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MAGAZIN FÜR HOLZBLÄSER Eine Vierteljahresschrift · Einzelheft t 7,-- / Ausland t8,-- Heft 3/2004

8,-- MAGAZIN FÜR HOLZBLÄSER 7,-- / Ausland · 2019. 12. 19. · TIBIA 3/2004 161 TIBIA · Magazin für Holzbläser 29. Jahrgang · Heft 3/2004 Inhalt Elke Gallenmüller: Der Ton

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    land

    t8,

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    Heft 3/2004

  • ZEITSCHRIFT FÜR SPIELMUSIK

    MUSIKINSTRUMENTE + VERLAGPostfach 31 31, D-29 231 Celle · Tel.: 0 5141 /88 53 0 · Fax: 0 5141 /88 53 42

    Matthias Maute (*1963)Indian Summer (2002)für Blockflötenensemble (S A T B)ZfS 779/780 · ISMN M-2006-0779-6

    César Franck (1822-1890)Vier Versettenfür drei Blockflöten (A T B)eingerichtet von Christa RoelckeZfS 781 · ISMN M-2006-0781-9

    BezugsbedingungenAlle im Gesamtverzeichnis unseres Ver-lages genannten Hefte sind durch den Musikalienhandel lieferbar. Der jeweilsaktuelle Jahrgang der ZeitscHrift fürspielMusik ist auch direkt vom Verlag imAbonnement erhältlich, was einenerheblichen preisvorteil bietet. Die Aus-lieferung des Abonnements erfolgt im februar (3 Nummern), Juni (3 Num-mern) und Oktober (6 Nummern). DasAbonnement kann jederzeit für das laufende Jahr aufgenommen werden, die bereits erschie nenen Hefte des aktuellen Jahrgangs werden nachge-liefert.Die aktuellen preise:Jahresabonnement für 12 Nummern– in Deutschland (zzgl. porto) € 21,50– im Ausland (zzgl. porto) € 23,75

  • TIBIA 3/2004 161

    TIBIA · Magazin für Holzbläser 29. Jahrgang · Heft 3/2004

    Inhalt

    Elke Gallenmüller: Der Ton macht die Musik.Tonbildung im Querflötenunterricht. Ein Werkstattbericht 163

    Das Porträt: Anthony Rowland-JonesSue Groskreutz im Gespräch mit einer Blockflötenikone, Teil II 171

    Sylvia Führer: Blockflötenunterricht mit Kindergruppen.Haltung – ein grundlegendes Thema 179

    Gregory Young: Auswendigspielen – Unterrichtsvorschlägeeines Klarinettisten 184

    Adrian Brown: Eine Blockflöte von Richard Haka,gefunden im Jahre 2003 in Amsterdam 187

    Summaries 191

    Berichte

    Matthias Maute: Das Manhattan Recorder Orchestra.Hintergründe eines Blockflötenorchesters 192

    Andrea Beeken: Freiwillige Sozialarbeit mit der Blockflöte 196

    Alexa Eicken: Blockflötentage im Ibach-Haus.Workshops, Vorträge, Blockflötenreparaturen undKonzert im Ibach-Haus 199

    Christian Schneider: Nachruf auf Jiři Tancibudek 201

    Frisch aus der Quelle

    Goethe und die Blockflöte – und ein Löwe 202

    Rezensionen

    Bücher 203

    Noten 206

    TIBIA-Hörtipp 218

    Tonträger und AV-Medien 220

    ERTA Aktuelle Verbandsnachrichten der European Recorder Teachers Association 226

    Neues aus der Holzbläserwelt 229

    Veranstaltungen 237

    Impressum 240

    TIBIA-Kunstbeilage: Carl Spitzweg (München 1808-85),DAS FLÖTENKONZERT (Siesta – mit Flöte spielendem Mann), um 1855, Öl auf Leinwand,38,2 x 31,3 cm, Bonn, Villa Hammerschmidt (Bundespräsidentenpalais)

    Diese Ausgabe enthält folgende Beilagen: Schott Musik International GmbH & Co. KG, MainzP. J. Tonger Musikverlag, Köln

  • 162 TIBIA 3/2004

    (Renaissance-)Blockflötenquartett

    Edition Moeck Nr. 1601

    F R A NK ZABEL

    AIRBORNE FRACTALS

    AIrBorne FrAcTAl ist einK ompositionsauftrag desW DR zum Westfälischen M u-sikfest 2001

    Uraufführung durch

    E dition M oeck Nr. 1601 · I SM N 2006-1601-9 · € 14,50Neu

    ersc

    hein

    ung

    bei

    MUS

    IKINST

    RUMEN

    TE +VE

    RLAG

    Flautando Köln im Rahmen des M usikfestes am 27. M ai 2001 imKulturhaus L üden scheid

  • TIBIA 3/2004 163

    Es gibt wohl kein Instrument, bei dem derSchönheit des Tones eine so große Bedeutung bei-gemessen wird, wie die Flöte. Allerdings ist esrecht schwierig, schlüssig zu definieren, was alsein schöner Ton bezeichnet werden kann. Leich-ter ist es, die Fehler zu benennen, die man ver-meiden sollte.1 Aber wie soll er nun eigentlichsein, der schöne Ton? Es gibt bekanntlich vieleParallelen zwischen dem Gesang und dem Spielauf einem Blasinstrument. Als Flötist oder über-haupt als Bläser kann man sich gerade im klang-lichen Bereich immer wieder wertvolle Anre-gungen aus dem Gesangsbereich holen. Diefolgende Definition stammt von der Sängerinund Gesangspädagogin Uta Feuerstein: Sie be-schreibt sehr treffend, worauf es beim schönenTon ankommt: Ein „schöner“ Ton ist ein Klang,der sowohl den Ohren gut tut, tragfähig ist,schwellfähig als auch anstrengungslos produziertwerden kann.2

    Für den Flötenklang ist noch die relative Ne-bengeräuschfreiheit wichtig. Das berühmte Rau-schen, auf das weiter unten ausführlicher einge-gangen wird, ist ein klanglicher Makel, der selbstvon Nicht-Musikern sofort registriert und be-mängelt wird. Es soll also ein klarer, sauberer,runder, großer und tragfähiger Klang sein. Wirdder Tasteninstrumentspieler ausschließlich an seiner Fingertechnik und Interpretationskunstgemessen, so rangieren beim Gros der Zuhörer eines Flötisten Makellosigkeit, Timbre und klang -licher Reiz seines Tonesan erster Stelle.3

    Ton oder Klang?

    Für den Physiker ist einTon bereits ein Klang,bestehend aus Grund-ton und Obertönen.Wir produzieren alsokeine Töne, sondernKlänge. Obwohl wir

    beim Blasen das Gefühl haben, dass wir die Luftins Instrument hinein- oder durch das Rohr hin-durch blasen, ist der Klang als solcher eine ste-hende Welle. Die Laienmeinung, dass der Luft-strom „durch das Rohr“ geblasen wird, ist falsch.Vielmehr schwingt die Luftsäule am Ort, auchhier wieder vergleichbar der Saite . Der Blas-strom dient, wie der Geigenbogen, zur Anregungder Schwingung, wogegen als eigentlicher Ton-träger und -strahler die stehende, schwingendeLuftsäule zu betrachten ist.4 Das Wort „Klang“assoziiert Räumlichkeit und Schwingungsfähig-keit. Ein Ton schwingt frei, wenn man ihn nichtdaran hindert. Im Idealfall ist das, was man gibt(Luft), und das, was man bekommt (Klang), aus-geglichen. Die Sängerstimme und der Flötentonsind schön, wenn sie im Hörer das Gefühl erwe-cken, dass sie natürlich geführt sind und dassKraftaufwand und Klangvolumen in einem ide-alen Verhältnis zueinander stehen.5

    Wie findet man ihn nun, den schönen Ton?Wichtiger als das Finden ist zunächst einmal dasSuchen. Es gibt jedoch auf der spannenden Ent -deckungsreise nach dem idealen Klang vieleZwischenziele und Aha-Erlebnisse. Ich möchtehier auf einige Aspekte der Tonbildung nähereingehen und die häufigsten Probleme, die imZusammenhang mit der Arbeit am Ton im In-strumentalunterricht auftauchen, ansprechen.Einen schönen Ton kann man nur dann produ-zieren, wenn man eine Vorstellung vom Klang

    hat. Ohne diese Vorstel-lung (z. B. innerlichesVoraushören) ist dasTonergebnis wie einGlücksspiel. Je präziserdie Vorstellung destobesser ist das klanglicheErgebnis.

    Der Suchende muss alsozunächst einmal eineVor stellung von (s)einemIdealklang haben, bevor

    elke GallenmüllerDer Ton macht die MusikTonbildung im Querflötenunterricht. ein Werkstattbericht

    Elke Gallenmüller, Jahrgang1969, ist Diplom-Flötis tin, Diplom-Musiklehrerin undAtempädagogin nach Dr. Parow. Sie unterrichtet alsQuerflötenlehrerin an einemmusischen Gymnasium inBayern und ist als Lehrbeauf-tragte für Holzbläsermetho-dik an der Hochschule fürMusik in Münster tätig. In

    TIBIA hat Elke Gallenmüller bereits den Aufsatz DieAtemstütze bei Bläsern veröffentlicht (TIBIA 4/2002).

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    er an der Tonqualität arbeiten kann. Auf gabe desLehrers ist es, dem Schüler zu helfen, eine Ton-vorstellung, ein Klangziel zu entwickeln, z. B. mitklanglichen Orientierungshilfen (Vorstellungshil-fen), Klang beispielen und Klangvorbildern.

    Hat der Schüler noch nie bewusst einen schönenFlötenton gehört, fehlt also das Klangvorbild, istes hilfreich, dem Schüler z. B. durch eigenes Vor-spielen und verschiedene CD-Aufnahmen einenHöreindruck zu verschaffen, besonders dann,wenn er kein fleißiger Flötenkonzertbesucherist. Beim Vorspielen muss man darauf achten,das man das, was man damit demonstrieren will,stark übertreibt. Feine Abstufungen der Ton-qualität können Anfänger und Schüler mit Ton-problemen nur schwer heraushören.

    Spannender wird es bei den Vorstellungshilfen.Wenn Tonübungen nicht fruchten, stellt sich dieFrage, ob der Schüler keine Tonvorstellung/Hörwahrnehmung hat oder ob ihm lediglich dieMittel fehlen, diese umzusetzen. Meist ist es eineMischung aus beidem mit einem Problem-schwerpunkt in die eine oder andere Richtung.Grundsätzlich gilt: Was der Schüler nicht selberhört, kann er nicht verändern. Fehlt dem Schülerdie Hörwahrnehmung, -empfindung speziell fürden Flötenton und damit auch das klanglicheZiel, kann er die Klangqualität nicht beeinflussen.Den Sinn von Tonübungen kann er dann nichtwirklich nachvollziehen. Wenn der Schüler zwar„gehorcht“ aber nicht hört, verbessert sich derTon, wenn überhaupt, nur kurzfristig. Das sub-jektive Klangerlebnis des Schülers spielt somiteine große Rolle, wenn Fortschritte im tonlichenBereich erzielt werden sollen. Der Phantasie unddem Ideenreichtum des Lehrers sind keine Gren-zen gesetzt, wenn es darum geht, dem Schülerpositive Klanger lebnisse zu verschaffen. Im Ide-alfall sollte sich der Schüler irgendwann von denVorstellungen des Lehrers lösen und klanglichund natürlich auch musikalisch selbständig wer-den. Wenn jemand seinen schlechten Ton zwarregistriert, aber sozusagen körperlich nicht in derLage ist, daran etwas zu verändern, hapert es ander Umsetzung. Diese Schüler hören und wollen,können aber nicht. In diesem Fall muss verstärktam Zusammenspiel Atmung, Ansatz, also an derKörperwahr nehmung (Lippen, Gesichtsmusku-latur, Hals, Atemapparat) gearbeitet werden,

    während im oben beschriebenen Fall Hörwahr-nehmung und Klangempfindung im Vorder-grund stehen. Schulung des Hörens einerseitsund Körperbewusstsein andererseits lassen sichin der Praxis natürlich nicht voneinander tren-nen. Zum Beispiel führt eine fundierte Atemar-beit nicht selten dazu, dass das Ohr des Schüler„wachgerüttelt“ wird. Die Entdeckung, dass dieQualität des Klanges etwas mit dem ganzen Kör-per zu tun hat, entlockt Töne, die die Erwartun-gen und Vorstellungen des Schülers (und desLehrers) weit übertreffen und den tonlichenRahmen deutlich sprengen können. Andererseitskann bewusstes Hinhören die körperliche Um-setzung erleichtern.

