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Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. Heft 08/14 · 45. (63.) Jahr · A 4834 E www.kinder-undjugendarzt.de HANSISCHES VERLAGSKONTOR GmbH · LÜBECK Forum: Kinder- und Jugendärzte – Anwälte der Umweltmedizin Fortbildung: FAS – Täter Alkohol – Opfer Kind Berufsfragen: Neue Famulaturbörse im Internet Magazin: Saccharin – Eine Kriminalgeschichte

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Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.

Heft 08/14 · 45. (63.) Jahr · A 4834 E

www.kinder-undjugendarzt.de

HANSISCHES VERLAGSKONTOR GmbH · LÜBECK

Forum: Kinder- und Jugend ärzte – Anwälte der Umweltmedizin

Fortbildung: FAS – Täter Alkohol – Opfer Kind

Berufsfragen: Neue Famulaturbörse im Internet

Magazin:Saccharin – Eine Kriminal geschichte

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.Herausgeber: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.in Zusammenarbeit mit weiteren pädiatrischen Verbänden

401 Mutter-/Vater-Kind-KurenDetlev Geiß

402 Kinder- und Jugendärzte-tag: UmweltmedizinChristoph Kupferschmid

404 Einschlafhilfen, Durch-schlafen und ElternstressAnnette Kast-Zahn

406 Bits + BytesBernd Byte

408 Erfolgreiche erste Lesestart-Phase läuft aus

409 Vermischtes410 Das Leser-Forum410 Impressum

Forum Fortbildung Berufsfragen Magazin411 Das Fetale Alkohol -

syndrom: häufig und häufig übersehenMirjam N. Landgraf,Florian Heinen

415 Schwindel in der KinderarztpraxisThyra Langhagen,Florian Heinen,Klaus Jahn

428 Consilium Infectiorum:Anaphylaxierisiko bei ei-nem 18-jährigen Mädchen

430 Review aus englisch -sprachigen Zeitschriften

433 Welche Diagnose wird gestellt?Peter H. Höger

443 Saccharin contra ZuckerOlaf Ganssen

445 Ehrungen beim 44. Kinder-und JugendärztetagChristoph Kupferschmid

446 Paediatrice-Termine447 Michael Vomstein ist 65

Jahre alt?Michael Mühlschlegel

447 Buchtipp450 Fortbildungstermine des

BVKJ451 Die Welt der Kinder im

Blick der MalerPeter Scharfe

453 Personalia454 Nachrichten der Industrie459 Wichtige Adressen des BVKJ

Inhalt 8/14Redakteure: Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz, Bremen (federführend), Prof. Dr. Florian Heinen, München,Prof. Dr. Peter H. Höger, Hamburg, Prof. Dr. Klaus-Michael Keller, Wiesbaden, Prof. Dr. Stefan Zielen,Frankfurt a.M., Dr. Christoph Kupferschmid, Ulm, Regine Hauch, Düsseldorf

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegen in voller Auflage ein Supplementder Firma Nuron Biotech Germany GmbH, München,und eine Image-Broschüre des BVKJ bei.

Wir bitten um freundliche Beachtung und rege Nutzung.

S. 443

399

435 Die neue Famulaturbörsedes BVKJUlrike Gitmans

437 Die Vorsorgeunter -suchungen werden gestärkt!Stephan Eßer

439 EBM-Modifikation 2013 Roland Ulmer

440 Workshop „Sprung in die Praxis“Johanna Harris

441 Wahlaufruf442 Das Bundeskriminalamt

bittet um Mithilfe!

Foto: © Sunny studio - Fotolia.com© Zucker-Museum, Berlin

Saccharin contra ZuckerKriminalgeschichte eines Süßstoffes

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Elektrische Zigaretten und elektrischeWasserpfeifen sollen nach dem Willen vonBundesernährungsminister ChristianSchmidt (CSU) für Minderjährige verbo-ten werden. „E-Zigaretten und E-Shishashaben in Kinder- und Jugendhändennichts zu suchen“, sagte er der RheinischenPost. „Die Verdampfer sind keine harmlo-sen Naschereien - auch wenn sie nach

Schokolade, Bubble Gum oder Meloneschmecken.“

Verkaufsverbot an Kinder und Jugend-liche soll nach dem Willen von Schmidtüber das Jugendschutzgesetz und überVerschärfungen der europäischen Tabak-produktrichtlinie erreicht werden. Erwolle verhindern, dass E-Zigaretten undE-Shishas den Einstieg in eine Raucher-

Karriere fördern, sagte Schmidt. Die süßenAromastoffe verschleiern die potenziellenGefahren. Insofern gebe es Parallelen zusogenannten Alkopops, bei denen dersüße Geschmack den Alkoholgeschmacküberdecke. Auch nikotinfreie E-Shishasseien gesundheitlich nicht unbedenklich.

Red: ReH

Bundesernährungsminister Schmidt will E-Zigaretten und E-Shishas für Minder-jährige verbieten

Bei Anträgen zu Mutter-/Vater-Kind-Kuren bekommen wir Pädiater regelmäßigFormulare für die Mitnahme der familien-versicherten Kinder vorgelegt.

Viele Kolleginnen und Kollegen sindunsicher, wie diese Formulare ausgefülltwerden müssen, insbesondere ob eine kur-bedürftige Diagnose für das/die mitzu-nehmende(n) Kind (er) für den Antragser-folg nötig ist.

Tipps dazu gibt es in der gut und klarformulierten „BegutachtungsrichtlinieVorsorge und Rehabilitation“ des „Medizi-nischen Dienstes der Spitzenverbände derKrankenkassen (MDS). Sie ist nur leiderden Wenigsten bekannt. Deshalb hier dasWichtigste in Kürze:

Maßgebend für die (Kur-) Empfehlungist die Indikation für die Mutter/den Vater!

Von sechs gleichberechtigt aufgeführ-

ten Gründen zur Mitnahme eines Kindesbis 12 (14) Jahre erfordern wenigstens 4eindeutig keine kurbedürftige Krank-heitsdiagnose.

Für diesen- häufigsten- Fall haben wireinen Aufkleber für das Antragsformularvorbereitet:

Leider lehnen die Kassen in letzter Zeitwieder vermehrt Anträge ab mit dem mei-nes Erachtens unzulässigen Hinweis, die

Kurbedürftigkeit des Elternteils sei zwarunbestritten, aber für die mitversichertenKinder fehle -leider,leider -die "richtige"Diagnose.

Um sanktionsbewehrte „Gefällig-keits“diagnosen (§278 STGB) zu vermei-den oder um uns zeitaufwändige Wider-spruchsformulierungshilfen nach solcheiner Absage zu ersparen, haben wir denText der Richtlinie auf eine DIN A4-Seite

gebracht und überreichen diesen den El-tern mit dem bearbeiteten Antragsformu-lar und einem kurzen Briefing als Ableh-nungsprophylaxe.

Mit dem informierten Versicherungs-nehmer vor sich und dem familienfreund-lichen Text aus der eigenen Organisationvor Augen dürfte es den Antragsbearbei-tern/innen sehr schwer fallen, richtlinien-widrige und somit unzulässige Ablehnun-gen zu formulieren.

Info: Wer den Text im Gesamtzusam-menhang lesen möchte, findet ihn über: http://www.mds-ev.de/media/pdf/2012_02_06_BGR_final.pdf

Die „Begutachtungsrichtlinie Vorsorgeund Rehabilitation, 3.5.1 Mutter-/Vater-Kind-Leistungen“ finden Sie zum herunter-laden und ausdrucken in unserem OrdnerKinder- und Jugendarzt in PädInform.

Detlev Geiß

Der Autor arbeitet als Kinder- und Jugendarzt inKöln-Chorweiler

E-Mail: [email protected]

Red.: ReH

Mutter-/Vater-Kind-Kuren: Regelungen zur Mitnahme nicht kurbedürftiger Kinder

Mutter-Kind-Kur aus mütterlicher Indikation; notwendige Mitnahme dessonst unversorgten Kindes zur Sicherung der Durchführung der Kur der Mut-ter gemäß der „Begutachtungsrichtlinie Vorsorge und Rehabilitation“ desMDS, Kapitel 3.5.1.(Mutter- / Vater-Kind-Leistungen)

Betriebswirtschaftliche Beratung für Mitglieder desBerufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte

An jedem 1. Donnerstag im Monat von 17.00 bis 21.00 Uhr stehen Ihnen Herr Jürgen Stephanund seine Mitarbeiter von der SKP Unternehmensberatung unter der Servicerufnummer

0800 1011 495 zur Verfügung.

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Dreck ist gesund, Staubmacht krank

Die Bilder vom Säugling im Kuh-stall gingen durch die Laien- und dieFachmedien, er hat später wenigerAsthma als Vergleichskinder. Der Be-griff „Schmutzimpfung“ wurde ge-prägt. Prof. Albrecht Bufe, Bochum,erläuterte, wie Bestandteile der Stall-luft in der Säuglingszeit das spätereAllergierisiko vermindern können.Aber nicht nur allergische Krankhei-ten haben zugenommen, währenddie Infektionskrankheiten zurückge-gangen sind, sondern auch die Auto-immunkrankheiten wie DiabetesTyp 1 und Colitis Ulcerosa. Lipopro-teine, Arabinogalactan und be-stimmte Bakterien müssen jedochnicht gespritzt werden, um das Im-munsystem günstig zu beeinflussen.Es genügt, wenn die Versuchstierevon Prof. Bufe diese Stoffe inhalie-ren. Auch wenn eine Mutter in derSchwangerschaft bestimmte Bakte-rien inhaliert, wird ihr Säugling spä-ter eher immuntolerant.

Feinstaub in der Luft macht zwarselbst keine Allergien. Er verschlech-tert jedoch ein bestehendes Asthmaund begünstigt das Auftreten vonPneumonien. Zudem, so Dr. Joa-chim Heinrich, München, sind er-höhte Werte von Feinstaub und Ver-kehrsabgasen assoziiert mit einer er-höhten Säuglingssterblichkeit undeinem niedrigeren Geburtsgewicht.Prof. Keller erinnerte daran, dass ins-

besondere ärmere Familien an dengroßen und Feinstaub belastetenStraßen wohnen.

Dicke LuftSchlechte Luft in Klassenzim-

mern beeinträchtigt das Lernvermö-gen. Sie macht Kopfschmerzen, un-aufmerksam und unruhig. Wie sti-ckig es ist, kann man an hohen CO2-Konzentrationen ablesen, und mitdem CO2 ist auch die Feinstaubkon-zentration hoch. PD Ursel Heudorfhat mit ihrem Team vom öffentli-chen Gesundheitsdienst an Frank-furter Schulen meist Werte über

1000ppm CO2 pro KubikmeterRaumluft gemessen, die als Ober-grenze des Unschädlichen gelten.Teilweise wurde das Fünffache diesesWertes überschritten. Regelmäßigeskurzes Lüften ist angesagt und auchdas tägliche feucht Wischen der Fuß-böden, um die Staubkonzentrationzu reduzieren. Lieber sollten wir zweiMinuten für besseres Schulklimaund für bessere Aufmerksamkeitwährend der restlichen Schulstundeverlieren. Schulgebäude nach demPassivhausstandard sieht Heudorfkritisch. Denn Lüftungsanlagen sindhäufig defekt und während der Som-mermonate abgeschaltet.

Schlechtes Lüften, Feuchte undmoderne, dichte Fenster sind auchFaktoren, die zu Schimmel in denWohnungen führen. Häufig istSchimmel in Wohnblocks zu finden.Besonders kritisch ist es, wenn er anden Wänden von Wohn- und Kin-derzimmern wächst. Dr. ThomasLob-Corcilius, Osnabrück, refe-rierte aus dem Kinder-Umwelt Sur-vey 2003/06 hohe Sensibilisierungs-raten von Kindern und Jugendlichengegenüber Schimmelsporen. Ab 0,5m² befallener Wandfläche steigt dieHäufigkeit von Asthma bei Kindernunter sieben Jahren, die in diesenWohnungen leben, auf das Doppeltebis Dreifache. Corzilius rät, dass Mie-ter sich beispielsweise bei der Ver-braucherschutzzentrale oder beimMieterschutzbund genau informie-

44. Kinder- und Jugendärztetag 13.-15. Juni 2014 in Berlin

Umweltmedizin„Auch auf dem Gebiet der Umweltmedizin müssen sich Kinder- und Jugendärzte als Anwälteder Kinder begreifen“, begründete Tagungspräsident Prof. Klaus Keller, dass dieses Themaein weiteres Mal Gegenstand eines großen Kongresses war. Ökologie als Faktor für Gesund-heit ist längst kein Thema mehr von „alternativen“ Gruppen. Sie hat Einzug in die medizini-sche Wissenschaft gefunden, in erster Linie bei den Allergologen. Über 300 Kolleginnen undKollegen erfuhren zudem, welchen Einfluss elektromagnetische Felder, Lärm, Schadstoffe inNahrung und Luft auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben. Viele wurden vonihren medizinischen Fachangestellten begleitet, die parallel, beim 9. Kongress 'Praxisfieber-live', zusätzliche Qualifikationen für wesentliche Bereiche ihrer täglichen Arbeit erworben ha-ben.

Für Regina Kraushaar, Abtei-lungsleiterin im Gesundheits-ministerium, haben Kinder einRecht auf Impfungen. Ihr Anlie-gen ist der Ausbau von Präven-tion und Gesundheitsförde-rung. Foto: Helmut Hoffmann

Dr. ChristophKupferschmid

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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ren sollen, da sie Kosten für Messun-gen und Gutachten womöglich selbstbezahlen müssen.

Nicht stoffliche GefahrenViele Jugendliche tun bereits das

Richtige. Sie kommunizieren überSMS, Facebook oder WhatsApp, an-statt das Handy stundenlang am Kopfzu tragen. Die Hauptgefahr derHandynutzung sieht Dr. MatthiasOtto, Osnabrück, in der gestörtenKommunikation und in der Suchtge-fahr. Die elektromagnetische Strah-lung im Hochfrequenzbereich vonSendeantennen und Endgerätenbleibe meist sehr weit unterhalb desGrenzwertes. Handys und Smartpho-nes könnten auch gefahrlos am Kör-per getragen werden. Lediglich, wennman für lange Zeit jeden Tag längerals eine halbe Stunde mit dem Gerätdirekt am Ohr telefoniere, bestündeein gering erhöhtes Risiko für Hirn-tumore. Abstand und gute Emfangs-bedingungen sind wichtige Schutz-faktoren.

Niederfrequente Magnetfelder,beispielsweise in unmittelbarer Nähevon Hochspannungsleitungen, hät-ten einen geringen Anteil am Leukä-miegeschehen. Diskutiert wird auch,ob sie Alzheimer und amyogene Late-ralsklerose begünstigen. Niederfre-quente Magnetfelder verursacht auchder Transformator im Radioweckerneben dem Kopf auf dem Nachttisch.Es gelte das Minimierungsgebot. Fürdie Freileitung genügt ein ausrei-chender Abstand, Geräte im Haushaltsoll man abschalten oder durch strah-lungsarme Geräte ersetzen.

„Der Tag wird kommen, an demwir den Lärm so unerbittlich be-kämpfen müssen, wie die Pest und dieCholera.“ Schon längst müsste diePrognose von Robert Koch erfülltsein, meint Prof. Frans Conix, Solin-gen, weil 2,4% der deutschen Jugend-lichen eine Lärmschwerhörigkeit ha-ben. Bereits in der KiTa sind die Kin-der einem Schalldruck von 80-85dBA ausgesetzt. Ein Wert, der im Be-rufsleben für maximal acht Stundentäglich erlaubt ist. Bedenkt man, dassbeim Essen in der KiTa 110 dBA er-reicht werden und bei Geschrei mehr,dann wird klar, dass bereits dort dieSchädigung der Schnecke beginnt. In

der Schule ist es kaum besser, und 106dBA, ein Wert, der in Diskothekenund mit Kopfhörern leicht erreichtwird, ist im Arbeitsleben für höchs-tens für eine Dauer von vier Minutenerlaubt. Lärmprobleme machenLernprobleme. Das Zuhören wird fürKinder schwieriger.

Gute Gründe für BioWir haben gute Nahrungsmittel

in Deutschland, freut sich Prof. KarlErnst von Mühlendahl, Osnabrück.Nicht zuletzt den Aktivitäten vonKinder- und Jugendärzten sei es zuverdanken, dass die Schadstoffe inder Muttermilch heute nur noch 10-20% der Werte erreichen, die vor 30Jahren gemessen wurden. Blei,Quecksilber und PCB gelangen ausder Umwelt in die Nahrung, bei-spielsweise in Meeresfische. Siekönnten neurologische Störungenverursachen, aber die Dosis machterst das Gift. Deutlich höher sei bei-spielsweise das Tumorrisiko durchAdipositas als durch Schadstoffe.Mühlendahl kauft gerne im Bioladen– aber insbesondere um diese Be-triebe zu unterstützen. An die Stelleder klassischen Umweltgifte seienheute andere Faktoren getreten, dieunsere Kinder krank machen, darun-ter Armut, Gewalt, Medien, Migra-tion und gestörte Beziehungen.

Vielleicht gibt es doch andere guteGründe im Bioladen zu kaufen. Ausdem ehemaligen Veterinäramtsdi-rektor aus Uplengen, PD Dr. med.

vet. Hermann Focke, sprüht ehrli-che Entrüstung, wenn er über denMissbrauch von Antibiotika in derMassentierhaltung spricht. 1740Tonnen unterschiedlicher antibioti-scher Substanzen seien 2012 inDeutschland von den Tierärzten andie Erzeuger abgegeben worden.„Ohne Einsatz von Antibiotikaschaffen es die Hühner nicht, bis andas Ende der Mastzeit zu überleben“,gebe selbst das niedersächsischeLandwirtschaftsministerium zu. SeitMitte der 80er-Jahren werde der In-fektionsdruck in den Betrieben im-mer größer. Die Dosen von Antibio-tika müssten immer weiter erhöhtwerden und inzwischen werden be-reits Reserveantibiotika verwendet.Resistente Keime finden sich nichtnur gehäuft im Darm von Schwei-nen, sondern bereits auch in unse-rem Essen.

Artgerechte Haltung und ein ra-tionaler, gezielter Antibiotikaeinsatzgehört für Funke zu den Maßnah-men, die ergriffen werden müssen,um einer drohenden Apokalypsedurch multiresistente Keime zu ent-gehen. Für ihn ist dies ein Teil des lie-bevollen und sorgsamen Erhaltesvon Natur und Umwelt.

Einige Redner erinnerten daran,dass wir die Welt an unsere Kinderund Enkel weitergeben. Und derenAnwälte wollen wir ja als Kinder-und Jugendärzte sein.

Dr. Ch. Kupferschmid

E-Mail: Ch. [email protected]

Die Mädchen aus „Charlottes Boogiestube“ begeisterten bei der feierlichen Kon-gresseröffnung. Foto: Helmut Hoffmann

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Einschlafhilfen, Durchschlafen und ElternstressPrävalenzdaten aus der Kinder- und Jugendarztpraxis

Als Hauptkriterium, nach demEltern die Schlafqualität ihrer Kinderbeurteilen, gilt die nächtliche Auf-wachhäufigkeit (Galland & Mitchell,2010). In vielen Untersuchungenwird betont, dass Kinder nachts bes-ser schlafen, wenn sie unabhängigvon elterlicher Hilfe einschlafenkönnen (Mindell, Sadeh, Kohyamaund Hwei How, 2010).

„Praxis forscht“Wir haben Eltern anlässlich der

acht Vorsorgeuntersuchungen U3 bisU9 mit einem Fragebogen befragt,wie oft ihre Kinder nachts aufwachen.Zusätzlich haben wir den empfunde-nen Stresslevel der Eltern erhoben

und elterliche Einschlafhilfen, wieBrust, Fläschchen oder Körperkon-takt.

Der Studienplan orientiert sich anden Studienkriterien der Stiftung„Kind und Jugend“ (Durchführungin Praxen, vertretbarer Aufwand, fürdie pädiatrische Praxis relevante Fra-gestellung). Teilgenommen habensieben Kinder- und Jugendarztpra-

xen aus dem Qualitäts-zirkel des Kreis Neussvon Dezember 2010bis Dezember 2011.Die Teilnahme der El-tern erfolgte freiwilligund ohne Vergütung.Die Teilnahmequotebetrug nahezu 100%.Durch die Größe derStichprobe (2622 be-antwortete Fragebö-gen) sind alle acht Al-tersgruppen ausrei-chend groß für statisti-sche Berechnungen.

Das Besondere andieser Studie ist, dassdie Daten in Kinder-und Jugendarztpraxenim Rahmen der U-Un-tersuchungen erfasstwurden. Auf diese

Weise konnte mit geringem Aufwandeine große Stichprobe rekrutiert undumfangreiche Prävalenzdaten erho-ben werden.

Harte Jahre für ElternJe älter die Kinder werden, desto

häufiger schlafen sie durch und desto

seltener werden sie nachts wach(Abb.1). Im Alter von vier bis sechsWochen schlafen jedoch nur sehrwenige Kinder regelmäßig durch.Die große Mehrheit wird zweimaloder öfter wach. Der Anteil der Kin-der, die mindestens zweimal proNacht wach werden, ist in den erstenbeiden Lebensjahren sehr hoch(38% bei den Einjährigen, 24% beiden Zweijährigen). Von schwerenDurchschlafstörungen mit mindes-tens dreimaligem Aufwachen sindbis zum Ende des zweiten Lebensjah-res 10-20% der Kinder betroffen.

Der Anteil der Kinder, die nachtsdurchschnittlich mindestens einmalwach werden, ist mit 60% wesentlichhöher als in anderen Studien (Sadeh,Mindell, Luedtke, & Wiegand, 2008;Zuckermann, Stevenson, & Bailey,1987). Auch der Anteil der Kinder,die zweimal oder noch öfter proNacht aufwachen, ist insbesonderewährend der ersten beiden Lebens-jahre höher als in anderen Studienberichtet.

Ernsthafte Schlafproblemenach „Einschlafhilfen“

Kinder ab der U4, die Einschlaf-hilfe benötigen, wachen signifikanthäufiger auf als Kinder, die keineEinschlafhilfe benötigen (p<0.006)(Abb. 2). In der Altersgruppe U3zeigt sich dieser Unterschied nicht.Im Alter von etwa sechs Monaten istder Einfluss der Einschlafhilfe amgrößten. Mit Einschlafhilfe siehtman zwischen der U4 und der U5 ei-nen Anstieg der Aufwachhäufigkeit.

Jeder Pädiater hat täglich mit Schlafproblemen seiner kleinen Patienten zu tun. Wir unter-suchten das Schlafverhalten von Kindern im Alter von 5 Wochen bis 5 Jahren, die zur U-Un-tersuchung (U3-U9) in die Kinder- und Jugendarztpraxis kamen. Aus den Ergebnissen kanngeschlossen werden, dass es einen relevanten Zusammenhang zwischen Schlafqualität desKindes und elterlichen Einschlafhilfen sowie empfundenem Elternstress gibt. Ein Verhaltender Eltern, welches das selbstständige Einschlafen des Kindes begünstigt, kann sich somitauf die Schlafqualität des Kindes und dementsprechend auch auf das Wohlbefinden der El-tern positiv auswirken.

Abbildung 1: Aufwachhäufigkeiten der Kinder in denverschiedenen Altersstufen in Prozent - eingeteilt inKinder, die durchschlafen, die einmal aufwachen, zwei-mal aufwachen und die mindestens dreimal aufwachen.

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Kinder ohne Einschlafhilfe wachenhingegen mit zunehmendem Alterseltener auf. In der Gesamtstich-probe zeigt sich, dass nur 20% derKinder mit Einschlafhilfe (versus46% ohne Einschlafhilfe) durch-schlafen. Über 45% (versus 18%)werden mindestens zweimal proNacht wach und haben somit einernsthaftes Schlafproblem.

Der Zusammenhang zwischenEinschlafhilfen und häufigerem Auf-wachen ist lernpsychologisch sehreinfach zu erklären: Kinder, dieabends beim Einschlafen elterlicheHilfen bekommen, brauchen dieseHilfen auch nachts nach den norma-len nächtlichen Wachphasen. Zahl-reiche Studien (Galland & Mitchell,2010; Touchette et al., 2009) zeigen,dass sich eine Verbesserung desSchlafverhaltens des Kindes durchgezielte Schlafprogramme, die daselternunabhängige Einschlafen ein-üben, einstellt.

Schlaflose Kinder –gestresste Eltern

Kinder von Eltern mit erhöhtemStresslevel wachen signifikant häufi-ger auf als Kinder von Eltern mitniedrigem Stresslevel (Abb.3). Die-ser Unterschied findet sich jeweils inden Altersstufen U3-U8 (p<.001)und bleibt über alle Altersgruppenbis zur U8 relativ konstant, lediglich

in der Gruppe derFünfjährigen (U9)spielt er keineRolle mehr.

Der negativeZusammenhangzwischen elterli-chem Wohlbefin-den und Schlafstö-rungen des Kindessteht im Einklangmit vorhandenenStudien (His-cock& Wake, 2001;Lam et al., 2003;Wake et al., 2006).

Bedeutung für die pädiatrischePraxis

Der Fragebo-gen enthält nurdrei Fragen und istvom Kinder- undJugendarzt auf ei-nen Blick auswert-bar: Wenn ein Kind nachts regelmä-ßig einmal oder mehrmals wach wirdund gleichzeitig eine elterliche Ein-schlafhilfe vorliegt, sollte eine Bera-tung, wie Eltern ihren Kindern dasEinschlafen ohne elterliche Hilfe bei-bringen können, erfolgen. Dies kannauch durch geschulte Mitarbeiterin-nen der Praxis oder durch schriftli-

ches Informationsmaterial (Jenni &Benz, 2007; Kast-Zahn & Morgen-roth, 1995) erfolgen. Wenn zusätzlichder Stresswert hoch ist, ist die Bera-tung umso wichtiger. Insbesonderewährend der ersten zwei Lebensjahresind Schlafstörungen mit mehrmali-gem Erwachen so häufig, hängen sodeutlich mit elterlichen Einschlafhil-fen und einem erhöhten elterlichenStresswert zusammen, dass mit wenigAufwand von den Kinder- und Ju-gendärzten ein großer Beitrag zumWohlbefinden von Kindern und El-tern geleistet werden kann.

Info: Die vollständige Studie mit Lite-raturangaben und dem verwendetenFragebogen kann über die Stiftung„Kind und Jugend“ angefordert wer-den

Literatur bei der Verfasserin

Andrea Zahn, Annette Kast-Zahn, Dr.Hartmut Morgenroth, Dr. Irene von Katte

Korrespondenzadresse:

Annette Kast-Zahn

Altenkamp 19

40885 Ratingen

E-Mail: [email protected]

Red.: Kup

Abbildung 2: Verlauf der Aufwachhäufigkeiten in denunterschiedlichen Altersgruppen mit und ohne Ein-schlafhilfe

Abbildung 3: Verlauf der Aufwachhäufigkeiten in denunterschiedlichen Altersgruppen mit hohem und niedri-gem Elternstress

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Der Software Konzern Microsoft bietetneben Anwendungsprogrammen wieWord oder Datenbanken wie MS SQL Ser-ver auch Programmierwerkzeuge an, mitdenen z. B. zahlreiche Praxisprogrammeentwickelt werden. Als um die Jahrtau-sendwende die neue ProgrammierspracheJava populär wurde, mit der sich Anwen-dungen entwickeln lassen, die unabhängigvon Betriebssystemen und Rechnerarchi-tekturen laufen, ließ sich Microsoft kur-zerhand etwas einfallen, um den Siegeszugvon Java aufzuhalten. Durch eine zwi-schengeschaltete .NET-Schicht sollte esprinzipiell möglich sein, mit darauf aufset-zenden Microsoft-Werkzeugen ebenfallsProgramme für viele Plattformen gleich-zeitig zu entwickeln. Die theoretischePlattform-Unabhängigkeit wurde dannpraktisch dadurch ausgehöhlt, dass es di-verse komfortable Programmierhilfen sei-tens Microsoft leider nur für Entwicklun-gen speziell für die Windows Plattformgibt... Die Marketing-Abteilungen von Mi-crosoft und der von Microsoft abhängigenSoftwarehäuser konnten zufrieden sein,weil man für Kunden nun etwas Vergleich-bares zum hippen Java hatte und bisherigeProgrammierer weiter eng an Windowsgebunden hatte

Technisch gesehen generiert die zwi-schengeschaltete .NET Schicht wie bei Java

den Programmcode erst just-in-time, sielädt also erst zur Laufzeit. Das mag auchVorteile bringen, im standardisierten PC-Umfeld bringt die beworbene Prozessor-unabhängigkeit Anwendern aber wenigund hat als gravierenden Nachteil, dass soerstellte Programme regelmäßig höhereRechnerleistung beanspruchen undschwerfälliger sind als Programme, die nureinmal kompiliert werden müssen. So gel-ten Systeme, in denen auch nur Teile unter.NET entwickelt wurden, als vergleichs-weise ressourcenhungrig (im Praxissoft-ware Sektor bspw. Systeme mit Program-men wie mediDOK 2, Isynet, ProfimedWin, DOCconcept, M1 oder das aktuellvorgestellte medatixx), so dass sie häufigerHardware -Aufrüstungen benötigen unddamit für Anwender oft teurer als ver-gleichbare Lösungen sind.

