiiissischen Cesellschairsordniing durch Fraiiziskiis und seine Gefährten auf die Gmirelt wirkte, erhellt ein weiterer Bericht der Geiährteiilegende. I-fierirach erfuhreii die Minderbrü- der zilrn einen gerade von ihren früheren Sraiidesgenosseii uiid Verwandteii in Assisi Ablehiiuiig und Verfi)lg~iiig, weil sie Jegli- chen Besitz ablehtiteii. Zum andereii schien den Bürgern das Bette111 der Brüder als besonders kritikwürdig, da sie ihr Eigentum verschenkt hatten und nun fremdes verzehrten (Leg 3 Soc 38f., 1 l i i f . ) . Zu recht fuhlteii sich die cives existentiell in Frage gestellt durch die Lebensweise ehemaliger Standesgenossen, die ihr Eigeti- t i m verlasseii hatteii, um voii 'l'iir zu 'i'ür Almosen zu erbetteln (35.1 l!~).'~

Doch Franziskus giiig in seiner Kritik an der zeitgeiiössischeri Gesellschaf'tsorciriiing noch weiter, wie besoiiders den kipitelii i-9 der Regiii;? iiori bullata zu entnelimeii ist.3" Hier lehnte e r [licht nur ,jeglichen Gebrauch von Geld ab (Riib 8,384f.) iind verzichtet? beirul3t auf die Teilnahme an geschäftlichen 'i'i-aiisak- tiorieii iii dei- Wclt.. Vielmehr entzog der Heilige seine Mitbrüder ;iuch den Irlcchaiiismen der Arbeit-Lohn-Beziehung im zeitgeiiBs-

V%\. :,,,CI, I (:CI 13.1.4i. '"%iiiii ;\riniiirvci.\iiiii<lr1is <l<.s llcilis<,ii \t.i hier iiur i r r i r i c r r n aiil' A. bl i l tcrr i i t r i rcr ,

1)cr 111. Fi-;liixiskiir voi i Asrisi iiii<l die r i n i i r . Hr is rn 19Cil: 1.a p o i c r t i <ict src. SIi c Fr;iiicvic<, <i'A>si*i. :\\sisi 1 9 i i (Coiivcs~ii Soc. liit. Stiidi Franc. ?) :J . Sciikigeicr. IV t~ rdc &C ~ \ ~ ~ P C I C > ; ~ L > I ~ ~ S S ~ ~ ? I ~ clcs Fmnz isk~~s v o n :\ssisi w n cler , ~ ~ t i i ~ . i r l l c n ~ k i r c l k ~ ~ l ~ l i ~ l ~ l i ~ t ~ : t l ~ ~ ~ ~ l c l ~ r ~ ~ ? , in: f:r:u?~.. Ss. ($0 (1978) <lil'i,

" \Cclcli fi<>!Jc S<- l i i r i c r i r kc i i e~ gcr;i<lc <licsc Fr>i-<ier i in~ <Ir* F1-: i i i~ i i t i i \ sriiicri cisirii \litl>rii<l<:r bcrci t r ic . vrr<lciiriiclir ii<>ch d i r <iirr l>r, i i~l i<l i< I':irr;igr in i<ri I> :1,:\35t.

I5 \:.I. ;iii>!iilii-iichrr I l ir i- i i i I:Ir><,<i. i)orn<~sricarii>ii 3 l ? K

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sischen Wirtscliailsieben, da die Fratres für illre meist handwerkli- che Arbeiti"iiur .omnia necessaria", auDer Geld, annehmen und nicht auf einer Entloiinung für ihre T-ätigkeit bestehen durften (5,383).3' Franziskus betonte somit die Bedeutung und den Wert der Handarbeit in einer Zeit. die sich 7unehmend an schnelleii Gewinnen aus Handel und Geldgeschäften orientierte: zugleich zeigte e r sein Mitgefühl für diejenigen Angehlirigen de r bürger- lich-feudalen Gesellschaft, die allein ihre Körperkraft und hand- werkliche Geschicklichkeit im Wirtschaftsprozelj zur Sicherung ihres Lebensuiiterh;iltes zu kommerzialisieren vermochten und nur in geringem MaMe im Besiiz von Produktio~isriiitceln waren.