    Es gibt noch die Variante, dass ein Schüler zwargut hört, sich aber den Luxus nicht leisten kann,auf die Tonqualität zu achten, weil er sich um an-dere existentielle Flötensorgen kümmern muss:Ein Rhythmus- oder Fingerproblem kann denSchüler so sehr beschäftigen, dass er seinen Fo-kus nicht auch noch auf den Ton richten kann. Indiesem Fall müssen zuerst diese Probleme ausdem Weg geräumt werden.

    Die Fähigkeit, auf mehrere Dinge gleichzeitig zuachten, ist nicht selbstverständlich, sondern eherein Merkmal begabter Schüler. Die Übertragungdes mit Hilfe von speziellen Tonübungen erwor-benen Klanges auf ein Stück ist jedoch auch fürbegabte Schüler häufig ein Problem. Deshalbsollten sich Tonübungen nicht nur auf das „Aus-halten“ von Tönen beschränken, sondern mitPhrasenbildung kombiniert werden. Man kanneinzelne Phrasen aus einfachen Volksliedern (z. B. die erste Phrase aus „Der Mond ist aufge-gangen“) verwenden und in mehreren oder sogarsämtlichen Tonarten spielen. Geeignete Passagenoder auch nur einzelne Intervalle aus dem Stück,das gerade erarbeitet wird, können als Tonübungdienen. Für fortgeschrittene Schüler eignen sichGesangsvokalisen6, Kunstlieder, lyrische Arienund natürlich die berühmten Tonübungen undmelodischen Etüden von Marcel Moyse.

    Die Sinnlichkeit des Klanges

    Obwohl bei der Tonproduktion das Ohr dieoberste Instanz ist, kann man den Klang auch

    elke Gallenmüller

  • TIBIA 3/2004 165

    fühlen (z. B. durch Vibration), „sehen“ (Bild -haftigkeit des Klanges) und sogar „schmecken“.Gisela Rohmert, die Begründerin des Funktio-nalen Stimmtrainings, sprach in einer Fortbil-dung, die die Autorin besuchte, in diesem Zu-sammenhang vom sog. Empfindungshören. EinTon kann schillern, schimmern, glitzern, leuch-ten, glänzen, strahlen. Er kann hart, weich, rauh,seidig, geschmeidig, stumpf, scharf, süß oderzart sein. Beim Vermitteln der Tonvorstellungkann man gut mit Bildern und haptischen (denTastsinn betreffenden) Vergleichen arbeiten.Vorstellungshilfen müssen natürlich nichtzwangsläufig nur aus dem musikalischen Be-reich stammen. Es können alle möglichen Le-bensbereiche und Alltagsgeschehnisse in dieVorstellungswelt einfließen. Nach dem Motto„Was hilft, ist richtig“ sind es gerade die absur-den Dinge, die in unserem Gehirn haften bleibenund den berühmten Groschen zum Fallen brin-gen.

    Das Reich der Töne

    Jeder Ton hat sowohl einen hellen „i“-Anteil(Obertönigkeit) als auch einen dunklen „u“-An-teil (Grundtönigkeit). Wenn man z. B. eineKlangschale mit dem Klöppel anschlägt, hörtman einerseits einen dunklen, gongartigen Klangund andererseits einen silbrig hellen Klanganteil.Das gilt für hohe und tiefe Töne gleichermaßen.Ein tiefer Ton hat helle, ein hoher Ton hat dun-kle Anteile. Im Idealfall verschmelzen die beidenAnteile zu einer klanglichen Einheit. Der helleund dunkle Anteil mischen sich und müssen ge-gebenenfalls klanglich ausbalanciert werden.Wenn man die Aufmerksamkeit beim Hören aufdie klanglichen Anteile des Tones lenkt, werdenNebenluftgeräusche reduziert bzw. in Klangumgewandelt. Gisela Rohmert (s.o.) sagt, dassein Ne ben geräusch nicht eliminiert, sondern in-tegriert werden müsse.

    Die Tatsache, dass sich in jedem Ton Klangan-teile befinden, die an Vokale erinnern, kann mansich für die Tonarbeit zunutze machen. Die Vor-stellung, im Mundraum Vokale zu formen, trägtdazu bei, das Ohr für die klanglichen Anteile desFlötentones zu sensibilisieren. Vokalvorstellun-gen „säubern“ die Töne und öffnen die Reso-

    nanzräume. Im c2 z. B. steckt der Vokal „a“, d2

    und d3 enthalten „i“- und „e“-Anteile, e2 und e3

    klingen nach „u“ oder „ü“, das es2 hat einendeutlichen „e“-Klang, das cis2 einen „ä“-Klang,einige Töne klingen nach einer Mischung aus„o“ und „a“ (z. B. b2) usw.

    Ich möchte nun auf zwei spezielle Probleme, diebei der Klangbildung entstehen können, nähereingehen und verschiedene Lösungsmöglichkei-ten aufzeigen. Zuerst möchte ich mich mit demsog. Rauschen beschäftigen. Das „Rauschen“ istein flötenspezifisches Negativum; bei anderenBlasinstrumenten spielt es praktisch keine Rolle.Der Grund, dass es gerade bei der Querflöte vor-kommt, ist darin zu suchen, dass der freie Raumzwischen Lippenspalt und Mundlochkante demBlasstrahl mehr Abweichungsmöglichkeiten bie-tet als der am festen Material sich stützende An-satz der übrigen Bläser. Nebengeräusche entste-hen nicht nur an der Mundlochkante, sondernteilweise bereits am Lippenausgang.7 Das Rau-schen hat also zunächst einmal etwas mit demAnsatz bzw. mit dem Ansetzen der Flöte an dieLippen zu tun. Es gibt eine Reihe von Möglich-keiten, die Lippen, die Mundlochplatte und da-mit auch die Mundlochkante in ein optimalesVerhältnis zu bringen, so dass der Luftstrahlrichtig auftrifft und ein sauberer Ton entsteht.Werner Richter beschreibt die sog. Anlege- Dimensionen und deren Auswirkungen auf denTon ausführlich in seinem Buch Bewusste Flö-tentechnik.

    Ein rauschiger, luftiger Ton hat jedoch auch Ur-sachen, die mit der Bildung des Blasstrahls zutun haben: Es kann kein fokussierter Blasstrahlgebildet werden, wenn der Spieler mit zu vielLuftmenge und zu wenig Luftdruck bläst. Ergibt dann mehr, als er bekommt, und je wenigerKlang zurückkommt, desto mehr Luft gibt er.Die Lippendüse ist zu weit und/oder die Stütz-kraft zu schwach. Beide sind nicht ausgewogen.Deshalb ist es wichtig, den Schüler zu einer öko-nomischen Kraftverteilung zu führen. Dabei istes hilfreich, mit der gegenteiligen Vorstellung,nämlich den Ton quasi einzusaugen, zu arbeiten.Es müssen Soggefühle und „zusammenziehen-de“ Vergleiche gefunden werden, um den Blas-strahl zu fokussieren und damit den Klang zuverschmälern (Klangkonzentration). Als vorbe-

    Der Ton macht die Musik

  • reitende Übung kann man einen beliebigen Tonpfeifen und zwar auf die Einatmung. DieserPfeifton während des Einatmens lenkt den Fo-kus vom Luft-Geben auf das Klang-Bekommen.Man spürt auch die schmale Luftspur in der Mit-te des Gaumens. Saugen statt blasen ist das Mit-tel der Wahl für den Luftverschwender. GuteSänger, bei denen Geben und Bekommen ausge-glichen sind, „atmen ihre Töne ein“. Es gehtletztlich darum, die Luft „im Mund“ zu lassen,den Klang „einzustülpen“, im Körperinneren zuintensivieren, und nicht darum, große Luftmen-gen mit viel körperlichem Aufwand irgendwo-hin zu blasen. Dieses Nach-innen-Ziehen desTones erinnert den Schüler daran, dass man beimSpielen nicht nur aktiv bläst, sondern auch pas-siv „berieselt“ wird. Beim Spielen kann man sichvorstellen, dass der Luftstrahl an der gegenüber-liegenden Mundlochkante auftrifft und sofortals Klang zurückreflektiert wird oder dass mandie Luft gegen die Innenseite des Gesichtesspielt. Dieses Blasen gegen eine Begrenzungbündelt die Luft und erzeugt ein Widerstands-gefühl. Die Luft verpufft nicht, sondern wird ineinen kernigen Klang umgewandelt. Im Unter-schied zu anderen Blasinstrumenten haben wirQuerflötisten nämlich kein Mundstück imMund oder direkt auf den Lippen. Uns fehlt derautomatische Gegenpart zur Stütze. Wir müssenden Lippenwiderstand selber bilden und demBlasdruck anpassen. Das Spielen von Flageolett-Tönen ist z. B. eine gute Methode, dieses Wider-standsgefühl zu erspüren. Um den gewünschtenOberton klar zu erreichen, braucht man ein gutausbalanciertes Verhältnis zwischen Stütze undAnsatz, sonst kommt der Oberton entweder garnicht oder er klingt gepresst und „schmutzig“.Ein schön gespielter Oberton fühlt sich kom-pakt an und klingt etwas hohl und glasig.

    Es gibt noch weitere Möglichkeiten, den Klangzu verschmälern: Zum Beispiel kann man dasOhr des Schülers auf den hellen, scharfen, me-tallischen (stählernen) Anteil des Tones lenken.Der Luftstrahl ist fein, dünn, kristallklar, viel-leicht sogar kalt oder gar eisig. Der Ton„schmeckt“ sauer oder salzig. Das Spiel auf derPiccolo-Flöte ist ebenfalls eine gute therapeuti-sche Maßnahme für fortgeschrittene Flötisten.Da man den Luftstrahl nicht sieht, sondern nurseine klanglichen Auswirkungen hört, ist es un-

    ter Umständen hilfreich, sich den Luftstrahl alsgebündelten Lichtstrahl vorzustellen, der sichdurch die Mitte des Tones bohrt. Theoretischkann man die „Überschwemmung“ des Tonesmit Luft anhand des Blume-Gießens erläutern:Eine einzige Blume (ein Ton) benötigt einen ge-zielten, gebündelten Wasserstrahl aus einemkleinen Gießkännchen. Man würde nicht auf dieIdee kommen, über das arme Blümchen einen Eimer voll Wasser zu schütten.

    Schüler, deren Ton zu wenig Biss hat, habenmeist zu wenig Gesamtkörperspannung, zu we-nig körperliche Stabilität. Ihnen fehlt die Kraftaus der Mitte. Oft handelt es sich um hypermo-bile Menschen, die, auch wenn sie sich beimSpielen anstrengen, immer ein wenig lasch undunterspannt aussehen. Das unausgeglicheneKräfteverhältnis führt dann beispielsweise ebendazu, dass der Schüler nicht den Luftdruck er-höht, sondern die Luftmenge, obwohl er eigent-lich den Luftdruck meint. Dafür macht sich dieerhöhte Spannung möglicherweise an einer an-deren Stelle bemerkbar, z. B. durch festeres Drü-cken mit den Fingern auf die Klappen oder Ver-spannungen im oberen Rumpfbereich.