Insofern ist es für Anwender langsamerProgramme nun ein Lichtblick, dass Mi-crosoft mit .NET Native einen neuenKompiler vorgestellt hat, der von der Zwi-schensprache und der Just-In-Time-Kom-pilierung abrückt und nun nativen Prozes-sorcode erstellt. Ob Software Anwendermit ihren bisherigen Programmen schonjetzt von dem Politikwandel Microsoftsprofitieren, muss sich dann noch heraus-stellen. Softwarehäuser haben üblicher-weise meist neue Plattform-Programme in

Entwicklung, die den Software Anwendernzur Vereinheitlichung der Kundenstämmedann im Rahmen des Konzern-Marke-tings für einen kostenlosen Umstieg be-reitgestellt werden. Insofern kann es alsoauch sein, dass man doch erst nach einemSystemwechsel und Erlernen eines neuenPlattform-Programms von der Geschwin-digkeit aktueller Hardware profitierenkann.

Kurzum, Microsoft wirft die von Kriti-kern auch als Scheinargument bezeichneteProzessorunabhängigkeit nun über denHaufen, dafür erhalten Anwender eine hö-here Performance. Das ist erfreulich undbringt Microsoft nicht einmal Nachteile,denn man kann Programme genauso gutmehrfach für verschiedene Plattformenwie Desktops, Tabletts oder Handies kom-pilieren. Das Rennen um Betriebssystemehatte Microsoft schon vor mehr als einemJahrzehnt gewonnen, so dass sich ein kriti-scher Beobachter schon fragt, warum kamdas nicht schon viel früher?

Hyperlink: http://msdn.microsoft.com/en-US/vstudio/dotnetnative

Dr. Bernd Byte Red: ReH

Bits + Bytes .Neues von Microsoft:Lahme Praxis-Programmewerden schneller

Juristische Telefonsprechstunde für Mitglieder des BVKJ e.V.Die Justitiare des BVKJ e.V., die Kanzlei Dr. Möller und Partner, stehen anjedem 3. Donnerstag eines Monats von 17.00 bis 19.00 Uhr unter der Telefonnummer

0211 / 758 488-14für telefonische Beratungen zur Verfügung.

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

408

Auch die individuellen Gesundheits-leistungen müssen immer einmal wiederauf ihre Sinnhaftigkeit überprüft und denaktuellen Erfordernissen angepasst wer-den.

Unter www.igel-check.de haben Bun-desärztekammer und KassenärztlicheBundesvereinigung einen Ratgeber insNetz gestellt, der Ärzten und Patienten ei-nen Überblick über die immer wieder hef-tig diskutierten IGeL-Leistungen bietensoll.

Der BVKJ legt Wert darauf, dass seineMitglieder sich hier korrekt verhalten, diePatienten bzw. Erziehungsberechtigtenvorher ordnungsgemäß über die Notwen-digkeit der Leistung, ihren Nutzen im Ein-zelfall und die entstehenden Kosten nachden Vorgaben der GÖÄ aufklären und eine

ordentliche Rechnung schreiben.Gerade bei Minderjährigen sind hier

hohe Maßstäbe anzulegen, denn bestmög-liche gesundheitliche Versorgung allerKinder entsprechend der UN-Kinder-rechtskonvention von 1989 und der An-spruch auf körperliche und seelische Un-versehrtheit müssen unser Handeln be-stimmen.

Der Honorarausschuss des BVKJ hatdie Empfehlungen überarbeitet und dasErgebnis dieser Überarbeitung in Form ei-ner Broschüre zusammengestellt. DieFirma Norgine hat die Publikation unter-stützt.

Die IGeL-Broschüre wurde bereits analle niedergelassenen BVKJ-Mitglieder perPost verschickt.

Red: ReH

IGeL-Broschüre des BVKJ

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.

Individuelle Gesundheitsleistungen IGeL 2014

Die erste Phase des bundesweiten Lese-förderprogramms „Lesestart – Drei Meilen-steine für das Lesen“, das vom Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung fi-nanziert und von der Stiftung Lesen durch-geführt wird, läuft aus: Rund 5.000 nieder-gelassene Kinder- und Jugendärzte habensich in den letzten drei Jahren bei Lesestart

beteiligt und im Rahmen der U6-VorsorgenLesestart-Sets weitergegeben. So haben seit2011 rund 60 Prozent aller Familien einesvon insgesamt 1,2 Mio. Sets mit jeweils ei-

nem altersge-rechten Buch so-wie Tipps zumVorlesen und Erzählen erhalten.

Da die frühen Vorsorgen von rund 95Prozent aller Familien wahrgenommenwerden, konnten Eltern und Kinder aus un-terschiedlichen Sozialräumen und Bil-

dungsschichten er-reicht und über früh-kindliche Leseförde-rung informiert wer-den. Bei den Setüber-gaben im Rahmen derU6 war ein niedrig-schwelliger Zugang ineinem vertrauensvol-len Umfeld gewähr-leistet. Für eine Erhö-hung der öffentlichenWahrnehmung desProgramms sorgtenu. a. pressewirksame

Setübergaben in Kinder- und Jugendarzt-praxen mit bundesdeutschen Politikern so-wie zusätzliche Lesestart-Projekte, die mitLandesmitteln z. B. in Niedersachsen, Sach-

sen, dem Saarland und in Brandenburg rea-lisiert wurden.

Dass die erste Programmphase rich-tungsweisend ist, zeigen auch erste Ergeb-nisse der wissenschaftlichen Begleitunter-suchung durch die InterVal GmbH: Fast alleEltern, die die Lesestart-Sets erhalten, be-schäftigen sich mit den Materialien, zweiDrittel davon sehr intensiv. 62 Prozent derEltern greifen Tipps auf und erhöhen z. B.ihr Vorlesepensum im Alltag und ein Vier-tel der Eltern bemerkt positive Veränderun-gen in ihrem Vorleseverhalten.

Dank des großen Engagements der Pra-xen war die erste vom Bund geförderteMaßnahme ein voller Erfolg und idealer-weise geben Kinder- und Jugendärzte auchüber die Laufzeit der ersten Programm-phase hinaus Anreize zur Frühförderungund sensibilisieren Eltern für das Thema,damit alle Kinder ihr Entwicklungspoten-tial frühzeitig entfalten können.

Red: ReH

Erfolgreiche erste Lesestart-Phase läuft aus

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

18. Pädiatrischer Kursus für Rheumatologie

Thema: DermatomyositisVeranstalter: Prof. Dr. med. Hans-Iko HuppertzOrt: 28177 Bremen, Prof.-Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-MitteTermin: 21. – 22. November 2014Telefon: 0421/497-5411E-Mail: [email protected] mit 12 PunktenGebühr: € 50,–

Keine Entwarnung: Adipositas nimmt in Europa weiter zu Bundesregierung will Forschungsmittel kürzen - Kompetenznetz Adi-positas betroffen

Ende Mai 2014 fand in Sofia der 21. Eu-ropäische Adipositaskongress statt. Aktu-elle Zahlen zur Verbreitung der Adipositasin Europa wurden vorgestellt und disku-tiert. Der Trend der letzten Jahre bestätigtesich: die Fettleibigkeit ist weiterhin aufdem Vormarsch. Zwar zeigte sich beispiel-weise in deutschen Schuleingangsuntersu-chungen, dass in diesem Alter die Überge-wichtsrate stagniert. In anderen Alters-gruppen, wie etwa bei Jugendlichen,

Schwangeren und älteren Menschen, steigtjedoch die Zahl der Menschen mit Adipo-sitas weiter ungebremst an, in Deutsch-land zudem jene mit extremer Adipositas.Die Antwort der Bundesregierung: EineFortführung der Förderung des Kompe-tenznetzes Adipositas durch das BMBF istnach Ende der laufenden Förderperiodenicht möglich.

Red: ReH

Initiative Schmerzlos vergibt Stipen-dium für Kinder- und Jugendärzte25.000 Euro für die Weiterbildung inSpezieller Schmerztherapie

Erstmals wird in Deutschland ein Sti-pendium zur Weiterbildung eines/r Kin-der- und Jugendarztes/ärztin in SpeziellerSchmerztherapie vergeben. Das Stipen-dium der Initiative Schmerzlos ist mit25.000 Euro dotiert. Eine unabhängigeJury renommierter Kinder- und Jugend-

ärzte, Neurologen und Schmerztherapeu-ten entscheidet über die Vergabe des Sti-pendiums. Im Rahmen des DeutschenSchmerzkongresses wird das Stipendiumim Oktober 2014 offiziell überreicht.Infos: www.initiative-schmerzlos.de

Red: ReH

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Forum

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

410

Sport bei chronischen Erkrankungen im Kindes-alter am Beispiel von angeborenen Herzfehlern,von Elisabeth Sticker,

KiJuA (2014), Heft 5, S. 261 ff.

Im Artikel von Frau Sticker zum Sport beichronischer Erkrankung sollte vielleicht derHinweis auf ein Sportverbot während derPollensaison bei Allergikern kommentiertwerden:

Wie sicherlich auch den meisten Kollegenklar ist, müssen Pollenallergiker in der Pol-lenzeit keineswegs ein Sportverbot erhaltensondern gründlich über die erhöhte Gefahrallergischer Reaktionen bei Sport hingewie-

sen werden mit der Notwendigkeit ein Not-fallset mitzuführen. Zusätzlich zur sympto-matischen Therapie würde sich vielmehr beientsprechenden Problemen beim Sport da-raus die Indikation zur spezifischen Immun-therapie ergeben.

Dr. med. Alexander Wagner

Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin

Notfallmedizin Asthmatrainer Neugebore-

nennotarzt

Steigerwaldstr. 3, 97318 Kitzingen

Red.: ReH

Das Leser-ForumDie Redaktion des Kinder- und Jugendarztes freut sich über jeden Leserbrief. Wir müssen allerdings aus den Zuschriften auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. – Leserbriefe geben die Meinung des Autors / der Autorin, nicht der Redaktion wieder.E-Mails oder Briefe richten Sie bitte an die Redakteure (Adressen siehe Impressum).

Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.Begründet als „der kinderarzt“ von Prof. Dr. Dr. h.c.Theodor Hellbrügge (Schrift leiter 1970 – 1992).

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Verantw. Redakteure für „Fortbildung“: Prof. Dr.Hans-Iko Huppertz, Prof.-Hess-Kinderklinik, St.-Jürgen-Str. 1, 28177 Bremen, Tel. (0421) 497-5411,E-Mail: [email protected] (Federführend); Prof. Dr. Florian Heinen,Dr. v. Haunersches Kinderspital, Lindwurmstr. 4,80337 München, Tel. (089) 5160-7850, E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. PeterH. Höger, Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift,Liliencronstr. 130, 22149 Hamburg, Tel. (040)67377-202, E-Mail: [email protected];Prof. Dr. Klaus-Michael Keller, Deutsche Klinik fürDiagnostik, Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden, Tel.

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Druckauflage 12.767

lt. IVW II/2014

Mitglied der ArbeitsgemeinschaftKommunikationsforschung imGesundheitswesen

Redaktionsausschuss: Prof. Dr. Florian Heinen,München, Prof. Dr. Peter H. Höger, Hamburg, Prof.Dr. Hans-Iko Huppertz, Bremen, Prof. Dr. Klaus-Mi-chael Keller, Wiesbaden, Prof. Dr. Stefan Zielen,Frankfurt, Dr. Christoph Kupferschmid, Ulm, Re-gine Hauch, Düsseldorf, Dr. Wolfram Hartmann,Kreuztal, Christel Schierbaum, Köln, und zwei wei-tere Bei sitzer.

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Anzeigenpreisliste: Nr. 47 vom 1. Oktober 2013

Bezugspreis: Einzelheft € 9,90 zzgl. Versand kosten,Jahresabonnement € 99,– zzgl. Versand kosten (€7,70 Inland, € 19,50 Ausland). Kündigungsfrist6 Wochen zum Jahres ende.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Un-terlagen lehnt der Verlag die Haftung ab.

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© 2014. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenenBeiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich ge-schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Gren-zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe-sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi-kroverfilmungen und die Einspeicherung und Be-arbeitung in elektronischen Systemen.

IMPRESSUM

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Definition

Schädigungen, die durch intrauterine Alkoholexposi-tion während der Schwangerschaft hervorgerufen wer-den, werden unter dem Oberbegriff Fetale Alkoholspek-trumstörungen (FASD - fetal alcoholspectrumdisorders)zusammengefasst. Zu den FASD zählen das Vollbild desFetalen Alkoholsyndroms (FAS), das partielle Fetale Al-koholsyndrom (pFAS), die Alkohol-bezogene entwick-lungsneurologische Störung (ARND) und die Alkohol-bezogenen Geburtsdefekte (ARBD).

Prognose

In einer Follow-up Studie von Erwachsenen mit FASzeigte Spohr et al. 2008, dass nur 13% der Patienten eineweiterführende Schule besucht hatten und nur ein Drit-tel ein eigenständiges Leben führen konnten. Obwohl dieSchädigung des Gehirns als solche irreversibel ist, kön-nen die Funktions- und Alltagsbeeinträchtigung der be-troffenen Kinder jedoch durch eine frühe Diagnostikund ein stabiles förderndes Umfeld substantiell positivbeeinflusst werden (Streissguth et al. 2004).

Prävalenz

In Europa konsumieren 14 bis 30% der schwangerenFrauen Alkohol. Das Vollbild Fetales Alkoholsyndrom(FAS)tritt laut einer italienischen Studie bei 8 pro 1000Geburten auf (May et al. 2011).Wenn man dies mit der häufigsten Bewegungsstörung des Kindesalters, derCerebralparese vergleicht - die eine viermal niedrigereHäufigkeit von 1-2 auf 1000 Geburten zeigt -, dann wirddie Dimension des Problems erkennbar. Hinzu kommt,dass die anderen Fetalen Alkoholspektrumstörungen(FASD) gegenüber dem Vollbild FAS von allen Expertengleichlautend als „deutlich häufiger“ eingeschätzt wer-den.

Laut Betroffenen und deren leiblichen, Pflege- oderAdoptivfamilien wird bei einem Großteil der Kinder dieFetale Alkoholspektrumstörung lange falsch und erstsehr spät diagnostiziert.

Diagnose des Fetalen Alkoholsyndroms

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und dasBundesministerium für Gesundheit (BMG) initiierten2010 ein Leitlinien-Projekt zum FAS.

Es wurde der Deutschen Gesellschaft für Kinder- undJugendmedizin (DGKJ) übertragen und inhaltlich derGesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) zugewiesen. Leit-linienkoordination und Autorenschaft übernahmen Dr.med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf und Prof. Dr. med.Florian Heinen vom Klinikum der Universität München,

Dr. von Haunersches Kinderspital, integriertes Sozialpä-diatrisches Zentrum (www.spz-muenchen.com).

Die Leitliniengruppe bestand aus Repräsentanten desBundesministeriums für Gesundheit, der relevantenFachgesellschaften und Berufsverbände, der Patienten-vertretung FASD Deutschland e.V. und namhaften wei-teren FAS-Experten.

Die Literatur der letzten zehn Jahre wurde evaluiertund hinsichtlich ihrer methodischen Qualität bewertet.Die daraus resultierenden evidenzbasierten Ergebnissewurden in multidisziplinären Konsensuskonferenzenhinsichtlich klinischer und ethischer Relevanz sowiePraktikabilität diskutiert, modifiziert und konsentiert.Diese konsentierten diagnostischen Empfehlungen wur-den daraufhin formell verabschiedet.

Für die Diagnose des Fetalen Alkoholsyndroms wur-den folgende Kriterien bestimmt:

1. mindestens eine Wachstumsauffälligkeit2. drei definierte Auffälligkeiten des Gesichtes und 3. eine funktionelle oder strukturelle Auffälligkeit

des zentralen Nervensystems4. Bestätigung des mütterlichen Alkoholkonsums

in der Schwangerschaft n i c h t erforderlich.

Zu den Wachstumsauffälligkeiten gehören ein Ge-burts- oder Körpergewicht, eine Geburts- oder Körper-länge oder ein Body Mass Index ≤10. Perzentile.

Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

411

Das Fetale Alkoholsyndrom: häufig und häufig übersehen

Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N.Landgraf

Prof. Dr. med. Florian Heinen

Abbildung 1: Messung der Lidspaltenlänge von inneren (en)zum äußeren Augenwinkel (ex) (©2013 Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N.

Landgraf, Ludwig-Maximilians-Universität München)

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Die drei definierten Auffälligkeiten des Gesichtes beiKindern mit FAS sind kurze Lidspalten(≤3. Perzentile),ein verstrichenes Philtrum(vertikale Furche zwischenNase und Oberlippe) (Rang 4 oder 5 auf dem Lip-Phil-trum-Guide, s.u.) und eine schmale Oberlippe (Rang 4oder 5 auf dem Lip-Philtrum-Guide, s.u.). Die Lidspal-ten-Länge kann mit einem Lineal direkt am Patientenoder mithilfe eines auf die Stirn geklebten Referenzpunk-tes auf einer Photographie gemessen werden (Abb. 1).Die Lidspaltenlänge kann anhand der Perzentilenkurvenvon Strömland et al. 1999 für Kinder < 6 Jahre und derPerzentilenkurven von Clarren et al. 2010 für Kinder ab6 Jahre beurteilt werden. Für die Messung der Oberlippeund des Philtrums entwickelte Astley einen photographi-schen Lip-Philtrum-Guide, anhand dessen die Oberlippeund das Philtrum des Kindes beurteilt und quantitativeingeordnet werden. Dabei gelten Messungen mit vierund mit fünf von fünf Punkten auf der Skala als patholo-gisch (Beispiele Abb. 2).

Zu den funktionellen Auffälligkeiten des ZentralenNervensystems (ZNS) können zählen:

Eine globale Intelligenzminderung (mindestens zweiStandardabweichungen unterhalb der Norm) oder beiKindern unter zwei Jahren, deren IQ noch nicht testpsy-chologisch erfasst werden kann, eine signifikante kombi-nierte Entwicklungsverzögerung. Falls dies unauffälligist, können aber auch Teilbereiche der ZNS Funktionen(mind. zwei Standardabweichungen unterhalb der Normin mindestens drei der folgenden Bereiche oder in min-destens zwei der folgenden Bereiche in Kombination mitEpilepsie) betroffen sein. Diese Teilbereiche sind bei Kin-dern mit FASD typischerweise Sprache, Feinmotorik,räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-kon-struktive Fähigkeiten, Lern- oder Merkfähigkeit, exeku-tive Funktionen, Rechenfertigkeiten, Aufmerksamkeit,soziale Fertigkeiten oder Verhalten.

Der Bereich der funktionellen ZNS-Auffälligkeitenbei Kindern und Jugendlichen mit FAS ist am schwers-ten zu erfassen, dabei jedoch für den Alltag der betroffe-nen Patienten und ihrer biologischen, Pflege- oderAdoptivfamilien am bedeutendsten. Eine komplexe

ärztlich-psychologische Verhaltensbeurteilung undneuropsychologische Testung ist erforderlich. Geeignetepsychologische Testverfahren wurden von der Leitlini-engruppe für jeden Teilbereich funktioneller ZNS-Auf-fälligkeiten evaluiert und werden hinsichtlich Stellen-wert und Praktikabilität im Rahmen des diagnostischenProzesses bei Verdacht auf FAS in der Leitlinie differen-ziert beschrieben.

Falls ein Kind mit Verdacht auf FAS eine Mikrocepha-lie (Kopfumfang zu klein: ≤10. Perzentile /≤3. Perzen-tile) aufweist, handelt es sich um eine alkoholbedingtestrukturelle ZNS-Auffälligkeit und trägt zur Diagnosebei.

Wenn das Kind Auffälligkeiten des Wachstums, desGesichtes und des ZNS zeigt, soll die Diagnose eines Fe-talen Alkoholsyndroms auch ohne Bestätigung einesmütterlichen Alkoholkonsums während der Schwanger-schaft gestellt werden.

Für die Fetalen Alkoholspektrumstörungen (pFAS,ARND, ARBD) existieren aufgrund der zu geringen Evi-denzlage der bisherigen Forschung keine deutschen Leit-linien-Empfehlungen. Die Autoren empfehlen, bei derDiagnostik der FASD die Kriterien der kanadischen Leit-linie von Chudley et al. zu verwenden (Fetal alcoholspectrum disorder: Canadian guidelines for diagnosis.CMAJ 2005;172(5 Suppl):S1-S21).

Praktische Hinweise

Zu übersichtlicheren Anwendung der Empfehlungenzur Diagnostik des FAS in der Praxis wurde ein FAS-Al-gorithmus erstellt (Abb. 3).

Dieser Algorithmus befindet sich im „Pocket GuideFAS“, der eine praktische und rasche diagnostische Ori-entierung für alle Interessierten der verschiedenen Be-rufs- und Interessengruppen erlaubt.

Differenzialdiagnosen zum FAS sind vielfältig undteils schwer abgrenzbar. Sie wurden im Rahmen der Leit-linienentwicklung jeweils für die diagnostischen SäulenWachstumsauffälligkeiten, Auffälligkeiten des Gesichtesund Auffälligkeiten des ZNS bestimmt und sind im Po-cket Guide FAS dargestellt.

Ausblick

Die vorliegende S3-Leitlinie zur Diagnostik des Voll-bildes FAS bei Kindern und Jugendlichen ist ein ersterSchritt auf dem Weg zu einer evidenzbasierten, einheitli-chen und klinisch korrekten Diagnostik von Patientenmit Fetalen Alkoholspektrumstörungen.

Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

412

Abbildung 2: Verstrichenes Philtrum (rechts und links Grad 4)und schmale Oberlippe (links Grad 4, rechts Grad 5 Lip-PhiltrumGuide von Astley) (©2013 Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf, Ludwig-Maxi-

milians-Universität München).

Die Kurz- und Langfassung der Leitlinie sowie derLeitlinienbericht sind auf der AWMF-Homepageveröffentlicht und unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/022-025.html frei verfügbar.

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

414

Abbildung 3: Algorithmus zur Abklärung eines Fetalen Alkohol-syndroms (aus dem Pocket Guide FAS: © 2013 Mirjam N. Landgraf, Florian Hei-

nen, Ludwig-Maximilians-Universität München, erhältlich über www.spz-muen-

chen.com Kinderneurologie TESS: Risikokinder nach ToxinExposition in der

SchwangerSchaft)

Weitere Forschung mit den Zielen,(1) Präventionsmaßnahmen zu entwi-ckeln, (2) sinnvolle und notwendigeTherapien zu etablieren und (3) För-der- und Unterstützungsmaßnahmenfür betroffene Patienten und ihre Fa-milien festzulegen, bleibt weiter drin-gend notwendig.

Literatur bei den Verfassern

Interesssenkonflikt: Die Autoren erklären,dass kein Interessenvorbehalt vorliegt.

Korrespondenzanschrift

Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf

Abt. f. Pädiatrische Neurologie, Entwick-lungsneurologie u. Sozialpädiatrie

Dr. v. Haunersches Kinderspital

Lindwurmstr. 4

80337 München

Tel.: 089 / 5527340

E-Mail: mirjam.land

[email protected]

Red.: Heinen

Das Buch mit dem Pocket Guide FAS „Fetales Alko-holsyndrom. Mirjam N. Landgraf, Florian Heinen.ISBN: 978-3-17-023444-4“ in der Reihe Pädiatri-sche Neurologie im Kohlhammer Verlag ist im me-dizinischen Buchhandel oder per Internet http://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/nav_product.php?product=978-3-17-023444-4 zu erwerben.

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EinleitungSchwindel und Gleichgewichtsstörungen bei Kindern

können äußerst beängstigend und bedrohlich wirken,sowohl für die Patienten, als auch für deren Eltern. Einstrukturiertes Vorgehen vor dem Hintergrund derKenntnis des Diagnosespektrums ermöglicht einen ers-ten Zugang zu einer Reihe gut behandelbarer Schwindel-formen und verhindert exzessive, nicht weiterführendeDiagnostik.

AnatomieAls Schwindel bezeichnet man die falsche Wahrneh-

mung von Bewegung (Mismatch). Von Patienten werdendarunter aber auch ganz unspezifische Empfindungenvon Unwohlseins subsumiert und als „Schwindel“ an-amnestisch beschrieben. Vestibulärer Schwindel entstehtdurch die Fehlfunktion einer oder mehrerer sensori-scher Systeme (visuell, vestibulär und propriozeptiv)und/oder der zentralen Verarbeitungsstationen dieserSignale. Das periphere vestibuläre System besteht ausden Gleichgewichtsorganen im Innenohr (Bogengängemit Rezeptoren für die anguläre Beschleunigung undOtholithenorgane mit Rezeptoren für die lineare Be-schleunigung) und dem Nervus vestibulocochlearis(VIII. Hirnnerv, N. vestibularis superior mit Afferenzenaus dem horizontalen und anterioren Bogengang sowieaus dem Utriculus; N. vestibularis inferior mit Afferen-zen aus dem posterioren Bogengang und dem Sakkulus).Wichtige Schaltstellen des zentralen vestibulären Systemssind die Vestibulariskerne in der Medulla oblongata, de-ren Verbindungen zu den okulomotorischen Kernenund Integrationszentren im rostralen Mittelhirn,Kleinhirn, Thalamus und dem sogenannten vestibulä-ren Kortex im temporo-parietalen Großhirn.

EpidemiologieSchwindel ist bei Kindern nicht selten, es gibt jedoch

nur wenig epidemiologische Daten. Eine systematische

Untersuchung in Schottland ergab eine Prävalenz (min-destens eine Schwindelattacke im vergangenen Jahr) von15% (Abu-Arafeh et al. 1995). In Großbritannien fandenHumphriss et al. (2011) bei 10-jährigen Kindern eineDrehschwindel-Prävalenz von 5,7%.

Je nach Studie sind bis zu 50% der kindlichen Schwin-del-Manifestationen Migräneassoziiert; in unserem ter-tiären Referenzzentrum (DSGZ) macht die Migräne33% der Diagnosen aus. Häufiger als bei Erwachsenentreten Schwindel und Gleichgewichtsstörungen als Be-gleitlabyrinthistis im Rahmen von Otitis media, Mittel-ohrergüssen und viralen Infekten auf. Das Schädel-Hirn-Trauma ist ebenfalls eine wichtige Schwindelursa-che bei Kindern.

DiagnosestellungAnamnese

Eine ausführliche Anamnese bietet die richtungswei-sende Information zur Diagnose. Die Kinder sowie ihreEltern sollten dabei die Beschwerden schildern. Wichtigist es, dabei auf die Unterscheidungskriterien derSchwindelsyndrome zu achten (Brandt et al. 2013):

1. Art des Schwindels (Hier ist es nützlich den Kin-dern Vergleiche an die Hand zu geben.)• Drehschwindel ist wie Karussell fahren (z.B.

akute Neuritis vestibularis)• Schwankschwindel ist wie das Schaukeln auf ei-

nem Schiff (z.B. bilaterale Vestibulopathie)• Benommenheitsschwindel ist wie Watte im

Kopf (z.B. somatoformer Schwankschwindel)• Schwarzwerden vor Augen (z.B. orthostatische

Dysregulation)2. Dauer des Schwindels (minimal und maximale

Dauer)• Sekunden bis Minuten (z.B. Vestibularisparoxys-

mie)• viele Minuten bis Stunden (z.B. vestibuläre Mi-

gräne)

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Thyra Langhagen1,2

Schwindel bei Kindern und Jugendlichen ist nicht selten. Die korrekte Diagnose ermöglichteine erfolgreiche Therapie und verhindert unnötige Diagnostik und Beunruhigung der Eltern.Migräne-assoziierte Schwindelformen sind bei Kindern sehr häufig, machen etwa 40% der Di-agnosen aus und lassen sich mit allgemeinen prophylaktischen Maßnahmen, ggf. medikamen-tös, gut behandeln. Schwindel und Gleichgewichtsstörungen treten bei Kindern häufig im Rah-men von Otitiden, Mittelohrergüssen und viralen Infekten sowie nach einem Schädel-Hirn-Trauma auf. Somatoforme Schwindelsyndrome präsentieren sich vermehrt in der Pubertät undtreten oft sekundär zu organischen Schwindelerkrankungen auf. Auch einige kongenitale Syn-drome gehen mit einer vestibulären Funktionsstörung und/oder Fehlbildung einher. Auf Grundder relativen Häufigkeit von Hirnstamm- und Kleinhirntumoren im Kindesalter, ist ein Schädel-MRT bei allen klinisch zentral-vestibulären Störungen und bei auffälligem neurologischen Be-fund indiziert. Eine aufwändige Zusatzdiagnostik ist selten notwendig.

Prof. Dr. med. Florian Heinen1,2,3

Prof. Dr. med. Klaus Jahn1,4

1 DeutschesSchwindel- undGleichgewichts-zentrum (DSGZ),Campus Großha-dern, Klinikumder UniversitätMünchen

2 integriertes So-zialpädiatrischesZentrum (iSPZhauner) im Dr.von HaunerschenKinderspital,Campus Innen-stadt, Klinikumder UniversitätMünchen

3 PädiatrischeNeurologie, Ent-wicklungsneuro-logie und Sozial-pädiatrie, Dr. vonHaunersches Kin-derspital, CampusInnenstadt, Klini-kum der Universi-tät München

4 NeurologischeKlinik und Poli-klinik, CampusGroßhadern, Klinikum der Uni-versität München

Fortbildung415

Schwindel als Vorstellungsanlass in der Kinder- und Jugendarztpraxis

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• viele Tage bis wenige Wochen (z.B. Neuritis vesti-bularis)

• über Monate und Jahre (z.B. phobischerSchwankschwindel, somatofromer Schwindelund bilaterale Vestibulopathie)

3. Auslösbarkeit/Verstärkung/Besserung desSchwindels• bereits in Ruhe (z.B. Neuritis vestibularis, Attacke

einer vestibulären Migräne oder eines M. Me-nière)

• beim Gehen (z.B. bilaterale Vestibulopathie, ves-tibuläre Migräne)

• bei horizontaler Kopfdrehung (z.B. Vestibularis-paroxysmie)

• bei Kopfhängelage zur Schwerkraft, beim Drehenim Bett (z.B. BPPV)

• bei Husten, Pressen oder lauten Tönen (z.B. Peri-lymphfistel, cave Hirndruck!)