Noch deutliclier wurde dieses iiairziskanische Versrändnis für Randgruppen der (;esellschaft durch die Forderung des Heiligen, mit Armen, Kranken Lind Aussätzigeii zu verkehren und ,jeder- mann, o b Feind oder Freund, Dieb oder Räuber, gütig aufz~ineh- men (Rrili if',, 3S3f.). Daher sollte die soziale Herkunft eines Bewerbers' im (;egeiicatz zu den alten Orden' bei der Aufiiahme in die hliiroritengemeinschaft keine Kolle spielen. Kegeigemäß fixiert wiirde der Wuns<:h des I'overelio, mit entivurzelten Men- schen zu verkehren und sich selbst zu verachten. in dem Postulat, stets urid überall mirior zu seiii, keinerlei Ämter anzunehmen urid auch Obererifuriktionen im eigenen Orden nicht als Amt aufzufas- sen (7f.., 383f.).

Mit diesen Forderungen nach absoluter innerer und äunerer Armut, nach Arbeit ohne Lohiianspruch, nach Betteln zur Selbst- demiitiguiig und zur Esisteiizsicherung sowie nach dem Minder- sein im bewuRteir Verzicht aufjegliche gesellschaftliche Anerken- ~ i u n g oder Karriere hatten sich die Fraiiziskaiier radikal vom zeitgenössischeri Gesellschatrssystem iiiid seinen Norineii getrennt uiid eine Existenz entwickelt, die sich am Vorbild des irdischen 1.ebeiis Christi orientier-te und in eine andere, von Jesus erschlos- sene Welt Iiiiieiiitlihren sollte. Der Poverello verzichtete zwar auf eine dir-ekte Ki-itik an der hiirgei-lich-kudaleii Ge~ellschaft.: '~ zugleich stellte el- diese Jedoch faktiscti dur-cli seine radikal andere I.ebeiisi\cise pei-maiieiit existeiitiell in Frage. Derinoch ist nicht aiiz~~iiehrneii, daB sicli der Heilige und seine Mirbrüder ausschlieli- li<:li mit eiiirr bestimnitc~ii sozialeii Gruppe, etwa i\ngehßrijieii dei- Giircrsciiiclit, solidarisierteii oder sozialre\-o1iition:irc Ziele ver- fi>lgteii. Dies wird <ieutlicli i i i der Forderuna von Franiiskiis :in

16 . Lii <liescm I>rol~icni igl. k. 1:Ciei. l>ic Ilai><lail><.it ili dcr F~iili~e\<:Iiicl>ie deh

> l i ~ ~ ~ l ~ ~ r b r i i ~ l ~ ~ r ~ ~ r ~ l c ~ ~ ~ . in: i..r;mz. Sr. 40 (1958) l45l'f'. " Vxi. iio<l> die <iicsbcrii~iiclir Vciiii.riliip dvr <;i-iiiidcrr im ' i '~sr;imeni 4:1-10.

So s<lii>ii Kogacn. l.cl>cnrli>im i6f . . Y 18K: Korrcrrvi-. krciir , .u~\kri~ii \ 123IS.: Floo<i. U<iii,c\ii<;itii>ii :i 12%.

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190 Berg

seine Coniiatres, keinen Menschen, der luxuriös lebte. zu verur- t e i l e ~ ~ und auch Reiche als Herren zu verehren. da sie durch ihre Almosen den boni erst ein Leben in Bul3e und Demut ermijglicli- teil (Leg 3 Soc 55,132). So trennte sich der Heilige hewußt von allen Biridungeii aii das saeculiim3%nd seinen normativen Verhal- tensmodellen, ohne hingegen persönliche Kontakte mit seinen ehemaligen Mitbürgern zu scheuen. um diese existentiell auf deii Weg des Heils zu ~eri i :eisen.+~