    Das Gegenteil ist der zu feste, harte, enge Klang,der natürlich auch mit Nebengeräuschen ein-hergeht. In diesem Fall ist die Lippendüse zueng. Der Spieler arbeitet mit Lippendruck stattmit der Stütze. Die Lippen bilden in diesem Fallnicht den Gegendruck zur Stütze, sie führen einEigen(druck)leben auf Kosten der Tonqualität.Dahinter steckt meist die Angst, den Ton nichtzu erwischen. Diese Schüler gehen auf Nummersicher. Es ist ihnen lieber, den Ton irgendwie zuerreichen als gar nicht. Der Luftverschwender(s.o.) arbeitet nach dem Schrotflintenprinzip (ir-gendeine Kugel wird schon treffen) mit zu vielLuftmenge, während dieser Typ die Luft mitden Lippen festhält und nicht loslässt. DieseSchüler gehen irrtümlich (oft unbewusst) davonaus, dass die Töne mit dem Ansatz produziertwerden. Sie werden jedoch mit der Luft erzeugtund nur durch den Ansatz geformt. Der Ansatzist der Diener der Stütze. Die absturzgefähr-dete Mittellage ist besonders prädestiniert fürsolche gequetschten Töne, die überwiegend mitdem Ansatz erzeugt werden. Doch dazu spätermehr.

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    elke Gallenmüller

  • Oft liegt das Problem nicht allein am Ansatz:Der gesamte Phonationsbereich (Zunge, Kehl-kopf) fungiert quasi als Ersatzstütze. Die Luftfließt nicht. Der Ton ist eng und klein und kannsich nicht entfalten. In diesem Fall muss an derDurchlässigkeit gearbeitet werden. Es müssen„aufweichende“ Vergleiche gefunden werden,die zu einer Verbreiterung des Klanges führen.Der Spieler muss sich getrauen, die Luft loszu-lassen. Zum Beispiel kann er absichtlich einenrauschigen, porösen, wattigen, luftigen Ton spie-len. Der Ton „kommt zu den Ohren raus“ oder„geht durch die Augen“. Der dunkle, weicheAnteil des Tones muss hörend erfasst werden.Der Luftstrahl ist warm, der Ton schmeckt süß.Möglicherweise wird der Ton erst mal zu weich,zu luftig bevor er sich in die richtige Spannungeinpendelt. Ergänzend dazu kann es hilfreichsein, dem Schüler einen Klang bildlich zu zeigen,damit er sieht, dass der Klang ein vielschichtigesGebilde ist, das aus mehreren Teiltönen besteht.Da man für das Spiel auf der Alt- oder Bassflötemehr Luftmenge braucht, eignen sich diese In-strumente sehr für diesen Tonproblemtyp.

    Wenn der Hals „eng“ ist, kann mit der Vorstel-lung des Hauchens (während des Blasens) gear-beitet werden. Dadurch wird der Blasstrahl wei-cher und voluminöser. Singen und gleichzeitigSpielen ist ebenfalls hilfreich, und zwar aus fol-gendem Grund: Durch die Stimmgebung wäh-rend des Blasens wird ein Engegefühl im Halsprovoziert und damit bewusst gemacht. Das,was man vermeiden möchte, wird zunächst ab-sichtlich erzeugt. Wenn man spürt, wie man einZuviel an Spannung im Halsbereich aufbaut,kann man diese leichter weglassen. Entspannenheißt zu wissen, wo die Verspannung liegt. DasWeglassen der Singstimme wird als Erleichte-rung empfunden und macht den Hals auf. Ähn-liches gilt für Verspannungen im Kieferbereich.Erst wenn man spürt, wie sich die Muskulatur indiesem Bereich während des Blasens kontra-hiert, kann man den Spannungsaufbau unterbin-den. Um den Flötenansatz zu formen, ist es nichtnotwendig den Unterkiefer zu verkrampfen. DieLippen sind zwar parallel, aber die Backenzäh-ne dürfen dabei nicht zubeißen. Das Loslassendes Unterkiefers darf jedoch wiederum nicht da-zu führen, dass dieser nach unten gezogen wird.Im ersten Fall ist die Luft zu schnell und der

    Raum im Rachen zu eng. Im zweiten Fall verliertman die Stabilität am Ansatz. Die Lippen sinddann nicht mehr parallel, die Kontrolle über dieLuftführung geht verloren.

    Wenn der Ton aufgrund von Fehlspannungen imAnsatz-, Gesichts- und Halsbereich zu eng ist,kommt man nicht umhin, am sog. Spannungs-ausgleich zu arbeiten. Fehlende Stützspannungim Unterkörper, ein weit verbreitetes Phänomengerade bei Schülern, führt zu Ausgleichsaktivi-täten im Oberkörper und damit zu klanglich un-befriedigenden Ergebnissen. Die Ausbildungder Atem- und Stützkräfte schafft Sicherheit undVertrauen in die eigene Tonproduktion. Da-durch fällt es dem Schüler verständlicherweiseleichter, den Ton loszulassen, so dass er schwin-gen kann. Er braucht ihn nicht mehr verkrampftmit den Lippen festzuhalten.

    Auf die speziellen Schwierigkeiten in der Tiefeund Höhe möchte ich nur kurz eingehen, da die-se Themen in der Literatur ausreichend behan-delt werden. Die tiefe Lage erfordert sehr vielGeduld. Eine schlechte Tiefe klingt flach undhauchig. Das Ziel ist eine stabile, kräftige, ober-tonreiche Tiefe. Prinzipiell geht es darum, dieObergrenze herauszufinden. Wie hoch darf dieLuftgeschwindigkeit sein, ohne dass der Ton indie Mittellage umkippt? Die Gefahr, den Ton ir-gendwohin zu drücken, ist im unteren Registerbesonders hoch. Man muss den Ton einerseits„fallenlassen“ und andererseits zum Leuchtenbringen. Der Lockerheit des Mundbodenskommt im Zusammenhang mit der Tiefe einegroße Bedeutung zu. Die Töne liegen in der„Mundbodenhängematte“. Das Erforschen derSinnlichkeit der tiefen Lage erleichtert die Um-setzung. Diese Töne schnurren, brummeln,dröhnen und kribbeln. Der Vergleich mit denKlangfarben anderer Instrumente ist nahelie-gend: ein samtiger Klarinettenton, ein weicherTuba- oder Posaunenton, ein sonores Tenor -saxophon oder die Klangpalette der tiefenStreichinstrumente können als Vorbild dienen.

    Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit derHöhe lautet: Wie erhöht man den Blasdruck, ohne sich insgesamt zu verkrampfen? Die hoheLage wird von den meisten Schülern bzgl. ihrerSchwierigkeit überschätzt. Der notwendige hö -

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    Der Ton macht die Musik

  • here Blasdruck darf nicht zu einem Anwachsender gesamten Körperspannung führen!8 Das istleichter gesagt als getan, da viele Schüler denken:hoch = schwer. Es ist wichtig, im Unterricht dar-auf hinzuweisen, dass die ersten Töne der hohenLage (d3, e3, und es3) im Vergleich zur hohen Mit-tellage leicht ansprechen.

    Wenn die Höhe Schwierigkeiten macht, ist meistauch die Tiefe nicht ausgereift. Eine substanz-und kernlose Tiefe wirkt sich negativ auf die ho-he Lage aus. Da die dunklen, tiefen Tonanteileden Boden der Höhe bilden, ist das Heraushö-ren dieser „u“-Klänge eine wichtige Kompo-nente bei der Arbeit in der hohen Lage. Diesergeräuschhafte Schatten (Grundtönigkeit) beglei-tet jeden hohen Ton. Er macht den Ton weichund tragfähig. Jeder hohe Ton hat jedoch aucheinen feinen, klaren, pfeifigen „i“-Klang.

    Um die Tonansprache in der dritten Oktave zuoptimieren, muss man die Untergrenze des je-weiligen hohen Tones ausloten. Durch Tönean-blasen ohne Zungenstoß findet man heraus, wieschnell die Luft mindestens sein muss undhöchs tens sein darf, damit der Ton (leicht) an-spricht. Dieses Feingefühl für den Blasstromund das damit verbundene Körpergefühl gibt Sicherheit und muss Schritt für Schritt erarbeitetwerden. Außerdem wird dadurch die Zunge ent-lastet und deren Bedeutung relativiert. Anfangsist es besser , laute, grobkörnige, rauschige Tönezu spielen, als enge, sterile, piepsige kleine Säu-seltönchen. Die Ansatzfixiertheit (Aufeinander-pressen der Lippen) vieler Schüler macht sichspätestens in der Höhe bemerkbar. Die Kraft fürdie Höhe kommt von unten und entsteht nichtdurch das Zusammenkneifen der Lippen. DieVerengung der Lippen sollte die Folge des er-höhten Blasdrucks sein, nicht die Ursache.

    Die Kunst des Überblasens oder das Sorgen -kind Mittellage

    Die überblasenen Kurzrohrtöne (g2 bis cis3) sindblastechnisch bzw. stütztechnisch am an-spruchsvollsten. Glatte, mühelose Oktav- oderandere Großintervallbindungen in dieser Lagesind für Anfänger und Schüler mit Ton- und At-mungsproblemen ausgesprochen schwierig. Der

    Übergang vom tiefen zum hohen Ton bei Ok-tavbindungen ist eine kritische, aber dennochwichtige Engstelle, durch die sich der Luftstrahlmit Hilfe der Atemstütze durchbohren muss.Das rauhe, kratzige, schnarrende Zwischenge-räusch, dass bei langsamen Bindungen entstehenkann, ist zunächst erwünscht! Dieses Geräuschist ein Zeichen für eine gesunde Bindung, weilmit dem Luftdruck, also letztlich mit der Stütz-kraft und nicht mit dem Lippendruck gearbeitetwird. Das heißt, die Initiative ging vom Atem-apparat aus und nicht von den Lippen (die Lip-pen folgen bzw. reagieren nur). Presst der Spie-ler die Lippen zusammen, um den hohen Ton zuerreichen, kommt dieser zwar, er klingt jedochzu eng und/oder zu hoch. Taucht das Kratzge-räusch auf, war lediglich der Blasdruck noch et-was zu schwach. Der Schüler bekommt durchden schnarrenden Übergangston ein (Körper)-Gefühl dafür, wo der untere Ton aufhört und derobere anfängt. Das ist zunächst wichtiger als dassofortige Erreichen des hohen Tones. Es ist (fürdie meisten) utopisch, den hohen Ton sofort(gut) zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, denSchüler von dem entsprechenden Ehrgeiz zu be-freien. Die Vorstellung, dass die Oktave ein klei-nes Intervall ist oder dass sich der obere Tonnicht über, sondern hinter dem unteren Ton be-findet, verringert die Angst vor dem Großinter-vall.

    Arbeitet der Schüler beim Übergang mit Luft-menge statt mit Luftdruck, kommt der hohe Tonentweder gar nicht, oder er ist viel zu luftig. Indiesem Fall muss an der Verschmälerung desKlanges (s.o.) auch schon beim unteren Ton ge-arbeitet werden.

    Das Abstürzen der Mittellagentöne ist anfangsnormal und immer noch besser als der krampf-hafte Versuch, um jeden Preis hochzukommen.Nur so kann der Schüler von seiner Angst (ho-her Ton = schwer und anstrengend) befreit wer-den. Wenn der Ton die richtige Spannung hat, ister nicht anstrengend. Das Arbeiten an der Ton-qualität ist auch das Suchen nach der optimalen(Körper-)Spannung, gekoppelt mit der Tonvor-stellung und der Hörerwartung. Aus dem Ge-sagten folgt, dass es ratsam ist, bei Anfängernnicht zu früh in die Mittellage zu gehen und re-lativ lange beim d2 zu verweilen.