• kontextabhängige Intensität: bestimmte sozialeUmgebungssituation wie z.B. in der Schule (z.B.somatoformer Schwankschwindel)

• nach langem Stehen oder schnellen Aufstehen(z.B. orthostatische Dysregulation)

• durch physische und psychische Belastung (z.B.episodische Ataxie Typ II, selten)

4. Mögliche Begleitsymptome• Obere Atemwegsbeschwerden, Otalgie, Otor-

rhoe, Hörminderung, Fieber (z.B. Labyrinthitis)• Hörminderung, Tinnitus, Druckgefühl (z.B. Me-

nière Syndrom)• Doppelbilder; Schluck-, Sprach- Sensibilitätsstö-

rungen (zentrale Ursache)• Tremor, Ataxie, Koordinationsstörungen (z.B. ze-

rebelläre Syndrome, episodische Ataxie)• Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Lärmemp-

findlichkeit (z.B. Migräne)

UntersuchungBei der klinischen Untersuchung sollten die Körper-

temperatur, der Blutdruck, der Trommelfellbefund, eineneurologische und neuro-ophtalmologische Untersu-chung, die motorische Entwicklung einschließlich derKoordination mit Stand- und Gangfunktionen, über-prüft werden.

Die neuroophtalmologische Untersuchung ist, be-sonders zum Ausschluss von zentralvestibulärenSchwindelbeschwerden, wichtig. Hier gilt es Folgendeszu beachten:

• Augenposition beim Geradeausblick z.A. einervertikalen Divergenz (engl. Skew Deviation; “einAuge steht über dem anderen”)

• Augenbewegungen mit und ohne Frenzelbrille(Abb. 1) mit der Frage nach Nystagmus. Ein peri-pher-vestibulärer Spontannystagmus kann durchFixation unterdrückt werden und ist daher unterder Frenzelbrille deutlicher; ein zentraler Fixati-onsnystagmus entgegen, besteht oder verstärktsich bei Blickfixation.

• Blickfolgebewegungen (das Auge folgt langsameinem bewegtem Ziel), Sakkaden (rasche Blicks-prünge von einem Fixationspunkt zum anderen)und Blickhaltefunktion mit der Frage nach zen-tralen Okulomotorikstörungen, wie z B. eine ho-rizontal sakkadierte Blickfolge bei Kindern abacht Jahren (bis dahin ist eine sakkadierte Blick-folge (noch) physiologisch), eine Blickparese, einBlickrichtungsnystagmus (die schnelle Phaseschlägt in die Blickrichtung) entgegen der Rich-tung des Spontannystagmus oder mehrere Rich-tungen, hypo- oder hypermetrische Sakkaden,Verlangsamung der Sakkaden

• Kopfschütteltest mit Frage nach Provokations-nystagmus (Nystagmus provoziert durch Kopf-schütteln, z.B. durch eine latente periphere Imba-lance nach einer Neuritis vestibularis)

• Optokinetische Nystagmus (dieser erlaubt auchbei kleineren Kindern die Überprüfung der Blick-folge und der Sakkadenfunktion, somit die Über-prüfung der Hirnstammfunktion)

Zur Diagnose von Lage- und Lagerungsschwindel er-folgen, wie beim Erwachsenen, die Dix-Halpike-Manö-ver (Abb. 2a+b).

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Abb. 1:Die Frenzelbrille (nach Prof. Hermann Frenzel, Otologe ausGöttingen, 1895-1967) ist mit konkaven Vergrößerungslinsenausgestattet, welche eine Brechkraft von +15 bis +18 Dioptrienaufweisen. Eine zusätzliche Beleuchtung mit eingebauten LEDserleichtert die Beurteilung der Augenbewegungen. Ersatzweisekann eine konventionelle Brille mit sehr hoher Dioptrie oder eineVergrößerungsfolie (Lupenfolie) benutzt werden. Die Brille verhindert, dass der Patient seinen Blick auf ein Objektfixiert (er kann dieses nur verschwommen wahrnehmen) und soeinen eventuellen peripher-vestibulären Nystagmus unterdrückt.Ein Fixationsnystagmus, ein Nystagmus, der durch Fixation nichtunterdrückt, sondern verstärkt wird, ist einer zentralen Genesezuzuordnen.

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Stand- und Haltungsregulation können spielerischbei Kindern gut durchgeführt werden. Romberg-Test,Unterberger-Tretversuch, Tandemstand und –gang so-wie Einbein-Stand sollten mit offenen und geschlosse-nen Augen, mit und ohne Kopfreklination, mit und ohneAblenkungsmanöver (Kopfrechnen, Wortbenennung)und ggf. auch auf weichem Untergrund (z.B. Schaum-stoff) erfolgen.

Die Diadochokinese, die Feinmotrik und die Metrie(Finger-Folge-Test, Finger-Nase-Versuch) sollten, mitder Frage nach zerebellären Zeichen, ebenfalls unter-sucht werden.

Eine Beurteilung der restlichen Hirnnerven ist wich-tig zum Ausschluss zentraler Pathologien.

Zur schnellen Prüfung der peripher-vestibulärenFunktion ist der Kopfdrehtest (Halmagyi and Curthoys,1988) besonders hilfreich. Er kann bei Kindern ab etwa18 Monaten zuverlässig durchgeführt und beurteilt wer-den (Abb. 3).

Als weiterer Screeningtest ist die Drehstuhluntersu-chung schon bei kleinen Kindern durchführbar (ggf. aufeinem Bürostuhl auf dem Schoß der Mutter). Währendder Drehung ist ein optokinetischer Nystagmus zu beob-achten. Nach dem Stoppen des Drehstuhls findet sich einpostrotatorischer Nystagmus in die Gegenrichtung alsZeichen der Erregbarkeit der horizontalen Bogengänge.Der Befund sollte nach Links- und Rechtsdrehung sym-metrisch sein.

Je nach Anamnese und Beschwerdebild ist ein allge-meines Screening mit Blutbild mit Differenzial-Blut-bild, CRP, Blutsenkung und Blutzuckerspiegel sowieein EKG sinnvoll. Ein EEG ist meist nicht notwendig, essei denn, es bestehen Hinweise auf eine Epilepsie. Isolier-ter Schwindel deutet nicht auf eine Epilepsie hin.

Entsprechend der Begleitsymptomatik ist eine wei-tere Diagnostik zu planen (Lumbalpunktion, Schädel-MRT, Felsenbein-CT, EEG, autoimmunologische Diag-nostik, Fettstoffwechsel, Blutgerinnungs- und Schildrü-senparameter).

Apparative DiagnostikDie Videookulographie (oder eine Elektronystagmo-

graphie) dient der Objektivierung der okulomotorischenFunktionen (Blickfolge, Sakkaden, Blickrichtungsnys-tagmus, optokinetischer Nystagmus), des vestibulo-oku-lären Reflexes (Kopfdrehtest, engl. Englischen Head-Im-pulse-Test) und der seitengetrennten Funktionstestungder horizontalen Bogengängen mittels der kalorischenFunktionstestung (Abb. 4). Diese kann mit einem Luft-strom oder einer Wasserspülung der Gehörgänge (letz-tere nur bei intaktem reizlosem Trommelfell) durchge-führt werden, ist ab einem Alter von ca. vier Jahren prak-tikabel (zuverlässige Werte werden bereits ab einen Altervon zehn Monaten erlangt) und gilt als Goldstandart dervestibulären Funktionsmessung.

Abb. 2:Dix-Hallpike-Manöver mit der Frage nach einemmöglichen benignen peripheren paroxysmalenLagerungsschwindel (BPPV) durch Canalolithia-sis der hinteren Bogengänge. Beim sitzenden Patienten wird zunächst der Kopf in 45° zur Ge-genseite gedreht und der Patient anschließend schnell zur Seitedes zu untersuchenden Ohres, mit möglichst hyperextendiertenKopf, gelegt. Liegt eine Canalolithiasis des hinteren Bogen-gangs des untenliegenden Ohrs vor, so tritt im Geradeausblick –nach kurzer Latenz und mit einem Crescendo-Decrescendo-Ver-lauf – ein zur Stirn und zum unten liegenden (= betroffenen) Ohrrotatorischer Nystagmus auf. Beim erneuten Aufsetzen ändertdieser seine Schlagrichtung. Das Manöver sollte in beide Rich-tungen durchgeführt werden um das betroffene Ohr sicher zuidentifizieren.

Abb.:3 Schematische Darstellung der Korrektursakka-den beim Kopfdrehtest (angepasst nach Jahn et al., 2011aus Maki-Torkko u. Magnusson, 2005)Bei Fixation eines altersspezifisch interessanten Blickziels werdenrasche Kopfdrehungen ca. 20° nach links und rechts durchgeführt.Bei normalem vestibulo-okulären Reflex ist keine Einstellbewe-gung der Augen sichtbar, das pathologische Ergebnis deutet aufeine peripher-vestibuläre Funktions-störung auf der Seite des pa-thologischen Tests hin.

Interdisziplinäre Schwindelzentren bieten dieMöglichkeit gemeinsam zwischen Kinder- und Ju-gendärzten, Neurologen und HNO-Ärzten das He-rangehen zu diskutieren; das Deutsche Schwindel-und Gleichgewichtszentrum (DSGZ) am Klinikumder Ludwig-Maximilians-Universität München bie-tet hierzu eine spezielle Kinderschwindelsprech-stunde an (http://www.schwindelambulanz-muen-chen.de/).

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Besonders bei Kindern mit kongenitalen Syndromenund Fehlbildungen sowie bei Verdacht auf einen Otholi-thenschwindel sollte eine Otholithentestung erfolgen.

Ab dem Vorschulalter ist das Messen der SubjektivenVisuellen Vertikale (SVV) möglich. Hierzu ist die Ver-wendung des sogenannten „Eimertests“ eine kosten-günstige, einfache und nicht invasive Methode (Zwergalet al. 2013) (Abb. 5).

Die Posturographie ermöglicht die objetive Untersu-chung der Stand- und Haltungsregulation, was bei derDiagnose von somatoformen Schwindel hilfreich ist (u.A. um den Eltern einen unterstützenden Befund zu zei-gen).

Eine audiometrische Testung sollte altersentspre-chend, je nach der Begleitsymptomatik und weiterer Be-funde stattfinden. Bei Hörstörungen ist diese obligat.

Die verschiedenen SchwindelformenDie Differenzierung zwischen peripher-vestibulären

Schwindelformen und zentralem Schwindel ist auch beiKindern die wichtigste erste Aufgabe. Wichtige Ursachender Schwindelsyndrome können Traumata, somato-forme Körperwahrnehmung, Intoxikation (Medika-mente) oder eine orthostatische Dysregulation sein.

1. Peripher-vestibulärer Schwindel1.1 Schwindel bei Tubendysfunktion und Mittelohrer-guss

Gleichgewichtsstörungen (oft subklinisch und nurdurch dirigierte Anamnesen zu eruieren) und Schwindelbei Kindern mit Tubendysfunktion und Mittelohrergusssind allgemein ein anerkanntes Phänomen. Die Diagnoseerfolgt durch Inspektion der Trommelfelle (pneumati-sche Otoskopie, Ohrmikroskopie), Audiometrie, Impe-danzmessung sowie ergänzend den Kopfdrehtest, Dreh-stuhlpendeltest und ggf. Posturographie; eine kalorischeTestung ist in diesen Fällen nicht sinnvoll. Die Pauken-drainage kann die Beschwerden und Funktionsstörun-gen schnell bessern und ist bei länger anhaltenden Be-schwerden indiziert. Zusätzlich sollte ggf. die Ursache derTubenbelüftungsstörung mit therapiert werden (z.B.Adenotomie).

1.2 Labyrinthitis Ein akuter oder subakuter Drehschwindel, welcher

von Oszillopsien, Stand- und Gangunsicherheit, gerich-teter Fallneigung, Übelkeit und Erbrechen, Nystagmussowie von einer sensoneuralen Hörminderung begleitetwird, deutet im Rahmen einer akuten oder chronischenOtitis media, auf eine begleitende Labyrinthitis hin.Diese vestibulären Symptome sind im Rahmen von serö-sen und eitrigen Begleitlabyrinthiden möglich. Die se-röse Labyrinthitis wird hier durch die Fenstermembranpenetrierte bakterielle Toxine oder Viren ausgelöst. DieBehandlung richtet sich nach der Ätiologie und ist pri-mär kausal ausgerichtet. Bei der eitrigen Labyrinthitisbesteht eine bakterielle Invasion des Labyrinths und dieSymptomatik ist oft wesentlich agressiver und gravieren-der. Diese Patienten sollten stationär mit einem Breitban-dantibiotikum i.v. und Kortikoiden behandelt werden(Tab.1). Sind in der Bildgebung (MRT mit Kontrastmit-tel und CISS-Sequenz, CT) Knocheneinschmelzung oderein Cholesteatom ersichtlich, so ist eine Mastoidektomie,sofern vorhanden mit Abdeckung einer Bogengangsfistelerforderlich.

Differenzialdiagostisch sind autoimmunologischeUrsachen auch bei Kindern möglich, deshalb sollte auf

Abb. 4:Kalorische Testung der Funktion der horizonta-len BogengängeHier erfolgen einseitige Spülungen der äußeren Gehörgänge mit30 ° kühlen und 44° warmen Wasser, während gleichzeitig mittelsVideookulographie die vertikalen und horizontalen Augenbewe-gungen registriert werden. Durch konvektive und nicht konvek-tive Mechanismen führt die Spülung zu einer Erregung der Haar-zellen des horizontalen Bogengangs mit langsamen kontraversi-ven Augenbewegungen (bei 30° kühlen Wasser sind diese durcheine Hemmung ipsiversiv, bei 44° warmen Wasser sind sie durchReizung kontraversiv). Diese Untersuchung hat den Vorteil einerseitengetrennten Beurteilung der Labyrinthe, bzw. der respekti-ven lateralen Bogengänge. Zur Beurteilung werden die maxima-len Geschwindigkeiten der kalorisch induzierten Augenbewe-gungen (peak slow phase velocity) herangezogen und die Sei-tenasymmetrie ermittelt; eine Seitenasymmetrie von > 25 % gilthierbei als pathologisch.

Abb. 5:„Eimertest“ zur Untersuchung der subjetiven vi-suellen Vertikalen bei KindernDas Kind schaut in dem präparierten Eimer auf eine an der inne-ren Unterseite angebrachte Linie, die es senkrecht einstellenmuss. Der Untersucher liest dabei auf der anderen Seite, mit Hilfeeines Lots, die Ablenkung von der tatsächlichen Vertikalen ab.Der Mittelwert von 7 Messungen ergibt die SVV, welche einenNormbereich von 0 ° +/- 2,5 °hat.

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weitere systemische Zeichen geachtetwerden (z.B. Augenbeteiligung beiCogan-Syndrom) und ggf. eine ent-sprechende Labordiagnostik erfolgen.

1.3 Neuritis vestibularisLeitsymptome des akuten einseiti-

gen Funktionsausfalls sind akut odersubakut einsetzender, über Tage an-haltender, heftiger Dauerdrehschwin-del mit Oszillopsien, Stand- und Gan-gunsicherheit sowie Fallneigung zurbetroffenen Seite, begleitet von Übel-keit und Erbrechen. Die Beschwerdenverstärken sich bei Kopf- und Körper-bewegungen. Bei der klassischen Neu-ritis vestibularis, die bei Kindern <10Jahren selten ist, gehören Hörstörun-gen nicht zum Krankheitsbild. Unterder Frenzel-Brille findet sich einSpontannystagmus (zur nicht betrof-fenen Seite), welcher in der Schlag-richtung des Nystagmus zunimmtund durch visuelle Fixation meist un-terdrück werden kann. Beim raschenKopfdrehtest sowie bei der kalori-schen Prüfung findet sich eine Un-bzw. Untererregbarkeit des ipsilatera-len horizontalen Bogengangs. Bei denStand- und Gangproben ist eine Ab-weichung zur betroffenen Seite festzu-stellen. In der akuten Phase ist diesymptomatische Unterdrückung vonÜbelkeit und Erbrechen mit Dimen-hydrinat (Dosis: 1 -1,5 mg/ kg, ggf.nach sechs Std. wiederholen) möglich.Sobald die vegetativen Beschwerdenabklingen, sollte aber die symptoma-tische Therapie beendet und das Kindmobilisiert werden, um frühzeitig diezentrale Kompensation zu fördern.Wenn eine infektiöse Genese ausge-schlossen ist, kann eine früh begin-nende Therapie mit Steroiden (Me-thylprednisolon 1 mg/kg) erwogenwerden (siehe Tab.1).

1.4 Benigner paroxysmaler Lage-rungschwindel

Bei Kindern ist der gutartige Lage-rungsschwindel (BPPV) spontan sel-tener als bei Erwachsenen. Sympto-matische Fälle sind auch im Kindelal-ter häufig nach Schädeltrauma odernach peripher-vestibulären Erkran-kungen (z.B. nach Labyrinthitis).Wegweisend ist die typische Anam-nese mit bei Lageänderungen auftre-tenden kurzen Drehschwindelatta-

Syndrom Therapie

Benigner peripherer Lagerungsschwindel(BPPV)posteriorer Bogengang (>90%)horizontaler Bogengang

Befreiungsmanöver

Labyrinthitis

• - viral

• - bakteriell (bei Meningitis)• - serös bei Otitis media

• - autoimmun (z.B. Cogan)

Akut symptomatische Therapie• Spezifische Therapie nach Ursache, ggf. operativ

viral: bei Zoster oticus: Aciclovir 3x5 mg/kg/d (off-label);sonst symptomatisch

• bakteriell: antibiotisch nach Erreger• serös: Therapie der Otits media nach ErregerKortisonbehandlung erwägen (off-label)

autoimmun: Prednisolon 1 mg/kg/d, Ausschleichen je nachVerlauf

Traumatische Innenohrschädigung(Felsenbeinfraktur)

Ggf. operativ Kortisonbehandlung erwägen (off-label)Akut symptomatische TherapieFrühe Mobilisierung (zur zentralen Kompensation)

Neuritis vestibularis Kortisontherapie erwägen (off-label, z.B. Prednisolon 1mg/kg/d, alle 3 d um 20% redu-zieren)

Akut symptomatische Therapie Frühe Mobilisierung (zur zentralen Kompensation)

Morbus Menière In der Attacke: symptomatisch• Betahistidintherapie erwägen (off-label, angelehnt an Erfah-

rung bei Erwachsenen, keine ausreichende Erfahrung beiKindern, daher Einzelfallabwägung)

• Diuretika (off-label, laut Fallstudien)• Paukendrainage, ggf. andere operative Eingriffe im Verlauf

Vestibularisparoxysmie • Carbamazepin 2-6 mg/kg/d (off-label)• alternativ: Oxcarbazepin 4-8 mg/kg/d (off-label)

Perilymphfistel• Äußere Fistel zum Mittelohr

(posttraumatisch, postinfektiös, Choles-teatom)

• Innere Fistel zur mittleren Schädelgrube(Superior canal dehiscence; posttrauma-tisch, anlagebedingt)

Therapie der Grundkrankheit (z.B. operative Mittelohrsanie-rung mit Fistelabdeckung, Tympanoskopie mit Abdeckung desrunden Fensters)Meist konservativ abwartendes Verhalten Selten Operation notwendig

Bilaterale Vestibulopathie• Angeboren• Postinfektiös (Meningitis)• Toxisch (Aminoglykoside)• Malnutritiv (Vitamin B12, Folsäure)• Autoimmun• Degenerativ

(spinocerebelläre Ataxie)• Neoplastisch

(bds. Vestibularisschwannom)• Idiopathisch

Für alle:• Gleichgewichtstraining mit Gangschulung und Förderung

der visuellen und somatosensorischen Systeme• Spezifische Therapie nach Ätiologie

Tab. 1: Therapie peripher-vestibulärer Schwindelsyndrome bei Kindern

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cken, die von Übelkeit, selten Erbrechen begleitet sind.Die Diagnosesicherung erfolgt durch Lagerung mit Be-obachtung der Augenbewegungen. Bei Lagerung zumbetroffenen Ohr (Kopf 45° zum gesunden Ohr) tritt nacheiner kurzen Latenz von Sekunden und gleichzeitig zumDrehschwindel ein rotierender Nystagmus mit schnellerPhase zum unten liegenden Ohr und vertikaler Kompo-nente nach oben auf, der im Verlauf von etwa 30 Sekun-den zu- und wieder abnimmt (crescendo/decrescendo).Der hintere Bogengang ist in den meisten Fällen (ca.90%) betroffen. Der BPPV des horizontalen Bogengangsist viel seltener (bei rascher Kopfdrehung zur Seite in Rü-ckenlage streng horizontaler Nystagmus). Die Therapiedes BPPV erfolgt physikalisch durch Anwendung spezifi-scher Befreiungsmanöver in Analogie zur Erkrankungbei Erwachsenen (Brandt et al. 1994) (Abb.6a+b).

1.5 Menière Syndrom Das Menière Syndrom im Kindesalter ist selten, wird

aber bei unvollständigen anamnestischen Informatio -nen oft unterschätzt. Leitsymptome des Menière Syn-droms sind ein akutes vestibuläres Syndrom (Dreh-schwindel, Übelkeit, Erbrechen, einseitige Fallneigungund horizontaler Spontannystagmus in nur eine Rich-tung) und Ohrsymptome wie Ohrdruck, fluktuierendeHörstörung und Tinnitus. Typisch sind rezidivierendeAttacken mit einer Dauer von 20 Minuten bis zu mehre-ren Stunden. Die Ätiologie und die genaue Pathophysio-logie sind noch nicht sicher geklärt. Aus histologischerSicht besteht ein Endolymphhydrops. Pathophysiolo-gisch entsteht dieser durch eine zu hohe Produktion und/oder zu niedrige Resorption der Endolymphe. Bei Kin-dern ist dieser Endolymphhydrops häufiger sekundär,z.B. nach viraler Labyrinthitis, bei kongenitalen Fehlbil-dungen und als Folge von schwerwiegenden Ohr/ Hirn-infekten oder –traumata. Zur ergänzenden Diagnostiksollte neben eine kompletten audiometrischen Testung(bei welcher eine typische Innenohrhochtonschwerhö-rigkeit dokumentiert werden kann) und den vestibulärenTest (bei welchen meist Ausfall- jedoch tlw. auchReizphänomene ersichtlich sind), immer eine bildge-bende Diagnostik erfolgen um kongenitale Fehlbildun-gen zu diagnostizieren. Die gängigste Therapie bei Kin-dern in den publizierten Fallserien sind Diuretika, ver-einzelt auch das Einsetzen von Paukendrainagen. DieEvidenzlage hierzu ist jedoch unsicher. Die prophylakti-sche Behandlung mit Betahistin (1-2 mg/kg/d) ist inAnalogie zum Erwachsenen möglich, systematischen Er-fahrungen bestehen im Kindesalter jedoch nicht (sieheTab.1).

1.6 VestibularisparoxysmieLeitsymptome sind kurze, Sekunden bis wenige Mi-

nuten anhaltende, Dreh- oder Schwankschwindelatta-cken mit oder ohne Ohrsymptome (Tinnitus und Hör-minderung), die häufig von bestimmten Kopfpositionenabhängig sind und sich gelegentlich durch Hyperventila-tion provozieren lassen (Brandt et al. 1994). Ursache istein Gefäß-Nerv-Kontakt im vulnerablen Bereich (Oligo-dendroglia) des Nervus vestibulocochlearis (analog zumPathomechanismus der Trigeminusneuralgie). Diagnos-tisch wegweisend ist die typische Anamnese, ggf. die Pro-vokation der Attacke, der Nachweis des Gefäß-Nerv-Kontaktes im MRT (welcher jedoch auch bei asympto-matischen Kindern beschrieben ist) und das Ansprechenauf Carbamazepin. Obwohl im Kindesalter in der Litera-tur nicht beschrieben, kommt das Syndrom nach eigenerErfahrung ab dem achten Lebensjahr vor und lässt sichgut behandeln (Carbamazepin, Oxcarbazepin) (sieheTab.1). Die Therapie erfolgt bis zur mehrwöchigen Be-schwerdefreiheit, dann kann das Medikament in der Do-sis reduziert und schließlich abgesetzt werden.

1.7 Bilaterale VestibulopathieBei beidseitigem Ausfall der peripher-vestibulären

Funktion besteht eine Dauergangunsicherheit mit den

Abb. 6:Sémont-Befreiungsmanöver für die Canalolithia-sis des hinterer posterioren (linken) BogengangsDer Patient legt sich zunächst mit hängenden Beinen und zur ge-genüberliegenden Schulter gedrehten Kopf (45°) an den Liegen-rand. Danach legt er sich seitlich schnell in die Schwindel-auslö-sende Position, dies löst nach kurzer Latenz einen heftigenSchwindel mit einem rotierenden Nystagmus zur Stirn und zumunten liegenden Ohr aus (mit Crescendo-Decrescendo-Verlaufund einer Dauer von 30 – max. 60 Sekunden). Nach Abklingendes Schwindels und des Nystagmus legt der Patient sichschwungvoll auf die gegenüberliegende Seite (180° Kippung)ohne dabei den Kopf zu drehen, wobei die Nase nach untenzeigt. Dies löst erneut Drehschwindel aus, welcher von einemNystagmus zum obenliegenden Ohr begleitet wird. Der Patientverweilt in dieser Position ungefähr eine Minute bis Schwindelund Nystagmus sich erholen um dann die am Liegenrand sit-zende Position wieder einzunehmen, wobei ein zum betreffen-den Ohr leicht rotierender Nystagmus auftritt. Dieses Manöverwird in Abständen (z.B. dreimal täglich), je nach Toleranz des Pa-tienten, mehrmals (ungefähr 3-mal) hintereinander wiederholtbis kein Schwindel mehr auftritt. Ein mehrtägiger leichterSchwankschwindel in den folgenden Tagen ist zu erwarten, be-ruht am ehesten auf der partiellen Reposition der Otokonien imUtriculus und sollte dem Patienten und seiner Familie gegenübervorsorglich erwähnt werden.

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Leitsymptomen Oszillopsien (Bildverwacklungen) undZunahme der Gangstörung im Dunkeln und auf unebe-nem Untergrund. Die Oszillopsien entstehen durch denAusfall des vestibulo-okulären Reflexes, der durch denKopfdrehtest geprüft werden kann. Die Ursachen für einebilaterale Vestibulopathie sind vielfältig. Im Kindesalterkommen gehäuft vor: Vestibulopathie im Rahmen here-ditärer Erkrankungen (z.B. familiäre Vestibulopathie),Vestibulopathie nach bakterieller Meningitis, direktdurch eine Labyrinthitis oder indirekt durch toxischeMedikamente (Aminoglykoside), beidseitige Tumorenim Kleinhirnbrückenwinkel (Neurofibromatose Typ II)und Autoimmunerkrankungen (Cogan Syndrom.). DieBehandlung richtet sich nach der Ursache und wirdsymptomatisch durch Gleichgewichtstraining ergänzt(siehe Tab.1).

1.8 PerilymphfistelLeitsymptome sind durch Druckänderungen z.B.

Husten, Pressen, Niesen oder Heben sowie durch lauteGeräusche (Tullio-Phänomen) ausgelöste Schwank-oder Drehschwindel-attacken mit Scheinbewegungender Umwelt (Oszillopsien), Stand- und Gangunsicher-heit, mit oder ohne Hörstörungen. Typische Attackendauern einige Sekunden und können bei Änderung derKopfposition (z.B. Bücken) und Überwindung größerer

Höhenunterschiede (z.B. Fliegen) auftreten. Fisteln sindbei Kindern häufiger als im Erwachsenenalter (angebo-ren, posttraumatisch, postinfektiös). Diagnostisch weg-weisend sind Provokationstests (Valsalva, Tragusdruck,Politzer Ballon) unter gleichzeitiger Beobachtung. Ohr-druckgefühl, Tinnitus, Hörminderung, Autophonie oderHyperakusis können wegweisend für die betroffene Seitesein. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und In-tensität der Symptome (siehe Tab.1). Eine operative Be-handlung ist möglich, aber nur selten notwendig.

2. Zentrale Schwindelsyndrome2.1 Zentral- vestibulärer Schwindel

Zentral-vestibuläre Störungen entstehen durch Läsio-nen entlang der vestibulären Verbindungen von den Ves-

tibulariskernen in der Medulla oblon-gata zu den okulomotorischen Kernenund Integrationszentren im rostralenMittelhirn sowie zum Kleinhirn, Tha-lamus und vestibulären Kortex imtemporo-parietalen Großhirn. Eshandelt sich oft um klar definierte kli-nische Syndrome unterschiedlicherÄtiologie, deren typische Befunde ausOkulomotorik, Wahrnehmung undHaltungsregulation eine topische Zu-ordnung erlauben. Im Kindesalter ver-gleichsweise häufig sind Tumoren derhinteren Schädelgrube (Medullo-blastom, Astrozytom, Meningeom,Epidermoid). Auch virale Enzephali-tiden und paraneoplastische Syn-drome können zentral-vestibuläreDefizite auslösen. Diagnostisch weg-weisend ist der klinische Befund mitZeichen einer Funktionsstörung desHirnstammes und/oder des Klein-hirns. Dabei ist die Untersuchung derOkulomotorik von besonderem Wert.Die Therapie zentral-vestibulärerSchwindelursachen richtet sich nachder Ursache. Bei einigen Störungen isteine zusätzliche symptomatische The-rapie sinnvoll (z.B. Downbeat-Nystag-mus) (Tab.2).

