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8. Die Marienerscheinungen von Lourdes Vom 11. Februar 1858 an soll der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous
bei der Grotte von Massabielle bei einem Fluss (Südwestfrankreich nahe der
Grenze zu Spanien) wiederholt die Mutter Gottes erschienen sein. Bernadette,
ein kränkliches Mädchen aus ärmsten Verhältnissen, war Holz sammeln, als
ihr eine wunderschöne Dame in der Grotte erschien. Die Erscheinung soll
weiß gekleidet und blau gegürtet gewesen sein. Die Grotte von Massabielle
war zu jener Zeit ein Ort, an dem unter anderem Müll verbrannt und Schweine
gehütet wurden. Bernadette selbst nannte die Erscheinung nie „Maria“ oder „Muttergottes“, sie sprach nur
von der „Dame“ oder dem „einsamen Fräulein“.
Während einer ihrer Visionen legte Bernadette auf Wunsch der „Dame“ eine Quelle in
der Grotte frei, deren Wasser bis heute als heilkräftig gilt. Jährlich pilgern bis sechs
Millionen Besucher nach Lourdes und Tausende nehmen – im festen Glauben an eine
mögliche Heilung – Bäder im Quellwasser. Untersuchungen konnten keine
außergewöhnliche Mineralstoffzusammensetzung des Quellwassers feststellen, es hat
aber Trinkwasserqualität.
Die kirchlichen und weltlichen Behörden sahen diese Erscheinungen, die am 16. Juli
1858 endeten, zunächst mit Argwohn an und versuchten, die Menschenaufläufe zu
verhindern. Erst nach einiger Zeit glaubten auch Priester und Bischöfe dem Mädchen.
Als der Dorfpfarrer Dominique Peyramale Bernadette aufforderte, die Erscheinung
nach ihrem Namen zu fragen, überbrachte Bernadette als Antwort „Ich bin die
Unbefleckte Empfängnis“ – ein theologischer Terminus, der erst kurz zuvor vom Papst
dogmatisiert worden war. Der Dompfarrer meinte, dass Bernadette als ungebildete Tochter eines verarmten
Müllers diesen Begriff kaum habe kennen können. Darauf war er von der Authentizität der Erscheinung
überzeugt.
Um die Grotte herum entstanden nach und nach mehrere großen Kirchen, Kapellen und Plätzen, um die
wachsenden Pilgerströme aufzunehmen. Als „heiligen Bezirk“ bezeichnet man diesen Bereich in Lourdes, in
dem sich die Grotte, verschiedene Kirchen und das Krankenhaus für die kranken Pilger befinden. Aus der
Grotte entspringt noch immer jene Quelle mit dem Lourdeswasser, dem Wunderheilungen nachgesagt werden.
Die Grotte selbst ist nicht geschmückt, in einer Nische rechts oben steht die bekannte Marienstatue aus dem
Jahre 1864. An jener Stelle soll Bernadette die Maria auch erschienen sein.
An zahlreichen Orten gibt es weltweit Nachbildungen der Grotte, sogenannte Lourdesgrotten.
Bernadette trat am 7. Juli 1866 in das Kloster Saint-Gildard der Barmherzigen Schwestern in Nevers ein, einer
pflegenden und unterrichtenden Ordensgemeinschaft, wo sie einige Tage später, beim Empfang des Gewandes
der Postulantinnen, den Ordensnamen Marie Bernarde erhielt. Bald erkrankte sie schwer. Nach ihrer
Gesundung arbeitete sie in der Sakristei des Klosters und half beim Besticken von kirchlichen Gewändern und
bei der Reinigung der und Altarwäsche. Im Kloster erfährt sie von eifersüchtigen Schwestern auch immer
wieder Anfeindungen. 1878 stirbt sie sie im Alter von 35 Jahren an Knochentuberkulose starb. So ähnlich
hatte es ihr auch die Dame prophezeit, als sie sagte: „Ich verspreche nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen,
aber in der anderen“. Bernadette war nach ihrem Eintritt ins Kloster nie mehr zur Grotte von Massabielle
zurückgekehrt.