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    elke Gallenmüller

  • Einige Gedanken zum sog. Aufmachen

    Ähnlich wie beim Gesang wird bei der Arbeit amTon mit der Querflöte in bezug auf die Tongrößeund Tragfähigkeit oft dazu geraten, „aufzuma-chen“. Der Hals soll weit sein, die Backenzähnesollen weit auseinander sein, Räumlichkeit imRachenbereich soll vorhanden sein. Das ist so-weit in Ordnung. Das Problem ist nur, dass dieAufforderung „hinten“ aufzumachen viel zu un-präzise ist. Viele Schüler drücken dann z. B. dieZunge viel zu stark Richtung Mundboden oderziehen dieselbe in den Hals zurück. Beides führtnämlich zu einem gewissen Raumgefühl in derMundhöhle, im ersten Fall besteht jedoch dieGefahr, dass zusätzlich noch der Unterkiefernach unten gezogen wird. Dadurch verliert dieLuft an Geschwindigkeit, weil dann der Lippen-spalt zu groß wird, außerdem wird der Lagen-wechsel erschwert. Wahr ist, dass die Zunge nachdem Anstoß unten liegt, sie wird aber nicht nachunten gedrückt! Zieht man die Zunge in denHals zurück, ist sie zwar aus dem Weg, der Halswird jedoch erst recht blockiert. Die Zunge mussalso irgendwie in diese Räumlichkeit integriertwerden. Gerade wenn die Zunge eben nichts tutund (relativ) entspannt liegen bleibt, entsteht einangenehmes Raumgefühl im Rachen. DerMund raum ist gar nicht so übermäßig groß, dieZunge liegt ja drin. Im Idealfall spürt man dieZunge nicht nach dem Anstoß. Sie geht aus demWeg, um die Luft vorbeizulassen, aber man musssie nicht irgendwohin drücken oder ziehen.

    Das Problem beim Aufmachen ist das Machenoder besser gesagt das Zuviel-machen. Wenn derSchüler „Aufmachen“ hört, tut er etwas. Unddieses Etwas kann ihm tonlich zum Verhängniswerden, weil es sich dabei meist um muskuläreVerkrampfungen im Zungen- Kiefer- und Hals-bereich handelt. Es ist eigentlich kein Auf-Ma-chen, es ist ein Nicht-Zumachen, ein Offenlas-sen. Das Raumgefühl im Rachen ist eher einpassiver Zustand, ein Nichtsmachen, und keineaktive Anstrengung. Es reicht vollkommen aus,die Räumlichkeiten nicht zu verschließen, ebenoffen zu lassen. Um dies zu erreichen , ist es er-forderlich, z. B. Verkrampfungen, die die Aus-breitung des Klanges blockieren oder verhin-dern, wegzulassen. Dieses Weglassen istnatürlich leichter gesagt als getan.

    Verkrampfungen im Gesicht- und Halsbereichtreten in der Regel als Kompensationsleistungfehlender Stützkraft auf. Meist sind es nur mini-male Störungen, die sich tonlich negativ auswir-ken. Die Zunge und sämtliche Atmungsorganearbeiten im Körperinneren. Sie sind nicht zu se-hen und gefühlsmäßig schwer zu erfassen. Einhoher Grad an Sensibilität und Körperwahrneh-mung ist erforderlich, um Störfaktoren zu be-merken und auszuschalten. Kompensationsleis-tungen finden häufig im oberen Bereich statt, so wird z. B. fehlender Luftdruck mit Lippen-und Zungenverkrampfungen ausgeglichen.Kann man den Ton nicht mittels der sog. Atem-stütze stabilisieren, findet beim Aufmachen alsolediglich eine Symptomverschiebung statt, d. h.dass sich z. B. die Zunge anders verspannt alsvorher, aber es wird immer noch fehlende Kör-perspannung im Unterkörper mit zuviel Span-nung im Oberkörper ausgeglichen. Wenn esnicht mehr nötig ist, diese subtilen Muskelver-spannungen im Hals-, Kiefer und Zungenbe-reich vorzunehmen, kann man nicht mehr vonAufmachen sprechen, es ist ein schlichtes Weg-lassen.

    Aus dem Geschilderten wird klar, dass die Ton-bildung eine komplexe, umfangreiche und diffi-zile Arbeit ist, die viel Feingefühl, Geduld undKönnen voraussetzt. Das Suchen des eigenenKlanges braucht Zeit, Reife und Ausdauer undist immer mit einer Sensibilisierung des Gehörsverbunden. Dramatische Tonverbesserungen in-nerhalb kurzer Zeit sind selten und meist nichtvon Dauer. Manchmal dauert es trotz aller Be-mühungen Jahre, bis sich ein echter Fortschrittim tonlichen Bereich bemerkbar macht.

    TIBIA 3/2004 169

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  • Schüler sind wahre Schatztruhen und Wunder-tüten, was die klangliche Entwicklung anbe-langt. Gerade durch die Analyse der Resulatetonlich weniger begabter Schüler, die eben nichtlehrbuchkonform reagieren, kann man als Leh-rer enorm profitieren und dadurch das eigenedidaktische Repertoire erweitern. Die Art derTonproduktion spiegelt nicht zuletzt einen Teilder jeweiligen Persönlichkeit wieder. Eine Ein-flussnahme von außen ist deshalb nur begrenztmöglich und bleibt wirkungslos, wenn der Schü-ler nicht genauso hört und empfindet wie derLehrer. Der individuelle Ton des Schülers musserkannt und gefördert werden. Auch noch sogut gemeinte Empfehlungen des Lehrers könnenfehlschlagen, wenn der Schüler nicht bereit da-für ist. Diese Erkenntnis sollte uns Lehrer de-mütig und verständnisvoll gegenüber denSchwächen und Schwierigkeiten der sogenann-ten Ton-Problemfälle machen. Abschließendsollen noch einmal Uta Feuerstein und WernerRichter zu Wort kommen: Die Stimme (der TonAnm. d. Verf.) zeigt zu jedem Zeitpunkt einenklanglichen Abdruck von uns selbst, einen Ab-druck unserer Atmung, von unserem Muskelto-nus, der eigenen psychovegetativen Befindlich-keit, unseren mentalen Konzepten.9 Der Ton istnicht Selbstzweck, sondern Transportmittel fürgeistige Inhalte. Der Ton muss des musikalischenInhaltes würdig sein.10

    ––––––––––––––ANMERKuNGEN1 Werner Richter: Bewusste Flötentechnik, Frankfurt1986, Zimmermann, S. 2142 Uta Feuerstein: Stimmig sein, Paderborn 2000, Junfer-mann, S. 193Werner Richter: a. a. O., S. 2144Werner Richter: a. a. O., S. 305Werner Richter: a. a. O., S. 2156 z. B. Philippe Bernold: La Technique d’Embouchure(Flötenvokalisen), La Stravaganza, 32, rue Traversière,75012 Paris, Tel.: +33 1 43458083 und Nicola Vaccai: Metodo Pratico di Canto Italiano, Edition Peters7Werner Richter: a. a. O., S. 1318 Werner Richter: Schule für die Querflöte, Mainz 1980,Schott, S. 689Uta Feuerstein: Stimmig sein, a. a. O., S. 910Werner Richter: Bewusste Flötentechnik, a. a. O., S. 214

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    170 TIBIA 3/2004

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  • TIBIA 3/2004 171

    Dies Interview ist eine redigierte und aktualisierte Fas-sung eines Gesprächs, das in vier Teilen (Januar, April, Juni und Dezember 2002) bereits in ARTAfacts, der Zeit-schrift der American Recorder Teachers’ Association,veröffentlicht wurde. Es wurde im Jahre 2001 per e-Mail,Brief und Fax geführt. Der erste Teil der deutschen Über-setzung wurde in Tibia 2/2004 abgedruckt. Dies ist dieFortsetzung:

    Sue Großkreutz: Manchmal schreiben Sie wun-derbar originell. Ich stieß auf den zweiten Ab-satz auf S. 53 in Playing Recorder Sonatas, wo esum den Affettuoso-Satz von Telemanns Sonatein d-Moll geht. Dort schreiben Sie: „In diesemSatz braucht es, von kadenzierenden Trillerneinmal abgesehen, nur die Verzierungen, dieschon von Telemann vorgesehen sind, dazu einvariables Vibrato auf den Phrasenhöhepunkten,um die Intensität des Affektes herauszuarbeiten.Die innere kunstvolle Ausgestaltung ist in sichschon so vollkommen wie der Faltenwurf des Ge-wandes in Berninis Skulptur der Heiligen The-resa.“ Nachdem ich mich mit dem Bild der Ber-nini-Skulptur (Abbildung) und mit demTelemann-Affettuoso selbst eingehend beschäf-tigt habe, empfinde ich dies als wunderschöneMetapher. Allerdings wirft es Probleme auf.Wenn es um Verzierungen geht, bin ich eher Mi-nimalistin – teilweise aus Furcht, dass das, wasich möchte, mit dem, was hinterher heraus-kommt, nicht ganz deckungsgleich sein könnte.Ich grub mich durch meine CD-Sammlung undfand eine Einspielung dieser Sonate von ClasPehrsson. Er hat das Affettuoso mit einer be-trächtlichen, an manchen Stellen geradezu über-reichen Zahl von Verzierungen versehen. Ich ge-be zu, dass ich mit diesem Stück ungern bei einemLehrer oder in einem Meisterkurs auftauchenwürde, ohne durch Anbringen von Verzierungenein klein wenig von mir selbst hinzugefügt zuhaben. Verzierungen sind ein absolutes „Muss“,das haben mir zahlreiche Lehrer in Privatunter-richt und Meisterklassen eingebläut. Wie trifft

    man nun die Entscheidung, ob ein Satz ohne hin-zugefügte Verzierungen, abgesehen von denobligaten kadenzierenden Trillern, auskommt?

    Anthony Roland-Jones: Es freut mich, dass Ih-nen meine Parallelen zwischen Blockflötensona-ten und Kunstwerken (wie übrigens auch Rhe-torik und Lyrik) so gut gefallen haben. DieAnalogie zur Malerei wurde bereits 1535 vonGanassis Blockflötenlehrer Fontegara verwen-det. Dieser Vergleich ermöglicht nicht nur ein er-gänzendes Begreifen wie bei den Knete-Zigar-ren, sondern stellt die Musik darüber hinaus inihren historisch-ästhetischen Kontext.

    Die Frage der Verzierung ist sicherlich wichtig.Neumanns Buch über Ornamentation zu BachsZeiten ist 600 Seiten lang, ohne Anspruch auf

    Porträt: Anthony Rowland-Joneseine Blockflötenikone steht rede und Antwort, Teil IIein Gesprächsporträt von Sue Groskreutz

    Anthony Rowland-Jones Foto: Chr. Rowland-Jones

  • 172 TIBIA 3/2004

    Vollständigkeit zu erheben.3 AndereWissenschaftler haben für ihre Einwän-de dagegen noch mehr Platz gebraucht.Deswegen sind viele Menschen voll-ends abgeschreckt. Aber auch Grand-Slam-Gewinner haben mal klein ange-fangen, indem sie im Garten einen Ballgegen eine Wand schlugen, irgendwiemuss man ja beginnen. Sowohl in Re-corder Technique (in der erweitertendritten Ausgabe, S. 102/3 und 104/5) alsauch in Playing Recorder Sonatas habeich versucht, diesem Problem beizu-kommen. Das Thema lädt zu Verall-gemeinerungen und zu Aphorismenein, deshalb hier einige weitere zur An-regung:

    1. Alte Musik wurde zumeist improvi-siert, nicht aufgeschrieben. Also gewöh-nen Sie sich ans Improvisieren und wer-fen Sie die Angst über Bord. Basteln Siesich im Kopf aus ein paar Schnipselnvon Händel und anderen eine Barock-sonate oder, noch besser, denken Sie sichzu einer simplen Akkordfolge etwas auswie ein Jazzmusiker zum 12-taktigenBluesschema.

    2. Einige Verzierungen sind in Barock-sonaten beinahe obligatorisch wie Ar-peggio/Triller bei einer Schlusskadenz ,oder ein coulé auf abwärts führendenTerzen am Ende einer Phrase in derfranzösischen Musik. Beginnen Sie alsodamit, diese wirklich schön zu spielen.Meine „Drei blinde Mäuse“-Übung(Playing Recorder Sonatas, Anhang 1,und jetzt auch im dritten RecorderTechnique) beschäftigt sich im wesent-lichen damit.

    3. Eine hinzugefügte Note kann unterUmständen eine Phrase ausdrucksvol-ler verzieren als acht.

    4. Eine Reihe von Komponisten wie Te-lemann, Bach und Händel haben vorge-macht, wie sie ihre eigene Musik ver-zieren. Lesen, markieren, lernen undverdauen Sie’s!

    Die Verzückung der Heiligen Therese von Giovanni LorenzoBernini (1598-1680) in der Cornaro-Kapelle (1644-47) in SantaMaria della Vittoria, Rom.