Diese Bindungsl»sigkeit der Mirioriteii an die .Welt" verlieh den Brüdern nach i\.eiiigen Jahren bei den Büt-gern riie bei den Angehiirigen der kirchlichen Hierarchie ein völlig neues, anderes Ansehen. das nicht auf bürgerli<:h-gesellschaftliche Normeri gegründet war. Nun wurden die Frai~ziskaner als Repräsentaiiten einer aiidereii. friedlichen Welt betrachtet, denen zuiiehmeiid Schlichtungsaufi.abeii in der zeitgenössischeil Gesellschaft, der sie nicht mehr angehörten, anvertraut ii,tirdeii. So konkretisierte sich die fra~iziskanische Friedeiismission, die vorrangig auf die Erlaii- gurlg des ewigen, außerirdischeii Friedens ausaer~chtet war, schon zu I.ebzeiten des Gründers in zahlreichen Pazifizier~ii~gsaktioneri in italienischen Kommunen." Aus dem Wunsch, nicht nur das eigene Leben ganz auf den Frieden aiiszurichteri. beinülite sich Fraiiziskus zumindest in Arezzo, Assisi. Bologria, Perugia und Sieiia tim eine Vers6hiiung verfeindeter Bürgerkriegsparteieni9 und regte verschiedentlich die Erstellung eiiier gerechteren kom- munalen Verf'assurigsordnung an.i3

<Iicscni ambivalcnirn Vcrhälrnis des Heiligen xiir \Vclt vgl. M. Kaper. i h r W c l t ~ ~ , - s t ~ i i ~ l i i i s der hi. Fr;iiiziskus von .Anisi, Wcr l 1959 (Fnnz. Forsch. 14) bc5. SSX: t-.licr, :\nl'ai~gr I5ff.: l l r > r~e i i c r , i:uiikiioii i i i S . , I S i r f .

'' Dicsc Eiirsclieidung. sich aus <l<:ii Biii<luiigcn an die .\\'cli' lii\cn. zuglcich ;il><.i. s ~ e l s ~ r g c r i i c h ~ t r ~ r e r <Icn >li!rncnsche~~ L U wirken, trat' Frianxiskus er51 n a c l ~ der :\ppr<>baiiori seiiier i.chei>sforrn ( I Cci 35.28).

" l l i e r kijiin<:n keiiir: llii,ii,cire a u f die ~imtai igrc ichc Lit. ,ur G~sc l i i ch ie der i t a l i ~ i i i s c h ~ i i Korninuiicn \o\cie i i i i c r i>oliris<:l~eii ~ i i i d so,.i;rlrii li<ii,tlikre in i I i ohcn \l i i tr l ; i l icr ~ q r l > c c i o.ei<lcn: verii.if.srn sci lcdiglicli ; i u i clic Li!.-:\iqg:lbcn Ihci 130.-q:ii. i.cl>cn\i)rm I ll'f. ( l h i ~ s t ~ l i ~ ~ ~ ~ g Y.. 'I'. ~ : n l ' c c l ~ ~ l x ~ r ) und >I. Uickerhol, Fr i rdc ;il> t-lcriuhaliric~i<i~n-n-~tion in dci- i ral ir i i ischm I'i>liiik des 1:). ] ? i . s , i i>: Ai-ch. Ki i l i . (;ercii. 59 ( l l I i 7 ) 3i011'. - F i i i ..\s*isi vgl. ei i l icr dem gi-uii<llcgci,<ic~i \ C V \ Foi-iiiii. Srii:i \;ii:i <ii S. I-r;&iiccsro. 1 l3<1v.. S. \i;iri;i <lv»ii Ai igcl i Y19i!?ici,r <lcri S;tinrnclb;,n<l .,\ssisi ;il tcnil io <li S. Fr;iiicr\c<>.. .,\>\iri l l ? i 8 .

'? \ ' g i l h i c n ~ ~ ~ ~ i s l i l h r l i c h ~ r ' I ' l i<>n>it i Slialatciisis (llisroi-i;~ C:il<>iiii;~ii<>riiiii, NI. 1.. \.. l ici i>cm;ii i i~. in: \I<;. SS. ?8. 580). dcri ~ r ; ~ i i r i s k i i ~ c . i - c l ~ r r ~ ~ ~ i s ! c c ~ <;claii<> (2 C d I : : l 8 . 1 1 ) I I : I . Fi-;iiiiirci er >i>ri<,iiiin ciur (<:<I. I'. S;iI>:iiici-. I> aihs li?OL> /Ci,ll. <l'Irii<ics 41 I I. +?).