Papst Pius XI. sprach Bernadette Soubirous am 14. Juni 1925 selig und am 8. Dezember 1933 (dem Hochfest
der unbefleckten Empfängnis) heilig. Ihr Gedenktag ist der 16. April. Die hl. Bernadette wird gegen Krankheit
und Armut angerufen und gilt als Schutzpatronin der Armen, jener Menschen, die um ihrer Frömmigkeit
willen verlacht werden, der Hirten und Schäfer, und der Stadt Lourdes.
Die Reliquien der Heiligen wurden noch mehrfach exhumiert und umgebettet. Die Ganzkörperreliquie der hl.
Bernadette zählt zu den Leibern jener Heiligen, die die orthodoxen Kirchen und die katholische Kirche als
„unverweslich“ bezeichnen. Der Leichnam Bernadettes wurde in einen
Schrein aus Bronze und Glas gelegt und am 25. August 1925 in die
Kapelle des Klosters Saint-Gildard in Nevers (heute Espace Bernadette
Soubirous) überführt.
Von den fast 7.000 Heilungen, die im medizinischen Büro seit seiner
Gründung gemeldet wurden, hat die römisch-katholische Kirche bis heute
70 als Wunder anerkannt. Geheilt wurden nach offiziellen Angaben der
Menschen aus allen Schichten und jeder Altersklasse. Zu den geheilten
Krankheiten gehören u. a. Multiple Sklerose, Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Knochenkrebs. Nicht
geheilt wurden Erbkrankheiten.
Eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 1984 befasste sich unter anderem mit dem Thema der
Wunderheilungen in Lourdes kritisch.
Soubirous gehört zu einer langen Reihe von Menschen, die Erscheinungen erlebten oder von denen dies
behauptet wurde. Vielfach handelte es sich um Erscheinungen der Jungfrau Maria. Dies gilt insbesondere für
die Zeit seit dem 19. Jahrhundert, als im gesamten katholischen Bereich derlei Erscheinungen vermeldet
wurden. Über deren Hintergründe im Rahmen gesellschaftlicher Veränderungen in der Epoche des
Nationalismus, aber auch des Kampfes zwischen zunehmend religionsfeindlichen Staat, vor allem in
Frankreich, und der katholischen Kirche, ist viel geforscht worden. Dies gilt allerdings nur für Europa und
Amerika. Erscheinungen der Gottesmutter waren In Lourdes und der Umgebung häufig. Bernadette Soubirous
kannte die Erzählungen und besuchte einen Ort, wo nach örtlicher Überlieferung eine Marienstatue verehrt
wurde, die auf göttliche Weisung hin von Hirten aufgefunden wurde. Noch während der Erscheinungen von
Bernadette Soubirous berichteten zahlreiche weitere Kinder aus Lourdes, dass sie ähnliche
Marienerscheinungen hatten. Viel wurde dazu geforscht, die Meinungen gehen bis heute auseinander. Auch
literarisch wurden die Ereignisse unterschiedlich bewertet. Émile Zola und Kurt Tucholsky äußerten sich in
ihren Werken sehr kritisch darüber. Franz Werfel schrieb hingegen 1941 den Roman „Das Lied von
Bernadette“, der zugleich ein anschauliches Bild der Entwicklung von Lourdes zu einem Wallfahrtsort gibt.
Er war aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Lourdes geflüchtet und hatte dort ein Gelübde
abgelegt, dass er die Geschichte Bernadettes niederschreiben werde, falls er die Verfolgung durch die
Nationalsozialisten überleben sollte. Mehrere ausgezeichnete Filme haben ebenso die Thematik aufgegriffen.
Marienerscheinung in Bad. St. Leonhard? Hunderte Gläubige aus ganz Österreich pilgern seit 2010
zweimal jährlich auf den Schlossberg in Bad St. Leonhard,
um einer angeblichen Marienerscheinung in Bad St.
Leonhard beizuwohnen.
Dem italienischen Seher Salvatore Caputa, ein ehemaliger
Stadtpolizist Landwirt und gebürtiger Sizilianer, erscheint
dort angeblich jeweils zwei Mal im Jahr die Muttergottes.