    In der Sendung Civilization (BBC, 1969) zitiert KennethClark aus der Beschreibung der Heiligen Therese, wie einEngel mit einem flammenden goldenen Pfeil mehrfach ihrHerz durchbohrt: „Der Schmerz war so stark, dass ich lautaufschrie, gleichzeitig jedoch so unendlich süß, dass ichihn ewig hätte ertragen mögen. Er war süßester Trost derSeele durch Gott … Die engste Parallele zu dieser Mischung aus tiefem Gefühl, sinnlicher Erfahrung undtechnischer Perfektion findet man vielleicht nicht in derdarstellenden Kunst, sondern in der Musik …“ Das Le-benswerk Berninis in Bildhauerei und Architektur ist inseinem Ausdruck von theatralischer Kraft, ausgerichtetauf die emotionale Betroffenheit des Betrachters, Inbegriffjener Geisteshaltung, die man sich nicht nur beim Vortragitalienischer Sonaten des frühen 17. Jahrhunderts, sondernauch späterer Musik des Barock zu eigen machen sollte.

    Porträt

  • TIBIA 3/2004 173

    5. Eine Verzierung entspringt der Zuneigung,wie ein Kuss. Sie sollte nicht aufgetragen werdenwie Lippenstift.

    6. Wiederholungen und da capos sollten die ur-sprüngliche Aussage steigern und dabei derenBedeutung und Schönheit enthüllen. Ornamen-tation ist nur eine Art, dies zu bewirken, es gibtviele andere. In der Musik gibt es keine unver-änderten Wiederholungen.

    7. „Adagio“ bedeutet: „Bitte verzieren.“

    8. Es ist besser, ohne Verzierungen gut zu spie-len als schlecht mit ihnen.

    9. Verzierungen sollten niemals die Struktur ei-nes Stückes oder die Anmut seiner melodischenLinien verschleiern.

    10. Behalten Sie immer den Basso continuo imBlick und verzieren Sie niemals gegen den Sinnder harmonischen Struktur und das Fortschrei-ten der Musik.

    11. Ornamentation ist höchst modeabhängig.Ein Verzierungsstil, der zu dem einen Jahrzehnt,Land, Instrument oder Komponisten passt, magan anderer Stelle deplatziert sein. Einige Kom-ponisten ändern gar ihren eigenen Stil, damit erzu einem bestimmten Musikstück und dessenPublikum passt.

    12. Im Barock nannte man eine Verzierung „gra-ce“ (etwa: Anmut, Grazie), nicht „disgrace“(Schande).

    Da haben Sie nun ein Dutzend Ideen aus demStegreif, die Ihnen vielleicht weiterhelfen, auchwenn sie die Frage nicht ganz beantworten. Dieerwähnte Clas-Pehrsson-CD mit dem Telemann-d-Moll-Konzert habe ich nicht, aber generell ent-halten Affettuoso-Sätze viele eigene Verzierungen

    des Komponisten. Man kann ein wenig improvi-sieren (eine recht gefährliche Angelegenheit,wenn der Komponist bereits Vorschläge zur Aus-führung gemacht hat), aber es wäre maßloseDummheit, die Musik zu überladen.

    Mit Enttäuschung habe ich Ihre Anmerkungenzu Neumanns Buch aufgenommen, denn ich habe es bereits gekauft und zu lesen begonnen.

    Neumanns Buch ist ein außergewöhnliches, un-glaublich umfassendes wissenschaftliches Werk,insbesondere in seiner Berücksichtigung Bachs.Er vertritt entschiedene Ansichten, die promptvon anderen Wissenschaftlern in Frage gestelltwurden. Mir liegt Robert Doningtons beinaheebenso umfangreicher Wälzer The Interpreta-tion of Early Music (korrigierte und überarbeite-te zweite Auflage, London 1975) mehr, auchwenn er manchmal zu dogmatisch mit diesemschwer zu fassenden Thema umgeht. Es handeltsich hier um Nachschlagewerke, nicht um An-leitungen zur Verzierung von Blockflötensona-ten. Die derzeit beste Abhandlung über barockeOrnamentation stammt allerdings von der Ame-rican Recorder Teachers’ Association und wur-de in den Ausgaben 5 und 6 (1999 und 2000) desRecorder Education Journal veröffentlicht. Wieimmer sind David Lasockis Beiträge zu diesenbeiden Ausgaben brillant. Wenn ich seine Textelese, denke ich oft: „Ich wünschte, ich hätte dasselbst geschrieben“. Wenn Sie das in diesen bei-den Ausgaben Geschriebene lesen, behalten, ler-nen, geistig verdauen und umsetzen, werden Siebald an den Punkt kommen, an dem der Bezugzu Neumann, Donington, Carl Dolmetsch undEdward Dannreuther4 Sinn und Wert bekommt.Couperin, Bach, Telemann und Händel zeigenuns auf verschiedene Art, wie sie ihre Musik gernverziert wissen möchten. Gleiches unternimmtQuantz später in seinem unschätzbar wertvollenVersuch einer Anweisung, die Flöte traversierezu spielen sowie in seinen Solfeggi.5

    Mit Vergnügen habe ich in Playing Recorder So-natas (Kapitel 5) über Zungenarbeit gelesen. Daich mir das Blockflötenspiel selbst beigebracht(und dabei vermutlich keinen denkbaren Fehlerausgelassen) habe, waren meine Finger in ihrenFähigkeiten der Zunge meilenweit voraus. VieleSchüler, mit denen ich mittlerweile gearbeitet ha-

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  • 174 TIBIA 3/2004

    be, spiegeln mir diese meine eigene Entwicklungwider. Sie haben eine ziemlich gute Fingertech-nik, aber eine sehr uninteressante Artikulation.Schülern zuzuhören und sie dabei zu unterstüt-zen, Leben in ihre Artikulation zu bringen, hatmir vermutlich ebenso geholfen wie ihnen! Ka-pitel 5 sollte für alle aufstrebenden Blockflötistenzur Pflichtlektüre gehören. Obwohl ich vielesaus dem Kapitel bereits zuvor gehört oder gele-sen hatte, hat es mir Ihre Anordnung der Arti-kulationsübungen von den schnell zu den lang-sam ansprechenden Artikulationen erleichtert,meine Gedanken zu ordnen. Sie hilft auch beider Entscheidung, wo welche Artikulation anzu-wenden ist.

    Doch das wahre Highlight dieses Kapitels bilde-ten (für mich) Ihre Artikulationsvorschläge fürdas Furioso aus Händels d-Moll-Sonate. Dannstieß ich auf eine Fußnote, die lautete: „Spieler,die verschiedene Artikulationsweisen ausprobie-ren und üben, werden die Erfahrung machen,dass das Tragen von Ohrenpfropfen den Klang-effekt ihrer Artikulation verdeutlicht. Dies magihnen helfen, Entscheidungen bezüglich der Ar-tikulation bewusster zu treffen und Genauigkeit,Sauberkeit und Abwechslung zu erreichen“ (S. 188). Ich habe es ausprobiert und konntekaum glauben, wie viel es bringt. Vielen Dankfür diese wertvolle Fußnote.

    Eine besonders nützliches (und lustiges) Artiku-lationsschema, das Sie erläutern, ist das „tickertacker deree digger do“ (ticker täcker diri diggerdu). Auch die Diskussion der unterschiedlichenAuswirkungen von Vokalklängen bei der Wahlder Artikulation hat mir gefallen. Außerdem ha-be ich die „y“-Stellung der Zunge bisher nie be-nutzt, aber allmählich empfinde ich sie beischwierigen Bindungen als Hilfe. Haben Sie zumheiklen Thema Artikulation noch weitere Weis-heiten auf Lager?

    Jetzt haben Sie aber ein wirklich schwierigesThema angeschnitten: die Artikulation. Quantzhat in den Stücken seines sechsten Kapitels Überden Gebrauch der Zunge Artikulationskonso-nanten über die Noten geschrieben. Wegen desunbedingt notwendigen wechselseitigen Bezu-ges zwischen Artikulation und Notes Inégalesist deren Bedeutung nicht immer klar. Ich wür-

    de es für keine gute Idee halten, gleich eine gan-ze Reihe von Stücken (Sonatensätze etc.) in ei-nem Übungsheft zu veröffentlichen, weil man sodie Angelegenheit zu kategorisch und rigide an-gehen würde. Wie so vieles andere in der Musikdes Barock ist die Interpretation durch Artiku-lation subjektiv und hängt von der eigenen Auf-fassung des musikalischen Affektes sowie vonrhetorischen Erwägungen ab, wie dieser zuübermitteln sei. Hier kann man nichts verord-nen.

    Man sollte aber mit einigen Beispielen die Naturder Fragen verdeutlichen, die man sich stellenmuss. Es gibt ein Heft mit überwiegend sehrschwierigen Übungen mit dem Titel The Com-plete Articulator (von Kees Boeke), das aller-dings überhaupt nicht mein Fall ist. Zugesagt hatmir das Kapitel Artikulation im Frühbarock in:Musik und Sprache: die Interpretation früh -barocker Musik nach traditionellen Regeln vonUlrike Engelke (auf Deutsch und Englisch beiZimmermann erschienen, „pan“174, ZM 2814,Frankfurt 1990, S. 54-60). Der Abschnitt hilft,historische Quellen zu Artikulationsprinzipienzu verstehen. Und alles, was Patricia Ranum zurfranzösischen Artikulation geschrieben hat, isthöchstes Gesetz, machen Sie es niemals anders.Walter van Hauwes Moderne Blockflötentechnikwidmet sich der Artikulation in allen drei Bän-den mit steigendem Schwierigkeitsgrad: eine pri-ma Sache. Hauwe schlägt ganz richtig vor, dassjede(r) Blockflötist(in) seinen bzw. ihren eigenenArtikulationsstil entwickeln muss.

    Die beiden letztgenannten Autoren treffen denKern des Problems: Niemals artikulieren zweiPersonen eine Stelle auf genau dieselbe Weise, dadie Profile von Zunge, Zähnen, Mund und Lip-pen unterschiedlich sind. Zudem gibt es vieleverschiedene Sprachen und viele verschiedeneArten, sie zu sprechen. „D“ wird im Spanischen,Italienischen, Französischen, Deutschen, briti-schen und amerikanischen Englisch jeweils anders ausgesprochen, und beim „r“ ist der Un-terschied sogar noch größer, insbesondere zwi-schen England und Schottland. Wer Artikula-tion lehren möchte, muss Linguist, Phonetiker,Logopäde, Musikhistoriker und Musiker sein,und zudem noch ein verrückter Blockflötist.Einmal musste ich einer Japanerin Artikulation

    Porträt

  • TIBIA 3/2004 175

    beibringen. Es war mühsam (aber sie schickt mirimmer noch zu jedem Weihnachtsfest ein wun-derhübsches Kärtchen).

    Außerdem ist es nötig, die Zungenarbeit denKlangqualitäten jedes einzelnen Instrumentesanzupassen, Renaissance- oder Barockbauweise,Sopran-, Tenor- oder Bassblockflöte usw. Unddann muss man sich vorstellen, wie der Kompo-nist sein Stück artikuliert haben würde, hätte eres zur Entstehungszeit der Komposition in derihm am besten vertrauten Sprache gesungen. Ichhabe ja gesagt, es ist ein schwieriges Thema.

    Nun zu meinen eigenen, ganz persönlichenSchwierigkeiten mit der Artikulation von „r“:Ein Lehrer schlug vor, ich solle „daddy“ sagenund so tun, als käme das „r“ auf der zweiten Silbe. Können Sie mir diese geheimnisvolle Arti-kulation genauer erklären?

    Ein amerikanischer Autor schlug tatsächlichvor, den zweiten Konsonanten in daddy zu be-nutzen, um ein „r“ zu artikulieren. Aber daswürde britische Leser verwirren, denn die wür-den nur zwei „d“s produzieren, das zweiteschwächer, was sowohl auf die Stark-schwach-Betonung wie auch auf die mit Hinblick auf denfolgenden Vokal angehobene Zunge zurückzu-führen ist. Der Trick des Logopäden bestehtdarin, den Patienten endlos „a rat a rat“ wieder-holen zu lassen. Dies hat bei meinen phänome-nal geduldigen japanischen Schülern gut funk-tioniert.