':'S<> r i i i a i i i \ierzo 12 C d 108.101). - Wahrwhrini ich liaiii auch <iic Fi-ir<lerirr~il- ~ u n g <(CS I l c i i i q ~ ~ n v o n :\shisi V ~ I s<vrwm S ~ c r l ~ c I ~ c r i ztmb ~ ~ ~ ~ r l ; ~ s s ~ ~ ~ ~ ~ s r ~ ~ h r l i c l ~ ~ -\ i i<Irri i i igcii iii <Irr K<ni>ii i i ir ir xiir i:<>l:rr: usi. Siic<iiliiiir i '~rfcciioi i is. vd. I'. S,sImti<,r. I k l . I. h l :~~>chvsv~. 1!128. 101. '2 l? l l t .

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4. Auch iii deii 2Oer Jahren des 13. Jalirhuiiderts bemühten sich der Poverelio uiid seiiie Gesiniiuiigsgefährten, diese Trennurig von der bürgerlich-kiidaleii Gesellschaft aufrecht zu erhalten uiid zugleich ihre Friedeiismissioii zu realisiereii. Einen ersteii Möhe- punkt dieser fraiiziskaiiischeii Friedeiisbemühungeii stellen die Geschehiiisse der sogeiianiiten Halleli~]a-Bewegung im Jahre 1233 ciar, als 'finoriteii im Vereiri mit dominikaiiischeii Prediger~i in zahlreichen Stärlrrii Oberitaiiens verfeindete politische Parteieii versöhnten, iniierkommiiiiale Konflikte schlichteten und die Bür- ger zri einei- bußfertigeii ;inderiing ihrer Lebeiisiveiso veranlall-

Zumiiiciest zeiticeilig gelang es biinderbrüderii, wie etwa Frater Gerard i i i I'arma, ihre Pazifizierringsbemühu~ige~i arich rechtsverbindlich zrr koiikretisiereii uiid in Podesta-ähnlicher Funktion eine Anderiing der komrnuiialen Statiiten im Sinne der franziskanischeii Friedenskonzeptioii vorzunehmeii. So ließ Ge- I-ard 1233 iii deii parniesischeri Statuten die von ihm i-eranlafite pax z.rvisclieil den \.ei-feiiideten Parteien kstschreiben und durch Zusaneii rler Streitenden sichern. Zugleich bemühte sich der

i> Fr;inziskaiier um die Fisier-uiig aller Kechtsanspriiche und Freihci- ten der Kirche, uni die Verschärfung von Sittengesetzeii uiid die Repression der 1-Iiiresie." Ähnliche Aktioi-ieii unternahmeil Min- derbrüder und Doiiiinikaiier, wie Frater Joharines von Viceriza, i r i anderen oberitaiieiiischeii Stäclten. wo sie das Aiisehen iiiid die gesellschaftliche Resoiiaiiz ihrer Orden beträchtlich steigern koniiteii.'"

Doch waren die Erfolge der biendikaiiten bei ihren I'azifizie- rungsbemühungen in Oberitaiieii iiicht von Dauer, schoii iieiiige &foiiate nach der groRen Haileiu,ja-Bewegung des Jahres 1233 setzten die Kornmiinen bzi\~. die Bür-er ihre alten Auseinanderset-

? zuiigeii fort.<' klierdurch er~\.icseii sich rlie Friedensaktio~ieii der Rettelordeii nicht riiir als lediglich begrenzt icirksam, zugleicii