Bereits am frühen Nachmittag finden sich schon sehr viele
Menschen am Schlossberg ein, um gemeinsam mit
anwesenden Priestern eine Hl. Messe zu feiern. Danach
erwartet man geduldig die angekündigte Erscheinung, die
dann pünktlich stattfindet. Mit Gebeten und Liedern
vertreibt man sich anschließend die Zeit bis zur
Verkündigung der Botschaft, die auch das Datum für die nächste Erscheinung
beinhaltet (meist an einem Samstag im April und am 26. Oktober). Für viele
Anwesende ist es nicht der Anspruch Maria zu sehen oder Düfte wahrzunehmen,
vielmehr ist es für sie die Energie des Ortes, welche mit diesem Ereignis einhergeht
und sie in ihrem Glauben bestärkt. Botschaften von Menschen, die wahrhaftige
Erscheinungen gehabt haben sollen, werden am Gelände verteilt. Aus dem Brunnen
am Schlossberg sprudelt Heilwasser, dass die Besucher
in kanisterweise mit nach Hause nehmen. Bei der
Abfüllstation bildet sich eine Warteschlange. Das
Publikum ist gemischt: Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Ältere aus ganz
Österreich kommen hierher. Es wird gebetet und gesungen. Nach eingehender Prüfung werden diese Ereignisse kirchlicherseits nicht
anerkannt. Schon die erste Erscheinung hat nicht in der vom angeblichen Seher
vorausgesehenen Weise stattgefunden. Es sei eine „Choreografie“ erkennbar, die auf sensationelle Effekte
bedacht ist und erwartete touristische Nebeneffekte miteinschließt, so der zuständige Bischof. Derartige
spektakuläre „Events“ stellen die Glaubwürdigkeit und Wahrheit der behaupteten Marienerscheinungen auch
vom Äußerlichen her schon in Frage.
Abschließend ist festzuhalten, dass Marienerscheinungen nicht zum Kern des christlichen Glaubens
gehören und deshalb nicht verbindliches Glaubensgut sind.
08 Familienfasttag eine Fraueninitiative für Gerechtigkeit 1. Geschichte und Ziele des Familienfasttages Die Aktion Familienfasttag wird jährlich in der Fastenzeit von der katholischen Frauenbewegung Österreichs
(kfb) durchgeführt. Als termin wurde ein traditionsreicher kirchlicher Fasttag gewählt, der 2. Freitag in der
vorösterlichen Fastenzeit. An diesem Tag ruft die kfb zu persönlichem Verzicht auf und bittet, als konkreten
Akt des Teilens und der Solidarität finanzielle Mittel für Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus sind Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit seit Beginn wesentliche Bestandteile der Aktion, die
sich über das ganze Jahr erstrecken. Ziel dieser Aktion ist besonders die Förderung von Frauen in Notlagen
zur selbstbestimmten Gestaltung des Lebens. Der Familienfasttag zählt seit 1958 zu den ältesten und
erfolgreichsten entwicklungspolitischen Initiativen in Österreich. Alljährlich zur Fastenzeit veranstaltet die
Katholische Frauenbewegung nach dem Motto „teilen spendet zukunft“ Fastensuppen-Essen und
entwicklungspolitische Weiterbildung, die zur Solidarität mit den Frauen aus dem globalen Süden aufrufen
sollen. Die ursprüngliche Idee ist gemäß dem Motto „Suppe essen – Schnitzel zahlen“, eine einfache Mahlzeit
zuzubereiten und das dadurch Ersparte als Akt des Teilens für Frauenprojekte in den Entwicklungsländern zur
Verfügung zu stellen. daraus wurde im Laufe der Jahre ein gegenseitigen TEILEN von Lebenserfahrungen,
kultureller Vielfalt, Gütern dieser Erde sowie finanziellen Mitteln ... So konnten auch Menschen in Österreich
von den Erfahrungen der ProjektpartnerInnen profitieren.
Die Aktion Familienfasttag konnte 2018 mit 2,28 Millionen Euro in 10 Ländern rund 114 Frauen-Projekte
fördern. 159.817 Euro davon kamen aus Kärnten.