2.2 Episodische AtaxienDie Episodische Ataxie Typ II ist eine sehr seltene au-

tosomal-dominant vererbte Erkrankung mit Mutatio-nen im CACNA1A-Gen, das für eine Untereinheit desP/Q-Calziumkanals kodiert. Die Mutation führt zu einerStörung der Purkinjezellfunktion im Kleinhirn. Klinischtreten durch physische und psychische Belastung getrig-gerte Attacken von mehreren Stunden Dauer auf, in de-nen ein zerebelläres Syndrom mit Ataxie, Sprechstörung,Gangunsicherheit und Schwindel besteht. Assoziiert zuder Erkrankung sind Migräne-Kopfschmerzen und bei

422

Syndrom Therapie

Zentral-vestibulärer Schwindel• Neoplastisch

(Tumor zerebellär/Hirnstamm)• Degenerativ/hereditär (spinozerebelläre

Ataxien, Episodische Ataxie)• Entzündlich (Hirnstammencephalitis)• Vaskulär (Gefäßmalformation)• Traumatisch (Hirnstammkontusion)• Epileptisch (vestibuläre Aura)

Therapie nach Ätiologie

Episodische Ataxie Typ II • Acetazolamid 5-10 mg/kg/d (off-label)• 4-Aminopyridin 3 x 5 mg/d (off-label, Einzelfallabwägung,

keine ausreichende Erfahrung bei Kindern)

Downbeat-/Upbeatnystagmus • 4-Aminopyridin (off-label, s.o.)

Somatoformer Schwindel AufklärungDesensibilisierung bei VermeidungsverhaltenVerhaltenstherapieSpezifische Therapie nach psychopathologischem und psycho-dynamischem Befund

Bewegungskrankheit Prophylaxe durch visuelle KontrolleVermeiden schwerer MahlzeitenAusreichend Frischluft

Prophylaxe durch Medikamente:• Dimenhydrinat 1-1,5 mg/kg, ggf. nach 6 Stunden wiederho-

len

Tab. 2: Therapie zentraler Schwindel bei Kindern

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manchen Patienten myasthene Symptome und eine Ab-sence-Epilepsie. Zwischen den Attacken besteht eine zen-trale Okulomotorikstörung (z.B. Downbeat-Nystag-mus), über die Jahre entwickelt sich eine progedienteAtaxie. Therapeutisch sind eine Attackenprophylaxedurch Vermeiden der Auslöser und die medikamentöseBehandlung mit Acetazolamid (5-10 mg/kg) oder 4-Aminopyridin (Einzelfallabwägung, keine ausreichende

Erfahrung bei Kindern) möglich (siehe Tab.2) (Strupp etal. 2007).

2.3 Migräne assoziierter Schwindel2.3.1 Benigner paroxysmaler Schwindel des Kindesalters

Der benigne paroxysmale Schwindel des Kindesaltersist die häufigste Ursache episodischen Schwindels beiKindern zwischen zwei und sechs Jahren. Die Prävalenz

bei 5-15 Jahre altenKindern in einer Po-pulations-basiertenStudie war 2,6%(Abu-Arafeh et al.1995). Klinisch stel-len sich die Patien-ten mit kurzen Atta-cken (Sekunden bisMinuten) von Dreh-oder Schwank-schwindel mitStand- und Gan-gunsicherheit vor(Tab.3). In der Atta-cke ist ein Nystag-mus möglich, Übel-keit häufig, Erbre-chen selten. Hörstö-rungen bestehennicht. Zwischen denAttacken ist der kli-nische Befund un-auffällig. Die Atta-cken treten mit un-terschiedlicher Fre-quenz auf. Patho-physiologisch wirdeine Beziehung zurMigräne angenom-men, da die Famili-enanamnese häufigpositiv und derÜbergang zu klassi-scher Migräne über-zufällig häufig ist(Lindskog et al.1999; Balatsouras etal. 2007). In derbeta-Version der 3.Auflage der Kopf-schmerzklassifika-tion der Internatio-nal Headache So-ciety (ICDH-3 ß) istder gutartige paro-xysmale Schwindeldes Kindesalters beider Migräne gelistet.Eine Therapie ist sel-ten notwendig und

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Vestibuläre Migräne ▸ Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen (Spon-taner Schwindel, Lageschwindel nach Wechsel der Kopflage,visuell induzierter Schwindel, Schwindel während der Kopf-bewegungen, Benommenheit mit Übelkeit nach Kopfbewe-gung) in moderater oder starker Intensität (Bei moderatemSchwindel ist sind die alltäglichen Aktivitäten beeinträchtig,sind aber möglich. Bei starker Intensität sind die alltäglichenAktivitäten nicht möglich.) mit einer Dauer von 5 Minutenbis 72 Stunden.

▸ B. Aktuell oder in der Vorgeschichte Migräne mit oder ohneAura laut der „International Classification of Headache Dis-orders“ (ICHD) (für Kinder gibt es gesonderte Fußnoten inBezug auf die Dauer der Kopfschmerzen)

▸ C. Eine oder mehrere Eigenschaften der Migräne bei mindes-tens 50% der vestibulären Episoden:• Kopfschmerzen mit mindestens 2 der folgenden Eigen-

schaften: einseitige lokalisation, pulsierender Charakter,moderate bis starke Intensität, Verschlimmerung bei Rou-tinebewegungen

• Photo- und PhonophobieVisuelle Aura (typische Dauer: 5- 20 Minuten, kürzer als 60Minuten)

▸ D. Andere Schwindel- oder Kopfschmerzdiagnosen nachICHD treffen nicht besser zu

Wahrscheinliche vestibuläre Migräne ▸ Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen in mo-derater oder starker Intensität mit einer Dauer von 5 Minu-ten bis 72 Stunden.

▸ B. Nur ein Kriterium von B und C für vestibuläre Migräne isterfüllt (Migräne in der Anamnese oder Migräneeigenschaf-ten)

▸ C. Andere Schwindel- oder Kopfschmerzdiagnosen nachICHD treffen nicht besser zu

Benigner paroxysmaler Schwindel des Kindesalters

▸ 5 schwerwiegende Schwindelepisoden, die plötzlich ohneVorwarnung auftreten und sich spontan bessern.

▸ Zwischen den Episoden sind die neurologische Untersu-chung, die Audiometrie, die vestibulären Funktionen und dasEEG normal unauffällig.

▸ Hämmernde Kopfschmerzen können auftreten, sind aberkein zwingendes Kriterium.

Basilarismigräne ▸ Mindestens 2 Manifestationen der posterioren Zirkulation(eines davon ist in 60% der erwachsenen Patienten, derSchwindel),

▸ gefolgt von Migränekopfschmerzen.

Tab. 3: Diagnosekriterien der Migräne-assoziierten Schwindelformen

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

424

entspricht bei sehr häufigen Attacken der prophylakti-schen Migränebehandlung (siehe Tab.3).2.3.2 Vestibuläre Migräne

Etwa die Hälfte der Kinder mit Schwindel leiden auchunter Kopfschmerzen. Leitsymptome der vestibulärenMigräne sind rezidivierende Attacken mit unterschiedli-chen Kombinationen aus Schwindel, Stand- und Ganga-taxie begleitet oder gefolgt von Kopfdruck oder Kopf-schmerz, Übelkeit und Erbrechen. Es bestehen Licht-und Lärmempfindlichkeit sowie ein Ruhebedürfnis.Schlaf bessert die Beschwerden. Die Dauer der Schwinde-lattacken ist sehr variabel und beträgt in typischen FällenMinuten bis Stunden. Das Auftreten von Kopfschmerzenist typisch, jedoch nicht zwingend zur Diagnosestellung.Die Bárány Society formulierte gemeinsam mit der Inter-national Headache Society 2012 ein Konsensdokumentzur Diagnose der vestibulären Migräne (siehe Tab.3)(Lempert et al. 2012, 2014), welches auch zur Diagnosebei Kindern angewendet werden sollte. Im attackenfreienIntervall ist auch bei Kindern eine leichte zentrale Augen-bewegungsstörung, am häufigsten eine sakkadierteBlickfolge, zu beobachten (Langhagen et al. 2013). In ers-ter Linie sollten allgemeine Maßnahmen zur Migräne-prophylaxe erfolgen. Hier sind Modifizierungen im Le-bensstil (bei Jugendlichen sollten Alkohol-, Koffein- undTabakkonsum thematisiert werden), regelmäßiger Aus-dauersport (möglichst 30 Minuten 3-mal wöchentlich),Stressmanagement(u.A. Erlernen vonEntspannungsver-fahren), ausreichendFlüssigkeit und re-gelmäßige Mahlzei-ten gefordert(Tab.4).

Bei stark beein-trächtigenden oderhäufigen Attacken(>2/Monat) ist eineprophylaktische me-dikamentöse Be-handlung empfeh-lenswert. Daten zurBehandlung der ves-tibulären Migränebei Kindern sind li-mitiert. Die Behand-lungsrichtlinien ent-sprechen denen dertypischen Migränemit Aura (Bonfert etal. 2013) (sieheTab.4). Eine Zulassung der möglichen Medikamente fürKinder besteht aber nicht. In den Empfehlungen Gesell-schaft für Neuropädiatrie (GNP) zur Migräne-Prophy-laxe (2008) steht in erster Linie der Betablocker Propano-lol (Off-label, aktuelle Dosierungsempfehlung: 0.5 – 1mg/kg; max.4mg/kg/d), alternativ kann Metoprolol-suc-cinat (Off-label, 0,5 - 1mg/kg/d; max. 160mg/d) erwogen

werden. Bei Patienten mit allergischen Erkrankungen,Asthma, Diabetes oder Herz-Block sind Betablockerkontraindiziert. Auch Flunarizin, ein nicht selektiver Kal-ziumkanal-Blocker, wird in erster Linie zur Migränepro-phylaxe empfohlen (Off-label, 5 – 10 mg in einer abend-lichen Dosierung; Nebenwirkung: Gewichtszunahme).Nach Evidenzkriterien in zweiter Linie, in der Praxis aberoft in erster Linie werden Amitriptylin (0.2 – 0.4 mg/kgabends; max. 75-100mg/d; Nebenwirkung: leichte Sedie-rung, Gewichtzunahme, anticholinerge Effekte; EKG-Kontrollen) und Topiramat (Zieldosis von 1 – 2 mg/kg/d in 2 ED, max. 100mg/ d; Nebenwirkung:Gewichtsverlust, kognitive Störungen, Nierensteine) ein-gesetzt. Magnesium scheint eine wichtige Rolle in derMigränepathogenese (Auslösung der „cortical spredingdepression“, Blutplättchenaggregation, Vasokonstrik-toion und Neurotransmitter-Freisetzung) zu spielen, dieStudienlage ist jedoch kontrovers (bei Erwachsenenwurde eine Reduktion der Attackenfrequenz unter Mag-nesium-Substitution nachgewiesen; bei der einzigen Stu-die bei Kindern mit Migräne (level of evidence B) zeigtediese im Vergleich zur Placebogruppe keine signifikanteMinderung der Attackenfrequenz) (Schetzek et al. 2013).Bevor eine pharmakologischen Prophylaxe begonnenwird, ist auf Grund der guten Verträglichkeit, nach Mei-nung der Autoren, ein Therapieversuch mit Magnesium(200-600mg/d; Nebenwirkung: Durchfall) sinnvoll.

2.3.3 BasilarismigräneTreten neben den Schwindel- und Gleichgewichtsbe-

schwerden noch andere Symptome der posteriorenDurchblutungsbahnen auf (Dauer 5- 60 Minuten) undfolgt darauf ein migräneartiger Kopfschmerz, so sprichtman von einer Basilarismigräne (siehe Tab.4). Topiramat(1-2 mg/kg = 25-100 mg/d) erwies sich bei Migräne vom

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Syndrom Therapie

• Benigner paroxysmaler Schwindel desKindesalters (BPV)

• Vestibuläre Migräne • Basilarismigräne

Medikamentöse Migräneprophylaxe nur bei häufigen und starkbeeinträchtigenden Attacken (günstiger Spontanverlauf)

Allgemeine Maßnahmen:• Vermeiden von Auslösern • Ausreichend Flüssigkeit• Regelmäßige Essenzeiten• Schlafhygiene• Stressmanagement/Entspannungstechniken (z.B. progressive

Muskelentspannung nach Jakobson)• Ausdauersport (30 Minuten 3 Mal/ Woche)

Medikamentöse Migräneprophylaxe bei vielen (>=3 ) undschweren Attacken (>72 h) - off-label -• Amitriptylin 0.2 – 0.4 mg/kg (retard), max. 75-100mg/d• Topiramat Zieldosis 1 – 2 mg/kg/d in 2 ED, max. 100mg/d • Propranolol 0.5 – 1 mg/kg, max.4mg/kg/d • Metoprolol-succinat 0,5 - 1mg/kg/d; max. 160mg/d• Flunarizin 5-10 mg/d

Tab. 4: Therapie des Migräne-assoziierten Schwindels bei Kindern

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Fortbildung

Basilaristyp bei Kindern als prophylaktisch wirksam (Le-wis et al. 2007).

3. Kongenitale Syndrome und FehlbildungenEine Vielzahl angeborener Fehlbildungen ist mit ves-

tibulären Funktionsstörungen assoziiert. Labyrinthmal-formationen treten nach embryopathischen Infektionen(Rubella, CMV) auf. Mondini-Dysplasie und CHARGE-Assoziation (Colobom, Herzerkrankung, Atresie derChoane, Retardierte Entwicklung, Genitale Hypoplasie,Ohr (Ear)-Anomalitäten) gehen mit Fehlanalage der In-nenohrstrukturen und bilateraler Vestibulopathie ein-her. Verschiedene erbliche Erkrankungen, wie die fami-liäre vestibuläre Areflexie und die familiäre Vestibulopa-thie gehen mit Gleichgewichtsstörungen einher. Bei derNeurofibromatose Typ II werden vestibuläre Störungendurch bilaterale Vestibularisschwannome hervorgerufen.Beim Usher-Syndrom (Typ I) gehen progtediente Hör-und Sehminderung mit vestibulären Defiziten einher.Bei Friedreich-Ataxie, mitochondrialen Syndromen undmetabolischen Erkrankungen (Refsum Krankheit) sindvestibuläre Störungen beschrieben worden. Die Therapierichtet sich nach der Grunderkrankung.

4. Traumatischer SchwindelSchwindel ist eine häufige Folge Schädel-Hirn-Trau-

mata. Bei Kindern ist ein benigner posturaler paroxys-maler Lagerungsschwindel häufig posttraumatisch undkann bilateral (asymmetrisch) sein. Das Intervall zwi-schen Trauma und der Schwindelmanifestation kannTage bis Wochen betragen. Die Behandlung erfolgt mitden entsprechenden Lagerungsmanövern, je nach dembetroffenen Bogengang.

Durch eine Felsenbeinfraktur oder -blutung kann eszur Schädigung des vestibulären Nervs oder des Laby-rinths kommen. Eine Therapie mit Glukokortikoiden zurMinderung der Ödembildung ist zu Beginn indiziert. Einesymptomatische Therapie mit Antivertiginosa und Bett-ruhe sollte nur in den ersten Tagen erfolgen. Baldmöglichstsollten vestibuläre Trainingsprogramme eingeleitet wer-den um die zentrale Kompensation zu fördern.

Beim Schädel-Hirn-Trauma kann es durch massiveDruckunterschiede zu einer Perilymphfistel kommen.

Beim posttraumatischen Otolithenschwindel tretenOtholithenfunktionsstörungen unmittelbar nach einemSchädel-Hirn-Trauma oder nach einer Latenz auf. Dabeibeklagt der Patient einen Schwankschwindel, der bei Kopf-bewegungen verstärkt wird, Oszillopsien bei Kopfbewe-gungen sowie Gangunsicherheit (gehen wie auf Watte).

Durch Blutung oder Kontusion kann es zu direktenHirnstamm- oder Kleinhirnfunktionsstörungen kom-men. Relativ häufig betroffen ist dann das Mesencepah-lon (vertikale Augenbewegungsstörung).

5. Somatoformer SchwindelSystematische Untersuchungen zu somatoformen

(psychosomatischen, psychogenen, funktionellen)Schwindelformen im Kindesalter fehlen. In den vorlie-genden Serien über verschiedene Schwindelursachen bei

Kindern wird der Anteil psychogener Formen mit 2,5 -33% angegeben. Somatoformer Schwindel wird in derPubertät prävalenter.

Typisch für somatoforme Schwindelformen sindDauerbeschwerden bei unauffälligem klinischem Be-fund, die situative Verstärkung der Beschwerden und diefehlende Übereinstimmung zwischen subjektiver Ein-schränkung und objektiven Befunden. Dies lässt sich kli-nisch mittels Stand- und Gangproben unter einfachenund erschwerten Bedingungen objektivieren. Hilfreichist hier auch die Ablenkung durch dem Alter angepasstekognitive Aufgaben (z.B. Rückwärtszählen oder Rechen-aufgaben), bei denen die Stabilität zunimmt.

Bezüglich der Pathogenese ist eine Einteilung in pri-mär und sekundär somatoformen Schwindel sinnvoll(Eckhardt-Henn et al. 2009). Der sekundär somato-forme Schwindel ist Folge organischer Schwindelursa-chen und entwickelt sich im weiteren Verlauf. Ein assozi-ierter somatoformer Schwindel ist auch bei Kindern be-sonders häufig bei vestibulärer Migräne zu beobachten(Langhagen et al. 2013). Der primär somatoformeSchwindel tritt ohne vorangehende Schwindelerkran-kung auf. In beiden Konstellationen ist es wichtig aufmögliche psychische und psychosomatische Störungen(Angst- und phobische Störungen, dissoziative Störun-gen, somatoforme Störungen im eigentlichen Sinne) zuachten um diese psychiatrisch abklären und ggf. behan-deln zu lassen.

Die Therapie des somatoformen Schwindels beinhal-tet angepasst an die Ätiologie (A) eingehende Diagnostikzum Nachweis, dass der körperliche Befund die Be-schwerden nicht ausreichend erklärt, (B) Aufklärung vonPatient und Bezugsperson (Eltern), (C) regelmäßigerSport zur Förderung des Vertrauens in die eigene Hal-tungsregulation, (D) bei Vermeidungsverhalten: Desen-sibilisierung durch Eigenexposition, (E) bei Persistenzder Beschwerden: Überweisung zur kinder- und jugendpsychiatrischen Evaluation und gegebenenfallsVerhaltenstherapie (siehe Tab.3). Bei einigen Patientenkann eine begleitende medikamentöse Therapie notwen-dig sein, welche interdisziplinär mit Kollegen aus derKinder- und Jugendpsychiatrie abgestimmt werdensollte. Die Tendenz von Patienten und ihren Familien beisomatoformen Beschwerden nicht den vorgeschlagenenWegen zu folgen, sondern schlicht den Arzt und die In-stitution zu wechseln ist eine besondere, oft aber nichtlösbare Herausforderung.

6. Schwindel durch orthostatische Dysregu-lation

Differenzialdiagnostisch wichtig ist, besonders in derPubertät, der Schwindel durch eine orthostatische Hypo-tension. Der allgemeinen Definition nach besteht kli-nisch eine orthostatische Hypotension, wenn 1 Minutenach dem Aufstehen aus der Rückenlage, ein systolischerBlutdruckabfall von mindestens 20 mmHg besteht, teil-weise begleitet von einem diastolischen Blutdruckabfallvon ≥10 mmHg. Begleitend treten Zeichen von Minder-

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Fortbildung427

perfusion des Gehirns, wie Benommenheit, Verwirrtheit,Schwarzwerden vor den Augen und/ oder Schwindel auf;es kann zu einer Synkope kommen. Charakteristisch da-für sind das Auslösen der Beschwerden durch den schnel-len Positionswechsel (häufig nach dem morgendlichenAufstehen) oder nach langem Stehen (z.B. als Ministrantin der Kirche), das Schwarzwerden vor den Augen undein Schwindel der am ehesten als Benommenheits-schwindel, oder als ein Leeregefühl im Kopf, beschriebenwird.

Therapeutisch sind eine ausreichende Flüssigkeitszu-fuhr (u. A. bereits vor dem morgendlichen Aufstehen),regelmäßiger Ausdauersport sowie Muskelkontraktionder Ober- und Unterschenkel noch vor dem Aufstehen(„Radfahren im Bett“), zu empfehlen. Ggf. ist eine kar-diologische Untersuchung zum Ausschluss von Herz-rhythmusstörungen erforderlich. Zur Diagnosestellungkönnen ergänzend ein Schellong-Test und/oder eineKipptisch-Untersuchung erfolgen.

7. Pharmakogener Schwindel

Ein pharmakogener Schwindel kann durch eine oto-toxische Wirkung des Medikaments (z.B. Aminoglyko-side), die zu einer Schädigung der Typ-I-Haarzellenführt, oder durch ausgeprägte zentrale (dosisabhängige)Okulomotorikstörungen (z.B. durch Antikonvulsiva, wieCarbamazepin und Diphenylhydantoin), verursachtwerden. Eine allseits sakkadierte Blickfolge und ein allsei-tiger Blickhaltedefekt deuten, bei passender Anamnese,auf letztere Ursache. Auch eine orthostatische Dysregula-tion, verursacht durch Antihypertensiva und Diuretika,kann Schwindel verursachen. Eine ausführliche Anam-nese in Hinblick auf den Zeitpunkt des Therapiebeginnsund der ersten Schwindelbeschweden, ist beim pharma-kogenen Schwindel wegweisend.

8. Zervikogener Schwindel

Die Existenz des zervikogenen Schwindels wird un-verändert kontrovers diskutiert. Fest steht, dass er zuhäufig diagnostiziert und häufig mit ideologisch einge-färbten Deutungskonzepten belegt wird. Pathophysiolo-gisch kann die Beeinträchtigung der Nackenafferenzen

zu einer vorübergehenden Störung der Kopf-Körper Ko-ordination und der Haltungskontrolle führen. Entspre-chend kann nach Halswirbelsäulen-Beschleunigungs-traumata eine Gangunsicherheit ausgelöst werden, wel-che mit dem zervikogenen Schmerz und den Bewegungs-einschränkungen der Halswirbelsäule korrelieren sollte(Zervikalsyndrom). Der Schwindel auf Grundlage diesesMechanismus wird aber in der Regel rasch (innerhalbvon Tagen) kompensiert. Chronischer Schwindel hat sel-ten eine zervikogene Ursache. Wichtig ist eine sorgfältigeotoneurologische Diagnostik zum Ausschluss andererorganischer Schwindelursachen sowie eines sekundär so-matoformen Schwindels. Therapeutisch erfolgt die Be-handlung des Zervikalsyndroms.

9. BewegungskrankheitKinder < 2 Jahre sind resistent gegen Bewegungs-

krankheit, ältere Kinder empfindlicher als Erwachsene(Peak 4-10 Jahre) (Gahlinger 1999). Es treten vegetativeSymptome mit Unwohlsein, Übelkeit, Kaltschweißigkeitund Erbrechen auf. Gleichzeitige Kopfbewegungen undfehlende visuelle Kontrolle erhöhen die Wahrscheinlich-keit des Auftretens von Symptomen. Die Präventionkann durch visuelle Umgebungskontrolle (aus dem Autosehen, nicht lesen), Frischluft und Vermeiden exzessiverKopfbewegungen erfolgen. Die medikamentöse Prophy-laxe ist bei Kindern mit Dimenhydrinat (1-1,5 mg/kg)eine Stunde vor Exposition, dann alle sechs Stundenmöglich (Gahlinger 1999) (Tab.3). Scopolamin ist beiKindern <10 Jahre kontraindiziert.

Literatur bei den Verfassern

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interesskonflikt vorliegt.

Korrespondenzanschrift:

Thyra Langhagen

Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum (DSGZ)

Campus Großhadern, Klinikum der Universität München

Marchioninistraße 15

81377 München

Tel.: 089/4400-76676

E-Mail: [email protected]

Red.: Heinen

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Service-Nummer der Assekuranz AG für Mitglieder des Berufsverbandes derKinder- und Jugendärzte

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Frage:Ich betreue ein 18-jähriges Mädchen, das anamnestisch an-gibt, im Alter von ca. sieben Jahren nach dem Genuss vonHaselnussplätzchen eine Anaphylaxie erlitten zu haben.Die Allergie diagnostik ergab folgende Befunde:Gesamt IgE = 1.034 U/mlt4-Hasel-IgE (CLIA) = 1,96 kU/Lt3-Birke = 57,4 kU/LDie Einzelkomponentendiagnostik auf Haselnussallergeneergab:Cor a 8 = < 0,1 kU/LCor a 1 = 6,3 kU/LCor a 14 = 19,9 kU/LCor a 9 = 19,8 kU/LLaut Labor seien Cor a 8, Cor a 14 und Cor a 9 mit einemhohen Anaphylaxierisiko verbunden.� Wie ist das Anaphylaxierisiko vor dem Hintergrund der

negativen Cor a 8-Komponente zu beurteilen?� Sind weitere Diagnostik, ein Provokationstest bzw. ein

Notfallset indiziert?Antwort:

Die alleinige anamnestische Angabe "Anaphylaxie" istohne nähere Beschreibung schwierig zu beurteilen. Eine si-chere Aussage über die derzeitige klinische Aktualität ist ausdem Stand nicht zu treffen.

Die jetzige Allergiediagnostik zeigt, dass das Birkenpol-len-spezifische IgE deutlich erhöht ist; das spezifische IgEgegen Haselnuss (f17) wurde nicht bestimmt. Prinzipiellkönnte damit eine Pollen-assoziierte Nahrungsmittelaller-gie gegeben sein. Erstaunlich ist, dass das spezifische IgE ge-gen die beiden frühblühenden Baumpollen (Birke t3 undHasel t4), die eine deutliche Kreuzreaktivität aufweisen, sounterschiedlich hoch gemessen wurde. Als Gegenargu-ment einer Pollen-assoziierten Kreuzreaktivität kann insFeld geführt werden, dass es anamnestisch bei der Indexre-aktion möglicherweise zu systemischen Symptomen ge-kommen ist, was für eine Pollen-assoziierte Nahrungsmit-telallergie wenig wahrscheinlich ist. Die Komponentendi-agnostik schließlich ergibt eine Sensibilisierung gegenmehrere Einzelallergene aus verschiedenen Gruppen undzwar (1.) im Sinne einer Birkenpollen-Kreuzreaktivität(Cor a 1 = Bet v 1 Homolog) und (2.) im Sinne einer pri-mären, direkten Haselnussallergie (Cor a 9 und Cor a 14 =Speicherproteine). Die beiden Speicherproteine gehen miteinem erhöhten Risiko für schwere systemische allergische

Reaktionen einher. Gegen das weniger spezifische Lipid-Transfer-Protein (LTP9 Cor a 8 besteht keine Sensibilisie-rung.

In dem genannte Fall ist die Bestimmung der Einzelal-lergene wegen der breiten Sensibilisierung nicht weiterfüh-rend.

Prinzipiell kann die moderne Komponentendiagnostikbei der Unterscheidung zwischen primärer, "echter" Hasel-nussallergie und einer sekundären, pollen-assoziiertenKreuzallergie Hilfestellung leisten (Tabelle).

Die Komponentendiagnostik ist und bleibt eine IgE-ba-sierte Diagnostik und unterliegt damit denselben Be-schränkungen wie des spezifischen IgE gegen intakte Aller-gene, z. B. dass eine Sensibilisierung nicht mit einer klini-schen Relevanz gleichzusetzen ist. Die Komponenten -diagnostik verbessert zwar die Abklärung von verdächtig-ten Nahrungsmittelallergien weiter (v. a. bei Erdnuss- undBaumnussallergien), macht aber bisher nur in einigen Fäl-len eine orale Provokation überflüssig – wenn man nichtgroßzügig diätetische Einschränkungen in Kauf nehmenmöchte. Nach wie vor stellen orale Nahrungsmittel-Provo-kationen den Goldstandard dar.

Zusammengefasst würde ich aufgrund der langen Zwi-schenzeit und der diagnostischen Unsicherheit eine kon-trollierte orale Provokation mit Haselnuss unter statio -nären Bedingungen durchführen lassen. Dies lohnt sich, dadie Prognose der Baumnuss- und Erdnussallergien zwargenerell nicht sehr gut ist, aber immer wieder doch einzelnePatienten über die Jahre eine Toleranz entwickeln. Zudemsollten unnötig lange Diäten verhindert werden. Je nach Er-gebnis sollte dann nicht nur über die Frage einer thera -peutischen Eliminationsdiät, sondern v. a. auch über die In-dikation zum ständigen Mit-sich-Führen eines Adrenalin-Autoinjektors entschieden werden.

Prof. Dr. med. Bodo NiggemannCharité Klinik für PädiatrieAugustenburger Platz 113353 Berlin

Anaphylaxierisiko bei einem 18-jährigenMädchen mit Verdacht auf Haselnussallergie

Prof. Dr. med. Bodo Niggemann

CONSILIUM

Das „CONSILIUM“ ist ein Service im „KINDER- UND JUGENDARZT“, unterstützt von INFECTO PHARM. Kin-der- und Jugendärzte sind eingeladen, Fragen aus allen Gebieten der Infektiologie an die Firma InfectoPharm, z. Hd.Frau Dr. Kristin Brendel-Walter, Von-Humboldt-Str. 1, 64646 Heppenheim, zu richten. Alle Anfragen werden vonnamhaften Experten beantwortet. Für die Auswahl von Fragen zur Publikation ist der Chefredakteur Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz, Bremen, redaktionell verantwortlich.Alle Fragen, auch die hier nicht veröffentlichten, werden umgehend per Post beantwortet. Die Anonymität des Fragersbleibt gegenüber dem zugezogenen Experten und bei einer Veröffentlichung gewahrt.