'"\CI. l i i i .r/ i i :,iillri- rici- Srii<iic \ < > T i C. S i i l l r i . Joli;!iiii i o r i 'i'icciiza i i i i< l d i r iialiciiischr I;iic<lci~rl>c<i.<~~ii~,g i i i i I ; i l ire 1233. Fri ibi i i-X 1891. bvs. 22I.f: <l ir I : i l > r i t v o n \ . \::iii<hc,.. L;i>c <anq>;i$iic <ir l>acilic:iiioii rii i.ornl>;ir- clic : i t i t<>~tr <I<! l2:3:3, in: c.c<>lc FEI~IC. I<otnc, h1C.I. a r c l ~ . bist. 78 0!166) 503f'f'. F.i:w <leiiili<-hrrc i re i i i i i ing r i r ihci i i i i Slcii<likaiirci~;iLiii~rrcc~ i i i d der popiil;ii.cii Bc1ic- ,qtiii<' l>i,srziiciir V . i:i~iii;i$;iIli. i i i : 18, ii,;irxiiic all' .:\llcliiia' dcl 1233, il>: f1ti11. 1st. Sroi-. 11. 40 (I<li>S) 2 i i l ' l .

"' \'~i-iiii<lci-iii~i:ee~ b i i i c l , i i I<>i i * i ; i i ic l -~ i i iii S~;ituts <<>rnmiiiiis Perrnclisir <li~csr;i an$><> Ll<;Cl.V. <,<I. :\. kn~cI>in?i . Ikl. I. I twna I85ij. l<l4I'f., 22lI'f.. 2<)01I'., :3OlI'l.. vql .

liici-,.ii \';iii<-lwr. C;iiril>agi>c iO3I'i. ' ~ \ i i r l i i l i i l i < - l i ~ i\rli.gv Ibvi Siiiici-. j<>li:&iiii :i+l'l.: i':iilchc/. <:;iiiil>:ii:iic 5OilI.. ii .Siirrrr. J<di; i i?i i I.&11I', \'XI. ,w<-ii 11. Ilefclr. 1)ic Brrrvlor<lci i iii,d <I;,\ rc l ig i i iw

Volki lr l>ci> Ol jcr- i i i i d \ l i i i c l i i ; i l i c~ i~ i i i i X I I I . j l i . . L.ci!>,i~Bcrliii l i ) l O (Bciri-iixc I .

Ki i l i . $<-,<I,. \i:\. <I) I2Oif'.

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wurde ein z\vischeiizeitlich eingetretener Wandel in der Haltuiig der Brütler gegeiiüber dem saeculuin deutlich. Zunehmend stan- den clie Fratres nicht mehr als demütige minores a~il3erhalb der bürgerlich-feudaleii Gesellschafi. derer1 Normen ursprünglich für sie keine Geltung hatten: vielmehr wurden die Minderbrüder laiigsam iii die Gesellschaii re-integriert und verstärkt in politische bziv. soziale Koiiflikte ihrer Mitmenscheii hirieiiigezogen. Nicht zufaliig spielten die Franziskaiier, genieinsam mit deii Predigerri. i i i dem sich verschärfenderi Kampf zwischen Papsttum und Kaiser- tum im Zeitalter Friedrichs 11. eine immer bedeutender werdende

Begorinen hatte dieser Prozelj tler Ile-liitegratioii de r Miiioriten in die zeitgeiiiissische Gesellschaf't schoii nach dem T o d e des Grüiiders. Entscheidende Ursache dieser habituelleii Verände- rung der Franziskiiier gegenüber dem saeculum war die Eiiibezie- hung der Brüdergemeinschaf't iii die kircheiirechtliclie Ordnuiig der ecclesia iirld die ¿=bertragung pastoraler Aufrabeii iin paro- chialeii Bereich. Im Zuge de r Klerikalisierung der Kirche im 13. Jahrhundert icar ein ähnlicher Prozeß i r i der frateriiitas demütiger \+inderbrüder ~invermeidixar. wollten die Fratres, deii kircheii- rechtlichen Nornieri der Zeit entsprechend, Seelsorge betreibe~i .~" So erfolgte kontinuierlich eirie Klerikalisierung der Franziskaner- gemeinschaft, in der Prediger bald iiicht mehr ohne hinreichende theologische Kenntnisse auskameii.'" ßeide Elemeiite - kirchliche Weilieii und theologische Bildung - verlieheri den Brüdern, auch wenn sie sich sträuben mocliten, ein ges~llsctiaftliches Aiiseheii, das nicht immer mit der Rolle von minores vereiiibar ivar.jl I'äpstliche Pri\,ilegierungen, der Einsatz bei politisclieii und kir- ciieripolitischeii Missioneii im Auftrage des Papsttums und die überiiahme von kirchlichen Digiiit2teni2 verstärkte11 noch deii ProzeB de r Wiedei-einbinduiig der Franziskaiier i r i das hierarchi- sche Systeni von Kirche iiiid Gesellschaft.