Neben der Verwirklichung der Menschenrechte geht es der kfb um Solidarität und den Einsatz für weltweit
gerechte Wirtschafts-, Gesellschafts- und Machtstrukturen. Die Projektpolitik der Aktion Familienfasttag
basiert auf einem partnerschaftlichen Ansatz, der gegenseitiges Vertrauen und einen intensiven Austausch
mit Partnerorganisationen beinhaltet. Die Einschätzung und Vorschläge der Frauen vor Ort bilden eine
zentrale Basis für die Projekt-Arbeit der kfb. Die langfristige Partnerschaft und nachhaltige Wirkung sind
wichtige Aspekte dabei. Die Finanzen des Familienfasttages werden jedes Jahr durch die österreichische
Bischofskonferenz, unabhängige Wirtschaftsprüfer sowie Vertreter der Kammer der Wirtschaftstreuhänder
nach strengen Kriterien kontrolliert. Deshalb besitzt die Aktion auch das staatliche Spenden-Gütesiegel.
2. Bereiche für die Hilfsprojekte: 1. Projekte für Bildung und Bewusstseinsbildung:
•Erwachsenenbildung und außerschulische Bildung sowie Alphabetisierung.
•Friedensarbeit und Projekte zu Gewaltfreiheit.
•Berufliche Aus- u. Weiterbildung (Handwerkskurse, Internetschulungen).
2. Projekte zur Sicherung der Lebensgrundlagen:
•Innovative Veränderung von Wirtschafts- und Landwirtschaftssystemen: Förderung von Kleinbauern.
•Gerechter Zugang zu Arbeit und landwirtschaftlichen Anbaugebieten, gemeinschaftliche Verwaltung und
nachhaltige sowie biologische Landwirtschaft.
•(Klein-)Bäuerliche Landwirtschaft: ernährungssichernde Produktion für Familien.
• Produktions- und Vermarktungsformen im „fairen Handel“ (faire Preise garantieren faire Bezahlung).
• Genderaspekt: Beachtung der Mehrfachbelastung von Frauen besonders in den Entwicklungsländern.
• Finanzielle Verbesserung (Landbesitz, gerechter Lohn, faire Arbeitsbedingungen, Infrastruktur, Erbrecht).
3. Projekte zum Schutz der Menschenrechte und Zivilgesellschaft:
•Unterstützung von Gemeinschafts- und Identitätsbildung für Frauen und bedrohte Indigene.
•Förderung von Frauengruppen und Frauenorganisationen und deren Vernetzung.
•Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen & Rechtshilfe für Frauen in Not
3. Projektländer und konkrete Projekte
In Nicaragua, Kolumbien, Chile, El Salvador, Guatemala, Tansania, Indien, Philippinen und Nepal werden
insgesamt 114 Frauenprojekte betreut.
3.1.Indien: Wunden heilen – Natur bewahren – Hunger bekämpfen – Leben fördern Weltweit sind noch immer hauptsächlich Frauen für das Essen
in ihren Familien verantwortlich. Es ist organisatorisch oft gar
nicht so einfach, täglich eine nahrhafte und warme Mahlzeit auf
den Tisch zu be-kommen. Dabei können wir in Österreich aus
der Fülle des Supermarktangebots wählen. Frische, leistbare
Lebensmittel zu jeder Zeit in jeder Menge. Was machen Frauen
aber, wenn es keinen Supermarkt gibt und die Lebensgrundlagen
Land und Wasser durch rücksichtslose Industrialisierung
zerstört werden? Die Projektpartnerin CASS im Norden Indiens
hilft Frauen dabei, neues Selbstbewusstsein zu gewinnen und kleine Küchengärten mit ihren traditionellen
Methoden zu bewirtschaften. So können die vom Bergbau verwundeten Dörfer wieder zu Orten der Sicherheit,
Gesundheit und Gemeinschaft für alle werden.
Auf Deutsch heißt Hazaribagh „Garten der tausend Bäume“. Mit diesem wunderbar klingenden Namen hat
das Gebiet im Norden des Bundesstaates Jharkhand nicht mehr viel gemein, seitdem dutzende Kohlegruben
weite Teile der Gegend in eine Mondlandschaft verwandelt haben. Für den Bergbau werden Bauernfamilien
von ihren Äckern vertrieben, Wälder gerodet und Flüsse verschmutzt. Diese natürlichen Ressourcen sichern
aber nicht nur die Lebensmittelversorgung in der Region, sie bilden auch die Grundlage der kulturellen
Traditionen und Heilpraktiken der hier lebenden Adivasi-Gemeinschaften – der indigenen Bevölkerung
Indiens. Das Frauenprojekt CASS setzt sich hier für den Aufbau einer nachhaltigen Ernährungs- und
Gesundheitsversogung ein, in Einklang mit der Natur, ihren natürlichen Ressourcen und aufbauend auf dem
alten indigenen Wissen der Adivasi.