Primäre, direkte, „echte“ Allergie Sekundäre Pollen-assoziierte NMA

Pollensensibilisierung fakultativ Pollensensibilisierung immer vorhanden

sIgE Haselnuss > sIgE Birke sIgE Birke ≤ sIgE Haselnuss

Cor a 9, Cor a 14 Cor a 1

Risiko für schwere Symptome Meist nur oro-pharyngeale Symptome

Nutella wird nicht vertragen Nutella wird vertragen

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

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Die Autoren haben das Verschreibungsverhalten in Notfall-Ambulanzen der USA landesweit analysiert, um zu untersuchen,welchen Einfluss die nationalen Leitlinien auf das Codein-Ver-schreibungsverhalten bei Kindern haben.

Dazu führten sie für den Zeitraum von 2001-2010 bei Notfall-Patienten im Alter von 3-17 Jahren eine Analyse der nationalenKrankenhaus-Ambulanz Daten-Übersicht (National HospitalAmbulatory Medical Care Survey) durch.

Es wurde die jährliche Gewichtung von Codein-Verordnungenbestimmt und die linearen Trends über die Zeit. Dazu wurde einelogistische Multivarianz-Regression verwendet, um die Charakte-ristika der Codein-Verordnungen zu identifizieren. Zusätzlichwurden die Daten auf mögliche Veränderungen der Codein-Ver-ordnungen bei Infekten der oberen Luftwege (URI) oder Hustenin Übereinstimmung mit zwei nationalen 2006-Leitlinien über-prüft, die sich gegen die Codein-Verschreibungen für diese Indi-kationen aussprechen.

Die Häufigkeit der Codein-Verschreibungen für Kinder undJugendliche im Alter von 3-17 Jahren bei 190 Millionen Ambu-lanz-Besuchen fiel während der Untersuchungsperiode von 3.7 %auf 2.9 % (P=.008). Die Codein-Verordnungs-Häufigkeit war fürKinder im Alter von 8-12 Jahren (OR1.42;Confidenz-Intervall(CI) 1.21-1.67) und für Institutionen ausserhalb der Nordost-staaten der USA höher als für Kinder im Alter von 3-7 Jahren . Fürnicht-hispanische schwarze Kinder (OR 0.67 (CI 0.56-0.8) sowiebei Medicaid-Patienten (OR 0.84 (0.71-0.98)) war sie niedriger.Eine signifikante Verminderung der Codein-Verordnungen bei

National Patterns of Codeine Prescriptions for Children in the Emergency DepartmentS V Kaiser, R Asteria-Penaloza, E Vittinghoff, et al., Pediatrics,133: e1139-e1147, April 2014

Review aus englischsprachigen Zeitschriften

Codein-Verordnungen für Kinder in Notfall-Ambu-lanzen

akuten Atemwegsinfektionen oder Husten im zeitlichen Zusam-menhang mit den 2006-Leitlinien konnte in einer Subgruppen-Analyse, die die Verschreibungen von 2001 bis 2006 mit denen von2007-2010 verglich, nicht festgestellt werden.

Trotz der leicht gesunkenen Häufigkeit von Codein-Verord-nungen erhielten immer noch jedes Jahr 558.806 bis 876.729 Kin-der in Notfall-Ambulanzen Codein-Verschreibungen. Kinder von8-12 Jahren erhielten eher Codein als Kinder von 3-7 Jahren.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass effektivere Inter-ventionen als die nationalen Leitlinien erforderlich sind, umCodein-Verordnungen für Kinder zu reduzieren.

KommentarDie Studie besticht durch ihr immenses Datenmaterial von 190

Millionen Notfall-Ambulanz Visiten in 11 Jahren. Die Überprü-fung der Verordnungshäufigkeit von Codein meist als Hustensaftbei akuten Atemwegs-Infektionen und Husten entspricht aktuel-len Bedürfnissen der Pädiatrie.

Die hier vorgelegten Daten aus den USA sollten unser Augen-merk auf die Entwicklung in Europa lenken. So empfiehlt der Aus-schuss für Risikobewertung für Arzneimittel (PRAC) ganz aktuellCodein nicht für die Behandlung von Kindern zuzulassen*. DieVerschreibung von Codein-Präparate bei Kindern wurden auchhierzulande über viele Jahrzehnte wenig eingeschränkt.

*Codein-Einnahme führt bei einer (ultra-)schnellen Metabolisierung zu ei-nem bedenklich hohen Morphin-Spiegel, der sich insbesondere bei Säuglin-gen die gestillt werden, zu einer tödlichen Morphin-Vergiftung entwickelnkann. Selbst wenn dies nicht passiert, droht durch den zu hohen Morphin-Spiegel eine schwere Atemdepression, die im schlimmsten Fall ebenfallstödlich enden kann.

Eine Behandlung mit Codein-Mitteln kann bei Kindern zur Abflachung oderzum Aussetzen der Atmung führen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel undMedizinprodukte (BfArM) hat 2014 eine Untersuchung der Gefahren vonKinder-Hustenmitteln mit Codein angeregt. Es rät Ärzten, Codein-Präparatebei Kindern nur sehr kurz und nur nach sorgfältiger Gefahrenabwägung undin der niedrigsten Dosierung zu verschreiben. Ein Expertengremium bei dereuropäischen Arzneimittelagentur EMA soll nun solche Hustenmittel ge-nauer untersuchen.

(Helmut Helwig, Freiburg)

Am 22 Juli 2011 wurde Norwegen von zwei Terrorattentatenerschüttert, von denen eines ein Sommercamp der Jugendorgani-sation der Arbeiterpartei auf Utøya, einer Insel vor Oslo, betraf.Während des Übergriffs befanden sich 564 vorwiegend jungeMenschen auf der Insel. Der Täter tötete 69 Menschen, 56 wurdenschwer verletzt. Das Ereignis war gekennzeichnet durch 1. die ex-treme Brutalität der Tat, während der die Opfer gejagt und oftmehrfach beschossen wurden; 2. die Inselsituation, der nur durch

Post-Traumatic Stress Reactions in Sur-vivors of the 2011 Massacre on UtøyaIsland, NorwayDyb, G., Jensen, T.K., Nygaard, E., et al., British Journal of Psy-chiatry, 204, 361-67, Mai 2014

Posttraumatische Belastungs-Reaktion nach demMassaker auf der Insel Utøya

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

432

Schwimmen durch den kalten Fjord zu entkommen war; 3. eineerst nach 80 Minuten eintretende Hilfe; 4. die Irritation der Über-lebenden dadurch, dass der Täter eine Polizeiuniform trug und 5.die Tatsache, dass die Opfer einander kannten und somit viele dasSterben von Freunden und Kollegen miterleben mussten. DieseBedingungen legen eine hohe Inzidenz von posttraumatischer Be-lastung bei den Überlebenden in den Monaten nach der Tat nahe.

Methodik: Drei Monate nach dem Ereignis wurden alle 495Überlebenden kontaktiert, von denen 325 (66%) zur Studienteil-nehme bereit waren und interviewt werden konnten. Diese wur-den zudem mit Fragebögen befragt zur traumatogenen Exposi-tion (Verluste, Verletzungen, Schmerzen), zu unmittelbaren peri-traumatischen Reaktionen (Angst, Hilflosigkeit, Konfusion, Dis-soziation, Erregung), zur sozialen Unterstützung, zur allgemeinenseelischen Gesundheit und Lebenszufriedenheit und zu anhalten-den Stressreaktionen gemäß den diagnostischen ICD-Kriterieneiner posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Demnachliegt eine PTBS vor, wenn über einen Zeitraum von > 4 Wochenanhaltende Symptome aus folgenden 3 Kategorien auftreten: Wie-dererleben (Flash-backs, Albträume), Vermeidung (z.B. von trau-maassoziierten Orten, Personen, Gesprächen; emotionale Ab-stumpfung, Dissoziation) und autonomes Hyperarousal (ver-mehrte Schreckreaktionen; physiologische Übererregung mit Un-ruhe, Schwitzen, Zittern, Herzrasen, Schlafstörungen; labile Stim-mung, Reizbarkeit; Störung von Aufmerksamkeit und Konzentra-tion). Das Auftreten der Symptome wurde auf einer Skala von 0(tritt nie auf) bis 4 (tritt die meiste Zeit auf) erfasst und ein Sum-menscore gebildet. Zeitnah wurden zudem Vergleichswerte in ei-ner norwegischen Bevölkerungsstichprobe von 599 Probandengleichen Alters und Geschlechts ermittelt, die als Mitbürger be-troffen, aber nicht unmittelbar einer Bedrohung durch das Atten-tat ausgesetzt worden waren.

Ergebnisse: Es wurden 325 Frauen (47%) und Männer (53%)im Alter von 13-57 Jahren erfasst, 92.5% davon < 25 Jahre alt(mean 19.4) und 88% norwegischer Herkunft. Ereignisbezogenfand sich ein sehr hohes Maß erlebter Bedrohung durch den Tä-ter, die zur Hilfe kommenden, ähnlich uniformierten Polizistenund die Ertrinkungsgefahr beim Fluchtversuch. Mehr als 18% derÜberlebenden erlitten Verletzungen und benötigten medizinischeHilfe, 74.5% verloren eine nahestehende Person. Das Ausmaß pe-ritraumatischer Reaktionen war größer bei den Frauen. 11% allerBetroffenen zeigten 4-5 Monate nach dem Ereignis das Vollbild ei-

ner PTBS nach ICD-10, weitere 36% wiesen anhaltende Stress-symptome i.S. einer subsyndromalen Störung auf, hier insbeson-dere eine autonome Erregungssteigerung. Der PTBS-Score derÜberlebenden war um das 6.3-fache höher als in der adjustiertenVergleichsgruppe aus der Allgemeinbevölkerung. Dabei warenFrauen und Personen mit Migrationshintergrund signifikanthäufiger und stärker posttraumatisch symptombelastet. Prädiktivfür eine PTBS waren der Grad unmittelbarer emotionaler undphysiologischer Reaktionen zur Zeit des Attentats, das Bezeugendes Todes von engen Freunden und anhaltende Schmerzen nacherlittener körperlicher Verletzung. Als protektiv erwies sich derUmfang sozialer Unterstützung.

Kommentar: Trennungs-, Scheidungs-, Abstiegstrauma - derBegriff des Traumas begegnet uns ständig und bleibt meist unhin-terfragt. Umso wichtiger ist es, möglichst klar zu erfassen, in wieweit und unter welchen Bedingungen sich ein als traumatisch de-finiertes „Diskrepanzerleben zwischen bedrohlicher Situationund individuellen Bewältigungsmöglichkeiten“ (Fischer & Rie-desser 2003) in anhaltenden Symptomen einer Posttraumati-schen Belastungsstörung niederschlägt. Das Attentat von Utøyaist wegen der dramatischen individuellen Gefährdung und hohenVerlustrate als potentiell hochgradig traumatogen einzuschätzen.Aufgrund der lückenlosen Erreichbarkeit aller Betroffenen ist die-ses Ereignis zudem besonders geeignet, Aussagen über die Folgenund deren Prädiktoren zu treffen. Die Studie bestätigt einmalmehr, dass viele, aber längst nicht alle Exponierten nach einem Ex-tremereignis anhaltende Stresssymptome entwickeln. Die Ratedes Vollbildes einer PTBS liegt mit 11% sogar unter der in Metaa-nalysen angegebenen Rate von ca. 16% für Kinder- und Jugendli-che nach Extrembelastung unterschiedlicher Art, was die Unter-sucher auf den schützenden „erste Hilfe“-Effekt großer sozialerAnteilnahme in der norwegischen Gesellschaft zurückführen. DasErgebnis einer vermehrten Traumatisierung bei weiblichen Expo-nierten entspricht dem anderer Studien, wobei über die Gründe(u.a. vermehrt internalisierende Verarbeitung, Stressachsendysre-gulation und Dissoziationsneigung) bislang nur spekuliert wer-den kann. Junge Migranten zeigten sich besonders vulnerabel fürdie Ausprägung einer PTBS, dies auch nach Kontrolle für sozialeUnterstützung und ebenso in der Normierungsstichprobe, wasauf eine multifaktoriell erhöhte Gefährdung der seelischen Ge-sundheit schließen lässt.

(Carola Bindt, Hamburg)

Die Deutsche Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie (DGAAP e.V.)ist die wissenschaftliche Gesellschaft der ambulanten, allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin.

Ziel der Gesellschaft ist es, der ambulanten allgemeinen Kinder- und Jugendmedizinals eigenständigem Fach in Forschung, Lehre und Praxis die ihr zukommende Bedeutungzu verschaffen.

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

433

AnamneseEin 15 Monate alter Junge wird zur Beurteilung eines bisher

therapierefraktären Ekzems vorgestellt. Seit dem 2. Lebenshalb-jahr habe sich dieses zunehmend im Bereich der Wangen und derAußenseiten der Extremitäten entwickelt. Die Familienanamneseist positiv bezüglich atopischer Erkrankungen (allergische Rhino-konjunktivitis bei beiden Eltern). Therapieversuche mit verschie-denen Externa (verschiedene Fettcremes, Triclosan, topische Ste-roide) waren bisher frustran. Juckreiz besteht nicht.

UntersuchungsbefundAltersgerecht entwickeltes, 15 Monate altes männliches Klein-

kind in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Hauttyp I.Follikuläre Papeln im Bereich der Wangen sowie der Außenseitenvon Oberarmen und Oberschenkeln (umgeben von einem blas-sen Erythem). Palpatorisch fühlt sich die Hautoberfläche dort wieein „Reibeisen“ an. Kratzeffekte sind nicht zu erkennen. Das üb-

rige Integument ist unauffällig, insbesondere besteht keine Xero-sis cutis. Auch der allgemeinpädiatrische Befund ist unauffällig.

Welche Diagnose wird gestellt?

Welche Diagnose wird gestellt?Peter H. Höger

Abbildung 1: Follikuläre Hyperkeratosen auf leichtemErythem im Bereich der Wangen

Abbildung 2: Disseminierte follikulär gebundene Papelnim Bereich der Oberarme und Oberschenkel

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Fortbildung

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Diagnose: Keratosis pilaris (Syn.: Lichen pilaris)

Die Keratosis pilaris (KP) wird, wie im vorliegenden Fall, beiSäuglingen und Kleinkindern häufig mit dem Atopischen Ekzemverwechselt und entsprechend falsch behandelt. Dies liegt zum ei-nen an der ähnlichen Lokalisation der Hautveränderungen undder häufigen Assoziation mit atopischen Erkrankungen, zum an-deren an der schieren Häufigkeit der KP.

Die Keratosis pilaris ist gekennzeichnet durch eine Verhor-nungsstörung, die sich auf die Ostien der Haarfollikel beschränkt.Durch Keratinpfröpfe kommt es zur Erweiterung der Haarfolli-kel, die als follikuläre Papeln imponieren. Am stärksten betroffensind die Außenseiten der Oberarme und Oberschenkel, wenigerhäufig auch die Wangen. Durch die unregelmäßige Oberflächeentsteht der Eindruck der Rauhigkeit und Trockenheit der Haut,die jedoch objektiv (etwa hinsichtlich des transepidermalen Was-serverlustes) nicht gegeben ist. Tatsächlich handelt es sich bei derisolierten KP um eine physiologische Normvariante, von der etwa40% der Bevölkerung (allerdings in sehr unterschiedlicher Aus-prägung) betroffen sind. Überdurchschnittlich häufig bestehteine Assoziation mit der Ichthyosis vulgaris und atopischen Er-krankungen, seltener mit anderen genetisch bedingten Erkran-kungen (Prolidasemangel, Down-Syndrom, Monilethrix). Typi-scherweise erfolgt die Manifestation der KP (wie im vorliegendenFall) gegen Ende des ersten/Anfang des zweiten Lebensjahres, er-reicht ihre maximale Ausprägung zwischen dem 4. und 8. Lebens-

jahr und bessert sich nach der Pubertät. Eine Behandlung ist nichterforderlich, da keine Beschwerden bestehen (im Unterschiedzum Atopischen Ekzem besteht keinerlei Juckreiz). Sofern (z.B.bei Mädchen nach der Pubertät) aus kosmetischen Gründen eineBehandlung gewünscht wird, kann durch Urea-haltige Externa(z.B. Lipophile Ureacreme 10%, NRF 11.129) bei regelmäßigerAnwendung eine Glättung der Hautoberfläche erreicht werden.Topische Steroide, Calcineurininhibitoren und Triclosan sindnicht indiziert !

Die Keratosis pilaris kann mit verschiedenen anderen kutanenManifestationen sogenannter „Atrophodermien“ einhergehen.Hierzu zählen die Keratosis pilaris atrophicans faciei (Ulerythemaophryogenes), die Atrophodermia vermiculata und die Keratosisfollicularis spinulosa decalvans. Diese Atrophodermien tretenhäufig zusammen auf; auch beim Noonan-Syndrom (Kardiofa-ciokutanes Syndrom) werden sie vermehrt beobachtet.

Literaturangaben

Oranje AP, van Gysel D. Keratosis pilaris. In: Irvine A, Hoeger P, Yan A (edit.).Harper´s Textbook of Pediatric Dermatology. Oxford: Blackwell, 3rd edit.2011, pp. 123.1-5

Prof. Dr. Peter H. Höger

Abt. Pädiatrie und Abt. Pädiatrische Dermatologie/Allergologie

Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift

Liliencronstr. 130

22149 Hamburg

Fortbildung434

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Angebot im InternetDer BVKJ hat auf der neu gestalteten Homepage www.bvkj.de

eine Famulaturbörse eingerichtet unter www.bvkj.de/der-bvkj/famulaturboerse. Dort gibt es die Möglichkeit, Famulatur inIhrer Praxis anzubieten.

Darüber hinaus finden sich auf der Homepage Informationenund Materialien zur inhaltlichen Gestaltung der Famulatur,Selbstbeurteilungsbögen und Checklisten als Hilfestellung füreine qualifizierte Ausgestaltung der Famulatur. Diese Materialienwurden von einer verbandsübergreifenden Arbeitsgruppe unterMitwirkung der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemein-medizin und Familienmedizin e.V.), der GHA (Gesellschaft derHochschullehrer für Allgemeinmedizin),dem Hausärzteverband,dem BVMD (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in

Deutschland), der DGAAP (Deutsche Gesellschaft für AllgeneineAmbulante Pädiatrie) und dem DGIM (Deutsche Gesellschaft derhausärztlich tätigen Internisten) erstellt und für die Pädiatrie voneiner Arbeitsgruppe der DGAAP spezifiziert.

Kompetenzorientiert und berufsnahWir wünschen uns, dass die Famulaturpraxen den Studieren-

den ein ausgewogenes Angebot an aktiven und passiven Lernmög-lichkeiten bieten. Dazu ist ein Gespräch am Beginn der Famulaturmit dem Studierenden über bereits erworbene Kompetenzen undgewünschte Schwerpunkte hilfreich. Ebenso sind eine Zwischen-bilanz nach ca. 2 Wochen und ein Abschlussgespräch unter Ver-wendung der o.g. Materialien sinnvoll.

Während der Famulatur sollte den Studierenden möglichst oftdie Möglichkeit gegeben werden, selbst Patienten zu be-fragen und zu untersuchen, soweit es den Patienten zu-zumuten ist. Dabei hat sich folgendes Vorgehen bewährt:Der Studierende befragt und untersucht Patienten erst ineinem anderen Raum alleine. Wenn der Studierende dieDatenerhebung mit dem Patienten abgeschlossen hat,lassen Sie sich berichten, was er bei Anamnese und Un-tersuchung herausbekommen hat. Fordern Sie eine Stel-lungnahme zur Diagnose, weiterführenden Untersu-chungen und Behandlung. Nehmen Sie den Studieren-den die Scheu, sich festzulegen, auch wenn ihre Vor-schläge vielleicht „daneben“ liegen. Ergänzen, verifizie-ren und diskutieren Sie die Ergebnisse. Solche Diskussio-nen sind für beide, für den Studierenden und für Sie, be-sonders wertvoll. Ausführlichere Informationen hierzufinden Sie ebenfalls in der Famulaturbörse des BVKJ.

Famulatur- und Weiterbildungsangebote aufder Praxishomepage bei KIN anzeigen

Kinder- und jugendärztliche Praxen, die einen Famu-laturplatz anbieten oder eine Weiterbildungsberechti-gung für Assistenzärzte haben und eine(n) entspre-chende(n) Bewerber/in suchen, können ihr Angebot absofort auf ihrer Praxis-Homepage bei www.kindera-erzte-im-netz.de anzeigen lassen. In der neuen Homepa-geverwaltung lassen sich die entsprechenden Einträge

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Die neue Famulaturbörsedes BVKJ

Eine Famulatur im hausärztlichen Bereich (dazu zählt auch die ambulante allgemeine Pädiatrie) ist inzwi-schen für Medizinstudierende verpflichtend, wie im Heft Kinder- und Jugendarzt 10/2013 berichtet.

Für die Ausbildung von Famulanten gibt es keine Vorschriften. Es ist keine Genehmigung notwendig. Esgibt keinen verbindlichen Ausbildungskatalog für die Famulatur. Studierende wünschen sich jedoch Pra-xen, in denen sie eine praktisch ausgerichtete Famulatur und eine qualifizierte Förderung ihrer Fähigkeitenerleben. Sie möchten sich selbst einbringen, ausprobieren und mitmachen.

Berufsfragen435

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Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

436

0614

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Straße, Hausnummer

PLZ, Ort, Stadtteil

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weitere Ärzte

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Ggf. Umsatzsteuer-Identifi kationsnummer; Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das Sie eingetragen sind

Ärztekammer, Kassenärztliche Vereinigung

Gläubiger-Identifi kationsnummer DE81ZZZ00000700791Ihre Mandatsreferenznummer fi nden Sie im Buchungstext der halbjährlichen Abbuchung Ihres Kontoauszuges.

Ich ermächtige die Monks Ärzte im Netz GmbH, Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die von auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen.

Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrags verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.

Ich/Wir zahle/n per SEPA-Lastschriftmandat

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Kontoinhaber

Datum, Ort und Unterschrift

IBAND E

Ich/Wir bestätige/n, dass alle Nutzungsrechte meiner/unserer bestehenden Homepage bzw. der zur Verfügung gestellten Materialien bei mir/uns liegen. Die Monks - Ärzte im Netz GmbH und die beteiligten Fachorganisationen sind von Ansprüchen Dritter freigestellt.

Ich/Wir bestätige/n, Mitglied im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) zu sein.

Sprechstunden

Besonderheiten/Schwerpunkte, Fremdsprachen

Mit meiner Unterschrift aktzeptiere ich die AGB (siehe: www.monks-aerzte-im-netz.de/agb).Widerrufsrecht: Sie können Ihre Bestellung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen schriftlich widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung an Monks - Ärzte im Netz GmbH, Tegernseer Landstr. 138, 81539 München, Geschäftsführer: Sean Monks, Amtsgericht München, HRB 160883, USt-IDNr.: DE 246543509

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Monks ‐ Ärzte im Netz GmbH“Kinderärzte im Netz”Tegernseer Landstraße 138, 81539 München

per Fax an:089 / 64 20 95 29

Sie haben Fragen?Rufen Sie uns an unter: 089 / 64 24 82 -12/17E-Mail: [email protected]

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Wir erstellen mit den von Ihnen angegebenen Daten die Homepage. Weitere Informationen erhalten Sie per Post oder E-Mail von uns. Sie können uns jederzeit weitere Texte und Bilder (z. B. Fotos, Praxis-Logo) auf Datenträgern oder per E-Mail zuschicken. Bis zu 10 Bilder und 5 Unterseiten erstellen wir kostenlos für Sie. Selbstverständlich können Sie Ihre Homepage mit den erhaltenen Zugangsdaten selbst um beliebig viele Bilder und Unterseiten erweitern.

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Einzelpraxis8,– € monatlich zzgl. MwSt.

Gemeinschaftspraxis/Praxisgemeinschaft*12,– € monatlich zzgl. MwSt.

* Preis für MVZs mit mehreren Standorten auf Anfrage

* Im Rahmen der Sonderaktion entfällt die einmalige Bearbeitungsgebühr von 25,– € zzgl. MwSt.

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Aktivieren Sie folgende kostenlose Extras:

Vorsorge- und Impferinnerungsdienst

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freischalten. Die Interessenten – also Studenten/Innenoder Assistenzärzte/Innen – können dann auf einenBlick erkennen, welche Stelle in einer Praxis angebotenwird, und erhalten darüber hinaus auch noch zusätzlicheInformationen zu Dauer, Lerninhalte, mögliche Evalua-tion und Vergütung. Dieses neue Angebot ist für dieHomepageabonnenten von Kinderaerzte-im-Netz.demit keinen zusätzlichen Kosten verbunden. PädiatrischePraxen, die einen Famulaturplatz anbieten oder eineWeiterbildungsstelle zu vergeben haben und noch nichtmit ihrer Praxis bei KIN registriert sind, können sich mitdem beiliegenden Anmeldeformular anmelden. Für dieneue Famulatur- und Weiterbildungsbörse des BVKJgibt es bis zum 30.9.2014 eine Sonderaktion, bei der dieEinrichtungsgebühr für die Praxishomepage entfällt.

Kontakt: Monks – Ärzte im Netz GmbHKatharina FrankE-Mail: [email protected] Tel. 089 / 62 24 82 – 17

Dr. Ulrike GitmansKinder- und JugendärztinVorsitzende DGAAPMühlenstraße 1226817 RhauderfehnE-Mail: [email protected] Red.: Kup

Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

437

In einem Gespräch mit BVKJ-PräsidentDr. Wolfram Hartmann bekräftigte Bun-desgesundheitsminister Hermann Gröheden Willen der Bundesregierung, im Rah-men des anstehenden Präventionsgesetzesdas Vorsorgeprogramm bei Kindern undJugendlichen inhaltlich und quantitativauszubauen. Minister Gröhe betonte diehohe politische Bedeutung des Präventi-onsgesetzes und ließ keinen Zweifel amWillen der Regierung, es noch in diesemJahr auf den Weg zu bringen. Wichtig seiihm in diesem Zusammenhang, dass dasGesetzesvorhaben zu einer sinnvollen Ver-besserung von Präventionsprogrammenführe. Nicht alles, was zur primären Prä-vention gehört, sei Aufgabe der GKV. An-gesichts der klammen Kassenlage vielerdeutscher Kommunen könnte so mancherStadtkämmerer nur zu gerne die Rechnungfür lokale Präventionsprojekte an die ge-setzlichen Krankenkassen weiterreichen.

Bundeskinderschutzgesetz Dr. Hartmann bat den Minister um Un-

terstützung, um die aus Sicht des BVKJ be-

stehenden Mängel des mittlerweile vorzwei Jahren in Kraft getretenen Bundes-kinderschutzgesetzes zu beheben. Der 13.Kinder- und Jugendbericht, an dessen Er-stellung Hartmann beteiligt war, hattezahlreiche Vorschläge unterbreitet, dieaber leider nicht Eingang in das Gesetz fan-den. So sei es Kinder- und Jugendärzten beiVerdachtsfällen weiterhin untersagt, sichmit Vertretern anderer Professionen - z. B.Erzieherinnen der Kita - über ein Kind beieinem unbestimmten Verdacht auf Kin-desmisshandlung bzw. -vernachlässigungauszutauschen. Außerdem sind die Ju-gendämter weiterhin nicht verpflichtet,Pädiater über den Fortgang eines Verfah-rens bei gemeldeten Fällen zu informieren,was schon unter Aspekten der Qualitätssi-cherung mehr als unglücklich ist. Ungere-gelt sei auch - mit einer Ausnahme - die Fi-nanzierung der Teilnahme niedergelasse-ner Kinder- und Jugendärzte an Fallbe-sprechungen im Rahmen der im Gesetzvorgesehenen örtlichen Netzwerke und imBereich der Frühen Hilfen.

Bildungseinrichtung Kita

Dr. Hartmann bemängelte die nach wievor bestehende Angebotslücke im Bereichder pädagogischen Frühförderung, wasdazu führt, dass die Probleme der unzurei-chenden Förderung von etwa 20 Prozentaller Kinder durch die Verordnung vielfachnicht angezeigter Heilmittel medikalisiertwerden. So erhielten regional bis zu 40Prozent der Kinder eines Jahrgangs logo-pädische Therapie, angezeigt aus medizi-nischen Gründen wäre dies aber nur bei ca.acht Prozent. Ähnliches gelte für ergothe-rapeutische Verordnungen. Überhauptnicht akzeptabel sei die Bereitschaft der ge-setzlichen Krankenversicherungen, aufbreiter Front die Kosten von osteopathi-schen Behandlungen zu übernehmen, ob-wohl es für diese Methode bei Kindernkeine medizinische Evidenz gibt (die Kos-ten für die Solidargemeinschaft stiegenvon ca. 34 Mio. € im Jahre 2102 auf über110 Mio. € im Folgejahr, für 2014 wird eineweiterer Anstieg auf über 130 Mio. € er-wartet).

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Die Vorsorgeuntersuchungen werden gestärkt!

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Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

438

Dr. Hartmann betonte, dass besagteDefizite im Bildungswesen behoben wer-den müssen, insbesondere in den Kinder-tagesstätten. Hierzu sei allerdings zunächsteine sachgerechte personelle Ausstattungerforderlich. Von einer Erzieherin, die 20Kinder zu betreuen hat, könne nicht dieDurchführung eines pädagogischen Auf-trages erwartet werden. Dem stimmte derMinister zu, bezweifelte aber zugleich, obdie zunehmende Akademisierung des Er-zieherberufes wirklich erforderlich ist, umeine gute pädagogische Arbeit erbringenzu können.