    Es gibt noch einen anderen, amüsanteren Weg,und der besteht darin, Zungenmelodien zu „sin-gen“. Dies geht am besten, wenn man die Zungemittig im Mund platziert, so dass sie den Zahn-damm gerade berührt und die seitlichen Zun-genränder nur leicht an den hinteren oberen Ba-ckenzähnen anliegen (wie beim typischenenglischsprachigen „r“, langgezogen). Wenn einganz sanfter Luftstrom – ein bloßer Lufthauch –hindurchgeht, werden Sie (aber niemand sonst)einen Ton definierbarer Höhe hören, der durchdie winzige Vibration zwischen Zungenspitzeund Zahndamm entsteht. Es braucht etwas Zeit,aber schließlich klappt es. Wenn Sie den Ton hö-ren können, ziehen Sie die Wangen nach innen,und die Tonhöhe fällt etwa um eine Oktave.

    Anthony rowland-Jones

  • 176 TIBIA 3/2004

    Bei Wangenpositionen dazwischen entstehenZwischentöne. Sie können also Melodien spie-len! Dadurch werden Sie sich bald daran ge-wöhnen, die Zunge geradeaus in „r“-Position zustrecken, was ungefähr richtig ist für Händel,Bach (oder Quantz), sogar Ganassi, nicht jedochfür französische Musik.

    Patricia Ranum sagt, dass das französische „r“vor dem Zahndamm liegt, so dass man keine Tö-ne erzeugen kann. Wenn man die Zunge nachvorn und oben presst, fest nach oben, so dass sieauf den hinteren oberen Backenzähnen aufliegt,befindet man sich in der „j“-Position, die Luft-zufuhr erfolgt auf „i“. Dies ist eine wünschens-werte Einschränkung des Luftstroms. Wennman diese „j“-Position sehr scharf mit gleichzei-tiger Unterbrechung der Luftzufuhr einsetztund mit Lichtgeschwindigkeit synchron zurFingerbewegung ausführt, kann man die meistenBindungen über die Registergrenzen ohneKlickgeräusche hinbekommen, sogar aufwärts.Die ultimative Übung ist die es-f-g-Bindung inSchafe können sicher weiden in der Wiederho-lung als Echo. Diese Stelle misslingt sogar Pro-fis, und der Echoeffekt entgeht ihnen. Ich gebezu, dass ich hier ein bisschen mit dem „r“ nach-helfe, um besser über den hohen Registerüber-gang zu kommen. Geringer Atemdruck auf „j“reicht anscheinend nicht ganz aus. Das hängtaber auch stark von der Intonation des Instru-mentes und seiner Bohrung ab. Bach benutzteeher enger gebohrte Blockflöten als Händel, diein der Höhe sauberer klangen, dafür aber in derTiefe schwächer waren.

    Ich habe eigene Methoden zur Vermittlung vonZungentechnik, setze aber natürlich Ganassi undQuantz für Musik ihrer Zeit ein. Ich greife auchauf Artikel aus der Zeitschrift American Recor-der zurück.6 Allesamt sehr wichtige und nütz -liche Artikel.

    Als ich das Kapitel 6 über Verzierungen las, fielmir die folgende Bemerkung zu einigen tieferenTönen in Giovanni Battista Fontanas SonataTerza auf: „Da diese Töne auf vielen Sopran-blockflöten der Renaissance besonders satt klin-gen, sei hier vorgeschlagen, große Klangfülledurch gleichzeitige Verwendung von Atem-, Fin-ger- und möglichst auch Zungenvibrato zu er-

    zeugen“ (S. 111). Ich habe zwar bisher alle dieseVibratotechniken einzeln benutzt, aber nie inKombination. Ich habe versucht, Atem- und Fin-gervibrato gleichzeitig anzuwenden, aber meinFinger will sich immer wieder in gleichem Tem-po mit dem Atem bewegen. Ich frage mich, ob Sieda wohl Rat wissen.

    Die Musik des 17. Jahrhunderts wurde mit Lei-denschaft („Affekt“) bis zur Übersteigerung ge-spielt, eine Eigenschaft, die sich auch in der Ar-chitektur und im Schauspiel (z. B. aufwendigeMasken) der Zeit wiederfinden. Mein Vorschlag,drei Vibratotechniken gleichzeitig zu verwen-den, geht also auf diese Vorstellung zurück. Siewerden merken, dass der bloße Versuch denrichtigen Effekt (Affekt) zeitigen wird, alleinweil er einen solch besonders hohen Grad anKonzentration verlangt. Es ist nicht schlimm,wenn die Wellenlängen einmal synchron verlau-fen. Wenn Sie es aber bemerken, machen Sie’snicht richtig, es soll ein unkontrollierter Aus-bruch sein!

    O.k. Nehmen wir es für unkontrollierte Aus -brüche. Aber warten Sie nur meine nächste Stun-de bei Eva Legêne ab! Etwas anderes: auf S. 140 von Playing Recorder Sonatas stieß ich auf folgendes Zitat: „Mattheson behauptete, die Blockflöte sei das ‘einzige Holzblasinstru-ment, mit dem man in allen 24 Tonarten absolutsauber spielen’ könne.“7 Daraufhin stellten Siefest: „So erfreulich dieses Zitat auch sein mag, somuss die Betonung doch auf „könn(t)e“ liegen.Wenn man daran denkt, dass Original-Barock-blockflöten oft wesentlich schlechter intoniertwaren als moderne Blockflöten, müsste es viel-leicht heißen: „… auf denen man mit Müh undNot, mit kritischem Gehör und unter erheb -lichem Umstand in allen 24 Tonarten absolutsauber spielen kann.“

    In meiner Blockflötenjugend kaufte ich mir allevier Bände Schickhardt-Sonaten und arbeitetemich durch alle hindurch. Während meine Into-nation in einigen schwierigeren Tonarten durch-aus zu wünschen übrig ließ, war ich erstauntüber meine technischen Fortschritte. Ich ent-deckte nützliche Hilfsgriffe aller Art sowie Tril-lergriffe, auf die ich sonst niemals gekommenwäre, und meine Fähigkeiten im Vom-Blatt-

    Porträt

  • TIBIA 3/2004 177

    Spiel entwickelten sich in Riesenschritten. (Na-türlich übe ich auch Tonleitern und gebrocheneAkkorde in allen Tonarten sowie chromatischeTonleitern von jedem Grundton aus.) Einerseitsstimme ich Ihnen aus vollem Herzen zu, dass „…die Qualität der Musik nicht immer die An-strengung und nervliche Belastung rechtfertigt,die zur Ausführung aufgewendet werden müssen…“ (Playing Recorder Sonatas S.139), anderer-seits würde ich diese „Schickhardt-Folter“ wiederauf mich nehmen und sie auch anderen empfeh-len. Gebe ich damit einen guten Rat?

    Die Antwort lautet: „Ja, in begrenztem Maße.“Aus dieser und einigen Ihrer früheren Fragengeht hervor, dass Sie ein Mensch von beträchtli-cher Bestimmtheit und Ausdauer sind, beinaheeine Masochistin! Alle Tonarten rund um denQuintenzirkel zu üben und Sonaten mit furch-terregenden Vorzeichen (z. B. von Schickhardt)zu spielen, nur um die Vielseitigkeit der Block-flöte unter Beweis zu stellen, das ist ein hervor-ragender Weg, um sein Instrument mitsamt sei-nen Stärken und Schwächen kennenzulernenund herauszufinden, wie man durch geschickteGriffwahl sowie Atem- und Artikulationskon-trolle Schwächen beheben kann. Aber nicht al-len Menschen bekommt harte Arbeit gut, undich würde höchst ungern einem weniger streb-samen Schüler Barocksonaten generell verleiden,indem ich ihn zu ziemlich langweiliger Musikmit sechs „ b“s zwinge.Natürlich ist das Üben von Tonleitern wichtig,aber man muss für jeden Schüler abwägen, wieman ihn am besten auf die anstrengende Seite desBlockflötenspiels locken kann. In meinem BuchA Practice Book for the Treble Recorder, das alsBegleitbuch zu Recorder Technique gedacht ist,verwende ich einen Ausschnitt eines schönenStückes von Edmund Rubbra, um Cis-Dur undf-Moll in direkter Gegenüberstellung zu üben,außerdem ein spannendes Stück von Gordon Ja-cob mit der Bezeichnung „Presto con fuoco“,das chromatische Tonleitern in beiden Richtun-gen verlangt. Vivaldi bietet jede Menge Übungenfür gebrochene Akkorde. In ähnlicher Weisestellt meine „Drei blinde Mäuse“-Übung (Play-ing Recorder Sonatas und drittes Recorder Tech-nique) einen hervorragenden Weg dar, um eineganze Bandbreite von Griffen wie auch einen

    schön gespielten Triller zu erlernen. Jedoch mussin der Unterrichtssituation immer wieder Bezugauf die Triller in echter, vergnüglicher Musik ge-nommen werden. Systematisches Üben muss alsHilfsmittel angesehen werden, das mehr Freudean der Blockflöte und ihrer Musik vermittelt,weil man dadurch geschickter und selbstbe -wusster spielt. Musik kann niemals „richtig“klingen, wenn dem Spieler/der Spielerin Freudeund Begeisterung abhanden kommen.

    Übersetzung: D. Presse-Requardt

    ––––––––––––––ANMERKuNGEN3 Frederick Neumann: Ornamentation in Baroque andPost-Baroque Music, Princeton, NY 19834 Dannreuther war der Autor von Novellos Abhand-lung Music Primer über musikalische Ornamentation,die 1893-95 in zwei Bänden von ungefähr 200 Seiten er-schienen, zum Preis von jeweils sechs Shilling! Es han-delt sich um eine einzigartige Zusammenstellung teil-weise recht langer Auszüge aus Schriften oder anderenÄußerungen von Komponisten und anderen zum The-ma Ornamentation. Zeitlich bewegt sie sich zwischenetwa 1600 und Richard Wagner. Zudem ist ein wissen-schaftlicher Kommentar enthalten. Ein ganz hervorra-gendes, wegbereitendes Buch.5 vgl. Artikel von John Byrt in Leading Notes, VIII/2,Herbst 1998, dem Journal der britischen National EarlyMusic Association, S. 6-15. Diese Zeitschrift ist mittler-weile im neuen Journal der NEMA, Early Music Perfor-mer, aufgegangen.6 George Houle: Tonguing and Rhythmic Patterns inEarly Music, AR, Frühjahr 1965; Scott Reiss: Articula-tion: The Key to Expressive Playing, AR, November1986; und ein Brief von Bernard Krainis, erschienen inAR im Mai 1988.7 aus: Critica Musica, 1722; zitiert nach Walter Berg-mann, Henry Purcell’s Use of the Recorder, in: Recorderand Music Magazine (Vorläufer von The Recorder Ma-gazine), November 1965, S. 333-335

    Dieser Artikel erschien in englischer Fassung in der Zeitschrift American Recorder (Nov. 2003). Wir danken der Redaktion für die Erlaubnis, den Artikel in einer deutschen Übersetzung abzudrucken. o

    Anthony rowland-Jones

    € 195,- /Stck.

  • 178 TIBIA 3/2004

    TELEMANNLocke nur, Erde

    Kantate für hohe Stimme, Altblockflöte (Violine) und Basso continuo

    Cantata for high voice,alto recorder (violin) and basso continuo

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    Ines und Franz Müller-Busch

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    NEU BEI GIROLAMO ERSCHIENEN:Georg Philipp Telemann (1681–1767)Locke nur, Erde, mit schmeichelndem Reize!Ed. Nr. G 11.010, Partitur und drei Stimmen, € 13,80

    Die Kantate für hohe Stimme, Altblockflöte (Violine) und B.c. stammt aus dem 1725 in Hamburg erschienenen Kantatenjahrgang „Der Harmonische Gottes-dienst“. Während sich in der ersten Arie Blockflöte und Gesang ständig umschmeicheln, umgarnen und umrunden, ist die zweite Arie als Kanon komponiert, in dem Blockflöte, Gesang und Bass gleichberechtigt nebeneinan-der stehen. Das zwischen beiden Arien befindliche Rezitativ ist nicht allzu lang, gibt dem Sänger jedoch ausreichend Gelegenheit zu sinnreicher Gestaltung.