So ivurtie spätestens seit dcri 20cr Jahren dcs 13. J;ilirhuiiderts tlie iiiiiioi-itiiche Gcselischaftskritik iii ihr-er Ratiikalität entscliärti uird die Bi-üdei- zunehmend i i i die Konflikte des saeciilum verivik-

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1975 ( I ' < > i i r . I l i b r . \Ic<i. Siii<l. Siiidics aiid rcris 5:3!.

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kelt. Crsprünglich hatten sich Franziskus und seine ersten Gefähr- teil durch ihre Forderung nach radikaler paupertas und minoritis v6llig von der bürgerlich-feudalen Gesellschaft gelöst, um dir imitatio Christi zu erstreben und i i i ihrem Orden ein Abbild clcs himmlischen jerusalem zu schafkii. Angebliche sozialreformatori- sche oder Kar sozialre\~oluti«näre Pläne' etwa zur politischen C'iiterstützuiig einer besonderen sozialen Gruppe oder Klasse. wird niari dem Poverello hierbei nicht unterstellen kBnneii. Deri- noch besaßen einige Eleinente der franziskanischen Lebensiveise mittelbar sozialpolitische Implikationen, wie etwa die Postulate der Armut. des Gehorsams, de r Handarbeit. des Miiiderseins und nicht zuletzt der Friederisverküiidigung. So solidarisierten sich die Franziskaner durch ihr Leben in völliger Armut mit den gesell- schaftlich Beiiachteiligten urici Ausgestoßenen und wiesen demon- strativ auf den Wert der Handarbeit hin. Im Einsatz fur die Verfblgten und voii kriegerischen Wirren Bedrückten griffen die Minoriteti bei iliren Friedensmissionen auch direkt vermittelnd in das gesellschaftliche Geschehen der Zeit ein, ohne hiiigegen ihre Friedensmission rein iniierr\-eltlich als die Herbeiführuiig von Ruhe und konfliktf'reiem Lebeii für ihre h4itbürger zu verstehen. Pax stellte für Fraiiziskus uiid seine Brüder ein Geschenk Gottes an die bfeiischen dar, die von den Franziskariern durch dereil friedliche Existenz auf den ewigen Frieden verwieseii werden sollten. Der ordo minorum harte nach Auffassung des Gründers nicht nur für irdischen Frieden Sorge zu tragen, soiidern sollte das Evaiigelium innerweltlich vorleben, das eschatologische Jerusaleni symbolisieren und das Reich Gottes in der Predigt verkündigen.

Z~imiiidest die erste Franziskanergeneratioii war bei diesen Bemühuiigen erfolgreicli und maiiifrstierte - ohiie koiikrete gesellschaftsrek>rmatt>rische Aktivitäten \~orziinehrneii - durch ihre hiolie Esisteiiz eine stete Mahnung an die Mitmenschen, die Fragwürdigkeit ihi-er gesellschaftlichen Normen zii bedeiiken uiid den Forderungen cles Evaiigeliuins bei ihrer Lebensgestalt~iiig stärker Kechiiuiig zii tragen. Iiisbesondere gegenüber der Kirche ~i i id ihi-eii f~lierarcheil verzichteten Fi-;iiiziskur uiid seine Gefahi-- ten aufjrgl iche kritik ~ i i id tolgten cl<sran Weisungeii grhors;~m. '~ soferii Iiirrtliii-<:I? nicht essentielle Eleinciit? der vit;i mirrot-tim in J:r;ige gestellt n.iii-den. Deniioch sorgte das P;ipsrtuin durch die