Inklusion für alle?Ebenfalls diskutiert wurde die derzeit

auf breiter Front laufende Inklusion vonKindern mit Behinderungen in Regelschu-len: Während dies für Kinder mit körper-liche Behinderungen eine Selbstverständ-lichkeit werden sollte, stellt für Kinder mitschweren geistigen Behinderungen dieSonderförderschule oft die bessere Alter-native dar. Dr. Hartmann wies auf dieSchwierigkeiten von Modellschulen hin,die oft hervorragende Projekte zur Inklu-sion verwirklichen, nach drei Jahren abermit dem Auslaufen der finanziellen Förde-

rung konfrontiert sind, was das Projekthäufig wieder zum Erliegen bringt.

Wo bleibt die nationale Impfstrategie?

Mit Hinweis auf die Verpflichtung derBundesrepublik gegenüber der Weltge-sundheitsorganisation, bis zum Jahre 2015die Masern auszurotten, was offensichtlichnicht gelingen werde, mahnte Dr. Hart-mann ein nationales Impfkonzept an, umdie Defizite der Bundesrepublik gegenüberanderen hier erfolgreicheren Staaten zubeheben. Der BVKJ fordere keine generelleImpfpflicht, obwohl ein demokratischer

Staat seinen Bürgern auch dies abverlan-gen könne, wie die Pockenschutzimpfungzeige. Angezeigt sei aber das Verbot derAufnahme nicht gemäß den STIKO-Emp-fehlungen geimpfter Kinder in staatlichgeförderten Einrichtungen, sofern keinemedizinischen Kontraindikationen vorlie-gen. Dies sei schon zum Schutze der Kin-der erforderlich, die nicht oder noch nichtgeimpft werden können. Minister Gröheäußerte seine Entschlossenheit, die Durch-impfungsraten zu verbessern. Das BMGplant eine Neufassung von § 34 Abs. 11 desInfektionsschutzgesetzes (IfSG), wonach

bereits bei Aufnahme in eine Kindertages-einrichtung eine Erhebung des Impfstatusder Kinder anhand einer ärztlichen Be-scheinigung erfolgt und in der Einrichtungdokumentiert wird. Durch diese Neufas-sung könnten Eltern bereits bei der Auf-nahme in den Kindergarten auf das Beste-hen von Impflücken hingewiesen undImpfungen empfohlen werden. Die Stel-lungnahmen der Bundesländer zu diesemVorschlag werden gerade ausgewertet.

Europäische ambulante Pädiatrie in Gefahr

Dr. Hartmann bat den Minister seinenEinfluss zu nutzen, um auf den Erhalt derambulanten Kinder- und Jugendmedizinauf europäischer Ebene hinzuwirken.

Es gebe nach wie vor Bestrebungen ineinigen Ländern, die Pädiatrie aus der Pri-märversorgung ganz in Kliniken zu verla-gern, obwohl die Nachteile eines solchenSystems deutlich zutage treten und man-che Staaten, z. B. Großbritannien, auf-grund ihres schlechten Abschneidens iminternationalen Vergleich der Kinderge-sundheit erwägen, wieder eine ambulantePädiatrie aufzubauen.

Abschließend kündigte Herr Gröhe an,dass sein Ministerium sich auch in dieserLegislatur wieder für die Förderung derKindergesundheit einsetzen und – vorbe-haltlich des Haushalts-Beschlusses desDeutschen Bundestages – eine Förder-struktur für zielgerichtete Maßnahmen imHause aufbauen werde. Dies begrüßte Dr.Hartmann außerordentlich und sagtegerne zu, sich in die Ausgestaltung des För-derschwerpunktes durch das Ministeriumunter Einbeziehung der DGAAP (Deut-sche Gesellschaft für Ambulante Allge-meine Pädiatrie) mit Vorschlägen einzu-bringen.

Stephan Eßer

E-Mail: [email protected]

Red: ReH

Foto: Helmut Hoffmann

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Nach der EBM- Änderung, die zum 1.10.2013 in Krafttrat, hat die KBV noch im vierten Quartal 2013 eine rück-wirkende Änderung bekannt gegeben. Die Abrechnungs-ergebnisse dieses Quartals zeigen, dass die Abrechnungs-möglichkeiten nicht vollständig ausgeschöpft wordensind. Insgesamt kam es in den kassenärztlichen Vereini-gungen, aus denen bereits Ergebnisse vorliegen, kaum zuHonorarverlusten. In Bayern stiegen die Honorare umein Prozent im Vergleich zu 4/2012, wenn man die neuenLeistungen Sozialpädiatrie und Palliativmedizin außerAcht lässt.

Versichertenpauschalen Die erste größere Veränderung betraf die Versicher-

tenpauschalen (GOP 04001/04002). Diese werden jetztvon den jeweiligen Arzt-Informationssystemen (AIS) al-tersadaptiert nach der neuen Altersstruktur (0-4 Jahreund 5-18 Jahre) angesetzt. Entgegen den ursprünglichenVorgaben ist in der Versichertenpauschale jetzt kein Ge-spräch von 10 Minuten mehr enthalten. Die Gesprächs-ziffer GOP 04230 kann also schon beim ersten Arzt-Pa-tientenkontakt (APK) im Quartal ab einer Dauer von 10Minuten abgerechnet werden.

Der bisherige Zuschlag von 10 % für Berufsaus-übungsgemeinschaften wurde auf 22,5 % angehoben.Dies ist aber lediglich als Ausgleich für die vermindertenVersichertenpauschalen zu sehen und bedeutet keine Er-höhung des BAG-Zuschlages.

Versichertenpauschale bei Überweisung undVertretung

Die Ziffern GOP 04010/04011 werden bei einer Über-weisung durch einen Kinder- und Jugendarzt und beiVertretungspatienten aus pädiatrischen Praxis verwen-det. Bei Überweisung durch Ärzte anderer Fachgruppenkann die normale Versichertenpauschale (GOP04001/04002) angesetzt werden. Auch in Fällen mitSchwerpunktleistungen aus den Kapiteln 4.4 oder 4.5muss die normale Versichertenpauschale in Ansatz kom-men.

Zusatzpauschale für den hausärztlichen Versorgungsauftrag

Die neue GOP 04040 wird automatisch zu den Versi-chertenpauschalen zugesetzt. Ausgenommen hiervonsind lediglich Fälle, in denen Leistungen der Akupunkturoder der Psychotherapie in Ansatz kommen. Die Zusatz-pauschale wird auch neben Leistungen der Schwer-punkt- Kapitel 4.4 oder 4.5 zugesetzt, da diese Kapitelnicht Bestandteil des § 6 der Anlage 5 des Bundesmantel-vertrages-Ärzte sind. Bei Vertretung (04010) wird dieGOP 04040 neben den Versichertenpauschalen zur

Hälfte angesetzt, jedoch nicht bei Überweisung.Die Vorgaben des EBM mit 10% Aufschlag bei Fall-

zahlen über 1200 Fällen und 10 % Abschlag bei Fallzah-len unter 400 scheint im pädiatrischen Bereich kein gro-ßes Problem zu sein.

Honorarminderung durch Gesprächsleistungen ausgleichen

Addiert man die neue Versichertenpauschale und dieZusatzpauschale 04040 und vergleicht dies mit der altenRegelung, dann ergibt sich für die Einzelpraxis ein Minuszwischen 1,33 € und 3,58 € je nach Altersgruppe. Das be-deutet, dass je nach Altersstruktur des Patientengutes dieneuen Gesprächsleistung 04230 bei 27% der Patientenangesetzt werden muss, um Verluste zu vermeiden.

Chronikerregelung neu definiertBisher war zur Abrechnung der Chronikerpauschale

die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankungvon 4 Quartalen Dauer notwendig, wobei jeweils 2 Arzt-Patientenkontakte vorausgesetzt wurden. Jetzt muss inzwei von drei (der letzten vier) Quartale wegen dersel-ben chronischen Erkrankung ein persönlicher APK er-folgt sein, im dritten Quartal reicht ein telefonischerKontakt.

Da das aktuelle Quartal mitzählt, kann der Beginn z.B.im 4. Quartal 2013 mit dem ersten Kontakt erfolgen, im1. Quartal 2014 erfolgt lediglich ein Telefonat oder dieAusstellung einer Überweisung und der zweite gefor-derte APK findet im 2. Quartal statt. Jetzt kann die GOP04220 abgerechnet werden. Es empfiehlt sich also, chro-nische Erkrankungen frühzeitig und immer identisch zudokumentieren, also sie z.B. als Dauerdiagnosen in dasAIS zu übernehmen. Eine zwingend vorgeschriebene Di-agnosen-Liste gibt es nicht. Vorschläge der einzelnen kas-senärztlichen Vereinigungen oder verschiedener AIS sindnicht bindend.

Wenn bei Patienten die erforderlichen Kontakte beieinem anderen Kinder- und Jugendarzt oder Allgemein-arzt erfolgt sind, sie also den Arzt gewechselt haben, kön-nen die GOP 04220 und 04221 sofort abgerechnet. Siemüssen dann mit einem „H“ gekennzeichnet werden.

Die Abrechnung der 04220 ist bereits beim ersten APKmöglich, bei einem zweiten Kontakt im Quartal kann dieneue 04221 abgerechnet werden. Seit dem 1.7.2014 müs-sen beide Ziffern in der Abrechnung stehen bleiben. Dasvorher notwendige lästige Löschen der 04220 beim zwei-ten Arzt-Patientenkontakt ist entfallen.

Eine Verschlechterung im Vergleich zur alten Rege-lung ist, dass Chroniker-Ziffern ohne die dargestelltenBedingungen, nur noch bei Säuglingen d.h. bis zum 1.Geburtstag angesetzt werden können.

Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

439

EBM-Modifikation 2013 für Kinder- und Jugendärzte

Dr. med. Roland Ulmer

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Seit 1.4.14 sind die Ziffern nicht mehrneben Leistungen der Kapitel 4.4 und 4.5,also neben pädiatrischen Schwerpunkt-leistungen abrechenbar, wie es bereits vorder EBM-Änderung bei der alten Chroni-kerziffer 04212 der Fall war.

Vergleicht man das abgerechnete Ho-norarvolumen der Pädiater, so zeigt sich,dass hier keine Änderung eingetreten ist.So betrug z.B. in Bayern die Anforderungder alten Chronikerziffer 04212 2,4 Mio. €und beträgt jetzt mit den GOP04220/04221 2,5 Mio. €.

Problemorientierte Gespräch

Neu, und im Honorarvolumen aus derVersichertenpauschale ausgegliedert, istdas problemorientierte Gespräch mit Pa-tienten oder mit Bezugspersonen. Es kannauch telefonisch geführt werden. Irritie-rend ist der Zusatz „lebensverändernd“. Al-lerdings ist weder „schwerwiegend“ noch„dauerhaft“ noch „chronisch“ für die le-bensverändernde Erkrankung gefordert.Auch bei Verdacht auf eine solche Erkran-

kung ist ein derartiges Gespräch möglich.Erscheint im Anschluss an eine Vorsorge-untersuchung ein zusätzlicher Gesprächs-bedarf, ist solch ein Gespräch auch hiermöglich. Bei längerer Gesprächsdauerkann die Ziffer pro 10 Minuten entspre-chend multipliziert werden.

Allerdings besteht eine praxisindividu-elle Höchstgrenze von etwa der Hälfte derPraxisfälle. Auch hier liegen z.B. in Bayern83,3 % der Praxen innerhalb dieses Bud-gets und nur 16,7 % überschreiten es. D.h.,dass die überwiegende Zahl der Pädiaterdas vorgegebene Budget nicht ausschöpft.

Sozialpädiatrie

Die "sozialpädiatrisch orientierte ein-gehende Beratung“ ist ebenfalls neu. Siewurde von uns seit vielen Jahren zur Dar-stellung der „neuen Morbiditäten“ gefor-dert. Die Ziffer ist auf einen Diagnosen-Katalog beschränkt, der in Form einerListe bei der Konsultation zur Verfügungstehen sollte. Stellt sich im Verlauf einerVorsorgeuntersuchung heraus, dass eine

sozialpädiatrische Diagnose vorliegt, dannist die Ziffer für die entsprechende Bera-tung auch daneben abrechenbar.

Die Krankenkassen haben für die sozi-alpädiatrische Beratung 2013 zusätzlichesGeld zur Verfügung gestellt. Dies einSchritt in die richtige Richtung um die Ver-änderung der Inanspruchnahmen abzu-bilden. Auch wenn wir uns eine bessere Be-wertung gewünscht hätten.

Neue Abrechnungsmöglichkeiten wur-den auch in der für Pädiater glücklicher-weise nicht so relevanten Palliativmedizingeschaffen.

In einer für 2015/2016 angedachtenÄnderung soll es vor allem um die Stüt-zung technischer Leistungen wie z.B. So-nographie und EKG im hausärztlichenVersorgungsbereich gehen.

Dr. med. Roland Ulmer

Honorarausschuss des BVKJ

91207 Lauf

E-Mail: [email protected]

Red.: Kup

Was erwartet mich in einer Kinder- undJugendarztpraxis? Muss ich neben der Be-handlung der Patienten und der Kommu-nikation mit den Eltern auch noch denPraxisfeuerlöscher kontrollieren und michum den Urlaub der MFA`s kümmern?

So oder so ähnliche Fragen stellt mansich als (Assistenz-)Arzt/in, wenn man mitdem Gedanken Niederlassung bzw. Tätig-keit in einer Praxis spielt.

Antworten gab es beim ersten bayeri-schen Workshop „Sprung in die Praxis“am 17. Mai in Nürnberg. Das Vorhabenwar anspruchsvoll: in 8,5 Stunden solltenalle wichtigen Themen rund um die Nie-derlassung bzw. Praxistätigkeit bespro-chen werden, es sollte Zeit für Fragen seinund außerdem sollte der Workshop Lustauf diese Form der kinder- und jugend-ärztlichen Tätigkeit machen.

Es ist den Organisatoren und (Haupt-)Vortragenden Dres. Landendörfer mitPraxisteam, Leppik, Kandler und Ulmer zuverdanken, dass dieser Plan (bis auf einekleine zeitliche Überziehung) rundum ge-lang!

In lockerer Atmosphäre gab es zehnKurzreferate zu den Möglichkeiten der ge-

meinsamen Berufsausübung, der Arbeits-belastung, zur Abrechnung (mit genauenZahlen, was am Ende übrig bleibt), zur Zu-sammenarbeit mit den Krankenkassen,zum bürokratischen Drumherum usw.

Als Auflockerung und persönliche Notewichtig war der Vortrag von Dr. Hinkesüber das erste Jahr als niedergelassener Pä-diater- sein Fazit: nicht ganz einfach, aberdurchweg empfehlenswert.

Ein sehr kurzweiliger Vortrag kam vonHerrn Moritz, Niederlassungsberater derKassenärztlichen Vereinigung Bayerns, derden Teilnehmerinnen und Teilnehmerndie Scheu vor der Niederlassungsstelle derKV nahm.

Um auch praktisch ins Praxislebenreinzuschnuppern durften wir zudemBUEGA und BUEVA kennen lernen, dieLaborausstattung begutachten und diePraxissoftware ausprobieren.

Die 26 Teilnehmer, davon 15 Frauen,hatten keine Scheu, Fragen zu stellen. Ca.die Hälfte hatte schon Erfahrungen in derPraxis gesammelt, ebenfalls ca. 50 Prozentwaren bereits Fachärzte und 20 hattenschon eigene Kinder. Auch wohl deswegenkam das Zeitkonzept der Veranstaltung

(alles an einem Tag) gut an. Insgesamt er-hielt der Workshop als Gesamtbeurteilungeine glatte 1,0!

Aktuelle Streitthemen wie Pflichtwei-terbildung in der Praxis oder Zukunft derpädiatrischen Versorgung auf dem Landwurden bewusst ausgelassen. Dafür gab eskonkrete, sinnvolle Informationen zurPraxistätigkeit, die einem bei der Entschei-dungsfindung über den weiteren Berufs-weg weiterhelfen – denn man ist in dieserSituation nicht allein und jeder hat mal an-gefangen!

Zusammen mit allen Beteiligten möch-ten wir nun eine Vorlage erstellen, nach dersolche Workshops an verschiedenen Ortenin Deutschland angeboten werden können– auf dass der Dialog zwischen Alt undJung oder vielmehr niedergelassen undKlinik auflebt und wir wissen, welcheMöglichkeiten uns gemeinsam offen ste-hen.

Johanna Harris

E-Mail: [email protected]

Die Autorin ist eine von zwei Assistentenvertrete-

rinnen im BVKJ

Red: ReH

Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

440

Workshop „Sprung in die Praxis“

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Berufsfragen441441

Mitglieder-

Info!

Wahlaufruffür den Landesverband Baden-Württemberg

Termingerecht findet vom 15.09. bis 06.10.2014 die Wahl des Landesverbands vor sitzen den, seiner Stellvertreter, der Delegierten, der Ersatzdelegierten sowie des Schatzmeisters statt.

Die Geschäftsstelle organisiert die Briefwahl, die bis zum 06.10.2014 abgeschlossen sein muss (Eingang in der Geschäfts-stelle).

Ich bitte alle Mitglieder im Landesverband Baden-Württemberg, sich an der Wahl zu beteili gen und von ihrem Stimm-recht Gebrauch zu machen.

Dr. med. Klaus Rodens, LangenauLandesverbandsvorsitzender

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Berufsfragen

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

442

Schwere Sexualstraftat!

Das Bundeskriminalamt (BKA) bittet um Mithilfe!Das BKA benötigt Ihre Unterstützung zur Aufklärung eines schweren Sexualverbrechens, bei dem ein ca. 6 Monate alter weiblicherSäugling von einem bislang unbekannten männlichen, erwachsenen Täter schwer sexuell missbraucht wurde. Trotz umfangreicherFahndungsmaßnahmen konnten der Täter und das Opfer bis heute nicht identifiziert werden.

Dem BKA liegen folgende Informationen zum Opfer und Tatzeitpunkt vor:

Nationalität des Opfers: vermutlich deutsch

Vorname des Opfers: Sophie (alternative Schreibweise „Sofie“ möglich)

Geburtszeitraum des Opfers: zwischen Mitte1999 und Mitte 2004, wobei das Jahr 2004 am wahr-

scheinlichsten ist

Besonderheiten beim Opfer: Mittelschwerer Dellwarzenbefall im Genital- und Analbereich

(„mollusca contagiosa“)

Alter des Opfers heute: zwischen 10 und 14 Jahren, wobei ca. 10 Jahre am wahrscheinlichs-

ten ist

Tatzeitraum: Anfang 2000 bis Anfang 2005, wobei das Jahr 2005 am wahrschein-

lichsten ist

Die Informationen beruhen auf der Auswertung eines vom Täter erstellten Videos, auf dem die Missbrauchshandlungen dokumen-tiert sind. Die Diagnose „mollusca contagiosa“ wurde dabei unter Hinzuziehung von leitenden Ärzten einer Kinderklinik gestellt.Das auf dem Video teilweise zu sehende Opfer befindet sich – bis auf die genannte Erkrankung – in einem guten Pflegezustand. DasBKA nimmt an, dass das Opfer zumindest zeitweise aus allgemeinmedizinischen Gründen oder sogar wegen der genannten „Dell-warzen“ in Behandlung einer Kinder- und Jugendärztin bzw. eines Kinder- und Jugendarztes war. Diese Ärztin bzw. dieser Arztkönnten wichtige Zeugen zur Identifizierung des Opfers sein.

In diesem Zusammenhang fragt das Bundeskriminalamt:

Wer kann Angaben zur Identität des Opfers machen?

Wer hat oder hatte ein zwischen 1999 und 2004 geborenes Mädchen mit dem Vorna-men „Sophie“, das an „mollusca contagiosa“ leidet oder litt, in Behandlung?

Hinweise bitte an das Bundeskriminalamt (BKA)

Telefon: 0611/ 55 – 12590

Email: [email protected]

oder jede andere Polizeidienststelle.

Für Hinweise die zur Ergreifung des Täters führen, hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main eine Belohnung von 5.000Euro ausgesetzt.

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Zurück zu den Anfängen1878 findet der deutsche Zuckerchemiker Constantin

Fahlberg eher zufällig das o-Sulfobenzoesäuremid, einefarblose, kristalline wasserlösliche Substanz, den erstenkünstlichen Süßstoff, der eine rund 500-fache Süßkraftgegenüber Rübenzucker aufweist. 1884 erfolgt die Pa-tentanmeldung unter dem Namen Saccharin. Fahlberghatte es ursprünglich als Versüßungsmittel des schwa-chen Stärkezuckers gedacht und als Konkurrenz zumechten Zucker.

Die erste Fabrik entsteht 1887 bei Magdeburg, undSaccharin kommt im gleichen Jahr auf den Markt. Dererste Posten geht an eine Berliner Apotheke, „im Interesseder Zuckerkranken“, wie die Deutsche Zuckerindustrierichtig vermeldet, ohne zu ahnen, welche Konkurrenzhier heraufzieht.

Neben der Hilfe für Diabetiker dient Saccharin baldzur Geschmacksverbesserung bitterer Medikamente, als

Zusatz zu Mundwässern, Zahnpasten, Lebertran oderKautabak. Vor allem aber wird Saccharin mit fallendemPreis zum Zucker der „armen Leute“, die sich teuren Rü-benzucker gar nicht oder nur selten leisten können. (Sol-che Surrogate gab es auch bei anderen Genuss- und Nah-rungsmitteln: zum Beispiel den Zichorien-Kaffee oderdie Margarine, die Napoleon III. nach der Entwicklungdurch den französischen Lebensmittelchemiker Mège-Mouriés 1869 zuerst als Butter-Ersatz einführte).

Gegen Ende des Jahrhunderts boomen Produktionund Absatz des Saccharin besonders in ländlichen Gebie-ten und im östlichen Europa. 1902 steigt der Verbrauchauf knapp 200 Tonnen, und weitere Fabriken entstehen;für die deutsche Zuckerindustrie ein zunehmendes Är-gernis: das Stammwerk mitten in der MagdeburgerBörde, dem Zuckerrüben Anbaugebiet schlechthin, danneine „unverfrorene“ Reklame und das immer dichterwerdende Vertriebsnetz.

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Am 11. September 1913 berichtet die Neue Zürcher Zeitung über eine makabere Begeben-heit: „Ein düsterer Leichenzug bewegte sich an einem der letzten Tage über die SchweizerGrenze. Den deutschen Zollwächtern war wiederholt aufgefallen, dass seit einiger Zeit merk-würdig viele tote Schweizer auf deutschem Boden begraben wurden. Diesmal nahmen siesich nun die Freiheit, den Zug anzuhalten und den Sarg zu öffnen. Aber welche Überra-schung, als sie den Deckel in die Höhe hoben: Statt des Toten fanden sie mehrere Zentnerwohl verpackten Saccharins darin. Nun mussten wohl oder übel auch die 'trauernden Hinter-bliebenen' eine Durchsuchung (…) über sich ergehen lassen, und da jeder von ihnen zoll-pflichtige Waren mit sich trug, wurde der ganze Schmuggler-Leichenzug festgenommen undhinter Schloss und Riegel gesetzt.“

Dr. med.Olaf Ganssen

Magazin

Saccharin contra ZuckerKriminalgeschichte eines Süßstoffes

443

Original-Einzelhandels -packung 1940. © Zucker-Museum, Berlin

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Sie versucht, Saccharin zu diskreditieren als kalorien-und wertloses Kunstprodukt, dem sie eine Schädlichkeitaber nie nachweisen konnte. Letztlich fürchtet sie, dassdie neue Konkurrenz die Preispolitik der Zucker-Kartellein Frage stellt, ebenso wie die ausgeklügelten Steuer-undZollsysteme der Zucker produzierenden Staaten (C. M.Merki).

Nur noch in ApothekenDie Folge: in acht von 10 europäischen Staaten werden

auf Druck der Zuckerindustrie repressive Süßstoffge-setze erlassen, die auch in Deutschland ab 1903 Herstel-lung, Verwendung und Verkauf des Saccharins verbieten.Nur eine Fabrik darf unter strenger staatlicher Aufsichtbegrenzte Mengen herstellen, die anderen Werke werden

geschlossen und finanziell entschädigt. Saccharin wird indie Apotheken verbannt und darf nur noch gegen ärztli-ches Rezept abgegeben werden. Und damit sind alle, diesich Zucker nicht leisten können, vom einzig erschwing-lichen Süßungsmittel abgeschnitten.

Hilfe aus der SchweizNur in der liberalen Schweiz bleiben Produktion,

Handel und Verkauf frei. Sie wird, mit Zentrum in Zü-rich, Operationsbasis eines Dealer- und Schmugglernet-zes für die im Ausland begehrte Ware. Der Fantasie sindhierbei keine Grenzen gesetzt: spezielle Schmuggler-Westen mit 27 verdeckten Taschen, Rock Säume, als Pul-

ver in Briefen und Fahrradreifen oder aufgelöst in Cham-pagnerflaschen. Mafia-ähnliche Organisationen bildensich, die den größten Teil der Schmugglerware über deut-sches Territorium nach Österreich und Russland weiterleiten, das wegen seiner Armut und extrem hoher Zu-ckersteuern einen riesigen Bedarf hat. Verschärfte Zug-kontrollen und auch die Bildung von Zucker-Dezernatender Polizei können den Saccharin-Schmuggel nicht ein-dämmen, obwohl bis zum Ersten Weltkrieg über 1500 ander schweizerisch-deutschen Grenze erwischt und zuHaft-und Geldstrafen verurteilt werden. Sie haben, ver-ehrt im Volk, eine Art Märtyrer-Status.

Der missbrauchte NepomukDer „frechste Schmuggler“ in den letzten Jahren bis

1914 ist der so genannte Saccharinheilige von Bischofs-reut an der bayrisch-österreichischen Grenze. Diesemannshohe Holzfigur des böhmischen BrückenpatronsJohannes von Nepomuk war bis auf die Beine ausgehöhltund auf der Rückseite mit einem Türchen verschlossen.Unter Geleit eines katholischen Priesters wird er mitSaccharin gefüllt in frommer Prozession mehrmals imJahr über die Grenze zu einem Kirchlein nach Böhmisch-Röhren getragen, vorbei an ehrerbietig salutierendenZöllnern, die nie einen Verdacht schöpfen. Und nie istdieses Versteck von irgendeinem der eingeweihten Heh-ler oder Nutzer verraten worden.

Schon während des Krieges wandelt sich Saccharinvom verfemten Süßstoff zum Ersatz des Zuckers, derMangelware wird. Gründe sind unter anderem eineMissernte 1915 und vermehrte Nutzung der Felder fürden Getreide- und Kartoffelanbau.

Erst 1923 nach der Inflation etabliert sich Zucker end-gültig als Volksnahrungsmittel. Im Zweiten Weltkriegsteigt der Saccharin-Verbrauch wieder deutlich an, undes bleibt in den Nachkriegsjahren bis zur Währungsre-form ein begehrter Schwarzmarkt-Artikel.

Nicht mehr ArmenzuckerMit dem heraufziehenden Wohlstand seit den sechzi-

ger Jahren und seinen Kehrseiten Immobilität und Über-gewicht, kommt es zu einer Umwertung von Zucker undSaccharin: Süßstoffe werden heute gekauft nicht 'ob-wohl' sondern 'weil' sie kalorienfrei oder -arm sind.

Das gute alte Saccharin ist unverwüstlich und behaup-tet sich weiter am Markt. Jetzt wegen seines leicht bitter-metallischen Nachgeschmacks 1:10 vermischt mit Zykla-mat, wenn auch Produkte aus Pflanzen und Früchten im-mer beliebter werden.

Literatur beim Verfasser

Dr. Olaf Ganssen

Kinder-und Jugendarzt

Am Grünewald 38

42549 Velbert

Red.: Kup

Magazin

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

444

Der Sacharin-Heilige von Bischofsreut. © Gemeinde Haid-mühle

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Dr. med. Herbert Grundhewer ist ein umfassend gebildeterpädiatrischer Kollege. Er studierte Medizin und Philosophie.Später hat er hat sein berufliches Wissen durch Fortbildungen imautogenen Training, in partnerzentrierter Gesprächsführung, inder Familien- und Systemtherapie, als Asthmatrainer und durchein Fernstudium an der Fernuniversität Hagen in MedizinischerEthik ständig ergänzt. Er ist ein engagierter Kinderschützer invielen Gremien und war maßgeblich an der Entwicklung einesPraxisleitfadens zum Kinderschutz und an der Entwicklung derLeitlinie zur Prävention von Hautkrebs beteiligt. Im BVKJ hat erals Präventionsbeauftragter und Mitglied des Präventionsaus-schuss wesentlich an der Neugestaltung der Kinderfrüherken-nungsuntersuchungen mitgearbeitet. Dr. Grundwehr wurde fürseine Verdienste mit der Ehrennadel in Silber geehrt.