    Ines Müller-Busch (*1965) / Franz Müller-Busch (*1963)Die kleine Eule, für Sopranblockflöte (Violine, Flöte) und KlavierEd. Nr. G 21.003, Partitur und Einzelstimme € 9,90

    „Die kleine Eule Brownie lebte mit ihren Eltern in einer Baumhöhle irgendwo so ziemlich in der Mitte von England.“ So beginnt die Geschichte von der kleinen Eule. Die zur Geschichte gehörenden Melodien sind eingängig, nicht besonders schwer und die Klavierbegleitung ist auc h für jüngere Schüler gut spielbar. Ein durch und durch für den Unterricht zu empfehlendes Heft.

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    Girolamo MusikverlagFranz Müller-Busch e.K.Poststrasse 7, D-79098 FreiburgTel. +49-(0)7 61/285 28-98, Fax [email protected] /www.girolamo.de

    Dear friends of the recorder, The upcoming recorder festival in Montreal, Canada, which will be held from September 9th to the 12th 2004,will be a very special event. It will take place at the Faculty of Music, McGill University (555 Sherbrooke StreetWest).Jointly organized by Ensemble Caprice and McGill University, concerts, chamber music workshops and masterclasses will bring professionals as well as amateur players together. Until August 1st you can benefit froma 10$ CAN reduction on the subscription fee. Instead of $90 Can ($70 US) you only pay $80 Can ($63 US) fora whole weekend of recorder music of the highest level.The two main concerts feature Michael Schneider (Musica Antica Köln, Camerata Köln) in a solo programme,and the Ensemble Caprice (Matthias Maute) performing recorder and jazz works with the well known Canadian jazz pianist Lorraine Desmarais. There will be a masterclass on improvisation in early music andjazz given by the German harpsichordist Alexander Weimann, and a recorder masterclass given by MichaelSchneider.It will be an unforgettable weekend where the recorder will occupy the best seat in the house, a place it rightlydeserves.

    Matthias Maute

    If you wish to receive the Recorder Festival 2004’s flyer, please send us your postal address at: [email protected] full information on the Recorder Festival 2004 go to: http://www.ensemblecaprice.com/fr1.html, and then click on Recorder Festival. On this site you can also view images from the 2002 and 2003 Recorder Festivals.

  • TIBIA 3/2004 179

    Im Grundschulalter erfüllen Kinder prinzipielldie optimalen Voraussetzungen, um angemesse-ne Haltungsformen und Bewegungsabläufe zuerlernen: spielerisch eignen sie sich Gewohnhei-ten an, die später selbstverständlich für sie sind.Eine gut balancierte Flöte, aktionsbereite Finger,ein freier Atem verleihen bereits Anfängern dieFähigkeit zu unverkrampftem musikalischemAusdruck. Dies umso mehr, als wir es bei derBlockflöte mit vorteilhaften Bedingungen zu tunhaben: ihre Haltung ist natürlich; sie entsprichtden oft im Alltag gebrauchten Haltungen, ohneVerdrehungen.

    Haltungsschäden – heute immer noch aktuell –vermögen wir nicht direkt zu therapieren. Je-doch können wir den Kindern die wohltuendeErfahrung ermöglichen, sich von ihrer Musik„tragen“ zu lassen. Sofern die Atmosphäre kon-zentriert ist und als angenehm erlebt wird, ver-hilft eigenes Musizieren – wie auch Tanzen – zueinem Körpergefühl der Leichtigkeit, einer gu-ten Ausrichtung ohne Verspannung. So könnendie Kinder überflüssige, störende Anspannun-gen loslassen und eine „Wohlspannung“ aus dereigenen Mitte heraus entstehen lassen.

    1. Körperhaltung

    Im Stehen kann der Atem am leichtestenfrei fließen und gesteuert werden. Deshalbsollte so viel wie möglich im Stehen geübt wer-den. Wenn die Kinder jedoch ermüden, bietetsich – zumindest zeitweise – die Sitzhaltung an.Bei Grundschulkindern ist es außerdem wichtig,dass zur Auflockerung immer wieder Bewe-gungsübungen ausgeführt werden.

    1.1. Übungen für den guten StandEin guter Stand zeichnet sich durch Balance aus:Stabilität und Beweglichkeit zugleich. WennSchüler ihre Füße oft vom Boden abheben, ihreBeine überkreuzen oder die Knie durchdrücken(Hohlkreuz), bieten sich folgende Übungen an:

    Gruppen- oder Partnerübung: „Baum - Wind“1Die Kinder stehen mit den Füßen in Hüftbreiteund stellen sich vor, sie wären tief verwurzelteBäume. Ein Kind spielt den Wind, indem es vonallen Seiten „herangeweht“ kommt (es pustet,läuft, setzt unterschiedliche Impulse mit den Ar-men): mal langsam, mal schnell, mal leicht, malstark, als Wirbelwind oder als leichter Luftzug –jeweils ohne die „Baum“-Kinder direkt zu be-rühren. Diese stellen sich vor, die wirbelndenBewegungen des Wind-Kindes seien richtigerWind und folgen den Impulsen möglichst genaumit Rumpf und Armen; die Fußsohlen heben je-doch niemals vom Boden ab.

    Als Partnerübung: Die Kin-der gehen zu zweit zusam-men; eines spielt denWind, ein anderes denBaum.

    „Die sanfte Brise“Die Kinder stehen mit den Füßen in Hüftbreiteund schwanken vor und zurück, indem sie sichvorstellen, sie seien Halme im Wind. DieSchwankung wird immer geringer; dabei soll je-des Kind herausfinden, welcher Stand ihm amangenehmsten ist.

    Beim idealen Stand (der sich nur behutsam überVorstellungshilfen und leichte Korrekturen ver-

    Sylvia FührerBlockflötenunterricht mit KindergruppenHaltung – ein grundlegendes Thema

  • mitteln lässt) ruht das Gewicht nicht allein aufden Fersen, sondern verteilt sich über den Mit-telfuß auf den ganzen Fuß. Die Knie sind dabeinicht ganz durchgedrückt. Für Kinder, die sonstimmer das Gewicht auf den Fersen haben, fühltsich diese Idealposition an, „als käme ein leich-ter Wind von hinten“.

    KopfhaltungManche Schüler tendieren dazu, den Kopf zurFlöte zu senken, anstatt die Flöte an den Mundzu bringen. Ihnen hilft die Vorstellung, ein Ma-rionettenfaden ziehe den Hinterkopf nach oben;in der hierbei entstandenen Position sollen dieKinder dann die Flöte zum Mund führen.

    1.2. Das SitzenDas ausbalancierte Sitzen ist als ein „unterbro-chenes Stehen“ zu definieren: von den Sitz -höckern an ist die Wirbelsäule genauso aufrecht

    wie beim Stehen. Dafür sitzendie Kinder, ohne sich anzu-lehnen, auf der vorderenStuhlhälfte. Die Höhe desStuhles sollte dabei sogewählt werden, dasssich ein rechterWinkel zwi-schen Ober-und Unter-

    schenkeln bildet.

    Die Kinder ach-ten darauf, dassihre Fußsohlendabei ganz aufdem Bodenau f l i e g en .Sind keine

    passenden Stühle verfügbar, können als Notbe-helf dicke Bücher (z. B. Telefonbücher) unter dieFüße des Schülers bzw. auf die Stuhlfläche gelegtwerden.

    1.3. Flötespielen in der BewegungSind die Schüler unruhig oder gehemmt, so ist eshilfreich, das Flötespielen hin und wieder inner-halb einer ganzkörperlichen Bewegung ausfüh-ren zu lassen. Das Arbeiten anhand von Kin -dermusicals und Geschichten zeigt, dass das

    Raumgefühl und die Klangintensität dauerhaftdavon profitieren, wenn das Flötenspiel — aus-wendig vorgetragen — auch einmal in einenTanz eingebaut wird, oder wenn ein Kind bei-spielsweise als „Zauberer“ eine Melodie zu ei-nem Verwandlungseffekt einsetzen darf.

    Weitere Ideen für das Einbeziehen von Bewe-gung finden sich im Kapitel „Rhythmus“ (s. An-merkungen, S. 183)

    2. Die Haltung der Flöte

    2.1. ArmhaltungDamit die Finger sich locker und frei auf ihrenLöchern bewegen können, ist es wichtig, dieFlöte ca. 45° vom Körper abzuwinkeln. Wenndabei die Arme nicht am Körper anliegen, wirdes einfacher, den Atem zu steuern und klangin-tensiv zu spielen.

    Wird die Flöte dagegen in zu steilem Winkel ge-halten, so krallen sich einige Finger an ihr fest –sie müssen die Flöte festhalten, damit sie nichtherunterfällt. Die Hauptlast der zu tief gehalte-nen Flöte trägt der linke Daumen. Ein Extrem-beispiel dazu: Manche Anfänger wollen ein d2

    spielen – aber der linke Daumen krallt sich un-willkürlich am Loch fest, so dass immer nur dasc2 erklingt; diese Kinder halten oft ihre Flöte zutief.

    Richtig ist es, die Flöte mit dem rechten Daumenund der Unterlippe zu „balancieren“, wobei derlinke Mittelfinger (beim h1 der Zeigefinger) zu-sätzlichen Halt verleiht – jedoch ohne viel zudrücken. Alle über der Flöte befindlichen Fingersind frei für lockere Bewegungen.

    Ausbalancieren der Flöte2In zwei Schritten finden die Kinder den optimalenWinkel zum Balancieren der Flöte selbst heraus:

    – Zunächst einmal wird die Flöte nur auf demrechten Daumen und der Unterlippe gerade,in einer horizontalen Linie gehalten; dannwird sie durch Bewegung der Arme etwas ge-senkt. Hierbei machen die Kinder die Erfah-rung, dass die Flöte nicht festgehalten, son-dern nur „balanciert“ werden muss.

    180 TIBIA 3/2004

    Sylvia Führer

  • Dann wird der linke Mittel-finger zusätzlich locker aufsein Loch ge-legt (diesersoll auchw ä h r e n dder gesam-ten weiterenÜbung nurleicht auflie-gen). Alle an-deren Finger berührendas Instrument nicht. Nunwird die Flöte wieder lang-sam gesenkt; dieses Mal biskurz vor dem Punkt, bei demsie die Tendenz hat, aus denHänden zu rutschen: Hier liegtder optimale Neigungsgradzum Balancieren der Flöte.

    Die Flöte im Bogen zum Mund führenDie Kinder lassen im Stehen die Arme mit derFlöte hängen (Finger auf denzugehörigen Löchern). Dannführen sie die Flöte so zumMund, dass sie dabeimit dem Flö-tenfuß einenBogen in dieLuft zeich-nen. Da-d u r c hkommt dieFlöte vonalleine in eine etwasvom Körper ab-gewinkelte Position.

    Manche Kinder ziehennach dieser Übung sofort ih-re Arme an den Körper heranund senken damit ihr Instrument wieder. Ist diesder Fall, wiederholen sie die Übung, und stellensich in der Endposition vor, dass die Arme voneinem Luftkissen getragen werden.

    Vorstellungshilfe: RutscheKleinere Kinder neigen oft dazu, die Flöte de-monstrativ viel zu weit nach oben zu schwingen,

    wenn man sie auf das vergessene Balancierenaufmerksam macht. (Ein Anheben der Flöteüber die optimalen 45° hinaus ist von Nach-teil, da es eine unnötige Anspannung verur-sacht.)

    In diesem Fall hilft es, den Kindern zu sagen,die Flöte solle so aussehen wie eine Rutsche.Um die Neigung der Rutsche zu erreichen,

    können die Kinder auf das Instrument bei sichselbst herunterschielen oder sich von einem an-deren Kind korrigieren lassen. Weiterer bildhaf-ter Hinweis: Wird die Flöte zu hoch gehalten, sokönnen imaginäre Zwerge überhaupt nicht her-unterrutschen; wird sie zu tief gehalten, so stür-zen sie erbamungslos ab.