3.2. Tanzania: Kampf gegen Frauenbeschneidung Grail-Schwestern und Betroffene wollen mit Unterstützung der kfb dem
grausamen Brauch der weiblichen Genitalverstümmelung ein Ende setzen.
Hartnäckig, unaufgeregt und sensibel – so begegnet die christliche
Gemeinschaft der Grail-Schwestern den Menschen im Osten Afrikas. Sie leisten
soziale Dienste, sind als Lehrerinnen tätig und im Gesundheitsbereich. Über all
ihrem Tun steht die Mission des Ordens, Frieden und soziale Gerechtigkeit zu
fördern. Auch in Tansania, das bei Europäerinnen oft nur mit überwältigend schöner Landschaft, dem
Kilimandscharo als höchstem Berg Afrikas und enormer kultureller Vielfalt in Verbindung gebracht wird.
Tradition wird unter den 50 Millionen Einwohnerinnen vielerorts hochgehalten. Leider mancherorts auch ein
besonders grausamer Brauch, der seit 15 Jahren eigentlich per Gesetz verboten ist: Weibliche
Genitalverstümmelung, die massive Schmerzen verursacht und sogar tödlich enden kann, aber aus Angst vor
dem Fluch der Ahnen oft weiter praktiziert wird. „Nicht alle Bräuche müssen unverändert erhalten werden“,
lautet die Botschaft der Grail-Schwestern, wenn sie mit Beschneiderinnen reden. Ein Umdenken scheint
langsam möglich. Denn dank der Unterstützung der kfb können die Grail Schwestern auf religiöse und
traditionelle Führungspersonen einwirken und mit ihnen gemeinsam nach Auswegen suchen.
3.3. Kolumbien: „Vamos Mujer“ Frauen gegen Gewalt und für den Frieden Frauen im Verein „Vamos Mujer“ in Medellin machen diese Friedensarbeit. Das
Projekt ist eines von mehreren in Kolumbien, mit denen die Aktion
Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs eine Partnerschaft
unterhält – um Frauen dabei zu unterstützen, gegen Gewalt und Rechtlosigkeit und
für die aktive Mitgestaltung des Friedensprozesses im Land aufzutreten. In den
50 Jahren des kolumbianischen Bürgerkriegs haben Frauen unsichtbar den Frieden im Alltag aufgebaut. Sie
sind Stützpfeiler in den Familien und Gemeinden und
daher für die Schaffung von nachhaltigem Frieden im
Land unverzichtbar. Trotzdem erleben viele von ihnen bis
heute vielfach Gewalt, in den Familien, aber auch auf den
Straßen. Zum einen werden deshalb im Projekt Mädchen
und jungen Frauen die vielen Formen von Gewalt und
deren Auswirkungen auf die soziokulturellen
Beziehungen bewusst gemacht. Zum anderen werden sie
über ihre Frauenrechte aufgeklärt. Sie lernen, wie sie
ihren Körper schützen können, und werden so in ihrem
Selbstwert gestärkt. In Reflexionsrunden werde
außerdem über Liebe, Intimität und eigene Lebenspläne gesprochen sowie mit kreativen Ausdrucksmitteln
wie Tanz und Theater versteckte tägliche Gewalt sichtbar gemacht.
3.4. Indien: Kampf gegen Mädchenhandel Die Region im westbengalischen North-24-Parganas, bestehend aus vorwiegend muslimischen Gemeinden,
gilt als Quellgebiet für die Rekrutierung von Kinderbräuten, weil es in Bundesstaaten wie Haryana wegen
gezielter Tötung weiblicher Föten und Säuglinge kaum mehr junge Frauen gibt. „Auch deshalb sind hier in
500 Dörfern über 3.300 Mädchen und junge Frauen gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden. Weitere
Gründe sind Armut, mangelndes Wissen und wirtschaftliche Abhängigkeit. Nur mit Bildung und
Selbstbestimmung schaffen wir eine gewaltfreie, gerechte und sichere Umwelt für die nächsten
Generationen“, so Sarkar, Mutter von zwei Töchtern.