10 Jahre lang haben sie gemeinsam die wissenschaftliche Re-daktion unserer Verbandszeitschrift geleitet. Sie haben in einemumfassenden Fortbildungskonzept viele hervorragende Artikel

eingeworben und bearbeitet. Der beliebte und hoch geschätzteFortbildungsteil des 'Kinder- und Jugendarzt' trägt wesentlichzur immer sehr hohen Bewertung unserer Zeitschrift in den Um-fragen bei. Prof. Hans-Jürgen Christen, Hannover, und Prof.Frank Riedel wurden für ihre langjährige Tätigkeit vom BVKJmit der Ehrennadel in Gold geehrt. Der Neuropädiater undLyme-Borreliose Spezialist Prof. Christen bleibt weiter Chefarztder Kinderklinik Auf der Bult in Hannover. Prof. Riedel, der alsPneumonologe und Allergologe viele Jahre lang das AltonaerKinderkrankenhaus geleitet hat, verlässt Hamburg. Er über-nimmt eine Lehrtätigkeit im Rahmen der Studentenausbildungan der Adama Technical and Science University in Äthiopien.

Dr. Christoph Kupferschmid

E-Mail: [email protected]

Fotos: Helmut Hoffmann

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Magazin

Ehrungen beim 44. Kinder- und Jugendärztetag 2014 in Berlin

445

Prof. Hans-Jürgen Christen (links) und Prof. Frank Rie-del bekamen die Ehrennadel in Gold.

BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann überreicht Dr. med. Herbert Grundhewer für seine Verdienste die Ehrennadel in Silber.

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Magazin

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

446

Termin Uhrzeit Ort Thema

Samstag, 20. September 2014 10:00-17:00 Hannover Block B

Mittwoch, 8. Oktober 2014 09:45-17:00 Stuttgart Block B

Samstag, 11. Oktober 2014 10:00 - 14:15 Berlin Block E

Samstag, 18. Oktober 2014 09:00 - 16:00 München Block A

Samstag, 18. Oktober 2014 09:00 - 16:30 Nürnberg Block D

Mittwoch, 29. Oktober 2014 13:00-19:30 Hamburg Block E

Samstag, 8. November 2014 09:00-15:00 Frankfurt Block A

Samstag, 15. November 2014 09:00-16:00 Mechernich Block B

Samstag, 15. November 2014 10:00 - 16:00 Bremen Block E

Mittwoch, 26. November 2014 14:00 - 20:00 Meinerzhagen Block E

Samstag, 6. Dezember 2014 09:00-15:00 Freiburg Block C

Samstag, 6. Dezember 2014 09:00 - 15:00 Homburg Block B

Freitag, 12. Dezember 2014 09:00 - 17:00 Essen Block D

Wir weisen darauf hin, dass wir nur Anmeldungen von ausgebildeten MFA berücksichtigen können.Die Veranstaltungen sind nicht geeignet für Auszubildende.

Wir danken der Firma für ihre freundliche Unterstützung!

Die aktuelle Terminliste für die „Paediatrice“wird in PädInform, www.praxisfieber.de sowie

jeweils in den Ausgaben von „PRAXISfieber“ veröffentlicht.„PRAXISfieber“ wird durch Pfizer, Nestlé und die BergApotheke verteilt.

PraxisstempelHiermit melde ich

Frau

zur Fortbildung „Paediatrice“

Ausbildung beendet im Jahr:

in am 2014

Für Rückfragen bin ich zu erreichen unter: Block A B C D E (bitte einkreisen) an.

Tel.:

Fax: Datum Unterschrift

Senden oder faxen Sie diesen Abschnitt oder eine Fotokopie mit Ihrer Anmeldung anBVKJ e.V., Mielenforster Str. 2, 51069 Köln, Fax: 02 21 - 6 89 09 78

Je Veranstaltung berechnen wir eine Gebühr von 50,– € pro Teilnehmerin.Eine Rechnung geht Ihnen mit der Bestätigung zu.

Termine 2014Stand: 27.06.14, eb

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

Magazin447

Wirklich - werden sich alle ausdem LV Baden-Württemberg fra-gen, die ihn schon lange kennen.Doch, es stimmt – und wenn ich ihnvorher gefragt hätte, was ich dennschreiben soll, hätte er das sowiesoabgelehnt – in seiner schwäbisch-badischen Bescheidenheit.

Geboren ist er in Freiburg, aufge-wachsen und zur Schule gegangen inPforzheim, um zum Studium wie-der nach Freiburg zurück zu gehen.Nach MA-Zeit und einem kurzemIntermezzo in der Augenklinik Es-sen fand er, dass Kinderarzt (so hie-ßen wir damals noch) doch der besteFacharzt sei und so ging er zur Fach-arztweiterbildung an die Kinderkli-nik in Esslingen zu Professor Hett-ler und anschließend an die Stutt-garter Kinderklinik, das „Olgäle“.

Niedergelassen hat er sich im Ok-tober 1983 in der Stadt mit demschönsten Marktplatz Deutsch-

lands, in Schwäbisch Hall. Und da erzu denen gehört, die sich gerne en-gagieren, gehörte er zu den Grün-dern des Obleutebezirks SchwäbischHall - Künzelsau, dessen Obmanner acht Jahre lang war; und er grün-dete auch den Kinderschutzbund inSchwäbisch Hall, den er lange Jahreleitete.

Als der LV Württemberg 1992nach einem Vorsitzenden suchte,übernahm er für zwei Jahre auchdiese Aufgabe. Auch wenn die ge-sundheitspolitischen Zeiten damalsnoch nicht ganz so brisant warenwie heute, war es gut, dass wir ihn alszuverlässigen Ansprechpartner fürdie Politik hatten.

Und er ist berühmt für seinentrockenen Humor: so versorgte ervor zwei Jahren während einerschweren Erkrankung Familie,Freunde und Bekannte schon vonder Intensivstation aus mit SMS und

später aus der Reha,die eher an einenAufenthalt in einemComedy-Camp den-ken ließ.

Im Sommer die-sen Jahres wird erauch mit seiner Pra-xis aufhören, umsich mehr seinenHobbys Skifahren,Radfahren und Wan-dern zu widmen – und vor allem sei-nen Enkeln.

Seine Meinung zur Pädiatrie:„Wir haben den schönsten Beruf derWelt““

Lieber Michael: Herzlichen Glück-wunsch zum Geburtstag und allesGute!

Dr. Michael Mühlschlegel

74348 Lauffen

E-Mail: [email protected]

Red.: Kup

Michael Vomstein ist 65 Jahre alt?

� Buchtipps

Sandra Roth

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycarund Rollstuhl

Verlag Kiepenheuer und Witsch, S.261, € 18,99, ISBN 978-3-462-04566-6

„Zum Lachen muss man nicht laufenkönnen“: Wie lebt es sich mit einembehinderten Kind in einer Gesell-schaft, die alles daran setzt, Behinde-rungen und Krankheiten abzuschaf-fen – und doch viele neue schafft?Der Bogen spannt sich von ethischenund praktischen Problemen von derPränataldiagnostik bis hin zur Inklu-sion, „Die macht nichts kaputt“, sagtihr zwei Jahre ältere Bruder, „und er-zählt meine Geheimnisse nicht wei-ter.“ Andere fragen auf dem Spiel-platz „Ihr Armen, haben die Ärztenicht aufgepasst?“

Eine Pflichtlektüre für Pädiater solltedieses Buch sein: es stellt den Alltageiner jungen Familie mit einer be-reits pränatal diagnostizierten cere-bralen Fehlbildung (Vena-Galeni-

Aneursyma) eines Mädchens, derenTherapie durch wiederholte Emboli-sationen und einer konsekutivenCerebralparese dar. Die Belastungendurch die pränatale Diagnostik, dieErwägungen über die Fortsetzungder Schwangerschaft, die prognosti-schen und diagnostischen Unsicher-heiten, die Wahrnehmung ärztlicherKommunikation aus Elternsicht,und schließlich der Fortgang derpostpartalen Entwicklung sind Vor-kommnisse, die uns aus Arztsicht all-täglich und nicht ungewohnt sind.Dennoch hinterlässt die subjektiveSchilderung des persönlichen Erle-bens und der kleinen und großenHindernisse des Alltag beim lesen-den Kinder-und Jugendarzt vielerleiReflexionen und durchaus auchSchuldgefühle über die eigene Unzu-länglichkeit, wenn der eigene Um-gang mit Familien, die mit solchenSchicksalen konfrontiert sind, hin-terfragt wird.

Das Buch schildert authentisch undliebevoll die ersten drei Lebensjahresvon Lotta, die immer für Überra-schungen gut ist– eine wirklicheWundertüte: „man weiß nie, was

drin ist“, wie ein Arzt for-mulierte. Große aktuelleThemen wie moderne in-vasive Therapien, Integra-tion, Frühförderung, The-rapievielfalt, Überförde-rung und Überforderung,Inklusion versus Ausgren-zung, werden aus Eltern-sicht beschrieben, schwan-kend zwischen immer neugeschürten Hoffnungenbis zur Resignation überdie Annahme dessen, wasist, und zur puren Alltagsbewälti-gung. Die Verfasserin, Journalistinund Autorin für „Die Zeit“, „Frank-furter Allgemeine Sonntagszeitung“und „Brigitte“, ist eine moderne, imLeben stehende selbständige, wohl-situierte, berufstätige Frau, deren be-wusste Lebensplanungen und Prio-ritäten sich an die Realität der Un-wägbarkeiten und Unvorhersehbar-keiten des wirklichen Lebens anpas-sen muss.

Stephan Heinrich Nolte35039 MarburgE-Mail: [email protected]

Red: ReH

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

448

Heike Drogies

Lebenskünstler2. Von wegen down!

Gieselmann Druckund MedienhausBielefeld, 2014, 76Seiten, € 35–, ISBN 978-3-923830-90-9.Zu beziehen überHeike Drogies, E-Mail: [email protected].

Mutmachbuch

Den alten Lastwagen mit dem rosti-gen grünen Container sehe ich oft inder Osnabrücker Innenstadt. Seitüber 40 Jahren holen Walter und Pe-ter Vollmer damit Altpapier undKartons von den Geschäften ab. Undobwohl Walter Vollmer, der Chef desRecycling-Unternehmens, inzwi-schen 77 Jahre zählt und sein BruderPeter 62, denken sie nicht ans Aufhö-ren - „Die Arbeit hält uns inSchwung.“ Peter Vollmer kam mitTrisomie 21 auf die Welt. Der großeBruder nahm ihn unter seine Fitti-che und gab ihm sein ganzes Lebenlang die Anleitung und Stütze, die erbraucht.

Die Geschichte der beiden Brüder istanschaulich dargestellt in „Lebens-

künstler² – von wegen down!“ – alseine von vielen. Das liebevoll ge-schriebene und mit wundervollenFotos gestaltete Buch vermittelt einzeitgemäßes, realistisches Bild vonMenschen mit Down-Syndrom. Dererste Europäer mit Down-Syndromund Hochschuldiplom findet sichebenso darin wie Ingmar, der im Al-ter von vier Jahren die Leukämieüberstand und jetzt einen integrati-ven Kindergarten besucht. Die Ge-schichten machen Mut, ohne beleh-rend zu sein. Das Buch ist ein opti-scher und thematischer Streifzugdurch das Leben mit dem Down-Syndrom. Dieser Streifzug ist mo-dern, lässt die positiven Bilder spre-chen, aber beschönigt nichts in denbegleitenden Textpassagen. Seine In-tention ist Mut zu machen, die Ta-lente und Potenziale zu zeigen, ohnezu verklären.

„Dies ist ein Buch, das Freude macht.Freude am Leben und am Lachen. Eszeigt Menschen, die auf außerge-wöhnliche Weise liebenswert, ent-waffnend ehrlich und erfrischend di-rekt sind: Menschen mit Down-Syn-drom. Reinschauen macht glücklichund alles andere als down ...“, heißtes auf dem Buchcover.

Es kann Eltern und Angehörige vonKindern mit Morbus Down, Triso-

mie 21, stützen und aufrichten undauf eine schöne, sicher nicht immerleichte, aber auch bereichernde Zu-kunft vorbereiten. Es hilft auch dasUmfeld zu informieren, Vorurteileabzubauen.

Gewiss, nicht immer ist das so son-nig, und wir Kinder- und Jugend-ärzte kennen auch die Familien, indenen Trisomiekinder sich kaumweiterentwickeln, in denen sie großeSorgen machen und Belastungendarstellen, für die Geschwister undfür die alternden Eltern. Aber des-halb von vornherein zu resignierenund Trübsal zu blasen, wäre nichtrichtig.

Die „Lebenskünstler“ können aufdem Tresen von Kinder- und Ju-gendarztpraxen liegen oder im War-tebereich. Humangenetiker, Frauen-ärzte, Geburtshelfer und Hebam-men sollten ihn zur Hand haben,wenn sich Beratungsbedarf ergibt.Und mir, der ich gerne schöne Bü-cher in der Hand habe, macht dieserBildband richtig Freude.

Prof. Dr. med. Karl Ernst v. MühlendahlPädiater und UmweltmedizinerKinderumwelt gGmbH, Westerbreite 7,49082 Osnabrü[email protected]

Red: ReH

Andreas Petri

Fehlervermeidung in derKinderheilkunde

Thieme Verlag, Stuttgart,2014, 240 Seiten, 68 Abb., €79,99, ISBN 978-3-131639616

Wir Ärzte sind alles an-dere als fehlerfrei. Beiunserem vielfältigen Tunmüssen sich zwangsläu-fig Fehler einstellen. Dasgilt für tägliche, einfacheSituationen, für schwie-

rige Diagnosestellungen bei seltenenKrankheiten oder für kompliziertechirurgische Eingriffe und bei vielenMedikamentenbehandlungen. Un-sere Kenntnisse und Fähigkeiten

sind viel zu begrenzt, als dass allenAnforderungen fehlerfrei Rechnunggetragen werden könnte.

„Mich haben Fehler mein Berufsle-ben lang begleitet, viele längst ver-gessen, die allermeisten sicher uner-kannt, unbemerkt; beginnend miteiner falschen Injektion in der Medi-zinalassistentenzeit (an die ich michnoch genau erinnere), fortgesetztmit übersehenen oder inkorrekt in-terpretierten Untersuchungsergeb-nissen, Folgen unzureichenden me-dizinischen Wissens bei der Tätigkeitals Stations- und Oberarzt bisschließlich hin zu Organisationsfeh-lern während meiner Chefarztzeit(und endlich im Rahmen meinerfünfjährigen Tätigkeit bei derSchlichtungsstelle für Arzthaft-

pflichtfragen der norddeutschenÄrztekammern). Oft hatte ich Be-denken, Befürchtungen, ob alles be-dacht, ob alles richtig gemacht wor-den war, insbesondere in der Zeitmeiner Leitungstätigkeit, und ichträume auch heute noch gelegentlichdavon. Ich habe letztlich Glück ge-habt, habe ich doch nur einmal we-gen eines Organisationsverschul-dens vor Gericht stehen müssen, woes nach kurzer Verhandlung zurFestsetzung eines moderatenSchmerzensgeldes kam.

Das vorliegende Buch behandeltumfassend die Problematik des Um-gangs mit Arztfehlern, schwerpunkt-mäßig mit solchen in der Kinderheil-kunde. Zahlreiche eindrückliche, gutbebilderte Fallbeispiele, mit sehr

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

449

Thomas Baumann

Atlas der Entwicklungs -diagnostikVorsorgeuntersuchungen vonU1 bis U10/J1

Thieme Verlag, 3. vollständig überar-beitete und erweiterte Auflage 2013,984 S., 2255 Abb., gebunden, ISBN:9783131250636, € 129,99

Thomas Baumann, der in einem So-zialpädiatrischen Zentrum und ineiner Praxis in Solothurn in derSchweiz als Pädiater arbeitet, hat sichviel vorgenommen. Nicht wenigerals „Alle Themen, die für einen nie-dergelassenen Pädiater wirklichwichtig sind“, verspricht er in seinemBuch zu behandeln. Um es gleich zusagen: es ist ihm gelungen.

Aber braucht man als Pädiater einsolches Werk von fast 1000 Seitenund drei Kilo? Ja!

Die Medizin hat in den letzten Jahrenerhebliche Fortschritte gemacht, ins-besondere auf dem Gebiet der Ent-schlüsselung der molekularenGrundlagen der Krankheitsentste-hung. Dadurch verstehen wir Krank-heiten heute besser. In der pädiatri-schen Weiterbildung in der Klinikkommt es dadurch zu einer zuneh-menden Sub-Spezialisierung.

Unabhängig davon entwickelt sichauch die ambulante Pädiatrie weiter.In der täglichen Praxis gehört zwarimmer noch die Behandlungen vonInfektionskrankheiten zur täglichenRoutine, jedoch spielen die neuenMorbiditäten eine immer größereRolle: Sprach- und Entwicklungsstö-rungen, Übergewicht etc. DerSchwerpunkt der ambulanten Pädia-trie liegt auf der Begleitung der phy-sischen, psychischen und sozialenEntwicklung des Kindes vom Säug-

lings- bis in das Erwachsenenalter.

In der Klinik, in die Kinder und Ju-gendliche mit akuten Beschwerdenkommen, kann diese Form der jahre-langen Begleitung nicht vermitteltwerden.

Hier hilft das vorliegende Buch. Weraus der Klinik in die Praxis geht, aberauch wer schon in der Praxis arbeitet,findet hier ein umfassendes und imbesten Sinne praktisches Orientie-rungsbuch vor.

Die erste Hälfte des Buches umfasst:

Anamnese- und Untersuchungs-technik Ursache von Entwicklungsstörun-gen, Kinderrechte, Kinderschutz,UnfallverhütungEntwicklung und Störungen einzel-ner Organsysteme, der Psyche unddes Verhaltens

In der zweiten Hälfte geht es um:

Vorsorgeuntersuchungen, gegliedertnach den deutschen „Us“Dabei sind die einzelnen Vorsorge-kapitel gegliedert nach:Ersten Beobachtungen und FragenEntwicklung der Psychomotorik,Wahrnehmung, Sprache, etc.Somatischer Status Vorsorge

Dies alles wird in knappen, prägnan-ten Texten abgehandelt. Dichter undbesser geht es nicht.

Besonders hervorzuheben sind dievielen Fotos aus dem Praxis-Alltag,nicht professionell „gestellt“, dafüraber sehr aussagekräftig.

Viele höchst informative Tabellen,Übersichten und Wachstumskurvenergänzen die Texte und Bilder, amEnde findet sich ein Kapitel mit Fra-gebögen zur Übernahme in der Pra-xis.

Kritisch anzumerken ist,dass zwei wichtige Vorsor-gen nicht abgehandeltwerden: die U10 und dieJ2. Auch zu den Impfun-gen hätte man sich etwasmehr Informationen ge-wünscht.

Mehr zum Thema Norm-variante oder Störunghätte das Buch ebenfallsnoch gut vertragen können. Etwasmehr Entscheidungshilfen bei derFrage, wann Therapien nötig sind,wären gut gewesen. Meist kommthier nur der Hinweis auf die Not-wendigkeit weiterer Abklärung. Die-ses verhältnismäßig kleine Mankosollte jedoch Pädiaterinnen und Pä-diater nicht davon abhalten, diesesBuch als großes Nachschlagewerk inder täglichen Praxis zu nutzen.

Die Arbeit des Arztes in der Praxisbesteht aus Zuhören, Fragen, Anam-nese, Beobachten und Untersuchen,viel weniger aus Labor- oder Geräte-untersuchungen. Dass das Buch diesvermittelt, ist allein schon ein Grunddafür, dass man ihm viele Leserinnenund Leser wünscht.

Großartig auch, wie der Autor überseine eigene Empathie für Kind undEltern und seine Freude an der Pra-xisarbeit schreibt. Wer selbst Kinderund Eltern langfristig begleitet undführt, findet sich in diesen Beschrei-bungen wieder, wer daran denkt, ausder Klinik in die Praxis zu wechseln,dem machen diese BeschreibungenMut.

Dr. Michael HauchMünsterstr. 11640476 Düsseldorf

Red: ReH

hilfreichen Kommentaren, die aufeinem erkennbar fundiertem kin-der- und jugendärztlichen Erfah-rungswissen basieren, machen ausdem Band ein interessantes „Lese“-Buch und ein „Lehr“-Buch par excel-lence, dank dessen man nicht nur auseigenen Fehlern, sondern aus denenanderer lernen kann. Informative

Abbildungen und ein gutes Registerhelfen bei der Nutzung. Es ist zu hof-fen, dass es viel und aufmerksam ge-lesen wird, und dass manche der gu-ten Ratschläge beherzigt werden.Möge so nicht nur die Fehlerquoteherabgesetzt, sondern auch ein offe-ner, unverstellter Umgang mit unse-ren eigenen ärztlichen Unvollkom-

menheiten und Fehlern gefördertwerden.

Prof. Dr. med. Karl Ernst v. MühlendahlPädiater und UmweltmedizinerKinderumwelt gGmbH, Westerbreite 7,49082 Osnabrü[email protected]

Red: ReH

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

450

Fortbildungstermine

11.–15. Oktober 2014

42. Herbst-Seminar-Kongress

„Infektiologie“

des bvkj e.V., in Bad Orb

Auskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel. 0221/68909-15/16, Fax: 0221/68909-78 ([email protected]) �

13.–18. Oktober 2014

Psychosomatische Grundversorgung beiKindern und Jugendlichen in Bad Orb

Auskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel. 0221/68909-26, Fax: 0221/68909-78 ([email protected])

22. Oktober 2014

Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.

des bvkj e.V., in Herdecke

Auskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax:0221/68909-78([email protected])

5. November 2014

Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.

des bvkj e.V., in Nürtingen/Stuttgart

Auskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax:0221/68909-78([email protected])

November 2014

Oktober 2014

7.–9. November 2014 (Teil 1) und23.–25. Januar 2015 (Teil 2) Psychosomatische Grundversorgung beiKindern und Jugendlichen in FreiburgAuskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel. 0221/68909-26, Fax: 0221/68909-78 ([email protected])

8. November 2014Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.des bvkj e.V., in KielAuskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax:0221/68909-78([email protected])

12. November 2014Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.des bvkj e.V., in München-UnterhachingAuskunft: Berufsverband der Kinder- undJugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax:0221/68909-78([email protected])

15. November 2014Jahrestagung des LV Niedersachsendes bvkj e.V., in VerdenAuskunft: Dr. med. Tilman Kaethner undDr. med. Ulrike Gitmans �

15.–16. November 201412. Pädiatrie zum Anfassendes bvkj e.V., LV Bayern, in BambergTag.-Leiter: Prof. Dr. C. P. Bauer, Gaiß-ach/MünchenAuskunft: Dr. Martin Lang, Bahnhofstr. 4,86150 Augsburg, Tel. 0821/3433583, Fax0821/38399 �

22. November 20146. Pädiatrie zum Anfassendes Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, LV BerlinAuskunft: Dr. B. Ruppert, Oraniendamm 6-10, 13469 Berlin, Tel.: 030/40397255/Fax: 030/40397254 �

� CCJ GmbH, Tel. 0381-8003980 / Fax: 0381-8003988,[email protected] Tel. 040-7213053, [email protected]

� Schmidt-Römhild-Kongressgesellschaft, Lübeck, Tel. 0451-7031-202,Fax: 0451-7031-214, [email protected]

� DI-TEXT, Tel. 04736-102534 / Fax: 04736-102536, [email protected]

� Interface GmbH & Co. KG, Tel. 09321-3907300, Fax 09321-3907399, [email protected]

20. August 2014

Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.

des bvkj e.V., in Köln

Auskunft: Berufsverband der Kinder- und

Jugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069

Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax: 0221/

68909-78 ([email protected]) �

3. September 2014

Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.

des bvkj e.V., in Berlin

Auskunft: Berufsverband der Kinder- und

Jugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069

Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax: 0221/

68909-78 ([email protected]) �

6.–7. September 2014

18. Pädiatrie zum Anfassen in Lübeck

des bvkj e.V., LV Hamburg, Bremen,

Schleswig-Holstein und Niedersachsen, in

den MediaDocks in Lübeck

Auskunft: Dr. Stefan Trapp, Bremen, Tel.

0421/570000, Fax: 0421/571000; Dr. Stefan

Renz, Hamburg, Tel. 040/43093690, Fax:

040/430936969; Dr. Dehtleff Banthien,

Bad Oldesloe, Tel. 04531/3512, Fax:

04531/2397; Dr. Volker Dittmar, Celle, Tel.

05141/940134, Fax: 05141/940139 �

17. September 2014

Immer etwas Neues – Selektiv-Verträge u.a.

des bvkj e.V., in Verden

Auskunft: Berufsverband der Kinder- und

Jugendärzte, Mielenforster Str. 2, 51069

Köln, Tel.: 0221/68909-26/16, Fax: 0221/

68909-78 ([email protected]) �

20. September 2014

Jahrestagung des LV Sachsen

des bvkj e.V., in Dresden

Auskunft: Dr. med. K. Hofmann, Chem-

nitz, PF 948, 09009 Chemnitz, Tel.

0371/33324130, Fax 0371/33324102 �

August 2014

September 2014

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

451

Die Welt der Kinder im Blick der Maler

Psychologische Betrachtungen eines MalersVan Dyck, seit 1632 Hofmaler des englischen Königs, Karl I.,

hat in dieser Zeit einen neuen Porträttypus, das Doppelporträt,entwickelt. 1638 traten die beiden Brüder, Cousins von Karl, einedreijährige Europareise an Kurz vor ihrer Reise hat sie van Dyckgemalt, sie waren damals 17 bzw. 16 Jahre alt. Der jüngere Bruder,Bernard, einen Fuß auf der Stufe, die behandschuhte Hand gegendie linke Hüfte stemmend, zeigt die aktivere Pose. John steht festauf der Stufe, stützt sich auf einem Pfeiler ab, wirkt etwas verson-nen. Ebenso wie die unterschiedlichen Haltungen der Brüder bil-den die Gewänder einen dynamischen Kontrast. Den warmen Far-ben von Gold und Braun bei John stehen die kühleren Töne vonSilber und Blau bei Bernard entgegen. Die Physiognomien imDreiviertelprofil zeigen die für die Stuarts charakteristischen lan-gen Nasen und vorspringenden Kinne.

Die jungen Männer sind einige Jahre später im Bürgerkrieg ge-fallen, jeweils im Alter von 23 Jahren. Die Biografen haben sie fol-gendermaßen charakterisiert: „Lord John war von einer choleri-scheren und raueren Natur als die anderen Zweige jener fürstli-chen Familie, er war über die Weichheit des Hofes nicht erfreut,sondern hatte sich dem Waffenberuf gewidmet.“ Dagegen hieß esvon Bernard, er sei „von einer höchst sanften, liebenswürdigenNatur“ gewesen. Natürlich waren die Porträtmaler bemüht, ihreModelle in einem günstigen Licht darzustellen. Wie aber erklärensich die so widersprüchlichen Charakterisierungen durch denMaler und die Biografen? Ich kann es nur so deuten, dass van Dycküber eine große Empathie verfügte. Gewiss hatte er sich ausgiebigmit Beiden unterhalten, ihre Vorstellungen und Ziele kennen ge-lernt. Nun stellte er sie so dar, wie sie sich selbst sehen wollten: Densanften, liebenswürdigen Bernard als einen entschlossenen,durchsetzungsfähigen jungen Mann – und den cholerischen, an-griffsbereiten John, der vielleicht schon manchmal angeeckt war,als eine verständige, einsichtsvolle Persönlichkeit.

Van Dyck wurde als siebtes Kind eines Seidenhändlers 1599 inAntwerpen geboren. Schon mit 11 Jahren kam er in die Lehre ei-nes italienisierenden Malers, mit 16 Jahren besaß er ein eigenesAtelier und beschäftigte einen Lehrling. 1617-1620 war er Schülerund Mitarbeiter Rubens'. Er wohnte bei Rubens und war mit ihmbefreundet. Neben religiösen und mythologischen Bildern ent-standen schon bedeutende Porträts, die ihm Anerkennung ver-schafften. Auf einem Schimmel, einem Geschenk von Rubens, rittder Maler 1621 in Genua ein. Später hielt er sich in Rom, Venedig,Turin und Palermo auf. Besonders Tizian beeinflusste ihn. 1630wurde er von der Erzherzogin Isabella in Brüssel zum Hofmalerernannt. 1632 folgte die Berufung nach London, von König Karlwurde er zum Ritter geschlagen. Charakteristisch für den Malerwurden die repräsentativen Adelsporträts, die von vielen europäi-

schen Malern nachgeahmt wurden. Seine Bilder bezaubern durcheine lässige Eleganz, die Würde und Vornehmheit zum Ausdruckbringt. Die Oberflächengestaltung zeichnet sich durch eine beson-dere Brillanz aus. Aber seine Porträts zeugen auch davon, dass derMaler über eine hervorragende psychologische Beobachtungs-gabe verfügte, wie an dem vorgestellten Doppelporträt deutlichwird.

Dr. Peter Scharfe

Kinder- und Jugendarzt

Wilhelm-Weitling-Str. 3

01259 Dresden Red.: Kup

Anthony van Dyck, Lord John und Lord Bernard Stuart,um 1638, National Gallery, London © akg-images

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KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

453

65. Geburtstag

Frau Dr. med. Eva Zaage, Halle, am 02.09.

Herr Eberhard Schilling, Stuttgart, am 02.09.

Frau Dr. med. Beate Klapdor-Volmar,Düsseldorf, am 03.09.

Frau Dr. med. Alena Lehmann, Recklinghausen, am 11.09.

Herr Dr. med. Rolf Peterß, Sarstedt, am 14.09.

Herr Dr. med. Thomas Graf, Traunstein, am 14.09.

Herr Peter Hillenkamp, Mettingen, am 15.09.

Herr Hartmut Strohmaier, Freiburg, am 16.09.

Frau Dr. med. Ingrid Dabor, Feuchtwangen, am 17.09.

Frau Dr. med. Birgit Lassen, Lübeck, am 18.09.

Herr Fritz Reuter, Weikersheim, am 28.09.