    Motivation zum Balancieren der FlöteManche Schüler weigern sich, die Flöte zu ba-lancieren, weil sie es als anstrengend empfinden.Hier hilft es, mit den Kindern das „lose Finger-spiel“ zu üben (alle Finger bewegen sich hierbeiunkoordiniert auf ihren Löchern). Die Kindermerken, dass die oberen Finger (besonders derlinke Daumen) leichter beweglich sind, wenn dieFlöte in nicht zu steilem Winkel gehalten wird.

    Damit die Kinder auch emotional erleben kön-nen, wie viel schöner es ist, den Klang intensiv inden Raum auszustrahlen, ist es hilfreich, sie zueinem etwas entfernt gelegenen, sichtbaren Ziel-objekt hinspielen zu lassen – z. B. zu einem Gemälde im Raum, einer Baumkrone, einemKirchturm, oder der untergehenden Sonne ent-gegen. Mit einer solchen Vorstellung finden sieleichter zu einer ausgewogenen Balance.

    Rahmenbedingungen: Richtige Höhe des Notenstän-dersEine zu tiefe Haltung der Flöte kann ihre Ursa-che auch in der (ebenfalls zu tiefen) Position desNotenständers haben: Müssen die Augen in zusteilem Winkel auf die Noten herunterschauen,so senken sich automatisch auch die Arme mitder Flöte, um die Sicht nicht zu versperren.

    Deshalb sollte auf jeden Fall ein höhenverstell-barer Notenständer verwendet werden, so dassdie Noten etwas unterhalb der Augenhöhe desKindes aufgelegt werden können. Wahrt dasKind außerdem einen gewissen Abstand zum

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    Blockflötenunterricht mit Kindergruppen

  • Notenständer, kann es mit mehr Raumgefühlspielen, da es dann nicht direkt gegen die Notenbläst.

    Bei Anfängern ist es wichtig, besonders groß ge-druckte Noten zu verwenden, damit das Kindnicht mit der „Nasenspitze in den Noten hängt“,um die gerade erst erlernten Zeichen entziffernzu können.

    Hilfe gegen zu starkes Wackeln mit der FlöteManche Anfänger markieren jeden Ton durchHeben und Senken der Flöte. Ihnen kann es hel-fen, kurzfristig einen flachen Gegenstand (Buch)während des Spielens auf dem Kopf zu tragen, sodass sie eine flexible Balance erreichen.

    2.2. Hand- und FingerhaltungAnatomisch gesehen haben die Finger einer ent-spannten Hand eine leichte Krümmung. Diesernatürliche Neigungsgrad der Finger ist auchbeim Flötespielen maßgebend: Die Finger liegenleicht gebogen auf den Löchern (diese Haltunggilt auch weitgehend für den linken Daumen;der rechte dagegen ist gerade). Auf den Löchernliegt jedoch nicht die Fingerkuppe, sondern dasFingerpolster (anatomisch: Fingerbeere) auf.

    Übungen zum Erreichen einer korrekten Fingerhal-tungBei den im Folgenden beschriebenen Übungenwird durch Bewegung, Hilfsmittel oder Vorstel-lungen eine zunächst vollständig runde Finger-haltung erreicht. Beim Übertragen dieser Fin-gerhaltung auf die Flöte darf sich die Handselbstverständlich ein wenig an das Instrumentanpassen – vor allem streckt sich hierbei derrechte Daumen.

    „Daumen antippen“Die Kinder tippen mit dem Zeigefinger einerHand den Daumen an – so, dass sich ein „0“ bil-det. Dann tippen alle weiteren Finger ebenso denDaumen an, bis zum kleinen Finger und wiederzurück bis zum Zeigefinger.

    Erfahrungsgemäß wird die Übung präziser,wenn jedes Antippen von einer Sprechsilbe be-gleitet wird, z. B. mit dem Vers:„Itzen, pitzen, Fingerspitzen, alle Finger wollensitzen“.3

    (Hierbei werden die Finger der Reihe nach angetippt —der kleine Finger als „Umkehrpunkt“ nur einmal — undbeim Wort „sitzen“ kommen alle vier Finger gleichzeitigauf den Daumen.)

    „Fernrohrübung“ mit FlöteDie Übung „Käpt’n Blau-bärs Fernrohr“ ist eineSelbstkontrolle für diegerundete Haltung derFinger der linkenHand. Die Kindergreifen hierfür einh1, a1 oder g1.Dann halten siedas Mundstückihrer Flöte an dierechte Schläfeund schauendurch den Raum hindurch, der sich zwischenlinkem Daumen und den über der Flöte befind-lichen Fingern bildet. Visieren sie ein nahezurundes Bild an, so liegen ihre Finger richtig auf(ist der Daumen jedoch gestreckt, so entstehtkein rundes Bild).

    „Fernrohrübung“ ohne FlöteDie Kinder rollen ein Papier längs ein, umfassenes mit beiden Händen und schauen hindurch wiedurch ein Fernrohr.Anschließend stellen sie sich das Fernrohr ohnedas Papier als Hilfsmittel vor, indem sie es mitden Händen in der Luft umfassen. Dann über-tragen sie die runde Fingerhaltung auf die Flöte.

    „Kastanienübung“Die Kinder greifen eine Kastanie zwischen Zei-gefinger und Daumen (zuerst beispielsweise) derlinken Hand so, dass die Finger dabei gerundetsind. Dann übernimmt die rechte Hand die Kas -tanie ebenfalls mit Zeigefinger und Daumen;dann wieder die linke, aber jetzt mit Mittelfingerund Daumen, dann die rechte mit Mit-telfinger und Daumen, etc.bis zum kleinen Fingerund wieder zu-rück.

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    Sylvia Führer

  • Diese Übung dient neben dem Erlernen der Fin-gerhaltung auch der Fingerkoordination.

    „Brillenübung“Die Kinder formen mit Daumen und Zeigefingerbeider Hände ein „0“ und legen die Hände wieeine Brille an die Augen. Diese Fingerhaltungübertragen sie dann auf die Flöte.

    „Ballübung“Für diese Übung werden kleine Bälle benötigt.Die Größe ist so zu wählen, dass sie von denKindern mit Zeigefinger und Daumen einerHand nicht ganz umschlossen werden können.Die Kinder lassen ihre Hände hängen und schüt-teln sie aus; dann gibt die Lehrerin ihnen jeweilseinen Ball in jede Hand, um den sie locker ihreFinger legen sollen. Die Kinder spüren nach, wiesich die Hände mit den Bällen anfühlen. Dannheben die Kinder die Arme langsam an (mit derVorstellung, etwas zu schöpfen oder etwas zusich zu holen). Die Lehrerin legt ihnen nun dieFlöte in die Hände; gleichzeitig lassen die Kin-der die Bälle fallen und versuchen, die einge-nommene Haltung der Hände so weit wie mög-lich beizubehalten.

    „Luftballonübung“Ein Luftballon ist in seiner Schwerelosigkeit einangenehmes Hilfsmittel für die gerundete Fin-gerhaltung. Die Kinder blasen ihn bis zu derGröße auf, in der sie ihn mit Daumen und Zei-gefinger einer Hand nicht ganz umschließenkönnen (etwa bis zur Größe eines Tischtennis-balls). Dann spielen die Kinder Griffwechsel mitdem Luftballon in einer Hand.

    ––––––––––––––ANMERKUNGEN1 Vgl. hierzu auch: Susanne Peter-Führe: Rhythmik füralle Sinne, Herder-Verlag, Freiburg 1994; 5. 49 f2 Vgl. hierzu: Engel/ Heyens/Hünteler/Linde: Lehrer-kommentar zu Spiel und Spaß mit der Blockflöte,Schott-Verlag, Mainz 1990, S. 103 Vers mündlich überliefert

    Dieser Artikel ist ein Kapitel aus dem Buch Blockflötenunterricht mit Kin-dergruppen von Sylvia Führer/Manfredo Zimmermann, Musikverlag Holz-schuh, Manching 2003, 2. Auflage, worin alle Bereiche der Blockflötenme-thodik für den Anfangsunterricht aufbereitet werden. Mit entsprechendenModifikationen lassen sich die Übungen auch im Einzelunterricht anwenden.Wir danken dem Verlag und der Autorin für die Genehmigung des Abdrucks.

    Sylvia Führer • Manfredo ZimmermannBlockflötenunterricht mit KindergruppenLehrbuch für kreativen AnfangsunterrichtEinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Kap. 1: Die allerersten Stunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Kap. 2: Lerntypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Kap. 3: Besondere Aspekte des Gruppenunterrichts . . . 31Kap. 4: Noten, Griffe und Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Kap. 5: Haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Kap. 6: Atmung, Tonbildung und Artikulation . . . . . . . . 55Kap. 7: Rhythmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Kap. 8: Bilder für den musikalischen Ausdruck . . . . . . . 83Kap. 9: Fingertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87Kap. 10: Auswendigspiel und Improvisation . . . . . . . . . 101Kap. 11: Das Üben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113Kap. 12: Stundenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129Lernmaterial „Griffe und Notennamen legen“ . . . . . . . 130Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

    Musikverlag Holzschuh, Manchingwww.holzschuh-verlag.de • ISMN M-2013-0014-6

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    Blockflötenunterricht mit Kindergruppen

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    Auswendigspielen ist für alle Musiker äußerstnützlich, selbst wenn es nur zu Übungszweckengeschieht. Natürlich spielen die eigenen Erfah-rungen des Lehrers eine große Rolle, wenn erseinen Studenten das gute Auswendigspielen ver-mitteln will. Diese Erfahrungen umfassen in denmeisten Fällen sowohl Erfolge als auch Miss -erfolge. Als heranwachsender Klavierstudentund später als Klarinettist habe ich Erfahrungenals Spieler sowie als Lehrer gemacht, die viel-leicht von Interesse sind, wenn man Methodenzum Gedächtnistraining erforschen will. Fünf-zehn Jahre als Lehrer für Klarinette und Musik-theorie auf College niveau fügen diesen Betrach-tungen eine weitere Dimension hinzu. SamanthaTschida, Studentin im Bereich Forschung, hatdie Musikstudenten an der Mon tana State Uni-versity befragt, so dass ihre Vorstellungen undErfahrungen in unsere Untersuchungen mit ein-fließen konnten. Umnoch mehr Anregungenzu erhalten, haben wiranlässlich des letztenKlarinetten-Festivals inPocatello, Idaho, eineDiskussionsrunde gelei-tet und eine Umfragedurchgeführt.

    Beim Auswendiglernenunterscheiden wir zwi-

    schen drei Arten der Gedächtnisleistung: der vi-suellen, der akustischen und der kinästhetischen.Beim visuellen Training geht es darum, sich dasNotenbild auf dem Blatt so genau wie möglicheinzuprägen. Die akustische Gedächtnisleistungbesteht darin, die Musik im Kopf zu hören, undin das motorische Gedächtnis graben sich die fürdas Stück nötigen Bewegungsabläufe der Fingerein. Für meine Studenten bedeutet das vor jedemauswendig gespielten Konzert folgendes: 1. siemüssen jede Note, die sie spielen werden, auf-schreiben können, 2. sie müssen das gesamteKonzert inklusive der Orchesterzwischenspielesingen können und 3. sie müssen das gesamteKonzert ohne zu Blasen stumm mit den Fingerngreifen können. Auf diese Art und Weise sind sieauch in Situationen, in denen eine der drei Ge-dächtnisleistungen ausfällt, optimal vorbereitet.

    Der Klarinettist und jeder andere Bläser muss sicheiner Herausforderung stellen, die Pianisten oderStreichern erspart bleibt: er muss während desVortrages in das Publikum schauen. Es verstehtsich von selbst, dass er das eigene Instrumentwährend des Spielens nicht anschauen kann, undwenn er die Augen während des Vortrags schließt,wirkt das entweder übertrieben dramatisch oderso, als wolle er das Publikum absichtlich aus-schließen. Die Kunst, das Publikum anzuschauen,ohne es zu se