53 - Lurn Ir;ili,isk,iiihci>r$1 <;~li<~rr;~insicrs~ii~i~I~~ii ,CI. L. K1:ci-. liiii<luii- / i ir 1:rriIi~ir. i : V . \ V I I . 1 1 1 . s<iwi<i clic bcrccli i igiri i Eii>iviisi<lc L.-\'. Sr1.c. K ~ c l i i ~ p r ~ i i i l i iiii<i l<lc<. ~1r.1- li-iilici> ( ;vni~i i~~cI i : i l i der l;i-;iiix i < > r i .\r\i*i. i i i : l:i-ii<,iii.i-iiiii: ~1i.r ri~,rii Kii-clic. FS. 13. l I i>r i ik~ini i i . <;iiitiiii.ei, l<)ljli. 181'1. Fci-iwr ;\. R<,iicrrer. % i i i liii-<hlirhkcil < i c h I;i;iiii vor, :\\\i\i. in: Fi- in^. S i . 63 (I<>S:i) iOl l .

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eiige Biiiduiig der franziskanischen fraternitas und durch deren Klerikalisierung spätestens Ende der 20er J a h r e des 13. Jahrhun- derts für eine allmähliche Re-Integration des ordo minorum in die bürgerlich-feudale Gesellschaft. Auch der franziskariische Frie- densgedaiike U-urde seiner eschatologischen Komponente weitge- hend beraubt uiid durch die Beschränkung auf die Beseitigung iniierwrltlicher Unruhen säkularisiert.

So führte die Akkomodation der vita mirioriim aii die Lebens- weise der alten Oi-den durch päpstliche Gesetzesmafinahmen und Kegelkommentare und de r wachsende Eiiifluß von gebildeteii Klerikerri im Ordeii zu einem Waiidel der f'ranziskaiiischeii ffater- nitas von einer außerhalb der Gesellschaft stehenden Gemein- schaft demütiger Brüder zu einem mächtigen und arigeseheneri Orden i r i de r Kirche. Nicht zufälligerweise verzichteten die Ange- hiirigen des Ersten Ordens zunehmerid auf eine gesellschaftliche Kealisieriing i-on Postulaten de r vita miiiorum, die zu einer fuiida- meiitalei~ Äiiderung der zeitgeiiiissischeii Gesrllschafr urid ihrer Merrschaftsstruktureii geführt hätten., Deiinoch blieben die ursprünglicheii Vorbehalte de r ersten Franziskanergeneration ~ e g e i i ü b e r der bürgeriich-feudalen Gesellschaft durch die Auf- rechterhaltung fianziskanischer Kegelpostulate mit sozialpoliti- sclien Implikatioiieii konzeptionell erhalteii" und prinzipiell ver- fügbar - besonders für Ordensangehiirige, die mit der veräiider- teil Rolle des ordo miiiorum in de r Gesellschaft nicht einverstaii- der1 waren uiid -wie z. B. Bruder Leo von i\ssisi und sein Kreis - die angebliche zwischenzeitliche Fehlenti\sicklung des Ordeiis unter Rückgrifl a~if' die urfr~nziskanischeii Vorbehälte gegeiiüber iler Gesellschaft kritisiere11 konnten.

54 Gcsciisci~afrskritischcr eri<irsci> sich hiii~cseri die Angrhijrigeii dcs Llritteii Oi-ciciir. rlic eiiie Vci-i<.ciiduiig rr>dbringcii<lcr Waffen si>wic die Eidc~leisiiiii~ LLir

i<oiirritiiici.iiii# so,ialci- I n i e r r s s ~ i i ~ ~ : ~ - l > i i ~ ~ c l e ;ibicliiiirii i i ~ i d Fric<lcrismaDiial in~~~~~ in ihrem si>~.ia!i.ii I.<:hcnskreis F?>rdcrtcti. - iosiühriiclicr Iiicrzii I ffati !>r~itirciiri <ii S. Fi;tiir-csco iicll;i socierd <lci <iiic r riecriiro. <,d. \I. <I':\l;itri. Kr>m:, 1977: I I iii<)\iil?vi>co (r;tilcc\<i~ii<> <Icl/i~ L ' i ~ ~ ~ i t c i ~ ~ ~ i ilrllä socirti m:.<li<><:i.i~lc. cd. M. <I',\lati-i, I<<,,,,:, 1~180.