Herr Dr. med. Maximilian Müller, Ulm, am 28.09.

Herr Dr. med. Frank Rußbild, Münster, am 30.09.

Herr Dipl.-Med. Manfred Dutzke, Golßen, am 30.09.

70. Geburtstag

Frau Birgit Walter, Meisenheim, am 01.09.

Herr Dr. med. Bernhard Günther, Lünen, am 04.09.

Herr Dr. med. Rolf Hoffmann, Gammertingen, am 06.09.

Frau Dr. med. Iris Steinbach, Schwielowsee, am 07.09.

Herr Dr. med. Eberhard Lassen, Lübeck, am 14.09.

Herr Dr. med. Klaus-Dieter Diedicke,Rhauderfehn, am 14.09.

Frau Dr. med. Maria Gehlhoff, Berlin, am 21.09.

Frau Dr. med. Susanne Pfister, Tübingen, am 22.09.

Herr Frank Stappenbeck, Mühlhausen, am 25.09.

75. Geburtstag

Frau SR Brigitte Probst, Wünsch, am 01.09.

Herr Dr. med. Günter Pitz, Kempten, am 04.09.

Herr Dr. med. Heinrich Haug, Ludwigsburg, am 08.09.

Frau Dr. med. Irmgard Schnorrenberg-Seitter, Radolfzell, am 21.09.

Frau SR Gertraud Schwarz, Auerbach, am 23.09.

Herr MR Dr. med. Manfred Welsch, Rödenthal, am 30.09.

80. Geburtstag

Frau SR Dr. med. Käte Geschke, Burgstädt, am 14.09.

Herr Dr. med. Karl vom Bauer, Trier, am 14.09.

Frau Dr. med. Hildegard Winter-Walker,Stuttgart, am 18.09.

Frau Mona Prehn, Röttingen, am 23.09

Frau SR Dr. med. Gertraud Jeschkeit,Halle, am 24.09.

81. Geburtstag

Herr OMR Dr. med. Frank-Jörg Gutsmuths, Leipzig, am 08.09.

82. Geburtstag

Herr Dr. med. Werner Schneider, Schwetzingen, am 11.09.

Herr Dr. med. Hans-Martin Metzger,Pforzheim, am 19.09.

Herr Med.Dir. Walter Pösch, Bremen, am 28.09.

83. Geburtstag

Herr Dr. med. Manfred Marz, Augsburg, am 02.09

Herr Dr. med. Horst Gebauer, Bischofswerda, am 06.09.

Herr Dr. med. Walter Pössel, Berlin, am 23.09.

Frau Dr. med. Anita Kahlow-Mardus, Berlin, am 25.09.

85. Geburtstag

Herr Dr. med. Jochem Kaufmann, Bamberg, am 04.09.

86. Geburtstag

Frau Dr. med. Annemarie Haake, Hannover, am 02.09.

87. Geburtstag

Herr Dr. med. Siegfried Adler, Eberswalde, am 26.09.

88. Geburtstag

Frau Dr. med. Maria-Luise Koch, Hamburg, am 27.09.

Herr Dr. med. Karlhorst Bacus, Mülheim, am 30.09.

89. Geburtstag

Herr Dr. med. Herbert Marx, Lüdinghausen, am 18.09.

Herr Dr. med. Eberhard Kreikemeier,Kronshagen, am 23.09.

91. Geburtstag

Herr Dr. med. Friedrich Bettecken, Villingen-Schwenningen, am 13.09.

92. Geburtstag

Frau Susanne Behrendt-Linke, Berlin, am 25.09.

94. Geburtstag

Frau Dr. med. Marianne Bothner, Stuttgart, am 01.09.

Happy Birthday

Geburtstage im September 2014

Wir trauern um:

Herrn Prof. Dr. med. Gerhard Ruhrmann, Reinbek

Im Monat Juni 2014 durften wir 25 neue Mitglieder begrüßen. Davon haben uns 2 die Genehmigung erteilt, sie auch öffentlich in der Verbandszeitschrift willkommen zu heißen:

LandesverbandBaden-Württemberg

Frau Dr. med. Adelheid Struck

Landesverband Bayern

Frau Sophie Blatt

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Nachrichten der Industrie

KINDER- UND JUGENDARZT 45. Jg. (2014) Nr. 8

454

Klein ist nicht gleich klein: SHOX-Defizienz-Patienten erkennen und richtig diagnostizieren

Kleinwuchs ist ein häufiger Grund, weshalb Eltern mit ihrem Kind einen Kinderarzt aufsuchen. Ei-

ne Körperhöhe unter der 3. Perzentile für das entsprechende Alter wird allge-mein als Kleinwuchs definiert. Das heißt auch, dass 3 % der Erwachsenen und 3 % aller Kinder und Jugendlichen für das entsprechende Lebensalter kleinwüchsig sind. Die Ursachen für einen Kleinwuchs können vielfältig sein. Eine chronische Erkankung, Essstörungen, Malnutriti-on, Hormonstörungen wie zum Beispiel eine Unterfunktion der Schilddrüse, ein Wachtumshormonmangel, aber auch der Kleinwuchs infolge einer intrauteri-nen Wachstumsverzögerung oder einer chromosomalen Störung, wie z. B. dem Ullrich-Turner Syndrom können zu ei-nem unzureichenden Wachstum führen. Bei einem familiären Kleinwuchs sind die Eltern und oft auch andere Vorfah-ren klein, sodass auch die Kinder in der Regel kleinwüchsig sind. Der sogenannte „idiopathische“ Kleinwuchs ist per Defi-nition ein Kleinwuchs, bei dem alle ande-ren bekannten Ursachen ausgeschlossen wurden. Bei einer konstitutionellen Ver-zögerung von Wachstum und Pubertät kann bezogen auf gleichaltrige Kinder für eine bestimmte Zeit auch ein „relati-ver Kleinwuchs“ resultieren, da der Pu-bertätswachstumsschub im Vergleich zu Gleichaltrigen verzögert eintritt1.

SHOX-Defizienz als Ursache von Kleinwuchs

Genetische Veränderungen, z. B. des SHOX Gens (Short Stature Homeobox), können zu einer SHOX-Defizienz füh-ren. Dem SHOX Gen, das auf bestimm-ten Endabschnitten beider Geschlechts-chromosomen lokalisiert ist, wird eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle des Län-genwachstums zugeschrieben. Verschie-dene Mutationen dieses Gens können eine SHOX-Defizienz bedingen. In der Literatur wird eine Prävalenz der SHOX-Defizienz bei kleinwüchsigen Personen von 1,5 bis 17 % angegeben2,3,4, wobei Mädchen und Jungen genetisch gleicher-

maßen betroffen sein können. Es ist al-lerdings davon auszugehen, dass Patien-ten unerkannt bleiben, da nicht gezielt nach Veränderungen in der SHOX Gen-Region gesucht wird.

„Unbekanntes bleibt häufig unent-deckt“

Prof. Dr. med Annette Richter-Unruh ist

Fachärztin für Kinder- und Jugendmedi-

zin, Kinderendokrinologie und -diabeto-

logie und Diabetologin DDG. Im Mittel-

punkt ihrer ärztlichen Tätigkeit steht die

Diagnostik und Therapie endokriner Stö-

rungen im Kindes- und Jugendalter. Da-

zu zählen unter anderem Wachstumsstö-

rungen und genetische Syndrome.

Sie beantwortet relevante Fragen zur Diagnose der SHOX-Defizienz in der pä-diatrischen Praxis.

Warum ist eine SHOX-Defizienz als Ursache eines Kleinwuchses nur schwer erkennbar?

„Um eine Ursache zu erkennen, muss man sie überhaupt kennen. In Lehrbü-chern ist die SHOX-Defizienz oft noch nicht mit aufgeführt. Ein weiterer Grund ist aber auch die große phänotypische Breite, ähnlich dem Ullrich-Turner-Syn-drom. Es gibt Patienten, die zunächst nur durch eine geringe Körperhöhe auffal-len. Andere wiederum zeigen keine oder nur sehr minimale syndromale Verän-derungen, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Wichtig ist, daran zu

denken, und gezielt nach Hinweisen zu suchen, wenn andere Ursachen ausge-schlossen sind. Bei einer Verdachtsdiag-nose „SHOX-Defizienz“ kann es gerade bei jüngeren Kindern sinnvoll sein, die ganze Familie anzuschauen: Wie groß sind die Eltern und gegebenenfalls die Geschwister des Kindes? Passt das Kind von der Körpergröße in die Familie? Sind beide Eltern klein, würde man auch ein kleines Kind erwarten. Liegen Fehlpro-portionierungen vor? Damit bekommt man Hinweise auf familiäre und geneti-sche Komponenten. In den meisten Fa-milien sind kleinwüchsige Eltern nicht diagnostiziert. Zwar sind Symptome wie Probleme im Bereich des Handgelenkes oder eine geringe Körpergröße aufge-fallen, eine genetische Disposition oder eine SHOX-Defizienz sind aber in den Familien nicht bekannt.“

Welche phänotypischen Aus-prägungen der SHOX-Defizienz könnten einen Hinweis auf eine erste Verdachtsdiagnose geben?

„In erster Linie würde ich auf die Arm-spanne achten. Schon Leonardo da Vinci hat dargestellt, dass die Körperhöhe und die Armspanne ungefähr übereinstim-men. Normvarianten gibt es natürlich immer, aber wenn die Armspanne kür-zer ist als die Körperhöhe, könnte das ein Hinweis auf eine „SHOX-Defizienz“ sein. Auch die Proportion der Arme ist bei Patienten mit SHOX-Defizienz auffällig, denn die Unterarme sind verhältnismäßig

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zu kurz. Man kann eventuell auch eine Fehlbildung am Handgelenk, die soge-nannte Madelung Deformität, sehen. Dys-proportionen liegen häufig auch in Bezug auf die Sitzhöhe vor. Der Oberkörper ist im Verhältnis zu den Beinen länger, weil auch die Beine, genauer die Unterschen-kel, insgesamt zu kurz sind. Außerdem haben die Patienten eine eher gedrungene Körperform, also relativ zu viel Muskel-masse für die Länge der Extremitäten.“

Welche diagnostischen Schritte zur Verifizierung eines solchen Verdachts kann der Kinderarzt unternehmen?

„Bei einem konkreten Verdacht auf „SHOX-Defizienz“ sollte der Kinderarzt ei-ne entsprechende Familienanamnese erhe-ben, also die Größe der Eltern und Großel-tern erfassen und auch nach Auffälligkeiten in den Körperproportionen fragen. Wenn ein Elternteil auffällig klein ist, kann es auch sinnvoll sein, bei den Eltern Körperhöhe, Sitzhöhe und Armspanne zu vermessen, um vielleicht hier schon Hinweise auf ei-ne genetische Disposition zu erhalten. Für das Kind sollte er die Zielgröße errechnen, Körperhöhe messen und auf die Perzenti-le auftragen. Mit Hilfe des Score-Systems nach Rappold (siehe Abb. 2) können gege-benenfalls weitere Rückschlüsse gezogen werden. Zudem kann die Bestimmung des Knochenalters auf Grundlage eines Rönt-genbilds der linken Hand zusätzlich Auf-

schluss geben. Wenn all diese Schritte den Verdacht erhärten, sollte das Kind an einen pädiatrischen Endokrinologen überwiesen werden. Dieser kann dann gegebenenfalls eine Diagnostik auf Veränderungen im SHOX Gen veranlassen und gegebenenfalls weitere Schritte einleiten.“

Unterscheidet sich die Therapie einer Wachstumsstörung durch SHOX-Defizienz gegenüber ande-ren Kleinwuchs-Formen?

„Hierzu muss ich vorwegschicken, dass es sehr verschiedene Formen des Klein-wuchses gibt, die auch sehr unterschiedlich therapiert werden. So gibt es einige Klein-wuchs-Formen, die zum Beispiel nicht mit Wachstumshormonen behandelt werden können. Bei der Therapie der SHOX-De-fizienz werden, wie beim Ullrich-Turner-Syndrom, Wachstumshormone in einer überphysiologischen Dosis eingesetzt – die Dosis ist höher als bei einem klassischen Wachstumshormonmangel. Die Ergebnis-se einer klinischen Studie5 konnten zeigen, dass dieses Vorgehen bei beiden Studien-gruppen, Patienten mit SHOX-Defizienz bzw. Turner Syndrom, im Mittel eine Ver-

• Mikrognathie• Hoher Gaumenbogen• Kurze Unterarme• Verkrümmung der

Unterarme• Cubitus valgus• Kurze Hände• Madelung Deformität• Dislokation der Ulna am

Ellenbogen• Kurze Unterschenkel• Verkrümmung der

Schienbeine• Genu valgum• Kurze Füße• Skoliose• Muskelhypertrophie

Abb.1: Klinische Hinweise auf eine SHOX-

Defizienz (nach: Rappold et al.3 und Bin-

der6)

* Einem Body Mass Index über der 50. Perzentile sollte nur dann diagnostische Bedeutung beigemessen werden, wenn das betroffene Kind nicht eindeutig adipös ist, sondern der BMI eher durch die verkürzten Extremitäten bei einer relativ zu großen Muskelmasse bedingt ist.

Abb. 2: Die SHOX-Defizienz weist viele verschiedene phänotypische Ausprägungen auf.

Rappold et al. haben ein Score-System entwickelt, das dabei unterstützen kann, anhand

vorliegender Merkmale eine Entscheidung für das weitere Vorgehen zu treffen. Ein

Gesampunktwert von 4 bzw. 7 wurde als Orientierungwert für eine weiterführende

Diagnostik in dieser Population empfohlen.3

besserung des Körperlängenwachstums im Vergleich zu einer unbehandelten Kont-rollgruppe erreichen konnte. Im Allgemei-nen wird empfohlen, die Behandlung erst nach dem vierten Geburtstag zu beginnen und so lange fortzuführen, bis die Epiphy-senfugen verschlossen sind.“

Quellen:1 Binder G., Woelfe J.: Kleinwuchs. Leitlinien der Ge-

sellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ). http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitli-nien/027-023_S1_Kleinwuchs_01-2010_01-2015.pdf (Abgerufen: Mai 2014)

2 Jorge et al.: SHOX mutations in idiopathic short stature and Leri-Weill dyschondrosteosis: frequen-cy and phenotypic variability. Clin Endocrinol 2007 66:130–135

3 Rappold et al.: Genotypes and phenotypes in child-ren with short stature: clinical indicators of SHOX haploinsufficiency J Med Genet. 2007 May; 44(5): 306–313

4 Rosilio et al.: Children with SHOX Deficien-cy in France J Clin Endocrinol Metab, July 2012, 97(7):E1257–E1265

5 Blum, Werner F et al. (2013): GH treatment to final height produces similar height gains in patients wi-th SHOX deficiency and Turner Syndrome: results of a multicenter trial. J Clin Endocrinol Metab 2013 doi:10.2010/jc.2013-1222

6 Binder, G.: Short Stature due to SHOX Deficiency: Genotype, Phenotype, and Therapy Horm Res Par-diatr 2011; 75:81-89

Nach Informationen von Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg

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Akute Atemwegsinfektionen zählen zu den häufigsten Diagnosen in der pädiatrischen Praxis. Zum einen ist das kindliche Immunsystem noch nicht ausgereift, zum anderen sind die Kleinen in Kita, Kindergarten und Grundschule einem hohen Infektionsdruck ausgesetzt. Auf einem Workshop der Firma Weleda wurde deutlich, dass bei harmlosen Infekten nicht gleich scharfe Geschütze aufgefahren werden müssen. Kombi-nationspräparate aus der anthroposophischen Medizin helfen, die quälenden Symptome abzumildern und die Abwehrkräfte sanft und nebenwirkungsarm zu unterstützen.

Erkältungen bei Kindern ganzheitlich behandeln

Wie gut unser Immunsystem ar-beitet, wie schnell also Fremd-materialien phagozytiert, Bo-

tenstoffe ausgeschüttet oder Lymphozyten an den Ort des Krankheitsgeschehens angelockt werden, hängt maßgeblich von der richtigen Körpertemperatur ab, be-tonte Martin Straube, Allgemeinmedizi-ner am Diogenes-Institut in Hamburg. Eine Temperaturabnahme der Körper-oberfläche führe ebenso wie eine Min-derdurchblutung von Haut und Schleim-häuten zur Dysbalance zwischen körper-eigener Immunabwehr und den ubiquitär vorkommenden Krankheitserregern Mit jedem zehntel Grad weniger verdoppelt sich außerdem die Anzahl von Viren und Bakterien. “Dies ist der Grund, warum wir bei einem Infekt auch von Erkältung spre-chen”, erklärte Straube.

Fieberzäpfchen eher kontrapro-duktiv

Dass der Körper auf eine Unterkühlung „mit einem Temperaturanstieg reagiert, den wir Fieber nennen“, sei ein logischer Re-gulationsmechanismus. Auch die lästigen Symp tome „Niesreiz, Schnupfen und Hus-ten“ seien wirksame Reaktionen, um die Er-reger aktiv zu bekämpfen. “Der Organismus versucht, das infektiöse Material zu elimi-nieren”, betonte Straube. So sei es eher kont-raproduktiv, bei einem grippalen Infekt “die Nase trockenzulegen, das Fieber zu senken und den Husten zu unter drücken”. Jeder durchlebte fieberhafte Infekt im Kindesalter sei außerdem ein wichtiges Immuntraining für die spätere Antigenerkennung.

Ein Kraut für jede Phase des In-fekts

Wesentlich sinnvoller sei es, den Or-ganismus bei den erforderlichen Abwehr-

Foto

: Wele

da

Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) – Auszüge aus Blauem Eisenhut helfen vor allem gegen akute fieberhafte Infekte

prozessen zu unterstützen. Die Behand-lung viraler Atemwegsinfekte beruhe im Wesentlichen auf zwei Säulen:

Erwärmung des Körpers Stimulation des spezifischen Immun-

systems

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Durch Wärmezufuhr von außen kann eine sich anbahnende Erkältung oftmals noch verhindert oder abgemildert wer-den. Manchmal gelingt dies bereits mit heißen Getränken, ansteigenden Fußbä-dern, einem warmen Wannenbad oder einer Wärmflasche. Positive Erfahrungen hat Straube auch mit den gut verträglichen anthroposophischen “Grippemitteln” In-fludoron® (Streukügelchen) und Infludo® (Tropfen) gemacht. Die Kombinations-präparate aus homöopathisch hergestell-ten Pflanzenextrakten und potenziertem Eisenphosphat bzw. Phosphor unterstüt-zen die körpereigenen Selbstheilungs-kräfte in allen Krankheitsstadien. Wäh-rend Phosphorsalze bzw. Phosphor die Durchwärmung des unterkühlten Orga-nismus fördern und dadurch der Vermeh-rung pathogener Keime entgegenwirken, sei der enthaltene Wasserdost (Eupatori-um perfoliatum) als eine der wenigsten Heilpflanzen in der Lage, auch das spezi-fische, gegen Viren gerichtete Immunsys-tem anzuregen. Hinzu kommen weitere potenzierte Pflanzenauszüge, die für die einzelnen Phasen des Infekts wichtig sind:

Eisenhut (Aconitum napellus) bei akuten Beschwerden zu Beginn des Infekts, z. B. Kopf- und Gliederschmerzen, Abge-schlagenheit Fieber, Fieberkrämpfen und meningealen Reizzuständen, Läusekraut (Sabatilla) gegen Niesreiz und Schnup-fen, Zaunrübe (Bryonia) bei trockenem Husten und schließlich Eucalyptus gegen festsitzenden Schleim und bakterielle Su-perinfektionen.

Wie Straube berichtete, hat das Bun-desinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM) die pflanzlichen Kombi-Präparate als besonders sinnvoll bewertet, da sie als “All-in-one-Mittel“ auf unterschiedliche Erkältungssympto-me abzielen ohne die Hausapotheke be-lasten.

Geeignet für die ganze Familie

Während die alkoholhaltigen Tropfen für Schulkinder, Jugendliche und Erwach-sene zugelassen sind, sind die Streukügel-chen laut Straube für die ganze Familie geeignet, für die schwangere Mutter eben-so wie für Kleinkinder und Säuglinge im

ersten Lebensjahr. Wechselwirkungen und Kontraindikationen seien nicht bekannt. Straube hält die Fixkombination deshalb für eines der zuverlässigsten “Grippemit-tel” überhaupt.

Zurück zum gesunden Gleichge-wicht

Im Gegensatz zur herkömmlichen Schulmedizin zielt die von Rudolf Steiner begründete Anthroposophische Medizin nicht auf pathophysiologische Vorgänge ab, sondern stellt die sog. Salutogenese in den Mittelpunkt, also die gesundheitsbil-denden oder –erhaltenden Funktionen des Körpers. Anthroposophische Arz-neimittel sind darauf ausgerichtet, die Selbstheilungskräfte des Organismus zu stärken und aus dem Tritt geratene Pro-zesse wieder ins Gleichgewicht zu brin-gen.

Quelle: Presse-Workshop „Heilpflanzen zum Anfassen“, Schwä-bisch-Gmünd, 09.07.2014; Veranstalter: WELEDA AG

Autor: Dr. Martina-Jasmin Utzt

Seit dem 1. Juni 2014 tritt für das ADHS-Präparat Elvanse® (Wirk-stoff: Lisdexamfetamindimesilat)

ein Erstattungsbetrag in Kraft. Darauf haben sich die Shire Deutschland GmbH und der GKV-Spitzenverband bei ihren Verhandlungen verständigt. „Die Verein-barung stellt sicher, dass die Verordnung im Allgemeinen nicht in einer höheren Be-lastung der gesetzlichen Krankenversiche-rung resultiert, als die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie mit Strattera®“, kom-mentiert Dr.  Werner Föller, Geschäfts-führer der Shire Deutschland GmbH, den Preiskonsens. Der Ablauf der Gespräche und ihr Ergebnis wurden von beiden Sei-ten als konstruktiv und fair bewertet. „Das vorliegende Ergebnis zeigt, dass eine Ver-ständigung beider Seiten auf einen tragfä-higen Kompromiss auch möglich ist, wenn ein Produkt vom Gemeinsamen Bundes-

ausschuss keinen Zusatznutzen zur zweck-mäßigen Vergleichstherapie zugesprochen bekommen hat“, ergänzt Johann-Magnus v. Stackelberg, stv. Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.

Grundlage für die Verhandlungen bil-dete dabei der Beschluss über die Nutzen-bewertung des Gemeinsamen Bundesaus-schusses (G-BA) vom 14. November 2013. Elvanse® ist das erste Präparat zur Behand-lung von ADHS, welches das Verfahren der frühen Nutzenbewertung und die sich anschließenden Erstattungsbetragsver-handlungen durchlaufen hat.

Lisdexamfetamin ist ein neuer Wirk-stoff, der in inaktiver Form vom Patienten eingenommen und im Blutkreislauf in die aktive Form umgewandelt wird. Das sogenannte Prodrug ergänzt durch seine spezifischen klinischen und pharmako-kinetischen Eigenschaften die medika-mentösen Behandlungsoptionen von

ADHS. Elvanse® wird für die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Aufmerk-samkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird. Das Präparat ist, wie die anderen Medikamente in dieser Indikati-on, im Rahmen eines therapeutischen Ge-samtkonzepts zugelassen.

Wie immer befreit der vereinbar-te Erstattungsbetrag den verordnenden Arzt nicht von seiner Pflicht, generell je-de Verordnung auf ihre Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu prüfen. Die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung rich-tet sich auch hier nach den Vorgaben in § 12 SGB V, soweit nicht Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V dagegen sprechen.

Nach Informationen von Shire Deutschland GmbH, Berlin

Erstattungsbetrag für ADHS-Medikament Elvanse® steht – keine Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung

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Gerade im Bereich Gesundheit ist das Internet für viele die erste An-laufstelle. Daher wurde auch die

Prospan® Website im Rahmen der umfas-senden 360° Fach- und Endverbraucher-kampagne für die weltweite Nr. 1 unter den pflanzlichen Hustenmitteln komplett neu erstellt. www.prospan.de liefert einen

kompakten Überblick über das Thema Husten. So erhalten Patienten hilfreiche Informationen zu verschiedenen Hu-stenerkrankungen, können einen Selbst-test machen oder mehr über Prospan® als wirksame Therapieoption erfahren.

Doch auch Fachkreise werden hier fündig: Der jetzt verfügbare geschlossene

Bereich gibt unter anderem einen umfas-senden Überblick über die Studienlage zum rationalen Phytopharmakon, behält aber auch die optimale Versorgung der Pa-tienten mit dem Efeu-Spezial-Extrakt EA 575® (Prospan®) im Blick. Nach Informationen von Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG, Niederdorfelden

Neue Internetseite von Prospan®

Hintergrundinformationen auch für Fachkreise

− Immer noch nicht alle Impfvereinbarungen abgeschlossen

− Langsamer Rückgang von Rotavirus-Infektionen in Deutschland

Rotavirus-Impfung: Nur langsame Umsetzung der STIKO-Empfehlung in Deutschland

Im Juli 2013 hat sich die Ständige Impf-kommission (STIKO) für die Rotavirus-Impfung für alle Säuglinge ausgespro-

chen.1 Ziel dieser Impfempfehlung ist die Reduzierung von Krankenhauseinwei-sungen betroffener Kinder unter fünf Jah-ren durch Rotavirus-Infektionen. Bis die Impfempfehlung aber tatsächlich in den Kinderarztpraxen umgesetzt wird und alle Säuglinge in Deutschland von der Impfung als Kassenleistung profitieren können, ver-geht viel kostbare Zeit. Ein Jahr nach der Impfempfehlung ist in Deutschland die Rotavirus-Impfung immer noch nicht flä-chendeckend über Chipkarte verfügbar. Zunächst hatte der Gemeinsame Bundes-ausschuss zu entscheiden, ob die Impfung allgemeine Pflichtleistung werden soll. Die Veröffentlichung im Bundesanzei-ger erfolgte am 19. Dezember 2013 in der Schutzimpfungsrichtlinie. Im nächsten Schritt mussten die regionalen Impfverein-barungen zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen ge-schlossen werden. Innerhalb von wenigen Wochen nach Veröffentlichung der Rota-virus- Impfung im Bundesanzeiger hatten erste KV-Regionen die Impfung in ihre Impfvereinbarung übernommen. Nach

und nach wurden viele weitere abgeschlos-sen. Am 1. Juli 2014 sind nun auch Impfver-einbarungen für Nordrhein und Saarland in Kraft getreten. Die letzte Impfvereinbarung in Hessen steht immer noch aus – im-merhin ein Jahr nach STIKOEmpfehlung. Dementsprechend langsam ist auch der Rückgang der Rotavirus-Infektionen in Deutschland. Wurden von Januar bis Mai 2013 noch 38.082 Fälle verzeichnet, so sind es von Januar bis Mai 2014 mit 22.774 Fällen bereits etwas weniger – ein Rückgang um 40 Prozent.2 Im Nachbarland Großbritannien, also in einem anderen System, konnte dage-gen die Infektionsrate innerhalb kürzester Zeit deutlich reduziert werden. Seit Juli letz-ten Jahres gibt es dort ein flächendeckendes Impfprogramm gegen Rotavirus-Erkran-kungen für alle Säuglinge, das auch sofort entsprechend umgesetzt wurde. Es zeigte sich schnell die hohe Wirksamkeit der Imp-fung: Im Zeitraum Juli 2013 bis März 2014 traten 70% weniger Rotavirus-Fälle, verg-lichen mit den Werten der Vorjahre, auf.3

Die Schluckimpfung hilft

Seit 2006 gibt es in Deutschland die Schluckimpfung gegen Rotaviren. Sie

schützt wirksam vor Rotavirus-Infekti-onen, hat ein günstiges Nebenwirkungs-profil und lässt sich gut in den Impfplan integrieren.4 Die Rotavirus-Schluckimpf-stoffe sollen Säuglingen bereits ab einem Alter von 6 Wochen gegeben werden und müssen, je nach Impfstoff, zwei- bzw. drei-mal verabreicht werden.4 Besonders deut-lich ist der Hinweis der STIKO, die Impfse-rie frühzeitig zu beginnen und rechtzeitig abzuschließen.1 Die vollständige Impfserie sollte, je nach Impfstoff, spätestens mit 24 bzw. 32 Wochen abgeschlossen sein.1 Im Falle der Verabreichung des 2-Dosen- Impfstoffs Rotarix® kann die Impfserie bereits mit 10 Lebenswochen beendet werden.2

Quellen:1 Bundesgesundheitsblatt 2013 56:955-956, Springer-

Verlag Berlin Heidelberg 20132 http : / /w w w.rki .de/DE/C ontent/Infekt/Epi-

dBull/Archiv/2014/Ausgaben/25_14.pdf ?__blob=publicationFile (Stand 18.6.2014)

3 PHE Weekly National Norovirus Report – Summary of surveillance of norovirus and rotavirus, 27 march 2014, week13 report (http://www.hpa.org.uk/webc/HPAwebFile/HPAweb_C/1287143931777)

4 Fachinformationen Rotarix® / Rotateq®

Nach Informationen von GlaxoSmithKline,München

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Sprecher des Honorarausschusses des BVKJ e.V.Dr. med. Roland UlmerE-Mail: [email protected]

Sie finden die Kontaktdaten sämtlicher Funktionsträger des BVKJ unter www.kinderaerzte-im-netz.de und dort in derRubrik „Berufsverband“.

Sonstige Links

Kinderärzte im Netz www.kinderaerzte-im-netz.de

Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin www.dakj.de

Kinderumwelt gGmbH und PädInform® www.kinderumwelt.de/pages/kontakt.php

Stiftung Kind und Jugend des BVKJ www.stiftung-kind-und-jugend.de