Dank der engen Kooperation mit Regierungsstellen und der Polizei konnte durch eine Partnerorganisation des
Familienfasttages eine Kinder- und Frauenhelpline eingerichtet und allein 2015 über 450 Fälle von
Mädchenhandel erfasst werden. Insgesamt wurden 2.000 Fälle dokumentiert, 35 Kinderehen verhindert sowie
150 Kinder und 100 junge Frauen mit ihren Familien wiedervereint. – Eine Leistung, denn für gewöhnlich
werden Opfer als „unrein“ betrachtet. Rechtsberatungen und Konfliktlösungsprogramme helfen den Opfern.
Derzeit ist die Hilfsorganisation damit befasst, 200 Menschenhändler vor Gericht zu bringen. „Doch solange
Männer die Gesellschaft dominieren, Frauen keine ökonomische Selbstständigkeit erlangen und sich ihre
Rechte nicht bewusst machen, wird sich nachhaltig nichts ändern“, so Sarkar, eine Mitarbeiterin der
Hilfsorganisation. Prävention und Sensibilisierung gehören zu Kernaufgaben der Frauenhilfsstelle. Um den
Bildungsstand der Jugendlichen anzuheben, werden Schulabbrecherinnen beim Wiedereinstieg begleitet und
in Informatik- und Führungstrainings sowie dem 2016 gebauten Schneidereizentrum ausgebildet. Zudem hat
Sarkar neben zehn fixen Mitarbeiterinnen junge Freiwillige rekrutiert. Sie klären als Peergruppen-
Sprecherinnen an Schulen und Colleges andere Kinder und Teenager auf.
Manika Sarkar erzählt auch ihre eigene Geschichte, die sie in ihrem Dorf Sayestanagar erlebte: „Mein Vater
wurde von seinen Brüdern ermordet, als ich ein Baby war. Meine Mutter Amita kümmerte sich allein um uns vier
Kinder. Wir lebten in Armut, von Landwirtschaft und Viehzucht. In der siebenten Klasse brachte mich mein
älterer Bruder in den Mathematikunterricht zu einem Lehrer, der sein Freund war. Er kam aus Bangladesch,
war 22 Jahre alt und hatte eine Affäre mit meiner Freundin. Trotzdem tat er so, als sei er mein Liebhaber und
verbreitete Gerüchte über uns. Eines Tages standen seine Eltern und er mit einem Heiratsantrag vor mir. Sie
beharrten so lange darauf, bis Mutter zustimmte. Sie hatte Angst, dass ich sonst nach Bangladesch gebracht
werde. Mit 12 Jahren, es geschah nach Schulschluss und der Zeugnisverteilung, wurde ich mit ihm Die
Mädchen ringsum schlucken. Es ist ganz still, als Sarkar fortsetzt: „Mein Mann missbrauchte mich geistig,
körperlich und emotional. Er verbot mir, die Schule zu besuchen und wurde noch brutaler, als ich hinter sein
fortbestehendes Verhältnis mit meiner Freundin kam und zwei Töchter zur Welt brachte. Auch seine Mutter
schlug mich grün und blau. Und meine eigene Mutter riet mir, die Folter zu ertragen, auch dann, als ich
versuchte, mich umzubringen. Sie wollte uns nicht bei sich aufnehmen, aus Angst, noch ärmer zu werden.“
Erst als sie 2003 eine Selbsthilfegruppe besucht habe, die Frauen durch
Mikrokreditprogramme unterstützte, und Sumata allen von ihrem gewalttätigen
Vater erzählte, habe sie die Kraft gehabt zu gehen, sagt Manika Sarkar. Ihr Mann
sei daraufhin untergetaucht. Als er nach drei Jahren immer noch verschollen war,
habe sie die Scheidung eingereicht und sich nach elf qualvollen Jahren endlich auf
eigene Beine gestellt, auch dank der Hilfe des Familienfasttages.